Unternehmenskultur als Interkultur: Entwicklung und Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur am Beispiel deutscher Unternehmen in Thailand [1 ed.] 9783896449177, 9783896732071

Die oft schmerzhafte Erfahrung, dass sich kulturelle Unterschiede nicht einfach per Vorstandsbeschluss auflösen lassen,

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Unternehmenskultur als Interkultur: Entwicklung und Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur am Beispiel deutscher Unternehmen in Thailand [1 ed.]
 9783896449177, 9783896732071

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Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation

Stefanie Rathje

Unternehmenskultur als Interkultur Entwicklung und Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur am Beispiel deutscher Unternehmen in Thailand

Verlag Wissenschaft & Praxis

Unternehmenskultur als Interkultur

Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation herausgegeben von: Prof. Dr. Jürgen Bolten, Universität Jena Prof. Dr. Peter Oberender, Universität Bayreuth

Band 8

Stefanie Rathje

Unternehmenskultur als Interkultur Entwicklung und Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur am Beispiel deutscher Unternehmen in Thailand

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-207-2

© Verlag Wissenschaft & Praxis

Dr. Brauner GmbH 2004 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

5

Vorwort Die folgende Arbeit entstand als Dissertation im Fachbereich Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich bei ihrer Entstehung unterstützt haben: ‚Prof. Dr. Anna-Maria Rucktäschel (Universität der Künste Berlin) für die freundliche Betreuung ‚Prof. Dr. Jürgen Bolten (Friedrich-Schiller-Universität Jena) für die Übernahme des Koreferates und hilfreiche Anregungen bei der Einschränkung des Themas ‚Meinen 26 deutschen und thailändischen Interviewpartnern in Thailand für Ihre Gesprächsbereitschaft und Offenheit ‚Meinem Arbeitgeber, der Unternehmensberatung A.T. Kearney, für meine Freistellung und die finanzielle Unterstützung bei der Arbeit an meiner Dissertation ‚Dr. Paul Strunk, Executive Director der Deutsch-Thailändischen Handelskammer, für die Unterstützung meiner Forschungsarbeit in Thailand ‚Dr. Axel Foellmer (Bayer AG) und Dr. Jürgen Bonjer (H.C. Starck) für ihre Einladungen zur Teilnahme an thailändischen Unternehmensfeiern ‚Khun Chum für die Fahrten durch Bangkok, nach Rayong und Map Ta Phut ‚Khun Odd für ihren Einsatz ‚Den Expats von „La Cascade“ für ihre Zuwendung ‚Panida (Eak) Phootorn für ihre Hilfe bei der Suche nach einem deutschen Buch in der Bibliothek der Chulalongkorn-Universität Bangkok ‚Dr. Stephanie Grüger für Grounded-Theory-Diskussionen ‚Dr. Marianne Denk-Helmold für kritische Anmerkungen ‚Jürgen Isert für sein offenes Ohr und dem Berliner DTP für Layout-Hilfe ‚Khun Somboon für die gemeinsame Entdeckung von deutsch-thailändischem Humor ‚Christoph Erlenkamp für sein Korrektorat und ‚Meinen Eltern, meinem Bruder und meinem Freund für alles andere.

Berlin, im August 2003

Stefanie Rathje

7

Inhaltsübersicht 1. Einleitung................................................................................................................. 13 1.1. Ausgangssituation .......................................................................................... 13 1.2. Problemstellung und Forschungsziel ................................................................. 14 1.3. Forschungsfragen und Forschungsansatz ......................................................... 16 1.4. Aufbau der Arbeit ........................................................................................... 17 2. Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse ............................ 21 2.1. Methodenauswahl ......................................................................................... 21 2.2. Forschungsdurchführung ............................................................................... 27 3. Begriffsklärung und theoretische Grundlagen ........................................................... 47 3.1. Kultur und Interkultur ..................................................................................... 47 3.2. Unternehmenskultur ....................................................................................... 60 3.3. Zusammenfassung ......................................................................................... 83 4. Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur ........ 85 4.1. Interkulturelle Analyse des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils .......... 87 4.2. Deutsch-thailändische Interkultur ................................................................. 181 4.3. Zusammenfassung ....................................................................................... 202 5. Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext ......................... 205 5.1. Emergenz interkultureller Unternehmenskultu................................................... 206 5.2. Gestaltungsansätze interkultureller Unternehmenskultur ................................. 255 5.3. Zusammenfassung ....................................................................................... 277 6. Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur ................. 279 6.1. Anforderungen an das Konzept ..................................................................... 280 6.2. Vorgehensweise ........................................................................................... 283 7. Schlussbetrachtung .............................................................................................. 299 7.1. Grundlagen der Ergebnisse ........................................................................... 299 7.2. Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................. 300 7.3. Kritische Reflexion der Ergebnisse und Ausblick .............................................. 303 8. Anhang ............................................................................................................... 307 8.1. Abbildungsverzeichnis .................................................................................. 307 8.2. Code-Übersicht ............................................................................................ 311 8.3. Verzeichnis der thailändischen Begriffe .......................................................... 326 8.4. Literaturverzeichnis ...................................................................................... 327

8

Inhaltsverzeichnis 1.

Einleitung ............................................................................................................ 13

1.1. Ausgangssituation ............................................................................................... 13 1.2. Problemstellung und Forschungsziel ........................................................................ 14 1.3. Forschungsfragen und Forschungsansatz .............................................................. 16 1.4. Aufbau der Arbeit ................................................................................................ 17 2.

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse .......................... 21

2.1. Methodenauswahl ............................................................................................... 21 2.1.1. Gegenstandsangemessenheit .................................................................... 21 2.1.2. Vorgehensweise ....................................................................................... 23 2.1.3. Stärken und Schwächen ........................................................................... 25 2.1.4. Anwendung bei vergleichbaren Untersuchungsgegenständen ........................ 26 2.2. Forschungsdurchführung ..................................................................................... 27 2.2.1. Fallstudienauswahl .................................................................................... 27 2.2.1.1. Auswahl des interkulturellen Kontextes Deutschland –Thailand ...... 28 2.2.1.2. Auswahl der Unternehmen .......................................................... 31 2.2.2. Auswahl der Forschungsquellen ................................................................. 32 2.2.2.1. Interviews .................................................................................. 33 2.2.2.2. Unterstützende Quellen ................................................................ 34 2.2.3. Feldforschung .......................................................................................... 36 2.2.3.1. Vorbereitung der Feldforschung .................................................

36

2.2.3.2. Durchführung der Interviews und der weiteren Datensammlung ......................................................................... 37 2.2.4. Datenanalyse ........................................................................................... 39 2.2.5. Methodischer Umgang mit der Problematik des Kulturvergleichs ................... 42 2.2.5.1. Problematik kultureller Makroanalysen ......................................... 42 2.2.5.2. Problematik kultureller Mikroanalysen .......................................... 43 2.2.5.3. Kulturelle Stilforschung als angemessene Methode der Kulturbeschreibung ..................................................................... 43 3.

Begriffsklärung und theoretische Grundlagen ........................................................ 47

3.1. Kultur und Interkultur ......................................................................................... 47 3.1.1. Vielfalt des historischen Kulturbegriffs ........................................................ 48 3.1.1.1. Inhalte von Kultur ....................................................................... 49 3.1.1.2. Funktion und Gestaltbarkeit von Kultur ........................................ 51 3.1.1.3. Struktur von Kultur ..................................................................... 52 3.1.2. Das differenzorientierte Kulturmodell von Hansen ...................................... 54 3.1.3. Interkulturalität aus Sicht eines differenzorientierten Kulturbegriffs .............. 57

9 3.2. Unternehmenskultur ........................................................................................... 60 3.2.1. Vielfalt des Unternehmenskulturbegriffs .................................................... 60 3.2.1.1. Inhalte von Unternehmenskultur ................................................. 61 3.2.1.2. Funktion und Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur ................... 65 3.2.1.3. Struktur von Unternehmenskultur ................................................ 71 3.2.2. Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext ......................................... 77 3.2.2.1. Konsens-Perspektive ................................................................... 77 3.2.2.2. Konflikt-Perspektive .................................................................... 80 3.2.2.3. Komplexitäts-Perspektive ............................................................ 81 3.2.2.4. Schlussfolgerungen .................................................................... 82 3.3. Zusammenfassung .............................................................................................. 83 4.

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur....... 85

4.1. Interkulturelle Analyse des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils .............. 87 4.1.1. Der thailändische Wirtschaftsstil ............................................................... 88 4.1.1.1. Thailändischer Beziehungsaufbau ................................................ 88 4.1.1.2. Thailändisches Hierarchieverständnis ........................................... 96 4.1.1.3. Thailändisches Konfliktverhalten ................................................. 102 4.1.1.4. Thailändische Aufgabenbearbeitung ........................................... 113 4.1.2. Der deutsche Wirtschaftsstil .................................................................... 128 4.1.2.1. Deutscher Beziehungsaufbau ..................................................... 129 4.1.2.2. Deutsches Hierarchieverständnis ................................................ 133 4.1.2.3. Deutsches Konfliktverhalten ....................................................... 139 4.1.2.4. Deutsche Aufgabenbearbeitung .................................................. 145 4.1.3. Ergebnisdiskussion .................................................................................. 153 4.1.3.1. Diskussion des thailändischen Wirtschaftsstils .............................. 155 4.1.3.2. Diskussion des deutschen Wirtschaftsstils ................................... 169 4.1.3.3. Schlussfolgerungen für eine deutsch-thailändische Interkultur ...... 179 4.2. Deutsch-thailändische Interkultur ....................................................................... 181 4.2.1. Konfliktpotentiale ................................................................................... 181 4.2.1.1. Kommunikative Missverständnisse .............................................. 182 4.2.1.2. Konfliktverschärfung .................................................................. 189 4.2.2. Synergiepotentiale .................................................................................. 192 4.2.2.1. Loyalität ................................................................................... 193 4.2.2.2. Innovation ................................................................................ 194 4.2.2.3. Emanzipation ............................................................................ 195 4.2.3. Ergebnisdiskussion ................................................................................. 196 4.2.3.1. Diskussion deutsch-thailändischer Konfliktpotentiale .................... 198 4.2.3.2. Diskussion deutsch-thailändischer Synergiepotentiale .................. 201 4.3. Zusammenfassung ............................................................................................ 202

10 5.

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext ...................... 205

5.1. Emergenz interkultureller Unternehmenskultur .................................................... 206 5.1.1. Einflussmedien interkultureller Unternehmenskultur .................................. 207 5.1.1.1. Organisatorische Rahmenbedingungen ....................................... 207 5.1.1.2. Individuum ............................................................................... 208 5.1.2. Einflussfaktoren interkultureller Unternehmenskultur ................................. 210 5.1.2.1. Individuum ............................................................................... 210 5.1.2.2. Branche .................................................................................... 211 5.1.2.3. Wirtschaftssituation ................................................................... 213 5.1.2.4. Mutterunternehmen .................................................................. 214 5.1.2.5. Ursprungskultur ........................................................................ 218 5.1.2.6. Landeskultur ............................................................................ 219 5.1.2.7. Zusammenfassung ................................................................... 220 5.1.3. Dynamiken interkultureller Unternehmenskultur ....................................... 220 5.1.3.1. Anpassung ............................................................................... 223 5.1.3.2. Abwehr .................................................................................... 230 5.1.3.3. Integration ............................................................................... 233 5.1.3.4. Hybridisierung .......................................................................... 237 5.1.4. Ergebnisdiskussion ................................................................................. 243 5.1.4.1. Diskussion der Einflussfaktoren und –medien .............................. 244 5.1.4.2. Diskussion der Dynamiken ......................................................... 248 5.2. Gestaltungsansätze interkultureller Unternehmenskultur ...................................... 255 5.2.1. Leitbilder von Unternehmenskultur .......................................................... 256 5.2.1.1. Inhalte und Funktion ................................................................ 257 5.2.1.2. Gestaltbarkeit .......................................................................... 257 5.2.1.3. Gestaltungsmodus ................................................................... 259 5.2.2. Leitbilder von Interkulturalität ................................................................. 260 5.2.2.1. Gleichheitsdiagnose .................................................................. 261 5.2.2.2. Unterschiedlichkeitsdiagnose ..................................................... 262 5.2.3. Typen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung ... 265 5.2.3.1. Patronage („Vater“-Rolle) .......................................................... 266 5.2.3.2. Partizipation („Bewunderer“-Rolle) ............................................. 267 5.2.3.3. Partnerschaft („Kameraden“-Rolle) ............................................ 268 5.2.3.4. Neutralität („Richter“-Rolle) ....................................................... 268 5.2.3.5. Unterwerfung („Eroberer“-Rolle) ............................................... 269 5.2.3.6. Erfolgspotential ........................................................................ 270 5.2.4. Leitbilder interkultureller Unternehmenskultur .......................................... 270 5.2.5. Ergebnisdiskussion ................................................................................. 273 5.3. Zusammenfassung ............................................................................................ 277

11 6.

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur .............. 279

6.1. Anforderungen an das Konzept .......................................................................... 280 6.1.1. Anerkennung kultureller Differenz ........................................................... 280 6.1.2. Differenzierung zwischen kultureller Relativität und unternehmerischer Subjektivität ........................................................................................... 281 6.1.3. Berücksichtigung interkultureller Komplexität ........................................... 281 6.1.4. Realistische Umsetzungsorientierung ....................................................... 282 6.2. Vorgehensweise ................................................................................................ 283 6.2.1. Situationsbestimmung ............................................................................ 283 6.2.2. Entwicklung von Gestaltungszielen .......................................................... 288 6.2.3. Gestaltungsplanung ................................................................................ 292 6.2.4. Umsetzung und Erfolgskontrolle .............................................................. 295 6.3. Erfolgsfaktoren ................................................................................................. 296 7.

Schlussbetrachtung ........................................................................................... 299

7.1. Grundlagen der Ergebnisse ................................................................................ 299 7.2. Zusammenfassung der Ergebnisse ...................................................................... 300 7.3. Kritische Reflexion der Ergebnisse und Ausblick ................................................... 303 8.

Anhang ............................................................................................................ 307

8.1. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................ 307 8.2. Code-Übersicht ................................................................................................. 311 8.3. Verzeichnis der thailändischen Begriffe ............................................................... 326 8.4. Literaturverzeichnis ........................................................................................... 327

Einleitung

13

1. Einleitung

1.1. Ausgangssituation „The modern business enterprise has no place to hide. It has no place to go but everywhere.“ (Lane/di Stefano 2000, S. xiii)

In einer Zeit, in der das Postulat von Globalisierung bereits zum Allgemeinplatz geworden ist, wird die Welt der Wirtschaftsunternehmen nicht mehr länger durch nationale Grenzen definiert. Die zunehmende Internationalisierung folgt dabei ökonomischen Zwängen wie der allmählichen Sättigung der angestammten Inlandsmärkte, der Nutzung kostengünstiger Verfügbarkeit ausländischer Ressourcen, der Umsetzung von Skalenvorteilen oder der Notwendigkeit zu schnellem Technologietransfer (Stüdlein 1997, S. 3). Grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit wird so zur allgemeinen Unternehmensrealität, die sich in konkreten Zahlen niederschlägt: ‚Von 1989 bis 1999 haben sich ausländische Direktinvestitionen als typisches Maß für den globalen Internationalisierungsgrad weltweit von 224 US$ auf 827 Mrd. US$ fast vervierfacht (Fischer 2001, S. 33) und entsprechen dabei Auslandsniederlassungen in einer Gesamtzahl von ca. 280.000 (Apfelthaler 1999, S. 10). ‚Allein die deutschen Direktinvestitionen ins Ausland stiegen zwischen 1999 (131 Mrd. €) und 2000 (185 Mrd. €) um mehr als 40% (DIHT 2002). ‚Nach einer weltweiten Umfrage des 21st Century Report sehen mehr als zwei Drittel internationaler Geschäftsführer ausländischen Wettbewerb als Schlüssel zum Unternehmenserfolg und erwarten auch zukünftig ständig steigende Umsatz- und Beschäftigungsanteile aus internationalen Tochterunternehmen (Adler 2002, S.4). Die fortschreitende Internationalisierung stellt moderne Unternehmen aufgrund verstärkter Organisationskomplexität jedoch vor integrative Herausforderungen (Schreyögg 1993, S. 149). So müssen beispielsweise strategische und operative Unternehmensziele international harmonisiert, wirksame Verhaltensweisen im Umgang mit erhöhter Planungsunsicherheit entwickelt und Kontrollmechanismen zur Gewährleistung internationaler Qualitäts-, Kosten- oder Kommunikationsstandards etabliert werden. In der Vergangenheit hat sich hierzu das Konzept der Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor vor allem bei der Bewältigung organisationaler Komplexität und Ungewissheit etabliert (Alvesson/Berg 1992). Der Gedanke des Unternehmenskulturansatzes, Organisationen als „SinnSysteme mit spezifischen Überzeugungen, Werten und Symbolen“ (Schreyögg 2000, S. 435) zu begreifen, hat dabei zu der großen Popularität dieses Konzepts bei der Umsetzung organisatorischer Integration beigetragen. So wird funktionsfähiger Unternehmenskultur eine besondere Kohäsionskraft zugetraut, die innerhalb der Organisation Zusammenhalt erzeugt. Dieser Zusammenhalt kann sich beispielsweise äußern als:

14

Einleitung

‚Einschränkung des Kontrollaufwands durch indirekte Verhaltensregulation, ‚Beschleunigung von Entscheidungsfindungsprozessen durch die implizite Reduktion von Komplexität und Unsicherheit, oder ‚Steigerung der Mitarbeiteridentifikation und -motivation mit der Folge unternehmensinterner Konfliktvermeidung und Effizienzverbesserung (Schreyögg 2000, S. 463). Einer Übertragung national gewachsener Unternehmenskulturen auf internationale Tochterunternehmen wurde daher in der Vergangenheit hohe erfolgskritische Bedeutung bei der Unternehmensinternationalisierung zugeschrieben (Schreyögg 1993, S. 152). 1.2. Problemstellung und Forschungsziel „Man fühlt sich oft allein. Dann schaut man den Thais in die Augen und weiß einfach, der versteht mich nicht. Und man kann absolut nichts daran ändern.“

Diese resignierte Äußerung eines Expatriate-Managers1 eines deutschen Tochterunternehmens in Thailand macht deutlich: Den kulturellen Integrationsbemühungen der Unternehmenszentralen

stehen

in

der

praktischen

Realität

ihrer

Tochterunternehmen

unterschiedlichste

Wertvorstellungen und Verhaltensweisen der internationalen Mitarbeiter gegenüber, die sich oft als unüberwindlich erweisen. So hat gerade die verstärkte wirtschaftliche Internationalisierung der Unternehmen zu der häufig bitteren Erkenntnis des Managements geführt, dass „Menschen in anderen Ländern anders denken, urteilen und handeln“ (Apfelthaler 1999, S. 7). Die Gegenüberstellung in Abbildung 1 kontrastiert in diesem Sinne gut gemeinte Vorschläge aus vorhandenen Konzepten zur interkulturellen Unternehmenskultur mit Aussagen der alltäglichen Praxis interkultureller Zusammenarbeit und wirft damit beispielhaft grundlegende Fragen zu deren Gestaltung auf: ‚Wie können gemeinsame „Werte und Orientierungsmuster“ innerhalb internationaler Organisationen aufgebaut werden, wenn sich in der Praxis ein gemeinsamer Verständigungshorizont schon über grundlegende Fragen der Zusammenarbeit nur schwer herstellen lässt? ‚Wie können interkulturelle „Konflikte gemanagt“, gelöst oder vermieden werden, wenn das kulturelle Verständnis darüber, was überhaupt ein Konflikt ist, wann er vorliegt und was in diesem Fall adäquates Verhalten darstellt, grundsätzlich verschieden ist? ‚Wie können bei interkultureller Zusammenarbeit „Synergien“ erreicht werden, wenn oftmals schon die Ursache auftretender Probleme nur schwer bestimmt werden kann und damit die Voraussetzungen für eine gemeinsame Lösung gar nicht gegeben sind?

1

Unter Expatriate-Managern (oder auch Expatriates, kurz: Expats) sollen im Folgenden Mitarbeiter eines Unternehmens verstanden werden, die für einen begrenzten Zeitraum in ausländischen Niederlassungen des Unternehmens eingesetzt werden.

15

Einleitung

Theoretische Konzepte (Beispiele) Interkulturelle Unternehmenskultur • Gezielte Sozialisierung der ausländischen Gesellschaften in Stammhaus-Kultur • Entwicklung einer neuen, „amalgamierten“ Kultur mit gemeinsamen Werten und Orientierungsmustern

Aussagen aus der Praxis

1)

„Unternehmenskultur hier in Thailand ist nur teilweise gestaltbar. Weil wir als Ausländer immer nur an der Oberfläche kratzen können. [...] Wir können [...] Dinge anbieten, die dann auch aufgenommen werden oder manchmal eben nicht aufgenommen werden. Aber wir können nie so tief einsteigen, dass wir eine [...] Verschmelzung von diesen Kulturen erreichen können.“ „Ich kann die Leute nicht ändern. [...] Damit nimmt man jemandem ja auch seine Identität.“ „Ich halte es nicht für sinnvoll, in einem Tochterunternehmen [...] die deutsche Kultur verwirklichen zu wollen. Das ist [...] sinnlos. Wenn man versucht, irgendetwas aufzudrücken, das brodelt dann und irgendwann explodiert es.“

(Schreyögg 1993, S. 156)

Interkulturelles Konfliktmanagement • Gemeinsame Festlegung von Grundsätzen für kooperatives Konfliktmanagement • Einigung auf von beiden Seiten akzeptierte Konfliktdefinition (Stüdlein 1997, S. 345)

Interkulturelle Synergie • Nutzung kultureller Diversität zur Problemlösung • Effizienzsteigerung durch Erzeugung interkultureller Synergien

“The Germans are very direct. They want us to say directly what we think, even in a meeting. But that will never happen. […] In Thai society we will always respect the boss. Like we respect our grandfather. I will never say No to my grandfather. But because of that respect, there is always a distance. No matter how hard you try. Of course you can reduce this gap. But you will never overcome it.” “[When] the Thai get angry, we don't show. […] We don't open a discussion. Even if we understand the system, even though we understand how it works in Western countries. Even I would not just open a discussion with an expat. [...] I will just shut up.”

„Manchmal ist es sehr schwer. Man sieht, da ist ein Problem, und man hat keine Idee, warum überhaupt. Und wenn man nicht weiß, warum da ein Problem ist, kann man es ja auch nicht lösen. Und das ist also ... sehr, sehr schwer.“ „Ich versuche immer wieder mit meinen [thailändischen] Mitarbeitern zu sprechen, aber ich glaube nicht, dass ich da wirklich vorangekommen bin: Offen zu diskutieren. In einem Team offen Probleme anzusprechen und dann gemeinsam einen Weg zu finden, wie man da weiterkommt.“

(Adler 2002, S. 116)

1) Ausschnitte aus Interviews mit deutschen und thailändischen Managern deutscher Tochterunternehmen in Thailand

Abb. 1:

Gegenüberstellung theoretischer Konzepte und Praxisaussagen zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

Aufgrund dieser Problematik erscheint die Fülle anekdotische Berichte und quantitativer Statistiken zum Scheitern internationaler Unternehmenszusammenarbeit aufgrund kultureller Unterschiede nicht überraschend (vgl. u.a. Bolten 1999a, S. 25, Apfelthaler 1999, S. 12ff., Stüdlein 1997, S. 6ff., Müller 1993b, S. 29f.). Zusammen mit der verbreiteten Diagnose nationaler Subkulturen innerhalb grenzüberschreitender Unternehmensverbände (vgl. u.a. Buhr 1998, Koot 1997, Dahler-Larsen 1997) stellen sie ein Verständnis von internationaler Unternehmenskultur als homogenem, einheitsstiftendem Sinnsystem nachhaltig in Frage. Mit dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher kultureller Erfahrungshintergründe der Mitarbeiter in internationalen Unternehmen scheint die Vorstellung von kontinuierlich gewachsenen, stabilen Unternehmenskulturen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Unternehmenskultur wird zu einer flüchtigen, prozesshaften Interkultur, die grundsätzlich durch Heterogenität aufgrund fundamentaler kultureller Differenzen gekennzeichnet ist (Bolten 2000a). Unter diesen Voraussetzungen stellt sich die Frage, wie das Konzept Unternehmenskultur für eine erfolgreiche Unternehmensinternationalisierung überhaupt nutzbar gemacht werden kann. Gestaltungsansätze, die auf die Verbesserung der Funktionsfähigkeit von Unternehmenskultur, auf eine Steigerung des Unternehmenszusammenhalts zur Unterstützung des Internationalisierungserfolgs abzielen, müssen einerseits den komplexen interkulturellen Realitäten Rechnung tragen, andererseits müssen sie konkrete, implementierbare Handlungsvorschläge bieten. Existierende Konzepte von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext werden diesen Anforderungen von Realitätsnähe und Gestaltungspotential jedoch nur bedingt gerecht:

16

Einleitung

So schlagen Ansätze aus der eher betriebswirtschaftlich orientierten Forschung zwar Umsetzungskonzepte für die praktische Gestaltung von Unternehmenskultur vor. Sie reflektieren die Komplexität interkultureller Zusammenarbeit jedoch häufig nur unzureichend, wenn sie einerseits von der grundsätzlichen Möglichkeit internationaler Vereinheitlichung von Unternehmenskultur ausgehen (z.B. Heenan/Perlmutter 1979, Schreyögg 1993, Morosini 2001a, 2001b) oder geleitet von einer Haltung der „Kultureuphorie“ (Hansen 2000, S. 333) die Realisierung umfangreicher interkultureller Synergiepotentiale propagieren (Adler 2002). Demgegenüber bemüht sich eine eher soziologisch orientierte Forschung um eine differenziertere Diagnose der Komplexität interkultureller Zusammenarbeit (z.B. Koot 1997, Buhr 1998), die Entwicklung von praktischen Anwendungsmodellen unterbleibt jedoch häufig aufgrund eines nicht primär betriebswirtschaftlichen Forschungsinteresses. Die vorliegende Arbeit möchte dazu beitragen, diese Lücke zwischen Theorie und Praxis interkultureller Unternehmenskultur zu schließen. Ihr Forschungsziel ist es daher, ein realitätsnahes Konzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur zu entwickeln, um das kohäsive Potential des Konzepts Unternehmenskultur für die erfolgreiche Führung internationaler Unternehmen nutzbar zu machen. 1.3. Forschungsfragen und Forschungsansatz Aus der Problemstellung und dem Forschungsziel lässt sich folgende übergeordnete Forschungsfrage ableiten: ‚Wie kann interkulturelle Unternehmenskultur gestaltet werden, so dass der Unternehmenszusammenhalt angesichts kultureller Differenzen gestärkt und der Unternehmenserfolg gesteigert wird? Voraussetzung für die Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage und damit die Erfüllung der praktischen Zielsetzung einer Konzeptentwicklung zur erfolgreichen Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur ist ein erweitertes theoretisches Verständnis der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur, das die Komplexität kultureller Differenzen als Grundbedingung berücksichtigt, sowie eine Untersuchung der derzeitigen Management-Praxis ihrer Gestaltung. Hierzu soll daher ein differenzorientiertes Modell zur Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur erarbeitet werden, das als Grundlage für die anschließende Konzeptentwicklung folgende Forschungsfragen beantwortet: ‚Wie entwickelt sich interkulturelle Unternehmenskultur? − Wie wirken sich die unterschiedlichen kulturellen Eigenschaften der Mitarbeiter auf die Entwicklung einer interkulturellen Unternehmenskultur aus? − Welche weiteren Einflussfaktoren spielen bei der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur eine Rolle?

Einleitung

17

− Auf welche Weise finden die Einflussfaktoren ihren Niederschlag in der interkulturellen Unternehmenskultur? ‚Wie wird interkulturelle Unternehmenskultur in der Praxis gestaltet? − Welches Verständnis interkultureller Unternehmenskultur liegt ihrer Gestaltung zugrunde? − Welche Gestaltungskonzepte interkultureller Unternehmenskultur lassen sich in der Praxis identifizieren? Die Beantwortung der vorgestellten Forschungsfragen erfolgt insgesamt aus der interdisziplinären Perspektive interkultureller Kommunikationsforschung. Aufgrund der Komplexität des Erkenntnisinteresses wird ein qualitativer, theoriebildender Forschungsansatz gewählt. Dabei greift die Arbeit methodisch auf die gegenstandsbegründete Theorie nach Glaser und Strauss zurück (Glaser/Strauss 1967) und lehnt sich in ihrer Vorgehensweise im einzelnen an fallstudienorientierte Ansätze aus der Organisationsforschung an (Eisenhardt 1989, Yin 1994). Zusätzlich kommen im Rahmen der Untersuchung kultureller Unterschiede Methoden der interkulturellen Stilforschung zur Anwendung (Ammon 2001, Barmeyer 2001, Bolten 2001b). Den Gegenstand der Untersuchung bildet die Unternehmenskultur von Tochterunternehmen internationaler Firmen innerhalb eines interkulturellen Kontextes. Als konkrete Fallstudie wird hierzu das Beispiel deutscher Unternehmen in Thailand gewählt. Problemzentrierte Interviews mit deutschen und thailändischen Mitarbeitern der untersuchten Unternehmen sowie Unternehmenskommunikate bilden dabei die hauptsächlichen Forschungsquellen. 1.4. Aufbau der Arbeit Aus den vorgestellten Zielsetzungen ergibt sich folgender Aufbau der Arbeit: Kapitel 2 stellt die angewandte Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse vor. Dabei wird in einem ersten Schritt die Auswahl der Methode in Bezug auf ihre Gegenstandsangemessenheit im Rahmen der Untersuchung interkultureller Unternehmenskultur begründet. Eine Beschreibung der auf das Erkenntnisinteresse abgestimmten Vorgehensweise sowie eine Diskussion ihrer potentiellen Stärken und Schwächen einschließlich ihrer Anwendung bei vergleichbaren Untersuchungsgegenständen schließt sich an. In einem zweiten Schritt wird die konkrete Forschungsdurchführung der Fallstudienanalyse deutscher Unternehmen in Thailand beschrieben. Hierzu wird zunächst eine Begründung der Fallstudienauswahl sowie der Forschungsquellen vorgenommen, der Ablauf der Feldforschung bzw. der Datensammlung wird beschrieben und das angewandte Vorgehen bei der Datenanalyse anhand von Beispielen nachvollziehbar gemacht. Überlegungen zu einem sinnvollen methodischen Umgang mit der Problematik des Kulturvergleichs schließen die Methodendiskussion ab. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Klärung der relevanten Begriffe Kultur, Interkultur, Unter-

nehmenskultur und interkulturelle Unternehmenskultur sowie der Vorstellung des der Arbeit zugrunde liegenden theoretischen Vorverständnisses. Dabei wird zunächst ein Überblick über

18

Einleitung

die Vielfalt des historischen Kulturbegriffs hinsichtlich seiner Inhalte, Funktion und Struktur gegeben. Im Sinne des Erkenntnisinteresses wird auf dieser Basis ein differenzorientiertes Verständnis von Kultur entwickelt und daraus eine entsprechende Perspektive von Interkulturalität abgeleitet. Der anschließende Überblick über die Vielfalt des Unternehmenskulturbegriffs zeigt zahlreiche Entsprechungen zur Kulturdebatte auf. In Übertragung der Überlegungen zum Kulturbegriff wird der weiteren Untersuchung ebenfalls ein differenzorientiertes Verständnis von Unternehmenskultur zugrunde gelegt. Anhand der vertieften Untersuchung vorliegender Forschungsergebnisse zum Themenbereich interkultureller Unternehmenskultur wird das eingangs beschriebene Forschungsdefizit genauer herausgearbeitet und schließlich die Zielsetzung der Arbeit abgeleitet. Kapitel 4 stellt als erster Teil der Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung die interkulturellen Rahmenbedingungen einer deutsch-thailändischen Unternehmenskultur dar. Dabei werden in einem ersten Schritt die Unterschiede eines deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils anhand der Kategorien Beziehungsaufbau, Hierarchieverständnis, Konfliktverhalten und Aufgabenbearbeitung jeweils aus der interkulturellen Perspektive deutscher und thailändischer Manager dargestellt und mit den Ergebnissen bisheriger Forschung diskutiert. Auf Basis dieser Ergebnisse wird in einem zweiten Schritt anhand der Beschreibung kommunikativer Missverständnisse und Konfliktpotentiale sowie Synergiemöglichkeiten in der Zusammenarbeit von Deutschen und Thais das Bild einer spezifisch deutsch-thailändischen Interkultur entworfen und mit den Ergebnissen vergleichbarer Studien diskutiert. • Ausgangssituation und Problemstellung Kapitel 1

Einleitung

Kapitel 2

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

Kapitel 3

Begriffklärung und theoretische Grundlagen

Kapitel 4

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

Kapitel 5

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

Kapitel 6

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

Kapitel 7

Schlussbetrachtung

Abb. 2:

Aufbau der Arbeit

• Forschungsziele, Forschungsfragen und Forschungsansatz • Methodenauswahl • Forschungsdurchführung • Kultur und Interkultur • Unternehmenskultur

• Interkulturelle Analyse des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils • Deutsch-thailändische Interkultur • Emergenz interkultureller Unternehmenskultur • Gestaltungsansätze interkultureller Unternehmenskultur

• Anforderungen an das Konzept • Vorgehensweise und Erfolgsfaktoren

• Bedeutung der Ergebnisse • Ausblick

Einleitung

19

Kapitel 5 entwickelt als zweiter Teil der Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung auf Basis der interkulturellen Rahmenbedingungen ein allgemeines Modell von interkultureller Unternehmenskultur als Wechselspiel von Emergenz und gestaltender Einflussnahme. Die emergente Komponente interkultureller Unternehmenskultur wird dabei als ungesteuerter kommunikativer Prozess anhand einer Differenzierung verschiedener Einflussfaktoren, Einflussmedien und Einflussdynamiken untersucht. Auf Basis der Literaturdiskussion des entwickelten Modells erweist sich vor allem die Beobachtung der unterschiedlichen Einflussdynamiken Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung und ihrer spezifischen Manifestationen und Funktionen als neuartiger Ansatz zur Beschreibung der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur. Die Gestaltungskomponente interkultureller Unternehmenskultur wird anhand von Leitbildern von Unternehmenskultur und Interkulturalität untersucht, die innerhalb des befragten Managements vorherrschen. Auf Basis dieser Ergebnisse werden verschiedene Typen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung identifiziert. Vorhandene Gestaltungsansätze spiegeln dabei die bereits im Rahmen der Emergenz beobachteten vier Entwicklungsdynamiken wider und legen ihre gestalterische Einbeziehung in ein Handlungskonzept interkultureller Unternehmenskultur nahe. Kapitel 6 entwickelt auf Basis des Modells ein Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur. Dabei werden zunächst die eingangs formulierten Anforderungen mit Hilfe der Forschungsergebnisse präzisiert und dabei eine Anerkennung kultureller Differenz und die Berücksichtigung kultureller Komplexität in Form der identifizierten Einflussfaktoren und Entwicklungsdynamiken als Grundlagen des Konzepts festgelegt. Auf dieser Basis wird eine projektorientierte Vorgehensweise zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur aus Situationsbestimmung, Entwicklung von Gestaltungszielen, Gestaltungsplanung und Implementierung vorgeschlagen, mit Hilfe konkreter Fallstudienbeispiele illustriert und anhand unterschiedlicher Erfolgsfaktoren diskutiert. Kapitel 7 schließt die Arbeit mit einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung ab. Es zeigt einen Überblick über die gewonnenen Erkenntnisse, diskutiert ihre Bedeutung und Übertragbarkeit in Bezug auf vergleichbare Themenfelder und eröffnet auf dieser Grundlage einen Ausblick auf die zukünftige Forschung zum Thema interkultureller Unternehmenskultur.

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

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2. Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

2.1. Methodenauswahl Da die Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Unternehmenskultur in der Vergangenheit noch keine allgemein überlegene, dominante Herangehensweise hervorgebracht hat, ist die Wahl einer bestimmten Methode nicht von vorneherein vorgegeben. Vielmehr offenbart die Analyse vorliegender, vergleichbarer Arbeiten zum Thema Unternehmenskultur in diesem Zusammenhang eine Fülle verschiedener, je nach Erkenntnisinteresse stark differierender Forschungsansätze. So stellt beispielsweise Sackmann eine ausgesprochene Methodenheterogenität fest: „Culture in organizations has been studied in various ways depending upon the specific interests of the researcher. Approaches range from longitudinal ethnographic studies with a predominant focus on observations to in-depth interview methodologies and one-shot questionnaire approaches.“ (Sackmann 1991, S. 180)

Und auch Schein konstatiert im Zusammenhang der methodischen Erfassung und Beschreibung von Unternehmenskultur: „Für dieses Vorgehen gibt es bisher noch kein Patentrezept“ (Schein 1995, S. 157). Da in dieser Arbeit die inhaltliche Auseinandersetzung mit Unternehmenskultur im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses der Arbeit steht und nicht etwa die Anwendung einer spezifischen Methodologie2, konnte die Auswahl der Methode daher erkenntnisgetrieben, einzig den Anforderungen des Untersuchungsgegenstandes verpflichtet, erfolgen. 2.1.1. Gegenstandsangemessenheit Für eine Auswahl der geeigneten Methodenstrategie schlägt Yin zur grundsätzlichen Entscheidung zwischen quantitativen und qualitativen Herangehensweisen in diesem Zusammenhang drei Kriterien vor: „(a) the type of research question posed, (b) the extent of control an investigator has over actual behavioral events, and (c) the degree of focus on contemporary as opposed to historical events.“ (Yin 1994, S. 4)

Im Vergleich zu einer quantitativen Erhebung, die eher für eine Beantwortung deskriptiver Forschungsfragen geeignet ist („Who, what, where, how many, how much“, Yin 1994, S.6) bietet sich aus seiner Sicht die Anwendung qualitativer Fallstudienanalysen besonders dann an, wenn die Forschungsfrage einen eher erklärenden Schwerpunkt besitzt („How, why“, Yin 1994, S. 6). Vor diesem Hintergrund muss die vorliegende Arbeit schon aufgrund ihrer zentralen Frage, wie und warum sich Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext in bestimmter Weise entwickeln, eher letzterer Gruppe zugeordnet werden.

2

Vgl. in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Kern (1990) zur empirischen Prüfung bestehender Organisationskultur-Theorien sowie Sourisseaux (1994) zur Anwendung einer facettentheoretischen Methodik.

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

Darüber hinaus erweisen sich vor allem drei Eigenschaften des Forschungsgegenstands als ausschlaggebend für eine eher qualitativ orientierte Methodenauswahl: ‚Theoriemangel Wie oben gezeigt, liegt bisher keine umfassende, empirisch überprüfbare Theorie zur Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext vor. Bereits vorliegende Erkenntnisse zur Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext sind bruchstückhaft und teilweise widersprüchlich (vgl. auch Kapitel 3.2.2). Es besteht daher keine ausreichende Basis für ein hypothesenüberprüfendes Verfahren. ‚Theoriebedarf Die voranschreitende Globalisierung erzeugt und verstärkt seitens der Unternehmen den Bedarf nach handlungsleitenden Erklärungsmodellen zur Entwicklung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext. Die Entwicklung eines „neuen“ Modells erscheint daher sinnvoller als die Überprüfung bestehender Teilmodelle. ‚Prozess-Fokus Das Erkenntnisinteresse der Entwicklung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext legt eine prozesshafte Untersuchung des Forschungsgegenstandes nahe, dem mit einer quantitativen Erhebung aufgrund ihrer Statik nur schwer entsprochen werden kann. Aufgrund dieser Eigenschaften erfüllt der Forschungsgegenstand die Kriterien, die beispielsweise Eisenhardt als Voraussetzungen für die sinnvolle Anwendung einer theoriebildenden qualitativen Forschungsmethodik nennt: „When is it appropriate to conduct theory-building case study research?[…] When little is known about a phenomenon, [when] current perspectives seem inadequate because they have little empirical substantiation, or they conflict with each other […] [When] serendipitous findings in a theory-testing study suggest the need for a new perspective […] [When] studying the new area of longitudinal change processes.“ (Eisenhardt 1989, S. 547f.)

Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die Anwendung qualitativer Forschungsmethoden im Allgemeinen dann anbietet, wenn Forscher sich mit komplexen sozialen Kontexten konfrontiert sehen, „die so neu sind, daß ihre klassischen deduktiven Methodologien – die Fragestellungen und Hypothesen aus theoretischen Modellen ableiten und an der Empirie überprüfen – an der Differenziertheit der Gegenstände vorbeizielen“ (Flick 2000, S.10). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit zeigten analog hierzu vorbereitende Diskussionen mit möglichen Untersuchungsteilnehmern, dass das gewählte Forschungsthema im Spannungsfeld von Nationalkulturen, Unternehmens- und Branchenkulturen sowie individuellen Verhaltensweisen und Wertvorstellungen eine Komplexität und Vielschichtigkeit aufweist, der mit einer quantitativen Umfrage mittels standardisierten Fragebögen kaum adäquat beizukommen ist. In Bezug auf die grundsätzliche Entscheidung zwischen einer eher quantitativen oder qualitativen Methodik wurde daher von einem quantitativ-hypothesenüberprüfenden Forschungsansatz abgesehen zugunsten einer eher qualitativen, theoriebildenden Herangehensweise, die im Folgenden genauer beschrieben werden soll.

23

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

2.1.2. Vorgehensweise Die vorliegende Arbeit greift mit ihrer qualitativen Methodik grundsätzlich auf den gegenstandsbegründeten Forschungsansatz der Grounded Theory zurück, wie sie in den sechziger Jahren besonders von Glaser und Strauss entwickelt wurde (vgl. Glaser/Strauss 1967 und Glaser/Strauss 1979)3. In ihrer genauen Vorgehensweise lehnt sich die Arbeit aufgrund der thematischen Nähe darüber hinaus stark an fallstudienorientierte Methodologien aus dem Bereich der Organisationsforschung an, wie sie sich beispielsweise bei Eisenhardt (1989) und Yin (1994) finden. Als allgemeiner Ansatz einer solchen qualitativen, theoriebildenden Fallstudienforschung lässt sich die induktive Entwicklung von Theorien oder theoretischen Modellen auf Basis detaillierter Einzelfallanalysen verstehen. Diesem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass eine direkte und enge Verbindung mit der empirischen Realität, wie sie in einer Fallstudie hergestellt werden kann, eine grundlegende Voraussetzung zur Entwicklung einer überprüfbaren, relevanten und validen Theorie bildet (Eisenhardt 1989, S. 532, vgl. auch Glaser/Strauss 1967). Yin definiert in diesem Zusammenhang: „A case study is an empirical inquiry that investigates a contemporary phenomenon within its real-life context, especially when the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident.“ (Yin 1994, S. 13). Prozess-Schritt Forschungsvorbereitung

• Definition der Grundgesamtheit • Auswahl nach theoretischen, nicht Zufalls-Gesichtspunkten

Auswahl der Forschungsquellen

• Auswahl mehrerer, ergänzender Erhebungsmethoden (z.B. Interviews, Kommunikate und Beobachtungen)

Feldforschung

• Iterative Datenerhebung und Analyse • Flexibilität der Erhebungsmethoden

Datenanalyse

• Intra-Fallstudienanalyse zum tiefgehenden Verständnis • Inter-Fallstudienanalyse zur Identifikation von Mustern

Literaturvergleich und -diskussion Untersuchungsabschluß

3

• Erarbeitung der Forschungsfrage • Auswahl von „A priori“-Konstrukten • Keine feste Hypothesenbildung

Fallstudienauswahl

Hypothesenentwicklung

Abb. 3:

Aktivität

• Iterative tabellarische Erfassung von Beispielen/Beweisen für entstehende Konstrukte • Suche nach Erklärungsmöglichkeiten für gefundene Muster • Diskussion mit abweichender und unterstützender Literatur • Evtl. Neuinterpretation der Ergebnisse • Theoriebildung unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus der Fallstudienforschung und der Literaturdiskussion

Iteration

Vorgehensweise Forschungsprozess (nach Eisenhardt 1989)

Zu den theoretischen Grundlagen der Grounded Theory vgl. auch Strauss (1994), Glaser (1992, 1998) und Dey (1999).

24

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

Zu diesem Zweck zielt die Fallstudienanalyse besonders auf das genaue Verständnis der inneren Dynamik eines nach Erkenntnisgesichtspunkten ausgewählten Rahmens ab. Sie kann dabei einerseits innerhalb eines „Falls“ mehrere Analyseebenen umfassen, andererseits auch mehrere verwandte „Fälle“ beleuchten (Yin 1994, S. 14). Die genaue Wahl der Forschungsquellen bleibt dem Forscher darüber hinaus je nach den Erfordernissen seines Untersuchungsinteresses freigestellt, allerdings erfordert die aufgrund der detaillierten Analyse notwendigerweise geringe Fallzahl des Betrachtungsrahmens zur Erhöhung der Ergebnisplausibilität zusätzliche Bestätigung durch die Verwendung mehrerer Arten von Datenquellen und die einfließende Diskussion bestehender Theorien: „The case study inquiry copes with the technically distinctive situation in which there will be many more variables of interest than data points, and as one result relies on multiple sources of evidence, with data needing to converge in a triangulating fashion, and as another result benefits from the prior development of theoretical propositions to guide data collection and analysis.“ (Yin 1994, S. 13).

Auf Basis dieser allgemeinen Grundlagen ergibt sich ein iterativer Forschungsprozess, der in einem Wechselspiel zum einen auf vielfältige Datenquellen, zum anderen auf schon bestehende Theoriefundamente zurückgreift. Für die vorliegende Arbeit wurde ausgehend von dem allgemeinen Forschungsprozess qualitativer, theoriebildender Fallstudienanalyse nach Eisenhardt (1989, S. 533) eine auf das Erkenntnisinteresse abgestimmte Vorgehensweise entwickelt, die insgesamt aus acht miteinander in Wechselwirkung tretenden Schritten besteht (siehe Abbildung). Charakteristisch für die gewählte Vorgehensweise ist, dass im Gegensatz zu hypothesengetriebener Forschung keine ex ante Hypothesenfestlegung auf Basis bestehender Theorien erfolgt. Die einleitende Beschäftigung mit der vorliegenden Literatur dient vielmehr primär zur Identifikation und genauen Definition der Forschungsfrage und zur Auswahl ausdrücklich vorläufiger „A priori“-Konstrukte (Eisenhardt 1989, S. 536), die als theoretische Ausgangspunkte zur systematischen Strukturierung des Forschungsdesigns verwendet werden. So betont beispielsweise Mintzberg: „No matter how small our sample or what our interest, we have always tried to go into organizations with a well-defined focus – to collect specific kinds of data systematically.“ (Mintzberg 1979, S. 585)

Ein weiteres Kennzeichen theoriebildender Fallstudienanalyse ist darüber hinaus, dass die Auswahl der „Forschungsstichprobe“ aus der Grundgesamtheit nicht wie in quantitativer Forschung nach statistischen Gesichtspunkten erfolgt, sondern vielmehr den theoretischen Anforderungen des Erkenntnisprozesses folgt. Auf diese Weise ergibt sich ein iterativer Prozess aus Fallstudienauswahl, Datenerhebung und Datenanalyse, wobei die Suche nach Erklärungsmöglichkeiten für die jeweils gefundenen Daten häufig eine erneute Datenerhebung nach sich zieht, die wiederum eine erweiterte Auswahl sinnvoller Fallstudien voraussetzen kann. Auf diese Weise folgt der Forschungsprozess selbst sehr eng den jeweils schon erhobenen Daten und vertieft zusätzlich die systematische Verbindung aus theoretischem Forschungsergebnis und realem Forschungsgegenstand:

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

25

„This flexibility is not a license to be unsystematic. Rather, this flexibility is controlled opportunism in which researchers take advantage of the uniqueness of a specific case and the emergence of new themes to improve resultant theory.“ (Eisenhardt 1989, S. 539)

Gerade diese gewünschte Nähe zwischen Theorie und Fallstudienbeispiel macht jedoch darüber hinaus eine abschließende intensive Diskussion der Forschungsergebnisse mit der vorhandenen Literatur zwingend notwendig, um die häufig sehr konkreten, stark einzelfallorientierten Daten auf ein konzeptuell höheres Abstraktionsniveau zu heben und ihre Generalisierbarkeit zu verstärken. Aus diesem Grund erfolgt der Schritt des Literaturvergleichs im Gegensatz zu hypothesengetriebener Forschung hauptsächlich in enger Verzahnung mit der abschließenden Hypothesenentwicklung. 2.1.3. Stärken und Schwächen Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung der gewählten Methodik ist die genaue Kenntnis ihrer spezifischen Stärken und Schwächen, um einerseits aus ihren besonderen Vorteilen größtmöglichen Nutzen zu ziehen und andererseits mögliche Risiken der Methodik früh identifizieren und minimieren zu können. So bietet die beschriebene Vorgehensweise qualitativer theoriebildender Fallstudienforschung eine Reihe von Vorteilen und besonderen Stärken, die ihre Anwendung gegenüber anderen Methodologien sinnvoll erscheinen lassen. Ihr größter Nutzen liegt hierbei vermutlich in der grundsätzlichen Möglichkeit, neuartige Theorien zu entwickeln, da die detaillierte Auseinandersetzung mit den häufig widersprüchlichen Realitäten einer Fallstudienanalyse die Entdeckung neuer Zusammenhänge besonders fördert. Unterstützend wirkt in diesem Zusammenhang die Erfahrung, dass kreative Problemlösungen häufig gerade aus der Gegenüberstellung von Widersprüchen oder Paradoxien entstehen (Cameron/Quinn 1988), da die Suche nach Mustern in einer heterogenen Datenbasis das kognitive Verlassen herkömmlicher theoretischer Ansätze begünstigt: „Building theories from case studies centers directly on […] juxtaposition. That is, attempts to reconcile evidence across cases, types of data, [...] and between cases and literature increases the likelihood of reframing into a new theoretical vision.“ (Eisenhardt 1989, S. 546)

Desweiteren erweisen sich Ergebnisse aus konsequent angewendeter Fallstudienforschung im Gegensatz zu deduktiver Theoriebildung als zumeist empirisch messbar und überprüfbar, da sie im Rahmen des vorhergehenden Forschungsprozesses bereits mehrfachen Verifizierungen unterzogen wurden. So hat die bisherige theoriebildende Fallstudienforschung gezeigt, dass ihre Ergebnisse insgesamt einen starken Realitätsbezug aufweisen und sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als empirisch valide herausstellen, da jedes Forschungsergebnis direkt mit den zugrundeliegenden erhobenen Daten verknüpft ist: „In well-executed theory-building research, investigators answer to the data from the beginning of the research [...] This intimate interaction with actual evidence often produces theory which closely mirrors reality.“ (Eisenhardt 1989, S. 547)

26

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

Neben diesen Vorzügen birgt die Vorgehensweise auf der anderen Seite, wie jede spezifische Methodik, auch eigene Schwächen oder Risiken, die bei der Forschungsdurchführung beachtet werden müssen. So kann beispielsweise gerade die intensive Nutzung und Verwertung der zugrunde liegenden vielfältigen Datenbasis in dem Bemühen, alles Vorgefundene zu berücksichtigen, dazu führen, dass die abschließenden Ergebnisse eine Komplexität aufweisen, die ihre Verständlichkeit und mögliche Anwendbarkeit einschränkt (Yin 1994, S. 10). Eine Forschungsarbeit, in der eine theoriebildende Fallstudienanalyse sinnvoll zur Anwendung kommen soll, muss daher trotz des Detaillreichtums ihrer Datenbasis ständig bemüht sein, einen dem Erkenntnisinteresse angemessenen Abstraktionsgrad zu erreichen, um eine allgemeine Fassbarkeit und Übertragbarkeit ihrer Erkenntnisse sicherzustellen. Ein zweites Risiko besteht in der per se stark am Einzelfall orientierten Herangehensweise, welche immer auch die Gefahr einer möglicherweise zu engen Theorieentwicklung mit sich bringt. Gerade aufgrund ihres starken Realitätsbezugs bleiben qualitative Fallstudienanalysen häufig im Einzelfall verhaftet und führen im Extremfall zwar zu relativ exakten Wiedergaben von Wirklichkeit, liefern aber im Umkehrschluss keine generalisierbaren Theoriemodelle: „Case study theory building is a bottom up approach such that the specifics of data produce the generalizations of theory. The risks are that the theory describes a very idiosyncratic phenomenon or that the theorist is unable to raise the level of generality of the theory.” (Eisenhardt 1989, S. 547)

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll dieser Gefahr besonders durch den Einbezug zahlreicher Teilstudien innerhalb der übergreifenden Fallstudie entgegengewirkt werden, um die Identifikation übergeordneter Muster zu erleichtern und auf diese Weise ein dem Untersuchungsgegenstand angemessenes Generalisierungsniveau zu erhalten. Der damit verbundene ungleich höhere Erhebungs- und Auswertungsaufwand wurde hierbei zugunsten der Ergebnisqualität in Kauf genommen: „Good qualitative research is exceptionally time-consuming and labor intensive, making large samples of subjects – not to mention organizations – difficult, although not impossible.“ (Martin, 1992, S. 66)

2.1.4. Anwendung bei vergleichbaren Untersuchungsgegenständen Mit der gewählten Forschungsmethode der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse steht die vorliegende Arbeit in der Tradition zahlreicher Studien im Bereich der Erforschung von Unternehmenskultur. So stellt beispielsweise Martin fest: „Cultural research […] has been reasonably successful in legitimating qualitative methods, renewing interest in subjective phenomena and encouraging researchers to question their assumptions about objectivity.“ (Martin 1992, S. 65)

In ihrer grundlegenden Studie „Cultures in Organizations – Three Perspectives“ beschränkt sie sich daher auf die detaillierte Untersuchung eines einzelnen Unternehmens und weist anhand der Analyse zahlreicher qualitativer Interviews mit Mitarbeitern dieses Unternehmens das gleichzeitige Vorhandensein drei unterschiedlicher Sichtweisen von Unternehmenskultur nach

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

27

(vgl. Martin 1992). Eine ähnliche Herangehensweise findet sich darüber hinaus bei Sackmann, die ihr Modell von kulturellem Wissen in Unternehmen auf der qualitativen Inhaltsanalyse zahlreicher Tiefeninterviews mit Mitarbeitern eines einzelnen Unternehmens gründet (vgl. Sackmann 1991): „A questionnaire approach [...] was considered inappropriate. Due to the lack of empirical knowledge about culture in organizations, such a deductive approach would require many assumptions made by the researcher. Based on the evaluation of the existing literature and the lack of empirical knowledge, […] only an inductive or heuristic approach could answer the questions posed in a satisfactory way.“ (Sackmann 1991, S. 180)

Auch im Forschungsbereich Interkulturelles Management sowie Interkulturelle Kommunikation lassen sich zahlreiche Beispiele für erfolgreich angewandte qualitative Untersuchungmethoden finden. So entwickelt Stüdlein aufgrund mangelnder vorhandener Theorien und erklärtem Praxisbezug ihr Konzept zum Management von Kulturunterschieden auf Basis qualitativer Experteninterviews: „[Aufgrund] des relativ geringen Forschungsstandes, folgt die Arbeit einem qualitativen Forschungsansatz, da dieser insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass die Realität die Forschungsfragen prägt und dass diese dann die Methodenwahl beeinflussen.“ (Stüdlein 1997, S. 13)

Und auch Buhr greift bei ihrer fallstudienartigen Untersuchung von Integrationsprozessen im interkulturellen Kontext auf die Analyse qualitativer Interviews mit Mitarbeitern eines einzelnen Unternehmens zurück, die mit historischen Textdokumenten aus der Unternehmensgeschichte angereichert werden (vgl. Buhr 1998). Auf den bestehenden Erfahrungen aufbauend wurde daher für die vorliegende Arbeit ebenfalls ein Fallstudienansatz gewählt, der seine Erkenntnisse primär aus qualitativen Experteninterviews, ergänzt durch vielfältige begleitende Quellen, bezieht und dessen konkrete Durchführung im folgenden genauer beschrieben werden soll. 2.2. Forschungsdurchführung

2.2.1. Fallstudienauswahl Bei der Auswahl der zugrunde liegenden Fallstudien wurde zunächst zur Operationalisierung der Forschungsfrage eine thematische Eingrenzung vorgenommen. Da die Erforschung der allgemeinen Entwicklung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext im Vordergrund des Erkenntnisinteresses steht, müsste eine entsprechende Forschungsarbeit idealerweise ver-

schiedene Unternehmen in verschiedenen interkulturellen Kontexten untersuchen. Da ein solch breites Vorgehen jedoch aus Gründen der Umsetzbarkeit im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht praktikabel war, bot es sich an, die Forschungsfrage stattdessen beispielhaft anhand ei-

nes ausgewählten interkulturellen Gegensatzes im Rahmen verschiedener UnternehmensTeilstudien zu untersuchen. Eine solche Vorgehensweise besitzt den Vorteil, dass gefundene Gemeinsamkeiten zwischen den Teilstudien sich in jedem Fall plausibel zumindest für den gewählten interkulturellen Kontext generalisieren lassen, während eine Beschränkung auf die Un-

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

tersuchung eines Unternehmens in verschiedenen interkulturellen Kontexten demgegenüber aufgrund ihres möglichen Einzelfallcharakters nur wenig verallgemeinerbare Aussagen ergeben hätte. Es wurde darüber hinaus bewusst vermieden, die Untersuchung als Reihe einzelner Fallstudien zu betrachten, da in diesem Fall die Analysen pro Unternehmen tiefer hätten ausfallen müssen, was wiederum eine größere Fallzahl teilnehmender Unternehmen verhindert hätte. Nach Yin handelt es sich bei dem gewählten Forschungsdesign folglich um den Typus der „single case embedded“-Analyse (Yin 1994, S. 38 ff.), die sich dadurch auszeichnet, dass in eine übergeordnete Fallstudie, die in der vorliegenden Untersuchung dem gewählten interkulturellen Kontext entspricht, mehrere kleinere Analyseeinheiten (Unternehmensteilstudien) eingebettet werden, um gemeinsame Muster identifizieren zu können. 2.2.1.1. Auswahl des Interkulturellen Kontextes Deutschland – Thailand Yin nennt zwei relevante Kriterien, die eine Verwendung des „Single Case“-Typus angemessen erscheinen lassen: zum einen die Untersuchung von Extrem-Fällen („Extreme Case“, Yin 1994, S. 38), die bestimmte Forschungszusammenhänge in einzigartiger Weise deutlich werden lassen, und zum anderen die Untersuchung von besonders aussagekräftigen Fällen („Revelatory Case“, Yin 1994, S. 41), deren deskriptive Information allein schon bestimmte Erkenntnisinteressen befriedigt. Aufgrund dieser Kriterien fiel bei der Auswahl der spezifischen Fallstudie, in diesem Fall also der Auswahl des interkulturellen Kontextes, die Wahl auf die Untersuchung deutscher Unternehmen in Thailand, eine Entscheidung, die im folgenden näher begründet werden soll: ‚Ausprägung des Kulturkontrastes Deutschland-Thailand Die Stärke des kulturellen Kontrastes zwischen deutschem und thailändischem Wirtschaftsstil als „Extreme Case“ demonstriert sich zunächst eingebettet in den übergeordneten kulturellen Gegensatz aus dem, was gemeinhin als „Westen“ und als „Osten“ bezeichnet wird. Die allgemeinen kulturellen Unterschiede zwischen den von Hall zusammengefasst als „AE“-Kulturen (= Amerikanische und Europäische Kulturen, vgl. Hall 1989b, S. 14) bezeichneten Ländern und den Ländern Asiens sind in der kulturvergleichenden Literatur oft beschrieben worden. Gerade in für das Arbeitsleben relevanten Bereichen haben zahlreiche Autoren in der Vergangenheit tiefgehende kulturelle Unterschiede identifizieren können. Ausgehend von den klassischen anthropologischen Studien nach Hall, die besonders die Unterschiede im Bereich des Kommunikationsverhaltens und des Umgangs mit Zeit betonen4, stellen beispielsweise neuere Untersuchungen Differenzen zwischen östlicher und westlicher Welt im Planungsverständnis (Synn 1994), im Konfliktverhalten (Günther 1993, Matthes 1991) sowie in der Rolle der Arbeit für die Identitätskonstitution (Hermanns/Zhao 1994, Slagter/Kerbo 2000, S.10f) dar.

4

Vgl. hierzu Halls Unterscheidung in „High“- und „Low Context Cultures“ (Hall 1989b, S. 60ff., vgl. hierzu ebenfalls Hall 1990a, 1990b, 1989a), bzw. „Monochronic“ und „Polychronic Cultures“ (Hall 1989b, S. 44ff.), sowie die Übersichtsdarstellungen bei Apfelthaler (1999, S. 47f.).

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

29

Der spezielle Gegensatz zwischen Deutschland und Thailand scheint darüber hinaus für sich genommen jedoch aufgrund spezifischer kultureller Eigenheiten der beiden Länder gerade in Bezug auf das Wirtschaftsleben einen besonders interessanten Kontrast zu bilden: „ ‚Thailand halte ich für das schwierigste Land in Asien’, so die Aussage eines deutschen Managers, der seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen asiatischen Ländern lebt.“ (Brinkama/Richter/Zhong 1996, S. 1)

So stellen beispielsweise Untersuchungen zur thailändischen Kultur oft gerade den sprichwörtlichen thailändischen Lebensgenuss (th.: sanuk) heraus, der sich in einer für Asien außergewöhnlich starken Verbindung aus Arbeits- und Privatsphäre sowie einem teilweise spielerischen Umgang mit der täglichen Arbeit äußere (vgl. Cooper/Cooper 1982b, Brinkama/Richter/Zhong 1996, Holmes/Tangtongtavy 1995). Für Deutschland diagnostizieren demgegenüber zahlreiche Studien eine im Vergleich zur restlichen westlichen Welt äußerst extreme Trennung von Arbeits- und Privatleben, verbunden mit dem ausgeprägten Hang, Arbeit grundsätzlich als Anstrengung zu definieren (vgl. Hall 1989b, Zeidenitz/Barkow 2000, Watson 1992, Hermanns/Zhao 1994). Analog zu diesem eklatanten Gegensatz lassen sich zahlreiche weitere, speziell deutsch-thailändische Kontraste identifizieren, die eine Untersuchung dieser beiden Kulturen besonders ergiebig erscheinen lassen. Die Auswahl bietet darüber hinaus den weiteren Vorteil, dass der besondere Gegensatz zwischen deutscher und thailändischer Wirtschaftskultur in der wissenschaftlichen Literatur bis auf Einzelfälle, die sich meist auf spezielle linguistische oder Alltags-Probleme beziehen (vgl. Tiedemann 1993 und Ampha 1978) noch kaum umfassend beleuchtet wurde5, so dass eine interkulturelle Analyse über das allgemeine Erkenntnisinteresse der Untersuchung hinaus spezfische, für betroffene Unternehmen direkt anwendbare Erkenntnisse liefern kann. Der allgemeinen Datenanalyse wird daher eine detaillierte wirtschaftsbezogene Analyse der interkulturellen Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur vorangestellt (siehe Kapitel 4). ‚Thailand als für Deutschland relevanter Markt Für die wirtschaftliche Wichtigkeit Thailands als einem der wichtigsten Märkte für deutsche Unternehmen in Südostasien im Sinne eines „Revelatory Case“ sprechen verschiedene Argumente: So erwirtschaftet Thailand im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten schon seit Jahren das größte Bruttoinlandsprodukt, obwohl es von der Bevölkerung her nur das viertgrößte Land Südostasiens darstellt (siehe Abbildung). Die Attraktivität Thailands für ausländische Investoren demonstriert sich daneben besonders in der Tatsache, dass Thailand im Vergleich zu seinen bevölkerungsreichen Nachbarstaaten als eines der liberalsten und der Weltwirtschaft gegenüber aufgeschlossensten Länder der Region gilt: Innerhalb der Klassifizierung der Heritage Foundation und des „Wall Street Journal“ zur wirtschaftlichen Freiheit von 161 Staaten rückte Thailand beispielsweise zwischen 1999 und

5

Die nach Wissen der Autorin zu diesem Zeitpunkt einzige wirtschaftsspezifische Untersuchung der Unterschiede zwischen Deutschland und Thailand findet sich bei Brinkama/Richter/Zhong (1996). Es handelt sich hierbei jedoch um eine sehr auf die deutsche Perspektive fokussierte, rein deskriptive Zusammenfassung von Interviews mit deutschen Expatriates in Thailand.

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

2000 vom 46. auf den 27. Platz in der Rangliste vor, während Malaysia, Vietnam, Myanmar und Laos weit abgeschlagen auf den Plätzen 75, 144, 145 und 150 rangierten (bfai 2001, S. 15). So gilt das Land bei großen deutschen Investoren aufgrund dieser wirtschaftlichen Freiheit sowie seiner günstigen Lage als wichtiger Ausgangspunkt innerhalb einer umfassenden SüdostasienStrategie. Der deutsche Geschäftsführer der thailändischen Tochtergesellschaft der Bayer AG betont in diesem Zusammenhang: „…Thailand is strategically positioned in the center of South-East Asia and is the gateway to the former Indochinese countries, China and East Asia […] The relative freedom and the social peace in the ‘Land of the Free’, together with the open-mindedness and efficiency of institutions […] are helping to create a positive atmosphere of trust that is strong enough to safeguard heavier investments.“ (Foellmer 2001, S. 31)

Bevölkerung 2000

Bruttoinlandsprodukt 2000

(in Mio Einwohner)

210,0

Indonesien Vietnam

76,5

Philippinen

76,8

Thailand Malaysia Singapur

Abb. 4:

(in Mrd. US$)

126,0 28,6 75,3

62,3

131,3 78,8

23,3 4,0

93,4

Bruttoinlandsprodukt (BIP), Bevölkerungsgröße in Südostasien (nach: bfai 2000, S. 9 u. 11)

Indikator

(als Änderung gegenüber dem Vorjahr in %)

1998

1999

2000

Bruttoinlandsprodukt (real)

-10,4

4,2

5,0

Verbrauch (privat)

-10,6

4,0

4,5

Investitionen (privat)

-27,9

0,8

8,2

Industrieproduktion

-11,6

10,0

10,0

Export

-6,8

7,0

20,0

Import

-33,8

15,8

30,0

8,1

0,3

2,0

-5,5

1,0

3,1

Preisniveau

1)

Beschäftigung

1) Anstieg der Verbraucherpreise im Jahresdurchschnitt

Abb. 5:

Thailand: Entwicklung volkswirtschaftlicher Indikatoren (nach: bfai 2001, S. 6)

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

31

Darüber hinaus scheint sich die thailändische Wirtschaft nach der Asienkrise relativ gut zu erholen, wie steigende Investitionen, Produktionsvolumina sowie Importe und Exporte bei gleichzeitig stabiler Inflationsrate belegen (siehe Abbildung). So urteilt zusammenfassend der deutsche Wirtschaftsminister Müller: „The improvement in its international competitiveness will effectively protect Thailand from future setbacks. In addition, it will further strengthen Thailand’s leading position in the region.“ (Müller 2001)

Abschließend kann daher festgehalten werden, dass der gewählte interkulturelle Kontext aus deutschen Unternehmen in Thailand die beschriebenen Anforderungen für die Durchführung einer Einzelfallanalyse nach Yin erfüllt: Der kulturelle Gegensatz Deutschland-Thailand stellt dabei eine für das Erkenntnisinteresse ideale Kombination dar: Zum einen zeichnet er sich durch ausreichend starke Kontraste und wechselseitige Fremdartigkeit aus, um ihn im Sinne von Yin zu einem „Extreme Case“ werden zu lassen, der in seiner Außergewöhnlichkeit Entwicklungsprozesse von Unternehmenskultur deutlicher hervortreten lässt. Zum anderen stellt Thailand darüber hinaus auch einen relevanten Markt für deutsche Unternehmen dar, was wiederum die Aussagekraft und Anwendbarkeit der Ergebnisse für deutsche Unternehmen sicherstellt und damit das „Revelatory Case“-Kriterium erfüllt. 2.2.1.2. Auswahl der Unternehmen Auf Basis der übergeordneten Fallstudie deutscher Unternehmen in Thailand mussten geeignete Unternehmen als potentielle Untersuchungsteilnehmer im Rahmen von Teilstudien identifiziert werden. Um dabei in Bezug auf die Besitzverhältnisse der Tochterunternehmen eine gewisse Homogenität zu erreichen und auf diese Weise eine einheitliche Stärke der Prägung des thailändischen Tochterunternehmens durch das deutsche Mutterunternehmen annehmen zu können, wurde bei der Auswahl der Tochterunternehmen in Thailand ein nahezu 100%iger Besitz durch das deutsche Mutterunternehmen vorausgesetzt. Diese Vorbedingung führte zu einer Reduktion der Grundgesamtheit von ca. 400 derzeit in Thailand vertretenen Unternehmen mit deutscher Beteiligung zu einer Gruppe von 60 Unternehmen, bei denen ein nahezu vollständiger Besitz durch ein deutsches Tochterunternehmen festgestellt werden konnte (vgl. German-Thai Chamber of Commerce 2001, S. 99ff.). Aus dieser Gruppe von Unternehmen wurden potentielle Teilnehmer so ausgewählt, dass die entstehende Gruppe von Forschungsobjekten zum einen ein möglichst großes Spektrum verschiedener Branchen, Unternehmensgrößen und -formen sowie Arten der Tochtergesellschaften abdeckt, zum anderen möglichst viele renommierte Unternehmen enthält, die über eine ausgeprägte internationale Erfahrung verfügen, und schließlich eine im Rahmen des Forschungsprojektes bearbeitbare Zahl von 10 bis 12 Teilstudien nicht übersteigt. So wurden in einem ersten Schritt eine Gruppe von 14 Unternehmen identifiziert und kontaktiert, die den genannten Kriterien entsprach. Das Interesse der Unternehmen an einer Teilnahme am Forschungsprojekt erwies sich als ausgesprochen hoch, so dass von den ausgewähl-

32

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

ten 14 potentiellen Kandidaten insgesamt eine Gruppe von 13 Unternehmen für die Teilnahme gewonnen werden konnte (siehe Abbildung).

‚

Bayer AG

‚

Henkel KGaA

‚

Bilfinger&Berger AG

‚

Leschaco GmbH

‚

BMW AG

‚

Liebherr GmbH

‚

Commerzbank AG

‚



Phillip Holzmann AG

‚

DaimlerChrysler AG

‚

Siemens AG

‚

Degussa AG

‚

Thyssen-Krupp AG (Uhde)

‚

H.C. Starck GmbH

Abb. 6:

Am Forschungsprojekt teilnehmende Unternehmen

Die teilnehmende Unternehmensgruppe weist die gewünschte Vielfalt hinsichtlich der beschriebenen Kriterien auf: ‚Sie enthält Unternehmen verschiedener Größe von internationalen Großkonzernen (z.B. Bayer, Siemens) bis hin zu typischen Mittelstandsfirmen (z.B. Leschaco). ‚Hinsichtlich der Unternehmensform der Muttergesellschaften sind Aktiengesellschaften ebenso vertreten wie inhabergeführte Unternehmen. ‚Die Tochtergesellschaften decken von der einfachen Repräsentanz über die Vertriebsniederlassung bis hin zu vollständigen Produktionsbetrieben ein breites Spektrum verschiedener Funktionen ab. ‚In Bezug auf die Branchenausrichtung enthält die Untersuchungsgruppe zu ausgeglichenen Teilen Unternehmen der produzierenden Industrien (Chemie, Fahrzeuge, Konsumgüter, Elektronik und Maschinenbau) sowie verschiedener Service-Industrien (Bauwesen, Ingenieurwesen, Finanzdienstleistungen und Logistik). Obwohl sich die Auswahl von Fallstudien nicht von herkömmlichen stochastischen Gütekriterien lenken lassen sollte, kann darüber hinaus positiv bewertet werden, dass die Gruppe der dreizehn teilnehmenden Unternehmen auch statistisch einen signifikanten Anteil von über 20% der identifizierten möglichen Grundgesamtheit der ca. 60 Unternehmen darstellt. 2.2.2. Auswahl der Forschungsquellen Um Einflussfaktoren und Entwicklungsdynamiken von Unternehmenskultur in ihrer Komplexität erfassen zu können, ist die Untersuchung primär auf eine Kommunikation mit direkt Beteiligten angewiesen, da nur diese als Teile oder Träger von Unternehmenskultur verlässlich Auskunft

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

33

über deren Natur und Entwicklung geben können. Interviews mit deutschen und thailändischen Mitarbeitern der teilnehmenden deutschen Tochtergesellschaften in Thailand bilden daher die hauptsächliche Forschungsquelle der Arbeit. Im Sinne einer „Daten-Triangulation“ (Denzin 1989, S. 237f) stützt sich die Untersuchung daneben jedoch auf weitere unterstützende Datenquellen, um einerseits durch erhoffte Entsprechungen und Querverweise eine stärkere Validierung der gefundenen Ergebnisse zu erreichen (Eisenhardt 1989, S. 538), andererseits aber auch eine systematische „Erweiterung und Vervollständigung“ (Flick 2000, S. 251) gewonnener Erkenntnisse sicherzustellen. Im folgenden sollen die verwendeten Forschungsquellen näher beschrieben werden. 2.2.2.1. Interviews Als geeignete Methode für die Interviews mit Mitarbeitern der teilnehmenden Unternehmen wurde eine Verbindung aus Experten-Interview und problemzentriertem Interview gewählt. Während ein Experteninterview im klassischen Sinne das Wissen von Spezialisten in Institutionen anhand eines stark strukturierten Gesprächsleitfadens abfragt, erfasst das problemzentrierte Interview im herkömmlichen Sinn besonders soziale, individuell relevante Problemfelder mit Hilfe eines eher offenen Gesprächsleitfadens (vgl. Flick 2000, S. 146 f.)6. Mit der Zusammenfassung dieser zwei Interview-Typen wurde daher von einer standardisierten Befragungsmethode Abstand genommen7, um bewusst einer latenten Doppelfunktion der Gesprächspartner Rechnung zu tragen: Einerseits agieren sie in der Rolle von Spezialisten, die als Unternehmensvertreter über bestimmte Fakten innerhalb ihres Unternehmens Auskunft geben und als solche im Rahmen eines Experteninterviews angesprochen werden können. Andererseits sind sie als Individuen selbst Teil der zu untersuchenden Entwicklung von Unternehmenskultur, so dass ihre persönlichen Erfahrungen und Einstellungen im Rahmen eines problemzentrierten Interviews direkten Aufschluss über den Untersuchungsgegenstand liefern können. Diese durchgehende Dualität verdeutlicht beispielsweise das folgende Zitat: „Wir haben versucht, [...] da haben auch die thailändischen Mitarbeiter eine wichtige Rolle gespielt, Prozesse und Abläufe der Firma nicht, sagen wir mal, wie in einem chinesischen Noodle-Shop zu gestalten.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

So liefert diese Aussage einerseits im Sinne eines Experteninterviews einen Hinweis auf eine eigenständige Prozessgestaltung des Tochterunternehmens, andererseits weist die Wortwahl des Gesprächspartners („chinesischer Noodle-Shop“) auf dessen individuelle Einschätzung herkömmlicher thailändischer Wirtschaftsabläufe hin, die wiederum im Hinblick auf mögliche interkulturelle Anpassungs- oder Abgrenzungsprozesse analysiert werden kann.

6 7

Zur ausführlichen Beschreibung des problemzentrierten Interviews vgl. auch Witzel (1985) sowie Meuser/Nagel (1991) zur Anwendung von Experteninterviews. Zur Kritik standardisierter Befragungsmethoden in der international vergleichenden Organisationskulturforschung siehe auch Holzmüller (1995, S. 12) und Schein (1995, S. 155 f.).

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

Um diese Balance zwischen sowohl Fakten- als auch Gegenstands- und Prozessorientierung in den Gesprächen zu gewährleisten, wurde zwar ein themenzentrierter Leitfaden als Interviewgrundlage erstellt, andererseits wurde bei der Anwendung dieses Leitfadens innerhalb der Befragung größtmögliche Flexibilität gezeigt, um den Gesprächspartnern genügend Raum für Erzählungen und Erfahrungsberichte zu geben. Der Leitfaden diente daher sowohl als „Strukturierungsinstrument“ im Sinne von Experteninterviews als auch als „Grundlage für Wendungen und Abbruch unergiebiger Darstellungen“ (Flick 2000, S. 146) im Sinne problemzentrierter Interviews. 2.2.2.2. Unterstützende Quellen Über die eigentlichen Interviews mit Unternehmensmitarbeitern hinaus wurden als unterstützende Quellen zusätzlich eigene Feldnotizen, Unternehmenskommunikate verschiedenster Art sowie Fotos verwendet. ‚Feldnotizen Als weitere textuelle Datenbasis neben den Interviewprotokollen der Gespräche mit Unternehmensmitarbeitern wurden kontinuierlich den Forschungsprozess begleitende Feldnotizen angelegt. Diese Aufzeichnungen dienen dabei zum einen zur Sicherung relevanter Äußerungen von inoffziellen Gesprächspartnern oder offziellen Interviewpartnern, die außerhalb der offiziellen Interviewrahmens getätigt wurden, um zusätzliche Informationen für den Forschungsprozess zu gewinnen. Zum anderen erfüllen sie die Funktion eines „Postscriptum“ (Witzel 1985, S. 235 f.), in dem der Interviewer unmittelbar nach einer Befragungseinheit seine begleitenden Eindrücke über den Interviewpartner, die Kommunikationssituation und andere relevante Beobachtungen niederschreibt, um auf diese Weise möglicherweise aufschlussreiche KontextInformationen zu dokumentieren. So spiegelt sich beispielsweise die folgende Aussage eines Interviewpartners direkt in dem Verhalten seiner thailändischen Mitarbeiter wider, das in Form eigener Beobachtungen in den Feldnotizen niedergelegt wurden, und erhält so eine zusätzliche Bestätigung: „Sie müssen immer ansprechbar sein. Immer die Möglichkeit geben, dass jemand noch mal nachfragen kann, sich rückversichern kann. Ich habe die Leute wirklich dazu erzogen, zu mir zu kommen. [...] Die kommen dann auch.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Immer wieder kommen Mitarbeiter an mir vorbei, die mich erst neugierig beäugen, dann, wenn ich ihnen zugenickt habe, auf mich zu kommen. Fast alle fragen, ob sie mir helfen können, wen ich sehen möchte, und wollen sich sofort auf den Weg zu Herrn J machen, um ihm zu sagen, dass ich da bin. Ich kann sie oft nur mit Mühe davon abhalten, Herrn J erneut zu stören. Einer bringt mir etwas zu trinken. Ein anderer bringt mir unaufgefordert eine englischsprachige Zeitung mit den Worten: So that you can understand everything.“ (Auszug Feldnotizen, Interview mit Herrn J, Firma 2)

Ein weiteres Beispiel zeigt demgegenüber, wie die direkte Aussagekraft einzelner Interviews im Nachhinein durch widersprüchliche Beobachtungen eingeschränkt werden muss:

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

„[Im] Grunde genommen ist gerade Kommunikation zwischen Menschen doch überall ähnlich. Wenn Sie mit jemandem kommunizieren möchten, müssen Sie sich immer in den anderen hineinversetzen. Da gehört immer auch ein bestimmtes Maß an Relationship Building dazu. Das gilt nicht nur hier in Thailand, das gilt auch in Deutschland. Das ist überall so.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3) „Herr H begleitet mich aus dem Büro bis nach unten in die Halle. Er erkundigt sich nach dem Gespräch mit khun I. Ich deute an, dass sie im Gegensatz zu ihm von vielfältigen Unterschieden zwischen Deutschen und Thais berichtet hat und davon gesprochen hat, dass sich Deutsche und Thais in ihrem Büro einander angepasst haben. Daraufhin schlägt Herr H plötzlich einen anderen Tonfall an, die vorherige ‚Political Correctness’ ist auf einmal verschwunden, und er sagt: ‚Notwendige Veränderungen nimmt man hier eben eher auf die thailändisch sanfte Art vor, als auf deutsch Tabula Rasa zu machen! Sonst kommt nichts dabei heraus!’.“ (Auszug Feldnotizen, Interview mit Herrn H. und Frau I, Firma 3)

Das Postscriptum unterstützt auf diese Weise die Interpretation des von den Interviewpartnern Gesagten und hilft, den Authentizitätsgrad der Äußerungen ex post besser einzuschätzen. ‚Unternehmenskommunikate und Fotos Zusätzlich zu den geführten Interviews wurden jeweils, falls von den Unternehmen zur Verfügung gestellt, weitere Dokumentationen von Unternehmenskultur in Form von Unternehmenskommunikaten gesammelt. Dabei handelt es sich im Einzelnen um interne Kommunikate wie zum Beispiel Mitarbeiterzeitungen, Trainingsprogramme oder Unternehmensleitlinien, sowie externe Kommunikate wie Werbebroschüren, Kundenzeitschriften oder Unternehmensdarstellungen für den thailändischen Markt. Daneben wurden ebenso teilweise private Fotos der Interviewpartner berücksichtigt, die bestimmte Elemente von Unternehmenskultur wie beispielsweise Firmen-Feste veranschaulichen. Insgesamt dienen diese zusätzlichen Datenquellen vor allem der visuellen Unterstützung und Verdeutlichung der verbalen Aussagen der Interviewpartner (siehe Abbildung). Unternehmenskommunikate

Mitarbeiterzeitschrift (Auszug) der Bayer AG Thailand

Abb. 7:

Unternehmensbroschüre (Titel) der Liebherr GmbH Thailand

Beispiele für zusätzliche Forschungsquellen

Fotos

Deutsche Expatriates beim firmeninternen Songkran-Fest

Thailändische Mitarbeiter und deutsche Expatriates beim „SportsDay“ der Bayer AG Thailand

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

2.2.3. Feldforschung (Datensammlung) 2.2.3.1. Vorbereitung der Feldforschung Im Zentrum der Vorbereitung der Feldforschung steht die Gestaltung der Gesprächsleitfäden als thematische Grundlage der Interviews. Dabei wurde ein Aufbau angestrebt, der sich grundsätzlich von speziellen, greifbaren Themen hin zu abstrakteren Fragestellungen entwickelt. Mit dieser Befragungsstrategie wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass Mitarbeiter, wie bisherige Studien gezeigt haben, in der Regel aufgrund der eigenen Verinnerlichung von Unternehmenskultur nicht in der Lage sind, aus dem Stehgreif die sie umgebenden kulturellen Phänomene abstrakt zu beschreiben: „Given the ubiquitous nature of culture, organizational members cannot immediately reflect upon their cultural context and describe it verbally. Hence a key aspect in eliciting cognitive components is to provide a stimulus to respondents so that they are forced to make an interpretation based on their cognitive framework. The tacit aspects of culture will become apparent in the specific interpretations of respondents.“ (Sackmann 1991, S. 181)

Die Gesprächsleitfäden nähern sich dem Thema der Unternehmenskultur daher ausgehend von der Frage nach alltäglichen, praktischen Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Thais, um nach dieser gedanklichen Aufwärmphase je nach Unternehmensfunktion und Bereitschaft des Gesprächspartners konzeptionellere, abstraktere Aspekte von Unternehmenskultur zu diskutieren. Es wurden verschiedene Gesprächsleitfäden für deutsche und thailändische Mitarbeiter formuliert, die jedoch die gleichen Fragenkomplexe enthalten (siehe Abbildung).

Informationen zum Interviewpartner ‚ Persönlicher Hintergrund ‚ Funktion und Verantwortlichkeit der Interviewpartner Interkulturelle Entwicklung der Unternehmenskultur des Tochterunternehmens ‚ Unterschiede deutscher und thailändischer Arbeitsstile (Konflikt- und Lösungsbeispiele) ‚ Anpassung der deutschen bzw. thailändischen Kultur an die thailändische bzw. deutsche Kultur ‚ Rolle und Einfluss des deutschen Mutterunternehmens ‚ Persönliche Integration in die Unternehmenskultur des Tochterunternehmens Gestaltung von Unternehmenskultur des Tochterunternehmens ‚ Persönliches Verständnis von Unternehmenskultur ‚ Ziele und Maßnahmen zur Entwicklung/Kontrolle von Unternehmenskultur Vision für die Unternehmenskultur des Tochterunternehmens Abb. 8:

Fragenkomplexe der Gesprächsleitfäden

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

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2.2.3.2. Durchführung der Interviews und der weiteren Datensammlung Insgesamt wurden 26 Interviews mit 17 deutschen Expatriates und 9 thailändischen Mitarbeitern der dreizehn deutschen Tochterunternehmen durchgeführt. Darunter befanden sich 10 Geschäftsführer, 13 Mitglieder der erweiterten Geschäftsführung, 2 Mitarbeiter des mittleren Managements sowie 1 Praktikant. Aufgrund der hundertprozentigen männlichen Dominanz innerhalb der deutschen Expatriate-Gruppe konnten nur männliche deutsche Expatriates befragt werden, während bei den befragten thailändischen Mitarbeitern das Geschlechterverhältnis annähernd ausgeglichen war. Alle Interviews wurden durch die Autorin direkt am Arbeitsplatz der Befragten in den thailändischen Niederlassungen der deutschen Tochterunternehmen in Bangkok, Rayong und Map Ta Phut durchgeführt. Eine erste Interviewrunde aus 13 Gesprächen mit hauptsächlich deutschen Expatriates fand im Oktober 2001 statt, eine zweite Interviewrunde aus weiteren 13 Gesprächen mit schwerpunktmäßig thailändischen Mitarbeitern schloss sich im Januar 2002 an. 20 Gespräche fanden dabei in einem formellen, offiziellen Rahmen statt und wurden mit Einverständnis der Interviewten vollständig auf Tonband aufgezeichnet. Diese Interviews dauerten in der Regel jeweils mindestens eine Stunde, wobei einige Gespräche aufgrund des starken Interesses der Gesprächspartner auf bis zu 2,5 Stunden ausgedehnt wurden. Die restlichen sechs Gespräche fanden innerhalb eines eher informellen Rahmens statt (z.B. bei der Teilnahme an Firmenveranstaltungen). Sie dauerten jeweils ca. 30 Minuten und wurden auf Basis von schriftlichen Aufzeichnungen transkribiert. Da allen Interviewpartnern von vorneherein Anonymität bezüglich ihrer verbalen Äußerungen zugesichert wurde, fanden nahezu alle Gespräche trotz Tonbandaufzeichnung und Mitschrift in einer Atmosphäre überraschend kooperativer Gesprächsbereitschaft und Offenheit statt. Zu dieser allgemeinen Kooperationsbereitschaft trug sicherlich auch die spezifische Konstellation aus zumeist männlichen Befragten und weiblicher Interviewerin bei8: „Als verständigungsfördernd wirkt [...] wenn die Kommunikationspartner unterschiedlichen Geschlechts sind: hier weibliche Sozialwissenschaftler, da männliche Interviewpartner [...] eine gemischtgeschlechtliche Personenkonstellation – anders als eine Befragung „von Mann zu Mann“ – [wird] weniger durch ein in sprachwissenschaftlichen Analysen beschriebenes männliches ‚Imponiergehabe’ beeinflusst.“ (Buhr 1998, S. 103)

So ließ sich nur in zwei Fällen ein bewusstes Schönfärben der Äußerungen zu sozial erwünschten Antworten feststellen. Im Gegenteil dazu berichteten hingegen fast alle Befragten oft unaufgefordert von erlebten Konfliktsituationen und verliehen auch Frustrationen gegenüber Mitarbeitern der jeweils anderen Kultur sowie dem eigenen Stammhaus in Deutschland offen Ausdruck – eine Tatsache, die insgesamt für ein allgemeines Bemühen um wahrheitsgemäße Beantwortung der gestellten Fragen spricht, was die folgenden Gesprächsausschnitte belegen:

8

Zur Bedeutung des Geschlechts in Interviewsituationen siehe auch Hofstede (1993, S. 209), sowie Trömel-Plötz (1996, S. 21) und Abels (1997).

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

„Ich hatte ein Gespräch mit einem Thai anlässlich der Veränderung unseres Arbeitsgebiets. Ich habe zu ihm gesagt: ‚Die Strategie an dem Projekt kann man vergessen, das ist over! Das ist vorbei!’ Da war er also ... völlig fertig. Da ist er fast in Tränen ausgebrochen! Dann brachte er es erst mal so ein bisschen auf den Punkt und sagte: ‚Ja, dann kann ich hier ja nicht mehr arbeiten.’ Ich sagte: ‚Nein, so müssen Sie das nicht sehen.’ ‚Aber Sie haben doch gesagt, es ist over! Wenn Sie sagen, Sie können mich hier nicht mehr gebrauchen...’ ...Und da hat er dann das Zimmer verlassen. Ist einfach gegangen.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Die Jungs aus Deutschland, das ist das nächste Kulturproblem! Dinge immer auf Deutsch hier herüber schicken und denken, ich arbeite hier als Übersetzer! Sie kommen nicht auf die Idee, wenn sie etwas nach Thailand schicken, das vielleicht auf Englisch zu schreiben.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) „Die Unternehmenskultur unserer Firma war lange Zeit sehr konservativ. Sehr viel Administration. Aber man versucht, seit einem Jahr das zu ändern. [...] Wenn die Leute immer Nein sagen, dann können Sie hier nichts machen. Manchmal würden wir hier gerne Dinge verändern, aber Deutschland sagt dann, nein das können wir nicht machen. Zum Beispiel bei [Produkt von Firma 3]. Da sind sie sehr konservativ.“ (Frau I, thail. Mitglied der Geschäftsleitung, Firma 3)

Bei der Durchführung der Interviews wurde auf eine möglichst offene Art der Fragestellung geachtet, die es den Befragten erlaubte, ihre Ansichten und Erfahrungen frei zu artikulieren. Dabei wurde auf Bewertungen oder kritisches Hinterfragen der Aussagen zugunsten einer positiven, bestätigenden Gesprächsatmosphäre verzichtet. Den Gesprächsfluss störende Zwischenfragen wurden weitgehend vermieden, sofern sie nicht der Klärung des Gesagten dienten. So wurde auch besonders darauf geachtet, die Schilderung von persönlichen Erlebnissen in Form von Geschichten nicht zu unterbrechen. Erst bei deutlichen Gesprächspausen wurde der Gesprächspartner mittels unterstützender Nachfragen (z.B. „Können Sie dafür Beispiele geben?“, „Fallen Ihnen noch weitere Erlebnisse dazu ein?“) zu tiefergehender Ausführung angeregt oder, wenn das Erfahrungsspektrum innerhalb eines bestimmten Bereichs erschöpft schien, anhand von überleitenden Fragen auf neue Themenaspekte gelenkt. Bei der Durchführung der Interviews stand insgesamt das Bemühen im Vordergrund, vorzugsweise tiefgehend auf den individuellen Erfahrungshintergrund der Befragten einzugehen und je nach Gesprächspartner unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte zu setzen, anstatt in jedem Fall sämtliche Fragenkomplexe des Gesprächsleitfadens zwar vollständig, aber dafür teilweise oberflächlich abzuarbeiten. Alle Interviews wurden je nach Wunsch der Interviewpartner entweder auf deutsch oder auf englisch durchgeführt. Auf die Möglichkeit, Gespräche mit thailändischen Mitarbeitern direkt auf thailändisch unter Zuhilfenahme eines Übersetzers zu führen, wurde zugunsten einer informelleren, persönlicheren Gesprächsatmosphäre und wegen der mangelnden direkten Kontrollmöglichkeit des Gesagten verzichtet. Die anschließende Datenauswertung muss daher den Umstand berücksichtigen, dass die thailändischen Gesprächspartner im Gegensatz zu den deutschen als Ausdrucksmedium nicht ihre Muttersprache zur Verfügung hatten, sondern gezwungen waren, in einer Fremdsprache kommunizieren, was die sprachliche Genauigkeit und Unmittelbarkeit des Gesagten teilweise einschränkt. Andererseits waren die thailändischen Mitarbeiter durch ihre oft mehrjährige Tätigkeit in deutschen Unternehmen an den täglichen Gebrauch des Englischen als Lingua Franca so sehr gewöhnt, dass die Kommunikation insgesamt unproblematisch verlief.

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

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„Das sehen Sie auch, wenn Sie mal durch das Büro durchgehen. Das ist alles ganz verspielt. Haben Sie das mal gesehen? Ich führe Sie da nachher mal durch. Da sehen Sie, was da auf den Schreibtischen alles rumliegt [lächelt], also rosa Teddybären und Fotos und alles Mögliche. In Deutschland haben Sie da vielleicht mal ein Familienfoto, aber hier ist das noch anders. Die wollen eigentlich auch ... Spaß haben und sagen wir mal, auch so ein Zugehörigkeitsgefühl. Und wenn wir dann unseren Betriebsausflug machen, wir sind da letztens nach Katchanaburi gefahren. Mit dem Bus. Also wir alle in dem Bus drinnen. Und Sie können sich das nicht vorstellen. Das war ein Hallo! Das war eine Gaudi! Ich habe ja gar nichts verstanden, aber trotzdem haben wir nur gelacht. Und die hatten alle einen solchen Spaß. Also sowas hab ich noch nie gesehen. Das ist dieses Sanuk, halt. [Binden Sie diese Art der Thais bewusst in Ihre Unternehmenskultur ein?] Da muss ich gar nix einbinden. Ich will das ja gar nicht anders haben. [lacht] Ich bin ja selber auch so!“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) Abb. 9:

Transkriptionsbeispiel

Jeweils direkt im Anschluss an die Interviews wurden die aufgezeichneten bzw. mitgeschriebenen Gespräche zur Vorbereitung der Datenanalyse als Textdokumente transkribiert. Dabei wurde das Gesagte möglichst wortgetreu niedergeschrieben, klärende Fragen der Interviewerin, auffällige Pausen oder Reaktionen des Gesprächspartners (beispielsweise Lachen) wurden zusätzlich in eckigen Klammern im Text vermerkt. Da es sich bei der Untersuchung nicht um eine Konversationsanalyse im linguistischen Sinn handelt, wurde darüber hinaus mit Flick auf weitere Kennzeichnung des Sprechverlaufs, wie beispielsweise bestätigende Signale der Interviewerin (z.B. „Hhm.“, „Ach so.“ o.ä.) zugunsten der Lesbarkeit verzichtet9: „Bei psychologischen oder soziologischen Fragestellungen, bei denen sprachlicher Austausch das Medium zur Untersuchung bestimmter Inhalte ist, sind übertriebene Genauigkeitsstandards [bei der Transkription] nur in Sonderfällen gerechtfertigt.“ (Flick 2000, S. 192f.)

Um die Identität der Befragten, die sich sehr offen und teilweise auch kritisch zu Begebenheiten innerhalb ihrer Firmen äußerten, zu schützen, wurden alle Gespräche nachträglich anonymisiert, so dass anhand der Äußerungen nicht mehr auf die Unternehmensidentität geschlossen werden kann. Um trotzdem die Individualität der Gesprächspartner zu erhalten und auch ihre Stellung im Unternehmen kenntlich zu machen, wurden bei Zitaten jeweils Ordnungsbuchstaben und -zahlen als Codes für die einzelnen Interviewpartner und Unternehmen angefügt sowie deren Funktion in Form einer firmenunabhängigen Positionsbezeichnung vermerkt (siehe Transkriptionsbeispiel). 2.2.4. Datenanalyse Im Mittelpunkt der Datenanalyse steht die Kodierung des gesamten gesammelten Materials mit dem Ziel der schrittweisen Entdeckung von Mustern, der Entwicklung von übergeordneten Kategorien und schließlich der zusammenfassenden Theoriebildung. Kodierung wird hierbei mit Strauss/Corbin verstanden als „die Operation, mit denen Daten aufgebrochen, konzeptualisiert

9

Für einen Überblick über verschiedene Arten von Transkriptionssystemen vgl. Ehlich/Switalla 1976.

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

und auf neue Weise wieder zusammengesetzt werden. Dies ist der zentrale Prozess, durch den Theorien aus Daten aufgebaut werden“ (Strauss/Corbin 1990, S. 57). Als Kodierungsmethode wurde das Verfahren des Theoretischen Kodierens verwendet, eine Vorgehensweise, die maßgeblich von Glaser/Strauss (1967) entwickelt und von Glaser (1978), Strauss (1994) und Strauss/Corbin (1990) vertieft wurde (vgl. Flick 2000, S. 197). Dem vorliegenden Textmaterial aus Interview-Transkriptionen, Feldnotizen sowie zusätzlichen Datenquellen wurden dabei Begriffe, bzw. Codes zugeordnet, die das Ausgedrückte inhaltlich bündeln. Zunächst wurden hierzu Code-Stichwörter verwendet, die möglichst direkt aus dem Text stammten. Mit jeder weiteren Überarbeitungsstufe der Codes wurden dann immer abstrakter formulierte Kategorien verwendet, die das Gefundene zusammenfassen. Aus der Bildung von Beziehungsnetzen oder Hierarchien innerhalb der identifizierten Kategorien wurde schließlich das theoretische Modell entwickelt.

HauptKategorie

Thailändischer Wirtschaftsstil (dt. Perspektive)

Kategorie

Beziehungsaufbau

Haupt-Code

Gemeinschaftlichkeit

Hierarchieverständnis

Personenloyalität

Teilweise weitere Abstraktionsstufen

Abstraktionsgrad

UrsprungsCode

Thailändischer Wirtschaftsstil (th. Perspektive)

Konfliktverhalten Einheit von Freundschaft/ Kollegialität

...

Aufgabenbearbeitung Langfristigkeit d. sozialen Netzwerks

...

...

Beispiele für Interview-Zitate Gefahr der Vereinsamung Motivation durch das Umfeld

„Sie können einen Thai nicht allein in ein Büro sperren. Das können Sie nicht machen. Da wird er unglücklich.“ „Wenn wir solche Feste nicht machen würden, würden die Mitarbeiter vereinsamen.“ „Wenn den Thais hier das Umfeld gefällt, in dem sie arbeiten, dann kommen sie augescheinlich besser motiviert zur Arbeit als die Deutschen.“ „Thais müssen sich in ihrem Umfeld wohl fühlen.“

Zusammenhalt

„Wenn Thais in einem Geschäft arbeiten, dann motiviert man die nicht mit Geld, obwohl Geld natürlich auch wichtig ist, wir arbeiten ja alle, um Geld zu verdienen. Aber wichtiger noch ist der Zusammenhalt der Truppe.“

Gemeinsames Essen

„Wichtig ist es hier in Thailand, gemeinsam Mittagessen zu gehen. Das können sie immer gar nicht verstehen, wenn ich irgendwo mal alleine essen gehe. Das finden sie dann unmöglich.“

Gruppenwärme Zusammengehörigkeit

„Hier wird mehr mit Nachbarschaft, Gruppenwärme gearbeitet.“ „Irgendwie machen alle [Thais] auch mehr zusammen. Wenn eine mal was besorgen muss, dann fährt sie los und bringt dann auch noch für alle Obst mit. Dann kriegt jeder da seine Ananas. Sie suchen Zusammengehörigkeit.“ „ ...“

Abb. 10: Beispiel für die Entwicklung einer linearen Code-Hierachie auf Basis von Interview-Zitaten

Die Anzahl der Abstraktionsstufen richtete sich dabei jeweils nach der Art der Fragestellung: So wurde beispielsweise die Beschreibung der unterschiedlichen Wirtschaftsstile von Deutschen und Thais aufgrund der Beispielhaftigkeit und Einfachheit der Aussagen ausgehend von meist direkt aus dem Text stammenden „Ursprungs-Codes“ weitgehend in vier Kodierungsschritten in einer linearen Hierarchie entwickelt. Bei Themenbereichen, bei denen sich die OriginalAussagen schon auf einem hohen Abstraktionsniveau befanden, wie zum Beispiel der Frage nach einer Vision von Unternehmenskultur, wurde dagegen nur mit wenigen Kodierungsstufen gearbeitet. Beziehungen zwischen den Codes wurden hier eher netzwerkartig entwickelt, da

41

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

sich aufgrund des erhöhten Abstraktionsniveaus stärkere Abhängigkeiten und geringe Trennschärfen zwischen den Codes ergaben, die sich mit Hilfe von linearen Hierarchien kaum sinnvoll abbilden lassen (Kodierungsbeispiel: siehe Abbildung). Insgesamt greift das angewandte Kodierverfahren auf das von Strauss entwickelte Kodierparadigma zurück, das bei der Kodierung von Daten grundsätzlich von einer Struktur aus Bedingungen, Interaktion zwischen den Akteuren, Strategien/Taktiken und Konsequenzen ausgeht (Strauss 1994, S. 57ff.). Diese Struktur der Kodierung spiegelt sich dabei auch in der Gliederung der vorliegenden Arbeit wieder. So entspricht die Analyse der deutschen und thailändischen Wirtschaftsstile als Einflussfaktoren einer interkulturellen Unternehmenskultur (Kapitel 4) und die Untersuchung weiterer Einflussfaktoren (Kapitel 5.1.1., 5.1.2.) den „Bedingungen“ der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur. Die Kodierebenen von „Interaktion“ und „Konsequenzen“ werden durch die Analyse der Dynamiken von Unternehmenskultur (Kapitel 5.1.3.) repräsentiert, die Kodierung von „Strategien und Taktiken“ entspricht der Untersuchung der Gestaltungsansätze von Unternehmenskultur (Kapitel 5.2.) mit ihrer Analyse von Leitbildern von Unternehmenskultur und Interkulturalität sowie den daraus entwickelten Typologien und Führungsrollen.

Herr E., Konzern A.

Ausschnitt aus Interviewprotokoll (Datenebene)

Beispielkodierungen (Analyseebene)

Abb. 11: Ausschnitt aus der Analyseeinheit innerhalb der verwendeten Auswertungs-Software ATLAS/ti

Als Hilfsmittel bei der Kodierung sowie Verwaltung und Auswertung des kodierten Materials wurde ein Software-Programm zur gegenstandsbegründeten Theorieentwicklung, ATLAS/ti 4.1, verwendet, innerhalb dessen sämtliche textuellen Daten gesammelt und kodiert wurden (siehe Abbildung).10

10

Eine Übersicht über die verwendeten Kategorien und Haupt-Codes befindet sich im Anhang der Arbeit (siehe Kapitel 8.3.).

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

2.2.5. Methodischer Umgang mit der Problematik des Kulturvergleichs Eine Untersuchung der Entwicklung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext macht zwangsläufig eine Analyse wirtschaftsrelevanter kultureller Eigenschaften notwendig, um das sich aus kulturellen Unterschieden speisende Konflikt- oder Synergiepotential innerhalb der sich entwickelnden Unternehmenskultur beschreiben und bewerten zu können (siehe Kapitel 4). Die vorliegende Arbeit muss sich daher der klassischen Problematik der Kulturbeschreibung und des Kulturvergleichs stellen und methodisch die Frage beantworten, wie sich in diesem Fall ein „möglichst hoher Kompaktheitsgrad der Darstellung am besten mit einem möglichst differenzierten Kategoriensystem bzw. mit einem niedrigen Niveau der Stereotypenverwendung vereinbaren“ (Bolten 2001b, S. 128) lässt. Bestehende kulturvergleichende oder -beschreibende Forschungsansätze neigen häufig dem einen oder anderen Extrem zu und lassen sich mit Bolten grundsätzlich in „einzelfall-orientierte Mikro- und generalisierende Makroanalysen“ (Bolten 2001b) einteilen. Ihre spezielle Problematik im Hinblick auf die vorliegende Arbeit soll im folgenden kurz beschrieben werden, sowie ein alternativer Weg zur angemessenen Kulturbeschreibung vorgestellt werden. 2.2.5.1. Problematik kultureller Makroanalysen Ziel der makroanalytischen Ansätze ist im Allgemeinen der Versuch, durch Komplexitätsreduktion des Kulturbegriffs auf eine überschaubare Anzahl von Kategorien oder Dimensionen kulturelle Besonderheiten benennen und vergleichbar machen zu können. Bekannte Anwendungen dieser kulturvergleichenden Ansätze finden sich in der Anthropologie beispielsweise bei Hall (vgl. Hall 1989b) und in der empirischen Sozialforschung bei Hofstede (vgl. Hofstede 1984). So bedienen sich beide trotz unterschiedlicher Ansätze der Datenerhebung11 sogenannter Kulturdimensionen, entlang derer einzelnen Gesellschaften schließlich ein bestimmter Platz zugewiesen wird. Als stellvertretende Beispiele für eine solche Makroperspektive des Kulturvergleichs dient eine Übersicht über die von Hall, Hofstede sowie später von Trompenaars (vgl. Trompenaars 1993 und Hampden-Turner/Trompenaars 1993) entwickelten Kulturdimensionen (siehe Abbildung). Das grundsätzliche Problem der Stereotypisierung solcher Ansätze liegt auf der Hand und ist in der Vergangenheit oft diskutiert worden. So kritisiert beispielsweise Bolten: „Das makroanalytische Arbeiten mit Kulturdimensionen führt zu Übergeneralisierungen: Man erhält abstrakte Durchschnittswerte, die über konkrete Individuen und konkretes alltagskulturelles Verhalten innerhalb einer Kultur und erst recht über interkulturelles Handeln nichts aussagen“ (Bolten 2001b, S. 130).

11

So basieren die Forschungsergebnisse Halls eher auf qualitativen Beobachtungen, während Hofstede mit seiner quantitativen Datenerhebung bei über 100.000 IBM Mitarbeitern seine Kulturdimensionen durch statistische Faktorenanalyse erhält.

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

Hall

Hofstede

Trompenaars

High-Context vs. Low-Context

Kollektivismus vs. Individualismus

Kollektivismus vs. Individualismus

Machtdistanz

Raumorientierung

Konfuzianische Dynamik

Universalismus vs. Partikularismus Sequentielle vs. synchrone Zeit Spezifisch vs. diffus Leistung vs. Herkunft

Unsicherheitsvermeidung Außen- vs. Innensteuerung Monochrom vs. Polychrom

Maskulinität vs. Feminität

Neutral vs. emotional

Abb. 12: Beispiele für Kulturdimensionen der makroanalytischen Kulturforschung (nach Apfelthaler 1999)

Als weiterer Kritikpunkt hinsichtlich der Verwertbarkeit solcher Ansätze für die vorliegende Arbeit lässt sich anführen, dass die vorgestellten Dimensionen nur der Beschreibung kultureller Unterschiede dienen und darüber hinaus nicht in der Lage sind, gefundene Unterschiede auch zu erklären: „Damit werden kulturelle Spezifika registriert, aber nicht unbedingt auch verstanden“ (Bolten 2001b, S. 130). Gerade im Hinblick auf das Ziel der Untersuchung, die Entwicklung eines handlungsleitenden Ansatzes zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur, erscheint jedoch ein solches Verständnis unbedingt notwendig. 2.2.5.2. Problematik kultureller Mikroanalysen Eine stärker an der Mikroperspektive ausgerichtete Methodik der Kulturbeschreibung scheint im Vergleich zur Makroperspektive ebenfalls keine sinnvolle Lösung zu bieten. Ihre Ansätze, die sich stärker am „kulturellen Mikrokosmos“ (Bolten 2001b, S. 131) orientieren, gehen zurück auf Geertz, dessen Standardwerk „Dichte Beschreibung“ (vgl. Geertz 1999) ethographische Detailanalysen zu kulturellen Gruppen geringer Komplexität enthält, und umfassen beispielsweise Methoden der interkulturelle Konversationsanalyse (vgl. Bergmann 1981, v. Helmolt 1997). Ihre Problematik im Hinblick auf die vorliegende Arbeit liegt im Gegensatz zur Makroperspektive nicht in der Übergeneralisierung, sondern gerade in der starken Abhängigkeit ihrer Ergebnisse vom jeweiligen Einzelfall. Da sie Rückschlüsse auf allgemeine kulturelle Muster als unzulässig ablehnt, bietet diese Perspektive keine tragfähige Basis für übertragbare Erkenntnisse, die dem gewünschten Anwendungsbezug Rechnung tragen könnten. 2.2.5.3. Kulturelle Stilforschung als angemessene Methode der Kulturbeschreibung Einen für die Untersuchung fruchtbarer Ansatz zur Verbindung der herkömmlichen Makro- und Mikroperspektive scheint die Methode der kulturellen Stilforschung darzustellen. Ihre Analyse kultureller Unterschiede als kommunikative Stile basiert dabei auf dem Grundgedanken, keiner der vorgestellten Perspektiven prinzipiell den Vorzug zu geben, sondern im Gegenteil den „wechselseitigen Zusammenhang von Individuellem und Allgemeinem“ (Bolten 2001b, S. 132)

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Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

oder das „Spannungsverhältnis von Einmaligem und Wiederkehrendem“ (Barmeyer 2001, S. 156) in die eigentliche Analyse als iterativen Prozess zu integrieren. Der Begriff des Stils zur Beschreibung kultureller Unterschiede eignet sich dabei besonders, da in ihm „die Identifizierbarkeit des Typischen“ im Vordergrund steht, „die durch das klar Unterscheidbare, das Differenzierbare, erst ermöglicht wird“ (Barmeyer 2001, S. 157). Jüngere Beispiele für diesen Ansatz finden sich innerhalb der interkulturellen Wirtschaftskommunikation bei Ammon (1989, 2001), Barmeyer (2001) und Bolten (2001b, 1999b). Ihr gemeinsames methodisches Vorgehen ist ein heuristisches, hypothesengeleitetes Verfahren, das durch schrittweise Vertiefung gekennzeichnet ist. Einen ersten Schritt bildet zumeist die induktive Analyse konkreter kultureller Äußerungsformen (z.B. Kommunikate) auf häufig wiederkehrende Merkmale. Aufgrund der identifizierten Häufungen werden Hypothesen zu bestimmten Stilmerkmalen gebildet, die danach in einer tiefergehenden deduktiven Untersuchung (z.B. in Form von bedeutungsgeschichtlichen Analysen) überprüft und ggf. angepasst werden (siehe Abbildung). Mit dieser gleichzeitig beschreibenden und erklärenden Vorgehensweise bezieht die Methode der Stilforschung „kollektive und individuelle Muster kommunikativen Handelns“ (Barmeyer 2001, S. 155) ein und leitet darüber hinaus „von der Beschreibung zur Erklärung kultureller Stile und Zusammenhänge über“ (Bolten 2001b, S. 134).

Hypothesenbildung

Synchron-prozessuale Analyse

Kultureller Stil

Diachron-strukturelle Analyse

Hypothesenüberprüfung „WIE?“ • Analyse konkreter kultureller Äußerungsformen auf Häufung bestimmter Stilmerkmale • Individuelle Untersuchungsebene Iterativer, vernetzender Forschungsprozess

„WARUM?“ • Bedeutungsanalyse der hypothetischen kulturellen Stilmerkmale zur Darstellung der soziokulturellen Historizität • Kollektive Untersuchungsebene

Abb. 13: Konzept kultureller Stilforschung (Vorgehensweise nach Ammon 2001, Barmeyer 2001, Bolten 2001b, Münch 1990)

In diesem Sinne erscheint der Ansatz kultureller Stilforschung als hilfreiche Methode zur Beschreibung der kulturellen Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur. Die oben beschriebene Methodik erweist sich dabei als passendes Gerüst für eine sinnvolle Vorgehensweise im Rahmen der Arbeit: Anstatt bestehende Systeme von Kulturdimensionen an die Forschungsdaten heranzutragen und sie diesen gleichsam aufzuzwingen, werden daher ausgehend von den gesammelten Kommunikaten in Form von Interviewprotokollen und anderen Forschungsquellen mittels der beschriebenen Kodierungsverfahren deskriptive, „naive“ Hypothesen zu den relevanten Unterschieden in kulturellen Wertvorstellungen und Verhaltensweisen gebildet, die für die Entwicklung einer interkulturellen Unternehmenskultur von Bedeu-

Die Methodik der qualitativen theoriebildenden Fallstudienanalyse

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tung sind. In einem zweiten Schritt werden diese Hypothesen im Rahmen einer vertiefenden, nach Entsprechungen und Erklärungen suchenden Literaturdiskussion überprüft, die ihrerseits wieder zu erneuter, verfeinernder Analyse der vorliegenden Kommunikate iterativ anregt. In dieser Hinsicht verhält sich der methodische Ansatz der Stilforschung konform mit den oben beschriebenen Grundsätzen qualitativer, theoriebildender Fallstudienforschung. Die dargestellte Vorgehensweise ermöglicht der Untersuchung der interkulturellen Rahmenbedingungen einer deutsch-thailändischen Unternehmenskultur dabei eine starke Vereinfachung der kulturellen Komplexität auf die in den Kommunikaten direkt zum Ausdruck gebrachten, relevanten Elemente. Sie greift auf diese Weise direkt auf die Interkultur des Unternehmens zu, ohne theoretische kulturelle Reinzustände zu berücksichtigen. Zusätzlich erfahren diese als wichtig erkannten Aspekte eine differenzierte Erklärung, die eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf ähnliche Situationen eröffnet. Da sich sämtliche Hypothesen als Rückführung auf gemeinsame, erklärbare Muster direkt aus den interkulturellen Erfahrungen und ihrer kommunikativen Äußerung durch die befragten Mitarbeiter speisen, erbringt die Vorgehensweise schließlich Ergebnisse, die allgemeine Anwendbarkeit versprechen, ohne auf unzulässigen, unreflektierten Verallgemeinerungen abstrakter Dimensionssysteme aufzubauen.

Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

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3. Begriffsklärung und theoretische Grundlagen Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Vorstellung von für das Forschungsthema relevanten Begriffsdefinitionen und theoretischen Modellen. Dies erscheint umso wichtiger, als innerhalb der betriebswirtschaftlichen, kommunikationswissenschaftlichen und soziologischen Forschung eine ausgeprägte Vielfalt an theoretischen Modellen zum Begriff der Unternehmenskultur im Allgemeinen sowie der Interkulturalität im Besonderen vorliegt. Als Grundlage der Arbeit soll zunächst eine tragfähige Begriffsbasis bezüglich der Phänomene von Kultur und Interkultur entwickelt werden. Darauf aufbauend werden bestehende Konzepte von Unternehmenskultur hinsichtlich ihrer thematischen Anwendbarkeit untersucht. Schließlich werden theoretische Modelle, die zu spezifischen Aspekten der Entwicklung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext vorliegen, auf ihren Gehalt in Bezug auf das beschriebene Erkenntnisinteresse genauer beleuchtet. Ziel ist es dabei, zum einen durch die tiefergehende Beschäftigung mit vorhandenen Theoriemodellen die diagnostizierte Forschungslücke bezüglich der Entwicklung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext herauszuarbeiten und auf diese Weise die Forschungsfrage genauer zu begründen. Um daneben eine fruchtbare theoretische Anknüpfungsbasis für eigene Ergebnisse zu schaffen, ohne die Datenanalyse von vorneherein zu stark einzuengen, ist es darüber hinaus notwendig, aus der breiten Forschungsbasis zum Thema Unternehmenskultur die für das Erkenntnisinteresse vielversprechendsten Konzepte methodisch im Sinne von „A priori“-Konstrukten (Eisenhardt 1989, S. 536) auszuwählen. 3.1. Kultur und Interkultur Eine Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff im Rahmen der vorliegenden Arbeit liegt nahe, da sie mit ihrer Forschungsfrage das Thema Kultur auf zweifache Weise berührt: Zum einen beschäftigt sie sich mit dem Phänomen der Unternehmenskultur, zum anderen untersucht sie dieses Phänomen in einem Umfeld der Interkulturalität. Der gewünschte Praxisbezug der Arbeit, der auf eine Anwendbarkeit der Ergebnisse abzielt, erfordert darüber hinaus paradoxerweise eine besonders gründliche theoretische Untersuchung des Begriffs der Kultur, da vor dem Hintergrund unklarer Begriffsgrundlagen alle Antworten auf praxisrelevante Fragen notwendigerweise allgemein und ungenau ausfallen müssen. Leider hat in der Vergangenheit eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff im Rahmen der Managementwissenschaften oft nur unzureichend stattgefunden. So diagnostiziert beispielsweise Meissner einen regelrechten „Kulturschock“ der Betriebswirtschaftlehre (Meissner 1997, S. 1) bei der Entdeckung der kulturellen Thematik für das eigene Fach. Ein allgemeines „Stöhnen über die verwirrende Vielfalt“ (Hansen 2000, S. 234) innerhalb der vorliegenden Managementliteratur, über die „endlose Suche nach einem Begriff“ (Apfelthaler 1999, S. 28)

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

äußert sich in Attributen wie „Dschungel“ (Holzmüller 1997, S. 57) oder „Wirrwarr“ (Engelhard 1997, S. VI) und gipfelt regelmäßig in der fast verzweifelten Erwähnung der 164 Kulturdefinitionen nach Kroeber und Kluckhohn (vgl. Kroeber/Kluckhohn 1952): „Kluckhohn [...] [hat] die Aussichtslosigkeit des Unterfangens einer Definition von Kultur damit illustriert, dass er mehr als 150 Definitionen aus der gängigen Literatur angeführt hat.“ (Apfelthaler 1999, S. 29). „Schon 1952 erkannten Kroeber und Kluckhohn den Bedarf an einer umfassenden Bestandsaufnahme und systematisierten 164 existierende Kulturdefinitionen.“ (Hasenstab 1999, S. 46) „[Die] Anthropologen Kroeber/Kluckhohn [dokumentieren] [...] nahezu 170 verschiedene Definitionen des Kulturbegriffes.“ (Stüdlein 1997, S. 22). „Kroeber and Kluckhohn list, for example, more than 250 [sic!] different definitions [of culture].“ (Sackmann 1991, S. 8) „Kroeber/Kluckhohn [...] [stellten] über 300 [sic!] verschiedene Definitionen des Begriffs [zusammen].“. (Warthun 1997, S. 8)

Diese Liste, die sich scheinbar unbegrenzt fortsetzen ließe, spiegelt vor allem die sich innerhalb der Managementliteratur entwickelnde Ritualisierung einer expliziten Hilflosigkeit im Umgang mit dem Kulturbegriff wider. Diese Hilflosigkeit hat einerseits zur Folge, dass, wie folgendes Beispiel zeigt, hinsichtlich der zugrundeliegenden Kulturdefinition häufig ausdrücklich keinerlei Einschränkungen gegeben werden: „Wenn [...] der Begriff ‚Kultur’ verwendet wird, so wird die Bedeutung je nach Kontext auf einem Kontinuum zwischen kognitivem und symbolischen Kulturbegriff variieren. Eine verbindliche Definition soll nicht festgelegt werden, da der Begriff [...] mit zu unterschiedlichen Bedeutungsinhalten gefüllt ist.“ (Warthun 1997, S. 10)

Andererseits wird bei der Begriffsdefinition oft oberflächlich nach dem Prinzip der Bildung einer größtmöglichen Schnittmenge verfahren, was wiederum sehr allgemeine bzw. widersprüchliche Definitionen hervorbringt: „Kultur [...] als System verhaltenssteuernder Werte und Normen, die von den Mitgliedern einer sozialen Gruppe erlernt und geteilt werden. Kultur [...] als Bezeichnung für differenzierbare, konkret existierende soziale Gemeinschaften und Systeme.“ (Stüdlein 1997, S. 23)

Demgegenüber will sich die vorliegende Arbeit insofern festlegen, als sie sich die Mühe macht, die Kennzeichen und Unterschiede bestehender Kulturdefinitionen zu untersuchen, um dann ein im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand schlüssiges und fruchtbares Kulturkonzept auszuwählen. Eine solche, vielleicht mutige Wahl verfolgt den primären Zweck, Transparenz über das eigene Erkenntnisinteresse herzustellen, indem Grundannahmen von Anfang an offengelegt werden. Die Auswahl selbst jedoch erhebt dabei einen Anspruch nur auf Gegenstandsangemessenheit, keinesfalls auf Allgemeingültigkeit. 3.1.1. Vielfalt des historischen Kulturbegriffs Um die Vielfalt der historischen Kulturdebatte überschaubarer und damit für die Arbeit nutzbar zu machen, soll im Folgenden eine grobe Systematisierung verschiedener Kulturdefinitionen anhand grundlegender Kriterien erarbeitet werden. Eine solche Diskussion wird sich hinsichtlich der nachfolgenden Diskussion von Unternehmenskultur als Sonderfall von Kultur als hilfreich

Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

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erweisen, da diese, wie zu zeigen sein wird, auf ähnliche Problematiken bei ihrer Begriffsbestimmung trifft. Mit Blick auf die anschließende Betrachtung der entsprechenden Definitionen von Unternehmenskultur soll daher im Einzelnen untersucht werden, auf welche Inhalte sich Kultur bezieht, welche Funktion ihr zugedacht oder zugetraut wird und welche Aussagen in Bezug auf die Einheitlichkeit oder Homogenität ihrer Struktur gemacht werden. Gerade dem letzten Punkt kommt dabei große Bedeutung zu, da sich jede Forschung zum Thema Interkulturalität in besonderem Maße mit der Frage der Einheitlichkeit oder Uneinheitlichkeit von Kultur auseinandersetzen muss. 3.1.1.1. Inhalte von Kultur Die Vielfalt des Kulturbegriffs beginnt bei seinen Inhalten. Eine der frühesten anthropologischen Kulturdefinitionen deutet bereits diese Vielfalt des Gegenstands an: „Culture [...] is that complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society.“ (Tylor 1871, S. 1)

Gleichzeitig verweist sie jedoch auf ein verbindendes Element vieler Definitionsversuche: Es geht bei dem Begriff Kultur um menschliche Gewohnheiten („habits“) als Teil einer Gruppe oder Gesellschaft („society“). Untersucht man unter diesem Gesichtspunkt unterschiedliche Begriffsdefinitionen, so lässt sich mit Hansen eine grobe Einigkeit in Bezug auf den Gegenstand von Kultur als im weitesten Sinn „gesellschaftliche Gewohnheit“ (Hansen 2000, S. 236) feststellen. Uneinigkeit herrscht jedoch bereits in der Frage, was unter dieser Kultur im Sinne von „Gewohnheiten“ zu verstehen sei. Hier lassen sich ausschnittsweise drei unterschiedliche Ansätze erkennen, einen verdinglichenden, einen materiellen sowie einen kognitiven. Im ersten Fall wird Kultur als eine „in sich geschlossene, ‚überorganische’ Realität mit eigenen Kräften und eigenen Absichten“ (Geertz 1999, S. 16) verstanden, also verdinglicht. Als Vertreter dieses Ansatzes postuliert beispielsweise White eine umfangreiche Eigendynamik von Kultur als sich selbst genügendem System: „We no longer think of culture as designed to serve the needs of man; culture goes ist own way in accordance with laws of ist own. Man lives within the embrace of cultural systems, and enjoys or suffers whatever they mete out to him.“ (White 1949, S. 159)

Der klassische philosophische Gegensatz von Substanz und Manifestation vollzieht sich demgegenüber im zweiten, materiellen Ansatz, der Kultur als gesellschaftliche Gewohnheit auf manifeste Verhaltensäußerungen beschränkt. Beispiele für diese Richtung finden sich bei Steward und Harris aus dem Bereich der Ecological Anthropology, die Kultur rein als beobachtbares Verhalten definieren, das primär durch Umweltfaktoren bestimmt wird (vgl. Steward 1955 und Harris 1991). Als Gegenbewegung zu dieser Reduktion von Kultur auf ihre Manifestation lässt sich der dritte, kognitive Ansatz verstehen, der Kultur im Gegensatz dazu eher als „kollektive Geistigkeit“ (vgl. Hansen 2000, S. 247) oder „invisible mental constructions“ (Sackmann 1991, S. 14) bezeich-

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

net, also den gemeinsamen geistigen Hintergrund beschreibt, der kulturellen Äußerungen ihre Bedeutung verleiht. Zu dieser großen Gruppe gehören inhaltlich unterschiedlichste Vertreter aus verschiedenen Bereichen. Der Anthropologe Goodenough lässt sich diesem Ansatz zuordnen, wenn er die Kultur „in den Köpfen und Herzen der Menschen“ ansiedelt und als das definiert, „was man wissen oder glauben muss, um in einer von den Mitgliedern dieser Gesellschaft akzeptierten Weise zu funktionieren“ (Goodenough, nach Geertz 1991, S. 16f.). Auch der Organisationspsychologe Hofstede mit seiner Definition von Kultur als „the collective programming of the mind which distinguishes the members of one human group from another“ (Hofstede 1984, S. 21) kann somit dem kognitiven Ansatz zugerechnet werden. Die Vorstellung von Kultur als Wissensvorrat und Teil der Habermasschen Lebenswelt führt ebenfalls in diese Richtung: „Kultur nenne ich den Wissensvorrat, aus dem sich die Kommunikationsteilnehmer, indem sie sich über etwas in der Welt verständigen, mit Interpretationen versorgen [...] Die zum Netz kommunikativer Alltagspraxis verwobenen Interaktionen bilden das Medium durch das sich Kultur, Gesellschaft und Person reproduzieren. Diese Reproduktionsvorgänge erstrecken sich auf die symbolischen Strukturen der Lebenswelt.“ (Habermas 1981, S. 209)

Neben diesen drei Ansätzen lassen sich zahlreiche Mischformen ausmachen, die versuchen, die materielle und manifeste sowie die geistige Seite von Kultur gleichermaßen zu berücksichtigen. So schlägt beispielsweise Assmann eine zweiteilige Definition von Kultur vor und beschreibt hierbei zum einen „die Ansichtsseite der Kultur, das ist die Seite, in der sie als Monument erfasst werden will, als Zeichen, das auf sich selbst verweist. Kultur als Monument meint diese Seite der Kultur, die sich inszeniert, die sich für die Mitund Nachwelt zur Schau stellt, die gesehen, bewahrt, erinnert sein will. [...] Statuen, Bauwerke, Texte und andere kulturelle Artefakte dürfen als Monumente verstanden werden [...]. (Assmann/Harth 1991, S. 13f.)

Diese Ansichtsseite wird ergänzt durch eine übergeordnete Instanz von Kultur als Lebenswelt, als „Sockel gemeinsamer Werte, Vorstellungen, Meinungen, Präsuppositionen, auf denen soziales Handeln und Leben aufruht“ (Assmann/Harth 1991, S. 12). Eine ähnliche Verbindung sucht der Anthropologe und Semiotiker Geertz, der einer geistigen, unsichtbaren Seite von Kultur eng ihren öffentlichen, individuellen Vollzug zur Seite stellt, durch den sie erst erfahrbar und somit interpretierbar wird. Kulturelles Handeln muss als „symbolisches Handeln“ (Geertz 1999, S. 16) gesehen werden, nach dessen Bedeutung gefragt werden muss: „Kultur ist deshalb öffentlich, weil Bedeutung etwas Öffentliches ist“ (Geertz 1999, S. 18). Die genannten Beispiele, denen sich zahlreiche weitere Standpunkte hinzufügen ließen, illustrieren die Unterschiede zwischen einer eher manifestationsorientierten bzw. kognitionsorientierten Auffassung von Kultur sowie auch deren Mischformen. Sie setzen sich, wie zu zeigen sein wird, in vergleichbarer Weise innerhalb der Debatte zu den Inhalten von Unternehmenskultur fort.

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3.1.1.2. Funktion und Gestaltbarkeit von Kultur Einen weiteren Streitpunkt bei der Definition von Kultur stellt die Frage nach ihrer Funktion dar, die ihrerseits eng mit dem zugrundeliegenden Verhältnis von Kultur und Natur zusammenhängt. Vereinfacht lassen sich dabei in der historischen Kulturdebatte mit Hansen zwei grundsätzliche Möglichkeiten unterscheiden: „Entweder ist das natürlich Gegebene beherrschend oder das kulturell Geschaffene. Im ersten Fall wird Kultur nachgeordnet, [...] im zweiten hingegen ist sie der Natur vorgeordnet [...]“ (Hansen 2000, S. 267). Eine naturdominierte Kultur kann in ihrer Funktion somit nur als Erfüllungsgehilfin von vorgegebenen, allgemein menschlichen Bedürfnissen betrachtet werden, während die Auffassung einer naturdominierenden Kultur, die sich den natürlichen Gegebenheiten entgegenstellt, dem Menschen größere Gestaltungskraft einräumt. Als bedeutendster Vertreter des naturdominierten Kulturansatzes gilt Malinowski, der als Begründer eines anthropologischen Funktionalismus die „biological foundation of culture“ (Malinowski 1944, S. 75) postuliert: „First and foremost, that every culture must satisfy the biological system of needs, such as those dictated by metabolism, reproduction, the physiological conditions of temperature. Second, that every cultural achievement that implies the use of artifacts and symbolism is an instrumental enhancement of human anatomy, and refers directly or indirectly to the satisfaction of a bodily need.“ (Malinowksi 1944, S. 171)

Auch die Vertreter der Ecological Anthropology wie Stewart, der die Abhängigkeit der Kultur von Rohstoffen und sonstigen geographischen Gegebenheiten betont, lassen sich dieser Richtung zuordnen (vgl. Steward 1955). Neben diesen explizit funktionalistischen Ansätzen drückt sich die Naturabhängigkeit eines Kulturansatzes häufig subtiler als Postulat kultureller Universalien aus, die in jeder Kultur als Antwort auf bestimmte Gegebenheiten der menschlichen Existenz identifiziert werden. So schreibt zum Beispiel Kluckhohn: „In principle [...] there is a generalized framework that underlies the more apparent and striking facts of cultural relativity. All cultures constitute so many somewhat distinct answers to essentially the same questions posed by human biology and by the generalities of the human situation.“ (Kluckhohn 1962, S. 317-318)

Auch Hofstede, der als bekanntester Vertreter der Kulturenvergleichenden Psychologie die Existenz psychischer Universalien betont, lässt sich hier einreihen: “The comparison of cultures presupposes that there is something to be compared; that each culture is not so unique that any parallel with another culture is meaningless.“ (Hofstede 1984, S. 32)

Unabhängig von der postulierten Art der Naturabhängigkeit von Kultur ist Ansätzen dieser Richtung gemeinsam, dass sie die konkrete Ausprägung und Einzigartigkeit von Kulturen zugunsten eines kleinsten gemeinsamen Nenners, der anhand von groben Kategorien beschrieben wird, zurückstellen (zur Problematik des Kulturvergleichs siehe Kapitel 2.2.5). Auf diese Weise kommt dem Individuum in Bezug auf die Gestaltbarkeit und Entwicklung von Kultur nur eine passive, untergeordnete Rolle zu. Demgegenüber lässt die Vorstellung einer naturdominierenden Kultur dem Menschen einen größeren Gestaltungsspielraum. Wurzeln dieses Denkansatzes finden sich schon in der Philoso-

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

phie Aristoteles’, der dem Menschen die Fähigkeit zutraut, seine natürlichen Leidenschaften zu beherrschen und sich durch Mäßigung kulturell zu vervollkommnen (vgl. Aristoteles 1977, Helferich 1998, S. 49 f.). Kultur kommt im Gegensatz zur Funktion der Bedürfnisbefriedigung innerhalb der naturdominierten Ansätze in diesem Fall eher die Funktion menschlicher Emanzipation von natürlichen Bedingungen zu. Hansen weist darüber hinaus auf die Ähnlichkeit dieses Gedankens im Christentum hin, das ebenfalls dem an sich schwachen Menschen die Möglichkeit zugesteht, durch die kulturelle Kraft des Willens und des Glaubens von seinen Schwächen erlöst zu werden: „Dieser Gedanke war und ist ein Eckpfeiler vieler Bereiche unserer Lebenswirklichkeit, ohne den es weder Ethiker, Theologen noch Pädagogen gäbe und ohne den kein Staatsgebilde denkbar wäre, das uns Pflichten und Einschränkungen auferlegt.“ (Hansen 2000, S. 287).

Nach Hansen ist dieser Gedanke einer naturdominierenden Kultur die Grundlage für die moderne Vorstellung, dass „Kultur nicht eigendynamisch voranschreitet, sondern manipulierbar ist“ (Hansen 2000, S. 291). Er entdeckt sie zum ersten Mal im Ideologiebegriff von Marx und Engels12, der einer herrschenden Klasse eine Art „Verfügungsgewalt“ (Hansen 2000, S. 291) über kulturelle Merkmale zutraut, die zwar innerhalb einer Gesellschaft allgemeine Gültigkeit besitzen, von denen aber nur der herrschende Teil profitiert. Ein Gedanke, der die Grundlage für die lange Tradition der Kulturkritik bildet, die in der Folge beispielsweise von Seiten der Frankfurter Schule bis hin zu postmodernen Denkern wie Bourdieu (1974) und Foucault (1977a, b) geäußert wurde. In Bezug auf das Forschungsinteresse Unternehmenskultur ist er an dieser Stelle von besonderer Bedeutung, denn während sich innerhalb der Ethnologie und Kulturwissenschaften noch niemand an die Schlussfolgerung „wagt“, dass „Kultur gemacht, gemanagt und manipuliert werden könnte“ (Hansen 2000, S. 294), bildet diese Annahme innerhalb der Managementwissenschaften die Grundlage für zahlreiche Modelle von Unternehmenskultur und wird daher im Rahmen einer Untersuchung zur Entwicklung einer solchen Unternehmenskultur zu diskutieren sein. 3.1.1.3. Struktur von Kultur Eng verknüpft mit den Inhalten und der Funktion von Kultur stellt sich die Frage nach ihrer inneren Struktur. Dabei beschäftigte die Ethnologie und Kulturwissenschaft in der Vergangenheit vor allem der Grad an diagnostizierter Einheitlichkeit oder Kohärenz der Gewohnheiten innerhalb einer Kultur sowie die daraus abgeleitete Stabilität des kulturellen Zusammenhalts. Hierbei stehen sich traditionell zwei Standpunkte gegenüber: Der einen Seite lassen sich diejenigen Ansätze zuordnen, welche die Homogenität und Widerspruchsfreiheit, also das alle Mitglieder einer Kulturgemeinschaft Verbindende von Kultur betonen. Dieser Gedanke findet sich schon bei Herder mit seinem vereinenden Prinzip der „Volksseele“, die allen Kulturen zugrunde liegt und dementsprechend für zwar vielfältige aber in sich konsistente Ausprägungen von Kultur sorgt. Zu einem ähnlichen Schluss kommen auch Ethno-

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logen, die wie White eine Verdinglichung von Kultur außerhalb des menschlichen Einflussvermögens vermuten (vgl. White 1959, s.o.) oder wie Benedict eine musterhafte Kongruenz („Patterns“) zwischen bestimmten Ideen und Zielvorstellungen einer Gesellschaft sowie deren kulturellen Manifestationen entdecken: „All the miscellaneous behavior directed towards getting a living, mating, warring, and worshipping the gods, is made over into consistent patterns in accordance with unconscious canons of choice that develop within the culture.“ (Benedict 1934, S. 44) “A culture, like an individual, is a more or less consistent pattern of thought and action.“ (Benedict 1934, S. 42)

Dieses Paradigma einer grundsätzlichen Einheitlichkeit, Homogenität oder mit Kluckhohn „internal coherence“ (Kluckhohn 1949, S. 35) von Kultur wirkt bis in die heutige Zeit nach. So ist es nach Beck verantwortlich für die „Container-Theorien“ der modernen Nationalstaaten (vgl. Beck 1997, 1998), die Gesellschaften als abgeschlossene, „radikal nur auf sich selbst bezogene fensterlose autopoietische Monaden“ (Drechsel/Schmidt/Gölz 2000, S. 12) im Leibnizschen Sinne betrachten. In den Managementwissenschaften liegt es der Kulturdefinition von Hofstede mit ihrer Idee einer einheitlichen, mentalen Software (vgl. Hofstede 1984) genauso zugrunde wie dem Kulturstandard-Modell von Thomas, das die Existenz konsistenter, hierarchisch strukturierte Leitvorstellungen einer Kultur postuliert (vgl. Thomas 1996a, 1997). Der verbreiteten Idee von Kultur als Einheit stehen jedoch zahlreiche Ansätze gegenüber, die von einer grundsätzlichen Heterogenität von Kultur ausgehen. So benutzt schon Tylor beispielsweise das Bild eines Flickwerks aus „shreds and patches“ (vgl. Tylor 1871) zur Beschreibung der entdeckten Uneinheitlichkeit von Kultur, während Boas den zufallsgeprägten Einzelfallcharakter seiner Studien betont und jegliche Generalisierung hin zu übergeordneten Mustern vermeidet (vgl. Boas 1940). Mit der Entwicklung der Semiotik und den kulturtheoretischen Überlegungen der postmodernen Philosophie wird der Heterogenitätsgedanke wieder aufgegriffen. So kommt es beispielsweise bei dem Semiotiker Turner zur Diagnose einer Widersprüchlichkeit der Zeichen, die sich in dem Bild des „Forest of Symbols“ (vgl. Turner 1967) offenbart, während postmoderne Philosophen wie Lyotard oder Welsch innerhalb der modernen Kulturen eine radikale Pluralität der kulturellen Leitvorstellungen und Lebensentwürfe diagnostizieren (vgl. Lyotard 1986, Welsch 1991).13 Während die Homogenitätsanhänger auf der einen Seite nur unbefriedigende Lösungen zum Phänomen der Individualität und zur Erklärung der in jeder Kultur evidenten Widersprüche, Divergenzen und Konflikte bereithalten, bereitet den Heterogenitätsvertretern auf der anderen Seite wiederum die Frage nach dem Zusammenhalt und der Stabilität von Kultur, ihrer Kohäsion, trotz diagnostizierter Inkohärenz Erklärungsprobleme. Diese Problematik demonstriert sich beispielhaft bei Geertz (vgl. Geertz 1996), der zunächst einmal zur Anerkennung von kultureller Heterogenität aufruft:

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Vgl. Marx/Engels 1969, Bd. 3, S. 46. Zu Pluralitätsdiagnose und –desiderat der postmodernen Philosophie vgl. auch Rathje/Suchy 1996, S. 30.

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„Zunächst müssen wir Differenz ausdrücklich und offen anerkennen statt sie mit Gemeinplätzen über ‚konfuzianische Ethik’, ‚westliche Tradition’, ‚südländisches Temperament’ oder ‚moslemische Mentalität’, mit windigen Moralpredigten über universale Werte oder mit trüben Banalitäten über ein tieferliegendes Einssein zu verdunkeln.“ (Geertz 1996, S. 28)

Dann versucht er jedoch postmodern paradox, „mit Hilfe einer diffusen Bildersprache“ (Hansen 2000, S. 264) die Einheit aus der Vielheit zu erklären: „Was immer an Einheit und Identität entsteht, wird aus der Differenz heraus verhandelt und hervorgebracht werden müssen [...] Es gibt [...] den einzigen Faden nicht [...] Es gibt nur Überlagerungen verschiedener sich kreuzender, verschlungener Fäden, deren einer ansetzt, wo der andere abreißt, die in Spannungen zueinander stehen und einen zusammengefügten, lokal disparaten und global integralen Körper bilden. Die Analyse solcher Länder und Gesellschaften gelingt nur, wenn man diese Fäden herauslöst, die Knoten, Schlingen, Verbindungen und Spannungen ortet, der Zusammengesetztheit dieses Körpers Rechnung trägt und seine tiefe Vielfalt auslotet.“ (Geertz 1996, S. 28f.)

Hier demonstriert sich der Versuch, trotz diagnostizierter Heterogenität („Welt in Stücken“, Geertz 1996) einen Rest von Zusammenhalt zu retten, um evidente kulturelle Stabilität, die sich nicht von der Hand weisen lässt, erklären zu können. Zusammenfassend lässt sich jedoch feststellen, dass die vorgestellten, traditionellen Ansätze noch keine befriedigenden Lösungsvorschläge hinsichtlich des Problems der Struktur von Kultur geben können. Mit dem Voranschreiten der Globalisierung, der damit verbundenen Realität interkultureller Begegnungen und gegenseitiger Durchdringung von Kulturen rückt diese Frage jedoch immer stärker in den Vordergrund des Interesses innerhalb der kulturwissenschaftlichen Debatte. Daneben vollzieht sich, wie zu zeigen sein wird, eine ähnliche Debatte parallel im Bereich der Unternehmenskultur. Im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse der Arbeit mit ihrer Untersuchung interkultureller Unternehmenskultur, also der Entwicklung von Kultur aus explizit heterogenen Elementen, erscheint es daher sinnvoll, nach einem zeitgenössischen Kulturkonzept zu suchen, das sich bemüht, auf die Frage von Heterogenität und Homogenität innerhalb von Kulturen eine verwertbare Antwort zu finden. 3.1.2. Das differenzorientierte Kulturmodell von Hansen In seiner Einführung in die Kulturwissenschaft (vgl. Hansen 2000) entwirft Hansen ein neuartiges Kulturmodell, das bewusst versucht, sich der zeitgenössischen Diagnose von gleichzeitig individueller Differenz und kollektiver Gemeinsamkeit innerhalb von Kulturen anzunehmen und die Frage zu beantworten, wie der oft beobachtete Widerspruch aus kultureller Heterogenität und Homogenität erklärbar ist, ohne den Begriff des Paradoxen bemühen zu müssen. Grundsätzlich definiert Hansen dabei den Begriff der Kultur in Anlehnung an Tylor konventionell als „Gesamtheit von Gewohnheiten eines Kollektivs“ (Hansen 2000, S. 17f.). Unter Gewohnheiten versteht er hierbei sogenannte „Standardisierungen“, die „weder das zufällige noch das erforderliche, sondern das zum Überleben funktionslose Gleichverhalten von Mitgliedern eines Kollektivs“ (Hansen 2000, S. 43) beschreiben, und wendet sich damit explizit gegen einen funktionalistischen Kulturansatz. Sein Begriff der Standardisierung einerseits ist breit angelegt und umfasst Standardisierungen der Kommunikation, des Denkens, des Empfindens sowie des Ver-

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haltens und Handelns (Hansen 2000, S. 45f.). Der Begriff des Kollektivs andererseits schließt vom Tennisclub über das Wirtschaftsunternehmen bis hin zum Nationalstaat alle unterscheidbaren Gruppen von Menschen ein. Auf diese Weise setzt sich Hansen ab von engeren Kulturdefinitionen, die primär auf eine Gesellschaft oder Nation bezogen sind, und lässt stattdessen zahlreiche Ebenen von Kultur, die sich überlagern und widersprechen können, ausdrücklich zu. Kernstück seines Kulturmodells ist daher auch die grundsätzliche Diagnose von Differenz innerhalb von Kulturen. So entdeckt er in allen komplexeren Kollektiven „nicht nur Vielfalt, sondern Diversität, Heterogenität, Divergenzen und Widersprüche“ (Hansen 2000, S. 182). Diese Differenz, die er anschaulich am Beispiel eines kulturellen Mikrokosmos innerhalb eines Passauer Tennisclubs demonstriert, ist bei Hansen Grundlage für die Erzeugung des Individuellen: „Die Divergenz des von außen Kommenden und die Geistigkeit des Innern, die auf Divergenzen reagiert, konstituieren die Eigendynamik des Individuums. Sie ist dafür verantwortlich, daß sich zwischen Kultur und Individuum eine Dialektik abspielt.“ (Hansen 2000, S. 186)

Kultur wird in diesem Sinne als Vorrat divergenter Angebote verstanden, der ähnlich wie Substanzen eines Chemielabors, die im Reagenzglas zusammengemischt ihr dynamisches Potential entwickeln, im Kontakt mit der Innenwelt der Individuen seine individuelle Ausprägung erfährt. „Auf Seiten des Individuums treiben diese Interaktionen seine Individualität weiter voran. Da sich Divergentes mischt, entfalten sich Kräfte, die in dieser Form und mit diesen Resultaten nur in diesem bestimmten Individuum am Werke sind, weil es seine einmalige Lebensgeschichte als Reaktionsbasis miteinbringt. So entsteht etwas Eigenes, Persönliches und wirklich Neues, das sich, wenn man die Ingredienzien für sich betrachtet, daraus nicht herleiten läßt. Das Individuum ist mehr als seine Auswahl kultureller „Identitätsofferten“; es ist mehr als die Addition des Bekannten.“ (Hansen 2000, S. 185)

Der Zusammenhalt von Kollektiven, ihre interne Kohäsion oder ihr „Kitt“ (Hansen 2000, S. 213) lässt sich dann dadurch erklären, dass innerhalb eines Kollektivs „die Mitglieder ihre Identitätsübereinstimmungen aktualisieren und die Identitätsdifferenzen nicht virulent werden lassen“ (Hansen 2000, S. 195). Begibt man sich von der Ebene einfacherer Gruppen wie einer Fangemeinde oder einem Unternehmen auf die höhere Ebene der von Hansen als „Superkollektive“ bezeichneten Nationalkulturen, die aus unterschiedlichsten überlagerten und divergierenden Teilgruppen bestehen, so ergibt sich jedoch die Frage, wie diese augenscheinlich stabilen Gebilde aus sich voneinander abgrenzenden Kollektiven zusammengehalten werden. Dabei kommt zunächst der Annahme von Multikollektivität besondere Wichtigkeit zu, also der Erkenntnis, dass jedes Individuum nach Hansen mehreren Kollektiven zugehörig ist: „Der Mensch zeichnet sich durch Multikollektivität aus. Zum einen gibt es unzählige Kollektive und zum anderen kann das Individuum gleichzeitig in vielen Kollektiven verortet sein. Kein Mensch geht ganz in einem Kollektiv auf, da sie keine Gesamtidentität anbieten können.“ (Hansen 2000, S. 196f.)

Mit Hilfe des Begriffs der Multikollektivität nähert sich Hansen dem scheinbaren Widerspruch aus individueller Eigenständigkeit und beobachtbarem Zusammenhalt von Kollektiven, ihrer „kryptischen Differenzenlogik“ (Drechsel/Schmidt/Gölz 2000, S. 18). So erzeugt die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen zwar automatisch eine Absonderung von anderen Gruppen, die jedoch durch die Mehrfach-Verortung der Individuen in zahlreichen Kollektiven wieder entschärft wird und auf diese Weise netzwerkartig Stabilität erzeugt. Auf der Ebene des Superkol-

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

lektivs der Nationalkultur etabliert sich diese Stabilität und Kohäsion damit weniger durch die Herausbildung allgemeinverbindlicher Normen als vielmehr durch die Erzeugung von Normalität: „Eine Nationalkultur, das ist ihr wesentlichstes Kriterium und ihre wirkungsvollste und tiefste Leistung, definiert Normalität, und diese Normalität wirkt auf ihre Art ebenso bindend und verbindlich wie soziale und politische Strukturen.“ (Hansen 2000, S. 233)

Der evidente Zusammenhalt von Kulturen ergibt sich damit nach Hansen nicht aus ihrer Kohärenz, sondern gerade aus der Bekanntheit und Normalität ihrer Differenzen. „Wir kennen [...] [die divergenten] Standpunkte, und wenn wir sie hören, wissen wir, daß wir zu Hause sind. [...] So viele es gibt und so divergierend sie sind, fügen sie sich dennoch in einen Rahmen des Üblichen. Das Individuum mag sie noch so mischen, wir erkennen sie doch [...].“ (Hansen 2000, S. 232)

Kohäsion durch Normalität

„Superkollektiv“ Nation Standardisierungen

Kollektiv

Differenz

Standardisierungen

Kollektiv Standardisierungen

Multikollektivität

Individuum

Abb. 14: Das differenzorientierte Kulturmodell von Hansen

Hansen verdeutlicht damit auf elegante Weise den fundamentalen Unterschied zwischen Einheit, Homogenität oder, wie er sagt, Kohärenz einer Kultur auf der einen Seite und ihrer Kohäsion, also ihrem Zusammenhalt, auf der anderen Seite. So beansprucht seine Diagnose kultureller Kohäsion keinerlei Annahme von Kohärenz, sie wird vielmehr auf allen kulturellen Ebenen gerade erst durch Differenz ermöglicht. Eine wichtige Funktion kommt in diesem Zusammenhang der Sprache und dementsprechend der Kommunikation als Kohäsionsfaktor einer Nationalkultur zu, da es in erster Linie „die in der Sprache gespeicherten Standardisierungen des Denkens“ sind, „die [...] den Umgang mit der Realität und die Interpretation des Alltags steuern“ (Hansen 2000, S. 209). Geht man darüber hinaus mit Luhmann von einem erweiterten Kommunikationsbegriff aus, bei dem jeder „elementare, Soziales als besondere Realität konstituierende Prozess“ als „Kommunikationsprozess“ aufgefasst wird (Luhmann 1984, S. 193),

Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

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kann Kultur als Ergebnis kommunikativer Prozesse verstanden werden. So postuliert beispielsweise Bolten, dass kulturelle Eigenschaften „nicht anders als auf kommunikativem Weg geäußert werden können“ (Bolten 2001b, S. 135) und spricht von „Kultur als Kommunikationsprodukt“ (vgl. Bolten 2000b). Insgesamt bietet Hansen mit seinem differenzorientierten Kulturmodell eine plausible Erklärung der Stabilität pluralistischer Gesellschaften mit ihrer Vielfalt an vorhandenen Standardisierungen, ohne eine kulturelle Einheit postulieren zu müssen: „Die zunächst auffallenden Verschiedenartigkeiten werden zu Reaktionen erklärt, die sich auf einen identischen Reaktionsgrund zurückführen lassen [...] Hinter der zunächst ins Auge springenden Uneinheitlichkeit vieler Kollektive und insbesondere der Nationen läßt sich mit Hilfe dieses Modells ein Fundament der Gemeinsamkeit freilegen. [...] Nicht das konkrete Verhalten der Individuen, nicht das Denken und Fühlen von Mehrheiten oder Minderheiten macht Kultur und Kollektivität aus, sondern die überindividuellen, der individuellen Umsetzung vorausliegenden Verhaltensangebote, die sozusagen unsichtbar in der Luft liegen. In Realisierung ihrer Freiheit bedienen sich die Individuen aus diesem identischen Angebot und erzeugen so die sichtbare Divergenz. Es ist die dialektische Leistung des Modells, daß es zum einen Verschiedenheit auf Identität zurückführt und daß es zum anderen individuelle Freiheit und kulturelle Prägung ineinssetzt.“ (Hansen 2000, S. 213)

Für eine Untersuchung von auf Heterogenität aufbauenden Unternehmenskulturen erscheint Hansens Ansatz, Kultur auf allen Ebenen menschlicher Gruppierungen anzusiedeln und kulturellen Zusammenhalt nicht auf der Voraussetzung von Homogenität aufzubauen, daher äußerst fruchtbar. Die explizite Aufwertung der kulturellen Bedeutung von Kommunikation und der daraus abgeleiteten Betrachtungsweise von Kultur als Kommunikationsprodukt unterstützt zusätzlich die vorgestellte kommunikationsorientierte Untersuchungsmethodik der Arbeit. So erscheint es auf Basis der vorgestellten Theoriemodelle sinnvoll, Kultur als Produkt kommunikativer Prozesse aufzufassen und als solche zu untersuchen. Aufgrund dieser Gegenstandsangemessenheit soll der Arbeit daher ein Kulturbegriff im Sinne von Hansen zugrunde gelegt werden. 3.1.3. Interkulturalität aus Sicht eines differenzorientierten Kulturbegriffs Da schon der Wortsinn des Begriffs Interkulturalität impliziert, dass ein Gegenstand zwischen

Kulturen bezeichnet werden soll, hängt seine genaue Definition in naheliegender Weise von dem jeweils zugrunde liegenden Kulturbegriff ab: Je nachdem, was im einzelnen unter Kultur verstanden wird, fällt die Kontrastierung innerhalb einer Definition von Interkulturalität unterschiedlich aus. Da jede Art von Interkulturalität darüber hinaus einen wie auch immer gearteten kommunikativen Austausch von Individuen impliziert, fällt bei der genaueren Untersuchung des Interkulturalitätsbegriffs oder seines anwendungsorientierten Pendants innerhalb der Betriebswirtschaft, dem Interkulturellen Management, auf, dass vorhandene Definitionen zusätzlich stark in Abhängigkeit von dem jeweils zugrundeliegenden Kommunikationsverständnis getroffen werden. So lässt sich mit Bolten feststellen, dass dort, wo ein eher klassisches Verständnis von Kommunikation als „Sprachdatenübermittlung“ (Bolten 1999a, S. 27) vorherrscht, bei dem die Trans-

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

mission von Inhalten oder Nachrichten im Sinne eines Reiz-Reaktions-Schemas im Vordergrund steht (vgl. Merten 1977, S. 38), der Begriff der Interkulturalität besonders im Sinne eines Kulturvergleichs aufgefasst wird. Dabei sorgt der eher informationstheoretische Kommunikationsbegriff basierend auf der Lasswellschen Formel14 dafür, dass Kommunikation zwischen Kulturen besonders im Rahmen von interkulturellem Management entsprechend auf eine störungsarme „Übertragung“ von Informationen abzielt, die folgerichtig hauptsächlich die bestehenden kulturellen Unterschiede betrachtet, um diese für den effektiven Kommunikationsablauf zu berücksichtigen: „Im Vordergrund steht bei diesem Verfahren [...] die Intention, Eigenkulturelles wie z.B. Organisationsprinzipien oder Führungsstile möglichst reibungslos in Fremdkulturelles zu implementieren“ (Bolten 1999, S. 26). Kommunikationsinhalte

Sender Empfänger

Empfänger Kommunikationsmedien

Sender

Inhaltsaspekt (Was wird vermittelt?) Beziehungsaspekt (Wie ist das Vermittelte zu interpretieren?) Bewertungsaspekt (Wie ist der Sender zu bewerten?)

Abb. 15: Interaktionstheoretischer Kommunikationsbegriff nach Watzlawick (1990, erweitert durch Oksaar 1993)

Im Vergleich dazu führt ein eher interaktionstheoretischer Kommunikationsbegriff, der das einfache Reiz-Reaktions-Schema um die Interdependenzen der Kommunikationsteilnehmer im Rahmen ihrer Interaktion erweitert15, zu einer Vorstellung von Interkulturalität, die den eigentlichen Prozess der Interaktion zwischen Vertretern unterschiedlicher Kulturen in den Mittelpunkt rückt. Die Erweiterung des Verständnisses von Kommunikation um ihren Beziehungsaspekt (vgl. Watzlawick 1990, S. 53 ff.) oder, noch expliziter, ihren reziproken Bewertungsaspekt (vgl. Oksaar 1993, S. 16 f.), erzeugt dabei einen zwingenden Zusammenhang zwischen den Kommunikationsteilnehmern, der eine separate, vergleichende Analyse in den Hintergrund treten lässt: „Angesichts der Interdependenz von Inhalts- und Beziehungsebene konstruiert das Subjekt kommunikativen Handelns Realität nur mit anderen zusammen, was bedeutet, daß Handlungen des Subjekts nicht von denen des Anderen geschieden werden können.“ (Bolten 1999a, S. 28)

14 15

WER sagt WAS auf welchem WEG zu WEM mit welcher WIRKUNG (vgl. hierzu auch Braddock 1958, S. 88ff.). Einer der frühesten Ansätze zur Interdependenz von Kommunikation findet sich schon 1888 bei Kleinpaul: „... wir selbst sagen unseren Mitmenschen, ohne daß wir es wissen und wollen, durch unsere Gestalt, unser Leben und Treiben viel: fortwährend geben wir dem Beobachter Gelegenheit, sich über uns, unsere Leiden und Freuden zu unterrichten [...]“ (Kleinpaul 1888, S. VI).

Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

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In der Anwendung auf den Begriff der Interkulturalität ergibt sich daher eine Fokussierung auf die prozessualen Abläufe beim Zusammentreffen von unterschiedlichen Kulturen, das „Dazwischen“ wird als eigentliche „Interkultur“ betrachtet (Bolten 1999a, S. 30)16. Wie schon in der Diskussion um einen angemessenen Kulturbegriff angedeutet, liegt der Arbeit mit ihrem Verständnis von Kultur als Kommunikationsprodukt ein interaktionstheoretischer Kommunikationsbegriff zugrunde. Da darüber hinaus im Rahmen des Erkenntnisinteresses primär kein statischer Kulturenvergleich angestrebt wird, sondern vielmehr eine prozesshafte Untersuchung der Interaktion von Vertretern unterschiedlicher Kulturen innerhalb eines Unternehmens, soll der Arbeit folglich auch ein interaktionsorientiertes Verständnis von Interkulturalität zugrunde gelegt werden. In diesem Sinn ist Interkulturalität dann als „ein Sonderfall von [...] Kommunikation“ (Hansen 2000, S. 318) zu verstehen und kann als Kommunikationsprozess zwischen Vertretern „kulturell unterschiedlicher Lebenswelten“ definiert werden, die „im Rahmen einer dynamischen Beziehung direkt oder indirekt miteinander kommunizieren“ (Bolten 1999a, S. 30). Mit Hansen sollen die kulturell unterschiedlichen „Lebenswelten“ hier als unterschiedliche Superkollektive, also Nationen, verstanden werden, so dass sich die Interkulturalität in diesem Fall auf die Kommunikationsprozesse zwischen Deutschen und Thais bezieht, die versuchen, im Rahmen ihrer Unternehmen im Sinne der Unternehmensziele erfolgreich miteinander zu agieren. Dabei kann auf Basis des zugrunde liegenden Kulturmodells aus dem „Sonderfall Interkulturalität“ als nationalem Kontrast innerhalb aller denkbaren Kommunikationssituationen allein nicht zwingend eine besondere Problematik abgeleitet werden. So betont beispielsweise Bolten, dass unter dem Aspekt der Lösung von kommunikativen Konfliktpotentialen durch ritualisierte Ordnungen wie Rechtfertigungen oder Entschuldigungen im Rahmen von Harmonisierungsstrategien (vgl. auch Keller 1984, S. 256) „intrakulturelle Interaktionen nicht per se weniger störanfällig als interkulturelle“ seien (Bolten 1999a, S. 35): „Im Gegenteil: gerade weil interkulturelles Handeln bis zu einem bestimmten Intensitätsgrad eher durch Andersartigkeits- als durch Normalitätserwartungen geprägt ist, zeichnet es sich durch eine größere Interaktionsbewußtheit aus [...].“ (Bolten 1999a, S. 35)

Ihre spezielle Konfliktanfälligkeit liegt demgegenüber vielmehr in der fehlenden Normalität der diagnostizierten Abweichungen im Verständnis oder Verhalten des Gegenübers, die in intrakulturellen Kommunikationssituationen mittels Gewöhnung normalerweise für Entschärfung des Konflikts sorgt: „Interkulturalität [...] ist ein Kommunikationsproblem. Es setzt dann ein, wenn die Erkenntnis stattgefunden hat und die Frage auftaucht, wir mit dem Erkannten umzugehen ist. Die besondere Schwierigkeit der Interkulturalität besteht nicht in der Erkenntnis des Fremden, sondern darin, für es, nachdem ich es erkenne, Verständnis zu finden.“ (Hansen 2000; S. 326)

16

Zu einem prozesshaften, interaktionsorientierten Verständnis von Interkulturalität vgl. auch Moosmüller 1997.

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

Die Problematik von Interkulturalität soll daher im folgenden primär unter dem Aspekt der Abwesenheit von Normalität durch das Fehlen bekannter Standardisierungen untersucht werden. 3.2. Unternehmenskultur Nachdem mit der Annäherung an die Begrifflichkeiten von Kultur und Interkultur eine theoretische Einbettung des Forschungsbereichs vorgenommen wurde, soll nun das zentrale Konzept der Unternehmenskultur auf seine vielfältigen definitorischen Grundlagen hin untersucht werden. Dabei kann mit Smircich festgestellt werden: „[The] variation in the ways the concept of [corporate] culture is used by researchers … can be traced directly to their different ways of conceiving … ‘culture’“ (Smircich 1983, S. 342). Daher soll zum einen gezeigt werden, dass die Konzeptheterogenität, die sich um den schillernden Begriff der Unternehmenskultur im Besonderen rankt, zu weiten Teilen Entsprechungen in der Debatte um den Kulturbegriff im Allgemeinen besitzt (vgl. auch Dülfer 1988, S. 4ff.). Zum anderen soll verdeutlicht werden, dass gerade in Bezug auf das Differenzierungskriterium Homogenität oder Kohärenz von Unternehmenskultur, dem in interkulturellen Kontexten besondere Wichtigkeit zukommt, hinsichtlich Realitätsnähe und Anwendbarkeit bestehender Modelle eine Lücke besteht, zu deren Schließung die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten möchte. 3.2.1. Vielfalt des Unternehmenskulturbegriffs Der Begriff der Unternehmens- oder allgemein Organisationskultur wurde Anfang der 80er Jahre durch das Erscheinen der Studie „Corporate Cultures“ (vgl. Deal/Kennedy 1982) geprägt und allgemein bekannt gemacht durch den Erfolg des populärwissenschaftlichen Handbuchs „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“ (vgl. Peters/Waterman 1982). Seit Mitte der achtziger Jahre setzte sich das Konstrukt „Organisationskultur“ dann auch in den Teildisziplinen der deutschen Organisationsforschung

(Organisationspsychologie,

Organisationssoziologie,

Betriebswirt-

schaftslehre) durch (Sourisseaux 1994, S. 8) und wurde in der Folge von weiteren Forschungsbereichen, wie z.B. Erziehungswissenschaften (Merkens/Schmidt/Dürr 1990, Merkens 1990) oder Linguistik (Bungarten 1991, 1997) aufgegriffen. Der schnelle Siegeszug eines von Beginn an schwer greifbaren Konzepts lässt sich teilweise durch seine Namensgebung selbst erklären: „Mit der Bezeichnung Unternehmenskultur wurde gleichzeitig für die Unternehmen eine Überhöhung der eigenen Sichtbarkeit signalisiert, weil Kultur im Alltagsverständnis häufig mit Hochkultur verknüpft wird. Von daher wird verständlich, dass der Begriff so schnell akzeptiert worden ist [...].“ (Merkens o.J., S. 2)

Daneben hat ebenfalls besonders im angloamerikanischen Raum der „Schock durch das ‚japanische Wunder’“ (Kasper 1987, S.1) in den achtziger Jahren dazu beigetragen, Unternehmenskultur als entscheidenden Faktor für Unternehmenserfolg zu etablieren (vgl. Bleicher 1982, 1983, v. Keller 1982, Kieser 1984). Dieses Interesse an kulturrelevanten Themen innerhalb der Managementwissenschaften führte in der Folge zu einem enormen „Publikationsboom“ (Kasper

Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

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1987, S. 2), der Unternehmenskultur innerhalb kurzer Zeit einerseits zu einem der meist diskutiertesten Begriffe innerhalb der Betriebswirtschaft machte, andererseits für eine Vielfalt an teils unscharfen, teils divergierenden Begriffsdefinitionen sorgte (Schreyögg 2000, S. 435 f.). Mit Schreyögg kann als gemeinsame Basis der bestehenden Modelle zur Unternehmenskultur ihr emergenter Charakter (Schreyögg 2000, S. 411, vgl. auch Krohn/Küppers 1992) im Sinne einer spontanen Form organisatorischer Koordination angesehen werden. Dabei soll unter Emergenz die relative Autonomie eines Systems verstanden werden, dem Eigenverhalten möglich ist, weil es von seinen Rand- oder Rahmenbedingungen nicht vollständig determiniert ist. Emergenz beschreibt in diesem Sinne eine Ordnung, die nicht aus den zusammengesetzten Eigenschaften ihrer Teile erklärt werden kann und „die aus der Verarbeitung von Störungen hervorgegangen ist“ (Wägenbaur 2002, S. 7). Im Gegensatz zu intendierten und formalisierten organisatorischen Gestaltungsmaßnahmen werden als Unternehmenskultur folglich die gewachsenen Eigenheiten einer Organisation definiert. Das grundsätzliche Verständnis von Unternehmenskultur rückt damit in enge Nähe zu der diskutierten allgemeinen Definition von Kultur als den entwickelten Gewohnheiten eines menschlichen Kollektivs oder einer Gruppe mit ihren Standardisierungen des Denkens, Empfindens und Handelns (vgl. Hansen 2000), in diesem Fall angesiedelt auf der Ebene eines Unternehmens: „Die Organisationsforschung nimmt diesen für Volksgruppen entwickelten Kulturbegriff auf und überträgt ihn auf Organisationen mit der Idee, daß jede Organisation für sich eine je spezifische Kultur entwickelt, d.h. in gewisser Hinsicht eine eigenständige Kulturgemeinschaft darstellt. Dabei ist man sich natürlich im klaren, daß es hinreichend viele Unterschiede zwischen jahrhundertelang gewachsenen Kulturen und den kollektiven Handlungsmustern einer Zweckorganisation gibt. Nicht in einer banalen Gleichsetzung, sondern in dem Vergleich des scheinbar Unvergleichlichen liegt die Pointe.“ (Schreyögg 2000, S. 436)

Ausgehend von diesem grundsätzlichen Ansatz lassen sich darüber hinaus unterschiedlichste Konzeptualisierungen von Unternehmenskultur unterscheiden, die in ihrer Verschiedenheit die dargestellte Diskussion um den Kulturbegriff analog widerspiegeln. 3.2.1.1. Inhalte von Unternehmenskultur Ähnlich wie in der Kulturdebatte kann in der Forschung zur Unternehmenskultur in Bezug auf ihren eigentlichen Inhalt eine Unterscheidung in eher manifestationsorientierte Ansätze auf der einen Seite und eher kognitionsorientierte Ansätze auf der anderen Seite getroffen werden. Krulis-Randa spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Differenzierung in deskriptive und explikative Konzepte: „Das deskriptive Konzept befaßt sich mit den empirisch beobachtbaren kulturellen Artefakten materieller Art [...] und sozialen Verhaltensweisen [...] Das explikative Konzept, oder das sogenannte kulturelle ‚Conceptas’ versucht demgegenüber die internalisierten Verhaltensnormen, die Werte und die Motiv- und Einstellungsmuster, welche das Handeln in einer Gemeinschaft beeinflussen, zu erklären.“ (Krulis-Randa 1990, S. 6)

Im ersten Fall wird Unternehmenskultur oft definiert als konkrete, beobachtbare Manifestation von Verhaltensnormen oder, in Anlehnung an den berühmten Satz von Marvin Bower (McKinsey), als „the way we do things around here“ (Deal/Kennedy 1982, S. 4). Das Hauptinteresse dieses Forschungsansatzes liegt dabei in der Untersuchung kollektiver Praktiken wie Unterneh-

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

mensritualen oder -zeremonien sowie gemeinsamer kommunikativer Ausdrucksformen wie unternehmensspezifischem Jargon, Legenden, Mythen oder auch Humor, und ihrer Rückführung auf Bedeutungszusammenhänge: „These researchers [...] argue that cultural artifacts, and even the art of management itself, are powerful symbolic means of communications. They can be used to build organizational commitment, convey a philosophy of management, rationalize and legitimate activity, motivate personnel, and facilitate socialization.“ (Smircich 1983, S. 345)

Je nach Forschungsschwerpunkt stellen manifestationsorientierte Ansätze dabei unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund. So untersuchen beispielsweise Pondy/Frost/Morgan/ Dandridge (1983) und Turner (1989) die symbolischen Manifestationen von Unternehmenskultur. Trice/Beyer (1984) spezialisieren sich auf die Bedeutung von Ritualen und Zeremonien für die Unternehmenskultur. Schall (1983) beschäftigt sich mit den Kommunikationsaktivitäten von Organisationen als Ausdruck von Unternehmenskultur und erforscht die Auswirkungen von sogenannten „corporate sagas“ auf die kulturelle Kohäsion innerhalb eines Unternehmens (vgl. Schall 1981). Martin und Wilkins untersucht in ähnlicher Form Unternehmenskultur anhand von „organizational stories“ (vgl. Martin 1982, Wilkins 1984), und Kilmann versucht mit der Untersuchung von beobachteten Verhaltensweisen auf kulturelle Eigenschaften eines Unternehmen rückzuschließen (vgl. Kilmann 1985). Eine typische Definition von Unternehmenskultur als Interpretation konkreter Manifestationen findet sich bei Martin: „As individuals come into contact with organizations, they come into contact with dress norms, stories people tell about what goes on, the organization’s formal rules and procedures, its informal codes of behavior, rituals, tasks, pay systems, jargon and jokes only understood by insiders, and so on. These elements are some of the manifestations of organizational culture. When cultural members interpret the meanings of these manifestations, their perceptions, memories, beliefs, experiences, and values will vary, so interpretations will differ… The patterns or configurations of these interpretations, and the ways they are enacted constitute culture.“ (Martin 1992, S. 3)

Im Gegensatz zu einem solchen, stark auf den konkreten, individuellen Ausdruck einer Unternehmenskultur fokussierten Forschung richten die Vertreter eines eher kognitionsorientierten Ansatzes ihre Aufmerksamkeit nach innen auf das von allen Mitgliedern der Organisation geteilte Bedeutungssystem, das ihren Einschätzungen der Wirklichkeit und damit auch ihren Entscheidungen zugrunde liegt (vgl. Keesing 1974). Dabei kritisieren sie an ausschließlich manifestations-orientierter Forschung besonders die Notwendigkeit zu oft subjektiver Interpretation der vorgefundenen expressiven Elemente auf ihren Bedeutungsinhalt. Sackmann warnt in diesem Zusammenhang beispielsweise: „The process of ‚deciphering’ cultural manifestations is […] difficult and involves some guesswork” (Sackmann 1991, S. 21). In Anlehnung an Goodenough (siehe Kapitel 3.1.1.1) wird Unternehmenskultur daher von der kognitiven Forschungsrichtung eher als die kulturellen Manifestationen zugrunde liegende Gesamtheit von Wissen und Annahmen der Organisationsmitglieder definiert. So geht beispielsweise Schein von der Voraussetzung bestimmter geistiger Grundprämissen aus und definiert Unternehmenskultur als:

Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

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„[…] pattern of basic assumptions that a given group has invented, discovered, or developed in learning to cope with its problems of external adaptation and internal integration, and that have worked will enough to be considered valid, and, therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive, think, and feel in relation to those problems.“ (Schein 1984, S. 3)

Eine ähnliche Definition findet sich auch bei Phillips: „Culture is a set of assumptions commonly-held by a group of people. The set is distinctive to the group. The assumptions serve as guides to acceptable perceptions, thought, feeling, and behavior, are tacit among members, are learned and are passed on to each new member of the group.“ (vgl. Phillips 1984)

Sackmann postuliert Unternehmenskultur in einem Rückgriff auf Benedict („patterns“ of culture, siehe Kapitel 3.1.1.3) explizit als Wissensstruktur, die sie in strukturelle Komponenten, sogenannte „Cognitions“ einteilt: „Cognitions are sets of categories that guide perception and thinking“ (Sackmann 1991, S. 34). Sie unterscheidet dabei nach beschreibenden („what is“), kausal-analytischen („how“), kausalnormativen („should“) und erklärenden („why“) Cognitions, die im Sinne eines Habermasschen Wissensvorrats als Grundlage für die Konstruktion und das Verständnis der Organisationsrealität begriffen werden. Auch im deutschsprachigen Raum besitzt der kognitive Ansatz eine breite Anhängerschaft. So verstehen beispielsweise Kobi/Wüthrich unter Unternehmenskultur „die Gesamtheit von geteilten Normen, Wertvorstellungen und Denkhaltungen, die das Verhalten der Mitarbeiter aller Stufen und somit das Erscheinungsbild eines Unternehmens prägen“ (Kobi/Wüthrich 1986, S. 34). Rosenstiel bezeichnet „verinnerlichte Normen“ als Schwerpunkt von Organisationskultur (v. Rosenstiel et al. 1983, S. 83), und Neuberger/Kompa betrachten sie als „die Summe der Überzeugungen, Regeln und Werte, die das Typische und Einmalige eines Unternehmens ausmachen“ (Neuberger/Kompa 1986, S. 63). Rüttinger betont darüber hinaus in seiner Definition von Unternehmenskultur als „System gemeinsam getragener und gelebter Wertvorstellungen, Überzeugungen, Normen, Annahmen und Phantasien“ (Rüttinger 1986, S. 56) besonders den Aspekt des kollektiv geteilten und geäußerten Bedeutungssystems, während Bleicher die dynamische Komponente von Unternehmenskultur als sozialem Prozess des Entstehens und Vergehens von Werten und Normen in den Vordergrund stellt (Bleicher 1984, S. 495). Die manifeste Seite von Unternehmenskultur findet in den vorgestellten kognitiven Ansätzen vor allem Berücksichtigung im Sinne von beobachtbaren Symptomen einer dahinter liegenden, unsichtbaren ideellen Kultur. So definiert beispielsweise Krulis-Randa: „Die Unternehmungskultur ist die Gesamtheit der tradierten, wandelbaren, zeitspezifischen, jedoch über Symbole erfahrbaren und erlernbaren Wertvorstellungen, Denkhaltungen und Normen, die das Verhalten der Mitarbeiter und das Erscheinungsbild der Unternehmung [...] prägen.“ (Krulis-Randa 1990, S. 4)

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

Artefakte

Sichtbare Strukturen und Prozesse im Unternehmen

Bekundete Werte

Strategien, Ziele, Philosophie

Grundprämissen

Unbewusste, selbstverständliche Anschauungen, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle Ursache

Wirkung

Abb. 16: Organisationskultur als Ursache-Wirkungs-System (Schichtenmodell nach Schein 1995, S. 30)

Noch expliziter entwickelt Schein mit seinem Schichtenmodell aus Grundprämissen, daraus abgeleiteten bekundeten Werten und Artefakten als sichtbaren Strukturen und Prozessen eine Vorstellung von Organisationskultur als festgefügtes System von Ursache und Wirkung oder, im philosophischen Sinn, von Idee und Substanz (Schein 1995, S. 30ff.). Gegenüber der Differenzierung in manifestationsorientierte und kognitive Ansätze findet sich eine etwas abweichende Vorstellung von Unternehmenskultur bei Hofstede, der zunächst in Anlehnung an seine primär kognitive Definition von gesellschaftlicher Kultur Unternehmenskultur als „die kollektive Programmierung des Geistes“ definiert, „die die Mitglieder einer Organisation von einer anderen unterscheidet“ (Hofstede 1997, S. 249). Allerdings rechnet er nur beobachtbare Praktiken, also Manifestationen, zu denen er Symbole, Helden und Rituale zählt, zu den eigentlichen Elementen von Organisationskultur, während die ihnen zugrunde liegende Werte seiner Ansicht nach hauptsächlich durch die gesellschaftliche Kultur geprägt werden. Hofstede interpretiert diese Unterschiede zwischen Werten und Praktiken auf Basis seiner empirischen Forschung als Folge unterschiedlicher Orte der menschlichen Sozialisation: Während Werte in der frühen Kindheit erworben werden und daher hauptsächlich gesellschaftliche Prägung erhalten, erlernt das Individuum bestimmte Organisationspraktiken erst durch Sozialisation am Arbeitsplatz, wenn ein Großteil der Werte bereits verankert sind (Hofstede 1997, S. 252). Zusammenfassend kann im Hinblick auf die vorliegende Arbeit festgehalten werden, dass beide Ansätze von Unternehmenskultur mit ihren unterschiedlich gesetzten Schwerpunkten, auf der sichtbaren Seite sowie auf der verborgenen Seite von Unternehmenskultur, ihre Berechtigung besitzen, so dass die Erforschung von Unternehmenskultur nicht auf die eine oder andere Seite reduziert werden sollte. Die Arbeit muss daher zum einen Manifestationen von Unternehmenskultur untersuchen, aber auch ihnen zugrunde liegende Bedeutungen oder, mit Hansen, kognitive Standardisierungen berücksichtigen. Aus methodischer Sicht ist die Arbeit mit ihrem theoriebildenden Ansatz qualitativer Feldforschung allerdings darauf angewiesen, die Auswahl der zu untersuchenden Inhalte von Unternehmenskultur direkt auf Basis der erhobenen Daten, also auf Basis von manifesten Unternehmenskulturelementen, vorzunehmen, ohne von vorneherein

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

einen festgefügten Systemzusammenhang von verborgenen Standardisierungen und beobachtbaren Praktiken, beispielsweise im Sinne eines Schichtenmodells von Schein, vorauszusetzen. 3.2.1.2. Funktion und Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur Während sich innerhalb der Kulturdebatte in Bezug auf die Funktion von Kultur, wie oben gezeigt, ein eher funktionalistischer Ansatz mit der Vorstellung einer naturdominierten Kultur und ein eher strukturalistischer Ansatz mit der Vorstellung einer naturdominierenden Kultur gegenüberstehen, lässt sich im Bereich der Unternehmenskultur eine ähnliche Debatte beobachten. Mit Smircich lässt sich die Forschung beispielsweise in Ansätze einteilen, die Unternehmenskultur einerseits als „critical variable“ oder andererseits als „root metaphor“ betrachten (Smircich 1983, S.339). Dabei entspricht ersterer eher einer funktionalistischen Sichtweise von Kultur als einer zwar wichtigen Variablen unter vielen anderen, die in ihrer Funktion letztlich aber durch das übergeordnete Ziel des Unternehmens bestimmt wird. In diesem Fall hat ein Unternehmen eine bestimmte Kultur. Die Vorstellung von Unternehmenskultur als „root metaphor“ hingegen lässt sich verknüpfen mit der Sichtweise einer individuell gewachsenen Kultur, die quasi als „Wurzel“ allen Eigenschaften des Unternehmens zugrunde liegt. In diesem Fall ist ein Unternehmen eine bestimmte Kultur (vgl. Smircich 1983, S. 347). Dimensionen von Organisationskultur Aufgabenbearbeitung

Wie werden Aufgaben in der Organisation bearbeitet?

Ausrichtung

Worauf richtet sich das Hauptinteresse der Organisation?

Identitätskonstitution

Woraus leiten Mitarbeiter ihr Selbstverständnis ab?

Durchlässigkeit

Wie durchlässig ist die Organisation gegenüber Außenstehenden?

Interne Strukturierung

Wie ausgeprägt sind formale Kontrollsysteme innerhalb der Organisation?

Außenorientierung

Wie reagiert die Organisation auf äußere Anforderungen?

Ausprägungen von Organisationskultur Prozessorientiert Risikovermeidung, begrenzte Arbeitsanstrengung, ähnlicher Tagesablauf

Personenorientiert Organisation übernimmt Verantwortung für Wohl der Mitarbeiter, Gruppenentscheidungen

Organisationsgebunden Normen der Organisation gelten auch im Privatleben, geringer Planungshorizont

Offenes System Organisation offen gegenüber Neuen, kurze Eingewöhnungszeit

Schwache Kontrolle Geringe Kostenorientierung, ungenaue Einhaltung von Terminen, Witze über Organisation

Normativ Aufgabe: Korrekte Einhaltung von Verfahrensweisen, hoher Anspruch an Organisationsethik und Redlichkeit

Ergebnisorientiert Risikotoleranz, maximale Arbeitsanstrengung, täglich neue Herausforderungen

Aufgabenorientiert Leistungsdruck, Entscheidungen durch Einzelpersonen

Professionell Privatleben nicht durch Organisation beeinflusst, weiter Planungshorizont

Geschlossenes System Organisation verschlossen gegenüber Neuen, lange Eingewöhnungszeit

Starke Kontrolle Hohes Kostenbewusstsein, Pünktlichkeit, Ernsthaftigkeit im Zusammenhang mit der Organisation

Pragmatisch Aufgabe: Marktorientierung, Fokus auf Erfüllung von Kundenbedürfnissen

Abb. 17: Beispiel für ein Dimensionsmodell von Unternehmenskultur (nach Hofstede/Neuijn/Ohayv/Sanders 1990)

Es liegt nahe, dass die Vorstellung von Unternehmenskultur als „critical variable“ besonders innerhalb der betriebswirtschaftlich ausgerichteten Literatur zu Hause ist. Da ihr, ähnlich wie dem funktionalistischen Kulturbegriff (vgl. Kapitel 3.1.1.2), die Sichtweise zugrunde liegt, dass Unternehmenskultur von Unternehmen als Antwort auf bestimmte wirtschaftliche Gegebenhei-

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen

ten entwickelt wird, sucht sie nach universellen Kulturkategorien oder –dimensionen, anhand derer sich Unternehmenskulturen beschreiben und vergleichen lassen. Die Managementliteratur hat zu diesem Zweck in der Vergangenheit eine Vielzahl solcher Dimensionsmodelle hervorgebracht, aus denen unterschiedliche Unternehmenstypologien entwickelt wurden. So unterscheiden beispielsweise Deal und Kennedy zwischen zwei unabhängigen Dimensionen: „the degree of risk associated with the company’s activities, and the speed at which companies […] get feedback on whether decisions or strategies are successful” (Deal/Kennedy 1982, S. 107). Sie typisieren Unternehmen als „tough-guy, macho“, „work hard/play hard“, „bet-yourown company“ und „process“ Kulturen (Deal/Kennedy 1982, S. 107ff.). Bei Schein finden sich dagegen fünf Dimensionen von Unternehmenskultur, nämlich grundsätzliche Annahmen der Unternehmensmitglieder zur Realitätskonstitution, zu Zeit und Raum, zur menschlichen Natur, zu menschlichem Verhalten und zu menschlichen Beziehungen (vgl. Schein 1984). Hofstede identifiziert aufgrund einer empirischen Faktoranalyse sechs Dimensionen von Unternehmenskultur (vgl. Hofstede/Neuijn/Ohayv/Sanders 1990, siehe Abbildung), während Pümpin qualitativ sieben Dimensionen betrachtet: Kundenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Leistungsorientierung, Innovationsorientierung, Kostenbewusstsein, Technologieorientierung und Mitarbeiterloyalität (vgl. Pümpin/Kobi/Wüthrich 1985). Reynolds schließlich kommt insgesamt zu 14 unterschiedlichen Gegensatzpaaren, die er beschreibt als: „External vs. Internal emphasis“, „Task vs. Social focus“, „Safety vs. Risk“, „Conformity vs. Individuality“, „Individual vs. Group rewards“, „Individual vs. Collective decision-making“, „ Ad hockery vs. Planning“, „Stability vs. Innovation“, „Cooperation vs. Competition“, „Simple vs. Complex organization“, „Informal vs. formalized procedures“,„High vs. low loyalty“,„Ignorance vs. Knowledge“ (Reynolds 1986, S.334 ff.).

Vielfältige weitere Ansätze finden sich bei Ansoff, der Kulturen nach ihrem Umgang mit Veränderungen einteilt in stabile, reaktive, antizipative, explorative und kreative Typen (Ansoff 1979, S. 120), bei Handy, der auf Basis vorherrschender Organisationsideologien einteilt in Macht-, Rollen-, Aufgaben- und Personenkulturen (vgl. Handy 1978), sowie bei Kets de Vries/Miller, die psychoanalytische Terminologie auf Unternehmen übertragen und paranoide, depressive, dramatische, zwanghafte und schizoide Unternehmenstypen ausmachen (vgl. Kets de Vries/Miller 1986). Die Beispiele verdeutlichen ein grundsätzliches Dilemma der Erforschung von Organisationskultur: Alle vorgeschlagenen Dimensionen ergeben einen gewissen Sinn innerhalb der entwickelten Modelle, können aber eine gesamthafte Vollständigkeit nicht nachweisen. Sackmann beschreibt dieses Problem einer allgemeinen Willkür treffend: „Are two dimensions sufficient to characterize culture? Are five or seven more appropriate? And if so, which ones?” (Sackmann 1991, S. 26). Daneben stellt sich die Frage nach dem konkreten Aussagegehalt von Dimensionsmodellen. Hofstede erkennt diese Problematik, wenn er zusätzlich zu seiner Dimensionszuordnung die qualitative Erfassung der Einzigartigkeit eines Unternehmens im Sinne eines „feel for the ges-

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talt“ vorschlägt (Hofstede/Neuijn/Ohayv/Sanders 1990, S. 290). Insgesamt bleiben mit der Zuordnung von Unternehmen zu einem Typus, ähnlich wie bei der Einteilung nationaler Kulturen nach bestimmten Bewertungsskalen, die individuellen Ausprägungen des Unternehmens, die gerade im Hinblick auf pragmatische Aspekte der Unternehmensführung Wichtigkeit besitzen, unberücksichtigt. Diesem Aspekt widmet sich der „root metaphor“-Ansatz, der Unternehmen im ethnologischen Sinn als gewachsene Kulturen betrachtet: „The mode of thought that underlies culture as a root metaphor gives the social world much less concrete status. The social world is not assumed to have an objective, independent existence that imposes itself on human beings. Instead, the social or organizational world exists only as a pattern of symbolic relationships and meanings sustained through the continued processes of human interaction.“ (Smircich 1983, S. 353)

Grundsätzlich wird eine solche Vorstellung durch ihre Integration von historisch-dynamischen Aspekten besonders der komplexen Natur von Organisationskultur und -entwicklung gerecht. Organisationen werden als Organismen betrachtet, deren Einzigartigkeit betont wird, indem Messansätze von vorneherein ausgeschlossen werden zugunsten einer eher qualitativen Erfassung der Gesamtgestalt. So fordern beispielsweise Smircich/Calas: „[Consider] the corporate world as wondrous, strange, and exotic and as full of specialized meanings and significance as a remote village on the other side of the Himalaya“ (Smircich/Calas 1987, S. 240). Die Vorstellung von Unternehmen als „Minigesellschaft“ (Kasper 1987, S.27 und Morgan 1986, S. 121), die als solche mit allen kulturellen Attributen zu erforschen ist, hat sich in naheliegender Weise besonders innerhalb der ethnologischen und soziologischen Forschung durchgesetzt. So findet sich schon bei Goffman der Ansatz, Unternehmen metaphorisch in ihrer Gesamtheit als „Theater“ zu begreifen (vgl. Goffman 1959), Morgan interpretiert sie als psychopathische Gefängnisse (vgl. Morgan 1980). Die konsequente Erforschung von Organisationskultur im metaphorischen Sinn impliziert eine Langzeitforschung in Form von detaillierten Ethnographien unterschiedlichster Quellen, die schließlich tiefgehende Einzelfallbeschreibungen hervorbringt. Anhänger eher betriebswirtschaftlicher Richtungen kritisieren an diesem Ansatz daher gerade seine Komplexität, der ihn einerseits für empirische Forschung schwer operationalisierbar macht: „[This metaphoric] perspective does not lend itself easily to research“ (Sackmann 1991, S. 19). Andererseits kann er aufgrund seiner Komplexität aus ihrer Sicht kaum strukturell-analytische Erkenntnisse hervorbringen: „Culture treated as a unitary concept lacks analytical bite.“ (Pettigrew 1979, S. 574). Ähnlich wie die Funktion von Kultur im Allgemeinen (siehe Kapitel 3.1.1.2) ist die Frage der Funktion von Unternehmenskultur darüber hinaus eng verknüpft mit der Frage ihrer Gestaltbarkeit. So führen betriebswirtschaftliche Ansätze, die von Unternehmenskultur als einer Variable ausgehen, folgerichtig zu der Annahme ihrer möglichen Gestaltbarkeit durch das Management:

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„[The] research agenda arising from the view that culture is an organizational variable is how to mold and shape internal culture in particular ways and how to change culture, consistent with managerial purposes.” (Smircich 1983, S. 346)

Andererseits lässt sich aus eher metaphorischen Ansätzen eine geringere Möglichkeit zur Einflussnahme ableiten. Auf dieser Basis ergibt sich ein breites Spektrum aus Positionen zur Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur: Auf dem einen Extrem sind Arbeiten einzuordnen, die Unternehmenskultur explizit als Werkzeug der Mitarbeiterführung ansehen (Pümpin 1984, S. 14ff.), als unter Effizienzgesichtspunkten veränderbare Variable (vgl. Kobi/Wüthrich 1986, Hinterhuber 1992) oder als Manipulationsinstrument zur Einflussnahme auf das Selbstverständnis der Mitarbeiter eines Unternehmens (vgl. Tunstall 1983). Smircich kritisiert in diesem Zusammenhang den daraus entstehenden Machbarkeitsglauben von Unternehmenskultur als Allheilmittel: „The talk about corporate culture tends to be optimistic, even messianic, about top managers molding cultures to suit their strategic ends. […] Those of a sceptical nature may […] question the extent to which the term corporate culture refers to anything more than an ideology cultivated by management for the purpose of control and legitimation of activity.“ (Smircich 1983, S. 346)

Auch Ouchi geht mit dem Postulat seiner bekannt gewordenen Theory Z (Ouchi 1981) grundsätzlich von der Möglichkeit Management-induzierter Veränderung aus, gesteht dem Management in seinem Stufenmodell zur Erreichung einer optimalen Firmenkultur allerdings in abgeschwächter Form nur die Rolle des Schaffens von Rahmenbedingungen zu, innerhalb derer sich dann eine Kultur in beabsichtigter Form entwickeln kann. So lautet beispielsweise einer seiner Ratschläge an das Management: „Step Thirteen: Permit the development of wholistic relationships [...] Wholistic relationships are a consequence rather than a cause of organizational integration […] A wholistic relationship cannot be developed, but once the Z changes are underway, it has a chance to grow […].” (Ouchi 1981, S. 109)

Zahlreiche Autoren bevorzugen demgegenüber eher eine Vorstellung vom Manager als dem Unternehmenshelden oder „corporate hero“ (Rüttinger 1986, S. 77), der als Träger einer Organisationskultur durch sein beispielhaftes Verhalten Kultur vorleben und dadurch erschaffen kann (vgl. auch Deal/Kennedy 1982 und Peters/Waterman 1982). Eine andere Extremposition hinsichtlich der Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur vertreten einige Anhänger des metaphorischen Ansatzes, indem sie dem Management eines Unternehmens jegliche Einflussnahme grundsätzlich absprechen. Häufig findet sich in diesem Zusammenhang die Vorstellung vom Manager als „Brandungssurfer“ (Neuberger 1985, S. 86), der quasi hilflos „auf einer Woge von Versuchs- und Irrtumsaktivitäten“ (Westerlund/Sjöstrand 1981, S. 163) reitet: Die nur äußerlich handlungsaktiven Führungspersonen „erschaffen diese Welle nicht, sondern müssen das tun, was die Welle macht“ (Neuberger 1985, S. 86). Die Unternehmensführung wird in diesem Fall als vollkommen „unselbständiger Teil von Organisationskultur“ (Neuberger 1985, S. 86) verstanden. Zwischen den dargestellten Extrempositionen lassen sich zahlreiche gemäßigtere Ansichten finden. So differenziert beispielsweise Sackmann den Einfluss dominanter Organisationsmitglieder

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nach dem jeweiligen Zeitpunkt innerhalb der Firmenhistorie. Sie schätzt die Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur während der Entwicklungsphase des Unternehmens als am höchsten ein, da die Führungspersonen zu diesem Zeitpunkt „die akzeptablen Verhaltensweisen in der Organisation durch ihre Erwartungen, Normen, Standards, Sanktionen und Entscheidungen mitbestimmen“ (Sackmann 1983, S. 400). Schein geht hingegen grundsätzlich von der Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Unternehmenskultur durch das Management aus, hält Eingriffe jedoch nur dann für zulässig, wenn einerseits die Organisation nicht effizient arbeitet und Gefahr läuft, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und andererseits Teile der Organisation durch andere in ihrer Entfaltung eingeschränkt oder unterdrückt werden (Schein 1984a, S. 40). Einen wichtigen Aspekt bei der Bewertung der Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur gerade im Rahmen des vorliegenden Erkenntnisinteresses bildet darüber hinaus die Frage nach dem Einfluss der Landeskultur auf eine Unternehmenskultur. Das bekannte Zitat Fujisawas bringt die Ambivalenz dieses Problems zum Ausdruck: „Japanese and American management is 95 percent the same, and differs in all important aspects.“ (T. Fujisawa, cofounder of Honda Motor Corporation, nach Adler/Doktor/Redding 1986, S. 295)

Zum einen scheinen sich Management-Prinzipien im Sinne vorgeblich objektiver ökonomischer Grundsätze weltweit zu ähneln und auch erfolgreich international übertragbar zu sein. Zum anderen scheint es eine unverkennbare landeskulturelle Prägung von Unternehmen zu geben, die quasi im leeren Raum besteht, aber dennoch wirksam ist. Die anfänglich vorgeschlagene ‚Konvergenz-Hypothese’ konnte sich bei der Beurteilung dieser Frage langfristig nicht als haltbar erweisen. Ihre Vertreter prophezeihen aufgrund der herausragenden Bedeutung der in allen Kulturbereichen ähnlichen technologischen und ökonomischen Einflussfaktoren auf Unternehmen, dass sich die nationalen Kulturen und damit auch die Unternehmenskulturen langfristig angleichen und ihre nationale Prägung verlieren werden (vgl. Ronen 1986, S. 237; Levitt 1983, S. 92; Child 1981, Negandhi 1979, Form 1979). Verschiedene Studien offenbaren demgegenüber jedoch nicht nur erhebliche nationale Unterschiede in den Einstellungen zu arbeits- und managementrelevanten Fragen, sondern weisen auch deren zeitliche Persistenz nach (vgl. Hofstede 1984). Darüber hinaus zeigt beispielsweise Laurent im Gegensatz zur Konvergenz-Hypothese, dass gerade in multinationalen Unternehmen die länderspezifischen Einstellungsunterschiede ausgeprägter ausfallen als in anderen (vgl. Laurent 1983). Insgesamt gehen die meisten Autoren heute daher von einem bedeutenden Einfluss der Landeskultur auf die in sie eingebetteten Unternehmenskulturen aus. Adler betrachtet Mitarbeiter von Unternehmen dabei als „fundamentally conditioned by national culture“ (Adler/Jelinek 1986, S. 84). Schreyögg fasst zusammen: „Man ist sich einig, dass die Landeskultur einen erheblichen Einfluss auf Denk- und Verhaltensweisen von und in Organisationen ausübt“ (Schreyögg 1993, S. 150).

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Dabei erfolgt die landeskulturelle Einflussnahme nach Ansicht zahlreicher Autoren primär über die Doppelrolle der einzelnen Mitarbeiter, die einerseits als sozialisierte Träger einer Landeskultur und andererseits als Unternehmensmitglieder fungieren: „Der Einfluß der jeweiligen Landeskultur entfaltet sich in erster Linie über die Mitarbeiter. Sie bringen die in der primären Sozialisation erworbenen Wert- und Orientierungsmuster in die Unternehmung mit.“ (Schreyögg 1991, S. 19)

Aus der Annahme eines solchen landeskulturellen Einflusses auf Unternehmenskultur ergibt sich dann jedoch eine eingeschränkte Gestaltbarkeit. Schon Adler/Jelinek weisen in diesem Zusammenhang auf die Abhängigkeit einer Unternehmenskultur von der gesellschaftlichen Sozialisierung der Mitarbeiter hin: “[Organizational] culture is necessarily based on both the culture(s) of the organization members and the overarching goals and directions of organization management. People enter organizations – as managers or employees – with much societal conditioning, many attitudes and beliefs, much prior culture already in place. The emergent collectivity, which affects the ways work is done, how relationships structured, or events perceived and interpreted is not wholly management’s creation.“ (Adler/Jelinek 1986, S. 86)

Sie fordern im Gegensatz zu der in der Betriebswirtschaft vorherrschenden Annahme unbegrenzter unternehmerischer Gestaltungsfähigkeit die Akzeptanz eines höheren Determinationsgrades innerhalb einer Organisation als Folge nationalkultureller Einflüsse (Adler/Jelinek 1986, S. 83). Schreyögg nimmt diesen Gedanken auf und gibt zu bedenken, „dass die Basisprägung durch landeskulturelle Werte sehr viel plastischer und weniger eindeutig ist als häufig angenommen wird. Dies bedeutet zugleich, dass ein relevanter Handlungsspielraum zur Ausdifferenzierung von Unternehmenskultur besteht, wobei die Grenzen dieses Spielraums nicht als starrer Rahmen gedacht werden können.“ (Schreyögg 1993, S. 153)

Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Einflüsse einer Landeskultur auf die in ihr entstehenden Unternehmen nicht linear im Sinne eines vereinfachten Ursache-WirkungsPrinzips gedacht werden sollten, sondern in ihrer Interdependenz erfasst werden müssen: „Die Ethnokultur beeinflusst die Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen der in einer Unternehmung beschäftigten Individuen, die als Kollektiv wiederum die Unternehmungskultur definieren und wodurch ein Einfluss auf die Ethnokultur ausgeübt wird. Die Ethnokultur bestimmt aber auch die Strukturen und Prozesse des Gesamtkollektives durch die rechtlichen, technologischen, sozio-kulturellen und anderen Systeme, welche ihrerseits auf die Systemelemente (Kunden, Anbieter, Bürger usw.) und damit auch wieder auf die Unternehmungskultur einwirken.“ (Kiechl 1990, S. 110)

Zusammenfassend zeigt die Diskussion der unterschiedlichen Funktionen, die Unternehmenskultur in der Vergangenheit zugedacht worden sind, sowie ihrer möglichen Gestaltbarkeit durch ein Unternehmensmanagement in Abhängigkeit von determinierenden äußeren Faktoren, dass weder die Vorstellung von Unternehmenskultur als einer durch das Management beliebig manipulierbaren Variablen noch die Sichtweise von Unternehmen als inerte, autonome Kleinkulturen aufgrund ihrer Extrempositionen ein widerspruchsfreies Modell liefern. Für die Arbeit wird daher ein gemäßigterer Ansatz bevorzugt, der auf der einen Seite mit Schreyögg von Unternehmenskulturen als emergenten Phänomenen (Schreyögg 2000, S. 411) ausgeht, auf der anderen Seite den beteiligten Individuen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Kollektiv des Unternehmens selbst Teil dieser Emergenz sind, dialektisch auch die Möglichkeit zu eigenen Eingriffen

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und damit an der Gesamtentwicklung der Unternehmenskultur zugesteht. Ihre Einflussnahme kann vor diesem Hintergrund allerdings nicht als unbegrenzt betrachtet werden, da sie sich, wie es Hansen für die gesellschaftliche Kultur formuliert, immer nur im Wechselspiel mit bereits Vorhandenem vollziehen kann: „Kulturelle Vorgaben [...] sind so verfügbar wie Schachfiguren. Sie sind nicht beliebig einsetzbar, sondern nur gemäß der Spielregeln, die der einzelne Spieler nicht ändern kann. [...] Man kann der Kultur nur das entlocken, was sie bereit ist herzugeben. Sie verändert sich zwar, bleibt aber ein Evolutionskontinuum, das niemand gewaltsam aufbrechen kann.“ (Hansen 2000, S. 295)

3.2.1.3. Struktur von Unternehmenskultur Wie in 3.1.1.3 bereits dargestellt, kommt der Untersuchung der Struktur von Unternehmenskultur für den in dieser Arbeit untersuchten interkulturellen Bereich eine besondere Wichtigkeit zu. Analog zur der aktuellen Debatte um den Kulturbegriff lassen sich dabei drei verschiedene Perspektiven von Unternehmenskultur unterscheiden, die zum einen eher ihre Homogenität (oder ihren zugrundeliegenden Konsens), zum anderen ihre Heterogenität (oder ihre latenten Konflikte), und schließlich ihre komplexe Ambiguität im Sinne einer Gleichzeitigkeit von Homogenität und Heterogenität in den Vordergrund stellen. Im Folgenden sollen diese Perspektiven unter den vereinfachenden Bezeichnungen von Konsens-, Konflikt- und Komplexitätsperspektive näher beschrieben werden17. Die hier als Konsensperspektive bezeichnete Sichtweise von Unternehmenskultur zeichnet sich dabei grundsätzlich durch eine diagnostizierte Konsistenz bestimmter unternehmensweiter Annahmen aus. Kasper spricht in diesem Zusammenhang beispielsweise von der Vorstellung von Unternehmenskultur als monolithischem Block (Kasper 1987, S. 43), während Martin die Vorgehensweise der Konsensanhänger unter besonderer Berücksichtigung der Durchgängigkeit von allgemein verbindenden inhaltlichen Themen beschreibt: „First, a set of content themes (usually values or basic assumptions) are described as being shared by all members of a culture, in an organization-wide consensus. Second, these content themes are said to be enacted, consistently, in a wide variety of cultural manifestations. Third, cultural members are described as knowing what they are to do and why it is worthwhile to do it.“ (Martin 1992, S. 45)

Der Unternehmenskultur selbst wird dabei eine integrative Kraft zugetraut, welche die vorhandenen Ansichten bündelt: „Corporate culture may be described as a general constellation of beliefs, mores, customs, value systems, behavioral norms, and ways of doing business that are unique to each corporation, that set a pattern for corporate activities and actions, and that describe the implicit and emergent patterns of behavior and emotions characterizing life in the organization.“ (Tunstall 1983, S. 5)

Der Begriff der Kultur wird in diesem Sinn implizit als Synonym für das Einigende, das Verbindende, das von allen Geteilte innerhalb eines Unternehmens verstanden: “[An] area of meaning carved out of a vast mass of meaninglessness, a small clearing of lucidity in a formless,

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dark, always ominous jungle“ (Berger 1967, S. 23, zitiert nach Wuthnow/Hunter/Bergesen/ Kurzweil 1984, S. 26). Wenn Kultur allerdings dieser sinnstiftenden Schnittmenge entspricht, also dem, was allen gemeinsam ist, dann bedeutet das Nicht-Vorhandensein von Einigkeit somit im Umkehrschluss eine Abwesenheit von Kultur, die sich nach Ansicht einiger Konsens-Anhänger folgerichtig dort manifestiert, wo Konflikte entstehen: „[Only] what is shared is, by definition, cultural. It does not make sense, therefore, to think about high or low consensus cultures, or cultures of ambiguity or conflict. If there is no consensus or if there is conflict or if things are ambiguous, then, by definition, that group does not have a culture with regards to those things.“ (Schein 1991, S. 247f.)

Kultur wird in diesem Sinn zum “harmony model”: „Culture means consensus“ (Ybema 1997, S. 161). Schein fasst stellvertretend für zahlreiche Vertreter dieses Ansatzes die grundsätzliche Gleichsetzung von Unternehmenskultur mit Unternehmenshomogenität oder -integration zusammen: „Die Herausbildung von [Unternehmens-] Kultur läßt sich [...] immer per definitionem als Streben nach Integration bestimmen […]“ (Schein 1995, S. 23). Während hier Unternehmenskultur per se kohärent gedacht wird, unterscheiden andere Autoren der Konsensperspektive verschiedene Qualitäten von Unternehmenskultur, deren Güte allerdings ebenfalls nach dem Kohärenzkriterium bemessen wird. So differenzieren beispielsweise Deal/Kennedy je nach Integrationsniveau in starke und schwache Kulturen: „Every business [...] has a culture. Sometimes it is fragmented and difficult to read from the outside […] On the other hand, sometimes the culture of an organization is very strong and cohesive; everyone knows the goals of the corporation, and they are working for them.“ (Deal/Kenney 2000, S. 4)

Schreyögg nennt in diesem Zusammenhang als wichtigste Beurteilungskriterien für die Stärke einer Unternehmenskultur deren „Prägnanz, Verbreitungsgrad und Verankerungstiefe (Internalisierung)“ (Schreyögg 2000, S. 451). Als allgemein charakteristisch für die Konsensperspektive erweist sich zusammenfassend die grundsätzliche Verbindung des Kohärenz- oder Homogenitätsgrads einer Unternehmenskultur mit der Bewertung ihrer Qualität oder Funktionsfähigkeit im Sinne der Unternehmensziele. Kohärenz wird dabei gleichgesetzt mit Stärke, die Stärke der Unternehmenskultur wiederum als Gradmesser für ihre Funktionsfähigkeit im Sinn eines für das Unternehmen förderlichen Zusammenhalts verwendet. Mit diesem zentralen Dreischritt aus homogen=stark=gut legen die Vertreter der Konsensperspektive ihrem Konzept von Unternehmenskultur implizit eine ursächliche Verknüpfung von Kohärenz und Kohäsion zugrunde. Konsens-Diagnose und -Desiderat werden ineinsgesetzt.

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Eine ähnliche Einteilung in „Integration“, „Differentiation“ und „Fragmentation“ findet sich bei Martin 1992; die Bezeichnung der Perspektiven wurden jedoch aufgrund veränderter Charakteristiken sowie zugunsten einer besseren Verständlichkeit angepasst.

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Das Vorkommen von Differenzen innerhalb von Unternehmenskulturen wird im Rahmen dieses Ansatzes zwar anerkannt, aber letztlich doch auf ein den Differenzen zugrunde liegendes gemeinsames Metaverständnis zurückgeführt: „Without understanding [...] [the basic underlying] assumptions, one cannot decipher most of the behavior observed, particularly the seeming incongruity between intense individualism and intense commitment to group work and consensus. Similarly, one cannot understand why there is simultaneously intense conflict with authority figures and intense loyalty to the organization without also understanding the assumption ‘We are one family who will take care of each other’.“ (Schein 1985, S. 11)

Postuliert wird also die Existenz eines allgemein gültigen Kulturkerns, der nicht durch die Bedeutung von divergierenden Subkulturen gemindert wird, sondern als „innerstes Wesen“ einer Organisationskultur, „das Muster grundlegender, selbstverständlicher Voraussetzungen“ darstellt (Schein 1984a, S. 38ff.) und damit die Basis für ihren Zusammenhalt bildet. Obwohl sich die Konsensvertreter auf diese Weise bemühen, Nichteinheitlichkeit von Unternehmenskultur als Symptom einer grundlegenden Einigkeit umzudeuten, werden sie mit ihren Ansätzen jedoch trotzdem überall dort angreifbar, wo sich offene Differenzen, Konflikte oder allgemein Inkohärenzen innerhalb der Kultur von augenscheinlich erfolgreichen Unternehmen nachweisen lassen. Positive Effekte

Negative Effekte

Reibungslose Kommunikation

Tendenz zur Abschließung

Rasche Entscheidungsfindung und Implementierung

„Starke“ Unternehmenskulturen

Fixierung auf traditionelle Erfolgsmuster

Geringer formaler Kontrollaufwand

Abwertung neuer Orientierungen

Motivation und Teamgeist

Konformität

Stabilität

Wandelbarrieren

Abb. 18: Positive und negative Effekte starker Unternehmenskulturen (nach Schreyögg 2000, S. 463 ff.)

So konnten beispielsweise Kotter/Heskett in ihrer Untersuchung der Unternehmenskultur von mehr als 200 US-Unternehmen nur eine sehr schwache Korrelation zwischen der Stärke der Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg gemessen als Umsatzwachstum, ROI und Marktkapitalisierung nachweisen. Im auffälligen Gegensatz dazu standen eine Reihe ausgeprägt gegenläufiger Fälle, bei denen einerseits Unternehmen mit schwacher Unternehmenskultur große Erfolge erzielt, und andererseits Unternehmen mit starker Kultur unterdurchschnittlich abgeschnitten hatten (vgl. Kotter/Heskett 1992, S. 15 ff.).

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Schreyögg stellt in diesem Zusammenhang positive und negative Effekte von starken, also homogenen, Unternehmenskulturen gegenüber. Anhand der möglichen Starrheit und mangelnden Anpassungsfähigkeit starker Unternehmenskulturen verdeutlicht er die Ambivalenz kultureller Homogenität und relativiert damit Kohärenz als uneingeschränktes Ziel von Unternehmenskulturentwicklung (Schreyögg 2000, S. 463ff., siehe Abbildung). Als Gegenposition zu der einseitigen Sichtweise von Unternehmenskultur als Konsens-Desiderat entsteht daher eine Perspektive von Unternehmenskultur, die ihr Augenmerk verstärkt auf die ihr offensichtlich auch innewohnende Heterogenität lenkt. Dabei überrascht es nicht, dass diese Konfliktperspektive im Gegensatz zu der betriebswirtschaftlich motivierten Konsensperspektive oft aus dem Bereich der soziologischen Subkulturforschung vorgebracht wird und aus einer Haltung der Unterstützung Benachteiligter häufig antikapitalistisch oder feministisch gefärbt erscheint (vgl. Aktouf 1985, Mills 1988, Krell/Emmerich 1997). Die Vertreter dieses Ansatzes gehen dabei grundsätzlich von der Existenz von Subkulturen aus: „[Subcultures] co-exist, sometimes in harmony, sometimes in conflict, and sometimes in indifference to each other.“ (Martin 1992, S. 83) „Organizational subcultures may be defined as distinct clusters of understandings, behaviors, and cultural forms that identify groups of people in the organization. They differ noticeably from the common organizational culture in which they are embedded, either intensifying its understandings and practices or deviating from them.“ (Trice/Morand 1991, nach Martin 1992, S. 97).

Sie betonen außerdem die Möglichkeit einer Entstehung von Gegenkulturen („countercultures“), wenn die Ansichten und Werte von Subkulturen im Widerspruch zu der herrschenden Meinung des Gesamtsystems stehen (Martin/Siehl 1983, S. 51, vgl. auch Trice 1993), oder sehen wie Riley solche Gegenkulturen als grundsätzliche Eigenschaft von Unternehmenskultur an: „[One] expects organizations to have subcultures and allows for rival images and competing systems of meanings“ (Riley 1983, S. 414f.). Dabei werden häufig Dominanz- und Machtstrukturen innerhalb von Unternehmenskulturen zum Untersuchungsgegenstand: „Cultural arrangements, of which organizations are an essential segment, are seen as manifestations of a process of ideational development located within a context of definite material conditions. It is a context of dominance (males over females/owners over workers) but also of conflict and contradiction in which class and gender, autonomous but overdetermined, are vital dynamics. Ideas and cultural arrangements confront actors as a series of rules of behavior; rules that, in their contradictions, may variously be enacted, followed or resisted.“ (Mills 1988, S. 366).

So postuliert beispielsweise auch Krell das Vorhandensein unterschiedlichster Subkulturen, welche ein „Management der Vielgestaltigkeit“ (Krell/Emmerich 1997, S. 329) erfordern, um die divergierenden Gruppen verschiedener Geschlechterzugehörigkeit, Altersstufen, sozialer und ethnischer Herkunft zu integrieren (vgl. auch Wischmann 1999, S. 79). Den Vertretern der Konfliktperspektive gelingen mit ihren Untersuchungen von Unternehmenskultur einerseits überzeugende Konflikt- und Heterogenitätsdiagnosen. So schildert beispielsweise Aktouf in seiner teilnehmenden Untersuchung von Produktionsbetrieben in verschiedenen

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nationalen Kulturen eindrucksvoll die vollkommen unterschiedlichen „Erlebniswelten“ von Management und Arbeiterschaft, die seiner Ansicht nach die Vorstellung von einem Unternehmen als „jene harmonische und konvergierende soziale Einheit [...], in der [...] man sich das ‚Teilen’ einer gemeinsamen Kultur wirklich vorstellen kann“ (Aktouf 1985, S. 42) in keiner Weise zulässt. Andererseits können sie mit ihrer plastischen Beschreibung tiefverwurzelter Zerwürfnisse und kognitiver Gräben innerhalb von Unternehmen deren offensichtlich mehr oder weniger stabilen Zusammenhalt, ihr Funktionieren trotz bestehender Uneinigkeit wiederum nicht schlüssig erklären. Ähnlich wie in der Kulturdebatte entsteht daher auch in der Debatte um Unternehmenskultur ein weiterer Ansatz, der gerade dem Phänomen der Nichteindeutigkeit von diagnostizierter Homogenität und Heterogenität seine besondere Aufmerksamkeit widmet. So gehen die Konsens- sowie die Konfliktperspektive ihrerseits noch von klar definierten Innen- und Außenverhältnissen aus, bei denen die Grenzen, innerhalb derer Homogenität herrscht, eindeutig gesetzt sind: Die Konsensperspektive betrachtet demnach das ganze Unternehmen als Homogenitätsraum, während die Konfliktperspektive diesen Bereich auf einzelne Subkulturen einschränkt, innerhalb derer aber wiederum Kohärenz vermutet wird (vgl. Martin 1992, S. 93). Diese Eindeutigkeit beginnt jedoch im Rahmen einer weiteren Sichtweise zu verschwimmen, die im Sinne einer Habermasschen „Neuen Unübersichtlichkeit“ von einer grundsätzlichen Ambivalenz und Komplexität von Unternehmenskultur18 ausgeht. So diagnostiziert beispielsweise Sackmann in ihren jüngeren Arbeiten: „[Simultaneously] existing multiple cultures […] contribute to a homogenous, differentiated, and/or fragmented cultural context. […] culture in organizational settings is much more complex, pluralistic, diverse, contradictory, or inherently paradoxical than previously assumed, conceptualized, or acknowledged.“ (Sackmann 1997, S. 2)

Martin, ursprünglich eine Vertreterin der Konfliktperspektive, führt grundsätzlichen Zweifel gegenüber einer eindeutigen Abgrenzung von Organisation und Umwelt an: „Since these boundaries are permeable and fluctuating, their placement is debatable“ (Martin 1992, S. 114). Ähnlich wie in neueren Kulturkonzepten (vgl. Geertz 1996, siehe auch Kapitel 3.1.1.3) bedient man sich auch bei der quasi postmodernen Definition von Unternehmenskultur aus dem Komplexitätsblickwinkel heraus häufig des Bildes eines locker geknüpften Netzwerks, um die gleichzeitige Existenz von Homogenität und Heterogenität, das Zusammenspiel von Einheit und Vielheit metaphorisch zu verdeutlichen: „[An] organizational culture is a web of individuals, sporadically and loosely connected by their changing positions on a variety of issues. Their involvement, their subcultural identities, and their individual self-definitions fluctuate, depending on which issues are activated at a given moment.“ (Martin 1992, S. 153)

Dabei findet sich der aus der Kulturdiskussion bekannte Gedanke einer temporären Virulenz bestimmter kultureller Reagenzien (vgl. Hansen 2000, S. 185) in ähnlicher Form in der Unternehmenskulturdebatte bei Sackmann:

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Sackmann spricht in diesem Zusammenhang von der „’messiness’ of cultural complexity in organizations“ (Sackmann 1997, S. 391).

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„The resulting picture of cultural life in organizational settings may thus be full of contrasts and contradictions, showing aspects of harmony next to differentiation with or without dissent and a multiplicity of cultural identities that may be in a constant flux depending on the issues at hand.“ (Sackmann 1997, S. 4)

Dabei stößt die Forschung zur Unternehmenskultur schließlich auf die der Kulturdiskussion verwandte Problematik der Erklärung von Kohäsion in Unternehmenskulturen, ohne deren Kohärenz voraussetzen zu können: „Members [of a corporate culture] do not agree upon clear boundaries, cannot identify shared solutions, and do not reconcile contradictory beliefs and multiple identities. Yet, these members contend they belong to a culture.“ (Meyerson 1991, S. 131)

Bei der Suche nach Antworten auf diese zentrale Frage nähert sich beispielsweise Sackmann mit ihrer Identifikation multipler Kulturzugehörigkeit der Individuen als Einfluss- und Komplexitätsfaktor bei der Beschreibung von Unternehmenskultur dem Konzept der Multikollektivität von Hansen (siehe Kapitel 3.1.2), ihre Überlegungen bleiben jedoch eher vorsichtig diagnostisch als erklärend: „Members of an organization are unlikely to be restricted in their membership to one single culture or subculture, because people may identify with their gender, ethnic background, parent and spouse roles, sports club, city, the university from which they hold a degree, profession, department, division, work organization, geographical region, industry, nation, or greater region such as Europe, America, or Asia. All these potential cultural identities may simultaneously influence the cultural context of an organization. “ (Sackmann 1997, S. 2)

Insgesamt kann festgehalten werden, dass eine konzeptuelle Beschreibung der Gleichzeitigkeit von Homogenität und Heterogenität innerhalb der Unternehmenskulturdebatte zwar als sinnvoll erachtet und gefordert wird: „[Our] reasoning and research should aim at confronting and combining the insights of different views. Particularly, the paradox of unity and disunity existing jointly – people being “opposed” and “together” at the same time – seems to point in a promising direction.“ (Ybema 1997, S. 161)

Ein überzeugendes Modell, das im Sinn der vorliegenden Arbeit auch praktische Anwendbarkeit erlaubt, liegt jedoch noch nicht vor. Der Grund hierfür könnte zum einen darin liegen, dass eine systematische Übertragung moderner differenzorientierter Kulturkonzepte (vgl. Hansen 2000) auf die Unternehmenskulturforschung noch nicht stattgefunden hat. Verstärkt wird dieses Defizit möglicherweise zum anderen durch die fachliche Spaltung der beschriebenen unterschiedlichen Perspektiven von Unternehmenskultur hinsichtlich deren Einheitlichkeit: Während die eher betriebswirtschaftlich dominierte Konsensperspektive sehr wohl eine Vielzahl pragmatischer Anwendungskonzepte von Unternehmenskultur hervorbringt, die jedoch im Allgemeinen deren Komplexität unterschätzen, diagnostiziert die eher soziologisch motivierte Konflikt- und Komplexitätsperspektive zwar sehr überzeugend die einer Unternehmenskultur innewohnenden Widersprüche und Ambiguitäten, forciert jedoch aufgrund ihrer fachlichen Motivation kaum die praktische Umsetzung ihrer Erkenntnisse in handlungsleitende Management-Konzepte. Zusammenfassend kann jedoch auf Basis der Untersuchung der Struktur von Unternehmenskultur insgesamt davon ausgegangen werden, dass der Zusammenhalt einer Unternehmenskultur, ihre Kohäsion, nicht jedoch notwendigerweise ihre Kohärenz, als wichtige Erfolgsgrundlage eines Unternehmens betrachtet werden sollte. Die Gestaltung von Unternehmenskultur im

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Rahmen der innerhalb der Diskussion ihrer Funktion (siehe Kapitel 3.2.1.2.) aufgezeigten Grenzen soll daher im folgenden als integrale Aufgabe der Unternehmensführung zur Sicherung des Unternehmenserfolgs betrachtet werden. Bevor eine abschließende Bewertung vorliegender Unternehmenskultur-Konzepte hinsichtlich des eigenen Forschungsziels getroffen werden kann, erscheint die Betrachtung des Sonderfalls der Interkulturalität als besonderem Prüfstein in Bezug auf die Homogenitätsfrage von Unternehmenskultur notwendig. Hierzu sollen im Folgenden Arbeiten zu Unternehmenskultur im spezifisch interkulturellen Kontext untersucht werden. 3.2.2. Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext Die Erforschung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext stellt innerhalb der betriebswirtschaftlichen Literatur kein grundsätzlich neues Themenfeld dar. So sorgen bereits in den siebziger und achtziger Jahren Tendenzen verstärkter Internationalisierung für ein gesteigertes Interesse an Konzepten zur Integration ausländischer Tochtergesellschaften in multinationale Gesamtkonzerne, die im Rahmen der übergreifenden Thematik auch interkulturelle Fragestellungen miteinbeziehen (vgl. z.B. Welge 1980, 1982, Wacker/Haussmann/Kumar 1981, Adler/Jelinek 1986, Kumar 1987, 1988, Reineke 1989). Während der 90er Jahre erfährt die Untersuchung interkultureller Unternehmenskultur ein zusätzliches Interesse anlässlich der weltweiten Zunahme internationaler Merger und Akquisitionsaktivitäten im Hinblick auf die Fragestellung, wie sich zwei oder mehrere Merger-Partner zu einer neuen Unternehmenseinheit integrieren und sich dabei die erhofften Synergien nutzen lassen (vgl. z.B. Kiechl 1990, Marcotty/Solbach 1992, Stüdlein 1997, Bolten 2000a, Morosini 2001a, 2001b). Da für Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext aufgrund ihrer starken, nationalkulturell geprägten, unternehmensinternen Kontraste die Homogenitätsfrage einen exponierten Stellenwert besitzt, ergibt die Durchsicht vorliegender Arbeiten zu diesem Thema erwartungsgemäß eine ausgeprägte Beschäftigung mit der oben beschriebenen Kohärenz-Problematik. Dabei mag es kaum überraschen, dass die untersuchten Ansätze von Unternehmenskultur innerhalb des Sonderfalls der Interkulturalität mit ihren Antwortvorschlägen die dargestellte Struktur-Debatte der allgemeinen Unternehmenskulturforschung widerspiegeln. 3.2.2.1. Konsens-Perspektive Die im Rahmen der allgemeinen Untersuchung von Unternehmenskultur beschriebene KonsensPerspektive lässt sich innerhalb der erweiterten Thematik interkultureller Unternehmenskultur am häufigsten wiederfinden. Kennzeichen dieses Ansatzes bleibt die grundsätzliche Sichtweise von Unternehmenskulturen als möglichst homogenen Einheiten. Interkulturalität, hervorgerufen durch Internationalisierungsaktivitäten der Unternehmen, wird hierbei aufgrund potentiell auftretender Gegensätze zum Störfaktor dieser Einheitlichkeit. Handlungskonzepte richten sich da-

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her primär auf die (Wieder-)Herstellung von Einheit und Kohärenz, indem entweder Vorschläge zur Anpassung der internationalen Tochtergesellschaften an die existierende Kultur des Mutterunternehmens gemacht werden, an die regionale Kultur angepasste, in sich homogene Subkulturen der Auslandsgesellschaften propagiert werden oder die Entwicklung weltweiter Synergiekulturen gefordert wird. So sieht beispielsweise Schreyögg im Hinblick auf das Verhältnis von Unternehmens- und Landeskultur innerhalb internationaler Unternehmen zwei mögliche Alternativen: „1. Die Auslandsgesellschaften entwickeln auf dem Hintergrund der jeweiligen Landeskulturen eigene Unternehmenskulturen (Pluralistische Unternehmenskultur) oder 2. in den Auslandsgesellschaften wird eine gemeinsame kohärente Gesamtkultur praktiziert (Universelle Unternehmenskultur).“ (Schreyögg 1993, S. 154)

Obwohl hier zwei unterschiedliche Möglichkeiten vorgeschlagen werden, zeigt sich die zugrunde liegende Konsens-Perspektive in einem grundsätzlichen Ausgehen von homogenen Unternehmenskultureinheiten auf nationaler oder internationaler Ebene. Kennzeichnend ist ebenfalls, dass die allgemeine Annahme der Gestaltung einer universellen Unternehmenskultur durch das Management trotz aufeinander treffender, möglicherweise tiefer ethnokultureller Unterschiede nicht in Frage gestellt wird. Auch Kiechl, der die Option einer pluralistischen Unternehmenskultur ablehnt, geht von dem Ideal einer erstrebenswerten Einheitlichkeit interkultureller Unternehmenskultur aus, wenn er davor warnt, „dass eine polyzentrische Unternehmungsführung die Durchsetzung einer einheitlichen Unternehmungskultur und damit verbunden einer einheitlichen Corporate Identity gefährdet“ (Kiechl 1990, S. 121). Da innerhalb der Konsens-Perspektive Unternehmenskultur grundsätzlich als das alle Unternehmensteile Verbindende gedacht wird, kommt der kulturellen Ähnlichkeit zwischen der Kultur des Mutterunternehmens und der avisierten Niederlassungsregion bzw. seinem möglichen Allianzpartner folgerichtig eine wichtige Rolle innerhalb vorliegender Konzepte zu. Hierzu entwickelte Vorgehensweisen, häufig als Kultur-Fit-Analyse bezeichnet, bemühen sich daher um eine Messung der Ähnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit der zusammentreffenden Kulturen auf der Basis bestehender kultureller Dimensionsmodelle (z.B. bei Hofstede 1984, Trompenaars 1993). So schlägt u. a. Stüdlein eine Kultur-Fit-Analyse vor, welche die jeweilige Ähnlichkeit, Kompatibilität oder Komplementarität der beteiligten Kulturen auf Basis von Dimensionsmodellen (z.B. von Hofstede) untersucht und bewertet: „[Die] Durchführung einer Fit-Analyse [stellt] einen bedeutenden Schritt eines Managements von Kulturunterschieden [dar] [...], weil hierdurch wesentliche Erkenntnisse für die Partnerwahl sowie für die Phase der Integration und Zusammenarbeit gewonnen werden können.“ (Stüdlein 1997, S. 246)

Die implizite Sichtweise von Unternehmenskultur als das Verbindende, das, eingeschränkt durch das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen, als Voraussetzung für Unternehmenserfolg langfristig wiederhergestellt werden muss, zeigt sich darüber hinaus in pragmatisch gedachten Vorschlägen der Art ‚Was nicht passt, wird passend gemacht’:

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„Im Hinblick auf das Kriterium der Kompatibilität sollte nicht grundsätzlich von einer A-Priori-Nichtvereinbarkeit der Kulturen ausgegangen werden. Vielmehr muß in Betracht gezogen werden, ob nicht auch schwer vereinbare Kulturen durch entsprechende Vorbereitungs- und Integrationsmaßnahmen ‚kompatibel gemacht’ [...] werden können.“ (Stüdlein 1997, S. 255)

Die hier dargestellte, verbreitete Annahme, aus dem Konstrukt kultureller Ähnlichkeit ein Maß für Integrationspotential ableiten zu können, wird jedoch immer häufiger kritisiert, da eine Zuordnung kultureller Maßzahlen zu einzelnen Kulturen, beispielsweise im Sinne von Hofstede, wenig hilfreiche und oft kuriose Ergebnisse erbringt. So führt dessen Hypothese, dass Unternehmen aus Kulturen mit unterschiedlichem Maskulinitätsindex bei ähnlichem Unsicherheitsund Machtdistanzindex besonders synergetisch zusammenarbeiten können (vgl. Stüdlein 1997, S. 251), beispielsweise zu der Schlussfolgerung, dass thailändische Unternehmen weltweit am erfolgreichsten mit italienischen Partnern kooperieren könnten, und sich auch mit Österreich vermutlich besser arrangierten als mit Nachbarländern, wie den Philippinen oder Singapur, während deutsche Unternehmen hingegen nur mit finnischen harmonierten. Abgesehen davon, dass solche Informationen im Rahmen herrschender Managementpraxis kaum grundsätzliche Investitionsentscheidungen beeinflussen werden, ist zusätzlich Zweifel an dem pragmatischen Wert solcher Messungen bei der Vermeidung oder Lösung von interkulturellen Problemen berechtigt (vgl. hierzu auch Bolten 2001b, S. 130f.). Das beschriebene Leitbild einer interkulturell homogenisierten Unternehmenskultur findet sich jedoch auch in aktuellen Ansätzen der betriebswirtschaftlichen M&A-Forschung19. So schlägt zum Beispiel Morosini die biologische Metapher einer menschlichen Hybridzelle, die aus der Verschmelzung von zwei unabhängigen Zellen hervorgeht, als Sinnbild für erfolgreiche Fusionsprozesse internationaler Unternehmen vor: „I have found that the fusion of living human cells to create hybrid cells provides one of the best metaphors in support of such a holistic, continuous approach to M&A management.“ (Morosini 2001a, S. 458)

Morosini fordert dabei grundsätzlich die Anpassung aller Partner, betrachtet die Unternehmenskultur des entstehenden interkulturellen Gesamt-Unternehmens daher als neue Einheit, die synergetisch aus ihren Einzelteilen hervorwächst und schlägt hierfür eine Reihe praktischer Vorgehensweisen vor. Erklärtes Ziel ist dabei wieder die Herstellung eines Allgemein-Konsens: „Similar to the ‘cell fusion’ process, the main general purpose of M&As arguably is to create a new, hybrid entity that combines the strengths of both merging partners while minimizing their weaknesses.“ (Morosini 2001a, S. 459) “My perspective is that most companies that engage in M&A fail to realize that there seems to be little option but to create a common pool of shared corporate values – i.e. a common company “culture” – in order to ensure success over time.“ (Morosini 2001a, S. 460)

Insgesamt lassen sich innerhalb der Konsens-Perspektive zahlreiche Ansätze finden, die Vorschläge zur Gestaltung einer interkulturellen Unternehmenskultur anbieten. Ähnlich wie im Rahmen der allgemeinen Forschung zur Unternehmenskultur werden diese jedoch gerade aus dem Blickwinkel eher soziologisch geprägter Ansätze zunehmend in Frage gestellt.

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3.2.2.2. Konflikt-Perspektive Zahlreiche Kritikpunkte an einer ausschließlichen Konsens-Perspektive finden sich in Arbeiten zur interkulturellen Unternehmenskultur wieder, die ähnlich der beschriebenen KonfliktPerspektive im Rahmen einer intrakulturellen Unternehmenskulturforschung bei der Untersuchung interkultureller Zusammenhänge ihren Schwerpunkt auf die Darstellung interkultureller Differenzen und Antagonismen setzen. Dabei wird ein unternehmensweiter Konsens häufig als realitätsferner, in der Praxis nicht beobachtbarer Idealzustand charakterisiert, der sich aufgrund der Beständigkeit von nationalgeprägten Subkulturen auch unter größten Schwierigkeiten kaum herstellen lässt: „[Bei der Entwicklung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext] trifft man auf Organisationskulturen [...], die aus einer Reihe sich beeinflussender und überlappender Faktoren (Sub-Kulturen) bestehen [...] Erschwerend kommt hinzu, daß man es in den allermeisten Fällen mit multirassischen, -linguistischen, -kulturellen Gesellschaften zu tun hat.“ (Marcotty/Solbach 1992, S. 259) „Durch gegenseitige Rivalitäten, Kämpfe um die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen und Mentalität, Abwehr und Abwerten der anderen, Grabenkriege gibt es oft nicht unerhebliche Energieverluste zu beklagen.“ (Doppler 1994, S. 179)

Die im Rahmen empirischer Studien beobachtete Aussichtslosigkeit von Integrationsbemühungen wird dabei von einigen Autoren als Basis für eine Argumentation gegen die grundsätzliche Möglichkeit der Erzeugung interkultureller Einheit verwendet. So weist beispielsweise Buhr mit ihrer Untersuchung der Unternehmenskultur eines deutschen Zweigunternehmens in Mexiko auf die Dialektik von innerer Kohäsion und äußerer Abgrenzung der Auslandsniederlassung hin: „Die [...] rudimentäre Vergemeinschaftung war verbunden mit einer Abgrenzung gegenüber der Organisation. Ihre Doppelgesichtigkeit zeigt sich in der Verschränkung von Integrations- mit Segregationsprozessen verschiedener Art; zugespitzt läßt sich dies auf die Formel bringen: keine Integration ohne Segregation.“ (Buhr 1998, S. 239)

Buhr zeigt anhand der Bemühungen des deutschen Stammhauses um ein gemeinsames unternehmerisches Leitbild, wie gerade eine solche Integrationsstrategie in ihr Gegenteil umschlägt: „Diese Übereinstimmung der Leitbilder führte jedoch nicht dazu, die beiden Einheiten des transnationalen Unternehmens miteinander zu verbinden. Ein integrierter transnationaler Kulturraum konnte damit nicht etabliert werden, im Gegenteil.“ (Buhr 1998, S. 241)

Aufgrund solcher und ähnlicher Erkenntnisse äußern zahlreiche Autoren der interkulturellen Konflikt-Perspektive Kritik an der Leitvorstellung globaler Kohärenz von Unternehmenskultur: „Wir haben einen unzureichenden, zu engen, wahrscheinlich sogar falschen Begriff von Integration. Den meisten bedeutet Integration Verschmelzung. Der eine frißt, der andere wird gefressen und sich im Fressenden aufzulösen. Vornehm ausgedrückt heißt das natürlich Assimilation oder auch Enkulturation. Aber im Klartext weiß jeder: einer gewinnt, der andere verliert.“ (Doppler 1994, S. 181)

Die Autoren betonen dabei explizit die immanente Heterogenität interkultureller Unternehmenskultur und suchen nach neuen Konzepten der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur, die auf Erhaltung einer Diversität abzielen. So fordert Doppler „ein Vorgehen, das der 19

M&A steht hier für Unternehmensfusionen und -akquisitionen („Mergers and Acquisitions“).

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eigentlichen Wurzel des Begriffs entspricht: integer, unversehrt [...]“ (Doppler 1994, S. 181), und Buhr postuliert: „Stärker als bislang üblich gilt es die Heterogenität zwischen Unternehmensteilen, die in unterschiedlicher kultureller Umwelt angesiedelt sind, zu berücksichtigen“ (Buhr 1998, S. 245). Insgesamt kann festegehalten werden, dass die Vertreter einer Konflikt-Perspektive hinsichtlich der Untersuchung interkultureller Unternehmenskultur überzeugend auf die Existenz vielfältiger landeskulturell geprägter Subkulturen hinweisen, berechtigterweise genauere Analysen dieser einzelnen kulturellen Subkulturen unternehmen, diese jedoch weiterhin als in sich homogen betrachten. Sie fordern daher die grundsätzliche Akzeptanz ihrer Erhaltung im Rahmen neuer Anwendungskonzepte, ohne jedoch konkrete Umsetzungsvorschläge zu machen. 3.2.2.3. Komplexitäts-Perspektive Als Reaktion auf das häufige Scheitern internationaler Merger und Unternehmensakquisitionen entsteht eine weitere Perspektive interkultureller Unternehmenskultur, die sich gegen die vereinfachende Annahme diagnostizierter Homogenität innerhalb von Unternehmenskulturen oder –subkulturen der Konsens- und Konfliktperspektive wendet. Im Mittelpunkt der Kritik steht dabei besonders das grundsätzliche Einheitsdesiderat der Konsens-Perspektive interkultureller Management-Forschung zugunsten einer stärkeren Anerkennung prozessualer Komplexität von Interkulturalität (Komplexitäts-Perspektive): „The underlying thought – particularly in management practice – tends to be that unity is better than diversity; unity makes for strength and diversity for failure.” (Koot 1997, S. 315) “Konsens […] impliziert […] Idealzustände, Strukturen, Ordnungen und eine Statik, die der permanenten Prozessualität von Interkulturen widersprechen.” (Bolten 2000a, S. 10)

Dabei wird auch der aus Sicht der Konflikt-Perspektive forcierte ‚Entweder-Oder’-Dualismus von Einheit und Differenz innerhalb interkultureller Unternehmenskultur von den Vertretern des Komplexitätsgedankens als wenig hilfreich betrachtet: „They do not state what the relation between unity and difference in international businesses should be. Neither do they state the degree of centralization and decentralization, what ought to be decentralized, and for what reason. The main message appears to be that differences are here to stay and should be respected.“ (Koot 1997, S. 327)

Im Gegensatz dazu wird die Komplexität von Widersprüchen, Gegensätzen und Konflikten zwischen nationalen und anderen Gruppen innerhalb internationaler Organisationen nicht nur als grundlegende Realität akzeptiert, sondern zum Normalzustand erklärt und als potentiell fruchtbar umgedeutet: „Growing ethnic segmentation in the world calls for a vision in which recognition and appreciation of differences and contrasts are central notions… Contradictions should not be seen as problematic but as starting points for a learning process. Overall, confrontations are more productive than harmony.“ (Koot 1997, S. 336)

Bolten schlägt in diesem Zusammenhang zur Entwicklung einer Unternehmensidentität von internationalen Merger-Kulturen im Sinne postmoderner Unentscheidbarkeit beispielsweise „die bewusste Anerkennung ihrer Nichtidentität“ vor (Bolten 2000a, S. 2) und charakterisiert sie

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dementsprechend als permanentes Work-in-Progress, als dynamischen Schwebezustand: „Ihre Identität ist temporäres Produkt eines Aushandlungsprozesses“ (Bolten 2000a, S. 10). Andere Autoren weisen in diesem Zusammenhang besonders auf die Relativität interkultureller Differenzen hin, die im Sinne kultureller Multikollektivität der Mitarbeiter temporär, beispielsweise in Abhängigkeit aktueller Machtverteilung im Unternehmen virulent werden. Koot spricht dabei von einem zeitlich begrenzten „Ethnicizing“ (Koot 1997, S. 320). Auch Dahler-Larsen wendet sich gegen ein zu starres Schema aus fester Subkultur-Rollenzugehörigkeit. In seiner Untersuchung einer internationalen Fluggesellschaft beschreibt er die fluktuierende Prozesshaftigkeit der Gruppenzugehörigkeit von Unternehmensmitarbeitern, welche die Identifikation mit einer nationalen Kultur mit einschließen kann, als „multiple and quickly shifting ‚we’ typifications“ (Dahler-Larsen 1997, S. 367). Deutlich wird hier, dass jüngere Diskussionsbeiträge zur interkulturellen Unternehmenskultur, die besonders deren inhärente Komplexität berücksichtigen, einerseits im Sinne des Untersuchungsgegenstands neue, vielversprechende theoretische Ansätze liefern, andererseits jedoch bisher noch keine gesamthaften Handlungskonzepte entwickeln konnten. Die vorliegende Arbeit wird daher auf ihren Erkenntnissen aufbauen und versuchen, diese im Rahmen eines Anwendungsmodells weiterzuentwickeln. 3.2.2.4. Schlussfolgerungen Nach der Untersuchung und Bewertung spezifisch interkultureller Konzepte von Unternehmenskultur hinsichtlich ihrer Realitätsnähe und ihres Gestaltungspotentials vertieft sich die eingangs identifizierte Forschungslücke: Auf der einen Seite stellt die auch in der InterkulturalitätsDiskussion nachweisbare Konsens-Perspektive von Unternehmenskultur griffige Modelle für den Praktiker vor, die sich jedoch aufgrund der beschriebenen Komplexitätsdiagnosen als vereinfachend und unrealistisch erweisen. Auf der anderen Seite erweitern die im Rahmen der Interkulturalitätsfrage von Unternehmenskultur ebenfalls nachgewiesenen Konflikt- und Komplexitätsperspektiven das Verständnis von interkultureller Unternehmenskultur sinnvoll, verharren jedoch in deren Diagnose und bieten noch keine Anwendungsmodelle an. Die vorliegende Arbeit versucht daher einen Beitrag zu leisten, diesen Zwischenraum zu füllen und ein handlungsleitendes Konzept von interkultureller Unternehmenskultur zu entwickeln, das in realitätsnaher Form ihrer Komplexität Rechnung trägt.

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3.3. Zusammenfassung Auf Basis der Beschreibung der theoretischen Grundlagen und der eigenen Konzeptauswahl können folgende zusammenfassende Aussagen als Schlussfolgerungen für die anschließende Ergebnisdokumentation getroffen werden: ‚Kultur − Die klassischen Kulturkonzepte mit ihrer impliziten Kohärenzannahme können den im Rahmen fortschreitender Globalisierung schärfer zutage tretenden Widerspruch zwischen Kohärenz und Kohäsion innerhalb von Kulturen nicht auflösen. Kultur soll daher differenzorientiert im Sinne aktueller Kulturkonzepte wie beispielsweise Hansens verstanden werden, die kulturelle Kohärenz nicht mehr als Voraussetzung für kulturellen Zusammenhalt (Kohäsion) betrachten. − Der Begriff der Kultur wird auf alle Ebenen menschlicher Gruppierungen (Kollektive) angewendet und definiert als die entwickelten Standardisierungen des Denkens, Empfindens und Handelns eines menschlichen Kollektivs. Es wird grundsätzlich von einer Multikollektivität des Individuums ausgegangen. − Die besondere Stabilität einer Nationalkultur ergibt sich aus der Erzeugung von Normalität durch Bekanntheit ihrer Differenzen. − Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Kommunikation als kulturellem Kohäsionsfaktor wird mit Bolten Kultur als Kommunikationsprodukt verstanden. Es erscheint daher sinnvoll, Kultur als Produkt kommunikativer Prozesse aufzufassen und als solche zu untersuchen. ‚Interkultur − Interkulturalität wird als Sonderfall von Kommunikation interaktionsorientiert als dynamischer Kommunikationsprozess zwischen Vertretern unterschiedlicher nationaler Kulturen definiert. − Die spezifische Problematik von Interkulturalität wird dabei besonders auf die Abwesenheit von Normalität durch das Fehlen bekannter Standardisierungen zurückgeführt. ‚Unternehmenskultur − Unternehmenskultur wird als Sonderfall von Kultur definiert als die entwickelten Gewohnheiten eines menschlichen Kollektivs oder einer Gruppe mit ihren Standardisierungen des Denkens, Empfindens und Handelns, angesiedelt auf der Ebene eines Unternehmens. − Hinsichtlich der Inhalte von Unternehmenskultur berücksichtigt die Arbeit Manifestationen von Unternehmenskultur genauso wie die ihnen zugrunde liegenden Bedeutungen, ist aus methodischer Sicht mit ihrem theoriebildenden Ansatz qualitativer Feldforschung allerdings darauf angewiesen, die Auswahl der zu untersuchenden Inhalte von Unterneh-

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menskultur direkt auf Basis der erhobenen Daten vorzunehmen, ohne von vorneherein einen festgefügten Systemzusammenhang von verborgenen Standardisierungen und beobachtbaren Praktiken vorauszusetzen. − Hinsichtlich der Funktion und Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur wird ein gemäßigter Ansatz bevorzugt, der auf der einen Seite von Unternehmenskulturen als emergenten Phänomenen ausgeht, auf der anderen Seite den beteiligten Individuen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Kollektiv des Unternehmens selbst Teil dieser Emergenz sind, dialektisch auch die Möglichkeit zu eigenen Eingriffen und damit an der Gesamtentwicklung der Unternehmenskultur zugesteht. − Hinsichtlich der Struktur von Unternehmenskultur werden eine eher betriebswirtschaftlich motivierte Konsensperspektive sowie soziologisch geprägte Konflikt- und Komplexitätsperspektiven unterschieden. Während die Konsensperspektive eine Vielzahl pragmatischer Anwendungskonzepte von Unternehmenskultur hervorbringt, die jedoch deren Komplexität unterschätzen, diagnostiziert die Konflikt- und Komplexitätsperspektive überzeugend die einer Unternehmenskultur innewohnenden Widersprüche, forciert jedoch kaum die praktische Umsetzung ihrer Erkenntnisse in handlungsleitende ManagementKonzepte. Eine konsequente Übertragung differenzorientierter Kulturkonzepte auf die Erforschung von Unternehmenskultur hat noch nicht stattgefunden. − Insgesamt wird davon ausgegangen, dass der Zusammenhalt einer Unternehmenskultur, ihre Kohäsion, nicht jedoch notwendigerweise ihre Kohärenz, als wichtige Erfolgsgrundlage eines Unternehmens betrachtet werden muss. Die Gestaltung von Unternehmenskultur im Rahmen der aufgezeigten Grenzen wird daher als integrale Aufgabe der Unternehmensführung zur Sicherung des Unternehmenserfolgs betrachtet. ‚Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext − Auch im Hinblick auf einen interkulturellen Kontext von Unternehmenskultur lassen sich konsens-, konflikt- und komplexitätsorientierte Ansätze unterscheiden. − Es bestätigt sich, dass die auch in der Interkulturalitäts-Diskussion nachweisbare Konsens-Perspektive von Unternehmenskultur griffige Modelle für den Praktiker vorlegt, die sich jedoch als vereinfachend und unrealistisch erweisen. Auf der anderen Seite erweitern die im Rahmen der Interkulturalitätsfrage von Unternehmenskultur ebenfalls nachgewiesenen Konflikt- und Komplexitätsperspektiven das Verständnis von interkultureller Unternehmenskultur sinnvoll, verharren jedoch in deren Diagnose und bieten noch keine Anwendungsmodelle an. − Die vorliegende Arbeit versucht daher einen Beitrag zu leisten, diese Forschungslücke zu füllen und ein handlungsleitendes Konzept von interkultureller Unternehmenskultur zu entwickeln, das in realitätsnaher Form ihrer Komplexität Rechnung trägt.

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4. Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur Als Grundlage für die Beschreibung der allgemeinen Ergebnisse zur Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur (siehe Kapitel 5) stellt das folgende Kapitel die kulturspezifischen Rahmenbedingungen einer deutsch-thailändischen Unternehmenskultur20 dar. Im Sinne der getroffenen Definitionen von Kultur und Interkultur (siehe Kapitel 3.1.3.3.) handelt es sich bei den folgenden Analysen im Gegensatz zu typischen kulturvergleichenden Studien explizit um die Untersuchung interkultureller Rahmenbedingungen. Aufgrund der ausgewählten Interviewmethodik und -thematik sind sämtliche Antworten der Befragten zu typischen kulturellen Merkmalen von Deutschen und Thais bei der Zusammenarbeit nicht nur direkt auf die Situation der Interkulturalität bezogen, sondern entstehen auch gleichsam aus ihr. Die folgenden Analysen identifizieren folglich nur solche Aspekte, die von den Befragten als Mitarbeiter deutsch-thailändischer Unternehmen für die Bewältigung des täglichen Miteinanders, für eine gemeinsame Unternehmenskultur, als relevant erachtet werden. So ist zu vermuten, dass beispielsweise eine ähnliche Untersuchung der Interkultur zwischen Deutschen bzw. Thais und Mitarbeitern einer anderen Nationalität (z.B. malayisch, französisch, australisch, etc.) andere Aspekte eines spezifisch deutschen bzw. thailändischen Wirtschaftsstils zutagetreten lassen würde als die folgende Untersuchung aus der Perspektive einer deutsch-thailändischen Interkultur. Die Beschreibung der deutschen und thailändischen Wirtschaftsstile unternimmt daher nicht den Versuch einer quasi-objektiven, gesamthaften Darstellung von Stilmerkmalen. Vielmehr müssen alle getroffenen Aussagen zum einen in Relation zur jeweiligen deutschen oder thailändischen Perspektive, zum anderen in Relation zu ihrem Ursprung deutsch-thailändischer Interkultur betrachtet werden und können daher keine universelle Gültigkeit beanspruchen. Aufgrund dieser grundsätzlichen Absage an die Annahme überkultureller Objektivität kann eine Bewertung der untersuchten Wirtschaftsstile hinsichtlich ihres unternehmerischen Erfolgspotentials ebenfalls nicht Gegenstand der Untersuchung sein. So handelt es sich bei der Beschreibung des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils um eine Kommunikationsanalyse, die ganz im Gegenteil den Nachweis fundamentaler Relativität und Kulturabhängigkeit der Interpretation und Bewertung von verschiedenen Wirtschaftskulturen führt. Wenn im folgenden Generalisierungen getroffen werden, so sind diese daher stets im Sinne Hansenscher Standardisierungen (vgl. Kapitel 3.1.2.) zu verstehen, die nichts über ihre jeweilige Ausprägung innerhalb eines Individuums aussagen können, sondern vielmehr das Bekannte, Normale und Gewohnte innerhalb eines Wirtschaftsstils aus der Perspektive des jeweils befragten kulturellen Kollektivs ausdrücken. Die Beschreibung bestimmter kultureller Eigenschaften (z.B. deutsche Planungsorientierung) impliziert daher weder, dass die jeweilige Eigenschaft bei Mitarbeitern

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Um das Komplexitätsniveau der folgenden Untersuchung in adäquatem Rahmen zu halten, wird bei der Beschreibung des Gegensatzes von deutschem und thailändischem Wirtschaftsstil im Folgenden keine Differenzierung zwischen innerhalb der thailändischen Wirtschaftskultur vorhandenen Subkulturen (z.B. der chinesisch-stämmigen Minderheit) getroffen.

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des jeweiligen kulturellen Kollektivs stärker ausgeprägt ist (z.B. „deutsche Manager planen besser“), noch dass diese Eigenschaft ein überkulturell objektives Stilmerkmal darstellt, sondern weist ausschließlich auf einen stärkeren Stellenwert der entsprechenden Eigenschaft als Standardisierung innerhalb des untersuchten kulturellen Kollektivs aus einer bestimmten kulturellen

Perspektive (z.B. aus Sicht der Deutschen oder der Thais) hin, der in Bezug auf das Individuum jedoch zu unterschiedlichen Ausprägungen führen kann. Bei der Bewertung der gefundenen Ergebnisse sollte daneben grundsätzlich berücksichtigt werden, dass die vorliegende Beschreibung als Grundlage für spätere Anwendungskonzepte (siehe Kapitel 6) grundsätzlich auf eine Systematisierung der erhobenen Datenmenge und ihre Vereinfachung auf die auffälligsten Aspekte abzielt. Sie kann somit als weitere Einschränkung mit der dargestellten Kultur oder Interkultur in letzter Konsequenz nicht gleichgesetzt werden, da nur „Texte Ganzheiten besitzen, Kulturen aber nicht“ (Hansen 2000, S. 330). Inhaltlich soll im Folgenden in einem ersten Schritt zunächst kontrastiv auf Basis der empirischen Forschungsergebnisse eine Analyse des thailändischen bzw. deutschen Wirtschaftsstils vorgenommen werden. Das auf Grundlage der Interviews sowie der weiteren Forschungsquellen für den jeweiligen Stil als typisch Identifizierte wird dabei zum einen aus deutscher Perspektive, zum anderen aus thailändischer Perspektive dargestellt, um die grundsätzliche Relativität kultureller Bewertungen sichtbar zu machen. Die Darstellung verzichtet dabei bewusst auf den Versuch ethnographischer Kulturbeschreibung als abgerundete Geschichte oder „plot“ (Martin 1990, S. 25): „Unfortunately, the elegance of this style of writing [ethnographies] is a misleading way to write about culture. It seduces the reader, drawing attention away from the difficulties, such as overgeneralization.“

Um daher die Transparenz der Auswertung zu maximieren und Verfälschungen oder Überinterpretationen so weit wie möglich auszuschließen, wird zum Beleg getroffener Systematisierung methodisch in Anlehnung an Martin (1990) verstärkt auf beispielhafte Originalkommentare der Befragten zurückgegriffen, so dass sich ein Wechselspiel aus Daten und Interpretation ergibt. Den Abschluss der Analysen bildet jeweils eine Diskussion der thailändischen und deutschen Stilmerkmale anhand bestehender kulturvergleichender oder -beschreibender Literatur unterschiedlicher Fachrichtungen. Auf Basis der entwickelten deutschen und thailändischen Wirtschaftsstile sowie anhand konkreter Konflikt- und Erfolgsbeispiele soll in einem zweiten Schritt das Bild einer spezifisch deutschthailändischen Interkultur als Bedingung einer gemeinsamen Unternehmenskultur entworfen werden. Hierzu wird einerseits das Konfliktpotential beschrieben, das aus typischen Missverständnissen hervorgeht. Andererseits soll das Synergiepotential bei der Zusammenarbeit von Deutschen und Thais aufgezeigt werden, das sich aus identifizierten interkulturellen Anknüpfungs- oder Verknüpfungsmöglichkeiten ergibt.

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4.1. Interkulturelle Analyse des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils Zur Beschreibung der spezifischen Stilmerkmale deutscher und thailändischer Wirtschaftskultur lassen sich auf Basis der Interviewprotokolle vier unterschiedliche Bereiche identifizieren, innerhalb derer kulturelle Unterschiede in der Zusammenarbeit virulent werden. Sie werden im Folgenden als Beziehungsaufbau, Hierarchieverständnis, Konfliktverhalten und Aufgabenbearbeitung bezeichnet. ‚Beziehungsaufbau Der Komplex des Beziehungsaufbaus beschreibt die interkulturell wirksamen deutschen und thailändischen Standardisierungen zum Entstehen von kollegialen Beziehungen zwischen einzelnen Mitarbeitern und Mitarbeiterkollektiven. Er betrachtet im einzelnen die Anknüpfung, den Aufbau sowie die Pflege solcher Beziehungen sowie deren Sinnzuweisung durch das Individuum. ‚Hierarchieverständnis Unter Hierarchieverständnis sollen die interkulturell wirksamen deutschen und thailändischen Standardisierungen zur vertikalen und horizontalen Über- und Unterordnung innerhalb der Unternehmen sowie deren kognitive Legitimationsgrundlagen verstanden werden. ‚Konfliktverhalten Der Bereich des Konfliktverhaltens beschäftigt sich mit den interkulturell wirksamen deutschen und thailändischen Standardisierungen zum Verhalten bei Interessengegensätzen oder Missverständnissen21 innerhalb von Unternehmen und den daraus entstehenden Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern, sowie deren Interpretation durch die Mitarbeiter. ‚Aufgabenbearbeitung Der Komplex der Aufgabenbearbeitung wird im Folgenden verstanden als interkulturell wirksame deutsche und thailändische Standardisierungen zu Motivation, Vorgehensweise und Ergebnisqualität bei der Bearbeitung von Aufgaben innerhalb der Unternehmen sowie deren Bewertung. Bei der Einteilung in die vorliegenden vier Bereiche handelt es sich wiederum nicht um ein allgemeines Modell zur gesamthaften Beschreibung eines Wirtschaftsstils, sondern um eine speziell deutsch-thailändische Kategorisierung aufgrund der von den Befragten als relevant erachteten Aspekte, die im Rahmen des qualitativen Abstraktionsprozesses (siehe Kapitel 2) zu einem deskriptiven Modell kondensiert wurden, das sich sinnvoll zur Beschreibung der spezifisch deutsch-thailändischen Situation einsetzen lässt.

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Als Konflikt soll im Folgenden mit Glasl „eine Interaktion zwischen Aktoren“ verstanden werden, „wobei wenigstens ein Aktor Unvereinbarkeiten im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen mit dem anderen Aktor [...] in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor [...] erfolge.“ (vgl. Glasl 1990, S. 14f.). Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese westlich geprägte Konfliktdefinition nicht unbedingt mit thailändischen Konfliktvorstellungen übereinstimmt (siehe Kapitel 4.1.1.3.).

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Anhand dieses Rasters aus Beziehungsaufbau, Hierarchieverständnis, Konfliktverhalten und Aufgabenbearbeitung soll im Folgenden zunächst der thailändische und anschließend der deutsche Wirtschaftsstil aus interkultureller Perspektive beschrieben werden. 4.1.1. Der thailändische Wirtschaftsstil 4.1.1.1. Thailändischer Beziehungsaufbau

4.1.1.1.1 Deutsche Perspektive Aus deutscher Perspektive dient Beziehungsaufbau im Rahmen des thailändischen Wirtschaftsstils primär zur Bildung eines umfangreichen sozialen Netzwerks. Dieses Netzwerk wird von den deutschen Managern übereinstimmend als unabdingbare Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg in Thailand interpretiert. Die grundsätzliche Notwendigkeit des Aufbaus interpersonaler Beziehungen zeigt sich dabei aus deutscher Sicht auf allen Ebenen und gilt innerhalb des Unternehmens zur Sicherung des persönlichen Erfolgs genauso wie außerhalb der Unternehmens in der Interaktion mit Kunden und anderen Interessengruppen zur Sicherung des Unternehmenserfolgs. So wird einerseits grundsätzlich die besondere Wichtigkeit der Vertiefung von Mitarbeiterbeziehungen im Vergleich zu Deutschland betont: „Wirklich ernstgenommen wird man hier nur, wenn man eine persönliche Beziehung aufbaut!“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Es ist hier auf jeden Fall wichtiger, eine private Beziehung zu den Menschen aufzubauen.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „Ein thailändischer Manager konzentriert sich stärker auf die Menschen um ihn herum, wie er mit ihnen interagiert, was für Beziehungen er zu ihnen hat und welche wechselseitigen Verantwortungen dadurch entstehen.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

Darüber hinaus wird ebenfalls, wie die folgenden Beispiele zeigen, übereinstimmend die Bedeutung persönlicher Kundenbeziehungen als Grundlage für Geschäftsbeziehungen und Aufträge hervorgehoben. Diese wird aus deutscher Sicht mit ihrer Erwartung eines persönlichen Beziehungsaufbaus einerseits als Chance zur Auftragskontinuität gesehen, andererseits als ungerechtfertigte Steigerung des Tätigkeitsaufwands empfunden: „Beziehungen sind sehr wichtig in Thailand. Das ganze Business ist sehr viel stärker beziehungsgetrieben. Verglichen mit Deutschland. [...] Hier in Thailand gibt es diesen Beziehungseinfluss noch, was sehr attraktiv sein kann. Hier kann man noch eine gute persönliche Beziehung zu einem Kunden aufbauen. Und die Tatsache, dass man eine gute Beziehung hat, kann dabei helfen, neues Business zu bekommen.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10) „Das ist das gleiche mit den Kunden. Wir haben hier ja viele Kunden geographisch weit verteilt. Da bringt es nichts, immer nur einen lokalen Vertreter hinzuschicken. Sondern da muss man immer persönlich auf der Matte stehen. Auch wenn es überhaupt nichts bringt. Immer persönlich vorbeischauen.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

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Nach Interpretation der deutschen Manager sind die beschriebenen Beziehungs-Netzwerke thailändischer Art im Wirtschaftsalltag durch bestimmte Eigenschaften gekennzeichnet, die ihren Charakter nachhaltig prägen: Im Einzelnen lassen sich hier die Prinzipien von Langfristigkeit und Personenloyalität, eine grundsätzlichen Einheit von Freundschaft und Kollegialität sowie ein Gefühl von Gruppenwärme und Zusammengehörigkeit zwischen den Mitarbeitern identifizieren. Der Aspekt Langfristigkeit wird dabei auf der einen Seite als unabdingbarer Bestandteil thailändischer Geschäftsbeziehungen eingeschätzt: „Ein Geschäftspartner hier zum Beispiel [Betonbranche], den hatten wir damals auf die BAUMA eingeladen und der revanchierte sich dann mit einer Einladung hier in Thailand zum Golfspielen. Jetzt laden wir den wiederum zum Golfspielen ein. So baut man dann eine langfristige Beziehung auf. Nur so kann man hier erfolgreich sein.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Andererseits wird er als mühevoll erfahren, da er aus deutscher Sicht viel Geduld erfordert und zunächst als wenig zielführend empfunden wird, da konkrete Ergebnisse erst allmählich sichtbar werden: „Wirklich ernstgenommen wird man nur, wenn man eine persönliche Beziehung aufbaut. Das ist sehr zeitaufwendig. Das dauert sehr lange, bis da das Eis gebrochen ist. Das heißt, zuhören, zuhören, zuhören. Ich habe hier ein Jahr nur zugehört.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Aufgrund der konstatierten Wichtigkeit persönlicher Beziehungsnetzwerke identifizieren die deutschen Manager bei ihren thailändischen Mitarbeitern ein Loyalitätsverhalten, das sich eher an Personen knüpft als an die organisatorische Einheit des Unternehmens: „Die Loyalität der Thailänder ist eher personenbezogen als firmenbezogen.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) „Die Menschen hier in Thailand neigen dazu, sich sehr stark an der Unternehmensspitze zu orientieren und sich mit den dortigen Personen zu identifizieren.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

Diese Personenloyalität wird aus deutscher Sicht jedoch nicht unbedingt als Wert empfunden, sondern eher als Mangel an Unternehmensloyalität charakterisiert, da sie sich besonders schmerzhaft äußert, wenn innerhalb des Unternehmens informell einflussreiche Mitarbeiter kündigen, die Firma verlassen und erdrutschartige Mitarbeiterfluktuationen auslösen: „In Thailand gilt eher ein Loyalitätsprinzip gegenüber der Person. Wenn einer geht, gehen viele mit. Bei [einer anderen deutschen Firma] gab es zum Beispiel eine sehr starke Fluktuation, da sind in einem Jahr 20% der Belegschaft gegangen. Jetzt haben sie das ein bisschen eingedämmt.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Die Mitarbeiter in Thailand arbeiten für den Chef. Da haben hier viele mit zu kämpfen, dass, wenn einer geht, plötzlich 40% der Belegschaft auch kündigen, weil sie weiter mit dem arbeiten wollen.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Ich habe das schon oft gehört, dass zum Beispiel, wenn aus dem Middle Management jemand gegangen ist, dass dann andere gleich mitgehen. Die identifizieren sich sehr stark mit den Personen.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Als ein weiteres Charakteristikum thailändischer Beziehungsnetzwerke, das starke Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen deutschen und thailändischen Mitarbeitern besitzt, stellt sich die von Deutschen beobachtete Einheit von Freundschaft und Kollegialität im thailändischen Wirtschaftsleben dar. Dabei wird aus deutscher Sicht einerseits von der Existenz einer Privat-

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sphäre ausgegangen, innerhalb derer Freundschaften geschlossen werden können, und andererseits einer öffentlichen bzw. Unternehmens-Sphäre, innerhalb derer eher kollegiale Beziehungen vorherrschen. Beide Sphären sollten im Sinne eines deutschen Professionalitätsverständnisses im Normalfall nicht vermischt werden (siehe auch Kapitel 4.1.2.1.). Das von diesem Prinzip abweichende thailändische Mitarbeiterverhalten, das die deutschen Konstrukte von Freundschaft und Kollegialität, sowie deren sorgfältige Trennung, nicht zu bestätigen scheint, wird daher aufgrund seiner stärker ausgeprägten persönlichen Komponente teilweise als Distanzlosigkeit bewertet: „Thais fällt es schwer, professionell zwischen Arbeit und Privatleben zu trennen. Auch zwischen Freunden und Arbeitskollegen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11 ) „Als farang oder Vorgesetzter sind Sie ständig unter Beobachtung. Und wenn irgendetwas ist, fünf Minuten später weiß das das ganze Büro. Die Thais neigen zum Tratsch. [...] Ohne Ende. Ohne Ende. Da hören sie Dinge, das gibt's gar nicht. Also im Sinne von Vertraulichkeit, oder so. Vertraulichkeit gibt es hier nicht.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Und dann passieren so kuriose Sachen, da wird man dann plötzlich bei einem Minister nach Hause eingeladen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Andererseits bereitet die Erfahrung, dass trotz stärkerer persönlicher Bindung auf professioneller Ebene kaum Freundschaften nach deutschem Muster entstehen, aus deutscher Sicht Interpretationsprobleme: „Ich weiß nicht warum, aber es ist sehr, sehr schwer in Thailand für einen Außenstehenden mit einem Thai eine wirkliche Freundschaft aufzubauen. Nur sehr wenige Leute, die ich kenne, waren schon mal bei einem Thai zu Hause.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

Insgesamt erweist sich der Aspekt konstatierter Einheit von Freundschaft und Kollegialität als entscheidend für zahlreiche Friktionen zwischen deutschen und thailändischen Mitarbeitern (siehe Kapitel 4.2.1.1.). Als weiteres Kennzeichen sozialer Netzwerke innerhalb der Unternehmen beschreiben die deutschen Manager übereinstimmend einen Eindruck von Gruppenzusammengehörigkeit, der sich zum einen in räumlicher Nähe und in gemeinschaftlichen Aktivitäten äußert und sich zum anderen in einem von den deutschen Managern als „Gruppenwärme“ charakterisierten Gemeinschaftsgefühl manifestiert. „Thais sind für mich [...] eher Gruppenmenschen als Deutsche.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12) „Hier wird mehr mit Nachbarschaft, Gruppenwärme gearbeitet.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Wenn eine [Mitarbeiterin] mal was besorgen muss, dann fährt sie los und bringt dann auch noch für alle Obst mit. Dann kriegt jeder da seine Ananas. Sie suchen Zusammengehörigkeit.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Dabei erscheint den deutschen Manager besonders das thailändische Zusammenarbeiten auf engstem Raum, das Suchen körperlicher Nähe zu anderen Mitarbeitern sowie der Umfang von Gruppentätigkeiten, vom gemeinsamen Frühstücken, Mittagessen und Abendessen bis hin zu gemeinsamen Sport- und Feieraktivitäten außerhalb der Arbeitszeit als ungewöhnlich, wie folgende Beispiele zeigen:

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„Wenn die kommen morgens, dann bringt einer immer Frühstück für alle mit. Ob das reihum geht oder so, weiß ich nicht. Dann sitzen die also hier oben alle und frühstücken.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Das fängt damit an, dass auf so einer engen Fläche [zeigt eine Fläche von ca. 6 qm] vielleicht drei Thais sitzen und da irgendwie rumwühlen in ihren Ordnern, zwischen ihren Computern und Schreibtischen. In Deutschland würde man sagen: 'Ich brauche mehr Platz, das reicht gar nicht!' Das fällt auf. [...] Sie kommen einfach mit wenig Platz aus. Sie wühlen sich da irgendwie durch. [...] Vielleicht möchten sie auch gar nicht mehr Platz. Oft fällt mir auf, dass die Thais untereinander irgendwie mehr Körperkontakt suchen. Wenn zwei befreundete Frauen zum Beispiel durch die Stadt gehen, halten sie sich oft an der Hand.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Neben den beschriebenen allgemeinen Charakteristiken ist der Aufbau und die Pflege thailändischer Beziehungsnetzwerke aus deutscher Sicht primär gekennzeichnet durch ausdauernde Beziehungsfortschreibung, die ihre Funktionsfähigkeit gewährleistet. Als Äußerungsformen einer gründlichen und effektiven Beziehungsfortschreibung nach thailändischem Verständnis heben die deutschen Manager besonders die Gewährung von Gefälligkeiten hervor, die sich in Geschenken und Aufmerksamkeiten äußern kann, die nach bestimmten Regeln an Mitglieder des eigenen Netzwerks vergeben werden: „In Thailand wird erwartet, dass man sich erkenntlich zeigt, dass man dem Tempel etwas spendet. Oder dass man zum Geburtstag einer hochgestellten Persönlichkeit einen Geschenkkorb schenkt.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Daneben wird auch die gegenseitige Erfüllung von Bitten als förderlich für eine Beziehungsfortschreibung im Sinne zukünftiger Hilfe erfahren: „Häufig kann man mit einer einfachen Anweisung nicht soviel erreichen. Besser ist es manchmal, um einen Gefallen zu bitten. Ich habe das wirklich mal gemacht, da habe ich gesagt: 'Ich brauche deine Hilfe.' [...] Hier hatte ich das Gefühl, dass man dann sehr aufgeschlossen war und alles viel schneller und motivierter erledigt hat, als wenn ich einfach gesagt hätte: ‚Dasunddas wird jetzt gemacht.'“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Neben der Gewährung bestimmter Gefälligkeiten als Grundlage für die Entstehung funktionsfähiger Beziehungsnetzwerke wird besonders der Aufbau von Vertrauen als entscheidend herausgestellt. „Zwischen der thailändischen Familie und meinem Chef in Deutschland wurde erst eine Vertrauensbasis geschaffen. Und darauf hin hat die Familie [Firma 8] den Auftrag für diese Anlage gegeben.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Vertrauensaufbau wird dabei zum einen durch wiederholten Kontakt hergestellt, der aus Sicht deutscher Manager im Vergleich zu deutscher Beziehungsanbahnung mit seinem Element des „Losstürzens“ (siehe auch Kapitel 4.1.2.1.) zunächst eine ausgeprägte defensive Komponente enthält: „Wenn sie beispielsweise zum Kunden gehen, dann können sie nicht einfach so auf ihn losstürzen, sondern müssen wirklich erstmal versuchen, Kontakt aufzunehmen und Vertrauen aufzubauen.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Zum anderen kann Vertrauen indirekt auf dem Weg der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung hergestellt werden, ein Faktor, der besonders in der Außenbeziehung des Unter-

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nehmens zur Öffentlichkeit sowie zu den eigenen Mitarbeitern eine wichtige Rolle zu spielen scheint: „Um Unternehmenskultur zu schaffen, ist es nicht nur wichtig, nach innen zu arbeiten, sondern man muss auch nach außen etwas aufbauen. Man muss gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, zum Beispiel in der Handelskammer oder sich für eine Universität einsetzen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Entscheidend beim Aufbau einer tragfähigen, auf Langfristigkeit ausgerichteten Beziehung im thailändischen Sinn ist darüber hinaus aus deutscher Sicht eine emotionale Komponente, die von den deutschen Managern nicht präzise verbalisiert werden kann, aber häufig mit dem Ausdruck des „guten Gefühls“ umschrieben wird. Die Wichtigkeit der Erzeugung eines solchen „guten Gefühls“ wird dabei von den Deutschen als zusätzliches Element von Geschäftsbeziehungen erlebt, das neben eher rationalen Aspekten berücksichtigt und gepflegt werden muss: „Man geht immer zum Lunch und zum Dinner gemeinsam, und nutzt diese Zeit, um Beziehungen zu vertiefen. Ich habe eigentlich immer Lunch und Dinner verplant, jeden Tag. Bei den Thais ist das Essen mehr als nur Nahrungsaufnahme. Man will sich auch gut fühlen.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Also eine private Beziehung aufbauen, das ist sehr wichtig. Das tun auch die Thais mir gegenüber. Also Geschäfte werden jetzt nicht nur auf dem Golfplatz gemacht, aber wenn sie mit jemandem Golfspielen können, dann ist das schon nicht schlecht. [lacht] Man läuft dann halt so zusammen herum und hat Spaß. Über das Geschäft wird dann noch nicht gesprochen. Nur, man hat dann halt irgendwie ein gutes Gefühl.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

4.1.1.1.2 Thailändische Perspektive Die Befragung der thailändischen Mitarbeiter scheint zunächst die deutsche Sichtweise in wichtigen Punkten zu bestätigen. Ähnlich wie die deutschen Manager betonen die befragten Thais durchgehend die Wichtigkeit des Beziehungsaufbaus zur Bildung eines möglichst umfangreichen sozialen Netzwerkes als unabdingbare Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg und unterstreichen diese These als thailändische Besonderheit explizit durch Vergleiche mit Deutschland. „The business culture here in Thailand compared to Germany is a very feminine culture. It is very much built on networking and relationships.“ (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12)

Dabei erfährt auch die von den Deutschen identifizierte Bedeutung sozialer Netzwerke einerseits für den persönlichen Erfolg, andererseits für den Erfolg des Unternehmens von thailändischer Seite eine Bestätigung: „In einer thailändischen Firma könnte ich nicht in dieser Stellung arbeiten. Da braucht man Beziehungen. Man muss auf der richtigen Universität studiert haben.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) “In Thailand, you have to put all your effort into building a relationship with the customers and try to maintain close contact with them so that they come again. For example with high ranking officers or the princess and so on.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Darüber hinaus werden ebenso die aus deutscher Sicht beschriebenen Kennzeichen thailändisch geprägter Sozialbeziehungen im Wirtschaftsleben von den thailändischen Mitarbeitern bekräftigt. So wird zum einen der Aspekt der Langfristigkeit als grundlegendes Charakteristikum betont:

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„If you have an investment plan for the next ten years, even for the next five years, you need to pave the way, to build up relations with the important community functions and also the Thai people to tell them about [Company 1].“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Daneben wird häufig auf die Bindung zwischen Individuum und Unternehmen über die Identifikation mit Einzelpersonen, die das Unternehmen repräsentieren, hingewiesen, ein Aspekt, der dem von den Deutschen beschriebenen Element der Personenloyalität zu entsprechen scheint: „It was a very important task in the beginning to boost internal communications. To build motivation among employees, so that they know what they are working for… Who they are working for!“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Die potentielle Tiefe einer solchen Bindung wird dabei von thailändischer Seite oft betont: Sie manifestiert sich in aufschlussreicher Weise in folgendem Beispiel als verbale und gestische Verbindung aus, nach westlicher Interpretation, kognitiven und emotionalen Elementen, die sich hier in einer Verknüpfung von Geist („mind“) und Herz äußert: „You have to become part of their mind. [Zeigt auf ihr Herz] You have to be in their mind. If you sit in their minds, they will work for you. For their whole life!“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Die von deutscher Seite diagnostizierte Einheit von Freundschaft und Kollegialität wird als Phänomen ebenso von thailändischer Seite beschrieben. Allerdings erscheint den thailändischen Mitarbeiter der Aufbau von Beziehungen, die ein persönliches Element mit einschließen, ihrer eigenen Perspektive entsprechend als normales Verhalten, das im Vergleich zu westlichem Verhalten als ganzheitlicher empfunden wird. Das Fehlen persönlicher Beziehungskomponenten speziell innerhalb deutscher Wirtschaftsbeziehungen wird daher folgerichtig als Defizit wahrgenommen: „If I visit the journalists, I say Sister, Brother, this and that. Very, very personal. And they know me. These are my contacts. In Germany, you just talk on the job. Ok, you also build relationships, but it is not that deeply rooted.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Abb. 19: Ausschnitt aus der Mitarbeiterzeitschrift „Sawasdee“ von Bayer Thai

Die thailändische Ausrichtung auf eine von Anfang an stärker persönlich geprägte Beziehungstonalität demonstriert sich daneben auch in der offiziellen Wortwahl interner Unternehmenskommunikation. Ein aufschlussreiches Beispiel stellt in diesem Zusammenhang eine Rubrik in

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der Mitarbeiterzeitschrift von Bayer Thai dar, in der neue Mitarbeiter mit Namen, Abteilung und Foto vorgestellt werden. Während ähnliche Unternehmensinformationen in Deutschland, sofern sie in Großkonzernen überhaupt existieren, erfahrungsgemäß eher mit „Neue Mitarbeiter“ oder, wenn auf stärkere Informalität Wert gelegt wird, mit „Neue Kollegen“ bezeichnet würden, lautet der thailändische Titel in englischer Übersetzung schlicht „New friends“. Im Gegensatz zu diesen von thailändischer Seite bestätigten Kennzeichen sozialer Netzwerke wird der von den deutschen Managern empfundene Aspekt der Gruppenwärme von den befragten thailändischen Mitarbeitern nicht erwähnt. Ein möglicher Grund für diese Beobachtung könnte darin zu finden sein, dass die aus deutscher Sicht auffällige Betonung von menschlicher Wärme und Gemeinschaftlichkeit im thailändischen Unternehmensalltag als Normalität so tief verankert ist, dass sie aus thailändischer Sicht nicht abstrahiert beschreibbar ist. Für diese Vermutung spricht, dass die Komponente der „Gruppenwärme“ als negative Entsprechung im Sinne von beobachteter Kälte und Vereinzelung umgekehrt bei der Beschreibung des deutschen Wirtschaftsstils durch die thailändischen Mitarbeiter eine wichtige Rolle spielt (siehe Kapitel 4.1.2.1) und hier als besonderer Fremdheits-Aspekt erscheint. Neben der unterschiedlichen Bewertung des Charakteristikums „Gruppenwärme“ lassen sich auch bei der Beschreibung notwendiger Elemente zur Funktionserhaltung sozialer Beziehungen im Vergleich zur deutschen Perspektive Abweichungen feststellen. Zwar ist der Aufbau sozialer Netzwerke auch aus thailändischer Sicht gekennzeichnet durch eine geduldige, möglichst lang andauernde Beziehungsfortschreibung, jedoch wird bei der Detaillierung dieser Beziehungsfortschreibung anderen Aspekten Wichtigkeit zugemessen: Dabei betonen die thailändischen Mitarbeiter bei der Gewährung von Gefälligkeiten oder Erfüllung von Bitten ausdrücklich reziprokes und iteratives Verhalten als Grundlage der Beziehung. „If I walk around in the office, I call my older colleagues Sister, Brother, or Uncle and Auntie. Whatever. And then I can ask them for help if I need it. This is the Thai style.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „For example when we had a problem with the customs to get a [product] out. Nobody could do it. Only me. I could ask some people to help me. We needed the [product] for a show and it was stuck in customs. So I asked the right people based on my status. Because I had been a lecturer at the university. And so the people in the office helped me. But now, when there comes a special occasion, I have to give something back. I have to say Happy New Year and send them something, maybe a fruit basket.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5) „We need those gifts to have everything smooth. It doesn’t mean that you bribe them. But for New Year you have to give something. Some kind of fruit basket to say Happy New Year. For example to the governor or other important people to keep the relationship […]. And if you don't accept a gift, you would be insulting somebody.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Beziehungsaufbau scheint nach thailändischem Verständnis daher eine ausgeprägte Pflicht zur Erwiderung sowie Akzeptanz dieser Erwiderung zu enthalten, die von den deutschen Managern nicht explizit benannt wird. Ebenso erfährt der Aspekt des Vertrauensaufbaus, der sich aus deutscher Sicht in verstärkten Kontakten und Übernahme von Verantwortung äußert, aus thailändischer Perspektive eine zwar

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eine grundsätzlich ähnliche, aber in ihrer genauen Ausprägung abweichende Deutung. So wird die von den Deutschen identifizierte Notwendigkeit von nicht näher spezifiziertem „Kontakt“ in thailändischer Interpretation zu der expliziten Forderung, „Gesicht zu zeigen“ („Showing face“), die sich häufig in den thailändischen Äußerungen finden lässt: „But it is also important that the people see our face, not only our products. I also talked to Mr. A [Geschäftsführer] a lot about it. I said, you are a big boss here in this country. The people have to know you, they have to know our face. They have to see the top guy. So he took on a lot of social functions. For example he got elected 'boss of the year'. And he became part in a lot of organizations. Also the other managers take on certain social functions. You have to show your face.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Der Aspekt des „Gesicht-Zeigens“ erscheint dabei einerseits als Erwartung oberflächlicher Repräsentation, da das Verhalten des persönlichen „Sich-Zeigens“ ohne weitere inhaltliche Fütterung schon den beabsichtigten Zweck der Beziehungsverstärkung zu erfüllen scheint. Andererseits scheint das Zeigen des eigenen Gesichts als Symbol persönlicher Verpflichtung zusätzlich mit der Erwartung tiefer gehender Verantwortung einherzugehen. Diese Vermutung wird unterstützt durch die Beobachtung einer engen Sinn-Verbindung zwischen „Gesicht“ und dem zusätzlichen Aspekt der „Fürsorge“ („Caring“, „Helping“, „Sincerity“), der sich wiederum mit dem aus deutscher Sicht identifizierten rationaleren Element der Verantwortungsübernahme in Beziehung setzen lässt: „To demonstrate the company really cares for society, I searched for any environmental activities, not only from [company 1] but also from third parties. Because if you can link your own activities with official programs then you can create trust.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „Yes, for a Thai you have to show that you are sincere, that you care. Don't do everything on your own. Then you will not get anything done, and people will talk behind you. Although if you are sincere people will still talk behind you, [lacht] but in a positive way.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12) „One thing that I would expat managers advise to do: Start with the personal side first, before you implement anything. Try to gain the trust frist. Show that you care, that you are a friend. That you are on our side, not a super-boss.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Während die deutschen Manager aus ihrer Sicht zusätzlich zu den beschriebenen Komponenten des Kontakts und der Verantwortungsübernahme explizit die Erzeugung von „gutem Gefühl“ als Grundlage für Beziehungsaufbau betonen, also eine Differenzierung in eine fachliche (geschäftsrelevante) und eine Gefühlskomponente vornehmen, scheint dieser Aspekt auf thailändischer Seite schon in dem stärker emotional geladenen Begriff des „Caring“ gesamthaft enthalten zu sein.

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4.1.1.1.3 Übersicht: Thailändischer Beziehungsaufbau

Beziehungsaufbau

Thailändischer Wirtschaftsstil

Deutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

• Ziel: Soziales Netzwerk als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg

• Ziel: Soziales Netzwerk als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg

• Kennzeichen: – Langfristigkeit – Personenloyalität – Einheit von Freundschaft und Kollegialität – Gruppenwärme/ Zusammengehörigkeit • Äußerungsform: Beziehungsfortschreibung

• Kennzeichen: – Langfristigkeit – Personenloyalität – Einheit von Freundschaft und Kollegialität

– Gewährung von Gefälligkeiten – Vertrauensaufbau durch Kontakt und Übernahme von Verantwortung – Erzeugung von „gutem Gefühl“

• Äußerungsform: Beziehungsfortschreibung – Reziprozität und Iteration von Gefälligkeiten – Vertrauensaufbau durch „Showing face“ und „Caring“

Abb. 20: Beziehungsaufbau als Teil des thailändischen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive

4.1.1.2. Thailändisches Hierarchieverständnis

4.1.1.2.1 Deutsche Perspektive Aus deutscher Perspektive ist der thailändische Wirtschaftsstil neben der Komponente des Beziehungsaufbaus maßgeblich gekennzeichnet durch die besondere Bedeutung einer eindeutig definierten und ausgeprägten Hierarchie. Die Wichtigkeit, die diesem Aspekt von seiten der deutschen Manager bei der Beschreibung der Andersartigkeiten im deutsch-thailändischen Vergleich zugeschrieben wird, demonstriert sich verbal besonders häufig in ausgeprägten Generalisierungen und Übertreibungen: „Dieses hierarchische Denken, das steckt in der gesamten Thai-Gesellschaft.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4) „Ich sage immer, bei 60 Mio Thailändern gibt es auch 60 Mio Hierarchie-Stufen! Jeder schätzt sich ja aufgrund von Name, Geburt, Alter, Ausbildung irgendwo ein, ich weiss nicht wie die das hinbekommen, aber jeder ordnet sich sofort über oder unter jemandem ein.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Als Kriterien für die Bestimmung von Über- und Unterordnung werden von den deutschen Managern vielfältige Aspekte genannt. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Alter der Beteiligten zu, wobei grundsätzlich dem Älteren eine höhere Hierarchiestufe eingeräumt wird. So beobachten die deutschen Mitarbeiter häufig Probleme in der Zusammenarbeit, wenn formale organisatorische Berichtslinien der Altershierarchie zuwiderlaufen: „Hier ist es schon schwierig, jemand Jüngeren vor jemand Älteren zu setzen. Also wenn der Chef dann vielleicht Mitte dreißig ist und die Mitarbeiter zehn Jahre älter. Das ist dann schon schwierig.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

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„Dann kam heraus, dass sie [deutsche Managerin] den ganzen Bereich übersehen sollte, und dann gab es Probleme. Die Thais waren ja alle viel älter als sie. Die wollten sich von einer jüngeren Frau nichts sagen lassen. Plötzlich haben die sie nicht mehr mitgenommen, wenn sie ausgegangen sind. Haben ihr auch nichts mehr erzählt. Oder falsche Sachen erzählt. Sie wusste gar nicht mehr, was da überhaupt abläuft.“ (Herr Y, Praktikant, Firma Z)

Neben dem Alter wird gesellschaftlicher Status häufig als Hierarchiekriterium genannt, wobei thailändischer Status von deutscher Seite aus als ein von persönlicher Kompetenz entkoppeltes Merkmal empfunden wird. Im Gegensatz zur westlichen Vorstellung, dass Kompetenz und Leistung entsprechende Anerkennung und Respekt nach sich ziehen, die sich dann in einem gesellschaftlichen Status manifestieren, erscheint das thailändische Konzept von Status als unabhängiger Faktor, der hierarchische Anerkennung fordert und dem im Umkehrschluss Kompetenz automatisch unterstellt wird: „Die thailändische Arbeitswelt ist sehr viel stärker statusorientiert als kompetenzorientiert.” (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12) „Also, jemand, der wie ich jetzt graue Haare hat und als Expat hierher kommt, dem traut man überhaupt nicht zu, dass er irgendeinen Fehler macht und deshalb bekomme ich häufig gar nicht das Feedback.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Der Status des Expatriates, der von seinem Heimatunternehmen ins Ausland geschickt wird, wird aus deutscher Sicht von den thailändischen Mitarbeitern als Sonderrolle eingeordnet und grundsätzlich hierarchisch als übergeordnet betrachtet. „[Aber er [der thailändische Kollege] hat Sie als Vorgesetzten aufgefasst?] Ja, wahrscheinlich, obwohl ich formal auf einer Ebene mit ihm stand. Aber wenn wir zusammengearbeitet hatten, hatte ich wohl doch eher die führende Rolle inne. Natürlich haben die Expats irgendwie immer einen höheren Rang.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Aber da ordnet sich ein Thailänder nun mal gegenüber einem grauhaarigen Europäer in der Hierarchieebene da drunter ein, was überhaupt nicht sein müsste, denn wir arbeiten ja in einem Team.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Als Gründe für diese Einstufung durch die thailändischen Mitarbeiter nennen die deutschen Manager zum einen den Respekt vor der Industrienation Deutschland, den offenkundigen Vertrauensbeweis des Mutterunternehmens, der sich im Expatriate-Status offenbart, sowie grundsätzliche ethnische Andersartigkeit, die sich besonders in der Körpergröße zeigt: „Und zwar aus zwei Gründen [werden deutsche Managers von den thailändischen Mitarbeitern als überlegen betrachtet ], zum einen sind wir farangs [westliche Ausländer] und damit sowieso schon etwas anderes. Und zum anderen sind wir noch aus dem Head Office aus Deutschland. Das ist dann noch mal eine Erweiterung.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Dann bin ich ja auch so groß. Ich glaube, sie [die thailändischen Mitarbeiter] haben mich wegen meiner Größe wahrscheinlich ernster genommen als die Chefin.“ (Herr Y, Praktikant, Firma Z)

Aus deutscher Sicht manifestiert sich das als äußerst ausgeprägt empfundene Hierarchieverhalten zunächst in einer allgemeinen und beinahe ausnahmslosen Anerkennung der Überlegenheit des hierarchisch Höherstehenden durch die thailändischen Mitarbeiter. „Das ist aber Thai-Mentalität, das ist diese Hierarchie: Wenn von oben etwas kommt, dann wird das nicht in Frage gestellt, das wird gemacht.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

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Im einzelnen äußert sich dieses Hierarchieverständnis aus deutscher Sicht zum einen als eingeschränkte Übernahme von Verantwortung durch den Untergeordneten. Die deutschen Manager beobachten in diesem Zusammenhang ein konsequentes Ausweichen vor zu großer Verantwortung durch die thailändischen Mitarbeiter, das sich sogar in der Prozessgestaltung niederschlägt: „Zum Thema Verantwortung. Das ist auch etwas, was in Thailand ganz extrem ist, diese Rückdelegation. Keiner übernimmt erst mal direkt selber Verantwortung.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „In allgemeinen verwendet man hier schon andere Prozesse als in Deutschland. Viel detaillierter, viel strikter vorgegeben. Der Entscheidungsspielraum des Mitarbeiters ist viel, viel enger.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11 )

Die eingeschränkte Verantwortungsübernahme wird von deutscher Seite aus im Extremfall als ausgeprägte Dienstbarkeit bis hin zu übertriebenem Gehorsam empfunden, dessen Gründe sie besonders in Eigenheiten thailändischer Erziehung vermuten. „Da ist [auf thailändischer Seite] eine sehr hohe Bereitschaft, dass man auch ...dienen will. Das ist zwar ein sehr, sehr altmodischer und vielleicht auch ungünstiger Ausdruck, aber er trifft die Sache eigentlich ganz gut.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11 ) „Von den Eltern her werden die Kinder zur Unterwürfigkeit erzogen, speziell gegenüber höhergestellten Persönlichkeiten. Und dann der Gehorsam, das Militärische, das in der Schule gepredigt wird und wohl auch zu Hause. Das heißt, die Kinder werden zu hundertprozentigem Gehorsam gezwungen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Diese eingeschränkte Verantwortungsübernahme des Untergeordneten geht einher mit einer ausgeweiteten Verantwortungsübernahme durch den Übergeordneten, die von den deutschen Managern als ausgeprägte Erwartungshaltung an die eigene Person erfahren wird. Dabei finden sie sich oft unfreiwillig in einer patriarchalen Führungsrolle wieder, in der ihnen einerseits umfangreiche Entscheidungsfreiheit zugebilligt, andererseits von ihnen die Erfüllung einer ausgeprägteren Fürsorgefunktion erwartet wird. „[Man muss] hier in Thailand doch sehr stark diese Vorbild- und Patriarchenfunktion als Unternehmen erfüllen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Man erwartet hier eigentlich, dass die Führungsperson die Entscheidungen vorkaut. Und die anderen dürfen dann Ja sagen.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „Ich sehe mich nicht als Vaterfigur, aber man muss hier immer offen sein für persönliche Probleme und Coaching.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Wir hatten hier neulich so einen Fall. Eine Mitarbeiterin, die schon sehr lange bei uns ist. Sehr gute Mitarbeiterin. Verheiratet und Kinder. Mir ist da plötzlich aufgefallen, dass die irgendwie bedrückt aussah, aber ich habe erstmal abgewartet. Und dann kam sie irgendwann zu mir. Und sagte, mir ist da was ganz Schlimmes passiert. Und was war gewesen? Also, sie war mit dem Auto unterwegs gewesen und hatte einen Unfall gehabt und dabei ist ein Motorradfahrer ums Leben gekommen. Und was passiert dann in Thailand in so einem Fall? Dann kommt die Polizei und will Geld haben, und die Verwandten von dem Opfer wollen auch Geld haben. Da gibt es richtig festgelegte Summen, was man dann da bezahlen muss, damit man nicht ins Gefängnis kommt. Tja, und die Mitarbeiterin hatte nun schon alles versucht, eine Hypothek auf ihr Haus aufgenommen und so, aber es reichte nicht. Und sie hat mich dann gefragt, ob wir ihr das Geld geben können. Ja, was macht man in so einem Fall? Man kann nichts machen. Da können sie nicht nach einem Collateral fragen oder so. Da zählt dann nur, dass die Frau eben eine gute Mitarbeiterin ist. Und dann hab ich ihr das Geld eben gegeben.“

Abb. 21: Beispiel für thailändisches Hierarchieverständnis aus deutscher Perspektive

(Deutscher Geschäftsführer)

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Die Ausweitung der persönlichen Verantwortung geht dabei im Extremfall bis zur Übernahme privater Verantwortung für die Mitarbeiter über das eigentliche Arbeitsumfeld hinaus. So wird „einfach erwartet, dass man den Mitarbeitern auch bei ihren privaten Problemen hilft“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11 ), ein Umstand, den die Erzählung eines deutschen Geschäftsführers (siehe Abbildung) beispielhaft belegt. Als Kehrseite der verstärkten Autorität und Befehlsgewalt des hierarchisch Übergeordneten beobachten die deutschen Manager auf thailändischer Seite häufig ein aggressives Ausnutzen von Macht dem Untergebenen gegenüber, welches sie einerseits implizit metaphorisch mit Ausdrücken wie „den großen Macker spielen“ oder „den kleinen König markieren“ zum Ausdruck bringen, andererseits aber auch explizit schildern: „Wenn man sich den Stil der Thais hier anschaut, habe ich festgestellt, dass, wenn sie die Macht haben, weil sie einen gewissen Status besitzen, dann verhalten sie sich bei Problemen oft sehr viel aggressiver. Sie nutzen ihre Position stärker aus.“ (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12) „Da [in thailändischen Firmen] ist die Atmosphäre nicht so locker wie bei uns. Das habe ich also zigfach gesehen. Da werden die Thais wirklich von ihren Chefs schikaniert und unterdrückt, ich will nicht sagen körperlich misshandelt, aber geistig misshandelt.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Insgesamt betonen die deutschen Manager bei der Beschreibung thailändischer Hierarchie die besondere Wichtigkeit äußerer Hierarchiedemonstration, die sich zum einen in einer ausgeprägten Machtdistanz mit vielfältigen Regeln der korrekten Respektsbezeugung, wie beispielsweise der Sitzordnung oder der Einnahme von Redezeit äußert: „Der [thailändische] Gesprächsführer, in einem Meeting zum Beispiel, der sitzt in der Mitte. Das muss so sein. Das muss man drauf achten. Das machen die aber auch von sich aus schon, die rücken dann alle zur Seite. Das zeigt schon die äußere Hierarchie.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Also in solchen Meetings ist das [die Hierarchie] ganz klar. Da sagen die anderen [Untergebenen] auch nicht viel. Die werden zwar mitgenommen, aber mehr zur Dekoration des Bosses, als Kofferträger... Das ist immer ganz klar, der Anführer ist der, der redet. Von sich aus sagen die anderen nichts.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Die allgemeinen, alltäglichen Respektsbezeugungen gipfeln aus deutscher Sicht in den ausdifferenzierten Regeln zur protokollarisch fehlerfreien Ehrung des Königshauses, die im Arbeitsalltag konkrete Formen annehmen kann, da beispielsweise erwartet wird, dass jede Unternehmensniederlassung mit Portraits des thailändischen Königspaares ausgestattet ist, die nach bestimmten Vorgaben angebracht werden sollten: „Bei den Portraits vom Königspaar draußen im Eingang habe ich das auch falsch gemacht. Das wurde gleich registriert. Eigentlich muss der König auf die andere Seite, aber dann hätte das so ausgesehen wie ein Ehepaar in Scheidung. Weil sie voneinander wegschauen würden. Deshalb habe ich sie nach deutschem Muster so aufgehängt, dass König und Königin sich angucken. Hängt aber eigentlich völlig falsch.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Neben der beschriebenen Hierarchiedemonstration mit ihren vielfältigen Äußerungen der Respektsbezeugung äußert sich das thailändische Hierarchieverständnis im umgekehrten Fall aus deutscher Sicht in einem ausgeprägten Präsentationsverhalten, das den eigenen Status betont und hervorhebt:

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„Eine Thai-Firma hat drei Bilanzen: Und eine davon ist nur für das eigene Ego, um den Freunden und anderen Familien zu zeigen, wie erfolgreich man ist.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Als ich her kam, habe ich den Vorschlag von [Geschäftsführer der Muttergesellschaft] gut gefunden, dass wir die ganzen Titel abschaffen: Vice President, Senior Vice President, Junior Vice President, Assistent Vice President. Stattdessen haben wir nur noch den Managing Director und Division Manager. Das war eine Katastrophe für die Thais. Und ich bin überzeugt davon, wenn ich nicht gerade dabei bin, und die haben Treffen mit ausländischen Kunden oder Verwandten oder ich weiß nicht was, dann zeigen die immer noch ihre alten Visitenkarten. [lacht] Titel sind ganz wichtig für die Thais.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

4.1.1.2.2 Thailändische Perspektive In der Gesamtsicht erhält die deutsche Perspektive des thailändischen Hierarchieverständnisses innerhalb von Unternehmensstrukturen eine Bestätigung durch die Äußerungen der thailändischen Mitarbeiter. So nimmt Hierarchie sowie ihre Anerkennung auch aus thailändischer Sicht einen bestimmenden Stellenwert im Rahmen des Mitarbeiterverhaltens in thailändischen Unternehmen ein. „Thai companies are very hierarchical. It’s changing, but this is still there!“ (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12)

Im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen, die zwischen verschiedenen Kriterien für die Bestimmung von hierarchischer Über- und Unterordnung unterscheiden und die daraus abgeleitete Einordnung des Einzelnen als komplexes Wechselspiel verschiedener sich überlagernder Faktoren schildern, fassen die thailändischen Mitarbeiter jedoch die Grundlagen für hierarchische Einstufungen hauptsächlich unter dem Sammelbegriff der Seniorität („Seniority“) zusammen. Die häufige Verwendung dieses Begriffs schließt dabei verschiedene Hierarchiekriterien ein, die jedoch so verinnerlicht erscheinen, dass sie nicht explizit differenziert werden. Als einziger SubFaktor von Seniorität lässt sich in diesem Sinne das Alter der Beteiligten identifizieren, das häufig als ausschlaggebend für die Einordnung genannt wird. „Was zählt, ist die Seniorität.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) „In the meeting you always say: Ok. No problem. Yes. […] Because I am talking to the boss. And the boss is older than me.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „If you were older than me, I could not talk straightforward to you. If I did that I would be condemned by the people. They would say: You are so aggressive. […] Especially if you ask a lot of questions, it is interpreted as challenging to the person you are asking. Especially, for people that are more senior than you.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Insgesamt stellt sich die hierarchische Einordnung dabei aus thailändischer Sicht als weitgehend unbewusster kognitiver Prozess dar, der im Gegensatz zur deutschen Komplexitätsdiagnose als so transparent und eindeutig erfahren wird, dass er kaum verbalisiert werden kann. Die schon von deutscher Seite beschriebene Anerkennung von Alter bzw. Seniorität innerhalb des Unternehmens als Status wird von thailändischer Seite bestätigt: “Usually in Thailand, someone could work in a company, work and work and work, for many years, and then get eventually promoted, because of his age and seniority.” (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12)

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Die von den deutschen Managern betonte absolute Akzeptanz der hierarchischen Strukturen wird ebenfalls von thailändischer Seite unterstrichen, erhält jedoch im Gegensatz zur deutschen Interpretation eine aktivere Komponente: Während das thailändische Hierarchieverhalten aus deutscher Sicht primär durch passives Ertragen und Sichfügen in Strukturen der Unterordnung geprägt erscheint, stellen die thailändischen Mitarbeiter bei der Erklärung des eigenen Verhaltens besonders den Aspekt des aufmerksamen „Respekthabens“, des „Respektierens“ oder „Respektzeigens“ in den Vordergrund, der oft im Sinne eines aktiven Gegensatzes zu passiver Nachlässigkeit ausgedrückt wird: „Because in Thailand, we respect the older people.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „[And why do you not express your own opinion in front of the boss? What if the boss says: It’s ok if you tell me.] Then we will still not tell him. [Why?] Because he is the boss. We respect the boss. I know that is hard to understand. But this is how we think.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

Die von deutscher Seite identifizierte ausgeweitete Verantwortungsübernahme durch den hierarchisch Übergeordneten erhält von thailändischer Seite ebenfalls eine Bestätigung. Der schon beschriebene Aspekt der Machtausnutzung wird dabei von den thailändischen Mitarbeitern besonders in seiner Ausprägung als Rücksichtslosigkeit des Übergeordneten und Gehorsam des Untergeordneten betont. Als mögliche Folgen für Mitarbeiter, die bewusst oder unbewusst hierarchische Regeln verletzen, werden diverse Repressalien von Gehaltseinschränkungen bis hin zur Entlassung geschildert: „In thailändischen Unternehmen entscheidet immer der Chef. [...] Also, zum Beispiel, wenn der Boss etwas sagt, dann muss man immer zuhören. Keine Kritik üben.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) „Because if you do it [performance evaluations] the Thai way, you will know right away how much salary you will get, because we show it when we don't like somebody. That is the Thai way. They will not explain it, you just have to swallow it. And it is clear anyway, because you know how many arguments you had with somebody, how often they were not happy with you.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12) „If in a Thai organization you try to challenge your bonus or the company, I will try to find a way to kick you out.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12) „In einer thailändischen Bank könnte ich nie so offen mit meinem Chef sprechen. Wenn man da in einem Meeting das Falsche sagt, steht man gleich auf der Black List.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

Auch die geringere Erwartung an die Übernahme von Verantwortung durch den untergeordneten Mitarbeiter wird von thailändischer Seite bemerkt und oft zwiespältig als größere Bequemlichkeit einerseits und persönliche Einschränkung andererseits ausgedrückt. „I thought he [the German boss] would tell me what to do with those charts, that he had given me. But he said, no that is your job. I will not tell you what to do.“ (Herr E, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 1) „Die Mitarbeiter [in Thai-Firmen] müssen dort nicht so häufig ihre Meinung äußern. […] Ich könnte da nicht arbeiten.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

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Die von deutscher Seite aus beschriebene externe Manifestation von Hierarchie in Form ausgeprägter Statussymbolik wird von den thailändischen Mitarbeitern nicht als Besonderheit bewertet. Schilderungen äußerer Hierarchiedemonstration werden demgegenüber eher aus der Perspektive des Untergebenen geäußert, der durch seine Respektsbezeugung sichtbare und erfahrbare Distanz („gap“) erzeugt. „In Thai society we will always respect the boss. Like we respect our grandfather. I will never say No to my grandfather. But because of that respect, there is always a distance. No matter how hard you try. Of course you can reduce this gap. But you will never overcome it.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7) „Still, for a Thai the boss is always the company. There is a huge gap between the subordinate employee and the boss.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

4.1.1.2.3 Übersicht: Thailändisches Hierarchieverständnis

Hierarchieverständnis

Thailändischer Wirtschaftsstil

Deutsche Perspektive • Ausgeprägte Hierarchie • Kriterien: – Alter, Status/Rang – Nationalität (Expat-Überlegenheit) – Größe, Geschlecht • Äußerungsform: Allgemeine Anerkennung der Hierarchie – Untergeordneter: eingeschränkte Verantwortung und Gehorsam – Übergeordneter: ausgeweitete Verantwortung und Ausnutzen von Macht – Äußere Hierarchiedemonstration

Thailändische Perspektive • Ausgeprägte Hierarchie • Kriterien: – Alter, Status/Seniorität

• Äußerungsform: Allgemeine Anerkennung der Hierarchie – Untergeordneter: eingeschränkte Verantwortung und Gehorsam – Übergeordneter: ausgeweitete Verantwortung und Rücksichtslosigkeit der Machtanwendung – Äußere Hierarchiedemonstration

Abb. 22: Hierarchieverständnis als Teil des thailändischen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive

4.1.1.3. Thailändisches Konfliktverhalten Insgesamt deutet die Fülle und Vielfalt der Aussagen aus deutscher wie auch aus thailändischer Perspektive zum Konfliktverhalten darauf hin, dass hier ein für die interkulturelle Zusammenarbeit besonders entscheidender Aspekt berührt wird. Während die Bereiche des thailändischen Beziehungsaufbaus sowie des Hierarchieverständnisses aus deutscher und thailändischer Perspektive zwar in Einzelheiten abweichen, in ihrer Gesamtdiagnose jedoch weitgehend übereinstimmen, weist die Analyse thailändischen Konfliktverhaltens aus deutscher und thailändischer Sicht bedeutende Unterschiede in der Interpretation auf, die in der Folge für schwerwiegende Missverständnisse verantwortlich sein können (siehe Kapitel 4.2.1.2.).

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4.1.1.3.1 Deutsche Perspektive Aus deutscher Sicht kommt dem Umgang mit Konflikten im thailändischen Arbeitsalltag entscheidende Bedeutung zu, weil jeder Konflikt und damit verbundene Meinungsverschiedenheiten oder Schuldzuweisungen für thailändische Mitarbeiter potentiell die Gefahr des Gesichtsverlustes bedeuten. Die deutschen Manager erklären diese kulturelle Eigenheit primär mit einer strengen Erziehung zur Rücksichtnahme dem Übergeordneten gegenüber: „Es wird den Thai-Kindern von Anfang an beigebracht, dass man auf andere, besonders auf höhergestellte Personen Rücksicht nehmen muss. Das heißt man darf nicht kritisieren. Sonst verliert der andere sein Gesicht.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Der Verlust des Gesichts eines thailändischen Interaktionspartners wird dabei von den deutschen Managern als nichtentschuldbares Ereignis wahrgenommen, das die Kommunikationsbeziehung dauerhaft zerstört und im Allgemeinen nicht rückgängig gemacht werden kann: „Ich habe persönlich auch festegestellt, da wo ich einfach dann doch mal... wie man so schön auf deutsch sagt, dann doch mal ausgerastet bin, dass ich darunter jahrelang dann noch zu leiden gehabt habe. [Jahrelang?] Yes. Das ist ja dieser Gesichtsverlust. Das können sie dem [Thai] nicht wiedergeben, das Gesicht. Und da muss man also sehr vorsichtig sein. Und wenn man das einmal falsch gemacht hat, ist es sehr, sehr schwer. Ich glaube, das kriegen Sie im Grunde nie wieder weg.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Als besonders gefährlich für das Risiko eines Gesichtsverlust stellt sich dabei aus deutscher Sicht die Gruppensituation, z.B. im Rahmen eines Business-Meetings, dar, die dadurch starke Verhaltenseinschränkungen erfährt: „Ein Thai gibt nicht gerne zu, dass er einen Fehler gemacht hat. Oder vielleicht etwas Dummes gesagt hat, schon gar nicht vor einer größeren Gruppe von Leuten.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Wenn man erst in einem Meeting damit [mit einer neuen Idee] kommt, mag sich keiner aus dem Fenster lehnen. Wenn er einmal etwas gesagt hat, kann er nicht mehr weg davon. Wenn er dann die ‚falsche’ Meinung eingenommen hat, kriegt er Probleme.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Ich sollte ihr [meiner Chefin] dann ja helfen, die Prozesse in diesem Bereich aufzunehmen, um überhaupt erst einmal herauszufinden, wir die da überhaupt arbeiten. Das war auch nicht einfach. Ich glaube, die Thais haben gedacht, wir wollten sie überprüfen. Die wollen dann am liebsten gar nichts sagen, oder sie sagen dann irgendwas, weil sie glauben, wenn etwas nicht richtig läuft und es kommt raus, dass sie dann ihr Gesicht verlieren.“ (Herr Y, deutscher Praktikant, Firma 10)

Insgesamt zeigen die von deutscher Seite geschilderten Beispiele für thailändischen Gesichtsverlust, dass der zugrunde liegende Mechanismus den deutschen Mitarbeitern verständlich erscheint, da sie ihn mit im Kern ähnlichen deutschen Verhaltensbildern in Beziehung setzen („sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen“, „dumm dastehen“). In seiner Ausprägung wird er zwar weitgehend als unverhältnismäßige Überreaktion verstanden, seine potentielle Folgen werden allerdings in ihrer existenziellen Bedrohung thailändischer Integrität als real erfahren und anerkannt.

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„Ich hatte ein Gespräch mit einem Thai anlässlich der Veränderung unseres Arbeitsgebiets... unser Projekt hatte auf einmal nicht mehr eine strategische Ausrichtung, wie ursprünglich geplant, sondern eher eine operative Planungsaufgabe. Wir hatten diesen [thailändischen] Mitarbeiter eingestellt, der damals unter der Prämisse kam, er sollte strategisch arbeiten, und er wollte keine [operative] Projektarbeit machen. Ich war nicht sein Vorgesetzter, sondern eigentlich eher ein Kollege und wollte ihm das von Kollege zu Kollege erklären. Ich habe zu ihm gesagt: ‚Die Strategie an dem Projekt kann man vergessen, das ist over! Das ist vorbei!’ Da war er also ... völlig fertig. Da ist er fast in Tränen ausgebrochen! Dann sagte er: 'Ja, dann kann ich hier ja nicht mehr arbeiten.' Ich sagte: 'Nein, so müssen Sie das nicht sehen.' 'Aber Sie haben doch gesagt, es ist over! Wenn Sie sagen, Sie können mich hier nicht mehr gebrauchen...' Und da hat er dann das Zimmer verlassen. Ist einfach gegangen.“ (Deutscher Projektleiter)

Abb. 23: Beispiel für thailändisches Konfliktverhalten aus deutscher Perspektive

Aus der Gefahr des Gesichtsverlustes resultiert demnach aus deutscher Sicht eine besondere Angst vor Konflikten auf Seiten der thailändischen Mitarbeiter, die sich in Form ausgeprägten Defensiv-Verhaltens äußert: „Wenn man die Thais konfrontiert, dann fühlen sie sich sehr in die Ecke gedrängt.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „Ich glaube, ich habe sie auch ganz schön eingeschüchtert. [...] Aber sie hatten wahrscheinlich auch Angst vor mir. Man kann sich gar nicht richtig vorstellen, wie man auf andere dort wirkt.“ (Herr Y, deutscher Praktikant, Firma 10)

Diese Angst ist aus deutscher Sicht zusätzlich mit einer gesteigerten Sensitivität für mögliche Konfliktpotentiale sowie einer erhöhten Emotionalität und Empfindlichkeit verbunden, die sich dabei häufig in der Verwendung sprachlicher Bilder niederschlägt. So wird einerseits wie z.B. in der Metapher „feine Antennen“ in neutraler Form die gesteigerte Aufnahmefähigkeit der thailändischen Mitarbeiter beschrieben: „Das registrieren die [Thais] also alles mit ganz feiner Antenne. Die beobachten uns in einem Maße, wie wir uns das gar nicht richtig vorstellen können. Aber das ist so. Wir stehen also unter ständiger Beobachtung.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Andererseits deuten Bilder wie der Vergleich „kleine Mimöschen“ mit ihrer doppelten Verkleinerung im Sinne einer Verniedlichung stärker auf eine Interpretation der Überempfindlichkeit gegenüber Nichtigkeiten hin: „Ganz wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Thais doch die schwierigsten Asiaten sind, weil sie sehr mimosenhaft veranlagt sind. [...] Die Thais sind eher kleine Mimöschen von ihrem Naturell her. Sie sind sehr empfindlich. Sie sind andererseits aber auch sehr rezeptiv.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Aufgrund des diagnostizierten Risikos des Gesichtsverlusts sowie seiner gefährlichen Folgen steht daher aus deutscher Sicht als Ziel thailändischer Interaktion im Unternehmen die grundsätzliche Vermeidung von Konflikten im Vordergrund. Diese thailändische Verhaltensweise wird von den deutschen Mitarbeitern zum Verständnis und zur Bewältigung des thailändischen Arbeitsalltags als essentiell angesehen. Thailändische Konfliktvermeidung stellt sich dabei in deutscher Interpretation grundsätzlich als Defizit im Sinne mangelhafter KonfliktmanagementFähigkeiten dar, wird jedoch auch in Einzelfällen im deutschen Vergleich konstruktiv als Harmoniestreben bewertet: „Innerhalb unseres Standard-Trainingsprogramms ist auch Konfliktmanagement enthalten, und das ist etwas, was den Thais nicht so richtig liegt.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

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„Hier ist das etwas harmonischer und weniger konfliktträchtig [als in Deutschland], weil die Jungs ... und Mädels hier diese Konflikte auch gar nicht so suchen.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Die deutschen Mitarbeiter identifizieren verschiedene Kommunikationsstrategien, die von den thailändischen Kollegen zur Vermeidung von Konflikten eingesetzt werden. Diese Kommunikationsstrategien lassen sich dabei zu folgenden drei Gruppen zusammenfassen: ‚Verbale Uneindeutigkeit ‚Meinungsunabhängige Zustimmung ‚Vermeidung von Kritik und schlechten Nachrichten. Die Kommunikationsstrategie verbaler Uneindeutigkeit äußert sich aus deutscher Sicht zum einen besonders in indirekter Argumentation, die nicht das von den Deutschen als zu behandelndes Problem Identifizierte direkt fokussiert, sondern sich mittels „Seitwärtsbewegungen“ und Umkreisungen dem Problem nähert, wobei sich mögliche Lösungen quasi auf der „Wegstrecke“ ergeben müssen, da sie nicht proaktiv gesucht werden: „In Thailand bei Projektdiskussionen versuchen wir natürlich von A nach B in einer Gerade zu laufen und ich sage häufig, ... dieses typisch thailändische Projekt, das hat sich wieder so entwickelt, dass wir zwar sehr viel Wegstrecke zurückgelegt haben, aber letztendlich sind wir wieder bei Null gelandet. Wir haben uns also immer bewegt und es war immer Aktionismus, produktive Aktivität, weil wir viele Seitwärtsbewegungen hatten, [...] da werden dann immer eher neue Probleme aus dem Umfeld kreiert, als dass man Lösungen darreicht, um direkt zum [Projektziel] zu kommen. Das läuft dann immer über Seitwärtsdiskussionen. [...] Ein Thailänder geht grundsätzlich nicht auf diesen Punkt los, sondern zur Seite und um diesen Punkt herum.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Zum anderen zeigt sich der Aspekt der Uneindeutigkeit in der Vermeidung von ExtremPositionen, die aus deutscher Sicht häufig mit binären Bildern („kein Schwarz oder Weiß“, „kein Null oder Eins“) belegt werden, um das thailändische „Dazwischen“ zu verdeutlichen: „Es gibt kein Schwarz-oder-Weiß-Denken. Sondern man versucht immer in-between etwas zu machen. Auch bei unpopulären Entscheidungen nach Möglichkeit nicht zu konkret zu sein, in der Ansprache, im Tagesgeschäft, das zieht sich durch alle Ebenen, ... man entscheidet sich nicht gerne für ein klares Ja oder Nein, speziell, wenn andere Personen mit betroffen sind.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Die thailändische Uneindeutigkeit birgt dabei für die deutschen Mitarbeiter mit ihrer Vermeidung konkreter Zusagen oder Absprachen ein hohes Frustrationspotential und ruft Gefühle hervor, die von Reizung bis zu starker Irritation reichen: „Sich festlegen auf irgendwas, das werden Sie von einem Thailänder nie hören. [...] Wenn Sie einen thailändischen Abteilungsleiter bitten, eine Abteilung zu bewerten, dann werden 95% mit gut bewertet. Der tut sich sehr schwer damit, jemanden sehr hochzuloben aber auch jemanden so zu bewerten, dass der dann sehr viel schlechter dasteht. Das ist sehr schwierig. Weil er einfach Nachfragen dann scheut. Wenn jetzt jemand exorbitant gut beurteilt wird, dann würde ich natürlich fragen, ja, was hat der denn so gemacht. Dann ist er schon wieder in dieser Ecke und müsste sich zu irgendwas committen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „[Die Thais sagen immer] ‚Up to you’. Da hat man sich was überlegt, stellt das den Thais vor, fragt, wie findet ihr das, wollen wir das machen? ‚Up to you’! [lacht gequält].“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Aber ich kam [...] aus einem rein chinesischen Environment, wo die Leute teilweise noch nicht mit der Kulturrevolution abgeschlossen hatten. [...] In China ist das generell eher schwarz, weiß, ja oder nein. Wenn eine

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Entscheidung einmal kommuniziert worden ist, da hält sich jeder dran. Und dann hierher zu kommen! Ich habe mich manchmal gefragt: Hat man mich jetzt nicht verstanden? Oder will man mich nicht verstehen?“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Das Phänomen der Uneindeutigkeit setzt sich aus deutscher Sicht fort in einem Verhalten grundsätzlicher Zustimmung zu Vorschlägen des Übergeordneten unabhängig von der eigenen Meinung, das von den deutschen Mitarbeitern besonders mit dem Begriff des Ja-Sagens belegt wird. Dieses Ja-Sagen äußert sich besonders in Gruppensituationen, bei denen der Wahrung des eigenen Gesichts sowie des Gesichts des Interaktionspartners eine besondere Wichtigkeit zukommt. Die vermeintliche Zustimmung, die durch das allgemeine Ja zum Ausdruck gebracht wird, wird von den Deutschen zwar als vordergründig erkannt, erntet jedoch gerade wegen seiner Vordergründigkeit Unverständnis: „Wenn ein Thai am Anfang Ja sagt, muss man erstmal herausfinden, ob er das überhaupt verstanden hat und zweitens, ob er das auch so meint.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Was ich oft festgestellt habe, ist, wenn man einen Sachverhalt erläutert hat und sagt, so könnte man es machen, stimmen erstmal alle [thailändischen Mitarbeiter] zu, meinen aber eigentlich das Gegenteil, aber sagen es nicht. Und das merkt man erst später, dass sie eigentlich etwas anderes wollten, manchmal genau das Gegenteil. Im ersten Moment sagen sie aber ja.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Als eine weitere Kommunikationsstrategie zur Vermeidung von Konflikten wird von den deutschen Mitarbeitern die grundsätzliche Vermeidung von Kritik und schlechten Nachrichten identifiziert. „Aber Feedback zu geben an jemanden, der eine Hierarchieebene über einem steht, bedeutet im Grunde genommen, ihn indirekt zu kritisieren. Und das wird vermieden.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) „Die Thai-Seele hat ja grundsätzlich Probleme damit, schlechte Nachrichten zu überbringen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Das Überbringen von schlechten Nachrichten wird dabei aus deutscher Sicht im Sinne einer für die Unternehmensleitung notwendigen Vor-Information zur Vermeidung größerer Schäden für das Unternehmen verstanden. Nicht-Information durch die thailändischen Mitarbeiter, die auf diese Weise ihr Gesicht oder, im Sinne der Vermeidung von indirekter Kritik, auch das ihres Vorgesetzten schützen möchten, wird daher von deutscher Seite zwar kausal nachvollzogen, aber dennoch als gefährliche Unterlassung gewertet: „Das ist überhaupt ein großes Problem bei den Thai-Firmen hier. Das mittlere Management traut sich nicht, dem Boss sogenannte schlechte Nachrichten zu übermitteln. Das wird alles unter den Tisch gekehrt.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Und man kann ihnen hundertmal erzählen, dass man nur die Ursache herausfinden möchte, um zu verhindern, dass der gleiche Fehler in Zukunft noch einmal passiert. Und das ist wahnsinnig schwer. Diese offene Diskussion, einmal unter Gleichgestellten, aber auch, wenn andere dabei sind. Eine kritische Diskussion im Team ist nicht möglich.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Neben den beschriebenen Kommunikationsstrategien werden aus deutscher Sicht von den thailändischen Mitarbeitern zur Vermeidung von Konflikten darüber hinaus verschiedene Verhaltensstrategien angewandt, die sich insgesamt zu folgenden vier Kategorien zusammenfassen lassen:

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‚Ruhenlassen des Konflikts ‚Verdecktes Lösen ‚Verdrängen des Konflikts ‚Flucht. Unter dem Aspekt des Ruhenlassens werden Verhaltensweisen zusammengefasst, die von einer direkten Konfliktlösung absehen und das entsprechende Problem zunächst einmal unbearbeitet belassen. Von den deutschen Managern werden zur Beschreibung dieses Verhaltens besonders Begriffe verwendet, die den unentschiedenen Zustand des Konflikts illustrieren, wie z.B. „auf sich beruhen lassen“, „in der Schwebe lassen“: „Wenn ich so ein paar Konfliktfälle betrachte, die wir da hatten, denke ich manchmal, dass die Thais in einem Meeting oftmals Konflikte gar nicht lösen können. Man geht lieber erstmal auseinander und lässt es auf sich beruhen. Man sagt aber nicht konkret: ‚Wir überlegen uns das nochmal’, sondern lässt es eher in der Schwebe.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Als verdecktes Lösen von Konflikten wird von deutscher Seite die Verlagerung des Konflikts aus dem öffentlichen Rahmen in einen inoffiziellen Rahmen verstanden. Diese Verlagerung kann im Einzelfall bedeuten, dass bestehende Gruppensituationen (z.B. Meetings) verlassen werden, ohne das Problem zu lösen, um dann in darauf folgenden Einzelgesprächen oder nicht offiziellen Gruppenverhandlungen Einigkeit aus deutscher Sicht quasi „im Verborgenen“ zu erzielen. Zur Vermeidung von Öffentlichkeit wird daneben die Einschaltung von weiteren, neutralen Vertrauenspersonen beobachtet, die indirekt im Namen des Betroffenen, im Sinne eines Mittelsmanns, auf den Konflikt hinweisen und auf diese Weise nach Lösungen suchen. „Hier lösen die Leute ihre Konflikte nicht in der Öffentlichkeit, Konfliktmanagement ist hier viel privater.“ (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12) „Und wenn es Störungen gibt, versuchen sie [die Thais] diese Störungen erstmal selbst zu beseitigen. Wenn das nicht möglich ist, schalten sie Mittelsmänner ein, Freunde, Bekannte, versuchen da eine Lösung zu finden.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Als weitere Methode der Konfliktvermeidung wird von deutscher Seite der psychologische Abwehrmechanismus des Verdrängens beobachtet, unter dem im Allgemeinen das Unbewusstmachen, bzw. Unbewussthalten eines angstauslösenden Sachverhalts verstanden wird. Dabei werden von den deutschen Managern häufig Katastrophen-Metaphern verwendet (z.B. „Brand“, „Explosion“), die das ungelöste, im bildlichen Sinn also „schwelende“ Problem illustrieren und auf diese Weise ihrer Bewertung dieser Eigenheit thailändischen Verhaltens als unadäquat und gefährlich Ausdruck verleihen: „Wenn etwas von oben kommt, wird das normalerweise gemacht, oder aber es wird nicht gemacht, aber dann wird nicht drüber geredet und irgendwann gerät das dann in Brand. Also, wenn der Vorgesetzte dann nicht nachfragt, wird das einfach nicht gemacht. Hat dann aber auch zunächst einmal zu keiner Friktion geführt.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Thais neigen dazu, entweder vor dem Problem wegzulaufen oder es auszusitzen. Und dann kommt es irgendwann wieder hervor und man kann nichts mehr machen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

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„Ich sage immer: Es kann ein Thai auf einem Stuhl sitzen, der qualmt oder brennt. Und der guckt nur runter und setzt sich hin und trinkt seinen Kaffee weiter.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Eine aus deutscher Sicht besonders ungewöhnliche Verhaltensstrategie zur Konfliktvermeidung stellt die Flucht dar. Unter Fluchtverhalten lassen sich dabei verschiedene Handlungsweisen zusammenfassen, die ein Ausweichen vor dem Problem durch Entzug der eigenen Person enthalten. Dies kann im Einzelfall von offizieller Kündigung bis hin zu abruptem Kommunikationsabbruch durch spurloses Verschwinden reichen: „In der Firma, naja, ein Thai würde dann [bei Konflikten] versuchen wegzugehen. Eine andere Firma zu finden.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „Die Kündigung lag schon auf dem Tisch. Ich war schon eine ganze Zeit schwer hinter dem [thailändischer Personalchef] her gewesen. Weil ich vermutete, dass er Geld unterschlug. Ich hatte auch eine ganze Menge Beweise gesammelt, natürlich sehr vorsichtig. Aber er hatte wohl irgendwie davon Wind bekommen. Jedenfalls ahnte er es, und kam in dem Gespräch nun also meiner Kündigung zuvor. Er sagte, er würde gerne die Firma verlassen, aus gesundheitlichen Gründen. Allerdings verlangte er noch eine Abfindung.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Wir hatte schon öfter Fälle, wo Mitarbeiter einfach gegangen sind, weil ein Problem für sie zu groß geworden war. Sie sind dann einfach nicht mehr da. Zum Beispiel ein Fall, da hatte der Mitarbeiter [...] große finanzielle Probleme.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

In der Gesamtsicht der Verhaltensweisen zur Konfliktvermeidung wird von den deutschen Mitarbeitern eine Variation, bzw. Eskalation der möglichen Verhaltensstrategien in Abhängigkeit von der entsprechenden Schwere des Konflikts beobachtet. So beschreiben sie beispielsweise als typische Verhaltensabfolge im Konfliktfall zunächst den Versuch des Ruhenlassens, der zumeist im Hintergrund begleitet wird von nicht-öffentlichen Lösungsstrategien, bei denen häufig Mittelsmänner zur indirekten Verhandlung eingesetzt werden. „Ehemalige deutsche Kollegen von mir sind hier in Thailand bei mir vorbeigekommen, die wollten wissen, ob wir für die in Thailand den Vertrieb und Kundendienst ihrer Produkte übernehmen könnten. Ich konnte da nicht gleich zusagen [...] Was ich aber nicht wusste, ist, dass die nach unserem Gespräch einen Brief an die Thai-Firma geschrieben haben, die bis dahin ihren Vertrieb gemacht hatte, mit der Ankündigung ihrer Kündigung. Und in diesem Brief haben sie auch unsere Firma erwähnt. Für die Thai-Firma war das ein sehr wichtiges Produkt gewesen, das einen Grossteil des Umsatzes ausgemacht hat. Irgendwann kam dann nochmal ein Anruf von den Deutschen. Das ganze hatte sich wieder zerschlagen. [...] [An einem Wochenende] kriege ich einen Anruf von meinem Pförtner hier, der war völlig aus dem Häuschen. Da war also jemand auf das Werksgelände eingedrungen und hatte drei Handgranaten geworfen. [...] Als ich dann kam, waren auf dem Gelände schon mindestens hundert Polizisten. [...] Und die suchten hier auf dem Gelände herum [...]. Dann gab es endlose Verhöre. [...] Die Polizei hat gesagt, sie haben keine Bedenken, was meine persönliche Sicherheit angeht. Das sei jetzt als Warnung zu verstehen gewesen. Wenn ich jetzt nicht reagieren würde, worum es auch immer geht, dann würde wahrscheinlich wieder etwas passieren, als zweite, sehr dringende Warnung und wenn dann das Problem immer noch nicht aus der Welt geschafft wäre, dann erst wäre ich persönlich in Gefahr, dann würde vielleicht mein Auto explodieren. Oder man würde mich beschießen. [...] Nach vier Wochen, alles hatte sich eigentlich wieder beruhigt, fliegt wieder eine Handgranate. [...] Polizei kommt wieder. [...] Ich hatte aber auch in der Zwischenzeit immer lauthals verkündet, dass ich mit dieser deutschen Firma keine Geschäfte mache. Damit das [...] zu der Thaifirma weitergetragen wird. In der Zwischenzeit hatte ein Board- Kollege von mir sein Kommen angekündigt, und der wollte mit dieser Thaifirma wegen einer anderen Sache Gespräche führen. [...] Dann saßen wir dort dem Geschäftsführer und seinem Partner gegenüber. Und der sagte dann auch gleich zu mir: Ich hörte, bei Ihnen ist was passiert! [lacht] Ja, sage ich, da haben sie richtig gehört. Ist denn da jemand verletzt worden? Nö, sage ich. Nur mein Schulungsraum hat zwei Löcher bekommen. Ein Schaden von 20.000 DM, ich habe das wieder repariert. Ja, sagt er, das passiert hier schon mal in Thailand. [...] Ich gucke ihn an, der grinste so diabolisch, also... Und mein Kollege, als wir hinterher rausgingen, sagte dann zu mir: ’Ja, Sie haben recht gehabt, die waren das’. Das ist die andere Seite von Thailand. (Deutscher Geschäftsführer) Konflikte, die nicht gelöst werden können, werden letztendlich mit der Waffe gelöst.“

Abb. 24: Beispiel für thailändische Aggressivität aus deutscher Perspektive

Falls auf diesem Weg keine Lösung erzielt werden kann, setzt aus deutscher Sicht häufig ein Verdrängungsmechanismus ein, bei dem das Problem so lange ignoriert wird, bis es sich ent-

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weder von alleine gelöst hat oder nicht mehr übersehen werden kann. Kommt es dann zum öffentlichen Ausbruch des Konflikts bleibt den thailändischen Mitarbeitern nach deutscher Diagnose nur die Flucht als Ausweg. Allerdings berichten sie ebenfalls von Ausbrüchen überraschender Aggressivität von thailändischer Seite, die als letzter Ausweg zur Wahrung des Gesichts und zur Genugtuung durch persönliche Rache interpretiert wird. Als auslösender Faktor dieser Aggressivität wird aus deutscher Sicht bildlich das „Überschreiten“ einer bestimmten Toleranz-„Schwelle“ gesehen, bei deren Erreichen die beobachtete Konfliktvermeidung in teilweise ungesetzliche und brutale Offensive bis hin zu Mord umschlägt, wie die folgenden Aussagen deutscher Manager drastisch illustrieren: „Aber mit dem Wechsel unseres Standortes haben wir natürlich auch internationale Standards beim Factory Management eingeführt. [...] Und da gibt es jetzt noch so eine kleine Gruppe, die lebten also in einer Traumwelt, oder ... einer Comfort-Zone. Und die haben wir jetzt aus der Comfort-Zone so ein bisschen rausgerissen. Und da gibt es momentan dann einige Querelen. Die schreiben dann schon mal anonyme Briefe, versuchen ihre Mitkollegen aufzuheizen.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12) „Und wenn man einfach einen Schritt zu weit geht, können sie aggressiv werden, auch wenn sie relativ freundlich und lieb erscheinen, aber ab einer gewissen Hemmschwelle ist dann schon eine sehr große Aggressivität da.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Und wenn sie dann keinen Ausweg sehen, dann reagieren sie... ja, naja, im Extremfall reagieren sie so, dass sie einen umlegen...“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „Also man kann hier seinen eigenen Meuchelmörder treffen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Insgesamt birgt die Auseinandersetzung mit thailändischem Konfliktverhalten für deutsche Mitarbeiter das generelle Problem des Umgehens mit Indirektheit und Uneindeutigkeit sozialer Interaktion. Um die daraus entstehende Unsicherheit zu minimieren, potentielle Probleme möglichst schon im Ansatz zu erkennen und damit das aus ihrer Sicht ungünstige Verdrängen oder aggressive Ausbrechen von Konflikten zu vermeiden, identifizieren die deutschen Mitarbeiter verschiedene indirekte Konfliktsymptome seitens der thailändischen Mitarbeiter, die ihrer Einschätzung nach drohende Friktionen ankündigen können. Hierzu gehören im Einzelnen beispielsweise bekannte Beschwichtigungsgesten wie das in Thailand allgegenwärtige Lächeln in seiner konfliktberuhigenden Form, aber auch plötzliche mimische Unzugänglichkeit auf Seiten des thailändischen Kommunikationspartners, die in ihrer Beschreibung häufig mit defensiven Metaphern, wie beispielsweise „zumachen“, „Jalousien runter lassen“, „Rolläden runter“ oder sogar „geprügelter Hund“ belegt werden. „Das was bei uns üblich ist, in einer hitzigen Diskussion auf den Tisch zu hauen, schon allein das Gesicht zu verziehen oder jemanden anzubrüllen, das ist etwas, was hier ganz tödlich ist. In dem Moment, wo man so etwas macht, geht bei den Thais die Jalousie runter, da können Sie machen, was Sie wollen. Da hat man keine Chance mehr. Das habe ich erst hier gelernt.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Ich habe niemanden angeschrien, aber die Leute wirklich scharf angesprochen. Hart angesprochen. Ich brauche die dann nur angucken, die Augen werden dann richtig..., wie ein geprügelter Hund sehen die dann aus, die Ohren, die hängen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Häufig beschreiben die deutschen Mitarbeiter auch einen körperlichen Ausdruck von Unbehagen, wie Nervositätsanzeichen und gestisches „Herumdrucksen“ von Seiten ihrer thailändischen

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Kollegen als Indikator für mögliche Konflikte, wobei sich das aus deutscher Sicht Ungewöhnliche hierbei nicht in der körperlichen Reaktion an sich manifestiert, die aus dem eigenen Kulturkreis bekannt ist, sondern in der Beobachtung von ausgeprägtem Unbehagen in Situationen, die von deutscher Seite aus kaum als bedrohlich empfunden werden, wie beispielsweise das direkte Ansprechen des Übergeordneten oder die Teilnahme an einer unternehmensinternen Umfrage: „Oh, da fing er [thailändischer Mitarbeit] schon an, auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. Und dann sagt er, khun U, ich muss ihnen da was erzählen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Ich habe jetzt mal eine Umfrage gemacht, wer von unseren Supervisors spricht eigentlich Englisch. Da wurden die erst mal wieder ganz nervös.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

4.1.1.3.2 Thailändische Perspektive Im Vergleich zur deutschen Einschätzung des thailändischen Konfliktverhaltens weist die thailändische Perspektive gravierende Unterschiede auf. Zwar wird von den thailändischen Mitarbeitern wiederholt auf eine allgemeine Indirektheit im Umgang mit Konflikten hingewiesen, die sich grundsätzlich mit der deutschen Beschreibung deckt, allerdings fällt die Interpretation dieses Verhaltens anders aus. Während aus deutscher Sicht das thailändische Konfliktverhalten durch die individuelle Angst vor dem Gesichtsverlust bestimmt ist, erfahren die thailändischen Mitarbeiter ihr eigenes Konfliktverständnis als fundamental geprägt durch das Verhaltensprinzip

kreng jai, das als Rücksichtnahme dem hierarchisch höher stehenden Gegenüber beschrieben wird. Während die deutschen Manager konfliktbezogene thailändische Verhaltensweisen häufig als passives Vermeidungsverhalten empfinden, wird kreng jai-Verhalten dagegen von den thailändischen Managern als aktive Handlung der Rücksichtnahme aufgefasst. Diese Rücksichtnahme äußert sich in zuvorkommender Aufmerksamkeit („consideration“), vorsichtiger Zurücknahme der eigenen Person („don’t step on someone’s shadow“) und Herstellung einer für den Interaktionspartner angenehmen Situation („feel comfortable“): „Kreng jai [bedeutet]: Man soll generell Rücksicht nehmen.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) „For the Thai, the family culture, the experience at school have influenced this behavior [kreng jai]. We are taught that way, to believe that way, to be considerate, to not talk that much, to not ask so many questions.“ (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1) „Being a Westerner you are raised to speak up and challenge, I think the word you could use is to challenge your surrounding world. And that can be an obstacle for a very Thai oriented company. Whether there is a person that is higher in hierarchy, or a person that has done you a favor, or a person that is just older, it is very difficult to disagree with this person. The concept of kreng jai, which is very hard to translate, it means that you don’t want to step on someone’s shadow. You don’t want anyone to feel uncomfortable.“ (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communications, Firma 12)

Das von den Deutschen als Passivität und Vermeidungshaltung im Gegensatz zu Aktivität empfundene Verhaltensmuster des kreng jai wird dabei von thailändischer Seite eher als Weichheit im Gegensatz zu Härte aufgefasst: „ [Germans are] not soft, as the Thai.“ (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1)

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„This is the Thai way, […] we will be soft.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

So stellt sich aus thailändischer Sicht als Ziel von kreng-jai-Verhalten die zwar weiche aber aktive Herstellung und Erhaltung einer harmonischen, friedlichen Atmosphäre dar: „[But why do you not say No in the meeting?] Because we don’t want to embarrass anybody in front of the group. That is kreng jai.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

Im Vergleich zur deutschen Einschätzung werden zur Herstellung dieser harmonischen Atmosphäre von den thailändischen Mitarbeitern jedoch sehr ähnliche Kommunikationsstrategien identifiziert. So findet sich auf thailändischer Seite ebenfalls der von den Deutschen beobachtete grundsätzliche Ansatz, nicht in direkter Weise das eigentliche Problem anzusprechen, sondern wirksame Umwege zu wählen: „Da muss man bei Thais vorsichtiger sein. Nicht alles reden, was man denkt.“ ( Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) „In Western culture you would probably find a direct channel to express your own opinion. That is hard for Thai people to do that. Maybe they discuss the problem among themselves, but to come up with a direct solution, that is hard.“ (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12) „The most important difference between Thais and Germans is that Germans talk very straight forward. They do not have something like a flower talk. […] When you have some kind of negotiation, for example in the sales process, then you cannot go the direct way.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5) „But, for example when I have to talk to someone in the plant, he is 20 years older than me, I make an appointment with him, I go to see him. Even though I don't have any problem, but he has the problem. But I go to talk to him, because he is older than me.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Auch das von deutscher Seite hervorgehobene Ja-Sagen unabhängig von der eigenen Meinung erhält von thailändischer Seite eine Bestätigung. Dabei wird die uneingeschränkte Zustimmung dem Übergeordneten gegenüber im Rahmen öffentlicher Situationen jedoch weder als Unehrlichkeit oder als Unterdrückung der eigenen Persönlichkeit empfunden, sondern vielmehr als notwendige Rücksicht, um eine Verletzung des Gegenübers in jedem Fall zu vermeiden: „Only after the meeting [we speak openly]. [lacht] In the meeting it’s always: Ok. No Problem. Yes. […] It’s also because of kreng jai. And because I am talking to the boss. And the boss is older than me. Because in Thailand we respect the older people.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „In a meeting, we are all very quiet. We always say: Yes, yes. Did you understand? Yes. Can you do it? Yes. [lacht] Even if we don’t understand or if we won’t do it.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7) „The way that you talk to your boss [in a Thai company] is different. I saw this, when somebody came here from a Thai company to work with us. And whenever he talked to the boss, it was only Yes Sir, Yes Sir. Always Yes, never No.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12) „One thing about the Thai culture is, that it is very considerate. The Thais don't want to hurt another person's feeling. So in a conversation, they never say No. If they say No, the thought is, that it might hurt somebody. So when somebody comes to them and asks for help, they will always say Yes. Even if they have a full load of work to do, they will still say Yes, even if they cannot do it.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Die von deutscher Seite beobachtete Vermeidung von Kritik gegenüber Vorgesetzten bestätigt sich hier indirekt, wird allerdings von thailändischer Seite im Allgemeinen nur von Mitarbeitern

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explizit verbalisiert, die selbst einige Zeit im Ausland verbracht haben und mit der Terminologie des Kritisierens als eigenständige Verhaltensweise in Berührung gekommen sind: „Zum Beispiel, wenn der Boss etwas sagt, dann muss man immer zuhören. Keine Kritik üben.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

In Bezug auf die von deutscher Seite identifizierten Verhaltensstrategien zur Konfliktvermeidung lässt sich ähnlich wie schon bei der Betrachtung allgemeiner Konfliktinterpretation feststellen, dass von den thailändischen Mitarbeiter im Grundsatz übereinstimmende Handlungsweisen angesprochen werden, die jedoch im Sinne der Herstellung von Harmonie eine aktivere Deutung erfahren. Der deutschen Beobachtung des Nichtlösens bzw. Ruhenlassens von Konflikten und der Tendenz zum Ausweichen vor Konfliktsituationen entspricht dabei aus thailändischer Sicht die Strategie des Nichterzeugens von Konflikten. Während nach deutscher Interpretation der Konfliktfall also bereits gegeben ist und verdrängt wird, wird er nach thailändischer Vorstellung durch direktes Adressieren erst hervorgerufen. Verhalten, das nach dieser Interpretation zur Nichterzeugung von Konflikten beiträgt, wird daher von thailändischer Seite als wirksame Konfliktvermeidungsstrategie erfahren. Die Komponente der Konflikterzeugung drückt sich dabei beispielsweise in Formulierungen wie „Let’s not make an issue!“ aus: „[At press conferences] they [the journalists] won’t ask. Press conferences are different here. People ask more polite questions. Let’s not make an issue […]. But PR in Germany is different. I attended three press conferences in Germany. The questions that people ask. It’s so aggressive. Here, it is more peaceful.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communications, Firma 1)

Die häufig im Sinne einer allgemeingültigen Redensart auftretende Kombination aus “better not” und einem aktiven Verb (z.B. „better not go“, „better not speak“, etc.) unterstreicht dabei den absoluten Vorrang der Konfliktvermeidung gegenüber möglichen anderen Aspekten: „Normally, when I as a Thai walk through the company and I see the boss walking towards me I will turn around and walk the other way. [lacht] This is Thai, just better not talk to him.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Neben dem Ruhenlassen von Konflikten findet auch die von den Deutschen beschriebene passive Verhaltensweise des Verdrängens von Konflikten aktivere Entsprechungen aus thailändischer Sicht. In diesem Sinne kann sich das von deutscher Seite empfundene Nicht-Beachten eines Konflikts aus thailändischer Perspektive entweder als Verschieben des Konflikts („We do it later“) oder als indirektes Suchen nach einer alternativen Lösungsmöglichkeit („we will find another way“) darstellen. „The Germans are very direct. They want us to say directly what we think, even in a meeting. But that will never happen. [...] We tell them later, or we find another way.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7) „[Zu einem verschleppten Konflikt mit dem deutschen Stammhaus]:[And what did they decide?] Well ... they did not ... have not decided .. it takes time. I think we have to find another way to … be flexible. We have to do it … on a case-by-case basis [lächelt].“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

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Ähnlich wie die deutschen Mitarbeiter weisen ihre thailändischen Kollegen ebenfalls auf die Wichtigkeit indirekter Konfliktsymptome non-verbalen Kommunikationsverhaltens des Gegenübers hin, denen aufgrund verbaler Rücksichtnahme eine wichtige Rolle zum Verständnis des Gegenüber zukommt. Als Konfliktindikatoren werden dabei Lächeln, sowie mimische Veränderungen und Stimmanpassungen genannt: „Here, if people feel unsure or insecure, they smile.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „Because when the Thai get angry, we don’t show. But you can see it from the face, from the eyes, from the voice, from the smile. So my boss here, he knows immediately when I don’t agree but I don’t say anything. He says, I know, khun Q, you are not happy, you don’t agree with me. Just from looking at me. And then we can talk. It’s just like that. We don’t open a discussion.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Die von deutscher Seite beschriebene Aggressivität als letzter Ausweg der Konfliktbeherrschung wird von thailändischer Seite nicht thematisiert.

4.1.1.3.3 Übersicht: Thailändisches Konfliktverhalten Konfliktverhalten

Thailändischer Wirtschaftsstil

Deutsche Perspektive • Konflikt = Gefahr des Gesichtsverlusts • Folge: Angst vor Konflikten, gesteigerte Sensitivität für Konfliktpotentiale, erhöhte Emotionalität und Empfindlichkeit • Ziel th. Interaktion: Konfliktvermeidung • Kommunikationsstrategien – Verbale Uneindeutigkeit/Indirektheit – Meinungsunabhängige Zustimmung – Vermeidung von Kritik/schlechten Nachrichten • Verhaltensstrategien – Konflikte ruhenlassen – Nicht-öffentliches, verdecktes Lösen – Konflikte verdrängen/Konflikte ausweichen – Flucht • Wichtigkeit indirekter Konfliktsymptome – Unzugänglichkeit – Körperlicher Ausdruck von Unbehagen – Extreme Aggressivität als letzter Ausweg

Thailändische Perspektive

• Ziel th. Interaktion: Kreng Jai (Primat der Rücksichtnahme) • Kommunikationsstrategien – Indirektheit – Ja-Sagen, Schmeicheln – Vermeidung von Kritik/schlechten Nachrichten • Verhaltensstrategien – Konflikte nicht erzeugen – Konflikte verschieben – „Einen anderen Weg finden“ • Wichtigkeit indirekter Konfliktsymptome

Abb. 25: Konfliktverhalten als Teil des thailändischen Wirtschaftstils aus deutscher und thailändischer Perspektive

4.1.1.4. Thailändische Aufgabenbearbeitung Während vor dem Hintergrund der Analyse von Beziehungsaufbau, Hierarchieverständnis sowie Konfliktverhalten bisher eher Rahmeneinflüsse des thailändischen Wirtschaftsstils betrachtet wurden, sollen im Bereich der Aufgabenbearbeitung konkrete Manifestationen thailändischer Arbeitsauffassung untersucht werden. Der übergeordnete Bereich der Aufgabenbearbeitung

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lässt sich dabei weiter unterteilen in die drei Aspekte Motivation, Arbeitsweise sowie Ergebnis, die im Folgenden aus der jeweiligen kulturellen Perspektive gesondert analysiert werden sollen.

4.1.1.4.1 Deutsche Perspektive ‚Motivation Der aus deutscher Sicht bestimmende Faktor zur Beschreibung thailändischer Arbeitsmotivation ist die grundsätzliche Auffassung von Arbeit als Einheit von Anstrengung und Freude bzw. Spaß: „Dass hier die Leute mitmachen, ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass die Leute es [die Arbeit] mehr auch als Spaß begreifen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Die Verknüpfung der Aspekte Arbeit und Spaß führt aus deutscher Perspektive zu einem Verschwimmen von Arbeitszeit und Freizeit, die von den thailändischen Mitarbeitern nicht klar voneinander abgegrenzt werden. Dies äußert sich zum einen in teilweise unregelmäßiger Anwesenheit in der Firma, die sich allerdings bei Bedarf auch bis in die Abendstunden sowie auch auf das Wochenende ausdehnen kann, sofern sie von Phasen der Zerstreuung, wie beispielsweise gemeinsamem Essen, unterbrochen wird: „Und oft arbeiten die Leute auch abends noch später, aber die holen sich dann gemeinsam noch ne Pizza. [...] ich kriege immer jeden Freitag einen Kuchen hier rein.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „Am nächsten Samstag haben wir hier den ganzen Tag eine Informationsveranstaltung für unsere Mitarbeiter zu ISO 9001. [...] Da hatte ich unserem Steering Commitee für 9001 vorgeschlagen, wir müssen alle unsere Mitarbeiter unterrichten, [...] aber wir können nicht unser ganzes Unternehmen einen ganzen Tag stillsetzen. Und dann kam aus der Runde der Vorschlag, ach, wir können das ja am Samstag machen. Schön, sage ich, aber das dauert den ganzen Tag. Ja, ist kein Problem. Wenn wir Mittagessen kriegen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Die von den Deutschen berichtete Vermischung von Arbeit und Freizeit sowie die damit verbundene Uneindeutigkeit der Tätigkeitszuordnung bestätigt sich durch eigene Beobachtungen während der Interviews mit den Untersuchungsteilnehmern: „Obwohl es schon nach acht Uhr am Abend ist, ist noch viel Betrieb im Büro. Vom Eingang aus kann man einen großen Büroraum einsehen, der zahlreiche offene Cubicles enthält. An fast allen Tischen wird noch gearbeitet. Mitarbeiter diskutieren miteinander. Teilweise unterhalten sie sich, scherzen und lachen, zeigen sich offensichtlich lustige Dinge am Computerbildschirm. Einige telefonieren, es wirkt, als ob sie sich für den Abend verabreden. Es herrscht eine geschäftige, aber entspannte Atmosphäre.“ (Auszug Postskriptum, Interview mit Herrn J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Der schon im Rahmen des Beziehungsaufbaus beschriebene Aspekt der „Gruppenwärme“ erhält in seiner Zusammensicht mit der Auffassung von Arbeit als Einheit von Anstrengung und Spaß aus deutscher Sicht eine zusätzliche Bedeutung für die thailändischen Mitarbeiter. So betonen die deutschen Manager durchgängig eine im Vergleich zu Deutschland gesteigerte Wichtigkeit des Betriebsklimas für die thailändische Arbeitsmotivation, die sie mit atmosphärischen Begriffen wie „Umfeld“, „Klima“, „sich aufgehoben fühlen“ oder „wohlfühlen“ beschreiben: „Wichtig ist das Umfeld. Das Klima. Es ist es ganz wichtig, dass man das berücksichtigt.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

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„Die Menschen [...] suchen viel stärker nach so einer persönlichen Identifikation und [möchten] sich innerhalb einer Organisation gut aufgehoben fühlen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „[Es ist hier wichtig] untereinander auch die richtige Atmosphäre zu schaffen. Das ist in Thailand meiner Meinung nach wichtiger als in Europa heutzutage, [...] Thais müssen sich in ihrem Umfeld wohl fühlen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Einige deutsche Manager berichten ebenfalls von einer starken Tendenz seitens der thailändischen Mitarbeiter, sich ihren Arbeitsplatz auf Empfehlung von Freunden nach Kriterien des Betriebsklimas auszuwählen: „Hier arbeiten die Leute, wenn es ihnen gefällt. Ich habe eine neue Mitarbeiterin eingestellt. Die hat mir im Vorstellungsgespräch gesagt, sie sei nur wegen mir hierher gekommen. Ich war da etwas verwundert. [lacht] Die kannte mich ja gar nicht, aber sie sagte, ja sie hätte gehört, hier wäre das nicht schlecht, das Betriebsklima.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Im Umkehrschluss kann aus deutscher Sicht die Vernachlässigung des Betriebsklimas gravierende Auswirkungen auf das Unternehmen besitzen. Dabei heben die deutschen Manager besonders die ungünstigen Effekte eines von den thailändischen Mitarbeitern als schlecht empfundenen Betriebsklimas auf die Unternehmensfluktuation hervor: „Als ich hierher kam, zu der Zeit hatten wir hier in einigen Bereichen eine Fluktuation von 60%. Das war also fast schon nicht mehr tragbar aus Sicherheitsgründen. Man konnte die Leute gar nicht so schnell trainieren, wie die wieder weg waren. Und die gingen ja zum Teil auch mit gefährlichen Stoffen um. Und von 60% sind wir dann Jahr für Jahr wieder runtergekommen und liegen jetzt bei einer Größenordnung von 3-6% pro Jahr. Das ist ein völlig normaler Wert. Da hat ganz stark das verbesserte Arbeitsklima dazu beigetragen.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Die Fluktuation bei uns ist niedrig. Und wenn Thais, die hier arbeiten, anfangen, Freunde zu empfehlen, und das kommt bei uns sehr häufig vor, dann heißt das, dass sie sich persönlich wohlfühlen im Unternehmen und gerne für das Unternehmen arbeiten.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Zur Erreichung eines motivationsfördernden Betriebsklimas aus thailändischer Sicht identifizieren die deutschen Manager verschiedene Aspekte, die sich untereinander bedingen und positiv verstärken. Im Einzelnen werden dabei besonders die Ermöglichung eines engen menschlichen Kontakts der Mitarbeiter untereinander, die Erzeugung eines Gemeinschafts- oder Familiengefühls sowie zahlreiches und ausgiebiges gemeinsames Feiern bzw. Spaßhaben als wichtig erachtet. „Viele Thais treffen sich nach der Arbeit. Trinken noch ein Bier zusammen oder gehen essen. Es gibt auch viele Feste, die in der Firma stattfinden. Zum Beispiel Sonkran, das Wasserfest. Dabei werden wirklich Wasserspiele auf dem Werksgelände veranstaltet. Diese Feste werden auch oft außerhalb der Arbeitszeit vorbereitet. Das macht denen nichts aus.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Das Ermöglichen eines engen Kontakts zwischen den Mitarbeitern fängt bei der schon im Rahmen des Beziehungsaufbaus geschilderten gemeinsamen Einnahme aller Mahlzeiten an und setzt sich bei der Gestaltung der Büroräume sowie der Zimmeraufteilung fort. Dabei werden deutsche Traditionen, wie abgetrennte Einzelzimmer mit geschlossenen Türen, als unwirksam und sogar kontraproduktiv erlebt. Häufig wird dabei der Aspekt des „alleine eingesperrt sein“ hervorgehoben, der eine von den Deutschen diagnostizierte Suche nach physischer Nähe unterstreicht:

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„Da ist auch eher so ein Gruppengefühl vorhanden. Was hier bei den Thais auch sehr ausgeprägt ist. Also zum Beispiel einem Thai ein Einzelzimmer zu geben, ist nicht immer unbedingt das, was die gerne sehen möchten.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12) „Die Büro-Organisation ist natürlich auch etwas anders als in Deutschland. Wir haben hier größtenteils offene Räume. Schon wegen der Kommunikation. Sie können einen Thai nicht allein in ein Büro sperren. Das können Sie nicht machen. Da wird er unglücklich.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Aufbauend auf dem engen menschlichen Kontakt zwischen den Mitarbeitern wird zur weiteren Förderung des Betriebsklimas aus deutscher Sicht darüber hinaus die Schaffung eines Gemeinschaftsgefühls als wichtig erachtet. Zur Beschreibung dieses Phänomens verwenden die deutschen Manager häufig Begriffe, die einerseits den Eindruck familiärer Kohäsion vermitteln, wie beispielsweise „Familie bilden“, „Zuhause sein“, aber auch kameradschaftlich geprägte Bilder („Truppenzusammenhalt“), um die als außergewöhnlich empfundenen Bindungsaspekte innerhalb der thailändischen Mitarbeitergruppe zu verdeutlichen: „Wenn Thais in einem Geschäft arbeiten, dann motiviert man die nicht mit Geld, obwohl Geld natürlich auch wichtig ist, wir arbeiten ja alle, um Geld zu verdienen. Aber wichtiger noch ist der Zusammenhalt in der Truppe.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Wenn sie [die Thais] sich wohlfühlen in der Firma, dann ist das so ähnlich wie ihr Zuhause.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Hier ist es wichtig, dass man eine große Familie bildet.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Die [Thais] wollen [...] so ein Zusammengehörigkeitsgefühl.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „Und das passt natürlich auch ganz gut in die thailändische Atmosphäre, bei der es ja auch gerne etwas familiärer zugeht.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Diese als familiär empfundene Atmosphäre kulminiert aus deutscher Sicht in der Ausgelassenheit thailändischer Firmenfeiern, denen bei der Gestaltung des Betriebsklimas eine wichtige Rolle zugesprochen wird. In der Beschreibung dieser Feiern lässt sich auf deutscher Seite häufig eine tief empfundene Begeisterung nachweisen. Dabei heben die deutschen Mitarbeiter besonders den Aspekt allgemeiner Partizipation („keiner schließt sich aus“) und die rückhaltlose Betonung von gemeinsamer Freude hervor, die kulturelle bzw. sprachliche Barrieren in den Hintergrund treten lassen. „Oder wir machen Meetings, wenn einer Geburtstag hat, da gibt es dann einen Geburtstagskuchen, dann gibt es eine Ansprache, das finden dann alle ganz toll und dann wird ganz viel geklatscht. Wir haben hier unheimlich viele Events, da sind immer alle dabei. Immer. [...] Wenn hier neue Praktikanten herkommen, mache ich immer ein Welcome-Dinner und ein Farewell-Dinner. Da ist dann die ganze Truppe dabei, da gibt's Karaoke und es wird gut gegessen, da machen wir alle einen drauf. Das ist sehr wichtig. In Deutschland würde ich das nie machen.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Hier hat man mehrere Feste: Songkran, der Sport-Event, eine Year-End-Feier kurz vor Weihnachten, und so weiter. Da haben die richtig Freude und Spaß daran. Wirklich alle waren auf diesem Fest am Tanzen. Keiner hat sich ausgeschlossen. Dann stehen sie alle auf von ihren Tischen. Da war gar nicht so viel Platz. Manche haben vorne getanzt, manche hinten zwischen den Tischen. In großen Gruppen. Manche gingen vorne auf die Bühne und machten Karaoke. Da gibt es dann erstmal viel Applaus von der Belegschaft. Die Frauen haben dann von den Tischen die Rosen genommen und dem Sänger überreicht. Das war irre!“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Und wenn wir dann unseren Betriebsausflug machen, wir sind da letztens nach Katchanaburi gefahren. Mit dem Bus. Also wir alle in dem Bus drinnen. Und sie können sich das nicht vorstellen. Das war ein Hallo! Das

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war eine Gaudi! Ich habe ja gar nichts verstanden, aber trotzdem haben wir nur gelacht. Und die hatten alle einen solchen Spaß. Also sowas hab ich noch nie gesehen!“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Das thailändische Konzept des Spaßhabens (sanuk) wird von deutscher Seite aus als besonders außergewöhnlich und prägend für die Unternehmensfeiern im Speziellen und darüber hinaus auch für das Betriebsklima im Allgemeinen erlebt und häufig in Bezug auf die gesamte thailändische Lebenseinstellung generalisiert: „Die Thais möchten Spaß haben. Je mehr Spaß, desto besser.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Das wichtigste Wort und damit auch die gesamte Lebenseinstellung orientiert sich an: Sanuk! Sanuk! [Freude, Spaß haben].“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Ähnlich wie bei dem Aspekt des Mitarbeiterkontakts wird eine Nichtberücksichtigung dieser Anforderung von deutscher Seite aus mit einer Vereinsamung der Mitarbeiter gleichgesetzt: „Wenn wir solche Feste nicht machen würden, würden die Mitarbeiter vereinsamen.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Insgesamt wird, wenn die beschriebenen Voraussetzungen für ein aus thailändischer Sicht angenehmes Betriebsklima gegeben sind, die Arbeitsmotivation der thailändischen Mitarbeiter von den deutschen Managern im Vergleich zu Deutschland als signifikant höher eingeschätzt und auch häufig in generalisierenden Statements betont: „Ich denke, der Thai ist motivierter als der Deutsche.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Wenn den Thais hier das Umfeld gefällt, in dem sie arbeiten, dann kommen sie augenscheinlich besser motiviert zur Arbeit als die Deutschen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Bei dieser Beurteilung spielt besonders die nicht vorhandene Einstellung eines „Dienst nach Vorschrift“ eine Rolle, die von den deutschen Managern häufig als Sinnbild für den deutschen Arbeitsstil (siehe Kapitel 4.1.2.4.) angeführt wird. Im Gegensatz dazu heben sie besonders den thailändischen Einsatzwillen hervor, der sich stark an den aktuellen Erfordernissen orientiert. Als besonders ungewöhnlich erscheint ihnen dabei die thailändische Bereitschaft, auch ohne formale Bedingungen oder Absprachen nach offiziellem Dienstschluss sowie an Wochenenden und Feiertagen zu arbeiten, wenn terminliche Notwendigkeit dazu besteht. Daneben wird ebenso der Aspekt beidseitigen Entgegenkommens (z.B. Überstunden gegen späteren Freizeitausgleich, Partyeinladungen oder sonstige Vergünstigungen) betont, der unter günstigen betriebsklimatischen Bedingungen ohne festgelegte Forderungen oder Regelungen auskommt, sondern auf Basis gegenseitigen Vertrauens realisierbar ist: „Ich finde das [persönliche Engagement für die Mitarbeiter] auch grundsätzlich wichtig, denn damit zeigt man seinen Mitarbeitern ja auch, dass die Firma wirklich für sie da ist, wenn es klemmt. Genauso gut sind dann diese Mitarbeiter in Zeiten, wo vielleicht eine etwas höhere Arbeitsbelastung herrscht. Da sind die dann auch zur Stelle. Sowas vergessen die dann auch nicht. Das finde ich dann sehr positiv.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Zum Beispiel in der Buchhaltung, da ist das extrem, wenn die ihren Jahresabschluss machen, dann arbeiten die von morgens bis abends um acht oder neun, zehn. Das machen die von sich aus. Ohne mich zu fragen, die kriegen auch keine Überstunden bezahlt. Das machen die von sich aus. Na gut, ich gebe denen mal einen Tag frei. Oder wir laden sie zum Essen ein. Das kommt dann wirklich gut an.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

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Die folgenden Beispiele illustrieren überblicksartig eine Reihe weiterer Situationen, von Trainingsveranstaltungen über aktuellen Termindruck bis hin zu Rezessionsumständen, in denen sich aus deutscher Sicht die überdurchschnittliche Motivation der thailändischen Mitarbeiter manifestiert: „Wir bieten hier Englisch-Kurse an, die sind jedes Mal so überlaufen, obwohl sie in der Mittagspause oder nach Dienstschluss gemacht werden. Wir müssen dann zuteilen. Versuchen sie mal in Deutschland am Wochenende einen Trainingskurs zu machen. [lacht] Unmöglich.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Aber wenn man das [Motivation der thailändischen Mitarbeiter] geschafft hat, dann braucht man nichts mehr zu sagen. Die arbeiten dann Tag und Nacht. Wir mussten hier mal einen nach 36 Stunden nach Hause schicken. Und dann kennen sie auch keine Feiertage. Selbst die höchsten Feiertage. Stellen Sie sich mal vor, bei uns würde jemand freiwillig Heiligabend durcharbeiten. Da hätte er ja schon Angst vor der Familie. Das ist hier überhaupt kein Thema. Wenn es notwendig ist, und das ist hier in der Vergangenheit schon mehrmals passiert, dass die Leute über Songkran durchgearbeitet haben. Wir haben hier über Songkran nie die Anlage abstellen müssen. Und Songkran ist eines der wichtigsten Feste im Jahr. Oder bei anderen Gelegenheiten. Da kommen sie am Samstag oder am Sonntag. Da muss man gar nichts sagen.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Es gab zum Beispiel Zeiten, wo wir keine Überstunden bezahlen konnte, weil uns wegen dem Downturn eine ganze Menge Projekte weggebrochen sind, weil die Kunden nicht mehr investiert haben, da haben die Leute trotzdem gearbeitet. Da mussten wir manchmal noch Sachen fertig stellen. Das ging manchmal bis zehn Uhr abends oder sogar die ganze Nacht durch. Da haben wir auch Samstags gearbeitet bis Sonntag morgen. Und sind dann am Nachmittag nochmal wieder gekommen, damit das Montag morgen fertig war. Und das haben die Leute mitgemacht.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

‚Arbeitsweise Während die thailändische Arbeitsmotivation also unter günstigen Bedingungen allgemein als äußerst hoch eingeschätzt wird, ist die Beschreibung der thailändischen Arbeitsweise aus deutscher Sicht von einer ausgeprägten Ambivalenz gekennzeichnet. So lassen sich auf Basis der Äußerungen der deutschen Manager zunächst drei grundlegende, weitgehend neutrale Prinzipien ableiten, die eine typisch thailändische Arbeitsweise kennzeichnen, die im Folgenden als Ad-hoc-Bearbeitung, Kindlichkeit und Pragmatik bezeichnet werden sollen. Diesen Prinzipien werden dann jedoch in der einzelnen Bewertung durch die deutschen Manager jeweils Vor- und Nachteile zugewiesen. So wird unter dem Aspekt der Ad-hoc-Bearbeitung von Aufgaben zum einen beispielsweise das von den Deutschen als für das Unternehmen vorteilhaft bewertete Moment der Schnelligkeit und der Umsetzungsgeschwindigkeit gefasst. Diese als Besonderheit erfahrene Eigenschaft im Vergleich zu deutscher Gewohnheit zeigt sich beispielsweise in temporeichen Charakterisierungen wie „abgehen wie eine Rakete“ oder „affenartiger Geschwindigkeit“: „Wenn wir in unseren Management-Meetings etwas beschließen, dann geht alles immer ganz schnell. Dann gehen die Thais ab wie eine Rakete, dann wollen sie, wenn sie davon überzeugt sind, keine Zeit mehr verschwenden, noch etwas zu überlegen oder zu durchdenken. Dann gehen sie los. Dann marschieren sie los. Mit einer affenartigen Geschwindigkeit.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Auf der anderen Seite geht die beobachtete Schnelligkeit einher mit einer Tendenz zur Improvisation, die sich aus deutscher Sicht im Sinne langfristiger Unternehmensinteressen nicht im-

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mer günstig auswirkt. So beobachten die deutschen Mitarbeiter beispielsweise eine eher auf kurze Zeithorizonte ausgerichtete Aufgabenbearbeitung: „Es wird viel improvisiert.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Insgesamt wird in Thailand eher nicht langfristig gedacht.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Die Thais denken in sehr kleinen Prozessen. Wir haben immer größere Schritte im Kopf.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Diese Kurzfristigkeit geht dabei nach deutscher Bewertung einher mit einer Neigung zu ungeregelter Informalität der Arbeitsprozesse, die sich zwar meistens als funktionsfähig erweisen, bei Fehlern jedoch keine Absicherung bieten: „Dinge werden sehr informell oft am Telefon abgesprochen, da wird nichts schriftlich niedergelegt. Wenn dann was schief läuft, steht man oft da und kann nicht mehr nachvollziehen, was passiert ist. Wenn irgendwo ein Informationsfluss dann unterbrochen ist, dann kann man das hinterher nicht mehr rekonstruieren.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Daneben stellt sich die als günstig bewertete thailändische Schnelligkeit der Umsetzung im negativen Fall als Übermotivation dar („übers Ziel hinausschießen“), die teilweise als nichtzielgerichteter Aktionismus erfahren wird („Ziele vergessen“): „Und in Thailand geht es, ... sehr schnell. Man kann sie gar nicht so schnell ... Man muss sie manchmal richtig stoppen. Und manchmal schießen sie auch übers Ziel hinaus. [...] Sie machen es eben alles sehr schnell ad hoc, sie versuchen sehr schnell zum Ziel zu kommen. Wenn das dann manchmal nicht hin haut, dann passiert das auch schon mal, dass sie dann einfach ihre Ziele ... vergessen [lacht].“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

„Ein Human Relations Manager hat mir mal von einem Experiment erzählt, bei dem die unterschiedlichen Arbeitsweisen von Thais und Japanern untersucht werden sollten. Ich weiß nicht, ob das nur so eine Geschichte ist, aber sie ist jedenfalls ganz aufschlussreich. Das ganze fand in Bangkok statt, und es bestand aus einer Teamwork-Aufgabe für eine Gruppe von Thais und Japanern. Die Aufgabe lautete: Plant gemeinsam eine Fahrt für den morgigen Tag nach Ajuthaya, egal wie. Dann besorgt euch in Ajuthaya ein Boot und fahrt gemeinsam auf dem Chao Phraya zurück nach Bangkok, aber so, dass ihr morgen genau um 11 Uhr an einer bestimmten Brücke ankommt. Beide Gruppen zogen sich zur Beratung zurück. Die Thai-Gruppe war nach zehn Minuten fertig. Als sie gefragt wurden, wie sie das ganze angehen, sagten sie: ‚Alles kein Problem. Wir nehmen erst mal ein Taxi nach Ajuthaya und dann suchen wir uns dort einen Bootsverleih, chartern ein Boot und fahren wieder zurück.‘ Als sie dann gefragt wurden, wie sie das hinkriegen wollten, genau um 11 Uhr an einer bestimmten Brücke anzulegen, sagten sie: ‚Wieso? Das ist doch gar kein Problem. Wenn wir früher ankommen, gehen wir einfach noch zusammen essen!‘ Die Japaner kamen erst nach einigen Stunden wieder aus dem Raum heraus. Sie hatten sämtliche Fahrpläne studiert und Bootsverleiher kontaktiert. Einige hatten versucht, die Strömungsgeschwindigkeit des Chao Phraya auszurechnen, damit sie genau zur richtigen Zeit ankommen. Wie gesagt, ich weiß nicht, ob diese Geschichte stimmt, aber sie ist (Deutscher Geschäftsführer) sehr aufschlussreich.“

Abb. 26: Beispiel für thailändische Ad-hoc-Bearbeitung aus deutscher Perspektive

Neben dem Prinzip der Ad-hoc-Bearbeitung von Aufgaben kristallisiert sich von deutscher Seite her ein weiteres kennzeichnendes Moment zur Beschreibung thailändischer Arbeitsweise heraus, das sich unter dem Grundgedanken von Kindlichkeit fassen lässt. Der Begriff der Kindlichkeit ergibt sich dabei nicht nur aus der Benennung typisch kindlicher Eigenschaften in Verbindung mit thailändischem Wirtschaftsstil, sondern ist darüber hinaus gefärbt durch die

den

deutschen Äußerungen unterliegende Beziehungstonalität, die häufig eine Art Eltern-KindVerhältnis widerzuspiegeln scheint und sich in väterlich-wohlwollenden Äußerungen wie „meine Thais“ oder ursprünglich kindbezogenen Bildern („quirlig“, „wie ein Sack Flöhe“) äußert. Auch innerhalb des Prinzips der Kindlichkeit lassen sich wiederum in der Bewertung durch die deut-

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schen Manager für den Unternehmenserfolg unterschiedliche Aspekte feststellen. So wird auf der einen Seite der oft im Sinne von Improvisationstalent verstandene Ideenreichtum sowie eine damit einhergehende Neugier der thailändischen Mitarbeiter hervorgehoben, die sich nach deutscher Sicht in einem starken Lernwillen äußert: „Die Thais sind sehr kreativ. [...] Sie [die Thais] haben ein unheimliche Menge an guten Ideen, die sie also wirklich auch immer schnell umsetzen wollen, also sehr unbürokratisch. Lieber gestern schon alles fertig haben als morgen.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Die Leute hier sind sehr wissbegierig und damit auch sehr lernbegierig.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Auf der anderen Seite wird von den deutschen Mitarbeitern eine ausgeprägte Verspieltheit des thailändischen Arbeitsalltags konstatiert, die sich nicht nur in der Ausstattung der Schreibtische mit Stofftieren und anderem Spielzeug, in Bürodekorationen mit Wänden voller bunter Grußkarten, aufwendigem Weihnachtsschmuck und glitzernden Girlanden manifestiert, sondern sich auch in der Verbindung von Arbeitstätigkeiten oder -veranstaltungen mit Wett- oder Glücksspielen zeigt. So scheint beispielsweise kein gemeinsames Team-Essen ohne „Lucky Draw“ (eine Art Julklap) abgehalten zu werden. Diese Verspieltheit wird von deutscher Seite teils mit Erstaunen oder Missbilligung registriert, wenn die Ernsthaftigkeit der Aufgabenbearbeitung zu leiden scheint, wird aber auch mit väterlichem Wohlwollen hingenommen: „Das sehen sie auch, wenn sie mal durch das Büro durchgehen. Das ist alles ganz verspielt. Haben sie das mal gesehen? Ich führe sie da nachher mal durch. Da sehen sie, was da auf den Schreibtischen alles rumliegt [lächelt], also rosa Teddybären und Fotos und alles mögliche. In Deutschland haben sie da vielleicht mal ein Familienfoto, aber hier ist das noch anders.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Lucky Draw (Team-Dinner eines deutsch-thailändischen Projektteams)

Bürodekorationen

Abb. 27: Beispiele für spielerische Elemente thailändischer Arbeitsweise aus deutscher Perspektive

Als eng verbunden mit den bereits identifizierten Aspekten thailändischer Arbeitsweise als Schnelligkeit und Kindlichkeit stellt sich das dritte Prinzip der Pragmatik dar, bei dem sich ebenfalls eine ambivalente Bewertung durch die deutschen Manager feststellen lässt. So wird eine pragmatische Vorgehensweise aus deutscher Sicht besonders dort als förderlich beurteilt, wo sie sich durch Orientierung auf das Ergebnis und Sinn für übergeordnete Zusammenhänge auszeichnet:

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„Und ich glaube eben, die Thailänder gucken lieber so ein bisschen globaler. Und schauen, passt das ungefähr? Und ob das dann so im Detail ..., ach das interessiert die gar nicht so sehr. Und ich finde das eigentlich eine interessante Weltanschauung, die die da haben. [...] es kann was sehr Positives dabei herauskommen.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Als Nebeneffekt oder Kehrseite einer solchen, ausgeprägten Ergebnisorientierung konstatieren die deutschen Manager bei ihren thailändischen Kollegen jedoch darüber hinaus auch einen Hang zur Undiszipliniertheit, der sich besonders im aus deutscher Sicht nachlässigen Umgang mit Terminen und Qualitätsanforderungen äußert: „Wobei eben die Thais nicht so sehr viel Wert darauf legen, ob man nun pünktlich kommt oder nicht.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4) „Die meisten unserer Probleme mit dem Stammhaus haben mit Zeit zu tun. Die Leute haben Schwierigkeiten zu verstehen, warum hier alles mehr Zeit braucht. ‚Sollte dieses Angebot nicht schon letzten Monat rausgegangen sein?’ Ja, sollte es. ‚Gab es da nicht eine Deadline bei diesem Kunden, die eingehalten werden musste?’ Ja, gab es. […] Der zeitliche Rhythmus in Deutschland und in Thailand ist anders. Man braucht unendliche Geduld.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10) „Der Ausgangspunkt war, das man gesagt hat, man könnte hier in Thailand [ein Produkt], das ja in der Hochtechnologie verwendet wird, nicht in hochwertiger Qualität herstellen, nicht mit diesen Leuten, die so ein bisschen luschig sind, nach dem Motto, kommst du heute nicht, kommst du morgen.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Ausgehend von der Diagnose der Undiszipliniertheit stellen die deutschen Manager in Thailand einen stark ausgeprägten Individualismus fest, der aus deutscher Sicht in einem Gegensatz zu der beobachteten Gemeinschaftsorientierung steht und sich nicht ohne weiteres in das einerseits hierarchische, andererseits kollektivistische, von Gruppenwärme und Zusammengehörigkeit geprägte Bild thailändischer Arbeitskultur einfügt. „Insgesamt glaube ich, dass asiatische Kulturen wahrscheinlich eher kollektivistisch als individualistisch sind. Besonders Japan. Aber Thailand ist irgendwie speziell, weil es gleichzeitig auch sehr individualistisch sein kann.“ (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12)

Der häufig erwähnte Begriff des Individualismus scheint hier jedoch nicht im westlich geprägten Sinn als Selbstverwirklichung des Individuums verstanden zu werden, sondern wird eher im Zusammenhang mit einem Nicht-Einhalten oder Umgehen aufgestellter Regeln verwendet. Das Nicht-Beachten bestimmter Vorschriften wirkt dabei jedoch aus deutscher Sicht nicht wie betonter Non-Konformismus zur individuellen Selbstdefinition, vielmehr scheint ihm in seiner thailändischen Ausprägung wiederum ein spielerisches, kreatives Element innezuwohnen: „Aus meiner Sicht sind die Thais im Unterschied zu einem typischen Unternehmensbild viel, viel stärkere Individualisten. Sie sehen zwar Regeln, diese Regeln werden aber nicht immer unbedingt befolgt, aber nicht, um die Regeln zu brechen, sondern man ist der Meinung, man kann ja auch mal etwas anderes versuchen.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Im Arbeitsalltag äußert sich thailändischer Individualismus dabei vor allem in der von den deutschen Managern durchgängig festgestellten Erfahrung, dass sich ein wie auch immer geartetes zwanghaftes Durchsetzen von bestimmten Regeln, Prozessen oder Vorschriften als „absolut unmöglich“ erweist. Als besonders treffendes Bild zur Illustration dieser Erfahrung lässt sich in diesem Zusammenhang die Metapher des „Wasser-Komprimierens“ anführen:

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„Wenn man dann Druck ausübt, finden sie sofort bei der nächsten Gelegenheit wieder einen Weg, von der Richtung wieder abzuweichen. Das ist absolut unmöglich. [...] Man kann Thais sowieso nur dazu bringen, etwas zu tun, entweder indem man sie davon überzeugt, dass es richtig ist, oder wenn sie es für einen selbst tun. Man kann sie nicht zwingen. Man kann sie nicht zwingen. Das wäre genauso, wie wenn man versuchen würde, Wasser zu komprimieren, es geht einfach nicht.” (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Als besonders aussagekräftig erscheint in diesem Zusammenhang ebenfalls die Erzählung des Geschäftsführers eines der größten deutschen Unternehmen in Thailand, dem es innerhalb von zwei Jahren nicht gelang, seine Rezeptionistinnen vom gemeinsamen Mittagessen abzuhalten (siehe Abbildung). „Wissen Sie, während der letzten zwei Jahre habe ich versucht, meine Rezeptionistinnen davon abzuhalten, immer gemeinsam in die Mittagspause zu gehen, damit immer jemand da ist, der Anrufe entgegennehmen kann. Am Ende habe ich es aufgegeben. Sie haben es einfach nicht gemacht. Sie wollten zusammen gehen, und sie sind zusammen gegangen! Und sie haben mich schlussendlich überzeugt, dass es auch gar nicht notwendig ist, dass jemand das Telefon beantwortet: Weil zur Mittagszeit eh niemand anruft! Und selbst wenn jemand anruft und niemand abnimmt, dann wird ihm einfallen, oh, es ist ja Mittagspause, und er wird wieder anrufen. Kein Problem!“ (Deutscher Geschäftsführer)

Abb. 28: Beispiel für thailändischen Individualismus aus deutscher Perspektive

Während Individualismus in der geschilderten Form aus deutscher Sicht zwar erstaunt, aber grundsätzlich akzeptiert wird, berichten die deutschen Manager darüber hinaus von zahlreichen Fällen von „Zweckindividualismus“, bei dem sich das spielerische Nicht-Achten von Regeln bis hin zur Wirtschaftskriminalität mit dem Ziel, den eigenen Vorteil zu maximieren, ausweitet. Als verbreitete Ausprägungen ungesetzlichen Verhaltens wird von deutscher Seite aus Unterschlagung, Steuerhinterziehung und Erpressung genannt, wobei die Schilderungen von Beispielen aufgrund eigener Erfahrung häufig drastisch ausfallen: „Ein Thai [...] denkt zunächst nur an seine eigene Person und an sein eigenes Portemonnaie. Das zweite, woran er denkt, ist die Familie. Das Unternehmen ist nur ein Mittel zum Zweck, um Geld zu verdienen, und um die Steuern nicht zu bezahlen und den Staat zu bescheißen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Meine Erfahrung ist, wenn ein Thai [...] einen farang übers Ohr hauen kann, dann ist er mit Leib und Seele dabei. Das ist wirklich hundertprozentig wahr.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

‚Ergebnis Die abschließende Kategorie innerhalb des Bereichs Aufgabenbearbeitung bildet der Aspekt der Ergebnisbeurteilung. Auch hier fällt, wie schon bei der Beschreibung thailändischer Arbeitsweisen, die deutsche Einschätzung ambivalent aus. Kritisiert wird dabei von den deutschen Managern eine aus bestimmten Kennzeichen der thailändischen Arbeitsweise resultierende Ineffizienz, die auch mehrfach als „Thai-Effizienz“ bezeichnet wird. So führt die beschriebene Tendenz zu Ad-Hoc-Bearbeitung, Verspieltheit und Individualismus aus deutscher Sicht häufig zu allgemeiner Prozess-Intransparenz, die von den deutschen Managern auch oft allgemein als „Unordnung“ oder „Chaos“ empfunden wird. „Und ich habe mich auch daran gewöhnt, dass es auch in einem Office bei den Thais nicht so aussieht wie bei uns in einem Office, aber bei mir sieht es so aus, wie ich das gerne hätte.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

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„Wir haben versucht, [...] Prozesse und Abläufe der Firma nicht, sagen wir mal, wie in einem chinesischen Noodle-Shop zu gestalten. Das ist für mich so das Kernwort. ['Noodle-Shop?'] ... Ja, Noodle-Shop. [Lächelt] So ein Noodle-Shop funktioniert ja. Das kennt man ja aus der Stadt, China-Town, die machen gute Geschäfte. Aber wenn sie reinkommen, stolpern sie erst mal über drei Kisten. Und dann sitzen sie da irgendwo im Chaos, haben da noch Kisten neben sich, und schlürfen ihr Süppchen. Und die schmeckt auch hervorragend. Reden tun auch alle gemeinsam. Nur wie dann hinterher die Abrechnung ist, weiß man nicht so genau.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Der schon angesprochene Aspekt der Kurzfristigkeit von Handlungsweisen führt dabei aus deutscher Sicht zu Ergebnissen, die häufig durch Planlosigkeit gekennzeichnet sind und sich in ihrer Entstehung im Nachhinein von den Deutschen nicht mehr nachvollziehen lassen. „Ich habe bei den Thais, die ich kenne, noch keinen getroffen, der wirklich planen kann.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Was ihnen so ein bisschen fehlt, meiner Ansicht nach ist, dass sie tatsächlich Pläne aufstellen, wo man hinterher auch nachvollziehen kann, wie sie schrittweise und akkurat diese Ziele dann auch umsetzen.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Die Thais leben im Grunde von heute auf morgen. Da der Unterschied von heute auf morgen nicht so groß ist, brauchen sie im Grunde auch keine Planung.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Neben den für den Unternehmenserfolg ungünstigen Diagnosen von Chaos und Planlosigkeit schätzen die deutschen Manager im allgemeinen auch die Qualität thailändischer Arbeitsergebnisse im deutschen Vergleich niedriger ein. Diesen Mangel führen sie dabei besonders auf eine grundsätzlich andere Einstellung zum Wert von Qualitätsarbeit zurück, der erneut ihren Befund der Kurzfristigkeit thailändischer Arbeitsweise unterstreicht. Während sich aus deutscher Sicht aus dem Primat der Langfristigkeit des Wirtschaftens ein Zwang zu höchster Ergebnisqualität ergibt (siehe Kapitel 4.1.2.4.), stehen, so die deutschen Manager, bei Erwägungen aus thailändischer Sicht Kurzfrist-Kriterien wie beispielsweise Herstellungs- oder Einkaufspreis im Vordergrund und bewirken ein Inkaufnehmen geringerer Ergebnisqualität: „Und dann haben die Thais auch in Bezug auf die Qualität ihrer Arbeitsleistung eine andere Einstellung als die Deutschen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „[Die Thais] gucken zunächst mal nur auf den Preis. Es gibt also nur wenige, die wirklich den Wert von Qualitätsprodukten verstehen und auch akzeptieren.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Während also auf der einen Seite Ineffizienz und mangelnde Qualität als Kennzeichen thailändischer Arbeitsergebnisse aus deutscher Sicht als hinderlich eingeschätzt werden, heben die deutschen Manager auf der anderen Seite unter günstigen Bedingungen ein im deutschen Vergleich signifikant höheres Veränderungspotential ihrer Arbeit in Thailand hervor. Sie betonen in diesem Zusammenhang besonders, dass, wenn ein gemeinsames Verständnis von Zielen und Wegen zur Zielerreichung hergestellt werden kann, Umsetzungsergebnisse unerwartet erfolgreich verlaufen können. Die dabei häufig verwendeten Metaphern oder Begriffe des Unglaubens oder Wunderns („unglaublich“, „unvorstellbar“, „Berge versetzen“) deuten darauf hin, dass sie eigenes Gestaltungspotential und thailändisches Ergebnis in den berichteten Fällen im Vergleich zu ihren deutschen Erfahrungen als außergewöhnlich erleben: „Sie [die Thais] setzen gerne Dinge um. Wenn man Ziele setzt und die vernünftig kommuniziert, dann kann man viel erreichen.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

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„Wenn man die Menschen hier soweit hat, dass sie laufen, dann ist es unglaublich, was man hier alles erreichen kann.“ (Herr K, deutscher Marketingleiter, Firma 2) „Ich habe die schnellsten Erfolge hier realisieren können, wenn man ein Team davon überzeugen kann, dass man in einem gemeinsamen Boot sitzt und in eine gemeinsame Richtung gemeinsam rudert. Dann kann man hier in Thailand wirklich Berge versetzen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

4.1.1.4.2 Thailändische Perspektive Insgesamt zeichnet die Betrachtung der thailändischen Perspektive des eigenen Stils der Aufgabenbearbeitung ein ähnliches Bild wie die deutsche Perspektive. So werden grundsätzliche Merkmale thailändischer Arbeitsmotivation und Arbeitsweise bestätigt, erfahren jedoch wiederum im Einzelnen abweichende Begründungen. In Bezug auf den Bereich der Ergebnisqualität lassen sich teilweise diametral entgegengesetzte Interpretationen feststellen, die, wie zu zeigen sein wird, in der täglichen Zusammenarbeit häufig zu Missverständnissen führen können (siehe Kapitel 4.2.1.1.4.). ‚Motivation Ähnlich wie schon die deutschen Manager heben die thailändischen Mitarbeiter die Wichtigkeit von Freude und Spaß bei der Arbeit besonders hervor, die dafür sorgen, dass Arbeit nicht als Anstrengung empfunden wird und auf diese Weise über den Rahmen offizieller Arbeitszeitenregelungen hinaus ausgedehnt werden kann, ohne dass dies als persönliche Einschränkung oder Überbelastung erfahren wird: „But we, the Thais, we can sit and work, have a little coffee, have a little chat, until ten at night. We don’t care.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Ausgehend von der Kombination und Abwechslung von anstrengenden Arbeitsphasen mit eher vergnüglichen und entspannenden Einschüben beschreiben die thailändischen Mitarbeiter Arbeitszeit und Freizeit nicht als von einander getrennte Tagesabschnitte sondern als flexibles Kontinuum von einander überlagernden und gleichzeitig ablaufenden Zeitfolien, die je nach aktueller Anforderung kurzfristig gestaltet und ausgefüllt werden. Eine strikte Trennung von Arbeits- und Freizeit, das damit verbundene Empfinden von Pünktlichkeit sowie der Aspekt der Heiligung des „Feierabends“ (siehe Kapitel 4.1.2.4.) erscheinen ihnen dementsprechend als künstliche Formalisierung. „We are a little bit like: We can work until midnight, even on Saturday or Sunday. But the official working hours, we see a little bit relaxed.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Ähnlich wie ihre deutschen Kollegen betonen sie aufgrund der stärkeren Einheit von Arbeit und Vergnügen eine hohe Wichtigkeit des allgemeinen Betriebsklimas für die eigene Arbeitsmotivation. Dabei stellen sie häufig einen Stimulations-Aspekt heraus, der zur Überbrückung eines Mangels an intrinsischer Motivation durch die eigentliche Arbeitsaufgabe berücksichtigt werden muss: „But you do not only need assignments. You also need a lot of stimulation. The Thai employees need to be motivated in a different way.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

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Zur Erreichung eines aus thailändischer Sicht motivationsfördernden Betriebsklimas werden von thailändischer Seite besonders drei Aspekte hervorgehoben: die thailändischen Vergnügungskonzepte des sabei und sanuk, sowie das sich daraus ergebende gemeinsame Feiern. Sabei wird dabei besonders als Entspannung und Lockerheit beschrieben, während unter sanuk eher der Aspekt der Ausgelassenheit („fun“) verstanden wird. Sabei und sanuk werden als zusammengehörig beschrieben und scheinen sich bei gleichzeitiger Manifestation zu umfassendem Wohlbefinden zu ergänzen: „If you want to know about the Thai corporate culture, it’s very simple. We have sabei, sabei. And sanuk, sanuk. [lacht]. [What is the difference between sabei and sanuk?] It is the same in a way, but sabei means rather being relaxed and sanuk means rather having fun.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

Das von den deutschen Managern besonders hervorgehobene Kontaktbedürfnis und die Ermöglichung eines ausgeprägten Gemeinschaftsgefühls wird von thailändischer Seite in diesem Zusammenhang nicht explizit erwähnt, scheint aber implizit als Grundvoraussetzung für sanuk und sabei angesehen zu werden, die grundsätzlich eher als Gruppenerlebnis beschrieben werden und daher nicht mit deutschen Individualkonzepten, beispielsweise eines entspannten Feierabends im Kreise der Familie, verglichen werden können. Die inhärente Sozialmotivation von

sanuk und sabei führt daher folgerichtig zur Betonung sozialer Veranstaltungen wie TeamDinners, Betriebsfesten, Sportwettkämpfen, gemeinsamen Ausflügen etc., die von thailändischer Seite zumeist als selbstverständlich empfunden werden, aber von thailändischen Human Resources Managern im deutschen Vergleich in ihrer Wichtigkeit besonders herausgestellt werden: „We have a lot of events here for the Thai staff. You absolutely have to have that. Events are very important. They are my responsibility. We organize a lot of parties and sports competitions. In two weeks we will have a big party for all the employees. We also invite the families.“ (Frau O, thailändische Leiterin Human Resources, Firma 7)

Die aus einem guten Betriebsklima erwachsende Motivation der thailändischen Mitarbeiter ist, wie bereits gezeigt wurde, unter günstigen Bedingungen zwar auch aus thailändischer Sicht durch ausgeprägte Nachhaltigkeit charakterisiert („[they] will work for you. For their whole life“, siehe Kapitel 4.1.1.1.), wird jedoch anders als von den deutschen Mitarbeitern nicht als außergewöhnlich hoch oder überlegen angesehen. Vielmehr heben zahlreiche thailändische Interviewpartner gerade ihre Achtung vor der Arbeitsmotivation deutscher Expatriate-Manager hervor (siehe Kapitel 4.1.2.4.). ‚Arbeitsweise Interessanterweise lassen sich in den thailändischen Schilderungen der eigenen Arbeitsweise die aus deutscher Sicht beschriebenen drei Aspekte, Ad-hoc-Bearbeitung, Kindlichkeit und Pragmatik wiederfinden, erfahren jedoch im Gegensatz zu der deutschen Ambivalenz der Bewertung im Einzelnen eine eindeutig positive Uminterpretation. Es scheint also, wie sich auch in der Betrachtung typisch deutsch-thailändischer Missverständnisse zeigen wird, insgesamt Ei-

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nigkeit über die Diagnose thailändischer Verhaltensweisen zu herrschen, während Unterschiede in diesem Fall vor allem in der Beurteilung der Verhaltensausprägungen zu bestehen scheinen. So entspricht das von den Deutschen identifizierte Prinzip der Ad-hoc-Bearbeitung von Aufgaben mit seinen Kennzeichen der Schnelligkeit einerseits und der Kurzfristigkeit und Improvisation andererseits dabei aus thailändischer Sicht einer starken Aktionsorientierung der eigenen Arbeitsweise, die im Vergleich zu starrer Planungstätigkeit grundsätzlich als zielgerichteter und damit produktiver empfunden wird. Die folgende Gegenüberstellung von Planung und Arbeit als Gegensätze macht dabei besonders deutlich, dass Phasen der Konzeption und Dokumentation von Vorgehensweisen nicht als eigentliches Arbeiten („working“) im Sinne der Zielerreichung bewertet werden: „Thai people don’t care about the plan too much. We start working right away.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

In ähnlicher Form lässt sich der von deutscher Seite angesprochene Aspekt der Kindlichkeit mit seinen Ausprägungen von Neugier und Kreativität auf der einen Seite sowie Verspieltheit und Unreife auf der anderen Seite in den thailändischen Schilderungen der eigenen Arbeitsweise wiederentdecken, hier jedoch im Sinne eines dynamischen Prinzips des Ausprobierens („Trial and Error“). Die Strategie des Ausprobierens besitzt dabei aus thailändischer Sicht nicht die von deutscher Seite beschriebene ziellose „Noodle-Shop“-Konnotation des „Rumprobierens“, sonders stellt eine anerkannte, als effizient bewertete Verhaltensweise dar, da sie grundsätzlich die Möglichkeit eines schnellen Erfolgs verspricht, der bei ausgiebiger Vorbereitung aufgrund eines Inkaufnehmens langfristiger Planungs- (also: Nicht-Arbeits-)phasen per se ausgeschlossen ist: „You will never find a Thai engineer who will read the manual [lacht]. First we try it out. Maybe it works, so then we have saved the time to read. Maybe it doesn’t work. Then we get nervous and try to find the mistake in the manual.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

Auch der dritte Aspekt thailändischer Arbeitsweise aus deutscher Sicht, das Prinzip der Pragmatik mit seinen Kennzeichen von Überblick und Undiszipliniertheit, bestätigt sich in den Aussagen der thailändischen Mitarbeiter, die in diesem Fall sogar die deutsche Deutung der Undiszipliniertheit übernehmen und damit Disziplin und Berechenbarkeit als Wert zunächst oberflächlich anerkennen. Ihre Vernachlässigung von thailändischer Seite wird dementsprechend als Regelverletzung zugegeben („I confess“), wird jedoch gleichzeitig großzügig, zumeist mit einem Lachen entschuldigt und als im deutschen Vergleich entspanntere Haltung präsentiert. Das von den Deutschen identifizierte ambivalente Prinzip der Pragmatik erfährt so von den thailändischen Mitarbeitern eine Umdeutung als grundsätzliche Flexibilität der Zielerreichung, die damit unterschwellig die Konnotation stärkerer Produktivität und Anpassungsfähigkeit an neue Gegebenheiten enthält. „And also for the discipline. I confess that Thai working style in terms of being on time, meeting deadlines and so on, is very relaxed. You can say … flexible [lacht]. This is often a cross-cultural issue.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

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„And that is different from the Germans. They take work very serious. We also take our work very serious, we also want to get it done, but we are more flexible.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7) „I think the Thai employees are very flexible. We adapt to all the different nationalities that come here. The Americans, the Germans, the Japanese. No problem. We get used to it. But it seems to me that the foreigners are not so flexible.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

Der neben den drei Prinzipien thailändischer Arbeitsweise von deutscher Seite betonte Aspekt des Individualismus sowie seine Übersteigerung als Wirtschaftskriminalität bleibt von thailändischer Seite unerwähnt. ‚Ergebnis In der Beurteilung der Ergebnisse der eigenen Arbeitsweisen interpretieren die thailändischen Mitarbeiter die von den Deutschen hervorgehobenen Qualitätsmängel eher als menschliche und damit entschuldbare Imperfektion, die zwar die Erledigung von Aufgaben und den Abschluss von Tätigkeiten verzögern kann, aber den grundsätzlichen Erfolg der Bemühungen nicht in Frage stellt. Diese schon unter dem Aspekt der Flexibilität der Arbeitsweise angesprochene Haltung demonstriert sich beispielhaft im thailändischen Konzepts des mai pen rai, was gemeinhin mit „Macht nichts!“ oder „Nicht so schlimm!“ übersetzt werden kann. Neben der aus deutscher Sicht bekannten Komponente sozialer Entschuldbarkeit von Fehlern enthält diese sprachliche Figur jedoch zusätzlich eine Komponente demonstrativer Gelassenheit und „Coolness“, die dazu führt, dass Misserfolge nicht an die eigene Person herangelassen werden müssen, und die als flexible Lässigkeit einer deutschen Genauigkeitsüberbetonung entgegengesetzt wird. „Thai people don’t care about the plan too much. We start working right away. We will build the house right away. And if in the end something is too long, mai pen rai! We make it shorter. And if it’s too short, mai pen rai, we make it longer [lacht].“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

Die von deutscher Seite oft kritisierte Ineffizienz, die auf allgemeine Planlosigkeit und Chaos zurückgeführt wird, interpretieren die thailändischen Mitarbeiter dementsprechend im gegenteiligen Sinn eher als Effizienz, da Ergebnisse aus thailändischer Sicht nicht auf Basis starrer, aktionsverzögernder Detailplanungen entstehen. Die von thailändischer Seite im günstigen Fall als lästiges Hemmnis und im ungünstigen Fall als vollkommene Unbeweglichkeit empfundene Planungskultur westlicher und speziell deutscher Unternehmen (siehe Kapitel 4.1.2.4.) demonstriert sich dabei in aufschlussreicher Weise in einem thailändischen Wortspiel zum englischen „Planning“-Begriff: „You know, there is a famous Thai joke about planning. If you take the word planning, it contains the words ‘plan’ and ‘ning’. ‘Plan’ means ‘plan’, ok, but ning in Thai means: Stand still, don’t move. So that is very funny for the Thai, because if Western people talk about planning, for us it sounds like ‘make a plan and stand still’. [lacht]” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

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4.1.1.4.3 Übersicht: Thailändische Aufgabenbearbeitung

Aufgabenbearbeitung

Thailändischer Wirtschaftsstil

Deutsche Perspektive • Motivation

Thailändische Perspektive • Motivation

– Arbeit = Einheit von Anstrengung und Freude/Spaß

– Arbeit = Einheit von Anstrengung und Freude/Spaß

– Flexible Einheit von Arbeits- und Freizeit

– Flexible Einheit von Arbeits- und Freizeit

– Wichtigkeit des Betriebsklimas (enger Kontakt zw. Mitarbeitern, Gemeinschaftsgefühl, gemeinsames Feiern)

– Wichtigkeit des Betriebsklimas (sanuk, sabei, gemeinsames Feiern)

– Hohe Arbeitsmotivation • Arbeitsweise – Ad-hoc-Bearbeitung (Schnelligkeit vs. Improvisation) – Kindlichkeit (Kreativität vs. Verspieltheit) – Pragmatik (Überblick vs. Undiszipliniertheit) – Individualismus • Ergebnis – Ineffizienz (Planlosigkeit, Chaos) – Qualitätsmängel

• Arbeitsweise – Dynamik/ Aktionsorientierung – „Try it out“ – Flexibilität der Zielerreichung • Ergebnis – Effizienz (Flexibilität) – Entschuldbare Imperfektion (mai pen rai)

– Hohes Gestaltungspotential

Abb. 29: Aufgabenbearbeitung als Teil des thailändischen Wirtschaftstils aus deutscher und thailändischer Perspektive

4.1.2. Der deutsche Wirtschaftsstil Im Anschluss an die Beschreibung und Diskussion des thailändischen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive soll sich der folgende Abschnitt der Charakterisierung des deutschen Wirtschaftsstils widmen. Die Analyse wird dabei insgesamt in gleicher Form in die Bereiche Beziehungsaufbau, Hierarchieverständnis, Konfliktverhalten und Aufgabenbearbeitung unterteilt, da sich diese Differenzierung, wie bereits beschrieben, aus interkultureller Perspektive auf Basis der Daten als sinnvoll zur Abbildung virulenter Unterschiede zwischen deutschen und thailändischen Stilmerkmalen erweist und damit eine direkte Vergleichbarkeit der beiden Wirtschaftsstile ermöglicht. Im Umkehrschluss bedeutet eine solche Vorgehensweise, dass in der Beschreibung des einen Wirtschaftsstils, hier des thailändischen, aufgrund der gewählten Methodik wesentliche Elemente des kontrastierten Wirtschaftsstils, hier des deutschen, als Antithese bereits enthalten sein müssen. So impliziert beispielsweise die diskutierte deutsche Diagnose thailändischer Qualitätsmängel in der Aufgabenbearbeitung indirekt bereits eine starke Betonung von Ergebnisqualität als Stilmerkmal auf deutscher Seite. Die ergänzende Analyse des deutschen Wirtschaftsstils greift daher also zahlreiche der beschriebenen Elemente als ihr Gegenteil wieder auf und kann so zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen und Redundanzen stärker auf Verweise zu im Rahmen des thailändischen Wirtschaftsstils bereits Dargestelltem zurückgreifen.

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4.1.2.1. Deutscher Beziehungsaufbau

4.1.2.1.1 Deutsche Perspektive Im Vergleich zur thailändischen Betonung des Beziehungsaufbaus innerhalb von Unternehmen erscheint die Ausbildung von Beziehungsnetzwerken aus deutscher Sicht grundsätzlich von eher untergeordneter Wichtigkeit. Dies wird von deutscher Seite her besonders darauf zurückgeführt, dass der eigene berufliche Erfolg vor allem mit Leistungsaspekten verknüpft wird. Aufgrund dieses offiziellen Leistungsprimats werden interpersonale Beziehungen als Statusvoraussetzung zwar auch im deutschen Wirtschaftsstil diagnostiziert, treten jedoch unter Legitimitätserwägungen als Erfolgskriterium in den Hintergrund, da sie grundsätzlich mit dem Makel der Intransparenz und Ungerechtigkeit behaftet sind: „Ich habe den Eindruck, dass man Beziehungen haben muss, um bei [Firma 1] Karriere zu machen. Die, die Karriere gemacht haben, haben mindestens einen Sponsor in den oberen Reihen gehabt. Wie auch immer das zustande gekommen ist, das weiß ich nicht. Ob da nun die Schwiegertochter mit dem und dem, ... das bleibt ja nicht aus in so einer Stadt wie [Sitz der Konzernzentrale] ...“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Als explizites Kennzeichen deutscher Arbeitsweise wird daher der Aufbau persönlicher Beziehungen von den deutschen Managern nur in Zusammenhang mit der Anpassung an den thailändischen Wirtschaftsstil erwähnt, wo er, wie beschrieben, als teils angenehmer, teils störender Nebeneffekt der Zusammenarbeit empfunden wird. Aufgrund weniger stark ausgeprägter Beziehungsnetzwerke findet sich auf deutscher Seite anstelle thailändischer Personenloyalität daher eine stärkere Loyalität gegenüber dem Unternehmen als Institution, die langfristig entsteht und teilweise auch durch strenge Reglementierungen forciert bzw. anerzogen wird: „In Deutschland wird ja häufig eine lange Firmenzugehörigkeit auch als etwas Positives gesehen. Da gibt es schon eine gewisse Loyalität zu der Firma, in der man arbeitet.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „[Die] Mitarbeiter bei uns müssen absolut loyal zum Unternehmen stehen. Jeder, der auch nur eine Schraube klaut, der wird gefeuert. Automatisch. Das heißt, die Mitarbeiter werden zu einer Loyalität dem Unternehmen gegenüber erzogen, die es praktisch unmöglich macht, dass sie etwas Ungesetzliches dem Unternehmen gegenüber tun. Das ist auch bei mir im Kopf drin.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Obwohl eine solche Loyalität gegenüber einer Organisation grundsätzlich abstrakteren Charakter besitzt als konkrete auf einen Menschen gerichtete Treue, kann sie ähnlich dem thailändischen Patriarchatsprinzip sozial-orientierte, warme Elemente im Sinne einer Personalisierung des Unternehmens und seiner Fürsorgepflicht für den einzelnen Mitarbeiter („die Firma kümmert sich“) besitzen: „Wir arbeiten für die Firma und tun auch einen Haufen, und wir erwarten, dass die Firma auch was für uns tut. Dass die gerecht ist und fair ist. Und das hängt nicht nur mit dem Zahlen zusammen. Sondern wir erwarten auch, dass, [...] die sich kümmert, auch um die Familien kümmert, dass wenn einer krank ist, dann auch angerufen wird und gefragt wird, was hast du denn und wie geht es dir denn. Und wenn der drei Tage nicht aufzutreiben ist, dann versucht man herauszukriegen, wo der ist. Wir kümmern uns also um die Leute.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

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Unabhängig von der untergeordneten Wichtigkeit des Beziehungsaufbaus und der damit verbundenen weniger ausgeprägten Personenloyalität stellt sich aus deutscher Sicht als grundsätzliches Merkmal persönlicher Beziehungen innerhalb deutscher Unternehmen die starke Trennung von kollegialer Beziehung und Freundschaft dar, die als feststehendes Prinzip allen Äußerungen zu diesem Themenkomplex als Grundvoraussetzung eines deutschen Professionalitätsverständnisses zu unterliegen scheint: „Wir erledigen hier unsere Arbeit professionell und dann geht jeder seinem Privatleben nach.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3) „Thais fällt es schwer professionell zwischen Arbeit und Privatleben zu trennen. Auch zwischen Freunden und Arbeitskollegen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Der Aufbau einer kollegialen Beziehung ist dabei vorgegeben durch die gemeinsame Aufgabe innerhalb einer Abteilung, die ein Individuum an bestimmte andere Individuen über das Medium von Tätigkeitsüberschneidungen bindet und den beteiligten Personen automatisch einen Kollegialstatus verleiht, der auf diese Weise als unabhängig von persönlicher Sympathie oder Statuserwägungen definiert wird. Kollegiale Kommunikation und Interaktion ist aus deutscher Sicht in diesem Sinn gekennzeichnet durch ein Primat der Sachbezogenheit und Rationalität, das sich in weitgehendem Verzicht auf rein private Kommunikationsinhalte und Emotionalität sowie der Vermeidung einer Herausbildung von Abhängigkeitsverhältnissen niederschlägt: „Und sie [die deutsche Kollegin] fragte mich, wie geht es dir denn so? Meine Antwort war, ich bin glücklich. Das ist für einen Deutschen in diesem Zusammenhang ein sehr, sehr starkes Statement.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12) „Wenn ich in Deutschland sage: ‚Könntest Du mir einen Gefallen tun?’ ist die Reaktion eher: ‚Naja, mal schauen.’ Wenn es ein Gefallen ist, muss man es ja nicht unbedingt machen.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Dabei kann eine solche Kollegialbeziehung aus deutscher Sicht auch kompetitive Elemente im Sinne eines wetteifernden Sportsgeistes enthalten, ohne ihren Fortbestand notwendigerweise zu gefährden: „Aber Sie können dem [thailändischen Mitarbeiter nach einem Konflikt] nicht auf die Schulter klopfen und sagen, ach komm, jetzt trinken wir mal ein Bier, das habe ich doch nicht so gemeint. Und das ist das ja so ein bisschen die deutsche Mentalität.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Im Gegensatz zu deutschen Standardisierungen der Kollegialbeziehung stellt sich demgegenüber das Konzept der Freundschaft aus deutscher Sicht vollkommen gegenteilig dar. So wird als Grundvoraussetzung für eine Freundschaft nach deutscher Vorstellung eine gegenseitige Sympathie als absolut notwendig erachtet. Zweckungebundenheit wird darüber hinaus zur fundamentalen Basisanforderung an diese Beziehungsform, so dass in diesem Zusammenhang persönliche Vorteilserwägungen aus deutscher Sicht als unlauter bewertet müssen. Ähnlich thailändischer Personenloyalität ist das deutsche Konzept der Freundschaft auf Langfristigkeit ausgerichtet, strebt jedoch eine starke Bindungstiefe an, die durch Austausch privater und emotionaler Kommunikationsinhalte laufend aktualisiert wird.

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Ihre besondere Bedeutung für die deutsch-thailändische Zusammenarbeit erhalten die deutschen Konzepte der Freundschaft und Kollegialität im Zusammentreffen mit thailändischer Personenloyalität, da sie dort für vielfältige Missverständnisse zwischen deutschen und thailändischen Mitarbeitern verantwortlich sein können (siehe Kapitel 4.2.1.1.5.).

4.1.2.1.2 Thailändische Perspektive Während von deutscher Seite die weniger stark ausgeprägte Wichtigkeit persönlicher Beziehungsnetzwerke als förderlich für unternehmensinterne Transparenz und Chancengleichheit bewertet wird, heben die thailändischen Mitarbeiter hinsichtlich des deutschen Arbeitsstils vor allem das Fehlen persönlicher Beziehungen nach thailändischem Vorbild als Mangel hervor. So wird die deutsche Kollegialbeziehung mit ihrer strengen Beschränkung auf Arbeitsinhalt und Arbeitszeit von den thailändischen Mitarbeitern häufig als sinnentleert und kalt empfunden, da sie keinen Raum für gegenseitige Anregung („stimulation“) lässt: „They [the Germans] completely devote the working time during the week for their work. They start very early in the morning, maybe at 7.30 or at 8 and then they work until 5.30 or later, sometimes until 8.30 at night. And they do nothing but work.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „In these first years of our existence here in Thailand, there was no stimulation. Everyone just worked day by day, and at 5.30 you would just put everything in the drawer, until the next day.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Die offizielle Vermeidung gegenseitiger Abhängigkeitsbeziehungen wird in diesem Zusammenhang von thailändischer Seite als inadäquat und kleinlich wahrgenommen, da sie aus ihrer Sicht fundamentale Beziehungscharakteristika wie Reziprozität verleugnet: „For example, there is a corporate rule, that says, we don't … we don't give … gifts to the suppliers. And we also don't accept any gifts from the suppliers. But that does not work here. [… ] For New Year you have to give something. Some kind of fruit basket to say Happy New Year. For example to the governor or other important people to keep the relationship. And for some reason the top people in [company 12], they don't understand that. They said, we don't do that. I think in their minds it would be bribery, but it's not, it would be culture. They say No. I said, in Thailand, we have to do that. If you don't accept a gift, you would be insulting somebody. But both ways they didn't accept it.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Die thailändischen Mitarbeiter konstatieren in diesem Zusammenhang ein Vermeiden gegenseitiger Hilfe und Gefälligkeiten ebenfalls innerhalb des eigenen Unternehmens und beurteilen dies als ineffizienten „Dienst nach Vorschrift“: „Jeder macht seine Arbeit. Aber nur seine eigene. Wenn etwas anderes kommt, kümmern sie sich nicht darum. Sie leiten es nicht weiter an die zuständige Stelle. Sondern sagen, das ist nicht meine Arbeit!“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

Die Konzentration der deutschen Mitarbeiter auf ihren Arbeitsbereich und ihr persönliches Arbeitspensum wird darüber hinaus aus thailändischer Sicht teilweise als unpersönliche und in schweren Fällen unmenschliche Vereinzelung interpretiert, die auch als Kälte und Feindseligkeit in Bezug auf die eigene Person empfunden wird. „Sie [die Deutschen] haben auch weniger Kommunikation. Sie arbeiten eher für sich alleine. Nicht richtig zusammen. Jeder macht seine Arbeit.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

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„How can you sit in your room all the time? You have to walk around, create the relationship first. I think it's in the nature of the human being.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „I feel they [the German colleagues] are not so friendly to me. When I for example had a coffee break, I felt that all the women looked at me like that. [macht ein abschätziges Gesicht und schaut kritisch von oben nach unten] So I didn't feel very well. I was actually invited to work in Germany, but I didn't want to go.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Als extrem unverständlich erscheint darüber hinaus der aus thailändischer Sicht eng mit deutschem Beziehungsverhalten verbundene Aspekt der Selbstkasteiung, der sich beispielsweise im bewussten Vermeiden menschlicher Kontakte bis hin zum Verzicht auf Nahrungsaufnahme äußert. „During the day they […] have no lunch, no lunch [lacht], meeting the whole day, meeting by meeting, no personal communication. I often ask myself, how can you work like this?“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Während die stark standardisierte deutsche Kollegialbeziehung aus thailändischer Sicht insgesamt also vor allem durch menschliche Kälte gekennzeichnet ist, beobachten einzelne thailändische Mitarbeiter darüber hinaus die Möglichkeit zu einer persönlicheren Beziehung mit ihren deutschen Kollegen. Diese Diagnose unerwarteter Weichheit („soft factor“) scheint dabei dem deutschen Freundschaftskonzept zu entsprechen. Eine solche Beziehungsform wird aus thailändischer Perspektive als versteckte Seite deutschen Beziehungsverhaltens („hard to discover“) erfahren. Eine Realisierung dieses vertieften Beziehungsniveaus gilt daher als nichtplanbare, quasi-zufällige Sondersituation, die jedoch bei ihrer Verwirklichung als extrem langfristig und verlässlich bewertet wird: „If I compare the Germans and the Americans that I have worked for, it seems to me that they are very different. […] No relationship. No relationship. He is friendly, he talks to you nicely, but that doesn't mean that he likes you. The Germans are different. I think the Germans have a soft factor, they are not only focused on the work. […] Because of this soft factor, I think a lot of locals feel comfortable to work with Germans. […] This soft factor is harder to discover. But if a German is your friend, I think he is really your friend.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

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4.1.2.1.3 Übersicht: Deutscher Beziehungsaufbau

Beziehungsaufbau

Deutscher Wirtschaftsstil

Deutsche Perspektive • Untergeordnete Wichtigkeit eines sozialen Netzwerks

Thailändische Perspektive • Untergeordnete Wichtigkeit eines sozialen Netzwerks

• Abstrakte Firmenloyalität • Trennung von Freundschaft und Kollegialität – Kollegiale Beziehung an gemeinsame Aufgabe gebunden, Primat der Sachbezogenheit

• Fehlen persönlicher Beziehungen nach thailändischem Vorbild – Sinnleere, Kälte (Beschränkung der Kollegialbeziehung auf Arbeitsinhalt und -zeit) – Vereinzelung (Konzentration auf individuellen Arbeitsbereich) – Ineffizienz (Vermeiden gegenseitiger Hilfe/Gefälligkeiten)

– Freundschaft ist zweckungebunden, Primat der Langfristigkeit und Tiefe

– Freundschaft als Sondersituation: Besondere Verlässlichkeit

Abb. 30: Beziehungsaufbau als Teil des deutschen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive

4.1.2.2. Deutsches Hierarchieverständnis

4.1.2.2.1 Deutsche Perspektive Im Vergleich zur als ausgeprägt empfundenen Hierarchie des thailändischen Wirtschaftsstils wird Hierarchie von den deutschen Managern kaum explizit erwähnt. Indirekt lässt sich daraus auf ein als schwächer und weniger klar definiertes eigenes Hierarchiegefüge aus deutscher Sicht schließen. Als Hierarchie-Kriterien für die Bestimmung von Über- und Unterordnung und damit für den Erfolg eines Individuums innerhalb eines Unternehmens werden nur wenige Aspekte genannt. Als wichtigste Kriterien stellen sich dabei die Faktoren individueller Leistung und fachlicher Kompetenz dar, die, da sie soziale Durchlässigkeit der Organisation erlauben, grundsätzlich als moralisch gerechtfertigt und damit auch als ideale Zielkriterien angesehen werden: „Was bei uns doch zählt, ist, kann einer was, bringt einer was! Das ist bei den Thais nicht unbedingt so.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Wir sind sehr leistungs- und ergebnisorientiert.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3)

Als Nebeneffekt des Leistungs- und Kompetenzkriteriums kann sich aus deutscher Sicht jedoch auch eine zu starke Konzentration auf die Demonstration eigener Stärke ergeben, die im Einzelfall zur Verhinderung kooperativer Zusammenarbeit beitragen kann: „Es ist [in Deutschland] auch eher ein Zeichen von Schwäche, wenn man sagt: ‚Ich komme da nicht weiter.’“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

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Neben der bereits geschilderten deutschen Diagnose, dass neben der persönlichen Leistung in der Realität auch Beziehungen bei der Hierarchieentwicklung eine Rolle spielen können (siehe Kapitel 4.1.2.1.1.), kann besonders innerhalb von Großkonzernen auch eine individuelle Unauffälligkeit im Sinne einer Vermeidung sichtbarer Fehler der Karriere innerhalb des Hierarchiegefüges dienen: „Vielfach sind die, die ganz oben landen, Leute, die flexibel waren. Die sich nicht aus dem Fenster gelehnt haben... [Man toleriert keine Fehler?] Wahrscheinlich ja. Die, die Karriere machen, haben keine Fehler gemacht. Und wann macht man keine Fehler? Wenn man keine Entscheidungen trifft ... ‚Es entscheidet sich.’ Das ist so ein Spruch bei [Firma1] [lächelt]: ‚Es entscheidet sich.’“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Interessant erscheint, dass hier von deutscher Seite aus das gleiche Bild des „Sich-nicht-zuweit-aus-dem-Fenster-Lehnens“ verwendet wird, mit dem auch häufig thailändisches kreng-jaiVerhalten im Rahmen von Gruppensituationen beschrieben wird, das von deutscher Seite anscheinend zwar als extremere Form aber doch grundsätzlich als ähnlich motiviert verstanden wird. Neben dem Leistungskriterium und zusätzlichen Spezialkriterien identifizieren einzelne deutsche Manager auch den Faktor Geschlecht als Einfluss auf hierarchische Über- und Unterordnung innerhalb deutscher Unternehmen und konstatieren eine weniger stark ausgeprägte Präsenz deutscher Frauen in oberen Hierarchiebereichen: „In meinem Umfeld, das ist natürlich technisch orientiert, hatte ich in Deutschland in meinem gesamten Berufsleben bei [Firma 1] noch mit keiner einzigen Frau in einer Führungsposition zu tun. Es gab da mal eine einzige. In Thailand hatte ich schon mehrfach mit Frauen zu tun, auch im technischen Bereich. Gerade auch als Vertreter von Lieferanten, das waren hier oft Frauen. Auch bei Firmen aus dem technischen Bereich.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Neben diesen Hierarchiekriterien weisen auch die Ausprägungen deutscher Hierarchie aus deutscher Sicht gravierende Unterschiede zum thailändischen Wirtschaftsstil auf. Während sich, wie bereits gezeigt wurde, thailändische Hierarchie besonders durch eine ausgeweitete Verantwortungsübernahme des Übergeordneten sowie eingeschränkte Verantwortungsübernahme des Untergeordneten auszeichnet, manifestiert sich deutsche Hierarchie aus deutscher Perspektive besonders als Übernahme persönlicher Verantwortung auf allen Ebenen. Diese Erwartung von Verantwortungsübernahme, von der sich niemand ausschließen kann, geht dabei im günstigen Fall einher mit der Gewährung großer persönlicher Freiheit in der Gestaltung des zu verantwortenden Arbeitsbereichs: „Ich denke es geht letztlich um die Wichtigkeit des Individuums und die individuelle Freiheit. In Deutschland haben individuelle Freiheiten und auch individuelle Rechte innerhalb der Unternehmen eine hohe Priorität.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

Daraus ergibt sich zum einen eine stark ausgeprägte Verantwortungsübernahme des Untergeordneten für den ihm zugeordneten Bereich, die als grundsätzliche Erwartungshaltung besonders in den deutschen Äußerungen zum Phänomen thailändischer „Rückdelegation“ zum Ausdruck kommt:

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„Zum Thema Verantwortung. Das ist auch etwas, was in Thailand ganz extrem ist, diese Rückdelegation. Keiner übernimmt erst mal direkt selber Verantwortung.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Man muss den Leuten erklären, dass sie Verantwortung haben und dass sie die auch ausüben müssen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Zum anderen wird neben der individuellen Übernahme von Verantwortung für den eigenen Arbeitsbereich auch eine übergeordnete Verantwortungsübernahme des hierarchisch Höherstehenden für das Wohl seiner Mitarbeiter nicht nur von unten erwartet, sondern auch von oben als moralische Aufgabe erfahren. Diese Art der Übernahme von Verantwortung zeigt sich beispielsweise in der beruflichen Förderung von untergebenen Mitarbeitern oder der Verpflichtung zur Sicherung der Unternehmenskontinuität: „Aber das war deshalb von mir so deutlich gesagt worden, weil er eben ein Kollege war und nicht ein [untergebener] Mitarbeiter. Zu so einem Mitarbeiter hätte ich das vielleicht vorsichtiger gesagt, weil ich mich für den mehr verantwortlich fühle, den in die richtige Position zu bringen.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Wenn nicht genügend Arbeit da ist, ist es im Prinzip unsere Verpflichtung [die der Geschäftsführer], die Arbeit ranzuschaffen.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Darüber hinaus manifestiert sich Verantwortungsübernahme des Übergeordneten für das Wohl der Mitarbeiter in deutscher Unternehmenstradition oft als soziales Element, das von den deutschen Managern häufig in Form von ausgeprägter Väterlichkeit bzw. Menschlichkeit in der Person des Vorstands oder Geschäftsführers, oft auch des Unternehmensgründers, im Umgang mit seinen Mitarbeitern beschrieben wird: „Die Unternehmenskultur der [Firma 6], die hatte schon einen sehr sozialen Charakter. Die Vorstände, die waren natürlich auch an dem Fortkommen des Unternehmens interessiert, aber es gab auch immer viel Verständnis für die persönliche Situation des Einzelnen. Man fühlte sich da schon auch verantwortlich. Es war eine sehr menschliche Kultur.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Dabei ist auffällig, dass diese soziale und gleichzeitig patriarchale Komponente deutschen Hierarchieverständnisses häufig in Form von unternehmensweit bekannten Geschichten beschrieben wird, die gerade bei traditionsreichen deutschen Unternehmen das grundsätzliche Bild der Mitarbeiter von ihrer Unternehmenskultur zu prägen scheinen (siehe Abbildung). „Da gibt es ein schönes Beispiel. Eine Geschichte, die öfter erzählt wurde. Das ist schon länger her, ich weiß auch nicht, ob es stimmt, aber einmal an Weihnachten kam der Vorstand in der Produktion vorbei. Die Arbeiter, die gerade Schicht hatten, arbeiteten da, und der Vorstand kam und hat sich mit ihnen unterhalten. Und da hat er auch mit einem gesprochen, wie's ihm so geht. Gefragt, ob er Kinder hat. Ja, hatte er. Und was seine Frau macht. Ja, sagt der Mitarbeiter, die muss auch arbeiten. Da hat der Vorstand ihn gefragt, wie wäre es, wenn Sie im Monat 300 DM mehr hätten. Müsste sie dann auch arbeiten? Nein, hat der Mann gesagt, dann würde es wohl reichen. Da hat der Vorstand ihm einfach so eine Gehaltserhöhung gegeben. [lacht] Ich meine, das ist ja nur so eine Geschichte, aber es zeigt schon, wenn man so jemanden in der Firma hat, dann bringt der einfach irgendeine Wärme da rein.“ (Deutscher Geschäftsführer)

Abb. 31: Beispiel für patriarchale Prägung deutscher Hierarchie aus deutscher Perspektive

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Die allgemeine Erwartung der Verantwortungsübernahme an Mitarbeiter auf allen Ebenen ist aus deutscher Sicht gleichzeitig eng verknüpft mit einer im thailändischen Vergleich weitaus geringeren Distanz zwischen den Hierarchieebenen. Dabei sorgt das ausgeprägte Leistungsprinzip mit seinem Element sozialer Durchlässigkeit zum einen für eine verstärkte Angreifbarkeit des Übergeordneten, der die Rechtfertigung seines Status unablässig unterstreichen muss, um seine Hierarchieposition nicht zu verlieren: „In Deutschland ist das oft ganz anders. Selbst wenn du in der leitenden Position bist, musst du manchmal darum kämpfen, dass du diese Position im Meeting auch behälst und sich keiner in den Vordergrund drängt.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „In einem deutschen System würde ich untergehen, wenn ich die Einflussfunktion, die ich als Manager habe, nicht wahrnehmen würde [...] In Deutschland muss man ganz stark sein, und wenn da irgendwie Widerspruch kommt, muss man auch versuchen, das runterzubügeln.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Zum anderen trägt das beschriebene soziale Element dazu bei, dass ausgeprägter Standesdünkel der Übergeordneten im Sinne formaler Machtdemonstration oder persönlicher Abschirmung von den Belangen und Tätigkeiten untergeordneter Mitarbeiter zumindest nach außen hin als verpönt gilt. Von den deutschen Managern wird dieser Aspekt besonders als Darstellung des Respekts vor einfachen Arbeitern und ihrer Wichtigkeit für den Unternehmenserfolg hervorgehoben, der sich besonders in gemeinsamem „Mitanpacken“ in Krisensituation äußern kann. „Ich hatte auch mal so ein Erlebnis, da war ich noch ganz jung. Da wollte ich in den Aufzug und dann kam der Vorstand und wollte auch gerade einsteigen. Ich habe ihn natürlich erkannt und wollte ihn vorlassen, aber er hat gesagt, ne ne, gehen Sie da mal rein, Sie müssen ja arbeiten! [lacht].“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „Zum Beispiel, wenn's drauf ankommt, wenn etwas schnell fertig werden musste. Damals [...] mussten wir noch einen wichtigen Auftrag fertigstellen, wir hatten aber zu wenig Leute. [...] Aber da haben wir als Manager auch überlegt, wie können wir einspringen, wie können wir in der Produktion helfen? [...] Also haben wir Qualitätskontrolle gemacht. Wir sind dann wirklich am Wochenende reingekommen, und haben da jeder ein paar Stunden mit den Arbeitern in der Produktion zusammengearbeitet.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „In unserer Firma wird erwartet, dass ein Manager einer Abteilung nicht nur Manager ist und alles deligiert, sondern wenn die Arbeitsbelastung einen gewissen Level annimmt, wird es durchaus erwartet, dass der auch mit einspringt und mit seinen Kollegen das anpackt.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Aufgrund der offiziellen Betonung der Vermeidung von sichtbarem Standesdünkel wird äußere Hierarchiedemonstration in Form von Statussymbolen zwar als existent erwähnt, erscheint jedoch aus deutscher Sicht im Vergleich zu thailändischer Statuspräsentation von untergeordneter Wichtigkeit. „Gut, ich meine, Statussymbole gibt es in Deutschland auch. Da muss auch der eine mehr Blätter am Gummibaum haben als der andere. Aber insgesamt ist das hier [in Thailand] noch mal ganz was anderes.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Neben diesen allgemeinen Aspekten deutschen Hierarchieverständnisses ergeben sich auf Basis der Interviewprotokolle deutliche Unterschiede in der Charakterisierung von Hierarchie in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße, die besonders im Vergleich der Aussagen von Mitarbeitern in Großkonzernen und Mittelstandsunternehmen offenbar werden.

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Dabei wird bei der Beschreibung der Hierarchie in deutschen Konzernen besonders die ausgeprägte Bürokratie dargestellt, die sich in strikter Einhaltung des offiziellen Dienstwegs zur persönlichen Absicherung und langer Entscheidungswege manifestiert und häufig in Form von Extrembeispielen geschildert wird: „Bei meinem ersten Arbeitgeber war das so, wenn man einen Taschenrechner wollte, musste man einen Investitionsantrag stellen, der ging dann hoch, wurde dann in der Sektion genehmigt und dann zum Einkauf weitergegeben. Und nach einem halben Jahr kam das Ding dann auch. Es wurde auch genau festgelegt, ich durfte nicht einfach so einen Brief an andere Bereiche schreiben. Der Verteiler war eine hochpolitische Angelegenheit. Der wurde festgesetzt von den Vorgesetzten.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Im Gegensatz dazu beschreiben deutsche Mitarbeiter von Mittelstandsfirmen die Hierarchien innerhalb der Unternehmen als flach und betonen die Vorteile kurzer Entscheidungswege und grundsätzlichem Risikobewusstsein, besonders der Gründerpersönlichkeiten, die zu erhöhter persönlicher Gestaltungsfreiheit innerhalb der Hierarchie beitragen: „Die Organisation von [Firma 13] ist wirklich professionell. Wenn ich ein Problem habe, über Fax oder Email, ich kriege sofort ein Antwort darauf. Ich kriege auch eine Entscheidung. Wenn wir hier Geld brauchen, ich brauchte zum Beispiel einmal innerhalb von zwei Tagen 1,5 Mio. DM, das Geld war da. Ganz kurze Entscheidungswege. Keine Bürokratie. Die Leute stehen zu Aussagen, das ist wirklich angenehm.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Ich weiß das schon zu schätzen, dass wir ein inhabergeführtes Unternehmen sind. Die Entscheidungswege sind kürzer und man hat immer das Bewusstsein, wenn man eine schnelle Entscheidung braucht, dass man immer den Draht zum Eigentümer hat. [Die] jetzige Managementriege des Unternehmens in Deutschland, die teilweise auch schon unter dessen Vater gearbeitet haben, die haben schon so ein bisschen Unternehmerblut. Das sind Unternehmer und keine Unterlasser. Die scheuen auch kein Risiko.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

4.1.2.2.2 Thailändische Perspektive Im Vergleich zur eigenen Hierarchie wird die deutsche Hierarchie aus thailändischer Sicht teilweise als ähnlich ausgeprägt, teilweise als weniger ausgeprägt erfahren. Einigkeit besteht jedoch darin, dass die eigene Anpassung an die Struktur deutscher Hierarchie grundsätzlich nicht als schwierig empfunden wird: “In terms of hierarchy, I think it's similar to the Thai. Both have strong hierarchies. In this respect it is not difficult to adapt.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Als größter Unterschied zwischen thailändischer und deutscher Hierarchie werden von thailändischer Seite die Kriterien für die Bestimmung von Über- und Unterordnung und damit für Erfolg innerhalb eines Unternehmens hervorgehoben. Dabei erhält die deutsche Betonung des Leistungsprinzips von den thailändischen Mitarbeitern eine Bestätigung, die diesen Aspekt zunächst als ungewöhnlich und fremd empfinden. “Die Kultur hier von [Firma 3] ist eher leistungsorientiert. Man wird nach seiner Leistung beurteilt. Das war erst neu für mich.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) „When I started to work here, three weeks later [members of the German board] came here to Thailand for a big press conference. […] I said to Mr. A, I am only here for three weeks! You want me to arrange this big press conference, the hotel reception, and everything! And I have no other people! He said, it’s a test. I said,

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ok, if it’s a test, I am going to prove that I can do it.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Ähnlich wie die deutschen Manager heben die thailändischen Mitarbeiter in diesem Zusammenhang besonders den Aspekt der Übernahme persönlicher Verantwortung auf allen Ebenen hervor, den sie nach einer Gewöhnungsphase durchweg nicht nur als stärkere persönliche Verpflichtung, sondern auch als Chance für die eigene Gestaltungsfreiheit empfinden. „Von den deutschen Firmen bekommt man sehr viel Vertrauen, man bekommt mehr Verantwortung. Aber es wird auch mehr von einem verlangt. [...] Hier bei [Firma 3] habe ich erst als Sekretärin gearbeitet. Dann habe ich aber jedes Jahr mehr Verantwortung bekommen und jetzt bin ich Deputy Representative.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) „So what I like is that freedom to act, but that also means that you have to take responsibility. You have to come up with your own ideas, you can do everything, as long as it is within the lines of the company policies.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Diese Zweischneidigkeit deutscher Hierarchie wird häufig auch in Form von Geschichten belegt, die den ersten persönlichen Kontakt mit dieser Form von Hierarchie schildern (siehe Abbildung): “During my first week, I found a message on my table that said, please come to my office. It was signed by my [German] boss. And there was also a chart with a lot of numbers that I didn't understand. So I read the message and thought, oh, I have to hurry. I took the chart with me and went to his office. He sat there and looked at me. He waited. I didn't say anything because he is the boss. Finally, he said, so what do you think about those numbers. I was surprised, because I had not really looked at them, so I could not answer. I thought he would tell me what to do with them. But he said, no that is your job. I will not tell you what to do. The next time you come, come prepared and find a way to solve the problem yourself. Then you can tell me about it.” (Thailändisches Mitglied der Geschäftsführung)

Abb. 32: Beispiel deutscher Erwartung der Verantwortungsübernahme aus thailändischer Perspektive

Auf der anderen Seite wird auch die deutsche Verantwortungsübernahme des Übergeordneten für das Wohl seiner Mitarbeiter von thailändischen Mitarbeitern, die berufliche Erfahrung mit Unternehmen aus anderen westlichen Ländern besitzen, explizit betont: “If I compare the Germans and the Americans that I have worked for, it seems to me that they are very different. The Americans have a very forecast-oriented … no that is not the right word, a very target-oriented style. No relationship. No relationship. He is friendly, he talks to you nicely, but that doesn't mean that he likes you. The Germans are different. I think the Germans have a soft factor, they are not only focused on the work.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Die von den Deutschen beschriebene geringere Machtdistanz zwischen verschiedenen Hierarchieebenen wird ebenfalls von den thailändischen Mitarbeitern bestätigt, hier jedoch vor allem als größere Angreifbarkeit des Übergeordneten erfahren, der trotz seiner Position an die Berücksichtigung rationaler Argumentation durch den Untergeordneten gebunden erscheint. “If in a Thai organization you try to challenge your bonus or the company, I will try to find a way to kick you out. Here, people [the Germans] ask first, is it maybe right, is there a reason. I think that is an important difference.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Ähnlich wie die Manager deutscher Großkonzerne heben auch besonders die thailändischen Mitarbeiter, die Erfahrung mit amerikanischen Unternehmen ähnlicher Größe besitzen, die ausgeprägte Bürokratie innerhalb der deutschen Firmen hervor, die aus thailändischer Sicht mit

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ihrem langem Dienstweg als extrem entscheidungsverzögernd empfunden wird: “When I started working at [company 1], I remember that it was very strange to me that the decision making process here is slower than at the American companies that I have worked for. I didn't feel encouraged to take my own decisions, even in the area that I have been working for. I had to ask permission, ask permission, ask permission all the time. From my supervisor, and the supervisor would ask permission from their boss in Germany. And that has not really changed. The reason for this is that everybody wants to be acknowledged, they want to be informed first.” (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1)

Da keiner der befragten thailändischen Mitarbeiter vergleichende Erfahrung mit deutschen Konzernen und deutschem Mittelstand besaß, ließ sich hier insgesamt keine Differenzierung der Hierarchiestrukturen nach Unternehmensgröße feststellen. Auch die von den Deutschen als weniger stark ausgeprägte äußere Hierarchiedemonstration innerhalb deutscher Unternehmen wird von den thailändischen Mitarbeiter nicht erwähnt.

4.1.2.2.3 Übersicht: Deutsches Hierarchieverständnis

Hierarchieverständnis

Deutscher Wirtschaftsstil

Deutsche Perspektive • Weniger stark ausgeprägte Hierarchie • Kriterien: – Leistung/Kompetenz – (Großkonzerne): Unauffälligkeit – Geschlecht • Äußerungsform: Übernahme persönlicher Verantwortung auf allen Ebenen – Untergeordneter: Verantwortungsübernahme für eigenen Bereich – Übergeordneter: Verantwortungsübernahme für Mitarbeiterwohl, soziales Element • Folge: Geringe Machtdistanz zw. Ebenen – Vermeidung von Standesdünkel – Angreifbarkeit des Übergeordneten (Rechenschaft, Kompetenzdemonstration) • Ausgeprägte Bürokratie (Großkonzerne)

Thailändische Perspektive • Ähnlich ausgeprägte Hierarchie • Kriterien: – Leistung

• Äußerungsform: Übernahme persönlicher Verantwortung auf allen Ebenen – Untergeordneter: Verantwortungsübernahme für eigenen Bereich, pers. Freiheit – Übergeordneter: Verantwortungsübernahme für Mitarbeiterwohl, soziales Element • Folge: Geringe Machtdistanz zw. Ebenen – Angreifbarkeit des Übergeordneten • Ausgeprägte Bürokratie (Großkonzerne)

Abb. 33: Hierarchieverständnis als Teil des deutschen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive

4.1.2.3. Deutsches Konfliktverhalten Während die interkulturelle Gegenüberstellung des Hierarchieverständnisses zwar große Unterschiede im deutsch-thailändischen Vergleich, jedoch auch große Überschneidungen in der gegenseitigen Bewertung durch deutsche und thailändische Mitarbeiter aufzeigt, kommt dem Bereich des Konfliktverhaltens eine besondere Rolle zu, da er nicht nur große Verhaltensunterschiede zwischen Deutschen und Thais offenbart, sondern auch grundsätzlich verschiedenen Interpretation dieser Unterschiede ausgesetzt ist.

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4.1.2.3.1 Deutsche Perspektive Aus deutscher Sicht kommt dem eigenen Umgang mit Konflikten im deutschen Arbeitsalltag wie schon aus thailändischer Sicht ebenfalls eine besondere Bedeutung zu, allerdings nicht aufgrund der Gefahr eines potentiellen Gesichtsverlusts im destruktiven Sinn, sondern im konstruktiven Sinn als Grundlage für die Lösung von Problemen. Da aus deutscher Sicht das spontane und wiederkehrende Auftreten von Problemen, die eine gemeinsame Zusammenarbeit belasten und den Unternehmenserfolg gefährden können, als Normalität bewertet wird, besteht ein grundsätzliches Primat der Problemlösung als Basisanforderung an jeden Mitarbeiter. Konflikte werden aufgrund dieser Problemorientierung aus deutscher Sicht daher folgerichtig als notwendig empfunden, um zur geforderten Problemlösung beizutragen, indem sie als Problemsymptome oder -indikatoren dabei helfen, Fehler zu erkennen, diese zukünftig zu vermeiden und somit eine Weiterentwicklung des Unternehmens zu ermöglichen. Dieser Ansatz schlägt sich besonders in Begriffen wie „konstruktive Streitkultur“ nieder und wird aus deutscher Sicht sogar als bestimmend für deutsches Kommunikationsverhalten insgesamt bewertet: „Zum Beispiel unsere konstruktive Streitkultur, die ist hier schwieriger umzusetzen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „In Deutschland kommuniziert man eher, um Unterschiede herauszufinden und diese dann auszuräumen.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Voraussetzung für eine solche „Streitkultur“ ist der Glaube an eine grundsätzliche Lösbarkeit von Problemen und damit auch an die „Ausräumung“ von Konflikten. Häufig stellt sich dies als Suche nach dem objektiven Tatbestand dar, dessen Existenz selten angezweifelt wird und aus deutscher Sicht gefunden werden muss, um im Sinne einer Aufklärung der Wahrheit die Auflösung des Konflikts zu bewirken (siehe Abbildung).

„Mein Ansatz ist bei Konflikten ist immer, erst herauszufinden, wo kommt das eigentlich her. Der eine geht von den Annahmen aus, der anderen von denen. Wenn die Annahmen unterschiedlich sind, kann auch das Ergebnis nicht gleich sein. Hinterher kommt zu Beispiel raus: Hier in diesem Bereich wollte der eine Pumpenstation bauen, das hatte er aber nie gesagt. Das war aber der Grund, warum er gegen den Vorschlag war, dort eine Anlage zu bauen. Oder aber einer hat irgendwann mal gesagt, er braucht 50 Leute. Mit dem neuen Vorschlag braucht er aber vielleicht 60 Leute und damit kann er nicht mehr für den Vorschlag sein, denn dann würde er sich ja widersprechen. Also, in diesem Sinne, ist es mein Ansatz hinter die wahren Ursachen zu kommen, weil ich glaube, dass wenn alle von den gleichen Prämissen ausgehen, kann ja am Ende nur die gleiche Meinung herauskommen.“ (Deutscher Projektleiter)

Abb. 34: Beispiel für deutsche Objektivitätssuche aus deutscher Perspektive

Zur Lösung von Konflikten werden insgesamt verschiedene Kommunikationsstrategien angewandt, die sich insgesamt zu den beschriebenen thailändischen Verhaltensweisen als diametral entgegengesetzt erweisen. So wird beispielsweise verbale Direktheit als Grundvoraussetzung zur Lösung von Konflikten betrachtet, da die Zuspitzung von Gegensätzen bei der Identifikation der Konfliktursachen als sinnvoll angesehen wird. Diese Direktheit, die häufig als „Schärfe“ oder auch mit dem Bild des „auf den Punkt Bringens“ beschrieben wird, geht dabei einher mit dem Bemühen um verbale Eindeutigkeit und Verbindlichkeit, die sich oft in der Einschränkung von Kommunikationsalternativen auf binäre Auswahlen („ja oder nein“, „schwarz oder weiß“) äußert:

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„Wir sind da immer sehr scharf, und bringen immer alles sehr schwarz-weiß auf den Punkt.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) „Sich festlegen auf irgendwas, das werden Sie von einem Thailänder nie hören. Da ist immer ‚maybe’ im Satz oder ‚unlikely’ oder ‚I think’. [lacht] Aber nie die Sache [klopft auf den Tisch] auf den Punkt.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „In Deutschland werden Sie oft ja und nein oder schwarz und weiß hören.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Die von deutscher Seite geforderte Direktheit kann dabei auch in offene Kritik des Gegenübers münden, die bei rationaler Rechtfertigung wenig Sanktionen zu erwarten hat. Der Aspekt der Offenheit in seiner Verbindung mit direkter Konfrontation von Angesicht zu Angesicht schlägt sich dabei in deutschen Sprachbildern nieder, die häufig den Kopf des Gegenübers thematisieren („auf den Kopf zusagen“, „ins Gesicht sagen“): „Ich habe in der Vergangenheit [in Deutschland] auch immer den Leuten auf den Kopf zugesagt, was sie falsch gemacht haben.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Die Standardisierung der Offenheit äußert sich darüber hinaus nicht nur in der Toleranz direkter Kritik sondern auch in der Erwartung von selbständiger Klärung von Unklarheiten durch den Untergebenen (z.B. durch Fragen) sowie der proaktiven Frühinformation des Vorgesetzten durch seine Mitarbeiter im Fall von Problemen. Auch hier verleihen bekannte Sprichwörter, die besonders die Katastrophensituation einer Unterlassung ausmalen („das Kind ist in den Brunnen gefallen“, „Schrecken ohne Ende“), der grundsätzlichen Richtigkeit dieser Annahmen aus deutscher Sicht Ausdruck: „Der größte Fehler, den ein Mitarbeiter bei uns begehen könnte, wäre, Probleme, die man erkannt hat, nicht zu kommunizieren. Das wird nur schwer verziehen. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3) „Und es bedarf enorm viel Überzeugungsqualität, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass es schon Sinn macht, jedes Thema, egal ob positiv oder negativ, zu besprechen, hier intern zumindest, damit man handeln kann, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Aufschlussreich in seinem extremen Gegensatz zum thailändischen Konfliktverhalten erscheint in diesem Zusammenhang die sprachliche Verbindung von „besser“ mit einem aktiven Verb wie „ansprechen“ oder „informieren“ (z.B. „besser, ich informiere ihn“), die das Gegenstück zu der von thailändischer Seite häufig gehörten Formulierung des „better not“ (z.B. „better not talk to him“, siehe Kapitel 4.1.1.3.) bildet: „In Deutschland muss ich den Chef informieren. Das ist unsere Auffassung. Wenn er nicht fragt, müsste ich ihn trotzdem informieren. Vielleicht aus der Annahme heraus, dass er sich ja nicht um jeden kümmern kann. Er hat ja andere Dinge zu tun. Wenn ich etwas habe, dann muss ich ihm das auch sagen. Sonst vertritt er mich vielleicht nicht richtig an einer anderen Stelle. Besser, ich informiere ihn.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Ähnlich wie die thailändischen Mitarbeiter verwenden die deutschen Manager neben den beschriebenen Strategien zur Konfliktvermeidung verschiedene Verhaltensstrategien zur Konfliktlösung, denen sich ebenfalls eine ritualisierte Reihenfolge zuordnen lässt.

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So steht am Anfang zumeist die schon besprochene Konfliktidentifikation mit ihrer Zuspitzung von Gegensätzen zu offenen Streitpositionen: „In Deutschland heißt es da erst mal: ‚Moment mal! So geht's ja nicht.’“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „In einer solchen Situation [Konflikt] in Deutschland würde man einfach erst mal fragen: Was ist dein Problem? Und dann würde der andere einem vermutlich innerhalb eines gewissen Rahmen sagen, was los ist. [...] In Deutschland kann man einfach fragen.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

Häufig wird dieser Verhaltensschritt begleitet durch das gemeinsame Zusammentreffen der Konfliktparteien beispielsweise innerhalb eines Meetings oder der deutschen Form der „Besprechung“, deren Bezeichnung schon den Zweck des verbalen Austausches von eventuell gegensätzlichen Positionen enthält. Innerhalb der Besprechung wird zumeist in einer zweiten Phase das offene Austragen des Konflikts favorisiert, bei dem Klärung vor allem durch Konfrontation gesucht wird und das Zeigen und Ausleben von persönlichem Stress in Form von Ärger und Wut grundsätzlich als mögliche Verhaltensstrategie anerkannt ist. In diesem Zusammenhang unterstreicht die außergewöhnliche Vielfalt deutscher Metaphern und Beispiele für das aggressive Austragen von Konflikten („auf den Tisch hauen“, „mit dem Hammer draufhauen“, „jemanden zusammenstauchen“) nachhaltig die Wichtigkeit dieses Elements innerhalb deutschen Konfliktverhaltens, das besonders im Kontrast zu thailändischem Verhalten plastisch beschrieben wird: „Da kriegte ich plötzlich einen Anruf von meinem Chef. Der sagte, kommen sie mal bitte in mein Büro. Dort machte er schnell die Türen zu. Die waren schalldicht. Und dann fing er an. Und beschimpfte mich. Der hörte gar nicht wieder auf.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „[...] wenn man überall mit dem Hammer draufhaut“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „[...] jemanden zusammenfalten, stauchen oder so, wie das in Deutschland üblich ist“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Und wenn was nicht so funktioniert, dann schreit man rum und haut auf den Tisch.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4) „Das was bei uns üblich ist, in einer hitzigen Diskussion auf den Tisch zu hauen, schon allein das Gesicht zu verziehen oder jemanden anzubrüllen, das ist etwas, was hier ganz tödlich ist.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Wir sind für die Thais ja wie die Axt im Walde. Wie die Holzhacker. Mit unserem ganzen Verhalten und Auftreten.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Als dritte Phase nach dem Austragen des Konflikts stellt sich das Festlegen von Konsequenzen dar, das in der Sanktionierung der als schuldig Identifizierten und in der gemeinsamen Festlegung von zukünftigen Verhaltensregeln oder Verhaltensanpassungen bestehen kann, die erneute Konflikte ähnlicher Art verhindern sollen. Der deutschen Sicht von Konfliktlösung scheint hier grundsätzlich ein auf die Zukunft gerichtetes Element innezuwohnen, das erneut die Wichtigkeit von Konflikten aus deutscher Perspektive unterstreicht. „Und wenn was nicht so funktioniert, [...] bestraft man Leute, wenn sie’s nicht richtig machen.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

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„Wirklich, wir Deutschen sind ja der Meinung, wir sitzen hier jetzt an einem Tisch, da wird Tacheles geredet, und danach ist dann alles klar. Und dann weiß man genau... danach verhalten wir uns dann auch.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4) „Wenn irgendwas mal schiefläuft, muss es in Zukunft eine Regel geben, die das verhindert.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Den Abschluss deutscher Konfliktlösung bildet schließlich die, besonders in der Form des gemeinsamen „Biertrinkens“, ritualisierte Phase der Versöhnung der Konfliktpartner. Dabei wird erwartet, dass eventuell im Rahmen des Konfliktaustragens entstandene gegenseitige Gesichtsverletzungen in kameradschaftlicher und sportlicher Weise zurückgenommen bzw. verziehen werden, so dass die persönliche Integrität der Konfliktpartner auf diese Weise wiederhergestellt wird: „Aber Sie können dem nicht auf die Schulter klopfen und sagen, ach komm, jetzt trinken wir mal ein Bier, das habe ich doch nicht so gemeint. Und das ist ja so ein bisschen die deutsche Mentalität.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

4.1.2.3.2 Thailändische Perspektive Auch aus thailändischer Sicht kommt dem deutschen Umgang mit Konflikten im Arbeitsalltag eine besondere Bedeutung zu. Während die Deutschen ihr eigenes Konfliktverhalten jedoch als konstruktiv und orientiert auf Problemlösungen verstehen, berichten die thailändischen Mitarbeiter von einer grundsätzlich anderen Wahrnehmung. So wird deutsches Konfliktverhalten aus thailändischer Sicht hingegen charakterisiert als eine starke Tendenz zur Problemerzeugung. Dabei scheinen Konflikte aus thailändischer Perspektive eine besondere Anziehung auf die deutschen Mitarbeiter auszuüben: „Germans tend to always go for the conflict.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1).

Die thailändische Interpretation der Konflikterzeugung von deutscher Seite in Situationen, in denen aus deutscher Sicht bereits ein Problem besteht, demonstriert sich besonders deutlich am Beispiel einer deutsch-thailändischen Pressekonferenz (siehe Abbildung). Während für die deutschen Kollegen der Katastrophenfall bereits eingetreten ist (Vorabveröffentlichung von vertraulichen Informationen), interpretiert die thailändische Mitarbeiterin den Vorfall zwar als potentiell kritisch, verhindert jedoch ihrer Interpretation nach mit ihrem Vermeidungsverhalten (Nichtansprechen des Vorfalls auf der Pressekonferenz) den Ausbruch eines offenen Konflikts, der durch direkte Kommunikation von deutscher Seite ausgelöst worden wäre.

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“When I started to work here, three weeks later, [German members of the board] came here to Thailand for a big press conference. Regarding the big investment made in Thailand. […] Then on the day of the big press conference, it happened. We had the press conference scheduled at 10 am. That morning in the big national newspaper, there was an article: ‚Our company will buy the stakes of this other company‘. Everybody went crazy. [The German head of Corporate Communications] came to me. He was so upset. He said, how could that happen? The information is already out there! What about our press conference? I said, please calm down. I don't know where this information came from. But I know the journalists. It's not such a big problem. They always work late, and then they get up at nine and rush to our press conference. They won't even have read the newspapers. But [the German head of Corporate Communication] said: No, we have to make a statement. I said: No way. If anyone asks, ok, we can comment, but nobody will ask. First, they won't know. And even if they know, they won't ask. Press conferences are different here. People ask more polite questions. Let's not make an issue. And I was right. That's why I always schedule press conferences in the morning. [lacht] Nobody asked. Later I checked the source of the article. It came from the bank. I guess someone wanted to manipulate the (Thailändische Leiterin Corporate Communications) share price for their own benefit.”

Abb. 35: Beispiel für deutsche Konflikterzeugung aus thailändischer Perspektive

Neben dem Hang zur Konflikterzeugung durch aktive Zuspitzung attestieren die thailändischen Mitarbeiter ihren deutschen Kollegen darüber hinaus häufig Eigenschaften wie Unsensibilität oder Ungeschick im sozialen Umgang, die als mangelnde Sozialkompetenz bewertet werden („they don’t know how to go indirectly“) und ebenfalls zu einem verstärkten Heraufbeschwören von Konflikten führen können: „The most important difference between Thais and Germans is that Germans talk very straightforward. They do not have something like a flower talk. They are very straightforward. Most of them don't know how to go indirectly, they always try to take the direct way.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Im Einzelnen äußert sich dieses nachlässige Verhalten in der bereits angesprochenen verbalen Direktheit, die häufig als Aggression aufgefasst wird. „The German style is more direct, than the Thai style.“ (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1) „Why are they [the Germans] so direct, why are they so rude?“ (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1)

Der Aspekt der Aggressivität demonstriert sich aus thailändischer Sicht dabei zusätzlich in der Lautstärke und Tonalität deutscher Verbalkommunikation, die auch im westlichen Vergleich als äußerst laut und streitbar empfunden wird: „It is very important that as a German, you don't speak so loud. Otherwise the Thais will get scared.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „Still the American corporate culture is not the same as the German corporate culture. The Americans talk more nicely and in a more understanding way, and more gentle in terms of the tone of the voice. Whereas the Germans talk more like the military, with the gun in the hand. So loud.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Die verbale Direktheit in Kombination mit ungewohnter Lautstärke wird von den thailändischen Mitarbeitern insgesamt als unangemessene Ausübung von Druck erfahren, die auf thailändischer Seite Stress auslöst, mit dem im Einzelfall schwer umgegangen werden kann: „Often the Thais ask, why are they putting so much pressure on us. They always need it Now! Now! Now!“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Einzelne thailändische Mitarbeiter, insbesondere solche mit langjähriger Berufserfahrung auch in anderen internationalen Firmen, erkennen die Ritualisierung des deutschen Konfliktverhaltens und die darin enthaltene Möglichkeit zur Versöhnung („they don’t mean it“):

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„[German] expats can be perceived as yelling at people although they don't mean to.“ (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12) „And sometimes, my [German] boss would say: Oh, how stupid! And I got really angry and scared, but I found out, he doesn't mean it that way.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12) „If some German will challenge you, will yell at you, that doesn't mean that he really thinks you cannot do your job.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Im Allgemeinen überwiegt bei der Beurteilung deutschen Konfliktverhaltens auf thailändischer Seite jedoch der Eindruck von Aggressivität.

4.1.2.3.3 Übersicht: Deutsches Konfliktverhalten Konfliktverhalten

Deutscher Wirtschaftsstil

Deutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

• Konflikt = Notwendig zur Problemlösung • Folge: Glaube an konstruktive Lösbarkeit von Konflikten durch Wahrheitsfindung

• Kennzeichen dt. Interaktion: Unsensibilität, Nachlässigkeit, Ungeschick

• Ziel dt. Interaktion: Konfliktlösung

• Folge dt. Interaktion: Konfliktentstehung

• Kommunikationsstrategien

• Kommunikationsstrategien

– Verbale Direktheit/Eindeutigkeit

– Verbale Direktheit

– Offene Kritik

– Ausübung von Druck

– Erwartung von klärenden Fragen und Frühinformation

– Aggressivität (Lautstärke, Wut)

• Verhaltensstrategien – Konfliktidentifikation (Zuspitzung) – Zusammentreffen den Konfliktparteien – Offenes Austragen des Konflikts (Stress zeigen, Konfrontation/Klärung suchen) – Festlegen von Konsequenzen (Bestrafung, zukünftige Verhaltensregeln)

• Teilweise: Erkennen der Ritualisierung dt. Konfliktverhaltens – Möglichkeit offener Kommunikation ohne Sanktionierung – Möglichkeit zur Versöhnung („they don‘t mean it“)

– Versöhnung/„Vertragen“

Abb. 36: Konfliktverhalten als Teil des deutschen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive

4.1.2.4. Deutsche Aufgabenbearbeitung Analog zu der Beschreibung thailändischer Aufgabenbearbeitung soll auch auf deutscher Seite eine Einteilung in die Unterkategorien Motivation, Arbeitsweise und Ergebnis vorgenommen werden, die im Folgenden nacheinander analysiert werden.

4.1.2.4.1 Deutsche Perspektive ‚Motivation Als aus deutscher Sicht bestimmender Faktor zur Beschreibung deutscher Arbeitsmotivation stellt sich die grundsätzliche Auffassung von Arbeit als Anstrengung dar, die der identifizierten thailändischen Vorstellung von Arbeit als Verbindung von Anstrengung und Spaß entgegensteht.

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„[Manchmal] haben wir auch Samstags gearbeitet bis Sonntag morgen. Und sind dann am Nachmittag noch mal wieder gekommen, damit das Montag morgen fertig war. Und das haben die Leute mitgemacht. Das könnte man in Deutschland so überhaupt nicht hinbekommen, weil Arbeit dort tatsächlich eine Anstrengung ist.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Aus dieser Empfindung der Anstrengung oder Mühsal innerhalb des deutschen Arbeitsverständnisses lässt sich direkt eine starke Trennung von Arbeitszeit und Freizeit ablesen, wobei die Anstrengung sich strikt auf die Arbeitszeit beschränken sollte, während die Freizeit oder der Feierabend als eine Zeit des Vergnügens und der Entspannung von der Arbeitsanstrengung interpretiert werden, die man sich jedoch durch diszipliniertes Erdulden des Arbeitstages mit all seinen Beschwerlichkeiten verdienen muss. So erscheinen die Konzepte von „Arbeitszeit“ und „Freizeit“, bzw. „Feierabend“ sowie „Arbeit“ und „Vergnügen“ als eng miteinander verknüpfte Antithesen, die ohne das jeweils andere Extrem ihre Daseinsberechtigung verlieren. Auf diese Weise erklärt sich auch das von deutscher Seite oft erwähnte Recht auf Freizeit, das sich in genauen zeitlichen Regelungen der Arbeitswoche niederschlägt („da fällt der Hammer“) und von den deutschen Managern in seiner Rigidität häufig als frustrierend empfunden wird: „Ein typischer Mitarbeiter in Deutschland in der Abfertigung [...] macht seinen Stiefel, der macht seinen Job und leider auch nur das, und hält sich sehr genau an die 35-Stunden-Woche. Das ist manchmal sehr, sehr frustrierend, wenn man in Asien ist, und ja sechs Stunden Vorsprung hat, und dann in Deutschland anruft und die Leute haben teilweise schon Feierabend oder sind schon im Wochenende.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Versuchen Sie mal in Deutschland am Wochenende einen Trainingskurs zu machen. Unmöglich.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Aus der Auffassung von Arbeit als Anstrengung, sowie der Trennung von Arbeitszeit und Freizeit, ergibt sich im Vergleich zu den thailändischen Mitarbeitern eine untergeordnete Wichtigkeit des Betriebsklimas für die Arbeitsmotivation. Demgegenüber wird entsprechend die Ausweitung der Freizeit als wichtiger empfunden: „Früher gab es ja in Deutschland auch mehr Betriebsfeste, die gibt es ja kaum noch. Da geht man lieber mal früher nach Hause.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Stellen Sie sich mal vor, bei uns würde jemand freiwillig Heiligabend durcharbeiten. Da hätte er ja schon Angst vor der Familie.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Auch der gemeinschaftliche Aspekt zur Erreichung eines motivationsfördernden Betriebsklimas spielt für die deutschen Manager nur eine untergeordnete Rolle. Maßnahmen, die auf individuelle Auszeichnung und Abhebung von der Kollegengruppe zielen (beispielsweise die Vergabe von Einzelzimmern), werden hingegen eher als motivationsfördernd angesehen. Das deutsche Niveau der Arbeitsmotivation insgesamt wird von den deutschen Managern, wie schon im Rahmen der Analyse thailändischer Motivation beschrieben (siehe Kapitel 4.1.1.4.), besonders aufgrund des deutschen „Dienst-nach-Vorschrift“-Phänomens als niedriger empfunden: „German style ist ja auch zum Beispiel, abends um fünf nach Hause zu gehen, egal, ob die Arbeit getan ist oder nicht.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

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„Diese Tugenden, die den Deutschen immer nachgesagt werden, Ordnung, Pünktlichkeit, Fleiß, und so weiter, das ist nicht mehr unbedingt richtig. Gerade dadurch, dass in Deutschland alles geregelt ist, berufen sich die Leute oft auf Überstunden und so weiter.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3)

Dabei konstatieren die deutschen Manager gerade im thailändischen Vergleich die Ausbildung eines übersteigerten Anspruchsdenkens innerhalb von deutschen Unternehmen im Heimatland, das als hinderliche Entwicklung für den Unternehmenserfolg gewertet wird: „Stellen Sie sich mal eine deutsche Sekretärin vor. Die kriegen Sie nicht ohne weiteres dazu, nach Feierabend noch was zu machen. Die fragt dann, wie viel krieg ich dafür.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „[In Deutschland] würde zwar auch jeder die Hilfe der Firma in Anspruch nehmen, aber das dann in gleicher Weise zu erwidern, das sehe ich so nicht. Das wird eher als selbstverständlich gesehen. [...] In Deutschland ist es eher so, dass jeder mehr Rechte hat als Pflichten.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Der Deutsche auf der anderen Seite, der fordert gerne. Immer mehr, immer mehr, immer mehr. Ist aber nicht bereit, auch etwas dafür zurückzugeben. Das heißt, wir laufen da in eine völlig falsche Richtung.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

‚Arbeitsweise Ähnlich wie die thailändische Arbeitsweise erscheint auch die deutsche Arbeitsweise durch bestimmte Grundprinzipien gekennzeichnet, denen die deutschen Manager im Einzelnen jeweils verschiedene Vor- und Nachteile zuweisen. Aus der Analyse dieser Prinzipien ergibt sich dabei, dass sich die identifizierten Charakteristika deutscher Arbeitsweise den thailändischen Prinzipien der Ad-hoc-Bearbeitung, Kindlichkeit und Pragmatik direkt zuordnen lassen und jeweils den entsprechenden Gegensatz vertreten. So entspricht beispielsweise dem Aspekt der thailändischen Ad-hoc-Bearbeitung das deutsche Gegenprinzip der Planungsorientierung. Die absolute Wichtigkeit und Notwendigkeit von genauer Planung für den Erfolg jeder Unternehmung wird dabei von den deutschen Managern so ausdrücklich betont, dass damit verbundene Verhaltensweisen teilweise auch verbal in den Rang heiliger Handlungen erhoben werden: „Planung hat bei uns eine großen Stellenwert. Schon das Wort Planung...“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) „Für Deutschland ist der Plan die Bibel.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Als entscheidend für eine erfolgreiche Planung nach deutschem Verständnis erweisen sich dabei besonders Nachvollziehbarkeit sowie Detailtiefe und Genauigkeit des Plans. Ein Infragestellen dieser Prinzipien ruft teilweise heftige Reaktionen hervor, was einerseits die Annahme grundsätzlicher Nichthinterfragbarkeit zu bestätigen scheint. „[Wir Deutschen neigen also dazu, alles ganz genau zu planen?] Sonst muss man ja nicht planen! [heftig] Sonst macht ein Plan ja keinen Sinn! [schlägt auf den Tisch]“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Andererseits kritisieren einzelne Gesprächspartner auch die mit übergroßer Genauigkeit verbundene Schwerfälligkeit deutscher Planung als Formalismus und Inflexibilität:

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„In Deutschland dagegen, bis wir uns auf Ziele überhaupt einigen, vergeht ja immer schon ein sehr großer Zeitraum. Dann wird darum gestritten, in welcher Weise man diese Ziele denn nun erreichen will, da geht immer eine Menge Zeit verloren und es bringt auch sehr viele Reibungsverluste, bis man erst mal die Basis hat, um irgendetwas zu bewerkstelligen.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Besonders deutlich zeigt sich diese ambivalente Haltung gegenüber deutscher Planungsorientierung von Seiten deutscher Manager an folgendem Interviewbeispiel, das einerseits potentielle Starrheit („Der Markt kann weglaufen, aber du hast dein Ziel erfüllt.“) einräumt und andererseits die Unantastbarkeit deutschen Planungsverständnisses unterstreicht („Wenn man ein Ziel gesetzt hat, muss man das erreichen!“).

„Alle Beteiligten versuchen, einen Plan aufzustellen mit gewissen Zielen und diese Ziele dann zu erfüllen. Nun ist es natürlich so, dass sich innerhalb eines Zeitraums die Rahmenbedingungen verändern. Zum Beispiel verändern sich die Markterfordernisse. Dann muss ich natürlich etwas tun. Da muss ich dann neue Ziele formulieren. Aber diese Änderungen muss man immer belegen, dokumentieren. [Warum?] Ja, warum? Weil jeder natürlich an der Erfüllung der Ziele gemessen wird. Das wird natürlich manchmal übertrieben. Der Markt kann inzwischen weggelaufen sein, aber du hast dein Ziel erfüllt. Aber auf der anderen Seite denkt man gar nicht immer nur an seine persönliche Beurteilung, ... oder doch? ... nein, es ist einfach klar, wenn man ein Ziel gesetzt hat, muss man das erreichen! [Eine kulturelle Annahme?] Ja, das ist wohl eine kulturelle Annahme.“ (Deutscher Projektleiter)

Abb. 37: Beispiel für deutsche Planungsorientierung aus deutscher Perspektive

Neben dem Gegensatzpaar aus Ad-hoc-Bearbeitung und Planungsorientierung ergibt sich als Gegenstück zu dem von deutscher Seite beschriebenen Aspekt thailändischer Kindlichkeit die Betonung deutscher Ernsthaftigkeit der Aufgabenbearbeitung als besonderes Merkmal von Erwachsenheit, das als Grundanforderung an die eigenen Mitarbeiter formuliert wird: „Wir erwarten von unseren Mitarbeitern, dass sie bei dem, was sie tun, eine gewisse Ernsthaftigkeit an den Tag legen. Wir können hier keine lustigen Spielchen machen. Wir können uns auch keine Dummheiten leisten. Wir müssen uns unserer Tätigkeit mit einem gewissen Ernst widmen.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

Während diese Erwartung von den meisten deutschen Managern geteilt und nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird, interpretieren einzelne das Prinzip deutscher Ernsthaftigkeit daneben als typische Quelle von Stress und Anspannung, wenn sie in ihrer übersteigerten Form als Humorlosigkeit („tierischer Ernst“) und Neigung zu Missstimmung und Verärgerung auftritt: „Und mein [deutscher] Mitarbeiter kam dann morgens schon um viertel vor sieben, ging dann hier durch die Räume und guckte dann bösartig, wenn die hier irgendwo saßen und frühstückten.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Die [Thais] haben einfach nicht diesen tierischen Ernst wie die Deutschen...“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Als drittes Prinzip deutscher Aufgabenbearbeitung aus deutscher Sicht lässt sich der Aspekt der Ordnung identifizieren, der wiederum das Gegenstück zum thailändischen Prinzip der Pragmatik bildet. Während thailändische Pragmatik, wie gezeigt wurde, in diesem Zusammenhang als starke Ergebnisorientierung verstanden wird, bei der jeder Arbeitsschritt ein Mittel zum, häufig kurzfristigen, Zweck darstellt, bedeutet Ordnung aus deutscher Sicht die Einhaltung und Akzeptanz bestimmter Grundsätze und Regeln, ohne dass damit notwendigerweise eine aktuelle Zielorientierung verbunden sein muss. So enthält Ordnung, wie auch schon Planung, für deutsche Manager oft ein Moment des Selbstzwecks, das selten rational hinterfragt wird und stattdessen

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eine emotionale Prägung besitzt („Da haben die Thais einfach kein Gefühl dafür“), wie folgendes Beispiel zeigt: Hinter der Werkshalle liegen einige sorgfältig verschlossene Plastiksäcke mit gemähtem Gras. Herr U: “Die Müllabfuhr kommt nur einmal in der Woche, das ist für uns zu wenig, deshalb liegt der Müll hier herum. Das müssen wir noch ändern, die müssen häufiger kommen. Das sieht ja so nicht aus. Aber da haben die Thais einfach kein Gefühl dafür.“ (Protokollausschnitt, Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Eng mit dem Ordnungsbegriff verknüpft erscheint ebenfalls der Aspekt der Redlichkeit, der von Ehrlichkeit als einem Wert an sich ausgeht, dem persönliche Vorteile unterzuordnen sind: „Thais können lügen, noch und nöcher. Wenn ihnen jemand was erzählt, dann ist meine erste Reaktion, wie viel ist Dichtung und wie viel ist Wahrheit. [...] Und da versucht man schon, die Leute zu einer Art deutschen Kultur der Ehrlichkeit zu erziehen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Neben der positiven Interpretation von Ordnung als Geregeltheit und Redlichkeit beschreiben einige Manager auch Nachteile eines übersteigerten deutschen Ordnungssinns als „Prinzipienreiterei“ und bewerten diese Ausprägungen extremer Unsicherheitsvermeidung aus Managementsicht als wenig zielführend: „Man kommt pünktlich, man macht alles möglichst akkurat und 100%ig richtig. [...] Das ist nur diese Prinzipienreiterei, [leiert herunter] wir müssen um acht da sein und wir müssen vierzig Stunden arbeiten die Woche, und nicht neunundreißigeinhalb und nicht vierzigeinhalb. Und das ist ja eigentlich ohne Logik, wenn man mal drüber nachdenkt.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4) „Wir gehen nach Rules and Regulations. Das muss alles immer passen. Da gibt es auch einen schönen Spruch: If I want to do business, I want to do it with a German. If it's logic, he will agree, whether it makes sense or not.” (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4) „Wenn irgendwas mal schiefläuft, muss es in Zukunft eine Regel geben, die das verhindert. Auch wenn dieses Ereignis vielleicht nur einmal in hundert Jahren auftritt.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

‚Ergebnis Auch in der Beurteilung der Ergebnisse deutscher Arbeitsweise stellen die deutschen Manager Vor- und Nachteile gegenüber, wobei positive Aspekte insgesamt überwiegen. Kernstücke der eigenen Ergebnisbewertung bilden die selbstattestierte hohe Produkt- und Servicequalität sowie die Effizienz der Zielerreichung. Die Beschreibung des Qualitätsaspekts wird dabei besonders mit innerhalb deutscher Wirtschaftskultur allgemein bekannten Sprichwörtern und Phrasen unterstrichen, die eine langfristige Überlegenheit von Qualitätsaspekten gegenüber kurzfristiger Preisargumentation unterstreichen und Kompromisslosigkeit bei der Verfolgung des Qualitätsziels fordern („Qualität zahlt sich aus“, „Deutsche Wertarbeit“, „Entweder das Beste für den Kunden oder gar nicht“, etc.). Darüber hinaus wird die Wichtigkeit von Qualität mit vielfältigen Anekdoten unterstrichen, die in Erfolgsgeschichten schildern, wie sich das teurere Qualitätsprodukt schließlich durchsetzt (siehe Abbildung).

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„Ich hab vor zwei Jahren einen Toaster gekauft. Habe gedacht, ist doch egal, was für ein Fabrikat. So, nach einer Woche war das Ding kaputt, da waren die Drähte kaputt. Habe ich reparieren lassen, das kostet vielleicht 100 Baht, eine Woche später ist es zum zweiten Mal kaputt. Wieder reparieren lassen, 14 Tage später zum dritten Mal. Da sage ich zu meiner Frau, schmeiß das Ding in die Mülltonne, dann kaufen wir einen anderen. Dann haben wir einen Philipps gekauft, der läuft heute noch. Das ist der kleine Unterschied.“ (Deutscher Geschäftsführer)

Abb. 38: Beispiel für deutsche Qualitätsorientierung aus deutscher Perspektive

Neben der deutschen Qualitätsorientierung stellt sich aus deutscher Sicht das Kriterium der Effizienz als entscheidend dar, dass sich im thailändischen Arbeitsalltag besonders in der stärkeren personellen Besetzung bestimmter Prozessabläufe äußert: „Große Unterschiede zwischen Deutschen und Thais im Arbeitsleben bestehen in der Effizienz. So eine Firma, wie wir sie hier haben, würde in Deutschland mit 40 Mitarbeitern auskommen. Man muss hier in Thailand bestimmte Bereiche sehr stark personell besetzen in unserem Geschäftsfeld, die in Deutschland wesentlich rationalisierter laufen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Als Gegenstück zu den als durchgehend positiv bewerteten Aspekten der Qualität und Effizienz lässt sich von deutscher Seite jedoch im Einzelnen auch eine Unzufriedenheit mit deutschen Arbeitsergebnissen identifizieren, die jedoch nur selten explizit verbalisiert wird, sondern sich eher indirekt aus der bereits beschriebenen Begeisterung über das als ungewöhnlich empfundene Gestaltungspotential in der Zusammenarbeit mit thailändischen Mitarbeitern ableiten lässt (siehe Kapitel 4.1.1.4.). So werden bestimmte Aspekte deutscher Aufgabenbearbeitung, wie das dargestellte „Dienst-nach-Vorschrift“-Denken sowie eherne Arbeitszeit/Freizeit-Regelungen, dabei von deutscher Seite auch als Hindernisse erfahren, die im Einzelnen die Freude an gemeinsam errungenen Ergebnissen oder Erfolgen verderben können: „Ich war ja nun in Deutschland 17 Jahre Geschäftsführer in drei oder vier Unternehmen. Wenn ich an meine Zeit dort zurückdenke, Sie haben also... oder ich hatte dort permanent Probleme mit Gewerkschaften und Betriebsräten. Was in Deutschland ein Riesenproblem darstellt, die sozialen Errungenschaften zum Teil, oder die Arbeitszeit zu reduzieren oder mal an einem Samstag zu arbeiten, das durchzusetzen, einfach mal flexibel zu sein, was das für ein Aufwand ist, das kommt dort nicht in Frage. Das macht keinen Spaß.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

4.1.2.4.2 Thailändische Perspektive ‚Motivation Bei der Beurteilung deutscher Motivation und Motivationskriterien heben die thailändischen Mitarbeiter insgesamt ähnliche Aspekte wie die deutschen Manager hervor. So betonen sie einerseits besonders das Element der Arbeitsanstrengung als festem Bestandteil deutschen Arbeitsverständnisses und charakterisieren ihre deutschen Kollegen durchweg als „hardworking“: „I think that the Thai people appreciate that the Germans are working very hard.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Im Vergleich zu ihrem eigenen Tagesablauf beobachten die thailändischen Mitarbeiter darüber hinaus die gleiche starke Trennung von Arbeitszeit und Freizeit, die auch schon von deutscher Seite ausgedrückt wurde. Dabei konstatieren sie während des zeitlichen Abschnitts der Arbeit eine außergewöhnlich hohe Arbeitsdisziplin, deren selbstquälerisches Moment oft für Erstaunen

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sorgt (siehe auch Kapitel 4.1.2.4.1.), die jedoch aus ihrer Sicht abrupt in das andere Extrem des absoluten Nichtstuns umschlägt, sobald der zeitliche Abschnitt des Feierabends oder Wochenendes beginnt. Als besonders ungewöhnlich erscheint dabei der während dieser Zeit unbedingt einzuhaltende Schutz der Privatsphäre („you could not disturb“): „If you look at the Germans here […] They are very devoted to their work. They completely devote the working time during the week for their work. They start very early in the morning, maybe at 7.30 or at 8 and then they work until 5.30 or later, sometimes until 8.30 at night. And they do nothing but work. But on the weekends: Nothing! On the weekends you could not disturb.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

‚Arbeitsweise Bei der Beschreibung der deutschen Arbeitsweise aus thailändischer Sicht lassen sich erneut die bereits von deutscher Seite identifizierten Aspekte von Planungsorientierung, Ernsthaftigkeit und Ordnung wiederfinden, allerdings erfahren sie teilweise eine Uminterpretation in das Gegenteil des entsprechenden thailändischen Prinzips (Dynamik, Ausprobieren, Flexibilität). Damit entsprechen sie relativ genau der jeweils von deutscher Seite als negativ identifizierten Komponente der einzelnen Prinzipien (z.B. Humorlosigkeit als Negativ-Ausprägung von Ernsthaftigkeit). So berichten die thailändischen Mitarbeiter beispielsweise in ähnlicher Form wie ihre deutschen Kollegen von einer ausgeprägten Planungsorientierung und heben besonders die Verbindlichkeit eines Plans hervor, die gilt, sobald von allen Beteiligten eine Einigung erzielt wurde: „But for the German people, ‘Yes’ means that you accept it. You have to do it according to the schedule.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5

Dabei erkennen sie das Aufstellen von Plänen grundsätzlich als sinnvoll an, ihre Beschreibungen deutscher Planungstätigkeit zeigen jedoch starke ironische Brechungen und Übertreibungen, die analog auf Übertreibungen des Planens von deutscher Seite hinweisen („they have a plan for everything“, „they learn the plan“). Deutsche Planungstätigkeit wird in diesem Zusammenhang in seiner extremen Form als absurder Selbstzweck geschildert, der dafür sorgt, dass selbst gute Ergebnisse verworfen werden müssen, wenn sie nicht dem ursprünglichen Plan entsprechen: „When the Germans come here, they have a plan for everything. They have it all on paper, all the numbers. Before they start working, they learn the plan. And in the end, they look at the outcome and compare the numbers. If the outcome is not exactly identical with the plan, it’s not right. Cannot be! [lacht] Because it’s not like the plan.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

Als besonderes Kennzeichen deutscher Planungsorientierung wird daneben die Tendenz zu hohem, aus thailändischer Sicht oft übertriebenem, Detailierungsgrad von Planung hervorgehoben: „One thing I noticed about Germans is that they seem to like a lot of detail. For example, my former boss, he used to prepare a balance sheet everyday! And we could argue about a lot of things, except for the fact that the German finance system is excellent. [lächelt ironisch] This we could not argue about.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

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Die deutsche Orientierung an Plänen sowie die dazugehörigen Tätigkeiten des Planens werden dabei insgesamt von thailändischer Seite als zeit- und aktionsverzögernd empfunden, da sie, wie bereits beschrieben (siehe Kapitel 4.1.1.4.), nicht als Teil von Arbeit, sondern als Vorbereitung der eigentlichen Arbeit interpretiert werden („Before they start working, they learn the plan“, „Before they start, they read the manual“): „Germans love manuals. Before they start, they read the manual. You will never see a German engineer who will not first read the manual. “ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

Während Planungsorientierung also häufig von thailändischer Seite als Schwerfälligkeit bewertet wird, erfährt auch die beschriebene Ernsthaftigkeit als Kennzeichen deutscher Arbeitsweise teilweise eine Umdeutung. So attestieren die thailändischen Mitarbeiter ihren deutschen Kollegen auf der einen Seite zwar ebenfalls Ernsthaftigkeit im Sinne des englischen Begriffs der „seriousness“ und verbinden diese Beobachtung häufig mit Konnotationen der Sicherheit, Verlässlichkeit und Wertschätzung. Auf der anderen Seite schlägt sich die deutsche Ernsthaftigkeit aus thailändischer Sicht auch im interpersonalen Verhalten als zur Schau getragener Ernst im Sinne einer Vermeidung von Lächeln oder Lachen nieder, der oft als Strenge und Humorlosigkeit erfahren wird: „They look so serious, they don't smile. That is the standard look.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „Die Deutschen, die in Deutschland arbeiten, sind schon sehr ernst. [...] Ich war vor vier Jahren einmal dort gewesen. Die deutschen Mitarbeiter von [Firma 3] in Deutschland sind schon sehr anders. Sie waren zwar sehr nett zu mir, aber sie sind sehr ... streng und sehr ...ernst.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) „Die Arbeit ist immer eine ganz ernste Sache. Sie lachen viel weniger.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

Auch der dritte Aspekt deutscher Arbeitsweise, das Prinzip der Ordnung, wird von thailändischer Seite herausgestellt, wird allerdings insgesamt nicht so häufig thematisiert wie die Bereiche der Planungsorientierung und Ernsthaftigkeit. Dies kann damit zusammenhängen, dass gerade die von den Deutschen beschriebenen Prinzipien der Ordentlichkeit und Redlichkeit aus thailändischer Sicht nicht als fremd oder störend wahrgenommen werden, da sie sich nicht reglementierend auswirken. Für diese Annahme spricht, dass der Regelungsaspekt der Ordnung im Gegensatz dazu sehr wohl erwähnt wird, wenn er sich in Systemen und systematischen Vorgehensweisen niederschlägt, die von thailändischer Seite eine Handlungsanpassung erfordern. Dabei werden Systematiken, die interne Transparenz und Arbeitssicherheit erhöhen (z.B. Leistungsbewertungen, Umweltrichtlinien) als sinnvoll anerkannt. „Let's say, the safety and also the human resources are more German-oriented. Not the Thai way: I like you, so you get more. There are always systems in place. I guess that is the [German] way: You use more systematic approaches.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

‚Ergebnis In der Beurteilung der Ergebnisse der deutschen Arbeitsweisen heben die thailändischen Mitarbeiter als einzigen Aspekt besonders die hohe Qualität der deutschen Produkte hervor und bes-

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

153

tätigen damit die Aussagen ihrer deutschen Kollegen (siehe Kapitel 4.1.2.4.1.). Dabei wird besonders der Aspekt der Verlässlichkeit und Kontinuität von Qualität, der sich als Ergebnis der bereits beschriebenen Planungsorientierung mit ihrer genauen Prozesskontrolle ergibt, hervorgehoben: „This company is producing a very high quality of [products]. […] There is some good in terms of production and the quality. Because with the Germans you don’t get variations in quality. You can rely on that.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Aus den Äußerungen zur Schwerfälligkeit und Zeitverzögerung deutscher Planung lässt sich darüber hinaus über die Ableitung einer indirekten Bewertung der Ineffizienz deutscher Arbeitsergebnisse aus thailändischer Sicht spekulieren, die jedoch von den thailändischen Mitarbeitern nicht explizit zum Ausdruck gebracht wird.

4.1.2.4.3 Übersicht: Deutsche Aufgabenbearbeitung

Deutscher Deutscher Wirtschaftsstil Wirtschaftsstil

Aufgabenbearbeitung Aufgabenbearbeitung

Deutsche DeutschePerspektive Perspektive • Motivation – Arbeit = Anstrengung – Starke Trennung von Arbeits- und Freizeit – Unwichtigkeit des Betriebsklimas, Wichtigkeit von Freizeit – Weniger hohe Arbeitsmotivation („Dienst nach Vorschrift“, Anspruchsdenken) • Arbeitsweise – Planungsorientierung (Genauigkeit vs. Formalismus) – Ernsthaftigkeit (Disziplin vs. Stress, Humorlosigkeit) – Ordnung (Geregeltheit, Redlichkeit vs. Prinzipienreiterei) • Ergebnis – Effizienz – Hohe Ergebnisqualität – Geringes Gestaltungspotential

Thailändische ThailändischePerspektive Perspektive • Motivation – Arbeit = Anstrengung – Starke Trennung von Arbeits- und Freizeit

– Hohe Arbeitsmotivation während Arbeitszeit, Nichtstun während Freizeit • Arbeitsweise – Planungsfixiertheit (Schwerfälligkeit, Inflexibilität) – Ernsthaftigkeit (Strenge, Kälte, Humorlosigkeit) – Ordnung (Regelhörigkeit) • Ergebnis – Ineffizienz (Schwerfälligkeit) – Hohe Ergebnisqualität

Abb. 39: Aufgabenbearbeitung als Teil des deutschen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive

4.1.3. Ergebnisdiskussion Die Ergebnisse der Untersuchung des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils aus interkultureller Perspektive sollen im Folgenden mit vorhandenen Forschungsergebnissen dieses Bereichs verglichen und diskutiert werden. Da kulturvergleichende oder -beschreibende Forschung in zahlreichen Disziplinen, wie beispielsweise Soziologie, Anthropologie oder auch Linguistik, unternommen wird, soll relevante Literatur aus diesen Bereichen in die Diskussion einbezogen werden.

154

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

So werden zur Thematik des Kulturvergleichs makroanalytische organisationspsychologische und anthropologische Studien wie beispielsweise von Hofstede (1984, 1997), Trompenaars (1993) oder auch Hall (1989b) mit ihren universellen Kulturkategorien genauso betrachtet wie mikroanalytische, linguistische Forschung, die sich eher mit Spezialproblemen interkultureller Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Thais beschäftigt (z.B. Tiedemann 1993, Ampha 1978 und 1991, Brummelhuis 1980). Daneben wird ebenso Literatur diskutiert, die sich vor allem mit einer der beiden Kulturen auseinandersetzt. Dabei werden auf der einen Seite klassische anthropologische, soziologische und historische Studien zu den Themen Thailand (vgl. z.B. Benedict 1952, Stoffers 1995, Hohnholz 1990, Slagter/Kerbo 2000, Klausner 1983, Mulder 1997 und 1981) und Deutschland (vgl. z.B. Ardagh 1995, Watson 1992) einschließlich populärwissenschaftlicher Kulturbeschreibungen (z.B. Weggel 1989) untersucht. Auf der anderen Seite wird aufgrund des betriebswirtschaftlichen Erkenntnisinteresses ebenfalls die anwendungsorientierte Managementliteratur zum thailändischen

(vgl.

z.B.

Holmes/Tangtongtavy

1995,

Brinkama/Richter/Zhong

1996,

Kidd/Li/Richter 2001a, Dubney-Villinger 2001b) und deutschen Wirtschaftsstil (vgl. z.B. Randlesome 1994) beleuchtet. Schließlich werden auch anspruchsvollere Touristenratgeber (vgl. z.B. Cooper/Cooper 1994, Donner 1996, Zeidenitz/Barkow 2000) sowie bekannte Artikelserien (Niratpattanasai 2000, 2001) aufgrund ihrer starken Verbreitung als häufig einzige interkulturelle Informationsquelle für Expatriate-Manager in die Analyse mit einbezogen. Insgesamt kann bei der Betrachtung vorhandener Literatur festgestellt werden, dass die erarbeitete Einteilung der Wirtschaftstile in Beziehungsaufbau, Hierarchieverständnis, Konfliktverhalten und Aufgabenbearbeitung sich in weiten Teilen mit bestehenden Charakterisierungen zur Beschreibung östlicher Kulturen bzw. der thailändischen Kultur im Vergleich zur westlichen, bzw. deutschen Kultur deckt. So finden sich die Schlüsselkategorien „Beziehung“, „Hierarchie“ und „Konflikt“ in verschiedenen asienorientierten soziologischen Untersuchungen wieder (vgl. Weggel 1989, S. 292 ff.). Auch zahlreiche der beschriebenen Ausprägungen auf thailändischer Seite (z.B. der Komplex „Indirektheit“ oder „Gemeinschaftsgefühl“) sowie auch auf deutscher Seite (z.B. der Komplex „Planungsorientierung“ oder „Ernsthaftigkeit“) lassen sich mit Hilfe bestehender kulturhistorischer Erklärungsansätze innerhalb der untersuchten Literatur verifizieren und vertiefen. Während die identifizierten Elemente thailändischer und deutscher Wirtschaftsstile auf diese Weise also eine allgemeine Bestätigung erhalten, fällt jedoch auf, dass die vorliegende interkulturelle Untersuchung im Vergleich zu vorhandenen, nicht-interkulturellen Studien aufgrund ihrer spezifisch deutsch-thailändischen Orientierung teilweise zu unterschiedlichen Priorisierungen kommt und aufgrund ihrer Perspektivwechsel zu einer erweiterten Interpretationstiefe der gefundenen Stilmerkmale gelangt. So erhalten im Rahmen der vorliegenden Analyse bestimmte, weniger bekannte Aspekte eines deutschen oder thailändischen Wirtschaftsstils eine besondere Wichtigkeit (z.B. thailändische „Kindlichkeit“, deutsche „Freundschaft“), während andere, in der Vergangenheit oft beschriebene Bereiche (z.B. östliche „Ganzheitlichkeit“) kaum eine

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

155

Rolle zu spielen scheinen. Gegensätzliche Interpretationen kultureller Stilelemente (z.B. thailändisches Konfliktverhalten als passives Verdrängen oder aktive Rücksichtnahme) werden innerhalb der bestehenden Literatur häufig nur aus einer Perspektive beschrieben. Hier bestätigt sich einmal mehr die Abhängigkeit kultureller Betrachtung von der jeweiligen Perspektive und damit die Notwendigkeit explizit interkultureller Analyse zur Erschließung eines spezifischen Erkenntnisbereichs wie der deutsch-thailändischen Unternehmenskultur, da die allgemeinen Kulturbeschreibungen erst in ihrer interkulturellen Zuspitzung eine realitätsnahe Konturierung erfahren. 4.1.3.1. Diskussion des thailändischen Wirtschaftsstils In Bezug auf den thailändischen Wirtschaftsstil lassen sich zahlreiche von den deutschen und thailändischen Mitarbeitern identifizierte Elemente innerhalb der untersuchten Literatur wiederfinden.

4.1.3.1.1 Thailändischer Beziehungsaufbau „Pflege Deine Freundschaften unermüdlich!“ (Lehrgedicht des Pra Ruong)22

Die Wichtigkeit des Beziehungsaufbaus und die Bildung sozialer Netzwerke als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg erhält im Rahmen der betrachteten Literatur breite Bestätigung. Dabei ist das Bild des an Gemeinschaftlichkeit und Gruppenorientierung gebundenen Asiaten im Vergleich zu westlicher Ausrichtung auf das Individuum schon zum Allgemeinplatz geworden und findet sich als „Gemeinschaftsfühligkeit“, „Wir-Bewusstsein“ (Weggel 1989, S. 302) oder „Kollektivismus“ (vgl. Hofstede 1997, S. 63 ff.; Hampden-Turner/Trompenaars 1993, S.10ff.) in zahlreichen kulturvergleichenden Studien wieder. In Bezug auf den thailändischen Wirtschaftsstil wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Wichtigkeit von „strong connections” (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 18, vgl. auch Brinkama/Richter/Zhong 1996, S. 31ff.) hingewiesen, die im Vergleich zu anderen Faktoren einer Wirtschaftsbeziehung Priorität besitzen: „[most] important of all, a Thai wants to know if you are his or her ‘kind of person’“ (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 18). Reibungsfreie Sozialbeziehungen („smooth social relations“, Slagter/Kerbo 2000, S. 4) bilden dabei nach Ansicht vieler Autoren die grundsätzliche Voraussetzung zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit in Thailand. Das im Rahmen der Untersuchung identifizierte Element der Personenloyalität mit seinen Kennzeichen der Iteration und Reziprozität von Gefälligkeiten kann dabei abgeleitet werden aus dem thailändischen Prinzip des bunkhun: „Bunkhun, or indepted goodness, is a psychological bond between someone who, out of sheer kindness and sincerity, renders another person the needed help and favor, and the latter’s remembering of the goodness done and his ever-readiness to reciprocate the kindness.“ (Komin 1991)

22

Vers aus einem heute noch bekannten thailändischen Lehrgedicht von König Ramkamhaeng, genannt Pra Ruong (1279?-99?), aus der Sukhothai-Periode (1253-1350), zitiert nach Ampha 1991, S. 103ff.

156

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

Die Wichtigkeit von bukhun-Beziehungen für die soziale Stabilität der thailändischen Gesellschaft wird bereits bei Suvanajata herausgestellt (Suvanajata 1976). Viele Autoren betonen in diesem Zusammenhang die Aspekte von persönlicher Nähe und gegenseitigem Vorteil als Merkmale von bunkhun-Beziehungen, die aus thailändischer Sicht daher grundsätzlich als erstrebenswert gelten und nicht mit westlichen Empfindungen der Abhängigkeit oder des Ausgeliefertseins belegt sind (Slagter/Kerbo 2000, S. 9; Cooper/Cooper 1994, S. 133, Holmes/Tangtongtavy 1995. S. 30ff.). Die von den Befragten der Untersuchung betonte Wichtigkeit des langfristigen Vertrauensaufbaus des Geschäftsführers zu seinen Mitarbeitern durch „Gesicht zeigen“ und „Caring“ wird dabei ebenfalls bestätigt. So fassen beispielsweise Holmes/Tangtongtavy unter dem Begriff „sincerity“ notwendige Eigenschaften des Geschäftsführers als Repräsentant einer Unternehmenspersönlichkeit zusammen: „Related to the Thai concept of manager as ‚head of the family’, many workers respond to an MD who is friendly, visible, and shows he’s trying to look after their interests. That’s ‘sincerity’.“ (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 74)

4.1.3.1.2 Thailändisches Hierarchieverständnis „Glühwürmchen sollten sich nicht mit dem Feuer messen!“ (Lehrgedicht des Pra Ruong)23

Häufig wird die thailändische bunkhun-Beziehung auch als Grundvoraussetzung für das vorherrschende Hierarchieverständnis bewertet. Ähnlich wie die Befragten charakterisiert auch die soziologische Literatur die thailändische Gesellschaft im Allgemeinen sowie auch das thailändische Wirtschaftsleben im speziellen als streng hierarchisch organisiert: „[Bunkhun] relationships are the basis of the one thing almost all observers of Thai society agree upon – the prevalence of patron-client relationships. The whole of Thai society can be thought of as a vast network of relationships between superiors and subordinates based in large measure on bunkhun”.“ (Slagter/Kerbo 2000, S. 9)

Die hier angesprochene hierarchische Über- und Unterordnung aufgrund persönlicher Beziehungen wird dabei mit der grundsätzlichen Doppelgesichtigkeit des bunkhun-Konzepts begründet, das die Elemente katanyoo rookhun (dt.: Dankbarkeit, in jm. Schuld stehen) und mettaa

karunaa (dt.: Güte, Wohlwollen) enthält und damit immer ein Verhältnis zwischen einem Untergeordneten und einem Übergeordneten impliziert (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 30f.). Das von den Befragten als besonders ausgeprägt erfahrene thailändische Hierarchieverständnis erhält eine weitere Bestätigung durch linguistische Untersuchungen, die ein „steiles Gefälle“ der Hierarchie (Weggel 1989, S. 303) bereits in typisch thailändischen Sprachformen ausmachen. So existieren beispielsweise vollständige Parallel-Wortschätze, die es erlauben, bei der Beschreibung von Tätigkeiten zwischen der Wichtigkeit des handelnden Subjekts nach Tieren, Bürgern, Mönchen und königlicher Familie zu differenzieren (Klausner 2000, S. 90).24 Auch die

23 24

Zitiert nach Ampha 1991, S. 103ff. So besitzt das Wort „essen“ beispielsweise vier vollkommen unterschiedliche Übersetzungen ins Thailändische: Höfisch: sawuy, geistlich: chan; bürgerlich: rappratan, tan; Jargon: kin (Donner 1996, S. 61).

157

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

für den Ausländer unüberschaubare Vielfalt an thailändischen Anredeformen, die jeweils eine bestimmte hierarchische Wechselbeziehung implizieren, ist in der Vergangenheit häufig dargestellt worden (Klausner 2000, S. 92ff., Cooper/Cooper 1994, S. 98ff.). Kraphom Dichan Gegenüber Übergeordneten

Tay thaw Phom Dichan

Formalität

Zwischen Gleichgestellten

Informalität

Than

Khaphacaw

Phom Dichan

Phom Dichan/ Chan

Raw

Than

Than

Khun

Nay Ther

Ua Khaw Ler Tua

Kha

Kuu

Eng

Mung

Chan Ther Gegenüber Untergeordneten

Chan Raw

Ich (mask.) Ich (fem.)

Chan

Du (mask.) Du (fem.)

Ke

Abb. 40: Auswahl thailändischer Anredeformen nach hierarchischem Kontext (nach: Cooper/Cooper 1994, S.99)

Die im Rahmen der Untersuchung festgestellte Rollenverteilung zwischen dem Vorgesetzten mit seiner umfangreichen Macht und dem Untergebenen mit seiner Verpflichtung zum Gehorsam wird ebenfalls von soziologischen Studien bestätigt. Dabei wird besonders die doppelte Erwartung an den Übergeordneten betont, die einerseits Machtausübung und andererseits die Gewährung von Schutz fordert: „The boss is expected not only to exercise power and give direction but also to provide protection and become involved in many personal affairs“ (Slagter/Kerbo 2000, S. 12). Diese Doppelgesichtigkeit wird häufig zurückgeführt auf traditionelle Führungsmodelle thailändischer Könige, die gleichzeitig gefürchtet und bewundert wurden und damit die zwei Prinzipien von pradhet (dt.: autoritäre Härte) und phrakhun (dt.: väterlicher Schutz) auf sich vereinten: „The two fibers woven into the leader’s mantle are called phraded, ‘the traditional exercise of authority and toughness’ and phrakhun, ‘the traditional system of patronization’.“ (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 62)

Mulder beschreibt diese Verknüpfung von Macht und Güte als „interpenetration of power and goodness“ (Mulder 2000, S. 34)25 und sieht sie ebenfalls am deutlichsten in dem Ideal des Königs als „father of the people“ der Sukhothai-Periode oder dem Konzept des thamma-racha (dt.: gerechter König) des modernen Thailands repräsentiert (Mulder 2000, S. 35), das als glorifiziertes Führungskonzept bereits im Kindesalter vermittelt wird:

25

Zum Begriff der „Interpenetration“, ursprünglich von Talcott Parsons, vgl. Luhmann, nach dem Interpenetration dann vorliegt, wenn „Systeme sich wechselseitig dadurch ermöglichen, daß sie in das jeweils andere ihre vorkonstituierte Eigenkomplexität einbringen“ (Luhmann 1984, S. 290).

158

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

„[The] king administered people and realm in such a way that the people could live peacefully and happily. From time immemorial, the Thai kings have loved and been worried about the populace, as a father about his children. As a leader, the king has promoted the good and prosperity of the country so that the populace could always enjoy peacefulness and happiness. That is why we worship the institution of King forever.“ (Auszug aus thailändischem Schulbuch, ETB 1978, S. 164)

Als Erklärungsmodelle für den Befund allgemeiner Anerkennung einer strengen Hierarchie innerhalb der thailändischen Gesellschaft mit ihren ausdifferenzierten Abhängigkeitsverhältnissen werden innerhalb der relevanten Literatur Aspekte der Religion sowie der Sozialgeschichte herangezogen. Dabei gilt auf der einen Seite der in Thailand vorherrschende Buddhismus in seiner Kombination mit indischen Einflüssen der Vergeltungskausalität als wichtige Grundlage für die Anerkennung und Erhaltung der ausgeprägten thailändischen Hierarchie: „The influence of the Hindu religion [...] combined with the Thai style of Buddhism resulted in the importance of kamma in Thailand, the belief that what happens in one’s life is influenced by the accumulated store of deeds from previous lives.“ (Slagter/Kerbo 2000, S. 64)

Die Theravada-Ausprägung des thailändischen Buddhismus trägt dabei nach Ansicht verschiedener Autoren zusätzlich zur Stabilität des hierarchischen Systems bei, da sie Konformismus und verstärkten Respekt gegenüber Älteren und Vorgesetzten fördere (Weggel 1989, S. 252 f.). Holmes/Tangtongtavy verweisen in diesem Zusammenhang auf das thailändische Konzept des boon tham kam taeng (dt. etwa: Dein Karma ist verantwortlich für deinen jetzigen Zustand), mit dem aufgrund religiöser Vorstellungen soziale Ungleichheit und straffe Hierarchie legitimiert wird (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 29). Einen anderen Aspekt des Hierarchieverständnisses illustriert demgegenüber das Konzept des

roojak thee soong thee tam (dt. etwa: Wisse, wer oben und unten steht). Die darin zum Ausdruck gebrachte soziale Undurchlässigkeit führen zahlreiche Autoren dabei im Gegensatz zu religiösen Bedingungen eher auf Eigenheiten der thailändischen Sozialgeschichte zurück, die sie als geeigneteren Erklärungsansatz betrachten. So gilt allgemein das im 15. Jahrhundert unter König Paramatrailoknatha (kurz: Trailok) eingeführte Verwaltungssystem bis heute als gesellschaftlich prägend. Im Zuge der Einführung dieses neuen Systems wurden die Bevölkerung sowie sämtliche Verwaltungsstrukturen in zwei Kategorien (militärisch und zivil) eingeteilt und die Rechte und Pflichten jedes einzelnen Beamten durch Gesetze geregelt (Dhiravegin 1980, S. 298f.). Seine Stellung in der Hierarchie wurde nach verschiedenen Kriterien innerhalb eines komplexen Bewertungssystems, genannt sakdina (vom indischen Sanskrit-Wort sakdi, dt.: Macht, und dem thailändischen na, dt.: Reisfeld) genau bestimmt. Auf diese Weise erhielt jedes Bevölkerungsmitglied einen exakten numerischen Rang, in Abhängigkeit seiner Beziehung zum König sowie der Anzahl derjenigen, über die es Autorität ausüben konnte, z.B. der Anzahl eigener Feldarbeiter (Slagter/Kerbo 2000, S. 64f. und Keyes 1989, S. 29f.). Die genaue Rangordnung besaß dabei bestimmenden Einfluss auf das Leben jedes Thais. So wurde beispielsweise im Rahmen der Rechtsprechung das Strafmaß

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

159

in Abhängigkeit vom relativen und absoluten Rangunterschied der Betroffenen bestimmt (Wyatt 1984, S. 73).

Maßzahl im Sakdina-System

Gesellschaftsposition Königliche Familie • König • Upparat (Vize-König) • Jüngere Brüder oder Söhne mit Amt • Jüngere Brüder oder Söhne ohne Amt • Jüngere Brüder oder Söhne (von Konkubinen) mit Amt • Jüngere Brüder (von Konkubinen) ohne Amt • Söhne (von Konkubinen) ohne Amt • Prinzen der dritten Generation • Prinzen der vierten Generation Regierungsbeamte • Leitung der Haushaltsministerien • Leitung untergeordneter Ministerien • Höhere Verwaltungsbeamte • Mittlere Verwaltungsbeamte • Niedrige Verwaltungsbeamte Buddhistische Mönche • Patriarchen • Mönche • Novizen Gemeines Volk • Spezialisierte Arbeiter • Freie Bauern • Sklaven

Unendlich 100.000 40.000-50.000 10.000-20.000 15.000 7.000 6.000 1.500 500 10.000 5.000 1.600-3.000 400-1.400 50-350 1.600-2.400 400-600 200-300 25-30 10-25 5

Abb. 41: Soziale Rangbestimmung des Sakdina-Systems (nach Reynolds 1987, S. 93; Slagter/Kerbo 2000, S. 65)

Die Abbildung vermittelt einen groben Eindruck von der Genauigkeit der Über- und Unterordnung dieses Punktsystems, das offiziell erst mit dem militärischen Staatsstreich von 1932 und der Beendigung der absoluten Monarchie abgeschafft wurde, aber in der heutigen Gesellschaft immer noch nachwirkt: „[A] culture with many centuries of such a system as sakdina will likely require another century or more before its effects are significantly reduced, if they are ever reduced. And we can […] understand why […] equality remains such an unnatural concept for Thai people today.“ (Slagter/Kerbo 2000, S. 66f.)

Insgesamt scheint das Konzept der Gefolgschaft als Grundlage einer Einstufung im historischen Sakdina-System für die identifizierten Stilmerkmale von Personenloyalität, sozialen Netzwerken und ausgeprägter Machtdistanz gegenüber dem Vorgesetzten innerhalb thailändischer Unternehmen ein plausibles Erklärungsmodell zu liefern: „Das gesellschaftliche Ansehen und die soziale Position innerhalb der [sakdina-] Hierarchie, auch in der politischen Stellung dem König gegenüber, wurde entscheidend von der Anzahl der erwachsenen, arbeitsfähigen Personen bestimmt, die zur Gefolgschaft gehörten. Diese Beziehung zwischen dem Patron und seiner Gefolgschaft umfaßte alle Lebensbereiche des einzelnen sowie seiner Familie. [...] Dieses Gefolgschaftsprinzip war nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch abgesichert und bildet auch heute noch ein wichtiges Charakteristikum der Beziehung zwischen Vorgesetzten und Untergebenen in Thailand.“ (Schönberg 1980, S. 350)

160

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

4.1.3.1.3 Thailändisches Konfliktverhalten „Halte Dich fern von dem Ort, wo die Tiger wohnen!“ (Lehrgedicht des Pra Ruong)26

Auf grundsätzliche Unterschiede zwischen eher individualistischen und kollektivistischen Kulturen im Bereich des Konfliktverhaltens haben zahlreiche Autoren bereits hingewiesen (Stüdlein 1997, S. 351, vgl. auch Kopper 1992, S. 239). In Bezug auf Thailand im Speziellen führen zahlreiche Studien ähnlich wie die Befragten thailändisches Konfliktverhalten bedingt durch das allgegenwärtige Hierarchiegefüge auf Handlungsstandardisierungen des Respekts zurück, die in dem thailändischen Konzept des kreng jai ihren zentralen Ausdruck finden. Während kreng jai meistens mit „Rücksichtnahme“ übersetzt wird, betonen Cooper/Cooper vor allem den enthaltenen emotionalen Aspekt, der immer ein Gefühl der Verpflichtung des Untergeordneten gegenüber dem Übergeordneten enthält: „[Kreng jai] is more than [consideration]. It is a feeling. A father might consider the welfare of his children but he would not feel kreng jai towards them. His children, in considering his feelings and adjusting their behavior to give him peace of mind, do feel kreng jai. Kreng jai is felt by the person who considers. In Thailand the person ‘who considers’ is normally the inferior in any social relationship.“ (Cooper/Cooper 1994, S. 83)

Erfüllen von Wünschen und Bitten gegen eigenes Interesse

Vermeidung von Anweisungen gegenüber Vorgesetzten oder Älteren

Vermeidung von Störung und Unterbrechung anderer

Vermeidung der Bewertung von Vorgesetzten oder Älteren

Vermeidung des Zeigens von Missfallen oder Ärger

Vermeidung der offenen Einforderung eigener Rechte

Vermeidung der Äußerung eigener Meinung oder Bedürfnisse

Vermeidung von klärenden Fragen

Abb. 42: Ausprägungen thailändischen kreng-jai-Verhaltens (nach Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 47f.)

Holmes/Tangtongtavy unterstreichen demgegenüber mit ihrer Definition von kreng jai eher den Aspekt der Harmonieerhaltung und Konfliktvermeidung, der in Ausnahmefällen auch in umgekehrter hierarchischer Richtung stattfinden kann (vgl. Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 48, „Kreng jai towards juniors“). Insgesamt identifizieren sie acht verschiedene Anlässe von kreng-

jai-Verhalten innerhalb des Arbeitsalltags, die innerhalb der Abbildung zusammengefasst sind und zahlreiche Verhaltensweisen widerspiegeln, die von den Befragten als thailändische Konfliktstrategien benannt wurden. Als eng verbunden mit dem Konzept des kreng jai als Rücksichtnahme schildern zahlreiche Autoren darüber hinaus das thailändische Verhaltensprinzip des hai kiat , zu deutsch: „jemandem Respekt zollen“, „jemandem Ehre erweisen“ (vgl. Niratpattanasai 2001a), das ebenfalls zur reibungslosen Kommunikation und Vermeidung von Konflikten beiträgt. Während kreng jai sich als Gefühl des Verpflichtet-Seins eher auf den Übergeordneten bezieht, ist der Ausübung von

26

Zitiert nach Ampha 1991, S. 103ff.

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

161

hai kiat keine hierarchische Richtung inne. So kann die traditionelle Begrüßungsbewegung des wai, die von dem Untergebenen ausgeht, als Respektsbezeugung dem Vorgesetzten gegenüber interpretiert werden, andererseits erweist ein Vorgesetzter seinen Untergebenen Ehre, indem er sie beispielsweise um Rat fragt oder ihre Ideen vor anderen lobt (vgl. Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 50f.). Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass der Aspekt des hai kiat in den Interviews speziell mit deutschen Mitarbeitern nicht explizit auftaucht. Dabei ist insgesamt festzustellen, dass die deutschen Manager respektvolles Verhalten im Kontext thailändischer Kultur häufig unter dem Stichwort kreng jai zusammenfassen und damit Rücksichtnahme und Ehrerweisung gleichsetzen. Aus der fehlenden Differenzierung ergeben sich dabei aus deutscher Sicht teilweise widersprüchliche Interpretationen thailändischen Verhaltens. So beobachten die Deutschen, dass bestimmte distanzverringernde Verhaltensweisen ihren Mitarbeitern gegenüber von diesen als motivierend erfahren werden (z.B. persönlicher Gruß, verbale Anteilnahme, Teilnahme an privaten Festen) während andere als unangemessen bewertet werden. Zu einer ähnlichen Beobachtung kommen auch Brinkama/Richter/Zhong (1996, S. 58f.), ohne allerdings eine Erklärung zu entwickeln. Mit der Unterscheidung in kreng jai und hai kiat wird jedoch klar, dass distanzverringerndes Verhalten, das von den deutschen Vorgesetzten ausgeht, aufgrund der Hierarchieverhältnisse primär hai kiat sein muss, um von thailändischen Mitarbeitern akzeptiert und gewürdigt zu werden. Es muss daher eine Komponente der Ehrerweisung enthalten, die jedoch den unterschiedlichen Status nicht in Frage stellt, sondern im Gegenteil implizit bestätigt. Deutsches Verhalten der Herstellung von Egalität als falsch verstandenes kreng jai (z.B. kumpelhaftes Auf-die-Schulter-Klopfen oder ausgeprägte Höflichkeit) kann vor diesem Hintergrund auf thailändischer Seite leicht als Verletzung der hierarchischen Ordnung bzw. als respektlos aufgefasst werden und zum Gesichtsverlust auf deutscher Seite führen. In diesem Fall wird von thailändischer Seite aufgrund fehlender Wertschätzung des Übergeordneten die

kreng-jai-Beziehung aufgekündigt. Das nun vorherrschende Gefühl des mot khwam kreng jai (dt. etwa: kreng jai ist beendet) lässt sich mit dem deutschen Ausdruck „den Respekt vor jemandem verlieren“ nur unzureichend übersetzen und ist schwer, wenn nicht unmöglich, wieder rückgängig zu machen (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 48f.). Zahlreiche Studien beschreiben die Manifestationen der spezifisch thailändischen Phänomene von kreng jai und hai kiat im thailändischen Kommunikations- und Konfliktverhalten als Indirektheit und bestätigen damit die grundsätzlichen Beobachtungen der Befragten. Das hier gezeichnete Bild fügt sich dabei ein in das allgemeine, von Hall entwickelte Konzept der „HighContext-Kulturen“ (Hall 1989b, S. 60ff.), zu denen neben anderen asiatischen Ländern auch Thailand gezählt wird und die sich durch eine starke Abhängigkeit der Kommunikation „von der jeweiligen Situation, der äußeren Umgebung“ (Apfelthaler 1999, S. 46) und eine dementsprechend ausgeprägte Implizitheit auszeichnen. Im einzelnen beschreiben Brinkama/Richter/ Zhong verschiedene indirekte Kommunikationsstrategien thailändischer Mitarbeiter, wie verbale

162

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

Uneindeutigkeit, meinungsunabhängige Zustimmung (Ja-Sagen) und die grundsätzliche Vermeidung von Kritik (Brinkama/Richter/Zhong 1996, S. 62ff.). Als Begründung für die grundsätzliche kommunikative Indirektheit führen Cooper/Cooper besonders die thailändische Angst vor dem Gesichtsverlust an, die dafür sorgt, dass westliche Formen direkter Kritik entsprechend als „violence“ (Cooper/Cooper 1994, S. 134, vgl. auch Slagter/Kerbo 2000, S. 4) empfunden werden. In diesem Zusammenhang erhält auch die von den Befragten identifizierte Wichtigkeit indirekter Konfliktsymptome vielfache Bestätigung. In Bezug auf das berühmte thailändische Lächeln, das als Beschwichtigungsgeste genauso wie als Maskierung von Meinungsverschiedenheit eingesetzt wird, beschreiben beispielsweise Holmes/Tangtongtavy dreizehn verschiedenen Arten, die im Thailändischen genau differenzierte Bezeichnungen besitzen. 1 Yim thang nam taa

Das „Ich-bin-so-glücklich-dass-ich-weinen-muss“-Lächeln

2 Yim thak thaai

Höflichkeitslächeln für Unbekannte

3 Yim cheun chom

Das „Ich-bewundere-Dich“-Lächeln

4 Fuen yim

Das „Ich-sollte-lachen-finde-den-Scherz-aber-gar-nicht-lustig“-Lächeln (steifes Lächeln)

5 Yim mee lessanai

Lächeln, das hinterhältige Gedanken verbirgt

6 Yim yaw

Das „Ich-habs-Dir-doch-gesagt“-Lächeln

7 Yim yae-yae

Das „Ich-weiß-die Dinge-schauen-nicht-gut-aus-aber-es-bringt-nichts-sich-drüber-aufzuregen“-Lächeln

8 Yim sao

Trauriges Lächeln

9 Yim haeng

Das „Ich-weiß-ich-schulde-Dir-Geld-aber-ich habs-nicht“-Lächeln (Trockenes Lächeln)

10 Yim thak thaan

Das „Ich-bin-anderer-Meinung“-Lächeln, das „Schlag-Deine-Idee-ruhig-vor-aber-sie-ist-nichts-wert“-Lächeln

12 Yim cheua-cheuan

Das „Ich-habe-gewonnen“-Lächeln (Lächeln für den Verlierer)

13 Yim soo

Das „Einem-aussichtslosen-Kampf-ins-Gesicht“-Lächeln

14 Yim mai awk

Das „Ich-versuche-zu-lächeln-kanns-aber-nicht“-Lächeln

Abb. 43: Thailändische Bezeichnungen für 13 Arten des Lächelns (nach Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 25)

Der thailändische Umgang mit Konflikten wird entsprechend aus westlicher Sicht häufig als „behind-the-scenes manipulation“ (Cooper/Cooper 1994, S. 135) charakterisiert. Verschiedene Autoren bestätigen darüber hinaus die von den Befragten identifizierten Verhaltensstrategien zur Konfliktlösung, vom Ruhenlassen oder Verdrängen des Konflikts bis hin zum bewussten „Aussitzen“27 (vgl. Brinkama/Richter/Zhong 1996, S. 66ff., Holmes/Tangtongtavy 1995, S.

27

Die westliche Diagnose indirekter thailändischer Verhandlungstaktik besitzt eine lange Tradition. So zitiert z.B. Benedict Dokumente französischer Diplomaten aus dem 19. Jahrhundert, die bei ihren Verhandlungen mit thailändischen Beamten von ähnlichen Erfahrungen berichten: „The diplomatic receipt of Siamese officials is delay, delay, delay, again and again; and if pressed, ask, as a last resource, for the advice of the person who is pressing you; then say that you must refer it to headquarters; and thus keep the ball rolling, until he perhaps gives up in despair of ever getting to the bottom of your diplomacy“ (Benedict 1952, S. 10).

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163

22f.). Die von den deutschen Mitarbeitern beschriebene Flucht als letzter Ausweg aus unlösbaren Konfliktsituationen wird von verschiedenen Studien mit dem Konzept des kreng klua (dt.: Angst) erklärt. Wenn dabei eine als übermächtig empfundene Institution, beispielsweise ein deutscher Vorgesetzter, das von thailändischer Seite beschwichtigende kreng-jai-Verhalten nicht mit hai kiat erwidert, sondern verstärkten Druck ausübt und sich dadurch als unberechenbar und böse präsentiert, kann dies als Demütigung oder Erniedrigung erfahren werden, die mit starken Angstgefühlen verknüpft ist: „The strongest emotions that a representation of power can expect to excite are reverent awe and fear (kreng klua)“ (Mulder 2000, S. 31). Als logische Konsequenz für das in diesem Fall existenziell in seiner Integrität bedrohte Individuum stellt sich dann die Flucht als einzig probates Mittel dar, um den als untragbar empfundenen Folgen zu entgehen: „At this point the most sensible thing for the individual to do is to get out of the situation as fast as he can. [...] Sometimes, the individual may literally flee the scene. More usual is to stay and promise anything to placate this unreasonable force and, at first opportunity, to break off social contact and make sure it is never renewed in the future.“ (Cooper/Cooper 1994, S. 89)

Dass diese thailändische Verhaltensweise der Flucht als Mittel der Konfliktvermeidung historische Traditionen besitzt, zeigen frühe anthropologische Untersuchungen über das Königreich Siam. So beschreibt beispielsweise Benedict die außergewöhnliche Duldungsfähigkeit thailändischer Bauern gegenüber ihren Herren, die historisch zu keinerlei Aufständen geführt hat, berichtet daneben jedoch von der Flucht ganzer Bauerndörfer als Ausweichen vor unhaltbaren Situationen: „The evacuation of whole villages used to occur in anticipation of the visit of the recruiting sergeant. [When] an exacting landlord required too large a toll, the whole village loaded itself into its boats and set itself up on other land.“ (Benedict 1952, S. 9)

4.1.3.1.4 Thailändische Aufgabenbearbeitung „Nimm Dir die Wachtel als Vorbild, die ihre Kinder zum gemeinsamen Fressen holt!“ (Lehrgedicht des Pra Ruong)28

Neben den grundsätzlichen Charakteristiken von Beziehungsaufbau, Hierarchieverständnis und Konfliktverhalten erhalten auch die im Rahmen der Befragung identifizierten Stilelemente thailändischer Aufgabenbearbeitung im Literaturvergleich eine Bestätigung. So wird das zugrunde liegende Arbeitsverständnis als Einheit von Anstrengung und Spaß häufig zurückgeführt auf traditionelle Verhaltensmuster kollektiver Feldarbeit: „In the agricultural setting, where most Thais live and work, people come together in groups linked by kinship and friendship to do difficult jobs or work requiring larger workforce than one family can provide.“ (Cooper/Cooper 1994, S. 128)

Als aufschlussreich erscheint in diesem Zusammenhang die doppelte Wortbedeutung des thailändischen Arbeitsbegriffs (th.: ngan), der die Konnotationen von sowohl „Arbeit“ als auch „Fest“ in sich vereint (Cooper/Cooper 1994, S. 128). Die daraus folgende, von deutscher Seite

28

Zitiert nach Ampha 1991, S. 103ff.

164

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oft beschriebene Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit wird ebenfalls diagnostiziert (vgl. Brinkama/Richter/Zhong 1996, S. 25), ihre Auswirkungen besonders als vergnügliche Auflockerung des Arbeitsalltags beschrieben: „It does not follow from this that Thais cannot distinguish between work and party [...] rather, it implies that whenever it is possible to turn work into a party, Thais will do so“ (Cooper/Cooper 1994, S. 128). Die gesteigerte Wichtigkeit eines angenehmen Betriebsklimas für die thailändische Arbeitsmotivation heben zahlreiche Studien hervor (vgl. Dubey-Villinger 2001a, S. 114, Brinkama/Richter/Zhong 1996, S. 25). Cooper/Cooper beschreiben die Rolle ausländischer Manager bei der Entwicklung eines solchen Betriebsklimas lakonisch als die des großzügigen Spenders, der mit Geld und hai kiat für gute Laune sorgt: „In Thailand, few workers are happy with purely economic incentives if a job is no fun. Fortunately, plenty of occasions exist for organising parties, and the expat manager’s role is usually limited to sitting back and enjoying it, perhaps giving a short speech praising the work of everybody and indicating future expansion of the company and, of course, picking up a large part of the bill when the party is over.“ (Cooper/Cooper 1994, S. 131)

Daneben werden ebenso grundsätzliche Kennzeichen thailändischer Arbeitsweise, die von den Befragten identifiziert wurden, von westlichen aber auch von thailändischen Autoren bestätigt. Das im Rahmen der Untersuchung festgestellte Merkmal der Ad-hoc-Bearbeitung, das sich vor allem in mangelnder Planungsorientierung und Improvisation manifestiert, wird dabei zum einen auf die geographischen Bedingungen der thailändischen Agrargesellschaft mit ihrem Überfluss an vorhandenen Nahrungsmitteln zurückgeführt: „We did not have to plan to fight nature, unlike the West, where planning is a must“ (Niratpattanasai 2000a). Niratpattanasai verweist in diesem Zusammenhang auf bekannte thailändische Sprichworte (z.B. „Der Fluss führt Fische, der Hof besitzt Reis“), die eine Sicherung materieller Grundversorgung ausdrücken, welche traditionell keinen Anlass für Planung gibt. Andere Autoren erweitern dieses Erklärungsmodell, indem sie in der thailändischen Kultur aufgrund buddhistischer Vorstellungen ein Verständnis von Zeit diagnostizieren, das im Vergleich zu westlichen Vorstellungen einer durch Planung kontrollierbaren Zukunft von grundsätzlicher Unzuverlässigkeit und Willkür zukünftiger Ereignisse ausgeht, die eine detaillierte Planung sinnlos erscheinen lassen (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 77f.). Auch der von deutscher Seite beschriebene Komplex der Kindlichkeit thailändischer Arbeitsweise mit ihren spielerischen und kreativen Elementen sowie ihrer Tendenz zur Undiszipliniertheit findet sich in verschiedenen Studien wieder. So betonen beispielsweise Cooper/Cooper den spielerischen Umgang mit Arbeit und stellen innerhalb des modernen thailändischen Arbeitsalltags einen Mangel an traditionellen Arbeitsmotivatoren, beispielsweise gemeinsamen Wettspielen, fest, die früher anstrengende Feldarbeit erträglich gemacht hätten (Cooper/Cooper 1994, S. 131). Brinkama/Richter/Zhong attestieren thailändischen Mitarbeitern in diesem Zusammenhang „fehlende Ernsthaftigkeit“ (1996, S. 74) und zitieren einen deutschen Expatriate-Manager in Thailand:

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„Die Thais sind unheimlich verspielt. Ich stehe neulich bei uns auf dem Hof, da gehen zwei Mitarbeiter mit so einem Hubwagen über den Hof, ganz ruhig, plötzlich flippt der eine aus, springt auf den Wagen und tut so, als stehe er auch einem Surfbrett, macht da wild rum. Irgendwann kommt er wieder zur Vernunft, springt runter und die beiden gehen in aller Ruhe weiter. So etwas passiert dauernd.“ (Brinkama/Richter/Zhong 1996, S. 74)

4.1.3.1.5 Das anthropologische Modell von Mulder Während oberflächlich eine ganze Reihe von beobachteten Stilelementen im Rahmen der Literaturdiskussion bestätigt werden konnten und im Einzelnen mit religiöser Prägung durch den Buddhismus, bestimmte Bedingungen thailändischer Agrarkultur sowie besonderen Einschnitten der Sozialgeschichte (Sakdina-System) begründet wurden, bleiben bei einer tiefer gehenden Betrachtung der Untersuchungsergebnisse zahlreiche Widersprüche bestehen, die allein mit den angeführten Begründungsmodellen nicht vollständig geklärt werden können. So mag die Gefahr des Gesichtsverlusts als Erklärung für ungewöhnlich ausgeprägte Konfliktvermeidungsstrategien zwar plausibel erscheinen. Warum in offener Auseinandersetzung aber auch der hierarchisch Übergeordnete, der eigentlich durch das Hierarchiegefüge geschützt sein müsste, sein Gesicht verlieren kann, konnte nicht vollständig begründet werden. Ebenfalls als widersprüchlich stellt sich eine Gegenüberstellung der komplexen thailändischen Konzepte der Harmonieerhaltung kreng jai und hai kiat mit der von den Befragten häufig konstatierten Rücksichtslosigkeit thailändischer Vorgesetzter und ihrem Ausnutzen von Macht dar, Verhaltensweisen, die gar nicht in die Beschreibung einer höflichen, auf gegenseitige Respektsbezeugung ausgerichteten Unternehmenswelt passen mögen. Auch zeichnet die allenthalben diagnostizierte thailändische Gruppenorientierung in Verbindung mit einer der ausgeprägtesten Gesellschaftshierarchien das Bild einer Kultur, in der sich das Individuum vollständig der Gemeinschaft unterordnet. Der von den Befragten beobachtete thailändische Individualismus mit seinen Ausprägungen von Spontaneität und Unabhängigkeit spricht demgegenüber jedoch eine ganz andere Sprache. Diese zahlreichen Widersprüche lassen es notwendig erscheinen, zur besseren Einordnung der Ergebnisse einen genaueren Blick auf thailändische Standardisierungen des Denkens zu werfen, ein Schritt, der innerhalb der herkömmlichen Thailand-Literatur (vgl. Brinkama/Richter/Zhong 1996, Cooper/Cooper 1994) sowie bekannten kulturvergleichenden Studien (vgl. Hofstede 1997), die häufig die Grundlage für das interkulturelle Wissen deutscher Manager bilden, unterbleibt. Die beobachteten Widersprüche, vor allem in Bezug auf den Gegensatz KollektivismusIndividualismus, sind in der wissenschaftlichen Thailand-Literatur oft diskutiert worden (Slagter/Kerbo 2000, S. 11). Die frühesten Arbeiten zu diesem Thema, die thailändischen Individualismus im Vergleich zu asiatischen Nachbarstaaten als Besonderheit herausstellen, prägten hierfür den Terminus einer „loosely structured society“ (vgl. Embree 1950, Phillips 1966)29, ein Konzept, das im Hinblick auf die auffallende Kontinuität thailändischer Gesellschaftsentwicklung

29

Vgl. auch Wichiencharoen, der Thais als Individualisten und Einzelgänger beschreibt (Wichiencharoen 1976), Meesok et al., die innerhalb der Diagnose thailändischen Individualismus vor allem Aspekte von Egoismus und sozialer Unverantwortlichkeit hervorheben (Meesok et al. 1973, S. 3) und Weggel, der Gesellschaften des Theravada-Buddhismus grundsätzlich „Vereinzelungscharakteristik“ zuschreibt (Weggel 1989, S. 302).

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nicht aufrechterhalten werden konnte. Jüngere Ansätze gehen demgegenüber eher von einer heterogenen Mischung kollektivistischer und individualistischer Merkmale30 aus (vgl. Cohen 1991, S. 36ff., Girling 1981, S. 41), die unverbunden nebeneinander gestellt werden: „[Thai society is] first and foremost hierarchically structured where individualism and social relations are of the utmost importance“ (Komin 1991, 131ff.). Das aus westlicher Sicht nicht erklärbare Zusammenspiel kollektivistischer und individualistischer Elemente wird dabei als Anormalität oder Inkonsistenz bewertet: “Societies with welldefined hierarchies normally do not feature such individualistic behavior. Japan … is more consistent in this respect“ (Slagter/Kerbo 2000, S. 4). Das Grundproblem kultureller Bedingtheit der Bewertungsparameter Kollektivismus und Individualismus, die vor allem nach westlicher Vorstellung als Gegensätze begriffen werden, wird dabei häufig übersehen. Wertvollere Anhaltspunkte für ein Erklärungsmodell liefern in diesem Zusammenhang die anthropologischen Studien von Mulder (vgl. Mulder 2000, 1990, 1979), die sich besonders durch den Versuch einer Kulturbeschreibung ohne vorgeprägte Kulturdimensionen auszeichnen. Während klassische Thailand-Studien vor allem auf die buddhistische Religion als Erklärungsmuster für kulturelle Eigenschaften zurückgreifen (vgl. Benedict 1952), bezieht Mulder konsequent die zweite Seite thailändischen Glaubens, den verbreiteten Animismus mit seinen zahlreichen Geisterkulten, in seine Betrachtungen mit ein. Die einzigartige thailändische Verbindung aus Theravada-Buddhismus und Animismus liefert dabei seiner Ansicht nach überzeugende Antworten auf elementare menschliche Fragestellungen, die sich aus für die thailändische Gedankenwelt typischen Gegensätzen von Freund und Feind, Ordnung und Chaos, Sicherheit und Gefahr, oder Macht und Machtlosigkeit ergeben: „Theravada Buddhism and the pre-Buddhist animistic heritage have collaborated in an enduringly harmonious marriage. […] Buddhist thinking about this life and the universe does not conflict with original animistic cosmology, since both are convincing religious representations of the experience of everyday life.“ (Mulder 2000, S. 36)

Aus der buddhistischen Vorstellung von einem Leben als Leid, das bestimmt wird durch oberflächlichen Schein, und der animistischen Vorstellung von einem Leben, das unberechenbaren Geisterkräften unterworfen ist, leitet Mulder grundsätzliche Gemeinsamkeiten zwischen buddhistischem und animistischem Glauben ab, wie beispielsweise die Konzepte von Vergänglichkeit und Instabilität der umgebenden Welt. Während der Buddhismus innerhalb eines durch Unsicherheit geprägten Lebens zwar Moral, aber kein sicheres Zentrum anbieten kann, verspricht hingegen der amoralische Animismus zumindest temporäre Sicherheit im Kreis der eigenen sozialen Gruppe, mit Hilfe derer man sich gegen böse Mächte der Außenwelt schützen kann (Mulder 2000, S. 36). Aus der Verbindung dieser zwei Wurzeln entsteht daher eine ontologische Diagnose fundamentaler Dualität. So identifiziert Mulder zwei Bereiche innerhalb der thailändi-

30

Zum Widerspruch von Individualismus und Hierarchie innerhalb thailändischer Sprichwörter vgl. auch Rabibhadana 1996.

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167

schen Vorstellungswelt: die Dimension moralischer Güte (khuna), innerhalb derer Sicherheit und Ordnung herrscht, und die Dimension amoralischer Macht (decha), innerhalb derer Unberechenbarkeit und Chaos herrscht. Nach Mulder bestehen beide Bereiche nebeneinander, ohne wie nach christlicher Vorstellung in einer Gottsynthese zusammengeführt zu werden: „ The realm of moral goodness is not antithetical to the realm of power, but the two mutually complement each other. […] This schism being a fundamental attribute of the human experience, it is no cause for surprise that this bifurcation has been elaborated into separate institutionalized religious complexes that can easily coexist. This division is nothing other than an institutionalized reflection of the complexity of experience. The point left to ponder is why other religious thinking has sought to transcend, or at least unify, the basic dualities of existence by suppositions of a single god or a principle of cosmic equilibrium.“ (Mulder 2000, S. 31/37)

Die decha-Dimension ist dabei bestimmt durch amoralische Macht (saksit), die als „both potentially beneficent and harmful“ (Mulder 2000, S. 25) erfahren wird: “[It] lies all around us, like the atmosphere […]“ (Mulder 2000, S. 25). Nach Mulder handelt es sich bei diesem Machtkonzept um eines der zentralen Schlüsselbegriffe thailändischer Kultur: „Power is the most spectacular, beguiling, and central manifestation of Thai life […]. Its cognitive elaborations and the way power is accommodated reveal the essentially animistic substratum of the Thai mentality.“ (Mulder 2000, S. 25)

Der Machtsphäre der decha-Dimension muss dabei nach genau bestimmten Regeln begegnet werden. So können die geisterhaften Mächte des saksit durch die korrekte Ausführung von Zeremonien und Ritualen besänftigt werden, Schutz bieten oder auch Wünsche erfüllen. Das Individuum geht dabei zu seinem Schutz oder Vorteil einen temporären Vertrag mit der jeweiligen Macht ein, deren Unberechenbarkeit auf diese Weise gebändigt wird (Mulder 2000, S. 28). Aufgrund des mechanistischen Charakters animistischer Geisterkulte gilt ein Nichteinhalten des geschlossenen Vertrags seitens des Individuums daher nicht als moralische Schuld: „Insult to saksit forces is by no means sinful, but merely stupid.“ (Mulder 2000, S. 28)

Im Gegensatz zur decha-Dimension der Macht wird die khuna-Dimension demgegenüber bestimmt durch moralische Güte. Während saksit-Macht häufig in Form übernatürlicher Kräfte erfahren wird, manifestiert sich die Güte der khuna-Dimension eher in natürlichen oder menschlichen Symbolen, wie beispielsweise dem Bild der aufopfernden Mutter oder der Hingabe des gütigen Lehrers. Die Beziehungsqualität, die innerhalb der khuna-Dimension vorherrscht, entspricht daher dem bereits beschriebenen bunkhun-Loyalitätsverhältnis (Mulder 2000, S. 32). Während decha-Beziehungen auf vertraglich-mechanistischem Geben und Nehmen beruhen, müssen die Projektionen der moralischen bunkhun-Beziehung Dankbarkeit nicht einfordern: „[They] do not need to plead but rather receive without asking“ (Mulder 2000, S. 32). Undankbarkeit innerhalb einer khuna-Beziehung wird daher als „Versündigung“ gegen die moralische Ordnung verstanden und kann zu schweren Schuldgefühlen führen. Auf der anderen Seite werden individualistische Verhaltensweisen innerhalb der von Vertrauen, Wohlwollen und Vergebung geprägten khuna-Dimension sozial abgefangen:

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Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

„The solidarity of near persons serves as a refuge that is felt to be sure, inalienable and permanent; because of this safety-net function, a person may allow himself [...] personal independence.“ (Mulder 2000, S. 62)

Das anthropologische Modell von Mulder (siehe Abbildung) liefert zahlreiche Anhaltspunkte, um den beobachteten Widersprüchen innerhalb der Ergebnisse zum thailändischen Wirtschaftsstil näher zu kommen. Versteht man den Unternehmensraum als Zwischenwelt angesiedelt inmitten der khuna- und decha-Dimensionen thailändischer Vorstellungswelt, lassen sich die Beziehungsstrukturen innerhalb eines Unternehmens als fluktuierend zwischen sicheren, durch Wohlwollen und hai kiat gekennzeichnete bunkhun-Verhältnissen mit moralischer Verpflichtung und eher unberechenbaren saksit-Machtverhältnissen verstehen, deren Machtfiguren, ähnlich bösen Geistern, oberflächlich besänftigt werden müssen, aber auch zum eigenen Schutz und Vorteil betrogen werden können.

Khuna (Güte)

Dimension

Religiöser Einfluss

Buddhismus

Repräsentation

Buddha

Qualität

moralisch

Bedeutung

Frieden, Auflösung

Beziehungstyp

Decha (Macht)

Animismus

Mutter, Lehrer

Saksit-Macht

Das Böse

amoralisch Gefahr, Bedrohung

Sicherheit

Langfristige Bunkhun-Loyalitätsbeziehungen

Chaos

Temporäre mechanistische Machtbeziehungen

Sphäre des Unternehmensalltags Sphäre alltäglicher menschliche Existenz

Abb. 44: Khuna- und decha-Dimensionen thailändischer Vorstellungswelt (Modell nach Mulder 2000, erweitert um Unternehmenssphäre)

Aus dieser Sicht wird deutlich, dass westliche Unterscheidungen in formelle und informelle Beziehungen (z.B. die deutsche Unterscheidung in Kollege und Freund, Kapitel 4.1.2.1.) innerhalb thailändischer Unternehmen in dieser Form nicht anwendbar sind. So scheint es berufliche und familiäre bunkhun-Beziehungen zu geben, die jeweils auf moralischer Verpflichtung beruhen. Die Unterscheidung zwischen bunkhun oder saksit wird dabei nicht aufgrund kontextueller Rahmenbedingungen, sondern aufgrund der individuellen Beziehungsstruktur getroffen. Auf diese Weise erhält die Beobachtung von widersprüchlichem Verhalten innerhalb der Unternehmen mit kreng jai und hai kiat auf der einen Seite und Rücksichtslosigkeit und Egoismus auf der anderen Seite eine plausible Erklärung: Je nach vorhandener Beziehungsstruktur, die eine Geschäftsführung zu ihren Mitarbeitern aufbaut, wird der Unternehmensraum einmal als khuna oder einmal als decha interpretiert und das eigene Verhalten in entsprechender Weise einer-

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seits an die herrschende Atmosphäre der Sicherheit und des Wohlwollens oder andererseits an ein Klima unberechenbarer Machtkonzentration angepasst. Vor diesem Hintergrund können Äußerungen der thailändischen Mitarbeiter zu mangelnder Authentizität deutschen Einsatzwillens („They are not here to really help the Thai.“) interpretiert werden als Diagnose der Unmöglichkeit, bunkhun-Beziehungen aufzubauen. Das Beziehungsgefüge verbleibt in diesem Fall in der unberechenbaren, bedrohlichen decha-Dimension. Das Vorhandensein stabiler bunkhunBeziehungen mit ihrer Atmosphäre von Wohlwollen und Vergeben erklärt auf der anderen Seite das häufig erwähnte Phänomen thailändischen Individualismus mit seiner Tendenz zu spielerischer Spontaneität und kreativer, flexibler Regelauslegung, die nur innerhalb der Sicherheitszone des khuna auslebbar sind. Schließlich werden anhand des khuna-decha-Modells auch bestimmte Eigenheiten thailändischen Konfliktverhaltens verständlicher. Wenn Ärger und Disharmonie nicht nur zum Gesichtsverlust eines Individuums führen können, sondern gleichzeitig die Ordnung und Sicherheit des kollektiven khuna zerstören und sie damit der Unsicherheit des saksit preisgeben, wird deutlich, warum Konfliktbereitschaft und Unbeherrschtheit (th.: jai rohn, dt.: „heißes Herz“) sozial bestraft werden muss. So betonen beispielsweise Cooper/Cooper: „An individual who openly demonstrates anger threatens the community“ (1994, S.113). Zur Illustration von jai rohn verwenden sie das Bild eines Menschen, der eine Handgranate in eine Menschenmenge wirft (Cooper/Cooper 1994, S. 113). Demgegenüber erscheint jai yen (dt.: „kühles Herz“, vgl. Weggel 1989, S. 297) als unabdingbare Voraussetzung zum Erhalt sozialer Ordnung und wird sogar als thailändische Grundlage menschlicher Würde interpretiert (Cooper/Cooper 1994, S. 114). So erklärt sich auch die Problematik des beidseitigen Gesichtsverlusts im Konfliktfall. Jai rohn führt zur Aufkündigung der khuna-Beziehung hin zum amoralischen decha-Verhältnis: Der Angegriffene verliert seine Verankerung in der khuna-Beziehung und damit seine soziale Sicherheit, der Angreifer beschwört Konflikte herauf und destabilisiert damit die sichere Ordnung des Kollektivs. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die vertiefte Literaturdiskussion nicht nur zentrale Erkenntnisse der Untersuchung zum thailändischen Wirtschaftsstil bestätigt, sondern darüber hinaus im Sinne der Methodik theoriebildender Fallstudien- und Stilanalyse ein tiefergehendes Verständnis der beobachteten Phänomene erbringt, die sich zur sinnvollen Beurteilung einer thailändisch-deutschen Interkultur (Kapitel 4.2.) als notwendig erweisen. 4.1.3.2. Diskussion des deutschen Wirtschaftsstils Im Anschluss an die Diskussion des thailändischen Wirtschaftsstils sollen im Folgenden die Ergebnisse zur Beschreibung eines deutschen Wirtschaftsstils diskutiert werden. Insgesamt lässt sich dabei feststellen, dass analog zur vorangegangenen Diskussion auch in Bezug auf den deutschen Wirtschaftsstil zahlreiche der von Deutschen und Thais identifizierten Elemente durch vorhandene Literatur eine Bestätigung sowie eine Vertiefung durch verschiedene historische oder soziologische Erklärungsmodelle erhalten. Die Diskussion der deutschen Stilelemente

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kann dabei aufgrund der stärkeren kulturellen Nähe geraffter ausfallen und beschränkt sich auf die Elemente, die in Bezug auf den Interessenschwerpunkt einer deutsch-thailändischen Interkultur von den Befragten als wichtig identifiziert wurden.

4.1.3.2.1 Deutscher Beziehungsaufbau Im Gegensatz zu den beschriebenen thailändischen Beziehungsnetzwerken bestätigen zahlreiche Autoren die verminderte Wichtigkeit unternehmensinterner Sozialbeziehungen in Deutschland und führen diese zumeist auf eine grundsätzliche Trennung von öffentlicher und privater Sphäre zurück, innerhalb derer unterschiedliche Handlungsstandardisierungen bestehen können: „For the Germans, life is made up of two halves; the public and the private. The public sphere of jobs, officialdom, business and bureaucracy is radically different from the private one of family, friends, hobbies and holidays. What is fitting in the one is quite impossible in the other.“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 5)

Die Trennung in Öffentlichkeit und Privatheit, bzw. formelle und informelle soziale Kontexte gilt dabei innerhalb westlicher Kulturen als grundsätzlich bekannt, ihre deutsche Ausprägung wird jedoch von verschiedenen Autoren als besonders stark herausgestellt. So spricht beispielsweise Ardagh von einem „gulf in Germany between office and private life“ (Ardagh 1995, S. 187). Hall führt die exakte deutsche Trennung (Hall 1989b, S. 114) auf eine außergewöhnliche Ausprägung „monochronen“ Zeitempfindens31 zurück, das jede Zeiteinheit eindeutig bestimmten sozialen Kontexten zuordnet: „One thinks of the entirety of Germany as one vast interlocked schedule“ (Hall 1989b, S. 118). Andere Autoren diagnostizieren den deutschen Begriff der „Arbeit“ als kulturellen Schlüsselbegriff, der aufgrund seiner Wichtigkeit die gesamte Lebenszeit einteilt und den Tages- und Wochenablauf in Phasen der Arbeit und Nichtarbeit gliedert: „Der Begriff der Arbeit ist daher auch dort noch wirksam, wo er, wie es scheint negiert wird, nämlich in der Kindheit, nach der Pensi-

onierung und in Urlaub, Wochenende, Freizeit“ (Hermanns/Zhao 1994, S. 416f.). Soziale Beziehungen innerhalb von Unternehmen werden demnach vor allem durch die gemeinsame Arbeit und innerhalb deren Grenzen definiert. Aus Sicht von Hall birgt die von verschiedenen Autoren betonte Dezentralisierung deutscher Organisationsstrukturen dabei zusätzlich eine Tendenz der „Vereinzelung“: „Compartmentalizing M-time [monochronic time] seals people off from each other so that personal relationships tend to be defined in terms of the job. Great care is taken to protect the privacy of others.“ (Hall 1989b, S. 120)

Höhne weist in diesem Zusammenhang auf die Sprichwörtlichkeit einer deutschen Trennung von Privatem und Geschäftlichem hin:

31

Zur Unterscheidung in „monochronic“ und „polychronic time“ vgl. Hall: „M-time and P-time designate two mutually exclusive kinds of time. M-time is one-thing-at-a-time, following a linear form so familiar to the West. P-time is polychronic, that is, manythings-at-a-time” (Hall 1989b, S. 230).

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„[In] Deutschland [wird] schon phraseologisch (unter Freunden soll man keine Geschäfte machen oder Geld verdirbt die Freundschaft) die scharfe Trennung der Bereiche Freundschaft und Geschäft markiert [...].“ (Höhne 2001, S. 253)

Dabei beurteilen nicht nur westliche, sondern auch asiatische Autoren die „geheiligte“ Privatsphäre als spezifisch deutsche Standardisierung im Wirtschaftsalltag (vgl. Liang 1996, S. 399, aus chinesischer Sicht). Als Folge einer strikten deutschen Trennung in Öffentliches und Privates wird häufig die Ausdifferenzierung deutscher Sozialbeziehungen in Kollegialität und Freundschaft betont. Besonders angelsächsische Autoren heben dabei die Langfristigkeit der deutschen Formalbeziehung des ‚Siezens’ innerhalb von Unternehmen hervor: „Social context will offer guidance: in business, never deviate from the formal. The Germans will remain on ‘Sie’ terms with colleagues even after decades of sharing an office.“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 27)

Im Gegensatz zu der durch den Arbeitskontext definierten, sachlich orientierten Kollegialbeziehung verweisen sie ähnlich wie die befragten thailändischen Mitarbeiter auf das deutsche Konzept der Freundschaft als äußerst langfristige Bindung, die besonders durch Offenheit, Nähe und Ehrlichkeit gekennzeichnet sei: „The strict separation of the public from the private provides a guarantee that in private the Germany are open and sincere. They may […] keep their distance from strangers and acquaintances much longer that the English, but when you cross the Hellespont of the ‘du’ it means that all reservations are gone and you have made a friend for life.“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 28)

Höhne betont in diesem Zusammenhang vor allem den Ausschließlichkeitsaspekt eines deutschen Freundschaftsverständnisses, der freundschaftlichen Beziehungen ein starkes Gewicht innerhalb der Sozialstruktur des Individuums verleiht: „Die Vorstellung von Freundschaft, wie sie sich im Deutschen herausgebildet hat, ist von geringerer Flexibilität hinsichtlich der Aufnahme sozialer Beziehungen gekennzeichnet. Ihr liegt eine starke partikularistische Ausschließlichkeitsbeziehung zugrunde, die mit Attributen der Treue, Tiefe, Unveränderlichkeit verknüpft ist.“ (Höhne 2001, S. 252)

Als Erklärungsansatz für die spezifisch deutsche Trennung von privatem und öffentlichem Bereich sowie der daraus folgenden Unterscheidung in Freundschaft und Kollegialität führen verschiedene Autoren primär historische Faktoren an. So schlägt beispielsweise Mog die „jahrhundertelange Zerstückelung des [...] deutschen Staatswesens“ (Mog 1996, S. 587) mit der Enge seiner Kleinstaaten als Grund für die deutsche Ausprägung sozialer Sphären vor: „Raum formte die Lebenswirklichkeit sozial, politisch, kulturell und wurde im ständig präsenten Kontrast der kleinräumigen Lebenswelten unmittelbar erfahren. Innerhalb der Territorien, vor allem dann, wenn diese nur aus einem oder wenigen Orten bestanden, kannte man sich gegenseitig, die soziale Kontrolle war fast lückenlos.“ (Mog 1996, S. 587)

Die erzwungene Nähe innerhalb des territorialen Kollektivs, das „deutsche Engesyndrom“ (Mog 1996, S. 589) wirkt nach Ansicht von Mog dabei bis heute als deutsche Immobilität, Bedürfnis nach Sicherung sowie eine Tendenz zur „Abschließung der gemütlichen Kleinwelt des Privaten“

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(Mog 1996, S. 587)32 nach und äußert sich unter anderem in einer Betonung des Gegensatzes von privater Nähe und öffentlicher Distanz: „Die Kehrseite der Hochschätzung des Privaten ist bekanntlich das Zurücktreten einer nach außen gerichteten Geselligkeit“ (Mog 1996, S. 589). Insgesamt bewirkt die beschriebene deutsche Ausrichtung auf die Arbeit als kulturellem Schlüsselbegriff sowie die starke Trennung in Privates und Öffentlichkeit im Gegensatz zur ausgeprägten thailändischen Personenloyalität eine eher abstrakte Bindung an das Unternehmen als Institution. So identifiziert beispielsweise Watson traditionell eine besondere Identifikation deutscher Mitarbeiter mit der eigenen Firma und zitiert in diesem Zusammenhang einen Nachkommen der deutschen Unternehmerfamilie Siemens: „[Work] means serving the company, in a sense dedicating your life to the company“ (Peter von Siemens, zitiert nach Watson 1992, S. 164).

4.1.3.2.2 Deutsches Hierarchieverständnis Die im Rahmen der Untersuchung festgestellte geringere Ausprägung der Hierarchie innerhalb deutscher Unternehmen widerspricht zunächst einmal dem bekannten Stereotyp deutscher Autoritätshörigkeit. Zahlreiche Autoren weisen jedoch demgegenüber auf die geringe Machtdistanz deutscher Mitarbeiter in Bezug auf ihre Vorgesetzten hin33. Die Annahme strenger Hierarchie ist daher nach Ansicht von Hasenkamp/Lee „eine der hartnäckigsten Fehleinschätzungen des deutschen Lebens und deutscher Organisationen“ (Hasenkamp/Lee 1997, S. 346). Einige Autoren betonen dabei besonders die egalitäre Einstellung innerhalb der Unternehmen in Bezug auf den Rang und die Wichtigkeit des Einzelnen: „In German companies everybody from the chairman to the charlady is called a Mitarbeiter or co-worker, and this is not mere rhetoric“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 60). Hall führt sein Konzept der “monochronic time”, deren Vorgabe für alle verbindlich ist, als Begründung für eine abgeschwächte Macht deutscher Vorgesetzter in Bezug auf die Zeiteinteilung ihrer Mitarbeiter an: „Subordinates’ time is sacrosanct, particularly secretaries“ (Hall 1989b, S. 117). Einen weiteren Beitrag zu geringerer Machtdistanz liefert darüber hinaus das Leistungskriterium als Grundlage hierarchischer Einordnung. Das Leistungsprinzip führt im Zusammenwirken mit der oben beschriebenen öffentlichen Distanziertheit einerseits zur Notwendigkeit ausgeprägter Kompetenzdemonstration, die von den thailändischen Mitarbeitern häufig als „Besserwisserei“ wahrgenommen wurde: „The front you present to others is very important and you must be sure to present the right one […] Never show you incompetence in anything.” (Hall 1989b, S. 119) Andererseits folgt aus dem Leistungsprinzip als Hierarchiekriterium ebenso eine grundsätzliche Angreifbarkeit des Vorgesetzten, dem allein aufgrund seines Status nicht notwendigerweise

32 33

Zum Erklärungsmodell deutscher Kleinstaaterei vgl. auch Thum 1985 und Mog/Althaus 1993, S. 43-87. Vgl. hierzu den äußerst niedrigen deutschen Index der „Machtdistanz“ in der Untersuchung von Hofstede (Hofstede 1997, S.31).

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auch Autorität zukommt: „Einem Vorgesetzten, von dem man den Eindruck hat, er arbeite nicht hart, wird kein Respekt entgegengebracht“ (Hasenkamp/Lee 1997, S. 347). Auf dieser Grundlage diagnostizieren verschiedene Studien ähnlich wie die deutschen und thailändischen Mitarbeiter eine grundsätzliche Erwartung individueller Verantwortungsübernahme unabhängig von der hierarchischen Stellung. Individuelle Kompetenz wird dabei „sowohl vorausgesetzt als auch respektiert“ (Hasenkamp/Lee 1997, S. 347) und die Aufgabe des Vorgesetzten besteht dann hauptsächlich darin „Inhalt und die Grenzen der Verantwortlichkeit festzulegen“, nicht jedoch „einzugreifen oder über die Schulter des Mitarbeiter zu schauen, und mit Sicherheit auch nicht, über jede Einzelheit mitzuentscheiden“ (Hasenkamp/Lee 1997, S. 347). Die Erklärungsansätze, die für dieses deutsche Hierarchieverständnis geliefert werden, stehen im engen Zusammenhang mit den bereits beschriebenen historischen Begründungsmodellen, die deutschen Beziehungsaufbau aus deutscher Kleinstaaterei herleiten. So zeigt beispielsweise Pateau mit seiner vergleichenden Untersuchung deutsch-französischer Unternehmen, dass sich aufgrund der im europäischen Vergleich länger bestehenden Stammesstrukturen die Beziehungen zwischen Gruppe und Individuum über lange Perioden hinweg enger gestalten. Autorität leitet sich danach direkt aus der Gruppenzugehörigkeit sowie der individuellen Führungsfähigkeit ab und wirkt stärker verinnerlicht als in äußerlich zur Schau getragener Symbolik: „Eine solche, näher in Reichweite des Einzelnen angesiedelte Autorität wird eher akzeptiert und leichter internalisiert [...]. Der Gegensatz zwischen der internalisierten Autorität einerseits und der weniger auf äußeren Symbolen und Strukturen beruhenden Macht andererseits kommt hier zum Tragen, mit der Folge, daß im deutschen Kulturkreis eine eher schwach ausgeprägte Hierarchie einhergeht mit einem stärker verinnerlichten Gefühl für Autorität. So ist Autorität zwar äußerlich in geringerer Distanz spürbar und nachvollziehbar, gleichzeitig aber stark im Denken des Einzelnen verankert.“ (Pateau 1996, S. 612)

Daneben wird ebenso die spätere deutsche Tradition des Föderalismus als Grundlage für die in deutschen Unternehmen ausgeprägte Mitbestimmung gesehen, die über die Institutionalisierung konstruktiver Streitforen ebenfalls zu eingeschränkter Hierarchieausbildung und Machtdistanz beiträgt (vgl. Hasenkamp/Lee 1997, S. 348f., Watson 1992, S. 160, Zeidenitz/Barkow 2000, S. 60). Angelsächsische Autoren heben zusätzlich häufig die mit Ende des zweiten Weltkriegs vollzogene Überwindung des Klassendenkens als Begründung weniger stark ausgeprägter innerbetrieblicher Hierarchien in Deutschland hervor (vgl. Watson 1992 und Zeidenitz/Barkow 2000): “Germany does not have a class system any more. The old distinctive class differences have been leveled out since World War II. Nowadays nearly everybody belongs to the same class, which by English stratification could be roughly described as upper-lower-middle-middle class.“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 18)

Ardagh konstatiert in diesem Zusammenhang eine höhere soziale Ethik deutscher Manager im Vergleich zu englischen oder amerikanischen, die sich in der Überzeugung äußert, dass nur eine zufriedene Firma auch profitabel sein könne (Ardagh 1995, S. 122). Als weiterer Faktor einer weniger stark ausgeprägteren Hierarchie, die individuelle Verantwortung auf allen Ebenen unterstützt, wird dabei häufig das deutsche Ausbildungssystem gesehen

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(Randlesome 1994, S. 147 ff.), das über individuelle Qualifizierung und Spezialisierung zur Identitätsbestimmung der einzelnen Mitarbeiters beiträgt: „Above all the system of apprenticeship inculcates an attitude of pride and a sense of self-worth. By definition Azubis do not look down on manufacturing work because they have been trained to value involvement in production.“ (Watson 1992, S. 167)

Die innerhalb deutscher Großkonzerne verbreitete Tradition einer Firmenlaufbahn vom Auszubildenden bis in die Chefetage trägt dabei nach Ansicht einzelner Autoren ebenfalls zur sozialen Verantwortung des Vorgesetzten bei: „I worked for the company for twenty-five years as did my predecessors as head of the family, my father and my great grand uncle and so on. I started as an apprentice and we have quite a lot of people today in very high ranking positions who came from the same place who started in the company as apprentices.“ (Peter von Siemens, zitiert nach Watson 1992, S. 167)

4.1.3.2.3 Deutsches Konfliktverhalten Auch die identifizierte deutsche Konfliktorientierung erhält von verschiedenen Seiten eine Bestätigung. So beschreiben beispielsweise Brinkama/Richter/Zhong eine allgemein westliche, aber auf deutscher Seite besonders ausgeprägte Tendenz, Konflikte früh zu thematisieren und offen verbal auszutragen (Brinkama/Richter/Zhong 1996, S. 66). Matthes identifiziert in diesem Zusammenhang Konfliktstandardisierungen, die „auf Berechenbarkeit des Verhaltens angelegt“ sind, darauf „die Karten offen auf den Tisch zu legen“ (Matthes 1991, S. 430), um Unsicherheiten zu vermeiden: „Eine ‚Oberfläche’ des Verhaltens des anderen, die keine unmittelbaren Rückschlüsse auf das zulässt, was sich ‚unter ihr’ abspielt, erzeugt [...] Unsicherheit, Widerstand, ja Aggression.“ (Matthes 1991, S. 430)

Dies geht dabei analog zu den Ergebnisse der Untersuchung nach Ansicht zahlreicher asiatischer aber auch westlicher Autoren vielfach einher mit einer ausgeprägten verbalen Direktheit. So beschreibt beispielsweise Liang in seiner Untersuchung des Konzepts der Höflichkeit eine deutsche Direktheit, die aus chinesischer Sicht alles exakt beim Wort nimmt (vgl. Liang 1996, S. 399f.). Bei Günthner findet sich eine Bewertung deutschen Interaktionsverhaltens aus chinesischer Sicht als „aggressiv, verletzend direkt, ungeduldig, grob, ungehobelt“ (Günthner 1993, S. 298). Zu überraschend ähnlichen Ergebnisse kommen jedoch auch angelsächsische Autoren: „If they [the Germans] don’t like something, expect to be told so in no uncertain terms […]. While the British will engage in a form of agile verbal sparring, the Germans expect you to state your wishes clearly and directly, to use language at its face value […]. They will unhesitatingly express their disagreement in terms of your being wrong. Not, ‘I don’t think you’re right about that’, but ‘That is false!’.“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 25)

Als bekannte Manifestation deutschen Konfliktverhaltens im Bereich des Wirtschaftslebens wird dabei häufig auf die ausgeprägte, gesetzlich genauestens geregelte Mitbestimmung der Mitarbeiter, vertreten durch einen Betriebsrat sowie die institutionalisierte Stärke und Einbeziehung der Gewerkschaften, verwiesen: „To the sceptical outside observer it [Mitbestimmungsrecht] could seem like a recipe for disaster. After all what is the point of providing a legal arena for conflict? [But] because the framework for dialogue is established by

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law and has to be respected by both sides, agreement and consensus become easier to achieve and indeed are the expected outcome by both sides.“ (Watson 1992, S. 161)

Auch die identifizierten deutschen Konfliktrituale der Konfrontation, der Feststellung des Schuldigen sowie der Konsequenzen und die anschließende Versöhnung werden von einzelnen Autoren beschrieben. So ist nach Matthes im Gegensatz zu asiatischen Kulturen der Einzelne dafür verantwortlich sein eigenes Gesicht gegenüber den anderen zu wahren: „Der einzelne mag immer fehlen und versagen: er hat dafür einzustehen, und es ist dieses offen wahrnehmbare ‚Einstehen’, an dem sich die ‚Wahrung des Gesichts’ vollzieht“ (Matthes 1991, S. 433). Durch Reue und Buße oder durch den Wechsel des Bezugsmilieus – Handlungsstandardisierungen denen Matthes „reformatorische“ Herkunft zuweist – kann jeder Konflikt letztlich aufgelöst werden und das Gesicht des Beteiligten wiederhergestellt werden (Matthes 1991, S. 433). Für die beschriebene, selbst im westlichen Vergleich ausgeprägte, deutsche Konfliktorientierung und Direktheit werden verschiedene Gründe genannt. So diagnostizieren Zeidenitz/Barkow einen „unerschütterlichen“ deutschen Glauben an die Lösbarkeit von Konflikten, der einhergeht mit der Überzeugung, dass auf jedes Problem eine richtige Antwort gefunden werden könne (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 25). Diese Annahme, die auch innerhalb der Interviewprotokolle mehrfach festgestellt werden konnte (siehe Kapitel 4.1.2.3.), führt dabei nach Ansicht der Autoren zu einer Tendenz des Schwarz-Weiß-Denkens und einer Vermeidung von Kompromissen, die als unperfekt empfunden werden, da sie die eigentlich richtige Lösung verschleiern: „Compromise and settling for what is good enough is not good enough. Strictly speaking, only the epitome, the best, the ideal will do.“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 16)

Hall beschreibt deutsches Kommunikationsverhalten im europäischen Vergleich als äußerst „low context“ und führt die deutsche Direktheit dementsprechend auf die geringe Möglichkeit der Verknüpfung deutscher Kommunikation mit situativen Kontexten zurück (Hall 1989b, S. 118, 120). In eine ähnliche Richtung weist Demorgon mit seiner Trennung in explizite und implizite Kommunikation: „Die Antwort finden wir in der Geschichte. Implizite Kommunikation entsteht leichter im Rahmen eines gemeinsamen sozialen Kontextes. Auf der Grundlage gemeinsamer Erfahrungen werden Bezugspunkte schneller verstanden.“ (Demorgon 2001, S. 243)

Ein solcher gemeinsamer sozialer Kontext ist jedoch nach Demorgon in Bezug auf Deutschland mit Blick auf die deutsche Geschichte kaum feststellbar: „[Auf] deutscher Seite [führte] das Streben nach staatlicher Einheit unablässig zu Misserfolgen: Das Römische Reich deutscher Nation (962-1806). Die Beibehaltung, ja sogar Vermehrung der Kleinstaaten (355 Staaten im Jahre 1648) und die kulturelle Aufsplitterung (mit dem Protestantismus in seinen verschiedenen Spielarten) haben dazu geführt, dass sich die Kommunikation unter Deutschen in engen und festen Grenzen vollzog. Es konnte daher gar keine Kommunikation in Andeutungen entstehen [...].“ (Demorgon 2001, S. 244)

Andere Autoren suchen Gründe für die deutsche Direktheit in der Beschaffenheit der deutschen Sprache selbst, die mit ihrer Betonung des Abstrakten die Möglichkeit zu präziser Begriffsbestimmung biete:

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„The German language [...] is, above all, the language which seeks to give specific and concrete form to abstract concept. In German an emotion or experience is not ‘like’ something else. It is given a name.“ (Watson 1992, S. 140)

Der von zahlreichen nicht-deutschen Autoren hervorgehobene deutsche Mangel an Höflichkeit mit seinem Risiko der Verletzung des Kommunikationspartners wird dabei auch auf die schon beschriebene ausgeprägte Trennung von öffentlicher und privater Sphäre zurückgeführt, die dazu führe, dass auf Gefühle im öffentlichen Bereich weniger Rücksicht genommen werden müsse (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 25).

4.1.3.2.4 Deutsche Aufgabenbearbeitung Neben den Bereichen des Beziehungsaufbaus, des Hierarchieverständnisse sowie des Konfliktverhaltens erhalten auch die Ergebnisse zur deutschen Arbeitsweise breite Bestätigung. In Bezug auf die Arbeitsmotivation wird dabei die festgestellte deutsche Gleichsetzung von Arbeit und Anstrengung besonders von Hermanns/Zhao hervorgehoben, die das Konzept Arbeit innerhalb der westlichen Kulturen grundsätzlich als identitätskonstituierend ansehen (Herrmanns/Zhao 1994, S. 417), für den deutschen Arbeitsbegriff jedoch eine besondere Verbindung mit dem Begriff der Mühsal postulieren. So verweisen sie beispielsweise auf Definitionen deutscher Wörterbücher aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die Arbeit als „die Anwendung der Kräfte, das Schaffen, Wirken, die Thätigkeit, namentlich angestrengte, mühevolle“ (Sanders 1860, s.v.) oder „die Anwendung seiner Kräfte, in so fern sie mit Anstrengung verbunden ist“ (Adelung 1793, s.v.) beschreiben. Verschiedene Autoren leiten daraus als Folge protestantischer Arbeits- und Leidensethik eine grundsätzliche deutsche Standardisierung harter Arbeit als einzige akzeptierte Form von Arbeit ab (Watson 1992, S. 159, Hasenkamp/Lee 1997, S. 353), die gleichzeitig mit verstärkter Präsentation eigener Anstrengung und Bemühung zur Erhaltung sozialer Anerkennung verbunden sei: „Plenty of loud grunting and complaining lets everyone know that you are exerting yourself to the utmost in the cause of Gründlichkeit [...]. Quiet efficiency will be unnoticed by your superiors […].“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 61)

Die schon beschriebene Trennung in Privat- und Öffentlichkeitssphäre bringt in Verbindung mit der Definition von Arbeit als Anstrengung dementsprechend eine ausgeprägte Trennung der Zeiteinheiten von Arbeit und Freizeit mit sich, deren genaue Gliederung als Phänomen der Pünktlichkeit ein bekanntes deutsches Stereotyp darstellt. Sie wird dabei wahlweise auf die „einflussreiche Rolle starker Gewerkschaften“ (Mog 1996, S. 590) in Deutschland zurückgeführt oder mit der langen „Tradition einer allgegenwärtigen staatlichen Reglementierung, die alle Lebensbereiche mit ihren Ordnungsstrukturen durchdringt“ (Mog 1996, S. 590) begründet. Analog zu den thailändischen Bewertungen beispielsweise zur Pünktlichkeit wird die ausgeprägte Trennung der Zeiteinheiten darüber hinaus von asiatischen Autoren häufig als Mangel an „Muße“ gedeutet (Synn 1996, S. 111).

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Auch die drei von deutscher und thailändischer Seite identifizierten Kennzeichen deutscher Arbeitsweise – Planungsorientierung, Ernsthaftigkeit und Ordnung – spielen als Schlüsselbegriffe zur Beschreibung des deutschen Wirtschaftsstils in verschiedenen Studien eine wichtige Rolle. Hall begründet eine stark an Details orientierte deutsche Planungstätigkeit dabei mit seinem Konzept der „low context communication“ und diagnostiziert im deutschen Planungsverhalten die Notwendigkeit zu ausgeprägten, detaillierten Beschreibungen des Problems (Hall 1989b, S. 114). Auf der anderen Seite wird deutsche Planungsorientierung vielfach gedeutet als Strategie der Unsicherheitsvermeidung (Hasenkamp/Lee 1997, Ardagh 1995, S. 122f.) und zurückgeführt auf eine deutsche Gefühlsstandardisierung der Angst, die mit grundsätzlichem Misstrauen gegenüber einer als unsicher empfundenen Zukunft einhergeht. So diagnostizieren Zeidenitz/Barkow 2000 beispielsweise mit Blick auf die pessimistischen Titelblätter der deutschen Zeitschrift Spiegel: „As a nation the Germans are racked with doubt and fight constantly to keep chaos at bay. Being German, they cannot brush their doubts aside or put off worrying […]. For a German, doubt and anxiety expand and ramify the more you ponder them. They are astonished that things haven’t gone to pot already, and are pretty certain that they soon will.“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 14)

Das deutsche Konzept der Angst wird dabei verantwortlich für deutsche Planungstätigkeit gemacht, die darauf abzielt, dass „… everything be regulated, controlled, checked, checked again, supervised, insured, examined, documented” (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 14). Dabei attestieren Hasenkamp/Lee deutschen Mitarbeitern eine „Bewunderung für und fast emotionale Abhängigkeit von Experten und dem Wissen von Experten und eine Entschlossenheit, auf systematische und wissenschaftliche Art vorzugehen“ (Hasenkamp/Lee 1997, S. 350)34. Watson hebt besonders die Langfristigkeit deutscher Planung hervor (Watson 1992, S. 159). Die vor allem thailändische Diagnose deutscher Ernsthaftigkeit, die von thailändischer Seite oft als Kälte erfahren wird, wird ebenfalls von verschiedenen Autoren beschrieben. Dabei taucht der Begriff der Ernsthaftigkeit („seriousness“) in so zahlreicher Form in kulturellen Studien über Deutschland auf und wird häufig als Grundprämisse für verschiedene deutsche Phänomene herangezogen, dass hier schon von einem Allgemeinplatz gesprochen werden kann. Watson bezeichnet Ernsthaftigkeit als „peculiar to culture in Germany“ (Watson 1992, S. 139), Zeidenitz/Barkow generalisieren „in Germany, life is serious, and so is everything else“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 11) und auch innerhalb des speziellen Bereichs der Wirtschaft wird eine „zutiefst ernsthafte, man kann sogar sagen, moralische Einstellung im Geschäftsleben“ (EBTG 1988, S. 79) ausgemacht. Auch der von thailändischer Seite als Folge grundsätzlicher Ernsthaftigkeit im geschäftlichen Umgang häufig beschriebene „serious look“, der oft als missbilligend erfahren wird, erhält als „withering look“ (vernichtender Blick zur Quittierung von Regelverletzungen) Bestätigung (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 25). Begründungen

des

Phänomens

der

Ernsthaftigkeit

bleiben

jedoch

diffus.

Kollektiv-

psychologische Erklärungen, die allgemeinen „Weltschmerz“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 11)

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Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

oder eine besondere Beschaffenheit der „deutschen Seele“ anführen, können nicht überzeugen: “The German soul is rarely content. There is too much tension, too much Angst” (Watson 1992, S. 140). Vielversprechender erscheint es demgegenüber, Gründe für die Beobachtung deutscher Ernsthaftigkeit im Rahmen des Wirtschaftslebens auch in der bereits beschriebenen Trennung von privaten und öffentlichen Kontexten zu suchen, die in Verbindung mit der Vorstellung von Arbeit als Anstrengung für die Standardisierung einer Außenpräsentation von Ernst innerhalb von Unternehmen sorgt, während Gefühlsäußerungen des Vergnügens und der Freude eher dem privaten Bereich vorbehalten bleiben. Auch das dritte beobachtete Kennzeichen deutscher Arbeitsweise, das mit dem Begriff der Ordnung bezeichnet wurde, scheint als fester Bestandteil innerhalb der Literatur zum Thema deutscher Wirtschaftskultur allgegenwärtig zu sein. Dabei wird besonders auf die erweiterte Wortbedeutung von Ordnung in der deutschen Sprache hingewiesen, das nicht nur Sauberkeit und Ordentlichkeit, sondern auch Redlichkeit, Korrektheit und Angemessenheit impliziert (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 12). Als Äußerungsformen deutscher Ordnung werden demnach auch „efficiency, organization, discipline, cleanliness and punctuality“ (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 12) oder „inflexibility“ und „overprudence“ (Ardagh 1995, S. 122) identifiziert. Sie gehen nach Ansicht der Autoren einher mit der Ablehnung zufälliger oder chaotischer Prozesse, was im Unternehmenskontext zu einer Einschränkung von Kreativität führen kann (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 11; Ardagh 1995, S. 122), eine Einschätzung, die sich interessanterweise mit den Beobachtungen der thailändischen und deutschen Mitarbeiter deckt. Dabei findet sich auch die Interpretation von Ordnung als mangelnde Anpassungsfähigkeit und Schwerfälligkeit aus Sicht asiatischer Autoren wieder: „[Ordentlich] bedeutet ‚nicht flexibel sein’“ (Synn 1996, S. 111). Die deutsche Ausprägung von Ordnung wird darüber hinaus häufig mit Hofstedes Postulat starker deutscher Unsicherheitsvermeidung in Verbindung gebracht (Hasenkamp/Lee 1997, S. 349). Verschiedene Autoren führen in diesem Zusammenhang das ausdifferenzierte deutsche Rechtssystem mit seiner Ausrichtung auf umfangreiche Kodifizierung als Hauptmanifestation deutscher Unsicherheitsvermeidung an: „Above all the law reduces uncertainty and risk, it makes the future … more calculable. It is an effective antidote to Angst.“ (Watson 1992, S. 160)

Sie machen besonders die deutschen Erfahrungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit verantwortlich: „The traumas of the twentieth century ensure that Germany only really feel safe when rights and freedoms are entrenched in law“ (Watson 1992, S. 160). Die besondere Betonung von Qualität als Ziel deutscher Arbeitsergebnisse erscheint ähnlich wie der Begriff der Ordnung allgegenwärtig in Beschreibungen des deutschen Wirtschaftsstils. Randlesome wertet dabei den Ausdruck „Deutsche Wertarbeit” als Symbol deutscher Qualitäts34

Zum deutschen intellektuellen Stil als komplexe Theoriepyramide vgl. Galtung (1985) und Münch (1990).

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orientierung (Randlesome 1994, S. 209), Watson spricht von einer traditionellen „virtue of quality“ und verweist in diesem Zusammenhang auf das weltweit bekannte Emblem „Made in Germany“ (Watson 1992, S. 164). Als eine besondere Manifestation deutscher Qualitätsorientierung gilt dabei das spezifische deutsche Ausbildungssystem, das mit seinem dualen System aus praktischem Training und theoretischem Unterricht in Berufsschulen auf Spezialisierung und Qualifizierung ausgerichtet ist und als Grundlage für die Herstellung qualitativ hochwertiger Arbeitsergebnisse gilt (Randlesome 1994, S. 148, Watson 1992, S. 165 f.). Begründungen für die diagnostizierte Wichtigkeit von Arbeits- und Produktqualität fallen insgesamt vielfältig aus. Zeidenitz/Barkow postulieren bissig eine deutsche Besessenheit für Funktionstüchtigkeit: “Germans like things that work. This is fundamental. A car or a washing machine which breaks down six months after purchase is not a nuisance, it’s a breach of the social contract.” (Zeidenitz/Barkow 2000, S. 12),

Ernsthaftere Autoren verweisen eher auf die Tradition mittelalterlicher Handwerksgilden in Verbindung mit einem preußisch geprägten Wertesystem (Watson 1992, S. 164f.). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Literaturdiskussion eines deutschen Wirtschaftsstils das Gefundene in weiten Teilen bestätigt. Dabei erweist sich die mögliche Annahme, dass im Rahmen einer deutsch-thailändischen Untersuchung der ausgeprägte Gegensatz westlicher und östlicher Kultur dazu führen könnte, statt deutscher Spezifika vor allem allgemein westliche Merkmale zu identifizieren, als nicht haltbar. So scheinen zwar viele der beschriebenen Standardisierungen grundsätzlich westliche Prägung zu besitzen (z.B. die untergeordnete Wichtigkeit des Beziehungsaufbaus, die geringer ausgeprägte Hierarchie, das direktere Kommunikationsverhalten etc.). Dadurch, dass in der Diskussion jedoch bewusst auch auf Literatur aus verschiedenen westlichen Kulturräumen zurückgegriffen wurde (z.B. englisch, amerikanisch, französisch), konnte die Sonderstellung einer deutschen Wirtschaftskultur innerhalb der westlichen Kulturen genauer herausgearbeitet werden. Dabei kann insgesamt festgestellt werden, dass viele der identifizierten Merkmale in abgeschwächter Form im Vergleich zu asiatischen Kulturen auch für andere westliche Kulturen gelten, aber von zahlreichen Autoren im westlichen Vergleich als besonders ausgeprägt innerhalb eines deutschen Wirtschaftsstils beschrieben werden. So gelten beispielsweise Planungsorientierung und Konfliktfreudigkeit als grundsätzliche Kennzeichen westlicher Wirtschaftskultur, werden jedoch deutschen Managern von westlichen Autoren als besondere Detailorientierung und Unsicherheitsvermeidung bzw. übermäßige Direktheit und Mangel an höflicher Rücksicht attestiert. 4.1.3.3. Schlussfolgerungen für eine deutsch-thailändische Interkultur Während gezeigt werden konnte, dass nahezu alle im Rahmen der Fallstudie identifizierten Elemente des thailändischen und deutschen Wirtschaftsstils innerhalb bestehender Literatur zum Thema nachweisbar sind, lässt sich darüber hinaus feststellen, dass die Betrachtung einer spezifisch deutsch-thailändischen Interkultur im Vergleich zu monokulturell ausgerichteten Studien

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Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

für eine im Einzelfall unterschiedliche Priorisierung der Stilelemente sorgt. Dabei erhalten einige gegensätzliche deutsche und thailändische Standardisierungen innerhalb der Untersuchung eine größere Wichtigkeit im Vergleich zu vorhandenen Interpretationen. Eine Betrachtung dieser Unterschiede kann dabei auf spezifisch deutsch-thailändische Reibungspunkte hinweisen und wertvolle Hinweise für die Struktur einer deutsch-thailändischen Interkultur liefern. So fällt beispielsweise auf, dass der Aspekt der Trennung bzw. Einheit von Freundschaft und Kollegialität in der bestehenden Thailand-Literatur kaum erwähnt wird. Wie gezeigt wurde, werden zwar abweichende thailändische Beziehungsstrukturen im Detail untersucht, die Dichotomie aus Freundschaft und Kollegialität erscheint jedoch in der Gesamtsicht eine spezifisch deutsche Standardisierung darzustellen. Der Gegensatz zwischen Trennung und Einheit von Freundschaft und Kollegialität, so ist zu vermuten, könnte daher im Arbeitsleben eine Quelle für Missverständnisse speziell zwischen Thais und Deutschen darstellen (siehe Kapitel 4.2.1.1.5.). Ähnliches gilt für den Gegensatz von Gruppenwärme und Zusammengehörigkeit, bzw. Einzelorientierung und Kälte, der in der untersuchten Literatur nur unter dem allgemeinen Gegensatz von Kollektivismus und Individualismus erscheint. Der Kälte/Wärme-Aspekt wird in diesem Zusammenhang explizit nur von Brinkama/Richter/Zhong (1996, S. 49ff.) angesprochen. Ihre Untersuchung bezieht sich jedoch ebenfalls auf deutsche Manager in Thailand. Die Vermutung, dass es sich bei diesem Aspekt ebenfalls um einen spezifisch deutsch-thailändischen Gegensatz handelt, liegt nahe. Es ist daher zu vermuten, dass der Gestaltung eines Betriebsklimas unter Berücksichtigung von Gruppenwärme innerhalb der deutsch-thailändischen Interkultur aufgrund einer ausgeprägten deutschen Einzelorientierung eine verstärkte Wichtigkeit zukommt (siehe Kapitel 4.2.1.1.1.). Ein weiterer Aspekt, der in der betrachteten Literatur kaum erwähnt wird, ist der Gegensatz des deutschen Eindrucks von Kindlichkeit/Emotionalität auf der thailändischen Seite bzw. des thailändischen Eindrucks von Erwachsenheit/Ernst auf der deutschen Seite. Hier scheint der innerhalb angelsächsischer Literatur häufig betonte Faktor deutscher Ernsthaftigkeit für einen spezifisch thailändisch-deutschen Kontrast zu sorgen, der einerseits verstärkte Distanz erzeugt, aufgrund seiner zu Nähe zu thailändischen Loyalitätsbeziehungen (z.B. zwischen dankbarem Schüler/Kind und gütigem Lehrer/Vater) auch Potential für die Ausbildung interkultureller Beziehungsstärke bietet (siehe Kapitel 4.2.2.1.). Auch der identifizierte Gegensatz eines Eindrucks von Pragmatik und Dynamik auf thailändischer Seite sowie dem Primat detaillierter Planung und Ordnung auf deutscher Seite wird von der betrachteten Thailand-Literatur, die auf westliche Rezipienten ausgerichtet ist, nur unter dem Aspekt westlicher Planungsorientierung beleuchtet, ohne das Element thailändischer Flexibilität und Aktionsorientierung zu erwähnen. Hier deutet sich ein grundsätzlich unterschiedliches Effizienzverständnis an, das sich in seiner spezifisch deutsch-thailändischen Ausprägung als besonders gravierend erweisen kann (siehe Kapitel 4.2.1.1.4), jedoch auf der anderen Seite auch die Möglichkeit zur gegenseitigen Ergänzung der unterschiedlichen Standardisierungen bietet (siehe Kapitel 4.2.2.2.). Als positive Verstärkung kann hierbei gewertet werden, dass ei-

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ne Diagnose thailändischen Mangels an Initiative und Arbeitsmotivation, der von zahlreichen Autoren als problematisch herausgestellt wird (vgl. z.B. Dubey-Villinger 2001, S. 113), von deutschen Managern kaum hervorgehoben wird, sondern thailändische Arbeitsmotivation vielmehr im Vergleich zu deutschem „Dienst nach Vorschrift“ durchgängig als hoch erfahren wird. 4.2. Deutsch-thailändische Interkultur Auf Basis der Beschreibung und Diskussion des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils lassen sich verschiedene Konsequenzen hinsichtlich der Kennzeichen einer spezifisch deutschthailändischen Interkultur ziehen. Als ausschlaggebend für die Ausprägung bestimmter Eigenschaften der Interkultur erweisen sich dabei nicht nur die von beiden Seiten häufig in ähnlicher Form identifizierten Unterschiede deutscher und thailändischer Arbeitsstile, sondern in besonderem Maße auch die unterschiedliche Interpretation der jeweiligen Unterschiede aus deutscher bzw. thailändischer Perspektive. Zur Beschreibung von Merkmalen deutsch-thailändischer Interkultur soll daher im Folgenden direkt auf die Erkenntnisse der Analyse der Wirtschaftsstile sowie ihrer Diskussion zurückgegriffen werden, um ihre Konsequenzen für eine Zusammenarbeit herauszuarbeiten. Dabei beschränkt sich die Beschreibung deutsch-thailändischer Interkultur im Sinne des Forschungsinteresses auf die Bereiche, die im besonderen Maße die Herausbildung einer funktionsfähigen, für den Unternehmenserfolg förderlichen Unternehmenskultur beeinflussen. Sie betrachtet daher zunächst die spezifischen Konfliktpotentiale, die deutsch-thailändische Zusammenarbeit behindern oder auch scheitern lassen können, und untersucht dann in einem zweiten Schritt besondere Synergiepotentiale, die sich unter günstigen Bedingungen aus einer solchen interkulturellen Zusammenarbeit ergeben können. 4.2.1. Konfliktpotentiale Die Beschreibung deutsch-thailändischer Konfliktpotentiale erfolgt auf Basis der Identifikation kulturell-bedingter kommunikativer Missverständnisse als Ursache interkultureller Konflikte. Zur Beleuchtung der Sondersituation Interkulturalität soll dabei bewusst auf die Untersuchung kulturunabhängiger Konflikte, die sich direkt aus individuellen Persönlichkeitsmerkmalen der beteiligten Personen ergeben können (z.B. Intoleranz, Arroganz, Kriminalität etc.), verzichtet und Konstruktivität von beiden Seiten grundsätzlich vorausgesetzt werden. Auf Basis der beschriebenen unterschiedlichen Wirtschaftsstile lassen sich dann verschiedene Arten von kommunikativen Missverständnissen in der täglichen Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Thais identifizieren, die selbst bei gutem Willen zu schwerwiegenden Konflikten führen können. Diese Missverständnisse ergeben sich zum einen direkt aus dem gegenseitigen Nicht-Verständnis der Unterschiedlichkeit kultureller Standardisierungen, zum anderen aus der unterschiedlichen Interpretation dieser Verschiedenheit.

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Darüber hinaus lässt sich zeigen, dass im Fall eines durch Missverständnisse ausgelösten Konfliktes die beschriebenen unterschiedlichen Vorstellungen der deutschen und thailändischen Mitarbeiter über konstruktives Verhalten im Konfliktfall zur weiteren Verschärfung beitragen. Falls dies nicht erkannt wird, kann es dann in fast tragischer Weise zu kommunikativ unlösbaren Situationen kommen, obwohl beide Interaktionspartner in bester Absicht gehandelt haben. Im Folgenden sollen typische Formen von Missverständnissen, die aus Sicht der Interviewpartner die wichtigste Rolle bei der Entstehung von Konflikten spielen, sowie ihre mögliche Zuspitzung im Konfliktfall dargestellt werden. 4.2.1.1. Kommunikative Missverständnisse Eine Analyse geschilderter Konfliktfälle zeigt, dass sich die identifizierbaren, typischen Missverständnisse zwischen deutschen und thailändischen Mitarbeitern an grundlegenden Konzepten menschlicher Zusammenarbeit in Organisationen entzünden: So kann die Entstehung kommunikativer Missverständnisse zwischen Deutschen und Thais im Einzelnen besonders in Bereichen von Motivation, Leistung, Verantwortung, Effizienz und Kollegialität nachgewiesen werden. Die Tatsache, dass hier über Grundvoraussetzungen einer erfolgreichen Zusammenarbeit weitgehende Uneinigkeit nicht nur darüber herrscht, was jeweils darunter zu verstehen sei, sondern auch was das interkulturelle Gegenüber darunter versteht, lässt die Labilität deutschthailändischen Wirtschaftens besonders deutlich werden.

4.2.1.1.1 Das Motivations-Missverständnis Das Motivations-Missverständnis ergibt sich aus den unterschiedlichen VorstelDeutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

lungen von Deutschen und Thais in Bezug auf das Wesen von Arbeit. Während die deutschen Mitarbeiter,

Arbeit=Anstrengung Trennung von Arbeit und Freizeit

Flexibles Verhältnis von Arbeit und Vergnügen

Thailändische Faulheit, Unmotiviertheit

Gespräche, Essen, Feiern während offizieller Arbeitszeit

Aufstellung von Regeln/ Verboten

Unverbindlichkeit, Situationsabhängigkeit von Regeln

Bestätigung thailändischer Faulheit, „Drückebergerei“, Hinterhältigkeit

Nichtbeachtung der aufgestellten Regeln

wie

gezeigt

wurde

(siehe

Kapitel

4.1.2.4.1.), von Arbeit als Anstrengung ausgehen und grundsätzlich zwischen Arbeits- und Freizeit trennen, betonen die thailändischen Mitarbeiter ein flexibleres Verhältnis von Arbeits- und Freizeit, das sich auf eine stärkere Wahrnehmung von Arbeit als Einheit von Anstrengung und Vergnügen zurückführen lässt. Diese Auffassung manifestiert sich deutlich im thailändischen Arbeitsalltag in Form von häufi-

Interpretation

Verhalten

Wirkung

Konflikt

gen und ausgiebigen Gesprächen, ge-

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meinsamem Essen und einer Durchdringung der Aufgabenbearbeitung mit sozialen Momenten (z.B. Geburtstagsfeiern). Von deutscher Seite können diese Verhaltensweisen vor dem Hintergrund eigener Disziplin bis hin zur Unterdrückung körperlicher Bedürfnisse (z.B. Nahrungsentzug) als mangelnde Motivation und Faulheit interpretiert werden. Dabei wird aus deutscher Sicht die Bereitschaft thailändischer Mitarbeiter zu unbezahlten Überstunden im Bedarfsfall leicht übersehen. Die deutsche Diagnose thailändischer Faulheit führt dagegen häufig zu einer stärkeren Reglementierung der Arbeitszeit sowie versuchter Unterbindung thailändischen Sozialverhaltens (z.B. Verbot von Essen im Büro etc.). Aufgrund des beschriebenen thailändischen Individualismus (siehe Kapitel 4.1.1.2.), der sich oft in der Annahme einer grundsätzlichen Situationsgebundenheit von Regeln äußert, fallen solche Verbote von deutscher Seite nicht auf fruchtbaren Boden und werden umgangen oder schlicht ignoriert. Dieses Verhalten löst dann wiederum auf deutscher Seite weitere Verbote und stärkere Kontrolle aus und kann im Fall ihrer Erfolglosigkeit zur Bestätigung thailändischer Faulheit und Drückebergerei bis hin zur Diagnose von Hinterhältigkeit gehen. Der typische Ablauf eines solchen Motivations-Missverständnisses erklärt die ambivalente Haltung zahlreicher deutscher Manager, die ihren thailändischen Mitarbeitern auf der einen Seite aufgrund der Bereitschaft zur Arbeit an Wochenenden und Feiertagen eine hohe Motivation attestieren und auf der anderen Seite vorwerfen, immer den „Weg des geringsten Widerstands zu gehen“ und vor „harter Arbeit“ zurückzuschrecken. Ein anschauliches Beispiel für das Erkennen und Abwenden eines solchen MotivationsMissverständnisses stellt die Erzählung eines deutschen Managers dar, dessen deutscher Kollege versuchte, seine thailändischen Mitarbeiter zur Einhaltung der festgelegten Arbeitszeit am gemeinsamen Frühstück im Büro zu hindern (siehe Abbildung). „[Ein Kollege von mir], ein Deutscher, der hatte da am Anfang immer Probleme... Wenn die kommen morgens, dann bringt einer immer Frühstück für alle mit. [...] Dann sitzen die also hier oben alle und frühstücken. Zu Hause haben die eh keine Möglichkeit, das zu machen, also machen sie's gemeinsam. Und mein Mitarbeiter kam dann morgens schon um viertel vor sieben, ging dann hier durch die Räume und guckte dann bösartig, wenn die hier irgendwo saßen und frühstückten. Und irgendwann habe ich das mitgekriegt. Und da habe ich ihm gesagt, das lassen Sie mal schön sein. Ich weiß das aus anderen Firmen, morgens ist das hier so üblich. Die haben zu Hause dazu keine Möglichkeit. Die kaufen sich auf dem Weg etwas ein und dann essen die hier, da machen sie sich Tee oder Kaffee. Ja, sagt er, aber dann fangen die doch erst um halb acht an zu arbeiten. Ja, sage ich, dann lassen Sie sie doch um halb acht arbeiten, das stört mich überhaupt nicht. Wenn sie ihre Arbeit schaffen.“ (Deutscher Geschäftsführer)

Abb. 45: Beispiel Motivations-Missverständnis

4.2.1.1.2 Das Leistungs-Missverständnis Das Leistungs-Missverständnis lässt sich zurückführen auf die beschriebenen Unterschiede in den Hierarchiekriterien auf deutscher und thailändischer Seite. Während aus deutscher Perspektive allgemein das Leistungsprinzip als ausschlaggebend bei hierarchischer Einordnung gilt, zählen aus thailändischer Perspektive in stärkerem Maß Kriterien wie Unternehmensloyalität und Alter. Wird von deutscher Seite das Leistungsprinzip bei der Entlohnung von Mitarbeitern,

184

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

ihrer Beförderung sowie der Besetzung von freien Stellen als einziges Kriterium angewandt, kann dieses Verhalten auf thailändischer Seite zu UngerechtigkeitsDeutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

empfindungen führen, beispielsweise wenn ältere Mitarbeiter von jüngeren überholt werden, oder langjährige Firmenloyalität nicht be-

Hierarchie-Kriterium: Leistung

Hierarchie-Kriterium: Loyalität, Alter

Stellenbesetzung/ Entlohnung nach Leistungsgesichtpunkten

Deutsche Unberechenbarkeit: Gesichtsverlust, Loyalitätsverlust

Thailändische Eigennützigkeit, Illoyalität, Subversivität

Verdeckte Blockade, Isolation von begünstigten Mitarbeitern

Leistungsprinzip: Nichtwissen=Schwäche

Kreng Jai (Rücksichtnahme, Respekt, persönliche Zurücknahme)

lohnt wird. Deutsches Verhalten wird in diesem Fall als unberechenbar

erfahren

Deutsche Arroganz, Besserwisserei

Verhalten

Wirkung

Konflikt

im

beiter nach sich ziehen. Die auf diese Weise in ihrer persönlichen bedrohten

Mitarbeiter

reagieren dann zur Wiederherstellung des ihnen aberkannten Status mit verdeckten Blockaden bis hin zur Isolation von in ihren Augen unrechtmäßig begünstigten Mitarbeitern.

Interpretation

kann

lust einzelner thailändischer Mitar-

Integrität

Kompetenzdemonstration

und

schlimmsten Fall den Gesichtsver-

Auf

deutsche

Manager

kann dieses Verhalten, wenn es nicht in seinen Ursachen verstan-

den wird, zur Diagnose thailändischer Illoyalität und Subversivität führen. Ein Beispiel für ein solches Leistungs-Missverständnis stellt der Bericht von der Einsetzung einer jüngeren deutschen Managerin als Leiterin eines Teams aus älteren thailändischen Mitarbeitern dar (siehe Abbildung). „Ich habe [...] erlebt, dass meine Chefin große Probleme mit den Thais in ihrer Abteilung gehabt hat. Sie kam aus Deutschland und war noch sehr jung. Sah auch sehr jung aus. Zuerst, als sie da angefangen hatte, lief alles sehr gut. Sie ist mit den Thais viel ausgegangen, hat viel mit ihnen unternommen und alle waren sehr nett und aufgeschlossen zu ihr. Damals war aber noch nicht klar, dass sie diese Abteilung leiten sollte. Alle haben wahrscheinlich gedacht, sie ist eine normale Kollegin. Da waren sie sehr nett. Dann kam heraus, dass sie den ganzen Bereich übersehen sollte, und dann gab es Probleme. Die Thais waren ja alle viel älter als sie. Die wollten sich von einer jüngeren Frau nichts sagen lassen. Plötzlich haben sie sie nicht mehr mitgenommen, wenn sie ausgegangen sind. Haben ihr auch nichts mehr erzählt. Oder extra falsche Sachen erzählt. Sie wusste gar nicht mehr, was da überhaupt abläuft.“ (Deutscher Praktikant)

Abb. 46: Beispiel Leistungs-Missverständnis

Eine weitere Komplikation ergibt sich aufgrund des deutschen Leistungsprinzips in Zusammenhang mit dem beschriebenen kreng-jai-Phänomen thailändischer Kultur. Während auf deutscher Seite das Leistungsprinzip dafür sorgt, dass das Verhalten deutscher Manager häufig zu ausgiebiger Kompetenzdemonstration tendiert, da das Zugeben von mangelnder Kompetenz auf einem Gebiet automatisch als Schwäche gewertet wird, favorisieren thailändische Manager

185

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

aufgrund des Primats der Rücksichtnahme in Gruppensituationen eher die persönliche Zurücknahme. Die besondere Betonung der eigenen Leistung auf Seiten der deutschen Manager, die als Vorgesetzte aus thailändischer Sicht ohnehin Überlegenheitsstatus und damit Kompetenzvorschuss besitzen, wird aus thailändischer Perspektive häufig als Arroganz und Besserwisserei („knowing-father and knowing-mother“) erfahren, wie die folgenden Äußerungen belegen. „But others [other German managers] are in my opinion too arrogant. Because they have to deal in a different way with people here, and some don't want to see that. But I think, when they send here an Expat, he must be outstanding, why should he otherwise be sent overseas? So he has to be a good manager, too.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12) „[When] expats come here, there is always a lot of conflict. First, the Germans are so loud and straightforward. Second, they come with their [company 5] knowledge. And they believe that they are the knowing-father and the knowing-mother. They think that people in this country don't know anything about the product, so they say, you must do this, you must do this. […] The local Thai people, they maybe have a degree in engineering, they have a PhD in Management, a PhD in mass communication, and they have been educated not only in Thailand but also in the UK or the US. So they feel that the Germans are so arrogant. You know everything!“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

4.2.1.1.3 Das Verantwortungs-Missverständnis Das

identifizierte

Verantwortungs-

Missverständnis zwischen Deutschen und Thailändische Perspektive

Deutsche Perspektive

Thais basiert auf unterschiedlichen Vorstellungen über das Maß an Verantwortung, das von Mitarbeitern auf verschie-

Eigenverantwortung jedes Mitarbeiters (Bereichsexperte), Information als Bringschuld

Eingeschränkte Verantwortung des Untergebenen, Kreng Jai

Ratsuche, Diskussion im Rahmen von Meetings

Deutsche Höflichkeit, Rücksicht/Respekt des Vorgesetzten

grundsätzlich eine Eigenverantwortlich-

Thailändische Nichtachtung von Beschlüssen, Unzuverlässigkeit, Hinterhältigkeit

Vermeidung eigener Stellungsnahme, Ja-Sagen

als Experte annehmen (siehe Kapitel

Erzwingen von Meinungsäußerung

Deutsche Aggression

Aufstellen von Regeln zur Durchsetzung von Beschlüssen

Unverbindlichkeit, Situationsabhängigkeit von Regeln

Bestätigung thailändischer Hinterhältigkeit, Kontrollverlust

Nichtbeachtung der aufgestellten Regeln

Interpretation

Verhalten

Verdecktes Durchsetzen eigener Ziele

denen

Unternehmensebenen

erwartet

wird. Während die deutschen Manager keit jedes Mitarbeiters für seinen Bereich 4.1.2.2.) und die Weitergabe relevanter Informationen an Vorgesetzte als Bringschuld auffassen, gehen thailändische Mitarbeiter schränkten

häufig

von

einer

einge-

Verantwortungsübernahme

des Untergebenen aus und bewerten eine aktive Ansprache des Vorgesetzten als grobe Respektsverletzung (siehe KaWirkung

Konflikt

pitel 4.1.1.2.). Die Einbeziehung thailändischer Mitarbei-

ter in den Entscheidungsfindungsprozess sowie die Diskussion von Problemen und Fragestellungen im Rahmen von Meetings wird daher von thailändischer Seite nicht unbedingt als Möglichkeit zur eigenen Meinungsäußerung verstanden. Die offizielle Einladung zur Beratung von deutscher Seite wirkt dabei auf thailändische Mitarbeiter eher als Akt der Höflichkeit, der mit

186

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

Respektsbezeugung erwidert werden sollte, die sich besonders in allgemeiner öffentlicher Zustimmung zu gemachten Vorschlägen äußert. Dabei wirkt die nicht zu unterschätzende Sprachbarriere als weiteres Hindernis für offene Kommunikation: „Sometimes we are afraid to speak English, and even if we can speak English, we worry about our accent, maybe he cannot understand what we want to say. Thais are very shy in this respect. So, we say, better not. Better not speak.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12) „Sometimes the Thais don’t understand anything of what you say. Because of the communication. Some people don’t speak English so well, but they will not admit and not ask.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Eine endgültige Entscheidung ist mit Abschluss solcher Treffen jedoch aus thailändischer Sicht nicht getroffen, vielmehr werden eigene Vorstellungen weiter verfolgt, allerdings aus Gründen thailändischen Konfliktverhaltens (siehe Kapitel 4.1.1.3.) nicht in konfrontativer, sondern verdeckter Form. Ein solches Verhalten ruft wiederum auf deutscher Seite Unverständnis und Verärgerung hervor, da sich die thailändische Seite nach deutscher Interpretation zum einen innerhalb des Meetings nicht ehrlich äußert, sich zum anderen nicht an die gefassten Beschlüsse hält und hinter dem Rücken der deutschen Mitarbeiter eigene Ziele verfolgt. Als Reaktion auf die diagnostizierte thailändische Unzuverlässigkeit kann es in der Folge auf deutscher Seite einerseits zum Versuch des Erzwingens von Meinungsäußerungen innerhalb von Meetingsituationen kommen, andererseits zur verstärkten Regelung der Durchsetzung von gefassten Beschlüssen. Auf thailändischer Seite kann dieses Verhalten wiederum als ungerechtfertigte, bedrohliche Aggression erfahren werden, die eine Erfüllung der deutschen Ansprüche endgültig verhindert. Das folgende Beispiel illustriert die Problematik des Verantwortungs-Missverständnisses und beschreibt demgegenüber eine mögliche Lösungsstrategie aus deutscher Sicht (siehe Abbildung). „[Es ist also manchmal problematisch, von ihren thailändischen Mitarbeitern deren Meinung gesagt zu bekommen?] Ja, manchmal ja. [Und wie machen Sie das?] Indem ich eben nicht sage, ich bin der Meinung, dieser Tisch soll blau gestrichen werden, wie findest Du das? Dann sagen die nämlich,Yes. Sondern, indem ich sage, wie würdest Du denn den Tisch anstreichen? [Und das funktioniert?] Das hilft natürlich. Das hilft. Es ist ja bekannt, dass die Thais sich schwer tun, ‚Nein’ zu sagen. Dann muss man eben nicht solche Fragen stellen, wo sie ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ sagen können. Sondern muss mehr von denen ... erwarten. Und man merkt natürlich, das ist auch schon oft passiert, wenn man sagt, das und das wollen wir jetzt so machen, dass die dann sagen ‚Yes’. Und dann kommen sie mit solchen idiotischen Umsetzungen an, dass man genau merkt, eigentlich wollten die das gar nicht so. Und wenn man dann sagt, wie würdest Du denn das machen, Du hast doch eine andere Meinung, dann sagen sie, ne, ne, das war schon richtig. Da muss man dann sagen: ‚Also ich habe mir überlegt, das war eigentlich Blödsinn, das geht einfach nicht aus den (Deutscher Geschäftsführer) und den Gründen. Und was denkst Du denn?‘“

Abb. 47: Beispiel Verantwortungs-Missverständnis

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

187

4.2.1.1.4 Das Effizienz-Missverständnis In Bezug auf effizientes Arbeiten konnten unterschiedliche Ansätze von Deutschen und Thais festgestellt werden (siehe Kapitel 4.1.1.4., 4.1.2.4.), die jedoch in ihren spezifischen Ausprägungen häufig beiden Seiten bekannt sind. So betonen thailändische Manager auf der einen Seite die große Wichtigkeit genauer Planung für die deutsche Seite, Deutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

während die deutschen Manager schnelle Zielerreichung gepaart mit flexibler Zielanpassung als Kennzeichen thailändischer Effizienzvorstel-

Effizienz: Kontrollierte Planerfüllung

Effizienz: Schnelle Zielerreichung, flexible Zielanpassung

Intensive Planung als Grundlage von Umsetzungsaktivität

Aktivitätsprimat, Trial and Error

Thailändische Unseriosität

Deutsche Schwerfälligkeit, Unflexibilität

lung beschreiben. Dass es dennoch zu Missverständnissen in diesem Bereich kommen kann, liegt in diesem Fall an der Bewertung des jeweils anderen Verhaltens nach eigenen Maßstäben. So interpretiert die deutsche Seite das thailändische Aktivitätsprimat häufig als Ak-

Interpretation

Verhalten

Wirkung

Konflikt

tionismus, das spielerische Ausprobieren („Trial and Error“) als Unse-

riosität. Auf thailändischer Seite hingegen wird die intensive Planung als Grundlage jeglicher Art von Umsetzungsaktivität als Schwerfälligkeit und Unflexibilität empfunden. Auf diese Weise neigt jede Seite dazu, der anderen aus ihrer Sicht Ineffizienz und damit Inkompetenz zu unterstellen. Verstärkend kommt in diesem Fall hinzu, dass gerade der Aspekt des Effizienz- und Planungsverständnisses auf deutscher Seite, wie gezeigt wurde (siehe Kapitel 4.1.2.4.), eine besonders grundlegende kulturelle Standardisierung darzustellen scheint, die sich als kaum hinterfragbar erweist.

4.2.1.1.5 Das Kollegialitäts-Missverständnis Als besonders tragisch stellt sich das Kollegialitäts-Missverständnis dar, da es trotz beiderseitigen guten Willens häufig zu persönlichen Frustrationen führen kann und sich zu seiner Auflösung tiefergehendes kulturelles Wissen als absolut notwendig erweist. Das Kollegialitäts-Missverständnis erwächst zunächst aus den unterschiedlichen Vorstellungen von Deutschen und Thais hinsichtlich der Gestalt von Beziehungen zwischen Mitarbeitern eines Unternehmens. Während, wie gezeigt wurde (siehe Kapitel 4.1.2.1.), auf deutscher Seite das Konzept der Kollegialität dominiert, das grundsätzlich eine Sachorientierung anstrebt und von einer Trennung von privatem und professionellem Lebensbereich ausgeht, wird auf thailändischer Seite eher eine Loyalitätsbeziehung angestrebt (siehe Kapitel 4.1.1.1.), die nicht notwendigerweise zwischen Kollegialität und Freundschaft unterscheidet. Beschränkt sich in der Folge

188

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

der Beziehungsaufbau der deutschen Vorgesetzten mit ihren thailändischen Mitarbeitern auf die gemeinsamen Aufgaben der täglichen Zusammenarbeit, kann dies auf thailändischer Seite als Mangel an bunkhun (siehe Kapitel 4.1.1.5.) aufgefasst werden und die Grundlage für eine thailändische Diagnose deutscher Kälte und Gleichgültigkeit bilden: „I think they [the Germans] don’t like us [the Thais]. They don’t like us. I mean that is my impression. I just guess and I try to find a reason. […] I feel that they are not so friendly to me. […] I was actually invited to work in Germany, but I didn’t want to go.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Die folgende Aussage illustriert ein solches decha-Verhältnis und drückt Deutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

Kollegialität: Sachorientiert, Trennung Privat/Professionell

Loyalitätsbeziehung, Einheit von Kollegialität und Freundschaft

Beschränkung des Beziehungsaufbaus auf gemeinsame Aufgaben

Deutsche Kälte, Gleichgültigkeit (Decha-Verhältnis)

Thailändische Undankbarkeit, Unzuverlässigkeit

Rückzug, Loyalitätsverlust (Fluktuation)

gleichzeitig den Wunsch nach einem Wechsel zum khuna-Verhältnis aus, indem in der Erwartung von Hilfe

Erkennen der Bedeutung persönlicher Beziehungen für th. Mitarbeiter Bemühen um Freundschaften nach deutschem Vorbild

Unangemessenheit deutscher Annäherung (Nicht-Achtung des Loyalitätsverhältnisses)

Zurückweisung, Verletzung, Frustration

Wahrung von Distanz, Rückzug

(„help the Thais“) die Rolle der deutschen Vorgesetzten als gute Führer und Lehrer antizipiert wird (siehe Kapitel 4.1.1.5.). „Since a lot of German expatriate managers only stay for a short time, the Thais sometimes will not really trust them. They think, ok, you are German, you will go home shortly, you are not really here to help the Thais.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Bleibt die Beziehung aus thailändischer

Sicht

jedoch

decha-

ein

Verhältnis, lassen sich als typische Interpretation

Verhalten

Wirkung

Konflikt

Reaktionen

persönlicher

Rückzug,

Loyalitätsverlust gegenüber der Firma und den Führungspersönlichkeiten feststellen, die zumeist mit gravierender Fluktuation einhergehen. Auf deutscher Seite kann ein solches Verhalten als Reaktion auf das aus deutscher Sicht vorbildliche Arbeitsumfeld mit seinen geregelten Arbeitszeiten und überdurchschnittlicher Bezahlung leicht als thailändische Undankbarkeit und Unzuverlässigkeit ausgelegt werden. Seine tragische Komponente erhält das Missverständnis in seiner zweiten möglichen Ausprägung. Erkennen die deutschen Manager nämlich, beispielsweise aufgrund der Teilnahme an für Thailand inzwischen üblichen interkulturellen Trainings, vordergründig die Wichtigkeit persönlicher Beziehungen für das Wohlbefinden und die Loyalität ihrer thailändischen Mitarbeiter, löst diese Erkenntnis auf deutscher Seite häufig das Bemühen um eine engere Beziehung zu den Mitarbeitern aus. Den deutschen Managern steht dabei häufig an bekannten kulturellen Standardisierungen nur die Vertiefung der Kollegialbeziehung zur Verfügung, die zum Aufbau einer

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

189

Freundschaft nach deutschem Muster mit seiner Voraussetzung der Zweckungebundenheit und seiner Forderung nach Tiefe und privatem Austausch führt. Mit diesem Vorsatz wird dann oft versucht, stärkere Nähe zu den thailändischen Mitarbeitern aufzubauen, die sich aus deutscher Sicht gerade auch in der Herstellung von Ebenbürtigkeit äußert („auf gleicher Augenhöhe sein“). Aus thailändischer Sicht kann dieser Annäherungsversuch wiederum als unangemessen aufgefasst werden, weil er die hierarchische Struktur bekannter Loyalitätsbeziehungen verletzt und versucht, eine Distanz zu überwinden, die nach thailändischem Verständnis gerade die Grundlage für ihre Funktionsfähigkeit bildet. Als typische Reaktionen dieser Überforderung auf thailändischer Seite lässt sich daher wiederum ein persönlicher Rückzug in die eigene Gruppe aus Gleichgestellten beobachten, der auf deutscher Seite leicht als Zurückweisung aufgefasst wird, die häufig mit Frustration einhergehen kann („Die wollen uns gar nicht!“). „Sie haben zu lokalen Thais hier keine Kontakte. Sie werden ja immer ausgegliedert.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Einen normalen Thai, der nicht im Ausland ausgebildet worden ist, kann man niemals als Freund gewinnen. Das ist nicht möglich.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Dabei wird von deutscher Seite häufig als standardisierter Indikator von Beziehungstiefe die private Einladung nach Hause angesetzt, die jedoch meistens schon aus Gründen thailändischer Tradition unterbleibt, und damit ein weiteres Indiz für die Unmöglichkeit persönlicher Annäherung aus deutscher Sicht liefert: „Sie werden nie erleben, dass ein Mitarbeiter Sie zu sich nach Hause einlädt, mal zum Abendessen. Oder dass man Geburtstag bei sich zu Hause feiert. Die feiern immer im Restaurant. Das werden Sie nie erleben. Deshalb werden Sie Ihren Mitarbeitern auch nie richtig nahe kommen, im Sinne einer Freundschaft.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

4.2.1.2. Konfliktverschärfung Wenn sich, beispielsweise aufgrund der beschriebenen Missverständnisse oder auch aus anderen individuellen Gegebenheiten, Konflikte zwischen deutschen und thailändischen Mitarbeitern manifestieren, erfahren diese häufig eine weitere interkulturelle Verschärfung, die schließlich zu ihrer kommunikativen Unlösbarkeit führen kann. Als verstärkendes Moment von Konflikten zwischen deutschen und thailändischen Mitarbeitern erweisen sich dabei einerseits die beschriebenen unterschiedlichen Ritualisierungen der Konfliktbehandlung und -lösung, andererseits tragen auch Unterschiede in der Interpretation gegenseitigen Verhaltens zu weiterer Verhärtung der Gegensätze bei. So erscheint primär eine unterschiedliche Interpunktion des Konfliktverlaufs35 für die Beziehungskorrosion verantwortlich, da der Konflikt aus deutscher Sicht eher beginnt und als schon existent und damit behandlungspflichtig empfunden wird, während die deutsche Form der Auseinandersetzung mit dem Konflikt diesen aus thailändischer Sicht erst erzeugt (siehe Kapitel 4.1.2.3.). Im Folgenden sollen der Ablauf solcher Konfliktverschärfungen jeweils für den Fall, dass ein Konflikt von thailändischer Seite bzw. von deutscher Seite zuerst wahrgenommen wird, im Einzelnen beleuchtet werden.

190

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

4.2.1.2.1 Erkennen des Konfliktpotentials auf thailändischer Seite Wird ein Konfliktpotential aus deutscher Sicht übersehen und nur von Deutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

thailändischer Seite wahrgenommen, kann dies bei den thailändischen Mitarbeitern ritualisierte Konfliktvermei-

Erkennen von Konfliktpotential Unverständnis, thailändische Rätselhaftigkeit

Ritualisierte Konfliktlösung: non-verbale Signalisierung, Einsetzen von Vermittlern, Indirekte Ansprache

Nichtbeachtung des Konflikts

Aktives Verstärken des Konflikts von dt. Seite: Angst, Bedrohung

dungsstrategien auslösen, die sich beispielsweise in indirekter Ansprache des Problems, non-verbalen Zeichen und dem Einsatz von Vermittlern äußern kann (siehe Kapitel 4.1.1.3.). Da diese Signale aufgrund ihrer Indirektheit von deutscher Seite leicht übersehen werden können, bzw. als

Erkennen des Konflikt zu spätem Zeitpunkt

rätselhaftes

Thailändische Inkompetenz

Nichtlösung, Konfliktverdrängung

Ritualisierte Konfliktlösung: Wut, Ärger, Schuldzuweisung, Bestrafung

Dt. Ausbrechenlassen des Konflikts: Angst, Bedrohung, beidseitiger Gesichtsverlust

Verhalten

interpretiert

werden, rufen sie häufig nicht die beabsichtigte Reaktion hervor: Das Konfliktpotential wird von deutscher Seite

Interpretation

Verhalten

nicht beachtet. Im ungünstigen Fall kann eine solche Nichtbeachtung von den thailändischen Mitarbeitern, die

Wirkung

Konflikt

aus ihrer Sicht bereits Probleme signalisiert haben, als aktives Verstärken

des Konflikts von deutscher Seite verstanden werden, das dementsprechend als bösartig und damit bedrohlich interpretiert wird. Aus Angst vor dieser Bedrohung kann es daher in der Folge auf thailändischer Seite zur Einstellung der Lösungsversuche kommen, der Konflikt wird so gut wie möglich am Ausbruch gehindert, also aus deutscher Sicht verdrängt. Wird er zu einem späteren Zeitpunkt offensichtlich virulent, erscheint das thailändische Verhalten der Konfliktverdrängung je nach Konfliktschwere aus deutscher Sicht als Inkompetenz bzw. Fahrlässigkeit. Von deutscher Seite wird daraufhin sofort die ritualisierte Form der Konfliktlösung eingeleitet, die sich nach Feststellung der Ursachen zu offener Demonstration von Wut und Ärger bis zur Schuldfeststellung und -zuweisung sowie Bestrafungsandrohung steigern kann. Von thailändischer Seite wird dieses Verhalten wiederum leicht als bewusstes Ausbrechenlassen des Konflikts verstanden, das mit einer verstärkten Bedrohung der eigenen Integrität einhergeht: „Wenn irgendwo ein Fehler passiert ist, ist es wahnsinnig schwer, bei den thailändischen Mitarbeitern den Grund herauszufinden. Warum ist denn irgendetwas passiert. [...] Die Thais haben immer das Gefühl, das ihr Fehlverhalten der Gegenstand der Untersuchung ist. Und man kann ihnen hundertmal erzählen, dass man nur die Ursache herausfinden möchte, um zu verhindern, dass der gleiche Fehler in Zukunft noch einmal passiert.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

35

Zum Kommunikationskonzept der Interpunktion, vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson 1990, S. 57 ff.

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

191

Die bereits erfahrene Bedrohung kann sich zum Gesichtsverlust steigern, die öffentliche Emotionalität von deutscher Seite aus thailändischer Sicht ebenfalls als Gesichtsverlust interpretiert werden, der eine gemeinsame Zusammenarbeit künftig behindert, wenn nicht unmöglich macht: „Damit verlieren Sie jeglichen Respekt, wenn Sie hier einmal über die Stränge schlagen. Ich habe hier schon Firmen erlebt, wo das passiert ist, da konnte man den Mitarbeitern anmerken, dass die ihren Chef nicht ernst nehmen. Das ist so. Das ist eine Herausforderung für Deutsche.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Als typische Folgen können dabei auf thailändischer Seite der Abbruch der Arbeitsbeziehung durch Kündigung oder Flucht, sowie gesteigerte Aggressivität zur persönlichen Rache auftreten, auf deutscher Seite kann es zur Einschränkung der Handlungsfreiheit durch Autoritätsverlust bis hin zu Isolation und körperlicher Bedrohung von thailändischer Seite kommen.

4.2.1.2.2 Erkennen des Konfliktpotentials auf deutscher Seite Ähnliche Folgen kann auch das frühzeitige Erkennen von KonfliktpotentiDeutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

alen auf deutscher Seite auslösen. So ruft das Feststellen der Existenz von Schwierigkeiten („Wir haben ein Problem“) normalerweise bereits ri-

Frühes Erkennen des Konflikts

tualisiertes deutsches Verhalten zur

Ritualisierte Konfliktlösung: Zuspitzung, Konfrontation, Diskussion von Lösungsmöglichkeiten

Dt. Erzeugung des Konflikts, Angst, Bedrohung

Empfindlichkeit, Kindlichkeit

Rückzug zum Schutz des eigenen Gesichts

Insistieren, Fortsetzung ritualisierter Konfliktlösung: Ursachenbestimmung, Wut, Ärger, Schuldzuweisung, Bestrafung

Interpretation

Verhalten

Konfliktlösung hervor: Es kommt zunächst zur Zuspitzung von Gegensätzen sowie zur Konfrontation der Konfliktparteien zur gemeinsamen Diskussion von Lösungsansätzen (siehe Kapitel 4.1.2.3.). Wie bereits gezeigt

Dt. Bösartigkeit: Angst, Bedrohung, beidseitiger Gesichtsverlust

wurde, kann dieses Verhalten auf thailändischer Seite jedoch als Erzeugung des Konflikts verstanden

Wirkung

Konflikt

werden, dessen Urheber dementsprechend als Aggressor wahrge-

nommen wird, der die eigene Integrität bedroht. Typischerweise wird dann mit Hilfe von defensivem Beschwichtigungsverhalten und persönlichem Rückzug Schutz gesucht. Von deutscher Seite wird diese Reaktion wiederum häufig als Überempfindlichkeit bewertet, die den deutschen Eindruck kindischen Verhaltens der thailändischen Mitarbeiter verstärkt: „[Konflikte, die wir hier gerade haben], das ist im Prinzip Thai-Kinderkram.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Die [Thais] haben manchmal ein Verhalten wie kleine Kinder.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Ich habe eine Thai hier, die ist wirklich so ein Sensibelchen, wenn ich die nur einmal ein bisschen böse angucken würde, ... würde!, die ist für den Tag fertig!“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

192

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

Als verstärkend kommt in diesem Zusammenhang hinzu, dass in zahlreichen Fällen deutsches „Normal“-Verhalten in Gesprächen und Diskussionen von thailändischer Seite aus bereits als konflikterzeugend und damit bösartig wahrgenommen wird und entsprechende Schutzsuche vor den deutschen Aggressoren auslöst, wie folgendes Beispiel zeigt: “For example, I brought some [Thai] journalists with me to Germany to talk to the corporate communications department of [the German mother company]. There was a conversation between a German colleague of the PR division and a journalist. I was not there. The journalist came to me later. She was so angry. She said, I don't know what happened, but this guy from [the German mother company], he behaved so cruel. When I asked him a question, he was so aggressive. I asked her, what question. She said, nothing special, but he was so cruel. Then I went to my German colleague. He could not understand what was going on. I said, next, time don't talk to my journalists. He said, I didn't do anything. I said, I know. But when you talk to a Thai, you have to speak very softly. He didn't know. He didn't mean to offend them. But German PR people, they are very straightforward, they say, this is the way it is [spricht lauter und zeigt mit dem Finger auf mich] and point with the finger. In the Thai (Thailändische Leiterin Corporate Communications) culture, this is really rude. You would never do this.”

Abb. 48: Beispiel für deutsche Konflikterzeugung aus thailändischer Perspektive

Ein Insistieren und Fortführen deutscher Konfliktlösungsstrategien führt, wie schon im ersten Fall gezeigt wurde, in letzter Konsequenz zum Gesichtsverlust auf beiden Seiten und damit zur Unlösbarkeit des Konflikts. 4.2.2. Synergiepotentiale Zahlreiche Interviewbeispiele zeigen, dass trotz gravierender Konfliktpotentiale die deutschthailändische Zusammenarbeit nicht von vorneherein zum tragischen Scheitern verurteilt ist. So scheinen sich gerade aufgrund bestehender Gegensätze und unterschiedlicher Vorstellungen auch Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu eröffnen, von denen beide Seiten profitieren können. Der gewonnene Nutzen besteht dabei zum einen in der Vermeidung von interkulturellen Konflikten und der Herausbildung einer funktionsfähigen Unternehmenskultur, zum anderen können im Rahmen der Zusammenarbeit unternehmerische Erfolge erzielt werden, die sich direkt aus der spezifischen Interkultur von Deutschen und Thais ergeben, monokulturelle Ergebnisse in Einzelfällen übertreffen und somit als Synergien bewertet werden können. Als Voraussetzung zur Realisierung solcher Synergien ist jeweils von beiden Seiten ein Mindestmaß an kulturellem Wissen, bzw. interkultureller Erfahrung anzusehen, sowie eine grundsätzliche menschliche Offenheit in Bezug auf die Relativität eigener kultureller Prägung. Als Indikatoren für eine solche Einstellung erweisen sich dabei häufig zum einen das relativierende Infragestellen der eigenen kulturellen Perspektive an konkreten Beobachtungsbeispielen, wie hier zum Aspekt deutscher Arbeitszeitenregelung: „Das ist nur diese Prinzipienreiterei, [leiert herunter] wir müssen um acht da sein, und wir müssen vierzig Stunden arbeiten die Woche, und nicht neunundreissigeinhalb, und nicht vierzigeinhalb. Und das ist ja eigentlich ohne Logik, wenn man mal drüber nachdenkt.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Zum anderen zeigt sich eine explizite, abstrakte Verbalisierung von allgemeinen Relativitätserfahrungen, wie sie in folgendem Beispiel zum Ausdruck kommt: „When I was younger, I went to a cross-cultural training with my old employer. That … was really … I think it changed my life. Because I understood for the first time, how you farangs think. And that it is a different way

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

193

to think. But once you have had such an experience, you cannot just go back and forget. You suddenly see two worlds.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

In Situationen, in denen diese Grundvoraussetzungen gegeben sind, lassen sich auf Basis der Interviewprotokolle verschiedene Synergietypen identifizieren, die hauptsächlich um die Aspekte gegenseitige Loyalität, Entwicklung erfolgreicher neuer Prozesse und Produkte sowie schnelle Umsetzung neuer Ideen (Innovation) und persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter (Emanzipation) kreisen. 4.2.2.1. Loyalität Als Gegenstück zum beschriebenen Kollegialitäts-Missverständnis kann das Zusammentreffen des deutschen Konzepts der Sozialverantwortung des Unternehmens für seine Mitarbeiter mit der thailändischen Tradition des Loyalitätsverhältnisses in seiner khuna-Dimension (siehe Kapitel 4.1.1.2., 4.1.1.5.) zu einem besonders engen Unternehmenszusammenhalt führen. Dabei erfolgt aufgrund der deutschen Standardisierung von SozialverantworDeutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

tung seitens der deutschen Manager die Übernahme persönlicher Verantwortung für ihre thailändischen Mitar-

Sozialverantwortung der Unternehmensführung

Loyalitätsverhältnis (khuna Dimension)

Übernahme persönlicher Verantwortung für thailändische Mitarbeiter, (Persönliches Interesse, Gewährung sozialer Absicherung, Hilfe, Förderung, Fürsorge)

Interpretation

von persönlichem Interesse, der Gewährung von sozialer Absicherung,

Erhalt von bunkhun: Dt. Manager = Gerechter Führer, Lehrer, Vater

Positive Verstärkung

Persönliche Bestätigung, Bestätigung eigener Führungsrolle

beiter, die sich in der Demonstration

persönlicher Hilfe und Förderung manifestiert. Auf thailändischer Seite kann dieses Verhalten unter günstigen Bedingungen als Erhalt von bunkhun aufgefasst werden, das es mit Loyalität zu

Langfristige Personenloyalität

erwidern gilt. Der deutsche Vorgesetzte übernimmt in diesem Fall die Rolle

Verhalten

Wirkung

des gerechten Führers, des Lehrers oder des gütigen Vaters. Von deut-

scher Seite werden die Äußerungen langfristiger Loyalität der eigenen Person sowie in indirekter Form auch dem Unternehmen gegenüber in erfüllender Weise zum einen als persönliche Bestätigung, zum anderen auch als Bestätigung des eigenen Führungsverhaltens erfahren, so dass im günstigen Fall eine positive Verstärkung des deutschen Verhaltens mit erneuter Verantwortungsübernahme für die thailändischen Mitarbeiter einsetzt, die wiederum zu einer Verstärkung thailändischer Loyalität führen kann. Der daraus entstehende, ungewöhnlich enge Unternehmenszusammenhalt kann die Kultur des thailändischen Tochterunternehmens nachhaltig beeinflussen und über eine Steigerung der Mitarbeitermotivation den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg fördern. Als Voraussetzungen

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Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

für die Herstellung einer solchen Loyalitätsbeziehung von deutscher Seite lassen sich ein aufrichtiges Interesse der deutschen Manager an ihren thailändischen Mitarbeitern, die öffentliche Demonstration von Verantwortung („showing face“, „caring“, siehe Kapitel 4.1.1.2.) sowie keine übertriebenen Erwartungen an eine, deutscher Freundschaft verwandte, Nähe oder Tiefe der Mitarbeiterbeziehung feststellen. Von thailändischer Seite stellt sich als Voraussetzung besonders ein Verständnis für die Ritualisierung deutschen Konfliktverhaltens mit seiner grundsätzlichen Möglichkeit der Versöhnung („they don’t mean it“, siehe Kapitel 4.1.2.3.) dar, sowie die Tolerierung von eventuell aus thailändischer Sicht ungeschickten Annäherungsbemühungen. Als Kennzeichen eines erfolgreich aufgebauten Unternehmenszusammenhalts lassen sich dann besonders gegenseitiges Vertrauen sowie ein ausgeprägtes Familiengefühl innerhalb des Unternehmens feststellen, bei dem sich die deutschen Geschäftsführer nicht selten in der Rolle eines gütigen Vaters mit riesiger Kinderschar wiederfinden (siehe auch Kapitel 5.2.3.1.). Dabei muss beachtet werden, dass das starke Loyalitätsverhältnis langfristig für deutsche Manager auch die Gefahr einer Internalisierung der Vater-Kind-Beziehung in sich birgt, die zu unangemessenen Verhaltensanpassungen, wie beispielsweise der kindlichen Entmündigung der thailändischen Mitarbeiter, führen kann. 4.2.2.2. Innovation Neben dem Bereich des Beziehungsaufbaus lassen sich auch im Bereich der Deutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

Aufgabenbearbeitung Synergiepotentiale in der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Thais finden. Dabei kann be-

Planungsorientierung, Ordnungsprinzip Vorgabe von Rahmenbedingungen, Kommunikation von Risikofreiheit, Einnahme loser Kontrollfunktion, Anerkennung, Lob

Flexibilität der Zielerreichung, Improvisation, Kreativität

sonders das Zusammentreffen des deutschen Arbeitsstils mit seinem Primat der Planung und Ordnung (siehe Kapitel 4.1.2.4.) mit thailändischer Flexibilität

Sicherheitsgefühl, Motivation

der Zielerreichung, Improvisation und Kreativität (siehe Kapitel 4.1.1.4.) zu Erfolgen führen. Hierzu ist ausschlagge-

Positive Verstärkung

Erfolgserlebnis

Interpretation

bend, dass von deutscher Seite einerEntwicklung neuer Umsetzungsideen

Verhalten

Wirkung

seits

eindeutige

Rahmenbedingungen

vorgegeben werden und andererseits gleichzeitig Fehlertoleranz und Risikofreiheit kommuniziert wird.

„Wenn man genügend Fingerspitzengefühl beweist und die Leute auch etwas lässt, oder in einem größeren Rahmen arbeiten lässt, kommen oft sehr interessante Resultate dabei heraus.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

195

Unter günstigen Bedingungen kann auf diese Weise auf thailändischer Seite ein Sicherheitsgefühl entstehen, das Implementierungs- und Improvisationskräfte freisetzt, die zur schnellen Entwicklung und Umsetzung innovativer Ideen führen kann. Wenn dieses Ergebnis auf deutscher Seite wiederum als Erfolgserlebnis erfahren wird und in Form von Anerkennung und Lob an die thailändischen Mitarbeiter weitergegeben wird, kann, wie im Loyalitätsbeispiel bereits gezeigt, ein positiver Verstärkungseffekt einsetzen, der zu einer weiteren Erhöhung der Motivation und neuen Innovationen führen kann. Ein Beispiel für den Umsetzungserfolg eines solchen Innovationsklimas stellt folgende Erfahrung eines deutschen Geschäftsführers dar: „Der Ausgangspunkt war, dass man gesagt hat, man könnte hier in Thailand [ein bestimmtes Produkt], [...] nicht in hochwertiger Qualität herstellen, nicht mit diesen Leuten, die so ein bisschen luschig sind, nach dem Motto, kommst du heute nicht kommst du morgen und bei dem Klima hier. Das hat sich aber innerhalb von zwei Jahren als komplett falsch herausgestellt. [...] Wir haben hier innerhalb von einem halben Jahr ISO 9002 geschafft, ISO 14001, da hat [das Mutterhaus] fast fünf Jahre dazugebraucht. Oder auch SAP-Einführung oder so. Das geht hier schnell. Weil die Leute so wahnsinnig... die arbeiten dann eben mal 12 oder 14 Stunden, bis das eben fertig ist. [...] Uns wurde hier gesagt, als wir hierher kamen, dass wir hier keine hochwertigen [Produkte] herstellen könnten. Das geht hier bei den Mitarbeitern nicht, das war die verbreitete Meinung in der Gruppe. Und dann haben wir das plötzlich doch geschafft. Wir wurden überall approbiert mit den [Produkten]. Wir müssen bei den Kunden Zertifikate vorlegen. Und wir haben dann diese Zertifikate bekommen. In Amerika, in Japan, die Japaner sind da immer sehr kritisch mit den Zertifikaten. Es stellte sich sogar heraus, dass unsere [Produkte] sogar besser waren als die amerikanischen. Da kam dann nach zwei Jahren eine Gruppe von sechs Amerikanern hierher. Die waren hier fast zehn Tage, um von uns dann zu lernen, wie man diese [qualitativ hochwertigen Produkte] macht. Und da sind unsere Thais natürlich mit stolzgeschwellter Brust herumgelaufen. [lacht]“ (Deutscher Geschäftsführer)

Abb. 49: Beispiel für deutsch-thailändische Innovation

4.2.2.3. Emanzipation Zusätzlich zu den Bereichen des Beziehungsaufbaus und der AufgabenbearbeiDeutsche Perspektive

Thailändische Perspektive

tung kann das Zusammentreffen bestimmter Standardisierungen des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils

Leistungsdruck, Stressempfinden Masochismus

Lebensgenuss,

zu beiderseitiger Emanzipation von kultu-

Schaffensfreude

rellen Zwängen führen und auf diese

mai pen rai,

Geringe Machtdistanz, Gleichberechtigung, Respekt der Expertenrolle des Individuums

Abhängigkeitsgefühle, Angst, schwaches Selbstbewusstsein

lung der Interaktionspartner beitragen. So kann für die chronisch gestresste, an

Positive Verstärkung Verminderung von Leistungsdruck, Lebensfreude

Weise zur menschlichen Weiterentwick-

Ernsthaftigkeit und Pflichterfüllung bis

Verlust von Angstgefühlen, stärkeres Selbstbewusstsein

hin zu Masochismus gewöhnte deutsche Seite das spielerische und gleichzeitig rücksichtsvolle Moment des thailändi-

Interpretation

Verhalten

Wirkung

schen Arbeitsstils mit seinen Elementen von Lebensgenuss und Schaffensfreude zu einer regelrechten Erleichterung bei-

tragen. Dabei berichten die deutschen Manager häufig von einem Abbau von innerer Spannung

196

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

und Leistungsdruck, der zu einer gelasseneren, häufig als ausbalanciert beschriebenen Lebenseinstellung führen kann und sich explizit in der Verbalisierung von Glücksgefühlen äußert: „Wenn ich denke, 17 Jahre Geschäftsführung in Deutschland, ... der Stress, den ich in Deutschland hatte, den gibt es hier nicht. [...] Es ist eine andere Atmosphäre.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Ich bin glücklich. [..] Wenn Sie das sehen, hier, das Umfeld, der Garten, die Blumen, der Sonnenschein, die freundlichen Menschen, man müsste schon blöd sein, hier nicht glücklich zu sein.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Auf der anderen Seite kann die geringere Machtdistanz deutscher Prägung, die damit verbundene Gleichberechtigung von über- und untergeordnetem Mitarbeiter sowie der Respekt vor dem individuellem Beitrag des Einzelnen (Expertenrolle) auf thailändischer Seite zur Überwindung von Angstgefühlen gegenüber dem Vorgesetzten beitragen und damit die Entfaltung eines stärker ausgeprägten Selbstbewusstseins begünstigen. Dieses Phänomen schildern die thailändischen Mitarbeiter besonders unter dem Aspekt der Erfahrung eines Freiheitsgefühls: „Ich habe schon einmal für eine thailändische [Firma] gearbeitet. Und [lacht]... es ist nicht zu vergleichen. [...] Ich bin hier freier. Ich kann hier sagen, was ich denke. Wenn ich eine Frage habe, kann ich sie stellen. Das ist ... so ein großer Unterschied.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) „But what will change is, we will talk more. If we see that new systems work we will adapt them. I don't think we will ever go back. Back to the father and son system. Because we have lived in this system. We have lacked the freedom to act, we have lacked the freedom to think.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

So berichten insgesamt beide Seiten unter günstigen Voraussetzungen übereinstimmend von Gefühlen ausgeprägten Wohlbefindens, die sich aus der gemeinsamen Zusammenarbeit speisen. 4.2.3. Ergebnisdiskussion Die Diskussion der Ergebnisse zur deutsch-thailändischen Interkultur mit ihren typischen Missverständnissen, Konflikt- und Synergiepotentialen sollen im folgenden einerseits mit theoretischen Arbeiten zur Interkultur-Problematik (z.B. Bolten 1999a, Stüdlein 1997), andererseits mit praktischen Ratgebern zu interkulturellem Management in Thailand (z.B. Holmes/Tangtongtavy 1995, Cooper/Cooper 1994) diskutiert werden. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, die erarbeiteten Ergebnisse mit den Resultaten kulturvergleichender Studien zu kontrastieren, die sich ebenfalls mit Thailand auseinandersetzen (z.B. Brinkama/Richter/Zhong 1996, Dubey-Villinger 2001a). Insgesamt lässt sich dabei feststellen, dass zahlreiche Autoren zur sinnvollen Beschreibung von Kulturen eine interkulturelle Untersuchungsmethodik fordern, die von einer grundsätzlichen Prozesshaftigkeit und Prozessbedingtheit kulturellen Handelns ausgeht. So verlangt beispielsweise Stüdlein, dass zukünftig „vermehrt interkulturelle Studien im engeren Sinne – also Studien, welche die Interaktion zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen fokussieren – in den Mittelpunkt der Forschungsbemühungen rücken“ (Stüdlein 1997, S. 394) sollen. Auch Bolten betont die Erfordernis „einer kontinuierlichen Analyse [...] [der] Prozessualität“ interkultu-

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

197

reller Kontexte (Bolten 1999a, S. 39), die über eine monokulturelle Betrachtung hinaus notwendig wird, um die „Eigengesetzlichkeiten“ interkultureller Kommunikation (Knapp 1999, S. 18) ausreichend beschreibbar zu machen. Demgegenüber sind explizit interkulturelle Untersuchungen jedoch immer noch selten, vermutlich da sie aufgrund des Einbezugs mehrerer, insbesondere von für einen Forscher fremden Perspektiven einen hohen Beobachtungs- und Auswertungsaufwand darstellen.36 Dies scheint auch der Grund zu sein, warum zu dem Thema deutsch-thailändischer Interkultur innerhalb von Unternehmen kaum interaktionsorientierte Studien vorliegen. So führen Brinkama/Richter/Zhong zwar eine umfangreiche, praxisorientierte Befragung deutscher Expatriates in Thailand durch, versäumen aber eine genaue Betrachtung der thailändischen Seite (Brinkama/Richter/Zhong 1996, vgl. auch Brinkama 1996). Die detaillierte Schilderung von Konfliktbereichen im deutsch-thailändischen Arbeitsalltag beschränkt sich auf eine Beschreibung aus deutscher Sicht. Interpretationen und Bewertungen müssen sich daher an deutschen Maßstäben orientieren, wie folgendes Beispiel einer Darstellung thailändischen Beziehungsaufbaus demonstriert: „Eine gemeinsame Basis für Freundschaft sei nur selten vorhanden [...]. Die Interessen der Thais richteten sich sehr viel stärker auf Konsum, die Betonung ihres Status’ und darauf, Spaß im und am Leben [...] zu haben; Freundschaften fehlte die Ernsthaftigkeit, sie würden vielfach an der Oberfläche bleiben.“ (Brinkama/Richter/Zhong 1996, S. 107)

Die gesammelten Ergebnisse der Untersuchung stellen daher für deutsche Manager zwar eine wertvolle Basis zur vorbereitenden Einstellung auf mögliche Erfahrungen dar, tragen jedoch aufgrund ihrer Statik und der einseitigen Perspektive kaum zur Klärung bzw. Auflösung von Konflikten bei. Auch die Studie von Dubey-Villinger mit ihrer Befragung westlicher und thailändischer Manager in Thailand zur Erforschung typischer Eigenschaften eines thailändischen Wirtschaftsstils kann nicht als interkulturelle Untersuchung im engeren Sinne gewertet werden. So werden zwar durch den Einbezug von Managern aus unterschiedlichen Kulturkreisen methodisch verschiedene Perspektiven integriert, bei der Beschreibung spezifisch thailändischer Eigenschaften bleibt jedoch gerade aufgrund des Vergleichs mit unterschiedlichen westlichen Kulturen der genaue Bezugsrahmen unklar. Erkenntnisse der Art, „Management [in Thailand] is extremely hierarchical“ (Dubey-Villinger 2001a, S. 110), erweisen sich dabei nur als eingeschränkt hilfreich, wenn nicht im Einzelnen geklärt ist, was mit „Hierarchie“ in diesem Fall gemeint ist und im Vergleich zu welcher anderen Hierarchievorstellung die thailändische dann als „extrem“ bewertet werden kann. Die Untersuchung erbringt daher eher eine Aufzählung thailändischer Stilmerkmale aus der Perspektive einer diffusen allgemein-westlichen Vorstellungswelt.

36

Zum Forschungsaufwand interkultureller Untersuchungen vgl. Pateau 1996 mit seiner vergleichenden Studie deutschfranzösischer Management-Kulturen, die u.a. eine qualitative Erhebung von 150 Interviews mit Mitarbeitern aus beiden Ländern umfasst (Pateau 1996, S. 608).

198

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

Die vorliegende Analyse einer deutsch-thailändischen Interkultur bietet demgegenüber mit ihrer Herausarbeitung von typischen Missverständnissen, Konfliktverläufen und Synergiepotentialen aus interkultureller Perspektive innerhalb der vorliegenden Thailand-Literatur eine Erweiterung bisheriger Blickwinkel. Die Sinnhaftigkeit ihres methodischen Ansatzes mit seinen integrierten Perspektivwechseln zeigt sich gerade in Bezug auf den Forschungsbereich des europäisch-asiatischen Kulturvergleichs, bei dem unter der Bezeichnung „interkultureller“ Studien häufig immer noch ausgeprägte Stereotypisierung betrieben wird. Ein besonders prägnantes Beispiel aus jüngerer Zeit für einen solchen pseudo-interkulturellen Ansatz stellt Albrechts Studie zu unterschiedlichem Managementverhalten von deutschen und chinesischen Mitarbeitern (Albrecht 2001) dar. Der Gesamtheit chinesischer Manager werden dabei auf Basis einer Missinterpretation der Kulturdimensionen nach Hofstede (vgl. Hofstede 1997) bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten unterstellt, die dann nach westlichen Bewertungsmaßstäben als Stärken und Schwächen, bzw. euphemistisch als „Non-strengths“ (Albrecht 2001, S. 239) evaluiert werden. So gilt beispielsweise als chinesische Stärke „curiosity and zeal for learning“ (Albrecht 2001, S. 239), als Schwäche hingegen „uncooperative and inconsiderate behavior“ (Albrecht 2001, S. 240). Die so identifizierten kulturellen Eigenschaften werden in einem zweiten Schritt im Rahmen der Übertragung eines fragwürdigen psychologischen Ansatzes37 auf kollektive Gehirnstrukturen des chinesischen Volkes zurückgeführt! Abwegige Vorschläge zur Erzeugung „holistischer“ Resultate beim Einsatz deutscher Mitarbeiter ausschließlich im Bereich von „production, engineering, logistics, and linear systems, which depend upon presicion, reliabilty and quality control“ und chinesischer Mitarbeiter im Bereich „marketing and service [...] and social networking“ schließen sich an (Albrecht 2001, S. 250). Im Ergebnis kommt es dabei nicht nur zu einer groben Vereinfachung kultureller Standardisierungen und ihrer grundsätzlichen Gleichsetzung mit individuellen Fähigkeiten, sondern darüber hinaus wird, obwohl als „working hypothesis“ (Albrecht 2001, S. 251) kenntlich gemacht, eine Ableitung überindividueller Stärken und Schwächen von Mitarbeiterkollektiven unterschiedlicher Kulturen als „genetically fixed“ (Albrecht 2001, S. 250) nahegelegt. Die Notwendigkeit prozesshafter interkultureller Untersuchungen, die sich auf kulturelle Standardisierungen im Sinne ihrer spezifischen kommunikativen Wechselbeziehungen konzentrieren, wird hier eindrücklich offenbar. 4.2.3.1. Diskussion deutsch-thailändischer Konfliktpotentiale Ein Vergleich der identifizierten Konfliktpotentiale mit den Ergebnissen von ManagementRatgebern zum thailändischen Wirtschaftsalltag erbringt, dass die beschriebenen Missverständnisse teilweise innerhalb bestehender Literatur diskutiert werden, teilweise jedoch eine spezi-

37

Vgl. Typologie der BrainStyles nach Miller (1997) zur Erklärung unterschiedlicher Fähigkeiten innerhalb einer Kultur mit unterschiedlichen individuellen Gehirnstrukturen.

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

199

fisch deutsch-thailändische Prägung zu besitzen scheinen und daher bisher noch nicht untersucht worden sind. Dabei gehören vor allem das Verantwortungs- bzw. das Leistungsmissverständnis zu Aspekten, die in der zumeist angelsächsischen Literatur in Ansätzen bereits beschrieben wurden. Es ist zu vermuten, dass der Grund hierfür in der Nähe der deutschen und angelsächsischen Konzepte von Verantwortung und Leistung liegt. So weisen beispielsweise Holmes/Tangtongtavy (vgl. auch Dubey-Villinger 2001a) auf die Probleme ausländischer Expatriate-Manager hin, mit der thailändischen Standardisierung der Delegation von Verantwortung an den Vorgesetzten umzugehen: „The [Thai] boss is expected to decide things. Since he has qualified as a boss, it is assumed that he possesses certain knowledge, wisdom, or experience which go beyond the capacity of his colleagues.“ (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 63)

Zur Lösung des Problems schlagen sie eine Anregung der Übernahme eigener Verantwortung auf thailändischer Seite durch den Expatriate-Manager vor, der den thailändischen Mitarbeitern vor allem Versagensängste nehmen soll: “One [way to solve the problem] is by encouraging them to speak out without fear of being ridiculed by people of authority […]. The second thing the Expat manager can do is some extracurricular coaching to help them overcome their fear.” (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 85)

Weitere Hinweise auf das Leistungs-Missverständnis finden sich bei Holmes/Tangtongtavy, die explizit die Problematik der Missinterpretation thailändischen Respekts und Loyalitätsverhaltens als Mangel an Leistungsbereitschaft und Motivation erwähnen: „The Thai emphasis on respectful discretion, which may be shown by keeping one’s mouth shut, is frequently misunderstood by Expats as a lack of assertiveness or a limited dedication to getting the job done.“ (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 7)

Cooper/Cooper schlagen in diesem Zusammenhang eine fragwürdige Anpassung an thailändische Leistungsvorstellungen mit ihrem Merkmal des Gehorsams innerhalb von PatronageBeziehungen vor: “Let your staff come to understand, without telling them, that within the limitations set by company budgets, rules and regulations […] you will follow traditional Thai patronage practice and reward those who follow and obey.” (Cooper/Cooper 1994, S. 127)

Insgesamt wird an den Beispielen deutlich, dass im Rahmen internationaler ManagementRatgeber zur Arbeit in Thailand zwar auf relevante Problemfelder hingewiesen wird, die Ursache für Problempotentiale jedoch zumeist einseitig in thailändischen Verhaltensstandards gesucht wird. Das Verhalten des Expatriate-Managers wird dabei als „normales“ Verhalten aus der Betrachtung ausgeklammert. Auf diese Weise wird jedoch die grundlegende Zweiseitigkeit und Wechselwirkung von Kommunikation aus dem Blickwinkel verloren. Fatale Mechanismen, die, wie innerhalb der vorliegenden Untersuchung gezeigt wurde, auf der gegenseitigen Bedingtheit interkultureller Kommunikation beruhen, können auf diese Weise nicht beleuchtet werden. Im Gegensatz zu den verallgemeinerbaren Problemfeldern Leistung und Verantwortung scheint es sich bei dem Motivations-, dem Effizienz- und vor allem dem Kollegialitäts-Missverständnis

200

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

um typisch deutsch-thailändische Konfliktpotentiale zu handeln, die in der vorhandenen Literatur nur selten oder mit anderer Akzentuierung diskutiert werden. Interessant erscheint dabei, dass die im Rahmen der Untersuchung kommunikativer Missverständnisse identifizierten deutschen Interpretationen thailändischen Verhaltens zu großen Teilen mit traditionellen Stereotypen übereinstimmen, die schon die frühe Geschichte deutscher Kulturbeschreibung Thailands prägen. So finden sich die beschriebenen deutschen Diagnosen der Faulheit und Hinterhältigkeit (Motivations-Missverständnis), der Unseriosität (Effizienz-Missverständnis) sowie der Undankbarkeit und Unzuverlässigkeit (Kollegialitäts-Missverständnis) bereits in deutschen Lexikonartikeln und Expeditionsberichten über das Königreich Siam aus dem 19. Jahrhundert: „Die Siamer sind sanft, höflich und sorglos, aber auch [...] lügnerisch, arglistig und unbeständig [...].“ (Allgemeines Deutsches Conversations-Lexikon für die Gebildeten eines jeden Standes, herausgegeben von einem Vereine Gelehrter, 1. Auflage, 9. Band, Leipzig 1837, S. 622, zitiert nach Stoffers 1995, S. 31, Hervorhebungen durch die Autorin) „Der Charakter der Siamesen ist eben leichtfertig, unbedacht, [...].“ (Decker, R (Hg.): Die preußische Expedition nach Ost-Asien, nach amtlichen Quellen, 4 Bände, Berlin 1864-1873, Band 4, S. 327, zitiert nach Stoffers 1995, S. 57, Hervorhebungen durch die Autorin) „Von Charakter sind die Siamesen sanft und geduldig, sehr gastfrei und höflich, [...] dabei auch unterwürfig und lügnerisch [...].“ (Meyers Konversationslexikon, 6. Auflage Leipzig/Wien, 1908, S. 412, zitiert nach Stoffers 1995, S. 132, Hervorhebungen durch die Autorin)

Ein Vergleich mit den Äußerungen deutscher Manager innerhalb der Untersuchung von Brinkama/Richter/Zhong 1996 bestätigt die Permanenz eines solchen Thailandbildes, das sich aufgrund der beschriebenen Missverständnisse leicht verfestigt. Hier erweist sich die vorgeschlagene prozessuale Analyse einmal mehr als notwendig zur Entkräftung negativer Stereotypisierung. Während einige der beschriebenen Missverständnisse auch in anderen Untersuchungen Erwähnung finden, lassen sich in Bezug auf die Analyse deutsch-thailändischer Konfliktverstärkung kaum vergleichbare Studien diskutieren. Zwar betonen theoretische Konzepte zur interkulturellen Unternehmenskultur die Wichtigkeit eines interkulturellen Konfliktmanagements und schlagen in diesem Zusammenhang die Einigung auf eine „von beiden Seiten akzeptierte Konfliktdefinition“ vor (Stüdlein 1997, S. 345). Solche Vorschläge setzen auf Seiten der Mitarbeiter jedoch eine intensive Meta-Betrachtung nicht nur des eigenen Konfliktverhaltens, sondern auch des Konfliktverständnisses voraus und gehen grundsätzlich von der Möglichkeit einer flexiblen Anpassung kultureller Verhaltensstandardisierungen aus. Die Untersuchung zeigt jedoch, dass gerade mit dem Konzept des Konflikts auf deutscher wie auch auf thailändischer Seite fundamentale Wahrheitsvorstellungen und Interpretationen von richtigem und falschem Verhalten verknüpft sind, die sich in der Praxis kaum per Beschluss auflösen lassen. Da eine vollständige Anpassung daher unwahrscheinlich ist und im Rahmen der Befragung auch nicht beobachtet werden konnte, kommt der vorgestellten Untersuchung von Konfliktmechanismen daher umso größere Wichtigkeit zu, da sie zumindest beiderseitiges Verständnis für unterschiedliche Interpre-

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

201

tationsweisen fördern kann.38 Vergleichbare Untersuchungen deutsch-thailändischer Konfliktinterkultur liegen darüber hinaus noch nicht vor. 4.2.3.2. Diskussion deutsch-thailändischer Synergiepotentiale Eine Untersuchung der relevanten theoretischen und anwendungsorientierten Literatur zum Management kultureller Unterschiede zeigt eine weite Verbreitung der Suche nach interkulturellen Synergiepotentialen. Dabei prägt Adler schon 1980 den Begriff der „cultural synergy“ als „positive interaction between multiple national and ethnic cultures within a single organization context“ (Adler/Jelinek 1986, S. 87). In der Folge wurde immer wieder auf die Chancen interkultureller Zusammenarbeit in Unternehmen hingewiesen (vgl. z.B. Bleicher 1992, S. 282) und nach Möglichkeiten zur Realisierung von „synergetischen Spitzenleistungen“ (Breuer/Barmeyer 1998, S. 199) gesucht. Stüdlein spricht in diesem Zusammenhang von einem „synergetischen Personalmanagement“, das zu einer „synergetischen Unternehmungskultur“ führen kann, wenn „sowohl die unternehmensweiten, landeskulturspezifischen Gemeinsamkeiten als auch die nationalen Unterschiede“ berücksichtigt werden und „innovativ einzelne Kulturelemente der Mutterund Tochterunternehmungen“ verknüpft werden (Stüdlein 1997, S. 210). Aus der Diagnose grundsätzlicher Synergiepotentiale ist dabei immer wieder die Forderung nach ihrer Nutzung bzw. Einlösung abgeleitet worden. Erste Ansätze hierzu finden sich bei Ouchi, der mit seinem kulturellen Kompromissmodell „Theory Z“ (Ouchi 1981) versucht, die Vorteile eines eher amerikanisch und eines eher japanisch geprägten Managementstils miteinander zu kombinieren (vgl. hierzu auch Hasenstab 1999, S.129). Hilb beschreibt als Zielvorstellung internationaler Unternehmen eine Unternehmenskultur, „die versucht, die komparativen und übertragbaren Stärken der verschiedenen Länderkulturen zu einer wettbewerbsstarken Synthese zu vereinen“ (Hilb 1991, S. 117), während Stüdlein eine „synergetische Grundhaltung“ des Managements als „optimale Ausgangslage“ zur Synergieverwirklichung ansieht (Stüdlein 1997, S. 211). Adler entwickelt ein explizit auf die Realisierung von Synergien ausgerichtetes Unternehmenskulturmodell (vgl. Adler 1991), das über die Phasen von Situationsbeschreibung von Problemen und Konflikten, Einnahme unterschiedlicher kultureller Sichtweisen und interkulturelle Interpretation der Situationsbeschreibungen zu synergetischen Problemlösungen führen soll. Mit diesen Forderungen nach Einlösung interkultureller Synergien geht dabei jedoch häufig auch die Erkenntnis ihrer Problematik und der Anstrengung ihrer Implementierung einher. So räumt bereits Adler ein, dass synergetische Unternehmenskulturen in der Praxis höchst selten zu beobachten seien (Adler 1991, S. 107) und auch Stüdlein spricht von der „schwierigen Realisierung kultureller Synergien“ (Stüdlein 1997, S. 210). Dabei wird häufig die Forderung nach einer verstärkten Erforschung kultureller Synergien anhand von Fallstudien geäußert:

38

Zur Dynamik gegenseitiger Anpassung an unterschiedliche Konfliktstrategien innerhalb einer deutsch-thailändischen Unternehmenskultur, vgl. Kapitel 5.1.3.1.

202

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

„Die größte Herausforderung für zukünftige Forschungsbemühungen [eines Managements von Kulturunterschieden] muss allerdings in der Auseinandersetzung mit Möglichkeiten der gezielten Nutzung kultureller Synergien gesehen werden. [Kulturvergleichende] Studien [sollten] in Zukunft mit einem Fokus auf die Synergiepotentiale zwischen spezifischen Kulturen geführt werden“ (Stüdlein 1997, S. 394).

Im Gegensatz zur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Synergieaspekt im Rahmen interkultureller Forschung sind Untersuchungen konkreter Beispiele von interkulturellen Synergien jedoch selten, eine Studie zum spezifisch deutsch-thailändischen Synergiepotential liegt darüber hinaus noch nicht vor. Die vorliegende Analyse mit ihrer Identifikation verschiedener Synergiepotentiale im Rahmen deutsch-thailändischer Zusammenarbeit kann damit im Rahmen einer deutsch-thailändischen Forschung neuartige Aspekte beleuchten39 und zeigt, dass der Synergiebegriff im Zusammenhang mit Interkulturalität nicht unbedingt abstrakt und diffus bleiben muss, sondern mit konkreten Beispielen unterlegt werden kann. Insgesamt erweist sich die Analyse kommunikativer Austausch- und Interpretationsprozesse zwischen Mitarbeiterkollektiven unterschiedlicher Kulturen zur Beschreibung von Konflikt- und Synergiepotentialen als sinnvoll, um in Bezug auf das Erkenntnisinteresse ein grundsätzliches Verständnis für die Rahmenbedingungen zu schaffen, denen eine deutsch-thailändische Unternehmenskultur unterliegt. Wie sich auf Basis dieser Rahmenbedingungen die Entwicklung einer solchen Unternehmenskultur vollzieht, soll im folgenden Kapitel beschrieben werden. 4.3. Zusammenfassung Aus der Beschreibung interkultureller Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur kann folgende Zusammenfassung als Basis für die anschließende Modellentwicklung abgeleitet werden: ‚Interkulturelle Analyse des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils − Die vergleichende Analyse aus jeweils deutscher und thailändischer Perspektive zeichnet ein umfassendes Bild des deutschen sowie des thailändischen Wirtschaftsstils. − Die Untersuchung identifiziert entscheidende Unterschiede der beiden Wirtschaftstile im Bereich von Beziehungsaufbau, Hierarchieverständnis, Konfliktverhalten und Aufgabenbearbeitung und weist darüber hinaus schwerwiegende Abweichungen in der gegenseitigen Interpretation dieser Unterschiede durch die deutschen und thailändischen Mitarbeiter nach.

39

Als einer der ersten Nachweise der Realisierung interkultureller Synergie zwischen Deutschen und Thais müssen allerdings die Briefe des Thailandreisenden Luis Weiler gewertet werden, in denen besonders der angesprochene Emanzipations-Aspekt deutlich wird: „Auch hier im fernen Osten zeichnen sich die Mehrzahl der Europäer durch ihren Eigendünkel aus. Mit frevelhafter Geringschätzung sehen sie auf [...] Siamesen herab; und ich habe die Erfahrung gemacht, daß gerade die dümmsten und faulsten Europäer in dieser Beziehung besonderes leisten. Von den [...] Siamesen [kann man] Ruhe in allen Lebenslagen lernen“ (Archiv des Deutschen Museums München, Luis Weiler, Briefnachlass der Jahre 1892 – 1917, 29.11.1894, zitiert nach Stoffers 1995, S. 117).

Interkulturelle Rahmenbedingungen deutsch-thailändischer Unternehmenskultur

203

− Anhand der Literatur-Diskussion lassen sich die identifizierten Unterschiede sowie die Abweichungen innerhalb ihrer Interpretation näher begründen und nachvollziehbar machen. Daneben lassen sich eine Reihe von spezifisch deutsch-thailändischen Gegensätzen isolieren, die sich als besonders relevant für die Gestaltung deutsch-thailändischer Zusammenarbeit erweisen. ‚Deutsch-thailändische Interkultur − Auf Basis der relevanten deutsch-thailändischen Gegensätze gelingt es, typische kommunikative Missverständnisse zwischen deutschen und thailändischen Mitarbeitern zu identifizieren und zu erklären, die sich an grundlegenden Konzepten organisatorischer Zusammenarbeit entzünden. Es wird hierbei zwischen einem Motivations-, Leistungs-, Verantwortungs-, Effizienz- und Kollegialitätsmissverständnis unterschieden. − Typische Konfliktverläufe werden anhand der analysierten Unterschiede im Konfliktverständnis von Deutschen und Thais nachvollziehbar gemacht. Es wird nachgewiesen, wie die Eskalation der identifizierten Missverständnisse über Konfliktverschärfung zum Kommunikationsabbruch und damit zur Schwächung des Unternehmenszusammenhalts führen kann. − Neben typischen Konflikten gelingt es jedoch auch, auf Basis der spezifischen Gegensätze des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils typische deutsch-thailändische Synergiepotentiale zu identifizieren, deren Realisierung zur Stärkung der interkulturellen Unternehmenskultur beiträgt. Hierbei wird zwischen Synergien im Bereich von Loyalität, Innovation und Emanzipation unterschieden. − Insgesamt zeichnet die Darstellung deutsch-thailändischer Missverständnisse und Synergien ein konkretes Bild einer spezifisch deutsch-thailändischen Interkultur, das aufgrund seiner interkulturellen Perspektive über die allgemeinen Ergebnisse herkömmlicher, rein kulturvergleichender Studien hinausgeht.

205

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

5. Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext Auf Basis der interkulturellen Rahmenbedingungen bei der Zusammenarbeit von Deutschen und Thais (siehe Kapitel 4) beschreibt das folgende Kapitel die Entwicklung von interkultureller Unternehmenskultur auf Grundlage der Aussagen der befragten Mitarbeiter deutscher Tochtergesellschaften in Thailand. Die Entwicklung von Unternehmenskultur soll dabei als kommunikativer Prozess betrachtet werden (siehe Kapitel 3.1.2.), der sich grundsätzlich als Dialektik von einerseits Emergenz im Sinne eines unwillkürlichen Wachstums und andererseits Einflussnahme durch die Unternehmensführung vollzieht (siehe Kapitel 3.2.1.). Aufgrund dieser Annahmen erscheint die Entwicklung von Unternehmenskultur zum einen geprägt durch eine eigendynamische Komponente, die sich in spontanen kommunikativen Prozessen zwischen Individuen äußert, zum anderen durch eine gestaltungsdynamische Komponente, die sich in gesteuerten kommunikativen Prozessen ausgehend vom Unternehmensmanagement manifestiert.

Definition

Berücksichtigung innerhalb der Untersuchung

Emergenz

Gestaltung

Eigendynamisches, unwillkürliches Wachsen von Unternehmenskultur

Zielgerichtete Einflussnahme der Unternehmensführung auf die Unternehmenskultur

Analyse von • Einflussfaktoren

Entwicklung Interkultureller Unternehmenskultur

Analyse von • Gestaltungstypen

• Einflussmedien

• Führungsrollen

• Dynamiken

• Gestaltungsansätzen

Abb. 50: Entwicklung interkultureller Unternehmenskulturen aus Emergenz und Gestaltung

Eine Beschreibung der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur muss daher die anhand der konkreten Interviewbeispiele beobachtbare Emergenz als eigendynamisches Element genauso berücksichtigen wie die Annahmen und Vorstellungen der Unternehmensverantwortlichen zu ihrem Gestaltungspotential. Das folgende Kapitel gliedert sich daher in die zwei Teile „Emergenz“ und „Gestaltungsansätze“ interkultureller Unternehmenskultur. Während sich der erste Teil mit dem Entstehen interkultureller Unternehmenskultur als ungesteuertem kommunikativem Prozess auseinandersetzt und in diesem Rahmen mögliche Einflussfaktoren, Einflussmedien sowie Wirkungsweisen in Form kommunikativer Dynamiken diagnostiziert, widmet sich der zweite Teil der Untersuchung der Meta-Kommunikation zum Thema interkulturelle Unternehmenskultur seitens der deutschen Unternehmensleitung und identifiziert auf dieser Basis vorhandene Leitvorstellungen zu Gestaltungstypen, Führungsrollen und Ansätzen der Gestal-

206

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

tung interkultureller Unternehmenskultur als Vorbereitung der anschließenden Konzepterstellung (siehe Kapitel 6). Zum besseren Verständnis soll darauf hingewiesen werden, dass die Untersuchung interkultureller Unternehmenskultur, wie bereits in Kapitel 3.2.1. begründet, im Folgenden die kognitive sowie auch die manifeste Seite von Unternehmenskultur gleichermaßen betrachtet, also konkrete Verhaltensweisen von Mitarbeitern genauso berücksichtigt wie auch ihre geistigen Vorstellungen und Werte, da sie grundsätzlich keinen kausalen Zusammenhang zwischen beidem voraussetzt. Die Berechtigung dieser Annahme erhält darüber hinaus durch die Untersuchung eine weitere Bestätigung, da sich ein direkter kausaler Zusammenhang nur selten nachweisen lässt. So können sich bestimmte Verhaltensweise teilweise auf bestimmte Wertvorstellungen zurückgeführt werden, teilweise existieren diese jedoch als Verhaltenskopie auch ohne erkennbaren Wertzusammenhang oder stehen sogar im Widerspruch zu entsprechenden Wertvorstellungen. 5.1. Emergenz interkultureller Unternehmenskultur

Abwehr

Hybridisierung

Interkulturelle Unternehmenskultur Anpassung

Integration

Dynamiken Organisatorische Rahmenbedingungen

Individuum

Einflussmedien Deutscher Wirtschaftsstil

Ursprungskultur

Branche

Wirtschaftssituation

Mutterunternehmen

Landeskultur

Thailändischer Wirtschaftsstil

Einflussfaktoren Interkulturelle Rahmenbedingungen Interkulturelle Rahmenbedingungen

Einflussfaktoren (Interkultureller Kontext)

Einflussfaktoren (Intrakultureller Kontext)

Einflussmedien

Dynamiken

Abb. 51: Emergenz interkultureller Unternehmenskultur

Im Folgenden soll die Emergenz interkultureller Unternehmenskultur mit Hilfe der Interviewprotokolle als komplexer kommunikativer Prozess untersucht werden. So werden unter Berücksichtigung des Erkenntnisinteresses auf Basis des interaktionsorientierten Kommunikationsbegriffs von Watzlawick (vgl. Watzlawick 1990, siehe Kapitel 3.1.3.) besonders der Inhaltsaspekt (was

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wird kommuniziert), die Übertragung (auf welchem Weg wird kommuniziert) sowie die kommunikative Wirkung einschließlich ihres Beziehungs- bzw. Bewertungsaspekts (vgl. Oksaar 1993) berücksichtigt. Die kommunikativen Inhalte werden dabei unter dem Begriff der Einflussfaktoren untersucht, ihre Übertragung wird anhand von Einflussmedien beleuchtet und ihre kommunikative Wirkung soll schließlich in Form prozessualer Dynamiken beschrieben werden. Die folgende Abbildung stellt das entwickelte Modell zur Emergenz interkultureller Unternehmenskultur überblicksartig dar. 5.1.1. Einflussmedien interkultureller Unternehmenskultur Als Überträger kultureller Inhalte und damit als Einflussmedien lassen sich hierbei einerseits die organisatorischen Rahmenbedingungen des Unternehmens (z.B. Organisationsstruktur, Prozessabläufe, Human Resources Policies) und andererseits wiederum die individuellen Persönlichkeiten der Mitarbeiter identifizieren. Das Individuum besitzt in diesem Zusammenhang eine Doppelfunktion, indem es gleichzeitig als Einflussfaktor (z.B. als Führungspersönlichkeit) und Einflussmedium fungiert. Im Folgenden werden die Funktionsweisen der identifizierten Einflussmedien Organisatorische Rahmenbedingungen und Individuum genauer beleuchtet. 5.1.1.1. Organisatorische Rahmenbedingungen Unter dem Einflussmedium der organisatorischen Rahmenbedingungen werden sämtliche normativen formalen Strukturen des Unternehmens verstanden, wie beispielsweise Verhaltensregeln, Prozessvorschriften oder Berichtslinien. Dabei wird von der allgemeinen Annahme ausgegangen, dass die Vorgabe normativer Strukturen innerhalb von Organisationen eine wie auch immer geartete, individuelle Reaktion der Mitarbeiter hervorruft, die sich beispielsweise in Form von Respektierung, Einhaltung oder auch Nichteinhaltung äußern kann. Sie wirkt als Medium kommunikativer Inhalte (siehe Einflussfaktoren) damit prägend auf die Herausbildung einer Unternehmenskultur. Zahlreiche Unternehmen berichten von den offensichtlich kulturrelevanten Auswirkungen solcher organisatorischen Rahmenbedingungen gerade auch auf die interkulturelle Unternehmenskultur. Dabei kann sich beispielsweise die Einführung eines bestimmten Incentive-Systems nachhaltig auf die tägliche Zusammenarbeit der thailändischen Vertriebsmitarbeiter sowie auch auf das Verhältnis zu ihrem deutschen Chef auswirken. Die Durchsetzung eines Leistungsbewertungssystems kann, wie berichtet wird, gesamte Abteilungen in interkulturelle Konflikte stürzen aber auch langfristig zu veränderten Verhaltensstandards innerhalb des Unternehmens führen. Die Einführung neuer Berichtsstrukturen kann interkulturelle Frustrationen auslösen, wenn sich plötzlich die gewohnte Nationalität von Ansprechpartnern ändert. Insgesamt wirken sich die organisatorischen Rahmenbedingungen als Einflussmedium auf die interkulturelle Unternehmenskultur daher besonders im Hervorrufen persönlicher Reaktionen

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von Seiten der beteiligten Individuen aus, die zur Herausbildung bestimmter Gewohnheiten des Unternehmenskollektivs beitragen. 5.1.1.2. Individuum Neben dem Einflussmedium organisatorischer Rahmenbedingungen nimmt das Individuum eine besondere Rolle als Übertragungskanal kommunikativer Inhalte bei der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur ein. Für den konkreten Fall einer deutsch-thailändischen Unternehmenskultur ist dabei zum einen die Gruppe der deutschen Manager zu unterscheiden, die besonders als Medium für inhaltliche Einflussfaktoren wie Ursprungskultur, Mutterunternehmen und Wirtschaftssituation wirken (vgl. Kapitel 1.1.2.3.5.), zum anderen die Gruppe der thailändischen Mitarbeiter, die in besonderem Maße als Überträger des Einflussfaktors Landeskultur fungieren (vgl. Kapitel 1.1.2.6.). Die Kanalisierung inhaltlicher Einflussfaktoren der beiden Gruppen erfolgt aufgrund unterschiedlicher hierarchischer Verortung in unterschiedlicher Weise. So realisiert sich die mediale Funktion der thailändischen Mitarbeiter bei der Beeinflussung von Unternehmenskultur nach den Beschreibungen der Befragten primär als exemplarisches Verhalten. Dabei wird von den thailändischen Mitarbeitern, die innerhalb des Tochterunternehmens ihren deutschen Kollegen quantitativ weit überlegen sind, häufig ein gewohnheitsmäßiges Verhalten ausgeübt, das aufgrund seiner Kontinuität und Beharrlichkeit exemplarischen Status erhält und auf diese Weise die Gewohnheiten des Unternehmenskollektivs prägt („Das macht man hier so.“). Ein anschauliches Beispiel hierzu liefert die Erzählung eines deutschen Geschäftsführers, dessen thailändische Rezeptionistinnen durch ihr ausdauerndes Verhalten die unternehmensinterne Institution des gemeinsamen Mittagessens und damit die Hinnahme von Nichterreichbarkeit während der Mittagszeit als akzeptierte Standardisierung durchsetzten (siehe Kapitel 4.1.1.2.). Die mediale Funktion der deutschen Mitarbeiter lässt sich demgegenüber aufgrund ihrer stärkeren Machtposition innerhalb der Unternehmen anhand verschiedener Verhaltensweisen nachweisen. Dabei kann auf Basis der Interviewprotokolle nach eher exemplarischem, eher repräsentativen und initiativem Verhalten unterschieden werden. Dem exemplarischen Verhalten entspricht dabei ähnlich wie bei den thailändischen Mitarbeitern ein ausdrückliches Vorleben bestimmter Gewohnheiten, die dann von anderen übernommen werden und auf diese Weise Unternehmensgewohnheiten prägen können. Dabei wird von deutscher Seite besonders die starke Vorbildfunktion des Unternehmensmanagements betont (siehe Kapitel 4.1.1.2.), die dafür sorgt, dass exemplarisches Verhalten des deutschen Managements sich auch auf anderen Unternehmensebenen durchsetzen kann: „Man kann [bestimmte Verhaltensweisen der thailändischen Mitarbeiter] aber ändern. Indem man, viel stärker als in Deutschland, eine massive Vorbildfunktion einnimmt.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

So beschreibt beispielsweise ein deutscher Geschäftsführer, wie sich sein symbolisches Verhalten der Entfernung einer abschließbaren Tür vor seinem Büro und das damit verbundene Signal

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der Offenheit, jederzeit ansprechbar zu sein, einerseits langfristig auf das Verhalten seiner thailändischen Mitarbeiter ausgewirkt hat, die das Angebot zur direkten Ansprache zu nutzen beginnen, und sich das Prinzip der offenen Tür selbst andererseits auch zum abteilungsübergreifenden Standard entwickelt. Neben dem exemplarischen Verhalten lässt sich ein repräsentatives Verhalten des deutschen Managements identifizieren, bei dem das persönliche Verhalten vornehmlich des deutschen Geschäftsführers als Repräsentant des Unternehmens auf Seiten der Mitarbeiter Vertrauen in die Institution als solche stärkt und in dieser Form auf die Unternehmenskultur einwirkt: „Still, for a Thai the boss is always the company. There is a huge gap between the subordinate employee and the boss. But this gap depends on the Managing Director. If the boss tries to reduce this gap by talking to the employees, he can improve the relationships with the employees and that can make the company better understandable and peaceful.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Dabei scheint in der Person des Geschäftsführers häufig seitens der thailändischen Mitarbeiter eine Übertragung individueller Handlungen auf überindividuelle Unternehmenseigenschaften stattzufinden, die ihr Unternehmensbild nachhaltig beeinflusst („Caring“ des Geschäftsführers wird gleichgesetzt mit „Caring“ des Unternehmens): „[Mr. P] first made changes that were for the employees. He changed the offices. He redecorated everything. Made it nice for everyone. And then he started to implement new policies. So he showed that he is sincere. That the company cares for us.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Als dritte Kanalisierungsmöglichkeit von Einflussfaktoren über das leitende Management stellt sich schließlich initiatives Verhalten der deutschen Geschäftsleitung dar, bei dem durch Anregung und Durchsetzung bestimmter Maßnahmen interne Standardisierungen im Unternehmen semi-normativ hervorgebracht werden, die kollektive Gewohnheiten der Mitarbeiter beeinflussen können: „So a lot of things happen, because [Mr. P] is very sensitive to these [intercultural] issues, which would never happen, if he didn't care about it. This really has a strong effect on the working environment, and also the credibility he receives from the Thai staff. So the corporate culture here is very depending on how sensitive the M.D. is to cultural issues. For example, the M.D. before, he was not very sensitive to these issues.“ (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12)

Ein solches Initiativverhalten kann sich beispielsweise in der Anregung von Foren zum Meinungsaustausch zwischen den thailändischen Mitarbeitern manifestieren, die dann eine bestimmte Form der Meeting-Kultur innerhalb des Unternehmens hervorbringen können: „Das habe ich hier eingeführt, dass wir uns regelmäßig treffen. [...] Das ist ja eigentlich normal. Also, für mich ist das ja eigentlich auch normal. Aber gewisse Dinge waren eben ... wurden eben hier anders gemacht, bevor ich diese Niederlassung übernommen habe. Das hängt ja auch immer von demjenigen ab, der da sitzt.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4) „Wir haben dann an den zwei Tagen [eines deutsch-thailändischen Management-Outings] gemeinsam Objectives erarbeitet, die wir erreichen wollen. Das ganze soll in einen langfristigen Austausch münden, ein Exchange Opinion Program. Das hatte es vorher nicht gegeben.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Weitere Beispiele für initiatives Verhalten als Medium bestimmter Einflussfaktoren lassen sich darüber hinaus auch im Anstoß einer regen Clubkultur innerhalb des Unternehmens durch den

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Geschäftsführer oder der Förderung eines inoffiziellen Leistungswettbewerbs zwischen verschiedenen Standorten des Unternehmens nachweisen: „Das, was ich mir hier vorgenommen hatte, war, diesen Standort, der von allen in der Gruppe als minderwertiger Standort betrachtet worden war, den soweit zu bringen, dass die anderen Respekt bekommen. Und das haben sie. Und das kommt natürlich auch bei den Thailändern gut an.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Insgesamt muss bei der Betrachtung des Individuums als Einflussmedium interkultureller Unternehmenskultur jedoch auch immer seine Doppelfunktion als eigenständiger inhaltlicher Einflussfaktor im Rahmen zahlreicher weiterer Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Der folgende Abschnitt widmet sich daher der Beschreibung der Einflussinhalte, die über die beschriebenen Einflussmedien in die Kultur des Unternehmens eingespeist werden. 5.1.2. Einflussfaktoren interkultureller Unternehmenskultur Auf Basis der Interviewauswertung konnten zahlreiche Einflüsse identifiziert werden, die an der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur beteiligt sind. Die gefundenen Einflussfaktoren lassen sich dabei einteilen in bekannte Einflussfaktoren aus dem intrakulturellen Kontext, wie die Unternehmenskultur des Mutterunternehmens, die Branche, die Wirtschaftssituation, und die beteiligten Individuen sowie Einflussfaktoren, die besonders im interkulturellen Kontext wirksam werden, wie die Landeskultur des Mutterunternehmens (Ursprungskultur) und die Landeskultur des Tochterunternehmens. Im Folgenden werden die einzelnen Einflussfaktoren genauer beschrieben und ihr Niederschlag in den identifizierten Einflussmedien Rahmenbedingungen und Individuum mit Beispielen illustriert. Dabei ist insgesamt festzustellen, dass sich die Einflussfaktoren in ihrer Wirksamkeit in komplexer Weise überlagern, vermischen und gegenseitig durchdringen, so dass sich die Aufstellung einer Hierarchie ihrer Dominanz als nicht sinnvoll erweist. 5.1.2.1. Individuum „Unternehmenskultur ist ein lebendes Objekt, das durch die Menschen bestimmt wird.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

In dieser Aussage kommt die seitens der Befragten besonders häufig geäußerte Wichtigkeit der individuellen Mitarbeiterpersönlichkeit in ihrer unternehmenskulturprägenden Wirkung deutlich zum Ausdruck. Das Individuum nimmt in diesem Sinne neben der bereits beschriebenen medialen Funktion auch eine inhaltlich prägende Rolle ein. Dabei muss beachtet werden, dass hier vor allem die persönliche Führungskultur des leitenden Managements gemeint ist, die durchgängig als einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Entwicklung der interkulturellen Unternehmenskultur hervorgehoben wird. Da die Unternehmensleitung der befragten Firmen in Thailand fast ausschließlich aus deutschen Expatriate-Managern besteht, tritt der Einfluss individueller thailändischer Mitarbeiter vor dieser deutschen Dominanz in den Hintergrund.

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„Die Kultur von [Firma 10] hier in Thailand ist grundsätzlich anders, wenn ich dieses Unternehmen führe, als wenn jemand anderes, zum Beispiel mein Nachfolger, es führt.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10))

Insgesamt wird die Wichtigkeit individueller Einflussmöglichkeit durch die deutsche Unternehmensführung speziell im interkulturellen Kontext zwischen Deutschen und Thais besonders herausgestellt, da zum einen aufgrund der Fremdheit der aufeinander treffenden Kulturen die spezifische Tradition des Mutterunternehmens nur als eingeschränkt präsent erfahren wird und zum anderen die spezielle thailändische Standardisierung der Personenloyalität zu verstärkter Identifikation mit der Persönlichkeit des Geschäftsführers beiträgt (vgl. Kapitel 4.1.1.2.). Die Diagnose der als herausragend beschriebenen Wichtigkeit deutscher Geschäftsführer für die thailändische Unternehmenskultur der Tochterunternehmen relativiert sich jedoch insgesamt, wenn berücksichtigt wird, dass sie häufig auf den Aussagen des deutschen Managements beruht und somit eine angenehme Selbsteinschätzung darstellt, die nicht unbedingt auch von den thailändischen Mitarbeitern geteilt wird. Als inhaltliche Einflüsse der deutschen Führungspersönlichkeiten werden vor allem persönliche Wertvorstellungen und individuelle Verhaltensweisen genannt, welche die Gewohnheiten des Kollektivs prägen können. So nennen die Mitarbeiter zum Beispiel eine besondere Zugänglichkeit in der Persönlichkeit des Geschäftsführers oder dessen Fähigkeit, eigene Fehler zugeben zu können, als Grundlage für ein vertrauensvolles Unternehmensklima: „But I think this M.D. will create an atmosphere where they start talking. The previous one not. But this one is much more down to earth.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12) „Und wenn ich mal sage, da habe ich einen Fehler gemacht oder so, kein Thai-Chef würde so etwas aussprechen. Ich kann das. [...] Die Thais akzeptieren mich als Chef dieses Unternehmens und nehmen das auch an.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Auf der anderen Seiten können sich bestimmte Charaktereigenschaften von Führungspersönlichkeiten wie Selbstherrlichkeit und mangelnde Rücksichtnahme nach Aussage der deutschen Manager auch destruktiv auf die Unternehmenskultur auswirken: „Mein Nachfolger dort [in einer anderen Niederlassung in Asien] hatte ein solches ... ein völlig anderes Verhalten an den Tag gelegt, das war so desaströs, das hat alles kaputtgemacht, und der ist dann schließlich im Einvernehmen mit der Geschäftsführung ausgeschieden ... worden. Und ich musste dann das Büro wieder übernehmen.... Weil eben die gesamte Kultur durch so ein Individuum bestimmt wird, und wenn ein Individuum dort als Managing Director reingesetzt wird, hat er natürlich eine gewisse Power, und wenn er seine Ideen und seine Kultur dann umsetzt und den Mitarbeitern dann aufpfropft, dann kann das zu Problemen führen.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Insgesamt setzt sich der beschriebene Einfluss des Individuums in der Person des Geschäftsführers primär über das Einflussmedium Individuum fort, kann jedoch im Einzelfall in Abhängigkeit von der Handlungsfreiheit des Geschäftsführers auch durch die Festsetzung bestimmter organisatorischer Rahmenbedingungen vollzogen werden. 5.1.2.2. Branche Wie auch im Bereich intrakultureller Unternehmenskultur bestimmt die Zugehörigkeit zu einer Branche in grundlegendem Maße auch die Vorstellungswelt und die Verhaltensweisen in Unter-

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nehmen interkultureller Prägung. Die Identifikation mit einer bestimmten Branche wirkt dabei als Quelle für die Ausbildung fundamentaler Unternehmensthemen, die sich als roter Faden durch den Arbeitsalltag ziehen und gemeinsame Kondensationspunkte für Priorisierungsverhalten im Sinne einer Einschätzung von Wichtigkeit und Unwichtigkeit liefern. Als beherrschende Unternehmensthemen erweisen sich dabei häufig naheliegende Aspekte, die sich direkt aus Basis-Gegebenheiten und Anforderungen der jeweiligen Branchen ableiten lassen. Bei der Befragung der Interviewpartner zur grundsätzlichen Charakterisierung und Beschaffenheit ihrer Unternehmenskultur stellt sich als prägendes Unternehmensthema in den Firmen, die zur chemischen Industrie gerechnet werden, beispielsweise der Bereich der Sicherheit (z.B. Anlagensicherheit, Umweltschutz, Arbeitssicherheit) heraus, während in den Unternehmen der Bereiche Handel und Consumer Goods besonders die Marken- und Kundenorientierung dominiert. Analog dazu weisen die befragten Unternehmen aus Bauindustrie und Ingenieurwesen eine starke Fixierung auf die Themen Projektabwicklung und Baustellenorganisation auf, während die Automobilhersteller einen besonderen Fokus auf Prozesseffizienz und Produktqualität zu legen scheinen. Seinen Niederschlag findet der Einflussfaktor Branche im Bereich des Einflussmediums organisatorischer Rahmenbedingungen besonders in der Vorgabe bestimmter Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe, die das Verhalten der Mitarbeiter nachhaltig prägen. Auf Seiten des Einflussmediums Individuum wirkt sich der Branchenfaktor als ausschlaggebend bei der Ausbildung eines grundsätzlichen Selbstverständnisses aus, das durch die Zugehörigkeit zu, bzw. Identifikation mit einem bestimmten Tätigkeitsbereich und grundlegenden Tätigkeitselementen zum Überträger von Unternehmenskultur wird („wir bauen“, „wir planen“, „wir verkaufen“, etc.). Die beschriebenen inhaltlichen Branchenthemen werden insgesamt als so existenziell prägend für die jeweilige Unternehmenskultur erlebt und sind in ihrer Wirkung so gegenwärtig, dass ihre spezifische unternehmensindividuelle Besonderheit von den Befragten häufig kaum explizit ausgedrückt werden kann: „Unsere Unternehmenskultur, ja, was könnte das sein? Einmal ist es glaube ich so, dass... wir eine Baufirma sind. Damit fängt das schon mal an. Wir sind also eine richtige... normale... große Baufirma. Und wir wollen unser Geld, [...] wirklich nur mit dem Bauen verdienen. [...] Das Kerngeschäft ist das Bauen, und das machen wir.“ (Deutscher Geschäftsfirma eines Unternehmens der Bauindustrie)

Ihre erzwungene Abwesenheit oder die Behinderung ihrer Ausprägung, zum Beispiel aufgrund der aktuellen Wirtschaftssituation wird jedoch explizit als unternehmenskulturelle Entstellung bzw. Verfälschung bis zur Kulturzerstörung empfunden und unterstreicht damit ihre grundsätzliche Wichtigkeit, wie sich am Beispiel eines Bauunternehmens zeigt, das im Zuge der allgemeinen thailändischen Wirtschaftskrise Ende der 90er Jahre seine Geschäftsgrundlage in Thailand verloren hat. Die Äußerungen des Geschäftsführers demonstrieren dabei den Identitätsverlust des Unternehmens aufgrund der entstandenen Kluft zwischen ursprünglich aktiver Projektorientierung und erzwungener Beschränkung auf Finanztätigkeiten:

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„Ich bin eigentlich hierher gekommen, um das Geschäft für die Firma hier aufzubauen, wir wollten hier Häuser bauen. Aber nach der Asien-Krise gibt es hier kein Geschäft mehr für uns. Das ganze Business hier ist im Grunde genommen nur noch eine Finance-Übung. Wir versuchen, von dem Geld, das wir in verschiedene Projekt investiert haben, so viel wie möglich wiederzubekommen. Mit dem, was wir eigentlich sind, hat das nichts zu tun.“ (Geschäftsführer eines Unternehmens der Bauindustrie)

Der Einflussfaktor Branche erweist sich dabei insgesamt nicht als notwendigerweise interkulturspezifisch, kann aber eine landeskulturelle Färbung erhalten, wie beispielsweise im Fall eines deutschen Logistikunternehmens, dessen herkömmliches Unternehmensthema der Statuskontrolle in der Auseinandersetzung mit thailändischen Behörden (z.B. Zoll) und der damit verbundenen Korruptionsproblematik eine spezifisch thailändische Prägung erhält. 5.1.2.3. Wirtschaftssituation Die allgemeine Wirtschaftssituation kann im Sinne eines Umwelteinflusses ebenfalls Einfluss auf die interkulturelle Unternehmenskultur ausüben. Dabei können im Hinblick auf das Einflussmedium Organisatorische Rahmenbedingungen zahlreiche Beispiele für ihre Wirkungsweise festgestellt werden. So bestimmt beispielsweise die Lage auf dem thailändischen Arbeitsmarkt direkt die Art und Anzahl verfügbarer Arbeitskräfte und beeinflusst damit nachhaltig die Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft. Dabei wird von den befragten Unternehmen besonders das Verhältnis von Expats zu thailändischen Mitarbeitern sowie das Verhältnis von thailändischen Mitarbeitern mit und ohne Auslandserfahrung hervorgehoben, das Einfluss auf die jeweilige Unternehmenskultur besitzt. “I am not sure whether [the company culture] has developed [during the last years]. I think the difference is more in the type of people we have here. It looks from the outside as if it has developed, but today we have other people. We have more Thai people that have international experience which make fundamental difference in terms of corporate culture.” (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1)

Ein weiteres Beispiel für den Einfluss der Wirtschaftssituation auf die interkulturelle Unternehmenskultur stellt die schnelle Veränderung der thailändischen Marktbedingungen in Form zunehmender Marktreife und -saturierung dar, die sich beispielsweise auf dem Markt für ausländische Luxusautomobile als Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt manifestiert, eine Anpassung tradierter Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter erfordert und damit Einfluss auf die Unternehmenskultur ausübt. „Was Unternehmenskultur angeht, so setzen wir hier bei unseren Mitarbeitern in Thailand auf ein hohes Maß an Professionalität, soweit sich das umsetzen lässt. Wir müssen jetzt stärker versuchen, in jedem Fall soweit es geht, unsere Kundenerwartungen zu erfüllen. [...] Wir haben deshalb von unserem ehemaligen Partner hier in Thailand alle Händler übernommen. Da es hier früher ein Verkäufer-Markt war und noch kein Käufer-Markt, müssen die Händler jetzt umlernen. Die müssen genau diesen Umschwung zwischen Verkäufer- und Käufermarkt lernen.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Neben solchen allgemeinen Marktbedingungen, die indirekt die Unternehmenskultur beeinflussen, wirkt sich die Wirtschaftssituation, speziell die Wirtschaftskrise, auch direkt auf die interkulturelle Unternehmenskultur aus, wie das Beispiel von Einsparungen bei gemeinschaftsstif-

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tenden Veranstaltungen in verschiedenen Unternehmen zeigt, die in Thailand in besonders unmittelbarer und zerstörender Form die Unternehmenskultur beeinflussen können (siehe Kapitel 4.1.1.1.). Neben den Effekten auf die organisatorischen Rahmenbedingungen bringt der Einflussfaktor Wirtschaftssituation auch vielfältige Auswirkungen auf das Individuum als Einflussmedium mit sich, indem bestimmte allgemein-wirtschaftliche Umstände situationale Reaktionen auf Seiten der Unternehmensführung auslösen können. So lässt sich in einem Beispiel anhand der Aussagen des Geschäftsführers sowie eigener Beobachtungen innerhalb eines Unternehmens zeigen, wie die thailändische Wirtschaftskrise, die zum Verlust der Geschäftsgrundlage und zur Schrumpfung des Unternehmens geführt hat, depressionsartig die Motivationsfähigkeit der Unternehmensleitung einschränkt, deren hoffnungslose Einstellung sich wiederum als Agonie und Fatalismus auf das Unternehmensklima überträgt. Als Gegenstück hierzu lässt sich ein weiteres Beispiel anführen, bei dem die allgemeine Wirtschaftskrise über das Einflussmedium des deutschen Geschäftsführers mit seiner Determiniertheit zur Vermeidung von Entlassungen durch gemeinsamen Lohnverzicht zur Ausbildung einer positiv interpretierten Rezessionskultur führt, die mit ihrem Motiv des gemeinsamen Durchhaltens zu einer Stärkung des Gemeinschaftsgefühls beiträgt. Ein anderes Beispiel für den Einflussfaktor der Wirtschaftssituation, realisiert über das Medium des Individuums, stellt der Fall eines Unternehmens dar, bei dem die aufgrund von Umsatzerfolgen im Rahmen eines wirtschaftlichen Aufschwungs initiierten, erheblichen Zusatzinvestitionen in das thailändische Tochterunternehmen die Haltung des deutschen Managements zur Wichtigkeit und Dauerhaftigkeit des Standorts beeinflussen, deren eindeutiges persönliches Commitment („Now we are here to stay“) wiederum über die Steigerung der thailändischen Mitarbeiterloyalität zu stärkerer Unternehmenskohäsion führt. Insgesamt erweist sich der Einflussfaktor Wirtschaftssituation in diesem Sinn als stark landeskulturell-gefärbt und damit bedeutsam für den interkulturellen Kontext von Unternehmenskultur. 5.1.2.4. Mutterunternehmen Auch der Einfluss des Mutterunternehmens auf die Unternehmenskultur des Tochterunternehmens wird von den Befragten als wichtig wahrgenommen. In Bezug auf die organisatorischen Rahmenbedingungen als Übertragungsmedium lassen sich dabei vielfältige Auswirkungen feststellen. Durch die im Allgemeinen als notwendig erachtete Übernahme von Organisationsstrukturen des Mutterunternehmens aus Gründen weltweiter Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit erfährt die interkulturelle Unternehmenskultur des Tochterunternehmens dabei eine bedeutende Vorprägung.

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So werden beispielsweise Organisationsstrukturen häufig direkt aus Deutschland übernommen und beeinflussen auf diese Weise die formellen und informellen Kommunikationslinien des Tochterunternehmens: „Unter [dem neuen Mutterunternehmen] ist das ganze dann in eine funktionale Organisation umgewandelt worden. Das ist vor drei Jahren eingeführt worden, und es kommt immer noch zu Reibungsverlusten, weil lange bestehende soziale Strukturen zerstört worden sind. Weil man nicht mehr seinen Nachbarn fragen konnte, mach mal dies oder das. Plötzlich hatten alle hier unterschiedliche Chefs. Und deswegen geht die Kommunikation auf einmal sehr steil nach oben, dann seitlich rüber und dann wieder nach unten. Was vorher eben quer gehen konnte.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Auch im Bereich der Prozessgestaltung des Tochterunternehmens werden standardisierte Vorgehensweisen des Mutterunternehmens, wie beispielsweise bestimmte Planungsmethoden oder Qualitätssicherungsprozesse, häufig präskriptiv übernommen und prägen auf diese Weise die Vorstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter bei der täglichen Aufgabenerledigung. „Was Planung angeht, das versucht man hier auch beizubringen. Die Planungsmethoden müssen die gleichen sein, sonst geht das nicht. Dann gäbe es ja keine Vergleichbarkeit zwischen einzelnen Ländern.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Wir haben hier das gleiche Qualitätssicherungssystem wie in Deutschland. Das heißt, wir kontrollieren hier genau wie dort, das alles, was wir tun, unseren Qualitätsstandards entspricht.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Neben der Übertragung von Organisationsstrukturen und Prozessabläufen spielt die Übernahme von Personalrichtlinien, wie beispielsweise Incentive-Systemen oder Leistungsbewertungsmaßstäben, durch die Förderung und Belohnung bestimmter Eigenschaften (z.B. Eigenverantwortlichkeit) bei der Ausprägung des Kooperationsverhaltens der Mitarbeiter oder ihrem Leistungsbewusstsein eine wichtige Rolle und wirkt sich damit indirekt auch auf die Unternehmenskultur des Tochterunternehmens als Regulat des Zusammenlebens der Mitarbeiter aus. „Leadership-Prinzipien, Delegationsprinzipien, Kommunikationsprinzipien, Führungsphilosophie der Firma. Die haben wir auch hier reingetragen, denn das ist ja schon wichtig, dass man nicht in jedem Land eine eigene Firmenkultur aufbaut.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Ich glaube, wir entwickeln uns mehr in Richtung einer männlicheren Unternehmenskultur. Wir werden uns stärker geldgetrieben als inhaltsgetrieben ausrichten. Das liegt daran, dass unsere Mutterfirma mit ihren neuen Besitzern stärker geldgetrieben handelt. Und das beeinflusst natürlich auch unsere tägliche Arbeit hier. Zum Beispiel das Incentive-System. […] Und das wird auch die Kultur hier beeinflussen.“ (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12)

Als weiterer Einflussfaktor des Mutterunternehmens wird daneben häufig die Übertragung von Reportingrichtlinien genannt, welche die Arbeitsaktivitäten des Tochterunternehmens zeitlich und inhaltlich strukturieren und fokussieren und damit grundsätzliche Verhaltensstandards hervorrufen, die beispielsweise in ausgeprägter Saisonarbeit vor Reporting-Deadlines mit anschließenden Phasen der Pause oder kontinuierlichen, gleichmäßigeren Arbeitsrhythmen ihren Niederschlag finden: „Man hat manchmal den Eindruck, als ob der Vorstand von [unserem Mutterunternehmen] unser Unternehmen [Firma 8] persönlich führt. Sehr zentralistisch, mit einem hohen Anteil von kontinuierlichem monatlichem Reporting, was zum Beispiel in unserem Business nicht unbedingt sein muss, wegen der hohen Volatilität. Wir

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können ja keinen Produktionsplan einfach fortschreiben, wir haben da ganz andere treibende Faktoren. Aber da müssen wir dann immer regelmäßig durch.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Neben den Einflüssen auf die organisatorischen Rahmenbedingungen wirkt sich der Faktor Mutterunternehmen auch nachhaltig auf das Einflussmedium Individuum im Sinne einer Verhaltensvorprägung der Manager des Mutterunternehmens aus, die in ihrer Funktion als Expatriates die kulturellen Standardisierungen der Muttergesellschaft als kulturelle Träger an die Tochtergesellschaft weitergeben. Die Einflussnahme durch die Manager der deutschen Unternehmensführung vollzieht sich dabei einerseits unwillkürlich als kontinuierliche Fortsetzung des im Mutterhaus erlernten Verhaltens, andererseits normativ als Versuch der Vermittlung oder Durchsetzung von im Mutterhaus erlernten Verhaltensprinzipien. „Natürlich haben wir bei [Firma 4] eine gewisse Kultur, die wir hierher mitgebracht haben. Weil wir hier nun mal sitzen und hier sind wir ja alleine. [Die thailändische Tochtergesellschaft von Firma 4] ist ja keine Arbeitsgemeinschaft. Die Kultur ist natürlich mit den Menschen verbunden. Je mehr Menschen Sie hier haben, die lange bei der Firma waren, desto eher sind Sie auch in der Lage, diese Kultur nicht nur mitzubringen, sondern auch weiterzuverteilen. Und ich persönlich ... arbeite, so wie ich das in der Firma über 23 Jahre erlebt habe.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Je nach Unternehmen werden dabei unterschiedliche unternehmensspezifische Merkmale inhaltlich über die deutsche Unternehmensleitung in die Unternehmenskultur der thailändischen Tochterunternehmen hereingetragen und von den Befragten als besonders charakteristisch erfahren. So wird beispielsweise ein besonderes Kommunikationsverhalten der Offenheit betont, das schon durch den Unternehmensgründer geprägt wurde und sich beispielsweise in der Bürogestaltung als „Offene-Tür-Prinzip“ manifestiert: „Für die Thais ist eine Herausforderung unser Offene-Tür-Prinzip im Büro. Bei uns sind immer alle Türen offen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Für ein anderes Unternehmen ist wiederum das besondere Markenbewusstsein des Mutterunternehmens entscheidend, das als Leitwert über allen anderen Unternehmenswerten zu stehen scheint und anhand verbaler Perpetuierung durch die deutschen Manager („immer und immer wieder“) in seiner Kompromisslosigkeit auf das Tochterunternehmen übertragen wird: „Wir bei [Firma 2] wissen, dass wir eine gute Marke haben. Durch diese gute Marke entsteht eine Erwartungshaltung bei den Händlern und bei unseren Kunden. Und wir müssen durch unsere Professionalität immer und immer wieder zeigen, dass wir diesem Anspruch gerecht werden. Wir haben das Beste, wir wollen Kundenzufriedenheit. Das müssen wir immer und immer wieder erreichen. [...] Bei allem was wir tun, darf es keine Kompromisse geben. Das versuchen wir hier auch zu vermitteln: Keine Kompromisse! Das ist die typische deutsche [Firma 2]-Kultur.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Ein weiteres Beispiel für den Einfluss des Mutterunternehmens stellt die Diagnose der ungewöhnlichen Pragmatik und Schnelligkeit der Stammhauskultur dar, die mit bestimmten Eigenschaften des thailändischen Wirtschaftsstils in Einklang zu stehen scheint und auf diese Weise ihre Durchsetzung auch im Tochterunternehmen erfährt. „Und da war [Firma 7] eigentlich sehr, sehr flexibel und auch sehr schnell. Wenn da etwas als wichtig deklariert wurde, dann wurde das sehr schnell umgesetzt, da haben dann alle mit angepackt. In sofern war damals [Firma 7] vergleichbar mit der thailändischen Arbeitsweise, die wir hier haben.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

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Neben der Beeinflussung der Kultur des Tochterunternehmens über das Einflussmedium des Individuums in Form der deutschen Manager wirkt sich die Kultur des Mutterunternehmens ebenso über das Medium der gesamten Mitarbeiterschaft des Tochterunternehmens in Form interner Verarbeitungen von Konflikten mit dem Stammhaus aus. Die Auseinandersetzungen mit dem Mutterunternehmen führen dabei auf Seiten des Tochterunternehmens einerseits häufig zu Vernachlässigungsempfindungen: „[In] the past, the Far East was not in the focus at all, for the headquarter. They left us alone. In the jungle, so to say. [lacht] So they did not give us any directions. They did not care.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) „[One] problem is, yes, they give you the guideline, but they don't explain. For example last year they decided, we want to have a new transfer price policy. They said, we give you the policy, do it. So everybody did it. But in ten different ways. [lacht] But then we found out, after some time. And we tried to sit together and discuss it. It was a big confusion. But I guess that can happen if you get a lot of freedom. [lacht ironisch] So usually, they give you the guideline, and you have to figure it out for yourself. But apart from that, I think when they come out with something new, they should at least try to make us understand how it works. For example in the last two years we had only one meeting where we discussed these things […] but maybe they think we are so professional, we know by our own [lacht ironisch].“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Auf der anderen Seite äußern sich die Friktionen mit dem Stammhaus oft als Erfahrung von unangemessenem Außendruck durch das Mutterunternehmen: „[Wir] sind zum Beispiel von [unserem Mutterunternehmen] gefordert, wir dürfen keine Spenden geben. Wir dürfen nicht spenden. Das muss direkt unterhalb der Vorstandsebene genehmigt werden. Selbst bei kleineren Spendenbeträgen in der Größenordnung von 1000 Mark hat sich der [deutsche Vorstandsvorsitzende] das selbst vorbehalten, das selbst zu bewilligen!“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Wenn die Unternehmensleitung vor Ort ins Unternehmen kommt, ist immer ein sehr starkes Interesse da, zu kontrollieren, was hier passiert. Da ist immer das Verlangen da, die Hand am Griffel zu behalten, auch dort wo das eigentlich gar nicht notwendig wäre.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Diese Vernachlässigungs- bzw. Kontrollerfahrungen auf Seiten des Tochterunternehmens können dabei häufig Separations- oder Segregationsprozesse auslösen, die zu stärkerer innerer Zusammengehörigkeit innerhalb des Tochterunternehmens beitragen können und sich als ausgeprägteres Wir-Gefühl („hier bei uns“) innerhalb der Unternehmenskultur manifestieren: „In Deutschland können sich die Leute nicht vorstellen, wie die Dinge hier bei uns laufen. Bestimme Sachen werden dort einfach so und so gemacht, und wenn man das hier anders macht, ist es falsch. Da fehlt einfach oft ein grundsätzliches Verständnis für die andere Situation. Es heißt immer nur: Es ist nicht so wie in Deutschland, also ist es falsch!“ (Herr X, deutscher Produktleiter, Firma 10) „Ich kämpfe auch [...] als Thai für die Thais gegen das Mutterhaus. Und das kommt gut an. Und wenn ich überzeugt bin, dass das Mutterhaus versucht, hier Dinge zu implementieren, die einfach nicht passen, dann stelle ich mich auch davor.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Aus der Auseinandersetzung und Reibung mit dem Stammhaus kann andererseits auch über das Zutagetreten konkreter Gegensätze zwischen Mutter und Tochter eine Aktualisierung des eigenen landsspezifischen Selbstverständnisses stattfinden, die als Emanzipation zur Identitätsbestimmung der Mitarbeiter des Tochterunternehmens beitragen kann und auf diese Weise er-

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neut zur Ausbildung von Kohäsion innerhalb der interkulturellen Unternehmenskultur führt, wie die folgenden Beispiele zeigen: „Natürlich gibt es auch viele Leute, die selbstverständlich besser wissen, wie man das Geschäft in Asien machen soll [ironisch], und da gehören Geschäftsleitung, Vorstände, Aufsichtsrat, Presse, Mitarbeiter natürlich alle mit dazu. Weil die alle natürlich irre viele Ideen haben, und vor allen Dingen natürlich die Leute, die noch nie in Asien waren, die haben natürlich die besten Ideen. Die wissen genau, wie's gemacht wird. Aber das ist ja immer so. Wir können damit leben.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4) „[Wir] haben Probleme, gewisse lokale Details und Einzelheiten zu vermitteln, dass die begreifen, was hier eigentlich läuft. Da bringt es auch nichts, wenn die Geschäftsführung öfter hierher kommt.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Denn wenn [aus dem Stammhaus] dann immer wieder andere Elemente eingeschwemmt werden, dann hat man hier dauernd Unruhe und muss immer wieder das Chaos neu sortieren. Und das ist sicherlich kompliziert.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Sometimes it's not easy to show the German PR department in [Germany], how we work here. Because they don't know the Thai style of course. They don’t know our style here in this company.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

5.1.2.5. Ursprungskultur Neben den Einflüssen von Branche, Wirtschaftssituation, Kultur des Mutterunternehmens sowie Individuum, die durchweg auch im intrakulturellen Kontext von Unternehmenskultur bei Tochterunternehmen eine wichtige Rolle spielen, wird der Einfluss der Ursprungskultur, in diesem Fall der deutschen Wirtschaftskultur, als besonders wichtig für die Entwicklung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext wahrgenommen. Die nationalen Unterschiede zwischen Deutschland und Thailand werden dabei von den Befragten häufig als so gravierend empfunden, dass neben der nationalkulturellen Prägung des Unternehmens individuelle Merkmale der Unternehmenskultur in den Hintergrund treten: „Irgendwie spielen sich die Unterschiede hier im Unternehmen zwischen Deutschland und Thailand eher da ab, wo sich die Länder unterscheiden, nicht so sehr im [Firma 1]-spezifischen.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

So erhalten bestimmte deutsche kulturelle Standardisierungen (siehe Kapitel 4.1.2.), die im intrakulturellen Kontext nicht augenfällig werden, da sie von allen aufgrund herrschender Normalität verstanden und eingeschätzt werden können (siehe Kapitel 3.1.2.), vor der Folie der Interkulturalität als nationale Prägung besondere Relevanz für die Herausbildung einer gemeinsamen Unternehmenskultur. Inhaltlich spielen bei der Beeinflussung durch die Ursprungskultur vornehmlich die Aspekte eine Rolle, die bereits im Rahmen der Beschreibung des deutschen Wirtschaftsstils aus interkultureller Perspektive identifiziert wurden. Ihre Einflussnahme vollzieht sich dabei zum einen über das Medium der organisatorischen Rahmenbedingungen durch die Vorgabe von Regeln und Richtlinien, beispielsweise zur Einhaltung von Arbeitszeitenregelungen oder zur Unterbindung von Korruption. Über das Medium des Individuums setzen sich Einflüsse der Ursprungskultur dementsprechend durch die deutschen Manager in der thailändischen Unternehmensführung fort, deren nationalkulturelle Prägung bestimmte Wertvorstellungen oder Verhaltensweisen inner-

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219

halb des Tochterunternehmens fördert, wie in den folgenden Zitaten anhand der Beispiele Ehrlichkeit und Ausbildungsqualität deutlich wird: „Da kann ich auch keine Zugeständnisse machen. Das ist ein absolutes Muss. Und da versucht man schon, die Leute zu einer Art deutschen Kultur der Ehrlichkeit zu erziehen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Wir haben uns hier auch besonders der Ausbildung von jungen Leuten verschrieben. Wir haben hier 36 Studenten von einem thailändischen College, die arbeiten hier bei [Firma 13] 4 Tage in der Woche und gehen dann 2 Tage zur Schule. So eine Art duales System wie in Deutschland, dass wir hier auch einführen möchten.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

5.1.2.6. Landeskultur Analog zum Einfluss der Ursprungskultur des Tochterunternehmens wird der Einfluss der Landeskultur, in diesem Fall Thailand, im interkulturellen Kontext als besonders wichtig wahrgenommen. In ähnlicher Weise wird hier aufgrund der als ausgeprägt empfundenen nationalen Unterschiede zwischen dem deutschen und thailändischen Wirtschaftsstil die nationalkulturelle Prägung der thailändischen Mitarbeiter als besonders wirksam für die Beeinflussung der Unternehmenskultur empfunden, während mögliche individuelle Einflussquellen (z.B. Erfahrungen thailändischer Mitarbeiter aus bestimmten Branchen oder anderen internationalen Unternehmen) in den Hintergrund treten. Im Gegensatz zur Einflussnahme der Ursprungskultur durch das teilweise normative Verhalten des hierarchisch übergeordneten deutschen Managements vollzieht sich die Einflussnahme der thailändischen Kultur durch die thailändischen Mitarbeiter als gewohnheitsmäßiges Ausüben bestimmter Verhaltensweisen, die schon allein aufgrund quantitativer Größenverhältnisse die Realität des Unternehmens prägen: „Ich würde sagen, der thailändische Einfluss auf das Management in dieser Firma ist wichtiger als der deutsche. Schon allein deshalb, weil 95% unserer Mitarbeiter Thais sind.“ (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12) „I think at the factory there is a special Thai touch to the company because there are more Thai people and the relationship between the Thai boss and the Thai employees is much stronger.“ (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12)

Inhaltlich spielen bei der Beeinflussung durch die Landeskultur vornehmlich die Aspekte eine Rolle, die bereits im Rahmen der Beschreibung des thailändischen Wirtschaftsstils aus interkultureller Perspektive identifiziert wurden (vgl. Kapitel 4.1.1.). Ihre Einflussnahme vollzieht sich dabei zum einen über das Medium der organisatorischen Rahmenbedingungen durch die Sanktionierung gewachsener thailändischer Strukturen, die sich vornehmlich im Umweltkontakt des Unternehmens, beispielsweise im Bereich von Kundenkontakt und Recruiting, aufgrund der Notwendigkeit von kulturkonformem Verhalten als relevant erweisen. So berichten zahlreiche Unternehmen von einer ausschließlich thailändischen Ausrichtung ihrer Vertriebsprozesse sowie ihrer Personalpolitik.

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

Die Einflussnahme über das Medium des Individuums realisiert sich demgegenüber in der gewohnheitsmäßigen Eingliederung von Verhaltensweisen in den interkulturellen Unternehmensalltag. Sie manifestiert sich dabei im Einzelnen beispielsweise in einer thailändisch geprägten Bürogestaltung oder der selbstverständlichen Integration von gemeinsamen Mahlzeiten, religiösen Zeremonien und Feiern in die täglichen Arbeitsprozesse. 5.1.2.7. Zusammenfassung Einflussmedien Organisatorische Rahmenbedingungen

Einflussbeispiele

Branche

Allgemeine intrakulturelle Einflussfaktoren

Wirtschaftssituation

Mutterunternehmen

Individuum

Spezifisch interkulturelle Einflussfaktoren

Landeskultur

Ursprungskultur

Individuum

• Sicherheitsorientierung (Chemie)

• Umweltschutzrichtlinien

• Projektorientierung (Bauwesen)

• Horizontale Organisation

• Branchentypisches Selbstverständnis, Identifikation mit Tätigkeitsbereich

• Wirtschaftskrise

• Reduzierte Personalstruktur

• Mitarbeiter-Depression

• Aufschwung

• Großinvestitionen

• Zusammengehörigkeitsgefühl (Commitment)

• Mentalität des Gründers • Traditionelle Prozessgestaltung • Stammhauskonflikte

• Übernahme von Prozessen

• Humor, Spaßorientierung

• Feste, Veranstaltungen

• Motivation

• Väterlichkeit

• Patriarchal-Struktur

• Personenloyalität

• Religion

• Zeremonien

• Verständnis sozialer Beziehungen

• Vertriebsstruktur

• Arbeits-/Pausen-Rhythmus

• Gerechtigkeitsprinzipien

• Kontrollmechanismen gegen Korruption

• Ehrlichkeitsverständnis/ verhalten

• Ordnungsprinzipien

• Prozessgestaltung, Bürogestaltung

• Planungsverhalten

• Firmenloyalität • Wir-Gefühl Tochterunternehmen

Abb. 52: Einflussfaktoren und -medien interkultureller Unternehmenskultur (Beispiele)

Zusammenfassend erweist sich die Gesamtbetrachtung der Einflussmedien und Einflussfaktoren interkultureller Unternehmenskultur als komplexer Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, der in seiner individuellen Ausprägung allenfalls exemplifiziert betrachtet werden kann. Die Abbildung stellt daher als Resümee der beschriebenen Wirkungen von Einflussfaktoren auf die interkulturelle Unternehmenskultur über die Einflussmedien besonders illustrative Beispiele zusammen. 5.1.3. Dynamiken interkultureller Unternehmenskultur Während die beschriebenen Einflussfaktoren den Inhaltsaspekt des Kommunikationsprozesses der Emergenz interkultureller Unternehmenskultur bilden, soll die konkrete Wirkungsweise bestimmter inhaltlicher Einflüsse, ihr Niederschlag bzw. ihre Sedimentation innerhalb der entstehenden Unternehmenskultur im Folgenden als Dynamik beschrieben werden. In einem Rückgriff auf Hansens Metapher des kulturellen Chemielabors für die kulturelle Prägung des Individuums (siehe Kapitel 3.1.2.) können die dargestellten Einflussfaktoren dabei auch als Reagen-

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zien gedacht werden, die als äußere Standardisierungen an die Tochterfirma herangetragen werden, innerhalb des Unternehmens individuell miteinander reagieren und auf diese Weise im Ergebnis zu einzigartigen Interkulturen führen. Die hier identifizierten Dynamiken interkultureller Unternehmenskultur können dann im Rahmen dieser Metapher als Reaktionstypen aufgefasst werden. Auf Basis der erhobenen Daten lassen sich vier unterschiedliche Dynamiken unterscheiden, welche die Realisierung bzw. Etablierung inhaltlicher Einflüsse als unternehmenskulturelle Standardisierungen bestimmen. Die vier Dynamiken werden im Folgenden unter den Begriffen Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung kontrastiv mit ihren Definitionen und Funktionsweisen vorgestellt, bevor sie anhand konkreter Beispiele genauer beleuchtet werden. ‚Anpassung Analog zum individual- und sozialpsychologischen Anpassungsbegriff, der die Prozesse beschreibt, denen ein Individuum oder eine Gruppe bei der Einordnung in die in ihrer sozialen Umwelt geltenden Normen unterworfen wird (vgl. Dilling/Reimer 1995, 163ff.), soll Anpassung hier als Dynamik verstanden werden, bei der Wertvorstellungen und/oder Verhaltensweisen von einem kulturellen Kollektiv normativ vorgegeben und von dem anderen freiwillig oder unfreiwillig aufgrund von Sanktionen und/oder Anreizen übernommen werden. ‚Abwehr Analog zum biologischen und psychologischen Abwehrbegriff, der Verhaltensweisen zur Vermeidung gefährlicher oder bedrohlicher Situationen beschreibt (vgl. Hoffmann/Hochapfel 1995, S. 58ff.), soll Abwehr hier als Dynamik verstanden werden, bei der Wertvorstellungen und/oder Verhaltensweisen von einem kulturellen Kollektiv durch das andere im Sinne einer Schutzreaktion bewusst oder unbewusst nicht übernommen werden. ‚Integration In Anlehnung an den soziologischen Integrationsbegriff, der die Prozesse der Eingliederung von Personen und Gruppen sowie ihre Anpassung an allgemein verbindliche Wert- und Handlungsmuster beschreibt40, soll Integration hier als Dynamik verstanden werden, bei der sich ursprünglich abweichende Werte und/oder Verhaltensweisen der beteiligten kulturellen Kollektive einander annähern, weiterentwickeln und einen gemeinsamen Übereinstimmungsgrad erreichen. ‚Hybridisierung41 In Anlehnung an den chemischen Begriff soll die vierte Dynamik als Hybridisierung bezeichnet werden. In der Wahl des Begriffs wird dabei an den quantenmechanischen Vorgang angeknüpft, bei dem sich die Orbitale von beteiligten Atome zu neuen, durch ihre besondere räumliche Ausrichtung für die Bindungen in den Molekülen energetisch günstigeren Orbita-

40 41

Zum Integrationsbegriff innerhalb der Organisationsforschung vgl. Schreyögg 2000, S. 213ff. Von „hybrid“ [griech.-lat.] = gemischt, von zweierlei Herkunft.

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len umordnen. Der für den Vorgang nötige Energiebedarf wird durch den bei der Ausbildung von Atombindungen auftretenden Energiegewinn übertroffen (vgl. Braun/Krieger 1977, S. 79). Im Sinne einer Metapher soll daher von Hybridisierung im unternehmenskulturellen Zusammenhang dann gesprochen werden, wenn abweichende Werte und/oder Verhaltensweisen von einem kulturellen Kollektiv bewusst unterstützt/verstärkt werden oder mit eigenen Werten und/oder Verhaltensweisen zu einem neuen Sinnzusammenhang (entsprechend der chemischen Orbitalbildung auf erhöhtem Energieniveau) verknüpft werden, ohne jedoch übernommen zu werden. Aufgrund dieser Definitionen können die identifizierten Dynamiken voneinander auch in Bezug auf die jeweilige Wahrheitsvorstellung unterschieden werden, die ihrer Realisierung unterliegt. So setzt eine Dynamik der Anpassung beispielsweise die Vorstellung einer einzigen Wahrheit voraus, die im Sinne von Ausschließlichkeit durchgesetzt werden muss (EINE Wahrheit). Die Abwehrdynamik betont demgegenüber eher die Bewahrung der eigenen Wahrheit, die gegenüber abweichenden Einflüssen geschützt werden soll (MEINE Wahrheit). Im Rahmen der Dynamik der Integration wird wiederum eine gemeinsame Wahrheitsvorstellung hinsichtlich bestimmter Themen entwickelt (UNSERE Wahrheit), während einem Auftreten der Hybridisierungsdynamik die partielle Aufgabe einer allgemein verbindlichen Wahrheitsvorstellung und damit das explizite Zulassen verschiedener Wahrheiten (MEHRERE Wahrheiten) zugrundeliegt. Als grundlegende Erkenntnis erweist sich darüber hinaus, dass die Dynamiken von Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung innerhalb der untersuchten Unternehmens parallel und gleichwertig nebeneinander bestehen, in unterschiedlichen Zusammenhängen virulent werden und dabei jeweils für die erfolgreiche Entwicklung von Unternehmenskultur und damit auch als Grundlage für den Gesamtunternehmenserfolg notwendige unterschiedliche Funktionen erfüllen. So lässt sich feststellen, dass beispielsweise die Anpassungsdynamik funktionell besonders die Sicherung der Unternehmenskontinuität fördert, da sie sich immer dort nachweisen lässt, wo der wirtschaftliche Fortbestand aus Sicht der handelnden Personen gefährdet scheint. Entsprechend dieser Funktionsweise riskiert eine Vermeidung von Anpassungsdynamiken in bestimmten Bereichen im umgekehrten Fall die wirtschaftliche Sicherheit des Unternehmens. Die Anpassungsdynamik kann sich einerseits über das Medium organisatorischer Rahmenbedingungen als Festsetzung bestimmter Regeln und Vorschriften äußern und wird andererseits auf Seiten der von der Anpassungsdynamik betroffenen Individuen als äußerer Zwang zur Veränderung der eigenen Verhaltensweisen erfahren. Die Dynamik der Abwehr erfüllt demgegenüber die Funktion einer Wahrung von Integrität im Sinne eines Schutzes der Unversehrtheit des Individuums. Dementsprechend kann ein Unterdrücken von Abwehrdynamiken zum Verlust des individuellen Sicherheitsgefühls seitens der Mitarbeiter führen. Abwehr äußert sich in diesem Sinne häufig als das Setzen von Grenzen, die je nach Auslöser und Richtung der Abwehrdynamik auf individueller oder organisatorischer Ebene verwirklicht werden.

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Neben diesen eher schützenden oder bewahrenden Dynamiken innerhalb der Emergenz von Unternehmenskultur fungiert die Dynamik der Integration im konstruktiven Sinn als Erzeuger von Kohärenz, was im Folgenden als Herausbildung eines gemeinsamen Verständnisses oder Sinnzusammenhangs in Bezug auf bestimmte Unternehmensaspekte verstanden werden soll. Eine Unterdrückung von Integrationsdynamiken würde dementsprechend die Ausbildung funktionsfähiger Unternehmensprozesse verhindern. Integration lässt sich daher häufig in Form zweckgerichteter Kompromisse beobachten, die besonders durch den Aspekt der Reziprozität (Geben und Nehmen) gekennzeichnet sind. Die Dynamik der Hybridisierung schließlich erfüllt die Funktion einer Anerkennung von Differenz und fördert durch die Erhaltung der Heterogenität von Unternehmenskultur die Ausbildung einer individuellen Identitätsbestimmung der Mitarbeiter. Sie äußert sich daher häufig als wohlwollendes, nicht-zweckgerichtetes Gewährenlassen des kulturellen Gegenparts, als lose Kombination von Bekanntem und Fremdem ohne Verstehens- oder Bewertungsabsicht.

Definition

Anpassung

Abwehr

Normative Vorgabe von Wertvorstellungen und/ oder Verhaltensweisen, Übernahme aufgrund von Sanktionen und/oder Anreizen

Nichtübernahme von Wertvorstellungen und/ oder Verhaltensweisen als Schutzreaktion

Integration

Hybridisierung

Annäherung und gemeinsame Weiterentwicklung ursprünglich abweichender Werte und/oder Verhaltensweisen

Unterstützung und Verknüpfung abweichender Werte und/oder Verhaltensweisen ohne Übernahme

Sicherung von Kontinuität

Wahrung von Integrität

Erzeugung von Kohärenz

Anerkennung von Differenz

(Wirtschaftlicher Fortbestand des Unternehmens)

(Schutz des Individuums)

(Ausbildung von SinnZusammenhang )

(Individuelle Identitätsbestimmung)

Wahrheitsvorstellung

„Es gibt EINE Wahrheit“

„Es gibt MEINE Wahrheit“

„Es gibt UNSERE Wahrheit“

„Es gibt MEHRERE Wahrheiten“

Manifestation

Organisatorische Regeln/ individueller Zwang

Individuelle/ organisatorische Abgrenzung

Zweckgerichteter Kompromiss

Nicht-instrumentiertes Gewährenlassen

Verbalisierung/ Metapher

„Das muss so sein!“

„Das kann nicht sein!“ „Niemals!“

„Gemeinsames Boot“, „Geben und Nehmen“

Diffuse „Wärme“Metaphern

Mangelerscheinung

Risiko wirtschaftlicher Sicherheit des Unternehmens

Verlust individuellen Sicherheitsempfindens

Verhinderung funktionsfähiger Arbeitsprozesse

Unterdrückung individueller Identitätsbestimmung

Funktion

Abb. 53: Dynamiken interkultureller Unternehmenskultur

Die an dieser Stelle zunächst abstrakt vorgestellten Dynamiken interkultureller Unternehmenskultur (siehe Abbildung) sollen im folgenden aus Sicht der kulturellen Kollektive der deutschen und thailändischen Mitarbeiter anhand von Beispielen illustriert werden. 5.1.3.1. Anpassung Als kennzeichnend für die Dynamik der Anpassung mit ihrer Funktion der Sicherung von Unternehmenskontinuität erweist sich innerhalb der Interviewprotokolle ihre semantische Verbin-

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dung mit dem Ausdruck „müssen“ zur Unterstreichung einer absoluten Notwendigkeit. Inhaltlich lässt sich Anpassung daher überall dort identifizieren, „wo’s drauf ankommt“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11), also dort, wo aus Sicht des deutschen Managements oder der thailändischen Mitarbeiter zur Sicherung des Unternehmensfortbestands keine Kompromisse gemacht werden können: „[Of] course, if the culture in some way is harmful to the business, is harmful to the people, is harmful to safety, then you have to stop it.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Die Betrachtung der von deutscher Seite bei der Beschreibung von Anpassungsdynamiken verwendeten sprachlichen Bilder zeigt eine ausgeprägte Vorstellung von invasiver kognitiver Beeinflussung. So wollen die deutschen Manager, wenn es um geforderte Anpassung geht, etwas „in die Köpfe“ ihrer thailändischen Mitarbeiter „reinkriegen“. Sie „predigen“ und sie bemühen sich, „Beton aufzubrechen“, um ihre thailändischen Mitarbeiter von Sachverhalten zu überzeugen, die „so sein müssen“, um den Unternehmenserfolg nicht zu gefährden, und unterstreichen so die zugrunde liegende Vorstellung einer allgemein gültigen Wahrheit im Zusammenhang mit dem Auftreten der Anpassungsdynamik. Dabei manifestiert sich die Anpassung auf thailändischer Seite primär als indirekte Anpassung an organisatorische Rahmenbedingungen, die von der deutschen Unternehmensleitung aufgrund eigener Einschätzung von Erfolgsrelevanz vorgegeben werden. „Bestimmte Dinge werden aus Deutschland übernommen. Es gibt bestimmte Regeln, die müssen überall gelten. Und das würde ich auch nicht tolerieren, wenn das hier in Thailand nicht ganz so gemacht würde.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Aus thailändischer Sicht wird die Veränderung eigener Verhaltensweisen im Rahmen von Anpassungsdynamik als unabdingbare Grundvoraussetzung zur erfolgreichen Arbeit innerhalb des deutschen Unternehmens im Sinne eines ‚Entweder/Oder’ gesehen: „When I came here I had to change, too. I believe, you either live it or you cannot work with the company at all.“ (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1)

Im Einzelnen handelt es sich bei den von deutscher Seite vorgegebenen Rahmenbedingungen um Regeln und Vorschriften zur: ‚Effizienzsicherung (Kosten-/Nutzen-Optimierung) ‚Realisierung von internationalen Know-How Standards ‚Sicherung der Kundenzufriedenheit ‚

Rechtliche Unternehmenssicherung, Imagesicherung

‚Realisierung internationaler Organisations- und Controllingstandards (Vermeidung internationaler Schnittstellenproblematik) Effizienzsicherung wird dabei beispielsweise auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung betrieben:

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“[So the German headquarter puts a strong control on what you do here?] Well, I think mostly in terms of corruption. I understand that the German company is very big. They have so many employees. So they need a set of rules and regulations. They cannot be loose, because they cannot afford to have all those people going around and spending money which is not productive.” (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Die Implementierung von internationalen Know-How Standards zeigt sich demgegenüber beispielsweise besonders in der Umsetzung von Fähigkeiten, die jeweils als eigene Kernkompetenzen der deutschen Unternehmen definiert werden. So betonen Ingenieurunternehmen vor allem ihre Planungsstandards, Bauunternehmen dagegen ihre Fähigkeiten im Construction Management. Andere Unternehmen wiederum heben ihre internationalen Managementkompetenzen hervor: „[Man erwartet hier also von den thailändischen Managern eine Anpassung an internationale Standards?] Ganz klar. Bei einem Manager gibt es für uns dahinter nicht die Nationalitätsfrage. Ich habe gesagt, ich will hier Manager aufbauen, die ich irgendwann mit allen Managern weltweit benchmarken kann. Denn wer hier Manager wird, der wird hoffentlich irgendwann auch einmal ein Expatriate sein können, in Hongkong oder in China oder sonstwo. Und nicht hier der Einäugige im Reich der Blinden.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Die Sicherung der Kundenzufriedenheit als Ziel der Anpassung thailändischer Mitarbeiter an deutsche Richtlinien wird vor allem in Bezug auf die Gewährleistung einer verlässlichen Produkt- und Servicequalität erwähnt, die langfristig den Erfolg des Unternehmens bei seinen Kunden sichern soll und sich in der Übernahme von Qualitätssicherungssystemen

und

-standards äußert. „Wir [sind] eine Gesellschaft [...], die davon lebt, dass wir richtig planen und dass wir einen Zeitplan einhalten und Qualität innerhalb eines Zeitrahmens zu dem vereinbarten Kostenrahmen liefern. Das liegt an unserem Beruf, dass wir planen müssen und sofern es sich um Projekte handelt, wird das auch richtig so durchgezogen. [...] Wir haben hier das gleiche Qualitätssicherungssystem wie in Deutschland. Das heißt, wir kontrollieren hier genau wie dort, das alles, was wir tun, unseren Qualitätsstandards entspricht.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) „In unserem Geschäft entscheidet die Arbeitsqualität neben dem Preis. Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Qualität doch eine höhere Priorität hat als der Preis. [...] Von daher ist Arbeitsqualität entscheidend... Das sind Werte, die mir sehr viel Kraft abverlangen, die zu vermitteln. Die sind aber überlebensnotwendig. Wenn wir das nicht hinkriegen, können wir das Geschäft vergessen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Die rechtliche Absicherung des Unternehmens und die eng damit verbundene Komponente der Imagesicherung wird ebenfalls von deutscher Seite als überlebensnotwendig für die Unternehmen eingestuft und findet ihre Umsetzung vor allem in der Durchsetzung deutscher bzw. internationaler Sicherheitsstandards und ethischer Verhaltenskodizes. Auch hier demonstriert sich anhand der Beispiele die absolute Notwendigkeitsvorstellung der vorgebrachten Aspekte als Grundlage für die Anpassungsforderung: „Entweder es gibt eine bestimmte Grenze für Emissionswerte oder es gibt keine. Und wenn es sie gibt, dann müssen wir die einhalten.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „There are a lot of German rules that we follow. For example in the plant, the safety regulations are German standard.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

„Unseren Code of Conduct müssen wir beibehalten, also zum Beispiel keine Bribery, oder Gleichbehandlung von allen Mitarbeitern, da gibt es kein Pardon, auch vom Headoffice. Kontrolliert wird das regelmäßig durch regionale Audits.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Zur Sicherstellung internationaler Vergleichbarkeit in Organisationsstrukturen und Controlling realisiert die deutsche Seite darüber hinaus im Allgemeinen eine unbedingte Standardisierung des Berichtswesens und der softwaregestützten Ressourcenplanung. „Bestimmte Organisationsformen, zum Beispiel das Berichtswesen, das muss gleich sein. Das wird ja schon durch SAP erzwungen.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Oder wenn sie Einkaufsmechanismen haben, da sind Sie ja auch an die weltweiten Einkaufsverträge gebunden, die dann auch hier abrufbar sind und eingespeist werden.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Wo [Firma 13] im Allgemeinen und auch hier in Thailand wirklich drauf achtet ist, dass Termine und das Berichtswesen eingehalten werden. Ich habe hier zum Beispiel so einen Kalender, da steht drauf, bis wann ich was zu reporten habe. Da bestehen die auf bestimmten Terminen, das verstehe ich auch und das befolge ich auch. Das ist ja überall so, sonst funktioniert ein Unternehmen ja nicht.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Daneben findet in einigen Fällen aufgrund spezifischer Marktanforderungen auch eine organisatorische Spiegelung statt, die als notwendig zur Vermeidung von Schnittstellenproblematiken eingeschätzt wird: „Bedingt dadurch, dass wir häufig mit Schwestergesellschaften kooperieren [müssen wir überall die gleiche Organisationsstruktur haben], und um da dann keine Schnittstellenprobleme aufkommen zu lassen, muss die Organisation dann wirklich kopiert werden. Man kann da nicht eine ganz neue Organisation erfinden.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Analog zur thailändischen Anpassung vollzieht sich die Anpassung auf deutscher Seite unter dem Eindruck absoluter Notwendigkeit des Einbezugs thailändischer Kulturelemente, der sich ebenfalls vor allem in Verbindung von „müssen“ und Verben eigener Verhaltensveränderung demonstriert, wie die folgenden Aussagen zeigen: „[Das] muss man erst mal lernen, dass man damit umgehen kann...muss. Ich musste mich da anpassen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Wenn sie versuchen hier in Thailand ein Unternehmen zu leiten, aufzubauen, sie müssen der Thai-Kultur, der Thai-Art, der müssen sie entgegen kommen, sonst haben sie keine Chance.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Ich habe mich auch in den letzten zehn Jahren in [...] Thailand verändert. [...] Wenn die Person nicht bereit ist, sich zu verändern aufgrund der Umwelt, dann wird sie nicht erfolgreich sein.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Im Gegensatz zur Anpassungsdynamik auf thailändischer Seite manifestiert sich Anpassung auf deutscher Seite primär im Sinne individueller Anpassung des eigenen Sozialverhaltens zur Ermöglichung und Bewahrung zahlreicher Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Unternehmensfortbestand als: ‚Anpassung an thailändische Umgangsformen innerhalb des Unternehmens (Sicherung interkultureller Zusammenarbeit)

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‚Anpassung an thailändische Marktstandards/Kundenerwartungen (Sicherung des Umsatzerfolgs) ‚Anpassung an thailändische Gerechtigkeitsvorstellungen (Gewährleistung persönlicher Sicherheit) Die eigene Anpassung an thailändische Umgangsformen geschieht nach deutschen Angaben dabei vor allem aus Einsicht in die Unveränderlichkeit bestimmter kultureller Eigenschaften des Gastlandes und damit letztlich aus Gründen der Respektierung thailändischer Identität. „Ich möchte die [Thais] auch so stark gar nicht ändern, denn damit nimmt man jemandem ja auch seine Identität.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Aber das [die eigene Anpassung] ist notwendig, denn ich bin hier Gast in diesem Land. Und in diesem Fall muss ich mich hier anpassen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „Ich habe das dann auch schnell gemerkt. Ich habe dann am Anfang so zwei, drei katastrophale Fehler gemacht, und dann muss man sich schon überlegen ... entweder ändert man sich selber, denn die anderen ändert man nicht mehr. Es hat gar keinen Sinn, man muss sich anpassen.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

So berichten die deutschen Manager beispielsweise von einer Anpassung ihrer Kommunikationsweise, um in potentiellen Konfliktsituationen das Gesicht der thailändischen Mitarbeiter zu schützen, indem sie direkte Kritik vermeiden, oder in expliziten Bewertungssituationen direkte Kritik durch ausgeprägtes Lob abmildern: „Einen Fehler zugeben hingegen ist für sie [die Thais] Gesichtsverlust und Gesichtsverlust ist ... eine der größten Strafen für einen Thai. Das muss man berücksichtigen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Ich mache hier auch Dinge, die würde ich in Deutschland nicht so machen. Wir haben hier einmal im Jahr so ein Mystery Shopping. Da engagieren wir eine Agentur, die fährt zu den Händlern und testet das Verkaufsverhalten. [...] Und hinterher gibt es dann Feedback für den Händler. Das müssen Sie hier ganz anders formulieren. Immer, ja, das war ja schon ganz toll, was man jetzt noch besser machen könnte, usw. Auch wenn es total im Eimer war. Immer alles positiv darstellen. Die Thais möchten immer gelobt werden.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Weitere Anpassungen im Bereich des Kommunikationsverhaltens beinhalten die Veränderung des Sprachduktus und die Reduzierung der eigenen Sprechlautstärke auf thailändisches Niveau, sowie auch die Berücksichtigung der thailändischen Perspektive im eigenen Kommunikationsverhalten: „Man muss mit den Thais immer sehr freundlich und sehr leise reden.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7) „Notwendige Veränderungen nimmt man hier eher auf die thailändisch sanfte Art vor, als auf deutsch Tabula Rasa zu machen! Sonst kommt nichts dabei heraus.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3) „Man sollte nicht als erstes versuchen, das Problem zu lösen, sondern als erstes feststellen, warum ist das ein Problem. Weil, wenn wir das lösen, lösen wir das ja mit unserer Denke. Und sagen, ach, das machen wir einfach so, dann haben wir das doch gelöst. Und dann sieht man, ach, es ist gar nicht gelöst. Weil wir nämlich gar nicht den Grund wissen. Und das muss man einfach herausfinden. Wie auch immer.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Diese Veränderungen im Kommunikationsverhalten gehen einher mit einer als absolut notwendig empfundenen Ausbildung von Selbstbeherrschung und Zurücknahme der eigenen Person

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zum Erhalt des Respekts der thailändischen Mitarbeiter und damit zur Sicherung der eigenen Handlungsfreiheit: „Man kann hier nie, und sei es noch so eine schwierige Situation, man kann ja hier nie ausflippen. Damit würden Sie als Ausländer ihr Gesicht gegenüber den Thais verlieren. Damit verlieren Sie jeglichen Respekt, wenn Sie hier einmal über die Stränge schlagen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11) „In der Zwischenzeit habe ich also gelernt, mich zu beherrschen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Hier ist das eher besser, mich zurückzunehmen [...]. Und nicht als dynamischer Macho aufzutreten.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) „Die thailändische Kultur beeinflusst uns in der Weise wie wir Entscheidungen treffen, wie wir miteinander reden. Man muss hier einfach die Emotionen außen vor lassen. Man muss sehr nachdenken, wie man sich verhält, selbst wenn man wütend ist, da muss man sehr vorsichtig sein.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Häufig berichten die deutschen Manager von der zusätzlichen Notwendigkeit der Entwicklung einer größeren Konflikt-Sensibilität, die auf non-verbale Zeichen, atmosphärische Veränderungen und situative Problemindikatoren möglichst früh reagiert. Dabei kann diese neu gewonnene, gesteigerte Aufnahmefähigkeit oft nur schwer verbalisiert werden und wird entsprechend oft als diffuses Gefühl des „plötzlichen Merkens“ beschrieben: „Und die Kunst besteht darin, dass man schon eher mitkriegt, in welchem Moment ich auf Signale von den Thailändern hören muss und dann meinen Weg verlasse und einen anderen Weg gehe, damit ich nicht in dieser Sackgasse ende [...]. [Was für Signale sind das dann?] Das ist schwer zu beschreiben. ... Wenn man sich mit denen unterhält. ... Dadurch, dass man das Umfeld wieder bespricht. Ich merke dann plötzlich, dass es neue Aspekte gibt, andere Dinge, die plötzlich an die Oberfläche kommen, die vorher nicht da waren. Das ist auch Gefühl...“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Diese Anpassung im Kommunikationsverhalten seitens der Deutschen wird teilweise auch von den thailändischen Mitarbeitern bestätigt. So heben sie besonders die Veränderungen der deutschen Mitarbeiter in der verbalen Reaktion auf den thailändischen Kommunikationspartner hervor und attestieren ihren deutschen Kollegen zumindest technisches Geschick im frühzeitigen Erkennen von Konfliktsymptomen: „Herr H hat sich da auch angepasst, als er hierher kam. Haben Sie das nicht gemerkt, [lacht] dass er anders ist? [Ich weiß nicht. Mir fällt das vielleicht nicht so auf, weil ich selbst Deutsche bin.] Ja, also er hat sich schon sehr geändert. [In welchen Bereichen?] Also, zum Beispiel seine Reaktionen, wenn Sie die Meinung sagen, sind nicht mehr so ... so...deutsch. Nicht mehr so ...hart.” (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3) “But in the top management I think all the managers are ok. They make an effort to understand, why we are this way or another way. I don't know if all care, but they have the experience. When we talk they understand why we talk. When we are quiet they understand why we are quiet. And when we smile, they understand if it is a happy smile or a bad smile.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Neben den Anpassungen im Kommunikationsverhalten finden sich Anpassungen darüber hinaus von deutscher Seite an thailändische Umgangsformen im Bereich von Personalführung und Hierarchieverständnis. Dabei berichten die deutschen Manager besonders von der Respektierung thailändischer Hierarchiedemonstration und der Berücksichtigung von Seniorität bei der Besetzung von Stellen, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen:

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„Der [thailändische] Gesprächsführer, in einem Meeting zum Beispiel, der sitzt in der Mitte. Das muss so sein. Da muss man drauf achten.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „[Wie lösen sie das Problem der Stellenbesetzung nach Kompetenz?] Ja, indem man dann halt doch jemand älteren nimmt. Findet man ja auch.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Insgesamt konstatieren die meisten deutschen Manager eine allgemeine Anpassung von deutscher Seite an thailändische Verhaltensweisen im Bereich des Zusammenlebens: „Im Bereich des Zusammenlebens in der Firma hat man sich ganz eindeutig an die thailändische Kultur angepasst.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Im Bereich der Anpassung an thailändische Marktstandards und Kundenerwartungen zur Sicherung des Umsatzerfolgs finden die meisten Anpassungen von deutscher Seite in der Imitation des Aufbaus sozialer Netzwerke nach thailändischem Vorbild statt. Dabei greifen die deutschen Manager teilweise auf ihre thailändischen Mitarbeiter als Träger dieses Netzwerks zurück: „Das [Geschäft] kam zustande durch unsere Verkäuferin, der Bruder von der ist mit dem [Auftraggeber] befreundet. Da haben wir also vier [Produkte] verkauft.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Auf der anderen Seite richten sie ihr eigenes Verhalten stärker auf den Aufbau sozialer Beziehungen aus und bemühen sich beispielsweise um Geduld bei der Entwicklung langfristiger Kundenbeziehungen zur Sicherung des Vertriebserfolgs. Der Aufbau sozialer Netzwerke geht dabei vielfach einher mit der verstärkten Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch die deutschen Manager zur Repräsentation des Unternehmens innerhalb der thailändischen Gesellschaft: „Um hier Unternehmenskultur zu schaffen, ist es nicht nur wichtig, nach innen zu arbeiten, sondern man muss auch nach außen etwas aufbauen. Man muss gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, zum Beispiel in der Handelskammer oder sich für eine Universität einsetzen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Weitere Bereiche des deutschen Engagements innerhalb der thailändischen Gesellschaft schließen darüber hinaus die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen bei der Durchführung von Wohltätigkeitsprojekten, Förderung der Jugenderziehung (z.B. durch den Bau von Büchereien), Umweltschutzprojekte und staatliche Spenden ein. Bei der Übernahme dieser gesellschaftlichen Funktionen steht für die deutschen Manager dabei besonders die Anpassung an die thailändische Forderung des „Showing Face“ im Vordergrund. „In Asien gehen die Uhren anders, da muss man Gesicht zeigen, da muss man sich mal mit einem Minister treffen, usw.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Auch von den thailändischen Mitarbeitern wird im Zusammenhang mit dem Zeigen des Gesichts die Notwendigkeit deutscher Anpassung hervorgehoben und dabei vor allem die Wichtigkeit des kommunikationserleichternden „Smiling“ betont: „But it is also important that the people see our face, not only our products. I also talked to Mr. A a lot about it. I said, you are a big boss here in this country. The people have to know you, they have to know our face. They have to see the top guy. So he took on a lot of social functions.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1) “This is also something, I told Mr. A in the beginning. You have to smile. And then his wife came to me at a company event and said, thank you for telling my husband. I caught him practicing the smile in front of the

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mirror! The smile is so important. You invest nothing and you get back so much!“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Der dritte Bereich deutscher Anpassung vollzieht sich nach den Aussagen der deutschen Manager vor allem zum Schutz der persönlichen Sicherheit und beinhaltet vor allem eine Anpassung an thailändisches Konfliktverhalten und potentielle Aggression. „Ja, was Konflikte angeht, da muss man sehr vorsichtig sein. Man darf hier keine offenen Türen einrennen. Wenn man die Thais konfrontiert, dann fühlen sie sich sehr in die Ecke gedrängt. Und wenn sie dann keinen Ausweg sehen, dann reagieren sie... ja, naja, im politischen reagieren sie so, dass sie einen umlegen...“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Dabei empfinden die deutschen Manager die Möglichkeit eines offenen Konflikts, hervorgerufen durch deutsche Konfrontation, in Einzelfällen als so gefährlich, dass sie bereit sind, zur Vermeidung des Ausbrechens solcher Konflikte ihre Verhaltensweisen auch gegen ihre eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen anzupassen. Eine solche Verhaltensanpassung auf deutscher Seite zeigt sich beispielsweise im deutschen Verzicht auf gerechte Strafverfolgung für einen Handgranatenanschlag (siehe Kapitel 4.1.1.3.), in der Akzeptanz der Vorgabe des aggressiven Verhandlungsverhaltens durch den thailändischen Wettbewerber anlässlich des gleichen Vorfalls sowie auch im bewussten Nicht-Aufdecken von Ungesetzmäßigkeiten und, damit verbunden, in der Entwicklung indirekter Lösungsmöglichkeiten: „Er [thailändischer Mitarbeiter, der ahnte, dass seine Unterschlagungen auffliegen würden] sagte, er würde gerne die Firma verlassen, aus gesundheitlichen Gründen. Allerdings verlangte er noch eine Abfindung. Da habe ich dann überlegt, machste das nun, oder nicht. Naja, die hab ich ihm dann auch noch gegeben. Er ist dann sozusagen in Ehren hier ausgeschieden. Ich war ja froh, dass das ganze dann über die Bühne war. Der haute also ab.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

5.1.3.2. Abwehr Als Gegenstück zur Dynamik der Anpassung, die eine Übernahme von abweichenden Werten oder Verhaltensweisen fordert, stellt die Dynamik der Abwehr deren bewusste Nichtübernahme als Schutzreaktion dar. Als kennzeichnend für Abwehrdynamiken erweisen sich dabei in der Kommunikation der Befragten häufig Negationen in Verbindung mit besonderer Heftigkeit der Ablehnung (z.B. „Das geht doch nicht!“, „Niemals! Niemals!“, „Das kann nicht sein!“), die absolute Unmöglichkeit ausdrückt. „Das ist natürlich gerade, wenn man zusammen arbeitet, nicht so einfach, weil ich eben nicht glaube, dass ... ein, ein ...oder dass es schwierig ist, gerade für einen Deutschen, ... oder wenn ich das mal auf mich beziehe, ich will kein Thai werden, nicht weil ich das nicht will, oder weil ich das einfach nicht... Es kann einfach nicht sein! Es geht nicht!“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Dieses kommunikative Verhalten deutet meist auf die Berührung von Bereichen eigener Identität hin, die durch Konfrontation mit fremden Werten oder Verhaltensweisen als bedroht erfahren werden. Abwehr lässt sich in diesem Sinne verstehen als Wahrung des eigenen Wahrheitsbegriffs zum Schutz kognitiver Integrität. Das Bemühen um geistige Unversehrtheit kann dabei von der verbalen Verteidigung ethischer Grundüberzeugungen und eigener Verhaltensabgrenzung bis hin zum Risiko körperlicher Unversehrtheit gehen.

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Aus deutscher Perspektive lassen sich Abwehrdynamiken vor allem in Bereichen feststellen, in denen es um die Wahrung von tief verwurzelten Gerechtigkeitsvorstellungen und den Schutz persönlicher Unabhängigkeit geht. Bei den berührten Gerechtigkeitsvorstellungen handelt es sich im Einzelnen um die Nichthinterfragbarkeit eines deutschen Leistungs- bzw. Redlichkeitsprinzips (siehe Kapitel 4.1.2.2.), das sich in Bezug auf die eigene Person am besten als „Mir steht nur das zu, was ich mir durch eigene Leistung erarbeitet habe“ ausdrücken lässt. Deutsche Abwehr setzt daher besonders dann ein, wenn dieses Prinzip beispielsweise durch Angebote von Geschenken von außen, die als Korruptionsversuch empfunden werden, in Frage gestellt wird. Dieses Wertschöpfungsprinzip gilt dabei aus deutscher Sicht auch umgekehrt für andere Personen, denen ebenfalls nur das zusteht, was sie sich durch eigene Leistung erarbeitet haben. Dabei setzen bei den befragten deutschen Managern Abwehrmechanismen besonders dann ein, wenn eine bestimmte Grenze thailändischen Ausnutzens von Großzügigkeit und Wohlwollen ohne, aus deutscher Sicht, angemessene Gegenleistung in Form von Wertschöpfung erreicht ist. Eine solche Abwehr kann sich beispielsweise als Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit thailändischen Vertriebsorganisationen äußern, wenn diese nach deutscher Bewertung unangemessene Margen für sich behalten, in der Einführung strenger Korruptionskontrollen oder auch in der Entlassung von als nicht leistungsfähig eingestuften Mitarbeitern: „Da sage ich, Gefälligkeitsbeschäftigungen gibt es bei uns nicht! Dazu haben wir nicht das Geld. Und auch von meiner inneren Einstellung her, will ich das auch nicht! Das heißt, entweder sie [die Mitarbeiterin] schafft das oder sie schafft es nicht. Wenn wir für sie bei ihren eingeschränkten Fähigkeiten andere Einsatzmöglichkeiten haben, ok. Aber [Gefälligkeitsbeschäftigungen], nein!“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Eng verknüpft mit dem Abwehrphänomen aufgrund einer empfundenen Untergrabung von Gerechtigkeitsprinzipien geht das Bedürfnis nach Wahrung persönlicher Unabhängigkeit einher, das auch bei der Abwehr von Geschenken und Gefälligkeiten eine Rolle spielt und im thailändischen Geschäftsleben vor allem im Umgang mit Prostitution eine besondere Wichtigkeit erhält. Einzelne deutsche Mitarbeiter schildern dabei die Versuche thailändischer Geschäftspartner, ausländische Manager über gemeinsame Bordellbesuche in eine Abhängigkeitsrolle hineinzudrängen. Der in einem solchen Fall aufgrund allgemein-moralischer und unternehmensethischer Schuldgefühle empfundene Verlust der persönlichen Integrität im Sinne von Unbescholtenheit wird dabei aus deutscher Sicht von den thailändischen Geschäftspartnern antizipiert und in illoyaler Weise ausgenutzt, wie folgende Schilderung eines deutschen Managers zeigt: „[Bei dem Thema Prostitution] muss man als Deutscher aber auch aufpassen. Ich mache zum Beispiel nie Dinner-Verabredungen mit [Vertriebspartnern]. Außer mit denen, die ich sehr gut kenne. Denn normalerweise läuft das immer so: Erst gibt es Dinner, dann geht es zu den Frauen. Mir ist das am Anfang auch mal passiert. Da tauchen dann plötzlich die hübschesten Frauen auf, und man muss sehen, wie man da wieder wegkommt. Da kann ich jeden nur warnen: Von einem Geschäftspartner hier sollte man sich nie einladen lassen zu Frauen. Niemals! Und das ist nicht ganz einfach hier. Sie müssen diese Situation wirklich vermeiden. Sie begeben sich sonst in eine Abhängigkeit hinein, die von den Thais ganz bewusst auch ausgenutzt wird. Da fallen regelmäßig Ausländer, besonders Japaner drauf rein. Das ganze ist ein delikates Thema auch für Deutsche hier in Thailand. Schreiben Sie das auf jeden Fall! Niemals! Niemals sollte man sich von thailändischen Geschäftspartnern einladen lassen zu irgendwelchen Frauen!“ (Deutscher Manager)

Abb. 54: Beispiel für deutsches Abwehrverhalten

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Die Verteidigung der eigenen Integrität kann im Extremfall auf deutscher Seite bis zum Risiko der eigenen körperlichen Unversehrtheit gehen, wenn die Bedrohung von tief verwurzelten Überzeugungen sich als stärker als die schon beschriebenen Gründe für eine mögliche Anpassungsdynamik erweist. So berichten deutsche Manager von Situationen, in denen das Aufdecken von Korruptionsfällen, die stärkere Kontrolle von bestimmten Abteilungen, Entlassungen von Mitarbeitern, die Geld unterschlagen hatten, oder auch der Abbruch von Geschäftsbeziehungen mit thailändischen Partnerfirmen heftige Reaktionen von Drohungen bis hinzu ungerechtfertigten Festnahmen und Mordversuchen geführt haben. Die folgende Geschichte stellt in diesem Zusammenhang deutsches Abwehrverhalten dar, das mit dem erzwungenen Verlassen des Landes endet: „Als wir noch unser Büro in Bangkok hatten, hat mir ein befreundeter deutscher Anwalt davon erzählt. Der hatte damals einen Mandanten, auch ein Deutscher. Geschäftsführer von einem deutsch-thailändischen Joint-Venture. Die Deutschen hatten 49% und die Thais 51%. Die Geschäfte liefen ganz gut und irgendwann wollte die thailändische Familie, die dort investiert hatte, die Deutschen aus dem Unternehmen raushaben und hat ihnen angeboten, sie auszuzahlen. Allerdings zu einem sehr niedrigen Preis. Die Deutschen haben dann gesagt, nein, das Unternehmen ist jetzt viel mehr wert. Und dann ging das so hin und her und zog sich hin. Und die Deutschen wollten da auch nicht nachgeben. Und eines Tages wurde der deutsche Geschäftsführer plötzlich von der Polizei festgenommen und aus unerfindlichen Gründen ins Gefängnis gesteckt. Der Anwalt, der hatte sich darauf spezialisiert, ausländische Geschäftsleute aus dem Gefängnis wieder rauszuholen, hat dann verhandelt, und nach drei Wochen gelang es ihm dann. Der ist wieder freigekommen, aber hat sofort das Land verlassen müssen. Der Anwalt hat ihn noch sicher zum Flughafen begleitet und weg war er.“ (Deutscher Geschäftsführer)

Abb. 55: Beispiel für deutsches Abwehrverhalten

Auf thailändischer Seite manifestiert sich die Dynamik der Abwehr im Gegensatz zur deutschen Seite vor allem in einem Festhalten an thailändischen Hierarchievorstellungen und der Wahrung von Machtdistanz (siehe Kapitel 4.1.1.2.). In Bezug auf andere scheint dabei die nichthinterfragbare Regel „Wer die Macht hat, muss respektiert werden“ unbedingte Gültigkeit zu besitzen. Thailändische Mitarbeiter berichten in diesem Zusammenhang häufig von deutschen Versuchen, diese Grundregel gerade in Besprechungssituationen aufzulösen. Die Notwendigkeit zur Bewahrung der Machtdistanz gegenüber dem Vorgesetzten wird dabei jedoch von thailändischer Seite als so fundamental empfunden, dass dem deutschen Drängen zu aus thailändischer Sicht nicht-respektvollem Verhalten zum Schutz der eigenen Wertvorstellungen nicht Folge geleistet wird. Die thailändischen Manager verwenden dabei genauso wie ihre deutschen Kollegen verbale Ausdrücke der Unmöglichkeit (z.B. „will never happen“, „cannot happen“, „will never change“): „They [the Germans] want us to say directly what we think, even in a meeting. But that will never happen. Cannot happen. […][But why do you not say No in the meeting?] Because we don't want to embarrass anybody in front of the group. That is kreng jai. [But what if the boss says: No Kreng Jai. Please tell me, it's ok, I won't be embarrassed.] Then we will still not tell him. [Why?] Because he is the boss. We respect the boss. I know that is hard to understand. But this is how we think. This will not change.“ (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

Der häufig als deutscher Zwang zur Offenheit erfahrene Eingriff in das eigene Kommunikationsverhalten scheint dabei besonders auch dann Abwehrreaktionen auszulösen, wenn der Schutz der eigenen Person vor dem machthabenden Vorgesetzten in Gefahr gerät. So schildern die thailändischen Mitarbeiter das eigene Verhalten der Machtdistanz auch als Instrument zur

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Erzeugung von sozialer Sicherheit. Eine Anpassung dieses Verhaltens käme dann der mutwilligen Inkaufnahme von Schutzlosigkeit und damit dem Verlust notwendiger Rückzugsmöglichkeiten gleich: “Especially the concept of kreng jai, it is impossible to wipe that out completely. It is part of you and the behavior, it gives you security, so you do not want to lose that.” (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12)

Ein wichtiges Mittel zur Bewahrung der eigenen Rückzugsmöglichkeit vor der Bedrohung durch die hierarchisch höherstehenden Deutschen bildet dabei häufig auch die thailändische Sprache. So berichten deutsche Manager von einzelnen Problemen besonders in der Zusammenarbeit mit international unerfahrenen thailändischen Arbeitern, wenn deutsche Mitarbeiter durch ihre Sprachkenntnisse aus thailändischer Sicht zu stark in die eigene Gruppenintegrität eingreifen und Abgrenzungsmöglichkeiten nicht aufrecht erhalten werden können: „Ich erinnere mich da an einen deutschen Mitarbeiter, den ich eingestellt habe, weil der gut Thai sprach. Sehr gut. Und ich fand das eine gute Idee. Da hatte ich einen, der sprach Thai, der sagte auch, ich kenne die ThaiMentalität und so. Und was war? Die Thais haben das blockiert, die wollten das gar nicht. Die wollten das nicht, dass da jemand sitzt, der genau versteht, was sie sagen. Die wollten schon mit uns zusammenarbeiten. Und haben auch ihre Arbeit gemacht. Gut, das war jetzt auf dem Arbeiter-Level in diesem Fall. Aber die wollten das nicht, die fanden das gar nicht witzig. Wir haben den dann wieder gehen lassen müssen.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

5.1.3.3. Integration Während die beschriebenen Dynamiken von Anpassung und Abwehr eher sichernden Charakter im Sinne einer Bewahrung der Unternehmenskontinuität bzw. der Bewahrung individueller Integrität der Mitarbeiter aufweisen, besitzt die Dynamik der Integration mit ihrer gegenseitigen Annäherung und gemeinsamen Weiterentwicklung von ursprünglich abweichenden Werten und Verhaltensweisen besonders die Funktion der Erzeugung von Kohärenz. Darunter wird in diesem Zusammenhang, wie eingangs erläutert, die Herausbildung eines gemeinsamen Verständnisses oder Sinnzusammenhangs in Bezug auf bestimmte Aspekte der Zusammenarbeit von Deutschen und Thais verstanden, die eine Entwicklung von funktionsfähigen Arbeitsprozessen erst ermöglicht. Als Kennzeichen von Integrationsdynamiken erweisen sich dabei verbale Ausdrücke von Reziprozität (z.B.: „Geben und Nehmen“) und gemeinsamer Zielvorstellung („Wir sitzen in einem Boot“), die den Charakter der Integrationsdynamik als zweckgerichteten Kompromiss mit der Herausbildung einer gemeinsamen Wahrheitsvorstellung unterstreichen. Metaphorisch steht dabei häufig die gegenseitige Überwindung von Distanz im Vordergrund. So sprechen die deutschen Manager häufig davon, „das Eis aufzubrechen“, „einen langen Weg aufeinander zuzugehen“ oder„Brücken zu bauen“. Der Aspekt der Pflege von Gegenseitigkeit findet sich darüber hinaus im „gemeinsamen Rudern“ oder im Bild von interkultureller Gemeinsamkeit als Pflanze, die gepflegt werden muss: „Es wächst nichts von alleine, ohne dass man was pflanzt.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Reziprozität als Kennzeichen der Integrationsdynamik wird jedoch auch explizit von deutscher Seite als Bereitschaft zu Kompromissen gefordert:

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„Hier ist das manchmal mehr ein Geben und Nehmen. Ich sage meinen Mitarbeitern immer: Give and Take. Wenn ihr gebt, gebe ich auch.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Wenn nicht jeder bereit ist, da einen Kompromiss zu machen, dann geht überhaupt nichts. [...] Der Kompromiss, den ich erwarte, ist: Ja ich bin bereit, die Thailänder zu verstehen, aber die sollen auch bereit sein, uns zu verstehen. Und das ist sehr wichtig. Die Thais müssen eben auch bestimmte Dinge akzeptieren oder verstehen. [...] Da muss man einfach aufeinander zugehen.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Insgesamt manifestieren sich Integrationsdynamiken zwischen den deutschen und thailändischen Mitarbeitern besonders innerhalb der im Rahmen der Untersuchung des deutschen und thailändischen Wirtschaftsstils identifizierten Konfliktbereiche von Abstimmung und Entscheidungsfindung, Konfliktvermeidung und Aufgabenerledigung und sorgen dort für die Entwicklung von neuen, gemeinsamen Formen der Zusammenarbeit. Die einzelnen Ausprägungen von Integration kreisen dabei grundsätzlich um das beschriebene Kompromiss-Prinzip von Geben und Nehmen, das in der deutsch-thailändischen Zusammenarbeit vielfältige Formen annehmen kann: ‚Deutscher Abbau von Angst und thailändischer Mut ‚Deutsche Indirektheit und thailändische Direktheit ‚Deutsche Wertschätzung und thailändisches Engagement (Deutsches Vertrauen und thailändische Mediation) ‚Deutsche Gewährung spielerischer Form und thailändische inhaltliche Ernsthaftigkeit Das deutsche Bemühen des Abbaus von Angst seitens der thailändischen Mitarbeiter und das damit verbundene thailändische Entgegenkommen in Form von mutigerer, selbstbewussterer Meinungsäußerung wird insgesamt gerade von den deutschen Managern als wichtigste Integrationsdynamik zur Ermöglichung erfolgreicher Zusammenarbeit gewertet. Von deutscher Seite geht dieser Entwicklung dabei häufig ein deutliches Offenheitsangebot in Verbindung mit Demonstrationen der Nichtausübung von Macht voraus: „Und ich sage auch immer zu meinen Thais: Das macht gar nichts, wenn man mal einen Fehler gemacht hat. Das kann jedem passieren. Der Fehler darf nur nicht wiederholt werden. Ich glaube, dass man langfristig durch diese Erziehung die Thais dazu kriegt, dass sie ohne Bauchschmerzen und ohne irgendwelche Vorbehalte hier in die Firma kommen und ihr gegenüber auch selbstbewusst auftreten.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Deshalb muss ich auch meinen Händlern immer wieder sagen: No kreng jai! When there is a problem: No kreng jai! Sonst gehen wir gemeinsam unter. [Ich] versuche ihnen beizubringen, dass sie keine Angst zu haben brauchen. Ihnen wird nicht der Kopf abgerissen, wenn sie mal Fehler machen, wir machen ja alle Fehler. Niemand ist perfekt.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Für die deutsche Seite erweist sich der Versuch des Angstnehmens dabei häufig in Verbindung mit dem im Rahmen des deutschen Wirtschaftsstils ungewöhnlichen Zugeben eigener Fehler, bzw. der Demonstration eigener Angreifbarkeit, als besonders erfolgreich (siehe Kapitel 4.1.2.2.):

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„Und umgekehrt auch: Ich sage den Leuten auch immer ganz eindringlich, ihr müsst mir auch sagen, wenn ich etwas falsch mache. [...] Sie kommen dann schon, wenn sie wissen, ich kann etwas sagen und das wird auch akzeptiert. Oder wenn ich was Falsches sage, ist das auch nicht so schlimm.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Als weiterer Bereich des Gebens und Nehmens zwischen deutschen und thailändischen Mitarbeitern stellt sich die gegenseitige Integration von direktem, bzw. indirektem Kommunikationsstil mit seiner Herausbildung neuer, spezifisch deutsch-thailändischer Kommunikationsformen dar. So erweist sich beispielsweise das klassische deutsche Kommunikationsformat der Besprechung im Rahmen deutsch-thailändischer Interkultur als nicht effektiv zur Entscheidungsfindung. Unter der Voraussetzung von Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten kann sich daraus jedoch eine Form der Positionsbestimmung und Entscheidungsfindung entwickeln, die deutsche und thailändische Gewohnheiten integriert. So berichten deutsche Manager davon, wie sie sich einem indirekteren Kommunikationsstil annähern, indem sie vor Entscheidungen Einzelgespräche mit den beteiligten thailändischen Kollegen vorschalten, in denen sie die Situation individuell vorstellen und vorsichtig versuchen, eine mögliche Vorab-Stellungnahme des Mitarbeiters zu erhalten, ohne ihn dem Gruppendruck eines Meetings aussetzen. In der Folge setzen sich die Gespräche dann meist auf thailändischer Seite mit und ohne Einbezug des deutschen Managers fort, so dass vor der eigentlichen Besprechung, bei der eine Entscheidung getroffen werden soll, meist schon ein gemeinsamer Standpunkt gefunden wurde, der innerhalb der Gruppensituation des Meetings nur noch verbindlich kommuniziert werden muss. „Manchmal machen wir es so, dass wir vor einer Entscheidung schon mal mit den Mitarbeitern reden, dann können die sich intern schon darauf vorbereiten und einen gemeinsamen Standpunkt finden. Das macht die Sache manchmal einfacher.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Die deutschen Manager berichten dabei häufig von einer im Gegenzug gesteigerten Offenheit seitens der thailändischen Mitarbeiter, sobald sich die deutsche Seite auf bestimmte indirekte Kommunikationsstrategien einlässt. So wird beispielsweise von deutscher Seite das bewusste, ehrlich gemeinte Erfragen der Meinung des thailändischen Mitarbeiters im Sinne eines Einholens von Rat, ohne schon von vorneherein mit der eigenen Meinung zu dominieren, als wirksame Strategie erfahren, um offene Vorschläge und Meinungsäußerungen der thailändischen Mitarbeiter zu fördern. Darüber hinaus beschreibt beispielsweise ein deutscher Geschäftsführer, wie er bei Konfliktsituationen innerhalb des Unternehmens eine eigene Technik zur Wahrheitsfindung entwickelt hat. Dabei führt er grundsätzlich mit zahlreichen Mitarbeitern Einzelgespräche und hört unter Vermeidung direkter verbaler Ansprache des Problems möglichst viele unterschiedliche Meinungen. Er betont hierbei besonders das Entgegenkommen der thailändischen Mitarbeiter in Bezug auf eine offene, direkte Kommunikation, das sich einstellt, sobald von deutscher Seite der direkte Weg erst einmal verlassen wird. Einen weiteren Integrationsbereich bildet die Austauschbeziehung der Gewährung von Wertschätzung auf deutscher Seite und im Gegenzug besonderem Engagement auf thailändischer Seite. Dabei wird von deutscher Seite besonders das großzügige Verteilen von, aus deutscher

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Sicht oft frühzeitigem, Lob („Vorschußlorbeeren“) der thailändischen Mitarbeiter verstanden, das durch seinen Ausdruck der Wertschätzung wiederum im Gegenzug besonderes Engagement und Bemühung auf thailändischer Seite auslöst. Es ist zu vermuten, dass diese Integrationsdynamik durch die Überwindung unterschiedlicher Interpunktion der Kommunikationsteilnehmer ausgelöst wird, bei der die deutschen Mitarbeiter aus ihrer Sicht ungerechtfertigtes Lob aussprechen, ohne die aus deutscher Perspektive erwartete Wertschöpfung als Gegenleistung erhalten zu haben. Von thailändischer Seite wird das Lob dagegen häufig als gerechtfertigte Wertschätzung ihrer Loyalität aufgefasst und regt als bunkhun zu weiterem außergewöhnlichem Engagement an, was wiederum in den Augen der deutschen Manager erst die nachträgliche Rechtfertigung für das vorher ausgesprochene Lob liefert. Auf diese Weise entstehen jedoch für beide Seiten befriedigende neue Kommunikationsformen gegenseitiger Anerkennung, die sich im praktischen Alltag bewähren. Einen Spezialfall dieser Integrationsdynamik bildet die Austauschbeziehung der Gewährung von Vertrauen auf deutscher Seite und im Gegenzug die Einnahme einer Mediationsrolle auf thailändischer Seite zur Lösung möglicher Konflikte zwischen Deutschen und Thais. Die Deutschen beschreiben dabei häufig, wie ein von ihrer Seite gewährter Vertrauensvorschuss gegenüber einzelnen thailändischen Mitarbeitern in der Folge deren Loyalität signifikant erhöht, und diese daraufhin das Selbstverständnis eines Mittlers entwickeln, der sich als ein Sprachrohr zum Kunden oder auch als kommunikative Verbindung zu thailändischen Mitarbeitergruppen engagieren kann, wie die Erzählung eines deutschen Geschäftsführers zur Entwicklung seiner Sekretärin illustriert: „Meine Sekretärin ist wirklich ein nettes liebes Mädchen. [...] Die war am Anfang sehr unzuverlässig. [...] Und dann habe ich gemerkt, ich muss ihr helfen, ansonsten schafft sie das nie. Und das habe ich dann getan, habe sie unterstützt und so [...] In der Zwischenzeit muss ich sagen, ich kann mir keine bessere Sekretärin wünschen als sie, weil sie ausgleicht. Wenn es also irgendwo Konflikte gibt, sie informiert mich, was die anderen nie tun würden, die würden niemals gegenüber einem farang ein Problem ansprechen. Sie macht das von sich aus. Oder ich frage sie mal, ‚khun N., how is the atmosphere?’ Gestern erst habe ich mit ihr darüber gesprochen und gefragt, gibt es irgendwelche Probleme. Ja, und da kommt dann was, und ich frage, kann ich da irgendwie helfen? Ja, in dem Fall schon, und das sollte ich dann so und so machen. In dem anderen Fall, das müssen sie selbst regeln. So haben wir das eine Problem heute schon gelöst.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Oft berichten die deutschen Manager daneben auch, wie sich aus existierenden Unternehmensausschüssen oder anderen internen Gruppen aufgrund der dort herrschenden Vertrauensatmosphäre inoffizielle Kommunikationsräume entwickeln, innerhalb derer die thailändischen Mitarbeiter sich untereinander offener über Probleme austauschen als dies mit offiziellen Qualitätszirkeln oder Diskussionsrunden erreichbar wäre. Als besonders wichtig erscheint in diesem Zusammenhang wieder die Schlüsselfigur eines Mediatoren, der einerseits innerhalb des inoffiziellen Forums Anerkennung genießt, andererseits auch seine ausgleichende Funktion als Sprachrohr zum deutschen Management einzusetzen weiß. „Wir haben hier zwar ein Gremium, das nennt sich Safety Committee, ist aber nicht nur für Sicherheit zuständig, sondern die kümmern sich auch um Probleme, die Mitarbeiter hier im Unternehmen haben oder sehen, wo sie sich aber nicht trauen, die direkt anzusprechen. Der Chef von diesem Gremium ist mein Personalchef. Der

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kommt dann also zu mir, um mir zu sagen, was vielleicht im Argen liegt. Was geändert werden sollte.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Eine weitere Form deutsch-thailändischer Integrationsdynamiken findet sich schließlich im Austausch der Gewährung von spielerischer Form seitens der Deutschen und inhaltlicher Ernsthaftigkeit seitens der thailändischen Mitarbeiter. Dabei berichten zahlreiche deutsche Manager, dass ein deutsches Entgegenkommen hinsichtlich flexiblerer Arbeitsformate und -umgebungen von den thailändischen Mitarbeitern häufig mit, aus deutscher Sicht, effizienteren Arbeitsergebnissen honoriert wird. So sorgen nach Ansicht der deutschen Manager die Herstellung einer entspannten Atmosphäre, die Gewährung von flexibel ineinander übergehenden Arbeits- und Vergnügungsphasen und die Berücksichtigung spielerischer Elemente (z.B. Geburtstagsparties, gemeinsame Outings, Wettspiele, etc.) im Gegenzug für erhöhte Motivation seitens der thailändischen Mitarbeiter, die sich aus deutscher Sicht in Form verbesserter Arbeitsqualität auszahlt. 5.1.3.4. Hybridisierung Die beobachtete Dynamik der Hybridisierung zeichnet sich im Vergleich zu den anderen drei identifizierten Dynamiken besonders dadurch aus, dass sie zur Unternehmenskohäsion beiträgt, sich dies jedoch gerade auf dem Weg der Anerkennung von Differenzen vollzieht. Hybridisierung liegt dabei genau dann vor, wenn abweichende Werte oder Verhaltensweisen von einem kulturellen Kollektiv unterstützt und verstärkt oder mit eigenen Werten oder Verhaltensweisen verknüpft werden, ohne jedoch von der einen oder anderen Seiten übernommen zu werden. Als Kennzeichen von Hybridisierung erweist sich daher vor allem ein zunächst nichtinstrumentiertes Gewährenlassen der Demonstration von Andersartigkeit, bzw. ein Aufnehmen der Andersartigkeit, ohne von der anderen Seite besonderes Verständnis oder Begreifbarmachung zu fordern. Da menschliches Handeln innerhalb eines Wirtschaftsunternehmens jedoch letztlich immer auch einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen muss, sind auch Hybridisierungsdynamiken als zielgerichtet zu verstehen, indem sie über die Anerkennung von Differenzen beispielsweise einen stärkeren Unternehmenszusammenhalt oder eine verbesserte Kundenbindung fördern können. Da als Voraussetzung für diese Dynamik grundsätzlich auf der unterstützenden Seite ein philanthropes Wohlwollen und auf der ausübenden Seite ein gewisses Maß an Vertrauen erforderlich scheint, wird die Beschreibung von Situationen, die einer Hybridisierung entsprechen, häufig begleitet von eher diffusen Metaphern, die um Begriffe von Wärme und menschlicher Nähe kreisen. So sprechen die deutschen Manager in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit, „Wärme reinzubringen“ bzw. „Wärme entstehen zu lassen“, und dem Bemühen um „Nähe“, um „Zugang zu deren Herz und Gedankengängen“. Eine ungenaue Ausdrucksweise unterstreicht dabei das grundsätzliche Merkmal der Nicht-Zweckgerichtetheit von Hybridisierung, deren Realisierungen von den beteiligten Mitarbeitern gar nicht rational begründet werden können, sondern eher von einem ungenauen Gefühl, das „Richtige“ zu tun, hervorgebracht zu werden scheinen.

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Ausprägungen von Hybridisierung geht dabei im einzelnen zunächst die Erkenntnis und Akzeptanz von Unüberbrückbarem und Undurchschaubarem innerhalb der anderen Kultur voraus. So betonen deutsche wie auch thailändische Manager die schmerzhafte und nachhaltige Erfahrung, dass bestimmte Werte oder Verhaltensweisen des anderen kulturellen Kollektivs trotz guten Willens auch nach einiger Zeit des gegenseitigen Kontakts und Austausches im Arbeitsalltag mit grundsätzlicher Fremdheit belegt bleiben. Die Äußerung eines deutschen Geschäftsführers verdeutlicht beispielsweise ein tiefgehendes Fremdkörpergefühl, das sich seinem Empfinden nach auch nicht ausräumen lässt: „Ich sage immer zu meinen Leuten, ich weiß, dass ich ein Elefant im Porzellanladen bin, ich bin farang. Ich habe von den Thai-Gepflogenheiten keine Ahnung. Ich möchte das zwar gerne, aber das ist mir, meinem Inneren, praktisch verschlossen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Dabei wird auch von thailändischer Seite auf die Hinnahme des Unverständlichen hingewiesen: “Maybe Thai people sometimes do things that make Germans think they are crazy. But they have their own history for many hundred years. And you don't have to look at them like crazy people. You can ask yourself why, but maybe there is no answer to it. Maybe you will never understand. Maybe you cannot. [Perhaps] the Thai people believe in something, where you cannot find a reason for, but they believe it.” (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

Auf Basis dieser Akzeptanz des Undurchschaubaren lässt sich besonders von deutscher Seite in einem zweiten Schritt eine Förderung und Unterstützung des Nicht-Verständlichen feststellen, die eine Hybridisierungs-Dynamik mit vielfältigen Ausprägungen in Gang setzen kann. Das wohl charakteristischste Beispiel für Hybridisierung im Bereich deutsch-thailändischer Zusammenarbeit stellt dabei die oft von deutscher Seite aus angeregte Durchführung von buddhistischen bzw. animistischen Zeremonien als integriertem Teil des Arbeitsalltags dar. So berichten zahlreiche Manager von der regelmäßigen Veranstaltung ritueller Opferungen für die nach thailändischer Vorstellung auf dem Werksgelände oder dem Unternehmensgrundstück ansässigen Geister sowie Weihungszeremonien anlässlich buddhistischer Festtage oder der Fertigstellung neuer Gebäudeteile, die häufig unter der Führung von Mönchen stattfinden. Dabei wird die Ausübung der entsprechenden Kulte teilweise von der deutschen Unternehmensführung, teilweise von den thailändischen Mitarbeitern initiiert, seitens der deutschen Geschäftsführung jedoch positiv sanktioniert und gefördert. Die deutschen Manager nehmen hierzu an den Zeremonien ebenso Teil wie ihre thailändischen Kollegen, ohne dass gegenseitige Anpassungs- oder Integrationsbemühungen stattfinden. Dabei scheint allein die gemeinsame Teilnahme und die gemeinsame Ausübung bestimmter ritueller Verhaltensweisen ohne notwendige Verankerung in Form tiefergehender Wertvorstellungen über die Herstellung von Normalität zu verstärkter Kohäsion beizutragen: “Each year they [the Germans] are doing several religious buddhist ceremonies. So that shows that the Germans are willing to do something, because they think this is what the Thai believe. The Germans also take part in this, for example in the buddhist ceremonies. They take part in it as observers. They do want to see what is happening. But they would not actually pray. I think the Thais feel happy if they see the Germans take part in it, because it shows the openness. It shows that you don't shut the doors. Even if you have no clue what is going on. It shows some kind of respect. Whether you actually start believing it, doesn't matter. But if you show interest, that is good enough.” (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1)

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Solche religiös motivierten Veranstaltungen stellen daher ein besonders deutliches Beispiel für Hybridisierung dar, da sie nicht nur die Akzeptanz mehrerer Wahrheitsvorstellungen seitens der beteiligten Mitarbeiter demonstrieren, sondern auf dem Weg der gegenseitigen Förderung des Unverständlichen ein ausdrückliches Bekenntnis zur Heterogenität darstellen und auf diese Weise die individuelle Identitätsbestimmung der Mitarbeiter unterstützen.

Abb. 56: Animistisches Geisterhäuschen und deutsch-thailändische Geisterhäuschenzeremonie

Die spezifischen Voraussetzungen und Eigenschaften von Hybridisierung im Gegensatz zu einfacher Integration folkloristischer Elemente in den Arbeitsalltag werden besonders deutlich in der Gegenüberstellung des oben Beschriebenen mit einer oberflächlich ähnlichen Situation, die der Autorin von einem deutschen Manager eines nicht an der Untersuchung teilnehmenden amerikanischen Unternehmens in Bangkok berichtet wurde, und die sich bei genauerer Betrachtung jedoch als Pervertierung der Hybridisierungsdynamik herausstellt (siehe Abbildung): „Heute sollten die Mönche zu uns ins Unternehmen kommen. Ich habe den ganzen Tag gewartet, dass die mein Büro weihen, aber die kamen nicht. Da hab ich bei HR angerufen, um zu fragen, wo die denn bleiben. Die Mönche sind schon wieder weg, haben sie mir erzählt. Ich sage: ‚Wie kann denn das sein, auf unserer Etage haben sie noch kein Wasser gespritzt. Ich verlange, dass die nochmal kommen.’ ‚Ja, sind Sie denn Buddhist?’, fragen die mich. ‚Das ist doch egal’, sage ich, ‚Gleiches Recht für alle!’ . Naja, dann haben sie den Obermönch nochmal im Taxi zurückgeholt. Da war der wahrscheinlich schon etwas sauer. Dann wollte er nur so ein bisschen Wasser auf die Akten in unserem Büro sprengen und gleich wieder gehen. Da sage ich: ’Kommt gar nicht in die Tüte. Wenn schon, denn schon. Bezahlt ist bezahlt.’ Ich habe den dann noch in das Büro von unserem Geschäftsführer geführt, ein Amerikaner. Der war gerade nicht da. Da durfte er dann auch nochmal alles unter Wasser setzen. Aber Mann! Was war der schnell wieder weg danach!“ (Deutscher Manager eines amerikanischen Unternehmens)

Abb. 57: Beispiel für Pseudo-Hybridisierung

So scheint die Schilderung deutscher Teilnahme an einer unternehmensinternen Weihezeremonie zunächst Elemente einer Hybridisierungsdynamik zu besitzen, indem eine aktive Akzeptanz und Förderung seitens des deutschen Managers der aus seiner Sicht fremden und unverständlichen thailändischen Verhaltensweise stattfindet. Im Unterschied zur echten Hybridisierung wird Undurchschaubares in diesem Fall jedoch unter dem Deckmantel der Weltoffenheit und Toleranz in seiner Unverständlichkeit nicht wohlwollend respektiert, sondern eigenen Bewertungsmaßstäben unterworfen. Dabei tritt deutlich die Anwendung westlicher bzw. deutscher Wertschöpfungsprinzipien zutage, die unter dem Motto „Bezahlt ist bezahlt“ die Erbringung einer bereits vergüteten Leistung fordern. Der Mönch wird auf diese Weise gezwungen, für das sei-

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tens der Firma als Spende und Opfergabe gezahlte Geld, das nach thailändischer Auffassung nicht zu Forderungen im Sinne einer Geschäftsbeziehung berechtigt, die entsprechende Wertschöpfung zu erbringen, die jedoch absurden Charakter erhält, da beiden Seiten bekannt ist, dass sie von deutscher Seite aufgrund anderer Glaubensvorstellungen gar nicht wertgeschätzt wird. Der Weihevorgang wird dadurch zum bloßen „Wasserspritzen“ oder „Unterwassersetzen“ herabgewürdigt, die fremde kulturelle Tradition auf diese Weise bloßgestellt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Schilderung des Flüchtenwollens, bzw. das schnelle Verschwinden des Mönchs, lassen darüber hinaus vermuten, dass von seiner Seite das deutsche Verhalten als Gesichtsverlust erfahren wurde. Es liegt auf der Hand, dass hier aufgrund der fehlenden Voraussetzung von NichtInstrumentierung keine Hybridisierung stattgefunden hat, dementsprechend auch keine Kohäsion erzielt wurde, sondern im Gegenteil jede Seite in ihrer Skepsis bzw. Abwertung des Verhaltens der anderen Seite bestätigt wurde. So wird hier anhand der Betrachtung eines Gegenteils von Hybridisierung ihre grundsätzliche Funktion der Anerkennung von Differenz besonders deutlich. Weitere Beispiele für echte Hybridisierungsdynamiken im Sinne einer Unterstützung des Unverständlichen im Alltag der Unternehmen finden sich demgegenüber neben der gemeinsamen Durchführung religiöser Zeremonien besonders in der Veranstaltung von thailändisch geprägten Unternehmensfeiern. Auch hier erweist sich die empathische aktive oder passive Teilnahme der deutschen Manager beispielsweise an normalerweise als kindisch empfundenen Wettspielen (z.B. Tauziehen, Wettessen), an Wasserschlachten und Karaoke-Singen als normalitätserzeugend und kohäsiv. „Zweimal im Jahr [gibt es] eine Großveranstaltung mit allen Mitarbeitern. [...] Das wird dann immer eine Riesenparty. Also richtig toll. [Farangs] nehmen teil, spielen aber eine untergeordnete Rolle. Das soll Thai sein, das muss nicht mir gefallen. Das ist für Euch.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12) „In vier Wochen [machen] wir ein Staff Weekend. Das heißt, alle [...] werden nach Kaujaj fahren. Mit Familien. Das werden vielleicht 120 Leute. Dann werden irgendwelche Spiele gemacht, da wird getrunken und gegessen und gesungen, und was weiß ich, was da noch so alles gemacht wird. [...] Das wird von den Thais organisiert. Aber wir fahren da mit. Und wir sind dann mit denen in einer Art zusammen, wie es eben die Thais gewohnt sind.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Als eine weitere Ausprägung oder Stufe von Hybridisierung lässt sich darüber hinaus die lose Verknüpfung von kulturell Differentem ohne gegenseitige Vereinnahmung interpretieren, die sich in vielfältiger Weise innerhalb der untersuchten Unternehmen feststellen lässt. Ein besonders prägnantes Beispiel stellt dabei die bei einem Unternehmen der produzierenden Industrie beobachtete Verknüpfung von deutschem Umweltschutzverständnis und gesellschaftlicher Verantwortung mit thailändischem Interesse an spielerischer Umsetzung und der Verbindung aus Spaß und Ernst. Dabei werden im Rahmen eines seitens des deutschen Unternehmens initiierten Programms zur Umweltschutzerziehung die Lerninhalte in Form von Gemeinschaftschoreographien entwickelt und vermittelt, bei denen die teilnehmenden Kinder teilweise

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in Kostümen bedrohter Tierarten die Gefahren von Umweltverschmutzung singend und tanzend darstellen.

Abb. 58: Hybridisierungsbeispiel - Verknüpfung von deutschem Umweltschutzverständnis und thailändischem Tanz

Neben diesem Beispiel lassen sich zahlreiche weitere Hybridisierungsdynamiken in Form einer Verknüpfung von Differentem identifizieren. So berichtet ein produzierendes Unternehmen beispielsweise von einem Fest der Arbeitssicherheit zur Feier von 777 unfallfreien Tagen mit einer umfangreichen, von Mönchen geleiteten Weihezeremonie. Deutsche Vorstellungen der Organisation von Arbeitsprozessen werden dabei in loser Form mit buddhistischen Bräuchen und Zahlenbedeutungen verknüpft, so dass für beide Seiten ein eigener Sinnzusammenhang entsteht, der sich nicht unbedingt überschneiden muss. Daneben berichtet ein Unternehmen beispielsweise von der Herausbildung einer „regelrechten Club-Kultur“ innerhalb der Firma, die spezifische Elemente deutscher organisierter Vereinskultur (z.B. Satzung, Kassenwart etc.) mit thailändischen Bedürfnissen von Gemeinschaftlichkeit verbindet. „Da gibt's auch einen thailändischen Bowling-Club. Da habe ich erst gedacht, Bowling, naja, das ist nicht so mein Fall. Da wollte ich erst nicht mitmachen. Jetzt haben sie mich zum Ehrenpräsident gemacht und mir ein paar Bowling-Schuhe geschenkt.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Im Rahmen der Gestaltung von Werksgeländen schildern deutsche und thailändische Manager darüber hinaus oft eine Verknüpfung deutscher Umweltschutzvorstellungen und Standardisierungen der Ordentlichkeit mit thailändischer Kreativität der Präsentation und Dekoration, aus deren Verbindung in Form blühender Gartenanlagen überzeugende, anfassbare Argumentationen für Naturschutz und die Umsetzung von Umweltschutzrichtlinien entstehen: „[Unsere] chemische Fabrik, die sieht aus wie eine Gartenanlage. Da habe ich auch gesagt, jetzt lasst uns doch mal von den Thais lernen. Sie können hier ja ein Stück Holz in den Boden stecken und das blüht noch. [lacht] Und wir haben hier also eine Fabrik hingestellt, das könnte ein botanischer Garten sein. Und man sieht auch, wie die Mitarbeiter darin aufgehen. Also, ISO 14000 hier einzuführen, für die Umwelt, ist eigentlich eine ganz logische Sache.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

„On the other hand they also make the workers experience the environment by really having greenery around. The whole factory looks like a nice garden, so these environmental policies become touchable.“ (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12)

Abb. 59: Hybridisierungsbeispiel – Gartenanlagen auf deutsch-thailändischem Werksgelände

Das Beispiel der Gartenanlagen auf deutsch-thailändischen Werksgeländen macht darüber hinaus deutlich, dass Hybridisierungsdynamiken, obwohl in der ursprünglichen Initiative zunächst nicht notwendigerweise zweckgerichtet, schließlich doch einen konkreten Zweck, in diesem Fall die schnellere Umsetzung einer Zertifizierung für das Unternehmen, erfüllen können und auch müssen, da die Ausbildung von Unternehmenskultur letztlich immer dem Zweck des Unternehmenserfolgs unterworfen ist.

Textausschnitt:

„The Krupp familiy invited King Chulalongkorn to their home ‚Hügel‘, Essen, from 3rd until 6th of September 1897. They opened the doors to the manufacturing facilities to give their Guest of Honour a first hand impression of state-of-the-art facilities at the end of the 19th century. 100 years later, ‚THYSSEN KRUPP‘ continues the cooperation between Thailand and Germany via UHDE (THAILAND) LTD., the Technology Provider and ‚key‘ to KRUPP UHDE and THYSSENKRUPP TECHNOLOGIES.“

Abb. 60: Hybridisierungsbeispiel – Werbebroschüre

Eine solche indirekte Instrumentierung von Hybridisierung zeigt sich besonders deutlich in der Unternehmenskommunikation des Unternehmens Uhde, das als Tochterfirma von ThyssenKrupp eine Broschüre zu Zwecken der Imageverbesserung in Thailand entwickelt hat (Uhde o.J.), die sich inhaltlich ausschließlich mit dem Zusammentreffen des thailändischen Königs Chulalongkorn mit Friedrich Alfred Krupp anlässlich einer Deutschlandreise des Königs im Jahr 1897 auseinandersetzt (siehe Abbildung). Der Erfolg der Unternehmensbroschüre unterstreicht dabei das Vorliegen einer kohäsionserzeugenden Hybridisierung. So dokumentiert sich anhand der detaillierten, mit Abbildungen von Originalfotos und -dokumenten illustrierten Aufbereitung

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

243

des Zusammentreffens innerhalb des Kommunikationsinstruments einer Werbebroschüre eine vertiefte deutsche Auseinandersetzung mit dem thailändischen Königshaus, verbunden mit einem dadurch zum Ausdruck gebrachten Respekt vor der normalerweise als unverständlich empfundenen thailändischen Priorisierung der Monarchie. So bestätigt sich hier erneut die kohäsive Wirkung von Hybridisierung durch die Anerkennung von Differenzen. Insgesamt lässt sich bei der Beurteilung der beobachteten Hybridisierungsdynamiken zusammenfassend feststellen, dass sie mit ihrer Wirkungsweise zur individuellen Identitätsbestimmung der beteiligten kulturellen Kollektive beiträgt. Sie erscheint damit zur unmittelbaren Sicherung von Unternehmensfortbestand und -funktionsfähigkeit nicht zwingend notwendig wie die Dynamiken der Anpassung und Integration. Zur Dynamik der Abwehr mit ihrem defensivem Schutz individueller Integrität bildet sie jedoch ein offensives Gegenstück, indem sie über die Erzeugung von Normalität die Erfahrung des persönlichen Angenommenseins fördert. Ein Unterdrücken oder Fehlen von Hybridisierungsdynamiken innerhalb interkultureller Unternehmenskulturen kann somit zu mangelnder Bestätigung des eigenen Selbstverständnisses der Mitarbeiter führen. Interkulturalität wird dann als permanenter Ausnahmezustand erfahren und findet keine Auflösung in Normalität: „Sie sind dann zwar vielleicht erfolgreich, aber sie sind irgendwie so eine Besonderheit, oder sagen wir mal, so ein Dorn im Fleische. Der kann dann zwar irgendwie leben, aber ich weiß nicht, ob der sich so wohl fühlt.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

5.1.4. Ergebnisdiskussion Die Ergebnisse der Untersuchung zur Emergenz interkultureller Unternehmenskultur sollen im Folgenden mit unterschiedlichen Perspektiven verschiedener Forschungsbereiche verglichen und diskutiert werden, um eine Einordnung ihrer Bedeutung innerhalb des derzeitigen Forschungsstands vornehmen zu können. Dabei werden relevante Untersuchungen der allgemeinen Unternehmenskulturforschung (z.B. Schein 1995, Martin 1992, Sackmann 1991, 1997) sowie der Erforschung von Unternehmenskultur in interkulturellen Kontexten (z.B. Buhr 1998, Morosini 2001a/b, Koot 1997, Dahler-Larsen 1997) berücksichtigt. Daneben werden ebenso Studien der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung zur Unternehmensinternationalisierung (z.B. Schreyögg 1993) in die Analyse miteinbezogen. Darüber hinaus werden bei der Feststellung relevanter Überschneidungen oder Analogien zusätzlich weitere Konzepte aus verwandten Bereichen wie Psychologie, Kulturwissenschaften oder Philosophie betrachtet. Bei einer gesamthaften Bewertung der Ergebnisse zur Emergenz interkultureller Unternehmenskultur kann festgestellt werden, dass dem vorgeschlagenen Modell mit seiner Identifikation verschiedener Einflussfaktoren und der Untersuchung ihres Niederschlags innerhalb der Unternehmenskultur in Form kommunikativer Prozesse ein grundsätzlich systemisches Verständnis zugrunde liegt. Dabei wird mit Luhmann von einer Dualität von Organisation, bzw. Unternehmen, und Umwelt ausgegangen (vgl. Luhmann 1973), die sich über die Herstellung von Differenz konstituiert:

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

„Handlungssysteme als soziale Systeme haben deshalb keine extern bestimmten Grenzen, sie schaffen ihre Grenzen selbstreferentiell durch eigene Handlungen, durch Sinnverarbeitung und Kommunikation. Grenzen schaffen heißt eine Differenz herstellen, indem das Innenverhältnis ein anderes, weniger komplexes wird als das Außenverhältnis.“ (Schreyögg 2000, S. 302)

Versteht man unter Differenzbildung im Sinne der Systemtheorie Luhmanns dabei primär Selektion, so nimmt ein System, in diesem Fall ein Unternehmen, „nur bestimmte Aspekte aus der Umwelt wahr, beschäftigt sich nur mit bestimmten Fragestellungen, läßt in seinen Erwartungen nur bestimmte Perspektiven zu“ (Schreyögg 2000, S. 302). Mit der Annahme einer fortwährenden Wechselbeziehung zwischen dem Unternehmen und seiner Außenwelt, die über bestimmte Einflussfaktoren auf die Emergenz der Kultur des Unternehmens einwirkt, übernimmt das Modell in diesem Sinne ein verbreitetes Paradigma derzeitiger Organisationsforschung (vgl. Marr 1993). Es bildet die Grundlage für die Voraussetzung einer Resonanz des Systems Unternehmen auf seine Umwelt und damit für die Annahme einer Fortentwicklung bzw. Dynamik von Unternehmenskultur. Mit seiner Beschreibung der konkreten Ausgestaltung von Unternehmenskultur in Form kommunikativer Prozesse und der ihnen inhärenten Eigendynamik liegt dem Modell darüber hinaus im Gegensatz zu deterministischen Ansätzen42 ein eher interaktionistisches Verständnis der System-Umwelt-Beziehung zugrunde, das von einem wechselseitigen Einfluss, also einem Austausch von System und Umwelt ausgeht (Schreyögg 2000, S. 299). 5.1.4.1. Diskussion der Einflussfaktoren und -medien Bei der Berücksichtigung von Einflussfaktoren auf das Unternehmenssystem können grundsätzlich formale und inhaltliche Dimensionen unterschieden werden (Schreyögg 2000, S. 304ff). Mit ihrem Erkenntnisinteresse an der inhaltlichen Ausgestaltung von Unternehmenskultur orientiert sich die Analyse identifizierter Einflussfaktoren folglich eher an inhaltlichen Elementen. Zur Beschreibung inhaltlicher Einflüsse auf Unternehmenssysteme liegen innerhalb der betriebswirtschaftlichen Forschung zahlreiche Faktorkataloge vor (vgl. Farmer/Richman 1965, Hall 1972 oder Kreikebaum 1997). Typische Unterscheidungen gehen dabei von folgender Einteilung der Einflüsse aus (Schreyögg 2000, S. 312): ‚

Technologische Umwelt

‚

Politisch-rechtliche Umwelt

‚

Sozio-kulturelle Umwelt

‚

Ökologische Umwelt

‚

Makroökonomische Umwelt

Die im Rahmen der Untersuchung identifizierten Einflussfaktoren auf eine interkulturelle Unternehmenskultur fallen unter Berücksichtigung dieses Rasters vor allem in den Bereich der sozio-

42

Vgl. z.B. evolutionstheoretische (z.B. McKelvey/Aldrich 1983) oder kontingenztheoretische Ansätze (Burns/Stalker 1961).

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

245

kulturellen Umwelt, mit der gemeinhin allgemeine demographische Merkmale und vorherrschende Wertmuster einer Unternehmensumwelt beschrieben werden (vgl. Klages 1984, zum Einflussfaktor Internationalität: Fahey/Narayanan 1986, Macharzina/Wolf/Döbler 1993). Hier lassen sich die identifizierten Faktoren von Landeskultur, Ursprungskultur, Mutterunternehmen, Individuum hinzurechnen, während die Faktoren Branche und Wirtschaftssituation eher aus dem Bereich makroökomischer Umwelt stammen (vgl. Moran/Riesenberger 1994). Das vorliegende Modell zur Emergenz interkultureller Unternehmenskultur setzt sich damit bewusst ab von früheren Untersuchungen, die das Unternehmen und den ihm eingeschriebenen Kulturzusammenhang als losgelöst von seiner Umwelt betrachten, als „closed off from the influence of the society around them“ (Adler/Jelinek 1986, S. 85), sondern muss gerade aufgrund seines interkulturellen Erkenntnisinteresses folgerichtig eine Beeinflussung durch die Umwelt voraussetzen. Die detaillierte Betrachtung der identifizierten Einflüsse zeigt zunächst, dass bekannte Einflussfaktoren im Einzelnen bestätigt werden. So wurde auf den Einfluss von National- und Ursprungskultur auf die Kultur internationaler Tochterunternehmen bereits bei der Darstellung theoretischer Grundlagen (siehe Kapitel 3.2.1.2.) hingewiesen. Die Auswirkungen kultureller Identität der im Unternehmen handelnden Individuen auf Problemlösungs- und Konfliktverhalten, Autoritätsverständnis oder Teamarbeit wurden in der Vergangenheit mehrfach diskutiert (vgl. England 1975, Hofstede 1984, Jamieson 1980, Sorge 1983, Dülfer 1991). Adler/Jelinek beschreiben schon 1986 Unternehmensmitarbeiter „as fundamentally conditioned by national culture“ (Adler/Jelinek 1986, S. 84), und Schreyögg bewertet die „These von der landeskulturellen Prägung“ einer Unternehmenskultur als grundsätzlich „akzeptiert“ (Schreyögg 1993, S. 150). Auch der Einfluss einer Branche oder Industrie ist in der allgemeinen Literatur zur Entwicklung von Unternehmenskultur an verschiedenen Stellen beschrieben worden. So weisen beispielsweise Pennings/Gresov auf die Bedeutung der Branche für die Ausprägung von Unternehmenskulturen hin (Pennings/Gresov 1986). Auch Hofstede et al. identifizieren in ihrer umfangreichen quantitativen Studie intrakultureller Unternehmenskultur u.a. vier Dimensionen von Unternehmenskultur, die primär mit der Branchenzugehörigkeit der Unternehmen korrellieren und auf die Existenz einer „industry culture“ zurückgeführt werden (Hofstede/Neuijen/Ohayv/Sanders 1990, S. 306). Als eng mit dem Aspekt der Branchenkultur verbunden zeigt sich darüber hinaus der Einflussfaktor Wirtschaftssituation. In ihrer qualitativen Beschreibung verschiedener Unternehmenskulturen stellen Hofstede et al. ebenfalls externe Einflüsse aufgrund ökonomischer Rahmenbedingungen heraus (vgl. Hofstede/Neuijen/Ohayv/Sanders 1990, S. 293f.), diese werden jedoch eher dem Einflussbreich „Unternehmensgeschichte“ zugerechnet, der im Sinne eines idiosynkratischen Elements als prägender Einflussfaktor von Unternehmenskultur betrachtet wird: „Organizational cultures are [...] partly unique products of idiosyncratic features like the organizations’ history […]“ (Hofstede/Neuijen/Ohayv/Sanders 1990, S. 306).

246

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

Die Tatsache, dass der Einflussfaktor Wirtschaftssituation daneben in der relevanten Literatur keinen besonderen Stellenwert einzunehmen scheint, deutet darauf hin, dass hier aufgrund außergewöhnlicher Fallstudienspezifika (z.B. die Schwere der thailändischen Wirtschaftskrise) eine Übergewichtung innerhalb des Modells vorliegen könnte. Das Individuum als Einflussfaktor von Unternehmenskultur zieht sich dagegen durch die gesamte, vor allem betriebswirtschaftlich motivierte Literatur (siehe auch Kapitel 3.2.1.2.). So diskutieren Peters/Waterman qualitativ die Auswirkungen persönlicher Wertsysteme von Unternehmensgründern

und

Führungspersönlichkeiten

auf

die

Unternehmenskultur

(Pe-

ters/Waterman 2000, S. 321ff.) und auch Hofstede et al. identifizieren quantitativ zwei Dimensionen von Unternehmenskultur, die sich als branchenunabhängig und „more determined by the philosophy of founders and top leaders“ erweisen (Hofstede/Neuijen/Ohayv/Sanders 1990, S. 306). Bei Deal/Kennedy findet sich demgegenüber das bekannte Konzept der „corporate heroes“: „The hero is the great motivator, the magician, the person everyone will count on when things get tough“ (Deal/Kennedy 1982, S. 37). Der Unternehmensheld als Individuum wird bei Deal/Kennedy allerdings nicht so sehr als Quelle inhaltlicher Einflüsse positioniert, vielmehr betonen die ihm zugeschriebenen Funktionen (z.B. „providing role models“, „symbolizing the company to the outside world“, „preserving what makes the company special“, Deal/Kennedy 1982, S. 39ff.) primär die Mittlerfunktion des Individuums, das damit im Rahmen des vorgeschlagenen Modells eher einem Einflussmedium entspricht. Neben den bereits beschriebenen Aspekten lässt sich der speziell in Bezug auf interkulturelle Unternehmenskultur relevante Einflussfaktor des Mutterunternehmens schließlich ebenfalls in verschiedenen interkulturell orientierten Untersuchungen nachweisen. Dabei erscheint der Einfluss des Mutterunternehmens zum einen innerhalb traditioneller Ansätze von Internationalisierungsstrategien als Referenz- und Bezugspunkt. Kulturelle Standardisierungen des Stammhauses wirken sich durch ihre Übertragung auf Tochterunternehmen prägend auf deren Unternehmenskultur aus (vgl. hierzu beispielhaft Schreyöggs strategische Alternative der „Universalkultur“, Schreyögg 1993, S. 154). Neuere Untersuchungen verweisen demgegenüber auch auf Einflüsse des Mutterunternehmens als Katalysator von Abgrenzungsmechanismen der lokalen Tochterunternehmen. So postuliert beispielsweise Buhr: „Lokale Integrationsleistungen werden [...] nur auf Kosten von Ausgrenzungen [vom Stammhaus] möglich“ (Buhr 1998, S. 241). Ein zusätzlicher Aspekt von Stammhauseinflüssen auf die Ausbildung von Unternehmenskultur innerhalb der Tochterunternehmen findet sich darüber hinaus bei Koot, der anhand verschiedener Fallstudien nachweist, wie die Erzeugung unternehmensinterner Konkurrenz zum Mutterunternehmen bzw. anderen Niederlassungen einerseits zu Produktivitätssteigerungen sowie andererseits zu einer Verstärkung der Identität der Tochterunternehmen führen kann (Koot 1997).

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

247

Neben der Identifikation verschiedener Einflussfaktoren unterscheidet das Modell zur Emergenz interkultureller Unternehmenskultur zwischen organisatorischen Rahmenbedingungen und Individuum als Einflussmedien, die als Träger von Kultur inhaltliche Einflüsse vermitteln. Diese Differenzierung wird notwendig, um den eingangs diskutierten Ansatz der Betrachtung von Unternehmenskultur als Wechselspiel von Gestaltung und Eigendynamik (siehe Einleitung Kapitel 5.), in das Emergenz-Modell zu integrieren. Die Unterscheidung in organisatorische Rahmenbedingungen und Individuum als Einflussmedien spiegelt damit einerseits den Aspekt formaler/gesteuerter und informeller/ungesteuerter Vermittlung kultureller Inhalte wider. Neben der Bestätigung einzelner Einflussfaktoren innerhalb der relevanten Literatur zeichnet sich das Modell insgesamt durch die grundsätzliche Berücksichtigung verschiedener Faktoren als Zusammenspiel aus. Es weist die Vielfalt der Umwelteinflüsse, der eine Entwicklung von Unternehmenskultur im interkulturellen Kontext ausgesetzt ist, nach und zeigt, dass eine konzeptuelle Konzentration auf einen oder wenige Faktoren eine zu starke Vereinfachung darstellt. Damit setzt es sich ab von Ansätzen, die versuchen, die Ausprägung interkultureller Unternehmenskultur auf wenige Einfluss-Alternativen zu beschränken. So identifiziert beispielsweise Schreyögg für ein Unternehmen, das Auslandsgesellschaften aufbaut, zwei strategische Optionen zur Gestaltung von Unternehmenskultur: „1. Die Auslandsgesellschaften entwickeln auf dem Hintergrund der jeweiligen Landeskulturen eigene Unternehmenskulturen (Pluralistische Unternehmenskultur) oder 2. In den Auslandsgesellschaften und im Stammhaus wird eine gemeinsame kohärente Gesamtkultur praktiziert (Universelle Unternehmenskultur).“ (Schreyögg 1993, S. 154).

Ein solcher Ansatz impliziert grundsätzlich die Annahme, dass eine einseitige Einflussnahme entweder durch die Kultur des Stammhauses oder die jeweilige Landeskultur möglich ist. Obwohl über das Medium organisatorischer Rahmenbedingungen sicherlich je nach strategischem Ansatz des Mutterunternehmens eine starke oder schwache gesteuerte Einflussnahme auf die Unternehmenskulturentwicklung des Tochterunternehmens ausgeübt werden kann, zeigt die vorliegende Untersuchung jedoch, dass unabhängig von dieser strategischen Ausrichtung der befragten Unternehmen trotzdem eine Vielzahl inhaltlicher Einflussfaktoren, insbesondere die Aspekte von Ursprungskultur, Kultur des Mutterunternehmens und Landeskultur, gleichzeitig und in vergleichbarem Maße über das Einflussmedium Individuum an der Unternehmenskulturentwicklung beteiligt sind. Ein Modell, das in der beschriebenen Form von eher ausschließlichen Kulturalternativen (hier „Pluralismus“ versus „Universalität“) ausgeht, beschränkt sich damit auf die Vorgabe organisatorischer Rahmenbedingungen als Kulturvermittler und vernachlässigt demnach das Individuum in seiner Wichtigkeit als Einflussmedium. Die theoretische Zuspitzung auf Idealtypen einer Unternehmenskulturgestaltung erweist sich damit in der Realität zum einen als nicht abbildbar und erscheint darüber hinaus auch als Leitvorstellung nicht uneingeschränkt sinnvoll. Da sich allein die Vielfalt unterschiedlicher Einflüsse als konsistent bei der Untersuchung der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur herausstellt, erscheint es im Hinblick auf mögliche Gestaltungskonzepte hilfreicher, diese Einflüsse bewusst anzuerkennen und systematisch zu differenzieren, um sie für eine erfolgreiche Unternehmenskulturgestaltung

248

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

nutzbar zu machen, anstatt sie zu übergehen und im Konfliktfall überraschend mit ihnen konfrontiert zu werden. Dabei liegt die Leistung des vorliegenden Modells nicht in der Identifikation einzelner Einflussfaktoren, die, wie gezeigt wurde, in ihrer Ausprägung und Wichtigkeit je nach interkulturellem Kontext und Unternehmen variieren können, sondern in der grundsätzlichen Diagnose und Anerkennung ihrer Pluralität, die von einem handlungsleitenden Konzept interkultureller Unternehmenskulturgestaltung berücksichtigt werden sollte (siehe Kapitel 6). 5.1.4.2. Diskussion der Dynamiken Das vorliegende Modell interkultureller Unternehmenskulturentwicklung beschreibt die prozessuale Einflussnahme der identifizierten Einflussfaktoren auf die Unternehmenskultur als differenzierte Entwicklungsdynamiken. Es lässt sich damit in Beziehung setzen mit dem Ansatz von Martin, die zur Beschreibung von Unternehmenskultur drei unterschiedliche Perspektiven von Unternehmenskultur unterscheidet und kontrastiert (Martin 1992, siehe auch Kapitel 3.2.1.3.). Die Dynamiken des vorliegenden Modells lassen sich dabei in ähnlicher Form in den einzelnen Perspektiven von Martin wiederfinden. So kann ihre „integration perspective“, die durch „organization-wide consensus, consistency, and clarity“ (Martin 1992, S. 45) gekennzeichnet ist, als Entsprechung zu den Dynamiken der Anpassung und Integration gedeutet werden, die ebenfalls auf die Herstellung eindeutiger Wahrheitsbestimmung entweder durch partielle Übernahme von Werten oder Verhaltensweisen oder durch gegenseitiges Kompromissverhalten abzielen. Ihre „differentiation perspective“ mit den Charakteristiken „inconsistency, subcultural consensus, and the relegation of ambiguity to the periphery of subcultures“ (Martin 1992, S. 83) kann in Beziehung zur Abwehrdynamik gesetzt werden, bei der ebenfalls Wahrheitsvorstellungen einzelner, hier: kultureller, Gruppen über Abgrenzungsmechanismen erhalten werden. Martins „fragmentation perspective“ schließlich mit ihrem Fokus auf „ambiguity, complexity of relationships among manifestations, and a multiplicity of interpretations that do not coalesce into a stable consensus“ (Martin 1992, S. 130) findet sich in Ansätzen innerhalb der Hybridisierungsdynamik wieder, die auf einer grundsätzlichen Anerkennung von Differenzen und dem Aushalten von Ambiguität beruht. Während Martin allerdings ihre drei Perspektiven statisch nebeneinander stellt als unterschiedliche, in sich konsistente aber jeweils unvollkommene Möglichkeiten, die Gesamtheit von Unternehmenskultur zu beschreiben, verfolgt das vorliegende Modell einen eher prozessualen Ansatz. Dabei wird nicht nach einer „neutralen“ Interpretationsperspektive als „Beschreibungsbrille“ gesucht, sondern versucht, ausgehend von den Aussagen der Befragten systematisch nach den jeweiligen situativ unterschiedlichen Perspektiven der handelnden Individuen zu differenzieren. Eine solche Vorgehensweise deutet sich bei Martin in dem Gedanken unterschiedlicher Virulenz der Perspektiven in Abhängigkeit von einzelnen Aspekten oder Elementen von Unternehmenskultur an: „If any cultural context is studied in enough depth, some things will be consistent, clear, and generate organization-wide consensus. Simultaneously, other aspects of the culture will coalesce within subcultural boundaries and still other elements of the culture will be fragmented, in a state of constant flux, and infused with confusion, doubt, and paradox.“ (Martin 1992, S. 4)

249

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

Bei der Differenzierung in vier Einflussdynamiken handelt es sich daher einerseits um eine gesamthafte Berücksichtigung der unterschiedlichen Perspektiven aus Martins Paradigma. Andererseits bildet ein grundsätzlich pluralistischer Blickwinkel, der eine Einheitlichkeit der Erklärung von Unternehmenskultur aufgibt, die Voraussetzung für eine solche Integration innerhalb des Modells, das damit vor allem auf der „fragmentation“- oder Komplexitäts-Perspektive (siehe Kapitel 3.2.1.3.) aufbaut. Eine Grundvoraussetzung für die unterschiedliche Wirksamkeit der beobachteten Dynamiken bildet

die

Identifikation

der

Individuen

mit

unterschiedlichen

Kollektiven

(z.B.

Unternehmenskollektiv, Kollektiv der Tochterunternehmens, ethnische Zugehörigkeit etc.), ein Ansatz der auf klassischen sozialpsychologischen Konzepten der Gruppenzugehörigkeit mit ihrer Einteilung in „in-groups“ und „out-groups“ aufbaut.43 Das Modell greift darüber hinaus zurück auf den Ansatz einer additiven Multikollektivität der Individuen (Hansen 2000, S. 195) in komplexeren Gesellschaften, auf den schon Allen/Wilder/Atkinson hinweisen: „An industrial society produces social fragmentation, division of labor, and a heterogeneity of interests; as a consequence social identity is determined by membership in many different types of groups.“ (Allen/Wilder/Atkinson 1983, S. 96)

Der Ansatz des Modells, die verschiedenen Entwicklungsdynamiken auf unterschiedliche Wahrheitsvorstellungen zurückzuführen, die sich jeweils in verschiedenen Situationen durchsetzen, lässt sich dabei in neueren Konzepten von Unternehmenskultur wiederfinden, die auf der Diagnose der Multikollektivität aller Mitarbeiter aufbauen, wie beispielsweise Hernes Studie zur „Multigroup Membership“ in Krankenhäusern (Hernes 1997) sowie Dahler-Larsens Untersuchung instabiler „We-typifications“ (Dahler-Larsen 1997) innerhalb einer Fluggesellschaft, die eine organisationsbezogene Entsprechung zu sozialpsychologischen „in-groups“ darstellen. Die Charakterisierung der individuellen Zugehörigkeit zu bestimmten Kollektiven als fluktuierend und situativ aktualisierbar entspricht dabei im Modell dem Auftreten unterschiedlicher Dynamiken, bei dem beispielsweise in einem Fall die Zugehörigkeit zum Unternehmenskollektiv überwiegt und für Anpassung und Unterordnung sorgt, im anderen Fall z.B. die Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe Vorrang einnimmt und zu Abrenzungserscheinungen führt. Die im einzelnen identifizierten Dynamiken finden als Übertragung auf den Bereich der Unternehmenskultur teilweise Entsprechungen in inhaltlich verwandten Konzepten zur Konfliktbewältigung (vgl. Thomas 1976), die beispielsweise Konfliktstrategien von „Kooperation“, „Kompromiss“, „Anpassung“, „Rückzug“ und „Kampf“ (vgl Kirkbridge/Tang/Westwood 1991, S. 371, Kiechl 1990, S. 48, sowie Stüdlein 1997, S. 349) unterscheiden. Die Konfliktstrategie der „Anpassung“ lässt sich dabei direkt mit der Anpassungsdynamik des Modells in Beziehung setzen, „Kooperation“ und „Kompromiss“ erweisen sich als vergleichbar mit der Integrationsdynamik

43

Das Konzept der „in“- und „out-groups“ geht zurück auf sozialpsychologische Untersuchungen zur Gruppenzugehörigkeit, i.e. „social identity theory“ (SIT) (vgl. Hogg/Abrams 1988, Tajfel 1982) sowie „self-categorization theory“ (SCT) (vgl. Turner et al. 1987), die Gruppenverhalten auf einfache Gruppenzugehörigkeit („group categorization“) zurückführen (vgl. Übertragung des Konzepts auf die Organisationswissenschaften durch Ashforth/Mael 1989).

250

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

und die Dynamik der Abwehr findet sich annäherungsweise in den Strategien von „Kampf“ bzw. „Rückzug“. Eine Übertragung herkömmlicher Konfliktmodelle auf den Bereich der Interkulturalität liefert Adler mit ihren „Global Strategic Options“ (Adler 2002, S. 125ff.) aus „Cultural Dominance“, „Cultural Avoidance“, „Cultural Accomodation“, „Cultural Compromise“ und „Cultural Synergy“. Dabei lassen sich in den Strategien von „dominance“/„accomodation“ bzw. „compromise“/„synergy“ Ähnlichkeiten zu den beobachteten Dynamiken der Anpassung bzw. Integration entdecken. Ein ähnliches „Modell der kulturadäquaten Führung“ beschreibt Hoecklin (1995, S. 81). Dabei wird anhand eines Entscheidungsbaums je nach Problemlage eine differenzierte Management-Entscheidung angestrebt. Die einzelnen Entscheidungsoptionen „Die anderen lernen von uns“, „Wir lernen gegenseitig voneinander“, „Jeder lernt etwas Neues“ und „Wir lernen von den anderen“, weisen dabei ebenfalls Ähnlichkeiten mit den identifizierten Dynamiken der Anpassung und Integration auf. Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass solche oder ähnliche Konflikt- und Entscheidungsmodelle zumeist von der Perspektive des Individuums ausgehen, dem verschiedene strategische Optionen als Handlungsalternativen zur Verfügung stehen, während die Dynamiken des vorliegenden Modells eher die übergeordnete, prozessuale Perspektive der Unternehmenskulturentwicklung einnehmen. Es fällt darüber hinaus auf, dass sich ein Pendant zu der im interkulturellen Kontext beobachteten Dynamik der Hybridisierung und Abwehr innerhalb herkömmlicher Konfliktlösungskonzepte nicht nachweisen lässt. Hier demonstriert sich einmal mehr die Sonderstellung der Interkulturalität mit ihren typischen Situationen der Unüberbrückbarkeit von Differenzen, für die von den handelnden Individuen spezielle Bewältigungsmechanismen entwickelt werden müssen. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass die Beobachtung einer gleichzeitigen Existenz verschiedener Einflussdynamiken und die jeweilige Anerkennung ihrer spezifischen Vorteile für die Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur in starkem Kontrast steht zu verbreiteten betriebswirtschaftlichen Internationalisierungsstrategien (vgl. Schreyögg 1993, Adler 1980, Heenan/Perlmutter 1979, siehe auch Kapitel 5.1.4.2.1. und 5.1.4.2.2.), die sich mit ihren Argumentationen zur unternehmensinternen internationalen Vorgabe von Werten und Verhaltensweisen inhaltlich ebenfalls mit der Ausbildung interkultureller Unternehmenskultur beschäftigen. Mit ihrer Tendenz, je nach Ansicht der Autoren die Vorgabe von Rahmenbedingungen grundsätzlich auf einer bestimmten Ebene (z.B. zentral durch das Mutterunternehmen oder dezentral durch die Tochterunternehmen) anzusiedeln, verfolgen sie häufig einen „one best way approach“ (Koot 1997, S. 331), der zu idealtypischen aber unrealistischen Vereinfachungen führen kann: „[These] ‘academic’ expositions on intercultural management bear an ideological stamp [...]. [Ideals] are presented, whereas processes related to culture and ethnicity are left unanalyzed […]. There seems to be a wish to ‘sell’ one’s own success model […].” (Koot 1997, S. 331)

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

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Die beobachteten Dynamiken des vorliegenden Modells zollen der geforderten Prozessualität von interkultureller Unternehmensführung demgegenüber Rechnung und stellen die Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur als Kontinuum verschiedener Einflusssphären dar, die sich situativ abwechseln oder durchdringen können. Aus diesem Ansatz ergibt sich dann folgerichtig auch ein verändertes Verständnis von interkultureller Synergie. Während die genannten Konzepte zur internationalen Unternehmensführung einzelne Dynamiken (z.B. gegenseitige Anpassung, vgl. auch Kapitel 5.1.4.2.1.) favorisieren und als Grundlage zur Realisierung von Synergien betrachten, gesteht das vorliegende Modell allen identifizierten Dynamiken in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation ihre Berechtigung und Sinnhaftigkeit bei der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur zu. Ihre situativ angemessene Realisierung wird damit als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der interkulturellen Unternehmenskultur betrachtet. Synergien, wie die im deutsch-thailändischen Verhältnis beschriebenen Phänomene der Loyalität, Innovation und Emanzipation (vgl. Kapitel 4.2.2.), entstehen somit quasi als „Nebeneffekt“ einer solchen Funktionsfähigkeit, sie lassen sich jedoch nicht, wie es die erwähnten betriebswirtschaftlichen Konzepte suggerieren, durch die Anwendung idealtypischer „one best way approaches“ organisatorisch beschließen oder planen.

5.1.4.2.1 Anpassung Die bereits erwähnten wichtigsten Ansätze zu internationalen Führungsstrategien enthalten als Mechanismus unternehmenskultureller Einflussnahme implizit vor allem die identifizierte Dynamik der Anpassung. So unterscheiden beispielsweise Heenan/Perlmutter (1979) vier Formen internationaler Konzernführung (ethnozentrische Orientierung, polyzentrische Orientierung, regio- und geozentrische Orientierung), die sich primär in der unterschiedlichen Zuordnung der Führungshoheit zu bestimmten Unternehmensebenen unterscheiden. Während beispielsweise eine ethnozentrische Orientierung die Vorgabe kultureller Rahmenbedingungen auf der Ebene der Konzernzentrale ansiedelt oder eine polyzentrische Orientierung dies eher an die einzelnen lokalen Tochtergesellschaften deligiert, wird grundsätzlich von einer einheitlichen Dynamik der Anpassung in die eine oder andere Richtung ausgegangen. Auch Schreyöggs beschriebene Unterscheidung in universelle und pluralistische Unternehmenskulturen (Schreyögg 1993) geht mit ihrer Dominanz von Unternehmenswerten und -verhaltensweisen durch das Mutterhaus oder die regionalen Niederlassungen grundsätzlich von Dynamik der Anpassung in die eine oder andere Richtung aus. Betriebswirtschaftliche Ansätze beschreiben und fordern also vor allem eine Dynamik der Anpassung, die auf diese Weise ihre theoretische Bestätigung erhält. Sie beleuchten jedoch darüber hinaus kaum weitere Möglichkeiten der prozessualen inhaltlichen Ausprägung von Unternehmenskultur. Das Modell von Adler (1980) mit seiner Unterscheidung u.a. in ein kulturelles Dominanz-Modell und ein kulturelles Kompromiss-Modell beschreibt ebenfalls die identifizierte AnpassungsDynamik. So wird im ersten Fall das Führungskonzept der Muttergesellschaft gesamthaft auf

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alle Tochtergesellschaften im Ausland übertragen und damit ein lokaler Anpassungsdruck erzeugt. Im zweiten Fall wird situativ nach Kompromissen zwischen Mutter- und Tochterunternehmen gesucht, so dass es zu einer abwechselnden Anpassung auf beiden Seiten kommt. Darüber hinaus enthält der Ansatz zusätzlich die Alternative eines kulturellen Synergie-Modells (siehe Kapitel 5.1.4.2.2.), eine strategische Option der Internationalisierung, die jedoch eine stärkere Verwandtschaft zur im Folgenden diskutierten Integrationsdynamik aufweist.

5.1.4.2.2 Integration Auch die beobachtete Dynamik der Integration findet ihre Entsprechung innerhalb bestehender, häufig stärker soziologisch motivierter Konzepte interkultureller Unternehmenskultur. So stellt beispielsweise das von Adler favorisierte kulturelle Synergie-Modell (Adler 2002, S. 114) bei genauerer Betrachtung eine Beschreibung der identifizierten Integrations-Dynamik dar. Der vorgeschlagene Prozess zur Realisierung kultureller Synergien bestehend aus einer Bestandsaufnahme von Konfliktpotentialen, interkultureller Interpretation und Bestimmung potentieller Lösungsmöglichkeiten zeigt, dass es sich hier im Gegensatz zur Erzeugung von Synergie eher um eine gegenseitige Annäherung von Verhaltensweisen handelt, die der identifizierten Integrations-Dynamik ähnlich sind. So zeigt Adlers Beispiel einer interkulturell adäquaten Festsetzung eines Liefertermins (Adler 1980, nach: Adler 2002, S. 124), wie durch Integration von japanischen und amerikanischen Verhaltensweisen zwar ein neuer funktionsfähiger Arbeitsprozess entstehen kann. Die interkulturelle Akzeptanz und Erfüllung eines Liefertermins kann jedoch nicht als Synergie im eigentlichen Sinn bezeichnet werden, da keine in der Interkultur begründete, einer intrakulturellen Umsetzung überlegene Optimierung stattfindet. Auch das Konzept von Doppler (1994) baut im Kern auf einer Anwendung der beobachteten Integrationsdynamik auf. So plädiert Doppler in seinen Vorschlägen zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur für einen Ansatz, der im Gegensatz zur Anpassungsforderung verbreiteter betriebswirtschaftlicher Konzepte die Berücksichtigung eines integrativen Vorgehens, bei dem beide Seiten „integer“ (=unversehrt) bleiben, sich also ein gegenseitiges Entgegenkommen vollzieht, bei dem im eigentlichen Wortsinn von Integration „eine neue Gestalt“ (Doppler 1994, S. 181) hergestellt wird. Mit seinem Vorschlag der Gestaltung von Unternehmenskultur durch integrative „psychologische und kommunikative Prozesse“ (Doppler 1994, S. 184) rückt er damit in die Nähe der beschriebenen Integrations-Dynamik, sie bleibt jedoch innerhalb seines Modells wiederum die einzige, bzw. die favorisierte, Ausprägung denkbarer kultureller Einflussmechanismen. Theoretische Grundlagen für die innerhalb existierender Praxis-Konzepte nachgewiesene Integrations-Dynamik finden sich vor allem in den interkulturellen Konzepten von Abweichungstoleranz und Akkommodation (vgl. Knapp 1999). Dabei wird unter Abweichungstoleranz, „umgangssprachlich auch als ‚Ausländerbonus’ bekannt“ (Knapp 1999, S. 19), gemeinhin das Phänomen verstanden, dass nicht jede Abweichung von kulturellen Erwartungen notwendigerweise zum interkulturellen Konflikt führt, sondern abweichendes Verhalten innerhalb eines Toleranz-

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rahmens akzeptiert wird. Als Akkommodationsprozesse bezeichnet man demgegenüber die häufig stereotype Einstellung auf die angenommene kulturelle Andersartigkeit des Kommunikationspartners (Knapp 1999, S. 19). Beide Erscheinungsformen erweisen sich dabei nach Knapp zwar als „nicht einklagbar und ihr Vorkommen nicht antizipierbar“ (Knapp 1999, S. 19), ihre Beobachtung im Rahmen der Untersuchung (siehe Kapitel 5.1.3.3.) kann jedoch als Basis für das Entstehen von Integrations-Dynamiken bewertet werden, bei denen sich beide Kommunikationspartner innerhalb vorhandener Toleranzgrenzen einander annähern und auf diese Weise spezifisch interkulturelle, funktionsfähige Verhaltensweisen entwickeln können. Knapp bezeichnet die Ergebnisse solcher Integrations-Dynamiken entsprechend als „Mischformen“, die er als „Prototypen gelungener interkultureller Kommunikation ansieht, bei der es dazu gekommen ist, daß die Beteiligten durch wechselseitige Akkommodationen eine neue, eigenständige ‚dritte Kultur’ geschaffen haben“ (Knapp 1999, S. 20). Eine solche ‚Dritte Kultur’ kann somit als Entsprechung zu den identifizierten, aus Integrations-Dynamiken hervorgegangenen interkulturellen Arbeitsprozessen gewertet werden. Während die Dynamik der Integration innerhalb internationaler Führungskonzepte und Interkulturalitätsforschung also teilweise ihren Niederschlag findet, erweist sich ihre systematische Berücksichtigung innerhalb praktischer Management-Ratgeber, beispielsweise zum Thema thailändischer Wirtschaftskultur, jedoch als selten. Einzelne Beispiele, wie die von Holmes/Tangtongtavy entwickelte Liste mit Ratschlägen zur interkulturellen Gestaltung eines Meetings mit thailändischen Mitarbeitern (Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 94) gehen dabei vor allem von einer ausschließlichen Verhaltensangleichung der Expatriate-Manager aus und berücksichtigen nicht die Möglichkeit beidseitiger Akkommodation als Voraussetzung für die Herausbildung eines gemeinsamen neuen Sinnzusammenhangs, wie ihn die beobachtete IntegrationsDynamik mit sich bringt.

5.1.4.2.3 Abwehr Theoretische Ansätze für die identifizierte Abwehr-Dynamik finden sich innerhalb der soziologischen Literatur sowie in kommunikationswissenschaftlichen Interkulturalitätstheorien. So diagnostiziert beispielsweise Leach aus sozialanthropologischer Sicht Grenzziehungen des Individuums als „soziale Raum-Zeit-Zonen“ (Leach 1978, S. 48), und Goffman spricht in ähnlicher Form von einem „Territorium des Selbst“ (Goffman 1982, S. 54), das als bedroht erscheinen kann, wenn der Identitätsraum des Individuums entgegen herrschender Normalitätserwartungen extern bedrängt wird. Bolten greift mit seiner Theorie „territorialer Übertretungen“ auf diese Ansätze zurück und überträgt sie in Anlehnung an Goffman auf interkulturelle Interaktionen: „Stehen [...] ritualisierte Reparaturmechanismen in selbstregulierender Form jedoch nicht zur Verfügung, wird die Handlung als territoriale Übertretung bewußt und mit entsprechenden Abwehrmaßnahmen geahndet.“ (Bolten 1999a, S. 35)

Während die identifizierten Dynamiken der Anpassung und Integration, wie gezeigt wurde, innerhalb relevanter Management-Konzepte häufig beschrieben oder gefordert werden, ist der beobachtete Aspekt der Abwehr dort jedoch entweder gar nicht oder als Störfaktor zu finden,

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den es im Sinne reibungsloser interkultureller Zusammenarbeit generell zu vermeiden oder zu beheben gilt. Einen möglichen Grund für die Vernachlässigung interkultureller Abwehr- oder Abgrenzungsmechanismen innerhalb bestehender Management-Konzepte könnte die von Hansen diagnostizierte „Kultureuphorie“ (Hansen 2000, S. 333) darstellen, die aufgrund hermeneutischer Deutungsansätze von Interkulturalität als primär positiv konturierte „Horizonterweiterung“ und bereichernde Synergiequelle ignoriert, dass „uns bei Auslandskontakten auch Abstoßendes begegnet“ (Hansen 2000 S. 332). Einige Erfahrungen deutscher Manager in Thailand, wie die Episode des Handgranatenanschlags oder die Verknüpfung von Geschäftlichem mit Prostitution (siehe Kapitel 5.1.3.2.), seien hier beispielhaft erwähnt. Hansen wirft in diesem Zusammenhang die provokante Frage auf: „In welchem Buch über Interkulturalität fände man heute ein Kapitel über mögliche Gefahren?“ (Hansen 2000, S. 333). Im Rahmen eines explizit differenzorientierten Konzepts müssen Aspekte der Abwehr als Ausdruck identitätsbedrohender Differenzen jedoch besondere Aufmerksamkeit erhalten. Die ausdrückliche Berücksichtigung und Integration von individuellen Abwehrdynamiken in ein Gesamtkonzept der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur scheint dabei eine neuartige Herangehensweise darzustellen.

5.1.4.2.4 Hybridisierung Die beobachtete Einflussdynamik der Hybridisierung bestätigt in ihren Ausprägungen Ansätze differenzorientierter Kulturkonzepte, die unter bestimmten Bedingungen von einer Möglichkeit kultureller Durchdringung ohne wechselseitige Anpassung ausgehen: „Man scheint interkulturell zusammenleben zu können, ohne konzeptionell etwas gemeinsam haben zu müssen. Eines ist hierfür jedoch Voraussetzung: die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen kulturellen Autonomie [...].“ (Drechsel/Schmidt/Gölz 2000, S. 2)

Drechsel/Schmidt/Gölz stellen dabei verschiedene Gedankenexperimente an, die mit Mitteln der Logik illustrieren, wie kulturelle Annäherung verwirrenderweise zur gleichzeitigen Schärfung und Intensivierung kultureller Differenzen führt. „Stellen wir uns zwei reflexive Kulturen A und B vor. Menschen beider Kulturen sind bemüht, mit Menschen der jeweils anderen Kultur interkulturelle Beziehungen einzugehen, ohne jedoch ihre unterschiedlichen kulturellen Identitäten A oder B aufgeben zu wollen. Die unterschiedlichen kulturellen Identitäten werden durch ihre Differenzen konstituiert und garantiert. Wenn nun [...] die interkulturellen Gemeinsamkeiten zwar zunehmen, und die Differenzen dennoch bestehen bleiben sollen, damit die jeweiligen kulturellen Identitäten erhalten bleiben, dann folgt, dass mit den Gemeinsamkeiten auch die Differenzen intensiviert werden und sogar zunehmen müssen, weil sonst A in B oder B in A aufgehen würde.“ (Drechsel/Schmidt/Gölz 2000, S. 19)

Kulturelle Kohäsion wird auf diese Weise gleichermaßen auf Integration und Differenzierung zurückführbar, ein Phänomen, das Drechsel/Schmidt/Gölz als Paradoxon der Globalisierung bezeichnen (Drechsel/Schmidt/Gölz 2000, S. 20). In einem Rückgriff auf Eco (1997) postulieren sie in diesem Zusammenhang: „Es gibt ein interkulturelles Verstehen des Nicht-Verstehens“ (Drechsel/Schmidt/Gölz 2000, S. 3).

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Hier deutet sich der im Rahmen der Untersuchung interkultureller Unternehmenskultur beobachtete Hybridisierungs-Aspekt der Unterstützung des Unverständlichen als theoretisches Konzept an, der zu verstärkter Unternehmens-Kohäsion führen kann. Der gewählte Begriff der Hybridisierung oder Hybridbildung im Zusammenhang mit interkultureller Unternehmenskultur ist dabei nicht neu. So spricht bereits Fung von einer „strategy of hybridization“ als Leit-Konzept zur Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur, die durch gegenseitige Anpassung gekennzeichnet ist, ohne dass eine der beiden Seiten die eigene Identität aufgibt: „Adaptation to cultural differences becomes a two-way process, which means that western management to some extent adjusts the company’s policies and procedures to local circumstances, while locals to some degree accommodate to the requirements of the corporate strategies and procedures” (Fung 1995, S. 65)

Eine solche Hybridisierung entspricht dabei jedoch eher einer Verbindung der identifizierten Dynamiken aus Anpassung und Integration, die hier zu einem Gesamtkonzept verwoben werden. Auch Morosini verwendet den Begriff einer Hybridkultur in Anlehnung an das Bild einer biologischen Hybrid-Zelle für die Verschmelzung zweier Unternehmenskulturen (siehe auch Kapitel 3.2.2.1.): „Cells are the constitutive elements of all living organisms. […] [Biologists] have developed the process of “cell fusion”, to come up with a different kind of cells. By ‘fusing’ a human cell with, for instance, a mouse tumor cell, the resulting hybrid cell can have some enormous advantages over either ‘parent’ […]. Similar to the ‘cell fusion’ process, the main general purpose […] is to create a new, hybrid entity that combines the strengths of both merging parents while minimizing their weaknesses.” (Morosini 2001a, S. 458 f.).

Bei näherer Betrachtung handelt es sich hier jedoch nicht um ein vergleichbares Hybridisierungskonzept, das von einer Anerkennung von Differenzen ausgeht, sondern im Gegenteil um ein Integrationskonzept, das mit dem Ziel der Realisierung von Synergien auf eine Vereinheitlichung von Unternehmenskultur abzielt (siehe Kapitel 3.2.2.1.). Es rückt damit in die Nähe von Adlers Konzept des kulturellen „Synergie-Modells“ und besitzt kaum Gemeinsamkeiten mit der identifizierten Hybridisierungs-Dynamik. Darüber hinaus lassen sich Hybridisierungsdynamiken nach hier beschriebenem Verständnis als Teilaspekte interkultureller Kommunikation in Unternehmen darüber hinaus in der eher betriebswirtschaftlichen Literatur kaum nachweisen. 5.2. Gestaltungsansätze interkultureller Unternehmenskultur Als komplementäre Ergänzung zur eigendynamischen Komponente der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur, deren emergenter Charakter anhand eines kommunikativen Prozessmodells vorgestellt wurde (siehe Kapitel 5.1.), soll der Untersuchungsfokus im Folgenden auf die gestaltungsdynamische Komponente deutsch-thailändischer Unternehmenskultur gelenkt werden.

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Dabei beschäftigt sich die anschließende Analyse vor allem mit den Aussagen der deutschen Unternehmensführung, die aufgrund ihrer hierarchischen Stellung als primärer Gestalter von Unternehmenskultur betrachtet wird. Zur Identifikation und Beschreibung vorhandener Gestaltungsansätze interkultureller Unternehmenskultur widmet sich der folgende Abschnitt dabei besonders den meta-kommunikativen Äußerungen der deutschen Geschäftsführung und des leitenden Managements zu ihren Vorstellungen von interkultureller Unternehmenskultur, indem zunächst existierende Leitbilder von Unternehmenskultur und Interkulturalität untersucht werden. Unter dem Begriff des Leitbildes sollen in diesem Zusammenhang mit Buhr Orientierungen verstanden werden, „die das Denken, Fühlen und Handeln strukturieren und steuern und dadurch den Alltag organisieren helfen“ (Buhr 1998, S. 86, vgl. hierzu auch Auernheimer 1989 und Dierkes/Hoffmann/Marz 1992, S. 44). Ein Leitbild kann danach individuelle Orientierungen zusammenfassen oder auch kollektiven Deutungsmustern entsprechen. So werden im Kontext von Unternehmensführung unter dem Leitbildbegriff auf Basis der Annahme, kulturelle Orientierungen des Unternehmens seien durch das Management zu gestalten, vor allem Elemente einer solchen Unternehmenskulturstrategie verstanden (vgl. Matje 1996, Wunderer/Klimecki 1990). Für die vorliegende Untersuchung eignet sich der Begriff des Leitbilds zur Beschreibung vorhandener Vorstellungen der befragten Manager zu Unternehmenskultur, Interkulturalität sowie interkultureller Unternehmenskultur besonders, weil in ihm Situationsbeschreibung und Zielvorstellung ineinander greifen und die identifizierte Dialektik aus Eigen- und Gestaltungsdynamik interkultureller Unternehmenskultur damit erhalten bleibt. Auf der Grundlage der vorhandenen Leitbilder wird im Folgenden daher eine Typologie interkultureller Unternehmenskulturgestaltung mit ihren dazugehörigen Führungsrollen entwickelt. Auf dieser Basis wird dann in einem abschließenden Schritt der Versuch unternommen, vorhandene Vorstellungen der Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur zu systematisieren und damit die Voraussetzung für die Entwicklung eines Management-Konzepts interkultureller Unternehmenskulturgestaltung zu schaffen (siehe Kapitel 6). 5.2.1. Leitbilder von Unternehmenskultur Die innerhalb der Gruppe der befragten deutschen Manager vorhandenen Leitvorstellungen zum Begriff der Unternehmenskultur sollen im Folgenden hinsichtlich der unterstellten Inhalte und Funktion von Unternehmenskultur, der Einschätzung ihrer Gestaltbarkeit sowie der bevorzugten Gestaltungsweise analysiert werden. Dabei fällt insgesamt auf, dass in Bezug auf die Inhalte, Funktion und Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur eine überraschende Einheitlichkeit innerhalb der Vorstellungswelt der Befragten zu existieren scheint, während sich in Bezug auf die Gestaltungsweise zwei gegensätzliche Ansätze unterscheiden lassen.

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5.2.1.1. Inhalte und Funktion Bei der Betrachtung der Inhalte von Unternehmenskultur betonen die befragten Manager im Allgemeinen eine Verbindung aus gemeinsamen kognitiven Vorstellungen und manifesten Handlungsäußerungen, die den Unternehmensalltag steuern und prägen. Diese Vorstellung eines Kontinuums aus Werten und Verhaltensweisen lässt sich durchgehend nachweisen. So enthalten auch Äußerungen zur Unternehmenskultur, die zunächst eher kognitiv geprägt sind („Unternehmensdenke“) meistens einen konkreten Handlungsbezug und gehen dabei oft von einer kausalen Verbindung zwischen geistiger Vorstellung und praktischer Anwendung aus: „Unternehmensdenke finde ich eigentlich ein besseres Wort als Unternehmenskultur. [Wenn Sie von ‚Denke’ sprechen, findet Unternehmenskultur dann eher im Kopf statt?] Ja klar, nur das kann ich vermitteln. Ich kann niemandem etwas beibringen, wenn das für ihn völlig bedeutungslos ist. Das muss ja nachvollziehbar sein. Nur wenn ich verstanden habe, wie das Unternehmen denkt, kann ich auch entsprechend handeln.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Zur Beschreibung der Funktionsweise von Unternehmenskultur verwenden die Befragten häufig den Begriff des „Systems“: „Unternehmenskulturen müssen wahrscheinlich [...] als Systeme gesehen werden.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Der Systembegriff wird dabei häufig synonym für ein als „Großes Ganzes“ empfundenes Phänomen gebraucht, das durch das Zusammenspiel aus Vorstellungen und Verhaltensweisen mit komplexen Ursache-Wirkungszusammenhängen kennzeichnet ist. Dabei wird das „System“ Unternehmenskultur häufig in Analogie zur Nationalkultur betrachtet und als geschichtlich gewachsen beschrieben: „[Natürlich hat] jedes Unternehmen seine eigene Historie. Ja, fast Kulturgeschichte.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Unternehmenskultur wird hier also im Sinne von Smircichs „root metaphor“ (siehe 3.2.1.2.) als individuell sich entwickelnde Kultur verstanden, die als „Wurzel“ allen Eigenschaften des Unternehmens zugrunde liegt. Unter den deutschen Managern in Thailand dominiert im Gegensatz zur Vorstellung von Unternehmenskultur als beliebiger Variable, die ein Unternehmen „hat“, daher eher das Leitbild von Unternehmenskultur, die ein Unternehmen „ist“. Die Geschichte des Unternehmens, bestimmte Ereignisse, Entwicklungen oder Persönlichkeiten prägen dabei die Unternehmenskultur und bringen bestimmte langfristig stabile Unternehmensgewohnheiten (im Sinne von Standardisierungen) hervor. Da Unternehmenskultur von den meisten Befragten in diesem Sinne als „Wurzel“ verstanden wird, wird die Funktionsfähigkeit von Unternehmenskultur dementsprechend, auch im interkulturellen Kontext, als eine notwendige Voraussetzung für den Unternehmenserfolg gewertet. 5.2.1.2. Gestaltbarkeit Wie bereits gezeigt wurde (siehe Kapitel 3.2.1.2.), sind die Antworten zur Funktion von Unternehmenskultur eng verknüpft mit der Vorstellung ihrer Gestaltbarkeit. Da sich die deutschen Manager weitgehend einig sind in Bezug auf ihre Vorstellung von Unternehmenskultur als ge-

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wachsenem System, diagnostizieren sie in Bezug auf die Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur auch folgerichtig grundsätzlich eingeschränkte Einflussmöglichkeiten. Die empfundene Einschränkung eigener Gestaltungsmöglichkeiten wird dabei häufig mit der Trägheit des gewachsenen Systems begründet, dessen langfristig entwickelte Gewohnheiten als nicht ad hoc manipulierbar eingeschätzt werden: „Ich glaube, man kann Unternehmenskultur nur zu einem Teil verändern. Wenn Sie zum Beispiel bestimmte gelebte Rituale haben, gerade der Mitarbeiter, die schon länger dabei sind, dann ist das sehr schwierig, so etwas zu verändern.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Ein Unterschätzen der Schwerfälligkeit des „Koloss“ Unternehmenskultur führt dabei nach Ansicht vieler Manager dazu, dass halbherzige Versuche der Einflussnahme „verpuffen“, weil sie keine ausreichende Resonanz innerhalb des Systems erzeugen können: „Manche Dinge kann ich verändern, manche nicht. So eine Unternehmensstruktur bildet sich aus der Geschichte des Unternehmens heraus. Wenn ich heute 1000 Mitarbeiter habe, die kann ich nicht von heute auf morgen umkrempeln und auf ein neues Ziel ausrichten. Ich kann vielleicht mal neue Ziele formulieren, aber da hängt dann ja ein ganzer Tross dahinter. Deswegen bilden sich ja oft Wellen im Unternehmen, die dann aber verpuffen.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Trotz der grundsätzlichen Empfindung der Einschränkung eigener Gestaltungsmöglichkeiten identifizieren die Befragten verschiedene Ansätze, die eine Einflussnahme seitens der Unternehmensleitung unter bestimmten Bedingungen ermöglichen können. Im Mittelpunkt dieser Einflusspotentiale steht der Ansatz des Verhaltensangebots, das von der Unternehmensleitung in Form kommunikativer Anregungen, Planungs- und Zielvorstellungen oder Visionen ausgehen kann und vom Unternehmen umgesetzt oder nicht umgesetzt wird: „Wir können zwar die Rahmenbedingungen gestalten. Wir können auch Dinge anbieten, die dann auch aufgenommen werden oder manchmal eben nicht aufgenommen werden.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Als Gegenstück zum Angebot wird die normative Aufstellung von Vorgaben seitens der Unternehmensführung betrachtet, die, sofern sie mit genügend Nachdruck und Hartnäckigkeit verfolgt wird, auch als einflusswirksam eingeschätzt wird: „[Und warum setzen sich manche Dinge dann doch durch?] Ein Grund ist sicherlich, mit wie viel Druck so etwas von oben immer wieder betrieben wird. Zum Beispiel das Thema Sicherheit, das ist immer wieder angestoßen worden und von oben nach unten in der Organisation verankert worden. Da wird auch jeder Betriebsleiter dran gemessen. Während zum Beispiel das Thema [...], das war mal so eine Idee, die ist dann aber nicht konsequent verfolgt worden. Es gab da zwar Hochglanzbroschüren, aber ...“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Einen dritten Bereich erfolgreicher Einflussnahme der Unternehmensleitung auf die Unternehmenskultur stellt aus Sicht der deutschen Manager der Eingriff bei Problemen dar. In diesem Fall wird die Veränderung der Unternehmenskultur als reaktives Gegensteuern betrachtet, das bei allgemeiner Übereinstimmung der Problemdiagnose und damit verbundener Einsicht in die Notwendigkeit zur Veränderung kulturelle Anpassungen auslösen kann:

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„Wenn Sie aber entdecken, dass es in bestimmten Bereichen vielleicht Frustpotentiale gibt und Sie finden heraus, woran das liegt, dann können Sie dort durchaus auch die Kultur verändern.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

5.2.1.3. Gestaltungsmodus Während in Bezug auf Inhalte, Funktion und Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur weitgehende Einigkeit auf Seiten der deutschen Manager besteht, lassen sich bei der Frage nach der Gestaltungsweise von Unternehmenskultur zwei unterschiedliche Ansätze identifizieren. Dabei können die Befragten in zwei Gruppen eingeteilt werden, deren Herangehensweise zum einen durch Intuition und zum anderen durch Systematik gekennzeichnet ist. Eine eher intuitive Gestaltung von Unternehmenskultur zeichnet sich dabei zum einen durch tendenzielle Gefühlsbezogenheit aus, die einen grundsätzlich empathischen Ansatz favorisiert, bei dem die Vermittlung von authentischer Anteilnahme und Fürsorge für die Mitarbeiter im Mittelpunkt steht: „Meine Philosophie ist eigentlich, wenn sie den Leuten ein gutes Gefühl geben, dass sie sich für sie einsetzen, sich um sie sorgen, die Arbeit geht dann automatisch.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Ein solcher Ansatz setzt sich darüber hinaus fort in einer starken Ausrichtung eigener Gestaltungsmöglichkeiten auf den Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen mit dem Ziel, ein allgemeines Wohlfühlen zu erzielen: „Ich habe immer so ein bisschen Probleme mit Unternehmenskultur. Eigentlich hat das Wort keine Bedeutung für mich. Mir sind eher einfach die zwischenmenschlichen Beziehungen wichtig. Und diese Beziehungen unterstütze ich natürlich ganz klar. Dass eine Bindung zwischen den Mitarbeitern gefestigt wird.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Hierbei zeigt sich oft eine explizite Ablehnung des Begriffs Unternehmenskultur und einer damit verbundenen, als zu ausgeprägt empfundenen Intellektualisierung des beschriebenen Phänomens. Demgegenüber wird die persönliche Einstellung der Unternehmensleitung, ihr authentisches Bemühen, als entscheidend für die Funktionsfähigkeit einer Unternehmenskultur geschildert: „Ich mache mir da nicht so viele Gedanken, ich glaube, wenn man sich entsprechend für die Mitarbeiter einsetzt und sich drum kümmert, dann fallen kulturelle Unterschiede am Ende gar nicht so stark ins Gewicht. Aber man muss sich wirklich einsetzen. Da gibt's keine Frage.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Vielfach wird in diesem Zusammenhang aufgrund der starken Fokussierung auf gegebene individuelle Persönlichkeitsmerkmale des Geschäftsführers von einer Nichterlernbarkeit effektiver Unternehmenskulturgestaltung ausgegangen, die als Fähigkeit intuitiv entweder vorhanden oder nicht vorhanden ist: „Und ich finde, wenn man sich da schwer tut, [...] dann kann man das auch nicht lernen, im Grunde genommen.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Eine grundsätzlich andere Herangehensweise vertreten demgegenüber die Anhänger eines eher systematischen Ansatzes von Unternehmenskulturgestaltung.

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Während die Vertreter einer intuitiven Vorgehensweise eher ein extrovertiertes Einbringen ihrer eigenen Persönlichkeit empfehlen, ist der systematische Ansatz demgegenüber gekennzeichnet durch umsichtiges Handeln, das die eigene Person eher in den Hintergrund stellt: „Aber wenn man das sehr systematisch und vorsichtig angeht, kann man sicherlich für eine Firma oder einen Verbund derart schon was Eigenständiges schaffen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Während im Rahmen des intuitiven Ansatzes häufig um Emotionalität kreisende Begriffe verwendet werden, fällt hier die zahlreiche Benutzung von eher rational geprägten Begriffen wie „Systematik“, „systematisch“, „analysieren“ oder „durchdenken“ auf. Die Gestaltung von Unternehmenskultur erfordert dabei aus Sicht der Systematiker dementsprechend sorgfältige Vorarbeit („Man muss sich vorbereiten“, „Man sollte ein paar Bücher lesen“) auf Basis derer ein Konzept erarbeitet werden sollte, das dann als handlungsleitender Rahmen verwendet werden kann: „Man muss ein Regelsystem haben, man muss ein Wertesystem haben, und darin kann man dann manches kulturell gestalten.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Im Gegensatz zu der vitalen Katalysatorfunktion, die von den intuitiven Gestaltern als Selbstbild präsentiert wird, sehen Anhänger einer systematisch ausgerichteten Gestaltung von Unternehmenskultur ihre Rolle eher in der Übernahme einer verantwortungsvollen Initiativ- und Steuerfunktion: „[Letztlich] geht ja wenig von alleine, und das wenige, was von alleine passiert, geht ja oft auch in die falsche Richtung. Also ich bin schon der Meinung, dass man das systematisch beeinflussen muss. Und das beeinflusse ich natürlich auch hier und versuche, es in die richtigen Bahnen zu lenken.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

5.2.2. Leitbilder von Interkulturalität Neben der Analyse der vorhandenen Leitbilder von Unternehmenskultur sollen im Folgenden innerhalb der deutschen Unternehmensführung existierende Vorstellungen von Interkulturalität identifiziert werden. Dabei lassen sich, ähnlich wie bei der Frage der Gestaltungsweise von Unternehmenskultur, zwei grundsätzlich unterschiedliche Einschätzungen feststellen, die den Umgang der Individuen mit interkulturellen Situationen entscheidend beeinflussen. So soll im Folgenden in Bezug auf Leitbilder von Interkulturalität grundsätzlich eine Gleichheitsdiagnose von einer Unterschiedlichkeitsdiagnose unterschieden werden. Dabei führen die deutschen Manager, die im interkulturellen Kontext eher Gleichheit diagnostizieren, ihr Verhalten besonders auf die Feststellung allgemeinmenschlicher Ähnlichkeit zurück, während die Vorstellungen der Anhänger der Unterschiedlichkeitsdiagnose demgegenüber eher durch die grundsätzliche Annahme der Existenz kultureller Unterschiede gekennzeichnet sind.

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5.2.2.1. Gleichheitsdiagnose Eine detailliertere Beschäftigung mit den spezifischen Eigenschaften der Gleichheitsdiagnose erbringt deren grundsätzliche Betonung von menschlicher Egalität, vor der oberflächliche kulturelle Unterschiede in letzter Konsequenz nicht ins Gewicht fallen: „Ich denke, in der Summe,... die Menschen sind ja nicht anders. Wenn man es genau betrachtet, ist es hier auch nicht anders zu arbeiten.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Die Thais, die hier arbeiten sind ja, um es mal so auszudrücken, auch nur Menschen.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3)

Zur Illustration dieses Standpunktes wird auf Seiten der Gleichheitsdiagnose besonders das kulturell Verbindende zwischen Deutschen und Thais einerseits („das kann einem in Deutschland doch auch passieren“) hervorgehoben oder als konkrete Ähnlichkeit herausgestellt: „Das war eine Gaudi [auf dem Firmenfest]! Das ist dieses sanuk, halt. [Binden sie diese Art der Thais bewusst in ihre Unternehmenskultur ein?] Da muss ich gar nix einbinden. Ich will das ja gar nicht anders haben. [Lacht] Ich bin ja selber auch so!“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

Daneben wird vor allem die Existenz allgemeinmenschlicher Bedürfnisse in Form überkultureller, universeller Prinzipien herausgestellt, während kulturelle Unterschiede eher als externe, formale Differenzen betrachtet werden, die sich in zwischenmenschlichen Situationen als weniger relevant erweisen. „Kulturelle Unterschiede haben meiner Meinung nach wenig Einfluss auf die zwischenmenschliche Beziehungen von Individuen. Ich vertrete da eine sehr dezidierte Meinung. Ich glaube ganz fest daran, dass kulturelle Unterschiede sehr oft einfach nur äußere Erscheinungen sind. Aber wenn es dann um persönlichen Beziehungen geht, ... das ist sehr viel grundlegender. In diesem Fall sind interkulturelle Unterschiede sehr viel weniger signifikant. Und in Management-Situationen glaube ich, dass man häufig die interkulturellen Unterschiede überschätzt und die Wichtigkeit von einfachem, menschlichem Verhalten unterschätzt.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

Da also insgesamt von einer überwiegenden Allgemeingültigkeit von Verhaltensrichtlinien ausgegangen wird, ergibt sich folgerichtig für die Gleichheitsdiagnose von Interkulturalität als Handlungsprimat gewohntes Normalverhalten: „Ich versuche, mich hier eigentlich nicht anders zu verhalten als in Deutschland.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6) „Wenn man wirklich daran interessiert ist, sich mit einem anderen Menschen zu beschäftigen, ich denke, dann macht es wenig Unterschied, ob das nun ein Deutscher oder ein Thai ist.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

Aufgrund des Postulats bestimmter überkultureller menschlicher Bedürfnisse ergibt sich für die Gleichheitsdiagnose darüber hinaus auch die Betonung allgemeingültiger, internationaler Kommunikationsprinzipien und Managementfähigkeiten, die als Maßstab für die Bewertung firmeninternen Verhaltens angelegt werden können: „Ich habe meine generellen Zweifel an Konzepten, die kulturelle Unterschiede gegenüber stellen. So was hört sich in der Theorie immer sehr gut an. Aber im Grunde genommen ist gerade Kommunikation zwischen Menschen doch überall ähnlich.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3) „Jemanden niederzumachen ist wahrscheinlich nirgendwo die richtige Methode. Was immer gut funktioniert ist, dass man sich gemeinsam überlegt, wie kann man Dinge noch besser machen. Wie kann man jemandem Sup-

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port geben. So verbessert man dann die Chance, dass jemand das auch annimmt und Dinge beim nächsten Mal anders macht. So eine Vorgehensweise kann man in Deutschland genauso anwenden. Es ist nur eine Frage der persönlichen Einstellung.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3)

Insgesamt leugnen die eher einer Gleichheitsdiagnose zugeordneten Befragten die Existenz kultureller Unterschiede nicht, sie halten ihre Beachtung jedoch in der direkten Zusammenarbeit für weniger relevant als die Berücksichtigung universeller Verhaltensregeln. Dabei stellt sich diese Haltung häufig als Gegenreaktion auf beobachtetes individuelles Fehlverhalten von Managern dar, die versuchen, ihr Scheitern mit Hinweis auf die allgemeine Interkulturalitätsproblematik zu maskieren. In diesem Zusammenhang warnen die Vertreter einer Gleichheitsdiagnose davor, Interkulturalität als Universal-Entschuldigung gelten zu lassen und individuelles Vermögen oder Unvermögen außer Acht zu lassen: „Oft fangen wir hier schon mit einem völlig falschen Ansatz an. Weil wir uns hinter kulturellen Unterschieden verstecken. Wir sagen, oh, mit dem kann ich nicht zusammenarbeiten, wegen der Kultur. Deshalb sage ich, ja, es gibt kulturelle Unterschiede, aber sie liegen mehr in der Art wie man lebt, in der Art, wie man auf äußere Einwirkungen reagiert. Aber wenn es um persönliche Beziehungen geht... Oft macht jemand, der schon in Deutschland seine Kollegen schlecht behandelt, hier die gleichen Fehler. Aber hier kann er sich hinter kulturellen Unterschieden verstecken.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

5.2.2.2. Unterschiedlichkeitsdiagnose Im Gegensatz zur Gleichheitsdiagnose, die Kulturverbindendes in den Vordergrund rückt, geht die Unterschiedlichkeitsdiagnose entsprechend von der Feststellung kultureller Unterschiede aus, die häufig in letzter Konsequenz als unüberbrückbar geschildert werden. Diese Diagnose spiegelt sich vor allem in der Verwendung zahlreicher Metaphern wieder, die kulturelle Unterschiede beispielsweise als „betoniert“,„massive Kluft“ und „Graben“ beschreiben oder „Mauern in den Köpfen“ ausmachen. Die Schwierigkeit und Anstrengung versuchter Annäherung drückt sich dabei in der Beschreibung interkultureller Kontakte als „Kämpfen an mehreren Fronten“ und „durch den Sumpf waten“ aus. Als Gründe für die Existenz fundamentaler kultureller Unterschiedlichkeit und ihrer Unveränderbarkeit wird häufig auf das Fehlen eines gemeinsamen kulturellen Erfahrungshintergrunds hingewiesen. Dabei betonen die deutschen Manager auch immer wieder die prägende und verbindende Funktion der Religion, die aus ihrer Sicht unabhängig von der tatsächlichen Religiosität des Einzelnen über die Vorgabe einer grundlegenden Vorstellungswelt Gemeinsamkeit stiftet: „Die Expats hängen untereinander sehr zusammen. Obwohl man unterschiedliche Sprachen spricht. Trotzdem hat man irgendwie viele Identifikationspunkte. Am wichtigsten ist, glaube ich, auch irgendwo die Religion. Wir sind alle christlich geprägt, nicht buddhistisch, das schweißt irgendwie zusammen, auch wenn man gar nicht religiös ist. Aber man hat irgendwie einen gemeinsamen Erfahrungshintergrund.“ (Herr K, deutscher MarketingLeiter, Firma 2)

Der gemeinsame Erfahrungshintergrund der Expatriates untereinander wirkt dabei in umgekehrter Weise gegenüber den thailändischen Mitarbeitern als trennend und erhöht die Schwierigkeit, Fremdheitsgefühle zu überwinden:

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

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„Das ist aber sehr schwierig [wirkliches Verständnis für die andere Kultur zu entwickeln]... Sehr schwierig. Das hängt mit dem Glauben zusammen, das hängt mit einfachen Dingen zusammen, welche Vorstellungen man hat... Es ist sehr schwierig.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Das grundlegende Gefühl thailändischer Fremdheit wird dabei häufig in einem Zusammenhang mit dem Scheitern des Versuchs ihrer Überwindung geschildert, was darauf hindeutet, dass die Diagnose der Unüberbrückbarkeit auch als schmerzhaft erfahren wird. „Die Menschen hier haben ganz andere Lebensziele, die werden sie niemals aufgeben.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Ein Thailänder ist, auch wenn er in Deutschland studiert, ein Thailänder. Ein Deutscher bleibt, auch wenn er sieben Jahre im Ausland lebt, ein Deutscher.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) „Das Problem vieler Expats ist: Man fühlt sich oft allein. Dann schaut man den Thais in die Augen und weiß einfach, der versteht mich nicht. Und man kann absolut nichts daran ändern.“ (Herr K, deutscher Marketing-Leiter, Firma 2)

Aus der als grundlegend empfundenen Unterschiedlichkeit der thailändischen und deutschen Kultur folgt dabei für die Befragten, die sich eher der Unterschiedlichkeitsdiagnose zuordnen lassen, die Wichtigkeit der Berücksichtigung kultureller Unterschiede im Arbeitsalltag, um interkulturelle Frustrationen zu vermeiden. Dabei leugnen sie nicht den grundlegenden Einfluss des Individuums und bestimmter universeller Fähigkeiten im zwischenmenschlichen Umgang auf das Gelingen interkultureller Zusammenarbeit, halten jedoch die Nicht-Berücksichtigung kultureller Unterschiede für fahrlässig: „Zu sagen, wenn man sich einfach vernünftig verhält, wie bei jedem anderen auch, dann spielen kulturelle Unterschiede im Arbeitsleben eigentlich kaum eine Rolle: Das ist mir ein bisschen zu einfach. Es kommt natürlich immer auf den Mann oder die Frau an, mit der man da zusammenarbeitet. Jemand der eine große Toleranzschwelle hat, gibt vielleicht einen Ausländerbonus. Da sagt man dann, ja, der kann es halt nicht wissen und deshalb tolerieren wir mal sein Verhalten oder seine Aktion. Nur, irgendwann ist man dann doch verärgert oder verunsichert und sagt sich, das hätte er ja nun doch sich vielleicht mal anlesen können oder vielleicht mal jemanden fragen können.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Innerhalb der Diagnose kultureller Unterschiedlichkeit lässt sich darüber hinaus zwischen zwei weiteren Haltungen differenzieren, die sich hinsichtlich ihrer Bewertung der identifizierten kulturellen Unterschiede unterscheiden lassen. Dabei kann als Extremposition auf der einen Seite eine eher unkritische oder auch bewundernde Einstellung gegenüber fremden kulturellen Eigenschaften festgestellt werden, auf der anderen Seite lässt sich eine eher kritische Haltung ausmachen, die auf Fremdes auch in ablehnender Weise reagiert. Dabei ist zu beachten, dass diese beiden Extrempositionen sich kaum in reiner Form beobachten lassen, sondern dass die meisten Befragten in ihrer Einstellung in Abhängigkeit vom betrachteten Aspekt kultureller Unterschiedlichkeit Tendenzen zur einen oder anderen Seite zeigen. So drückt sich kulturelle Bewunderung der deutschen Manager vor allem in einer Begeisterung für die von deutscher Seite beschriebene Ausprägung thailändischer Feierkultur und ihre Darstellung von Lebensfreude aus („Das war irre!“, „So was habe ich noch nie gesehen!“): „[Wie] ausgelassen die [Thais] wirklich feiern können und dann auch den Alltag wirklich vergessen. Das finde ich bemerkenswert! Wirklich!“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

Daneben finden sich auch zahlreiche Beispiele für deutschen Respekt und Anerkennung („Hut ab!“) des aus deutscher Sicht besonderen thailändischen Leistungswillens (siehe Kapitel 4.1.1.4.). Die Bewunderung bestimmter Eigenschaften der thailändischen Arbeitskultur kann dabei in umgekehrter Richtung auch eigenkulturelle Kritik auslösen, die sich vor allem gegen deutsches Anspruchsdenken richtet: „In dem Moment distanziere ich mich auch von meiner eigenen Kultur, weil ich dann in dem Moment mit dem German style nicht einverstanden bin.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) „Der Deutsche auf der anderen Seite, der fordert gerne. Immer mehr, immer mehr, immer mehr. Ist aber nicht bereit, auch etwas dafür zurückzugeben. Das heißt, wir laufen da in eine völlig falsche Richtung.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

Als kennzeichnend für eine grundsätzlich eher schätzende Haltung erweist sich darüber hinaus auch die Betonung der Bedeutung der thailändischen Kultur für das eigene Leben. So heben zahlreiche Manager den Aspekt des „Lernens“ von den thailändischen Mitarbeitern hervor: „[Sie lernen auch von den Thais?] Total! In jeder Hinsicht.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2) „Und ich finde das eigentlich eine interessante Weltanschauung, die die haben. Und man kann sicherlich viel davon lernen.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Auf der anderen Seite zeigt die daneben identifizierte, eher von Fremdheitsempfindungen geprägte Haltung häufig eine Tendenz zu fremdkultureller Kritik, bis hin zu Erfahrungen des Abgestoßenseins: „Ich verstehe das auch gar nicht. So diese Unterwürfigkeit zum Beispiel. Wenn ich hier neue Leute einstelle und ich sehe die dann auf dem Gang, dann geht der Kopf immer fast bis zum Boden runter, und dieses Unterwürfige, dieses Devote, das ist mir ... [fremd?] nein, nicht nur fremd, das ist mir eigentlich zuwider.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Dabei steht bei der Schilderung interkultureller Situationen und Konflikte oft die Aussichtslosigkeit einer wirklichen Annäherung im Vordergrund. Die deutschen Manager betonen dabei immer wieder, wie „schwer“ oder „schwierig“ das häufig als Sisyphos-Aufgabe erfahrene unablässige Wechselspiel aus Versuch und Scheitern aus ihrer Sicht empfunden wird: „Und das kann man einfach nicht ändern. Da muss man einfach... Manchmal ist es eben sehr schwer. Man sieht, da ist ein Problem, und man hat keine Idee, warum überhaupt. Und wenn man nicht weiß, warum da ein Problem ist, kann man es ja auch nicht lösen. Und das ist also ... sehr, sehr schwer. Das ist sehr, sehr schwer, für mich sehr schwer.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4) „Ich versuche immer wieder mit meinen Mitarbeitern zu besprechen, aber ich glaube nicht, dass ich da wirklich vorangekommen bin: Offen zu diskutieren. In einem Team offen Probleme anzusprechen und dann gemeinsam einen Weg zu finden, wie man da weiterkommt. Das ist also wahnsinnig schwierig.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

Aufgrund der in letzter Konsequenz als unüberbrückbar erfahrenen Gegensätze werden Verhaltensstrategien wie der Versuch einer Übernahme thailändischen Verhaltens seitens ausländischer Expatriates als Imitation und Parodie empfunden und wirken in ihrer Aussichtslosigkeit lächerlich:

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

„Ich habe auch festgestellt, dass wenn Leute versuchen, das zu übernehmen, und versuchen wie Thais zu leben, ist das teilweise etwas .... äh ... witzig. Sieht also ... ein bisschen blöd aus. Finde ich. Wenn man also ... mit ... äh ... ne, das sieht manchmal sehr witzig aus. Wenn man versucht, sich so zu benehmen in einigen Bereichen wie die Thais... [Zu anbiedernd?] Ja, auch. Passt auch nicht. Ist meine persönliche Meinung.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

5.2.3. Typen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung Bei dem Versuch einer Systematisierung unterschiedlicher Ansätze interkultureller Unternehmenskulturgestaltung auf Basis der Forschungsdaten zeigt sich, dass eine solche Typologie in Abhängigkeit von den beschriebenen Leitbildern von Unternehmenskultur und Interkulturalität entwickelt werden kann. So lassen sich auf Basis der unterschiedlichen Vorstellungen zur Gestaltungsweise von Unternehmenskultur sowie der gegensätzlichen Einstellungen in Bezug auf das Wesen von Interkulturalität in ihren auftretenden Kombinationen fünf Typen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung sowie dazugehörige Führungsrollen identifizieren. Die entwickelten Typen und Führungsrollen sollen je nach Gestaltungsmodus und Interkulturalitätsdiagnose im Folgenden bezeichnet werden als: Typus interkultureller Unternehmenskultur-gestaltung

Führungsrolle

Gestaltungsmodus

Interkulturalitätsdiagnose

„Patronage“

„Vater“

intuitiv

Gleichheit

„Partizipation“

„Bewunderer“

intuitiv

„Unterwerfung“

„Eroberer“

intuitiv

„Neutralität“

„Richter“

systematisch

„Partnerschaft“

„Kamerad“

systematisch

Unterschiedlichkeit (Nähe) Unterschiedlichkeit (Fremdheit) Gleichheit Unterschiedlichkeit (Nähe + Fremdheit)

Abb. 61: Typen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung

Im Rahmen der Typologie lassen sich dabei drei Typen als authentisch und stabil charakterisieren, während sich zwei Typen als nicht-authentisch bzw. instabil mit einer Tendenz zur Entwicklung hin zu benachbarten, stabileren Typen erweisen. Die folgende Abbildung stellt die im Folgenden detaillierte Typologie daher in Form einer Matrix dar, um zusätzlich mögliche Entwicklungsbewegungen zu verdeutlichen. Die entwickelte Typologie ermöglicht dabei im Sinne einer qualitativen Clusterung eine inhaltliche Zuspitzung zur besseren Verdeutlichung grundlegender Strömungen. So lässt sich keiner der Befragten vollkommen einem Gestaltungstypus oder einer Führungsrolle zuordnen, diese entsprechen vielmehr Extrempositionen, die das Spektrum der beobachteten Ansätze und Verhaltensweisen veranschaulichen sollen. Die folgende Beschreibung der Typologie verzichtet aus diesem Grund auf den Gebrauch direkter Zitate.

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

Systematik

Neutralität

Partnerschaft

„Richter“

„Kamerad“

Gestaltungsmodus Patronage

Partizipation

Unterwerfung

„Vater“

„Bewunderer“

„Eroberer“

Nähe

Fremdheit

Scheitern Intuition

Gleichheit

Unterschiedlichkeit Interkulturalitätsdiagnose

Authentischer/ stabiler Typus

Pseudo-/ instabiler Typus

Führungsrolle

Entwicklungsrichtung

Abb. 62: Typologienmatrix interkultureller Unternehmenskulturgestaltung

5.2.3.1. Patronage („Vater“-Rolle) Der Gestaltungstypus der Patronage ist insgesamt gekennzeichnet durch eine Kombination aus intuitiver Gestaltungsweise und Gleichheitsdiagnose. Grundsätzlicher Ansatz interkultureller Unternehmenskulturgestaltung ist daher die Ablehnung zu großer Rationalisierung des Problems Interkulturalität („Man sollte sich nicht zu viele Gedanken machen“) vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass die Interaktionspartner innerhalb des Unternehmens in letzter Konsequenz alle als menschliche Individuen mit ähnlichen Bedürfnissen, Wünschen, Stärken und Schwächen betrachtet werden müssen („Wir sind doch alle nur Menschen“). Das Selbstverständnis von Managern, deren Gestaltungsansätze sich dem Patronage-Typus zuordnen lassen, ist dabei häufig das eines Vaters, der zum einen die Verantwortung für seine Kinderschar auf sich nimmt, zum anderen jedoch auch wie ein Vater instinktiv fühlt und weiß, was gut für seine Kinder ist („Das kann man nicht lernen“, „Das steht nicht in Büchern“). Aufgrund der Vorstellung grundsätzlicher Egalität sehen sich Manager in der Vaterrolle oft als „primus inter pares“, da sie an das eigene Verhalten ähnliche Maßstäbe anlegen wie an ihre Mitarbeiter und Anerkennung nur für die Verantwortungsübernahme und Fürsorge gegenüber ihren Mitarbeiter fordern. Bei der Beeinflussung von Unternehmenskultur gilt für die deutschen Manager, die eine solche Vaterrolle eingenommen haben, als oberstes Gebot die Demonstration von Gutmütigkeit und Wohlwollen, die sich im interkulturellen Kontext besonders im großzügigen Hinwegsehen über kulturelle Unterschiede äußert. Diese Großzügigkeit erscheint dabei häufig gepaart mit der Er-

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

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fahrungsqualität von Kuriosität hinsichtlich extremer thailändischer Verhaltensweisen, ähnlich typischer parentaler Entschuldigungen von unangemessenem kindlichen Verhalten („Unglaublich, was die Kinder wieder treiben!“). Auffällig erscheint darüber hinaus die starke Identifikation mit den thailändischen Mitarbeitern als Teil einer Unternehmens-“Familie“, die sich in einer Häufung der Wortwahl „Meine Thais“ manifestiert. 5.2.3.2. Partizipation („Bewunderer“-Rolle) Der Gestaltungstyp der „Partizipation“ ist demgegenüber gekennzeichnet durch eine Kombination aus intuitiver Gestaltungsweise und einer Unterschiedlichkeitsdiagnose der Nähe und Bewunderung. Als grundlegender Ansatz interkultureller Unternehmenskulturgestaltung erscheint dabei die Forderung des Einlassens auf die fremde Kultur. Der partizipative Gestaltungstypus zeichnet sich dabei durch eine Bereitschaft des Sich-Anvertrauens an die fremde Kultur aus, da sie oft als der eigenen Kultur überlegen erfahren wird. Das Selbstverständnis von Managern, deren Gestaltungsansätze dem Partizipations-Typus entsprechen, ist daher oft das eines außenstehenden Bewunderers, der quasi als Förderer und Gönner kulturelle Andersartigkeit unterstützt. Die „Bewunderer“ sehen sich dabei häufig als guter Geist und Kämpfer für die andere, in diesem Fall die thailändische, Seite, die oberflächlich in der schwächeren Position zu sein scheint, aber aus Sicht der „Bewunderer“ bisher nur an der Demonstration ihrer Qualitäten behindert wurde. Auffällig erscheint, dass dieses betonte „Überlaufen“ zur fremden Kultur oft zusammenfällt mit einer deutlich kommunizierten Trennung von den eigenen Wurzeln, dem expliziten Bestreben, „sein Deutschtum abzulegen“. Bei der Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur steht dementsprechend die (auch private) Assimilation der fremden Kultur im Vordergrund, indem die Vorteile fremder Verhaltensweisen besonders herausgestellt werden und auch Unverständlichem ein verborgener Sinn unterstellt wird. Die offene Demonstration thailändischer bzw. asiatischer Überlegenheit ist dabei oft gepaart mit eigenen Annäherungsversuchen in Form interkultureller Bitten um Akzeptanz und Aufnahme. 5.2.3.3. Partnerschaft („Kameraden“-Rolle) Der Gestaltungstyp der Partnerschaft scheint im Vergleich zu allen anderen identifizierten Typen am häufigsten vorzukommen. Er ist grundsätzlich gekennzeichnet durch eine Kombination aus systematischer Gestaltungsweise und Unterschiedlichkeitsdiagnose, die zwischen Nähe und Fremdheit schwankt. Als grundlegender Ansatz interkultureller Unternehmenskulturgestaltung ergibt sich daraus der Anspruch, sich möglichst genau und sorgfältig mit der fremden, in diesem Fall thailändischen, Kultur auseinander zu setzen („genug Wissen sammeln“), um sich differenzierte Urteile bilden zu können, die dann in konkreten Gestaltungsmaßnahmen ihren Niederschlag finden sollen. Das eigene Selbstverständnis, das sich daraus ableitet, ist das eines beteiligten Kollegen oder Kameraden, der mit seinen thailändischen Mitarbeitern eine eher zufällige Schicksalsgemein-

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

schaft bildet, die durch ein gemeinsames Ziel vorgegeben wird. Die empfundene Kameradschaft zeichnet sich dabei im Gegensatz zur Freundschaft besonders dadurch aus, dass die eigenen Partner nicht frei wählbar sind, sondern man sich mit den Gegebenheiten, ihren guten wie auch schlechten Eigenschaften, arrangieren muss. Zur Erreichung des gemeinsamen Ziels wird bei Managern der Kameraden-Rolle im interkulturellen Kontext die genaue Abwägung aller Alternativen auf Basis einer möglichst objektiven Informationsbasis favorisiert. Bei der Gestaltung von interkultureller Unternehmenskultur steht dabei Fairness an oberster Stelle, die als Pflicht zur redlichen Auseinandersetzung mit interkulturellen Konflikten verstanden wird und sich bei der Lösungsfindung vor allem in systematischen Kosten-Nutzen-Vergleichen äußert. 5.2.3.4. Neutralität („Richter“-Rolle) Im Gegensatz zu den beschriebenen authentischen Typen von Patronage, Partizipation und Partnerschaft, stellt sich der Gestaltungstypus der Neutralität als Pseudo-Typus dar. Er erscheint dabei zunächst gekennzeichnet durch die explizite Demonstration einer Kombination aus systematischer Gestaltungsweise und Gleichheitsdiagnose. Als grundsätzlicher Ansatz interkultureller Unternehmenskulturgestaltung ergibt sich daraus die Prämisse, dass alle Menschen bzw. alle Mitarbeiter gleich, und als solche auch gleich zu behandeln sind. Folgerichtig darf dann im Rahmen der Gestaltung von Unternehmenskultur auch kein Unterschied zwischen einer deutschen und einer interkulturellen, deutsch-thailändischen Unternehmenskultur gemacht werden. Vertreter dieses Typus stellen sich selbst sehr stark als unbeteiligte, neutrale Richterpersönlichkeiten dar, die sich bestimmten universellen Prinzipien der Menschlichkeit („zivilisatorischen Werten“) verpflichtet sehen und nach allein dieser Grundlage ihr eigenes Verhalten ausrichten und Bewertungen vornehmen. Sie betonen im Umgang mit deutschen wie auch mit thailändischen Mitarbeitern vor allem Professionalität und Nüchternheit. Während die Beschreibungen der Manager des „Neutralitäts“-Typus hinsichtlich ihrer Rolle und ihrer Ansätze interkultureller Unternehmenskulturgestaltung in sich schlüssig erscheinen, muss dem Gestaltungstypus der Neutralität jedoch bei genauerer Betrachtung seine Authentizität abgesprochen werden. So zeigen die Schilderungen der „Richter“-Manager von entsprechenden Verhaltensweisen und konkreten Gestaltungsbeispielen in den meisten Fällen sehr wohl eine Berücksichtigung interkultureller Unterschiede, die sie meta-kommunikativ ablehnen. Es ist daher zu vermuten, dass es sich bei dem vorgestellten Typus der Neutralität vornehmlich um eine Präsentation sozial-erwünschter Einstellungen („Alle Menschen sind gleich“) handelt, um einer zumindest unternehmensextern gepflegten Political Correctness der Sprachregelung zu entsprechen. So müssen die Manager der „Richter“-Rolle daher bei genauerer Betrachtung eher dem Partnerschafts-Typus zugerechnet werden, da sie sich in ihren konkreten Handlungen durchgehend um eine systematische Herangehensweise bemühen, die auf kulturelle Unterschiede in gleichem Maße eingeht, wie dies die Manager der „Kameraden“-Rolle schildern.

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

269

5.2.3.5. Unterwerfung („Eroberer“-Rolle) Bei dem identifizierten Gestaltungstypus der Unterwerfung handelt es sich im Gegensatz zum Typus der Neutralität zwar um einen authentischen, nicht jedoch zeitlich stabilen Typus. Der Unterwerfungs-Typus ist dabei gekennzeichnet durch eine intuitive Gestaltungsweise gepaart mit einer überwiegenden Unterschiedlichkeitsdiagnose der Fremdheit und Ablehnung. Als grundsätzlicher Ansatz interkultureller Unternehmenskulturgestaltung ergibt sich daraus die Ableitung einer offensichtlichen Überlegenheit des deutschen Wirtschaftsstils gegenüber dem thailändischen, der daher die Zusammenarbeit dominieren sollte. Manager, die sich diesem Typus zuordnen lassen, scheinen sich selbst häufig als heilsbringende Eroberer eines fremden Territoriums zu begreifen („erst mal aufräumen“), die sich als Gesandte ihres deutschen Mutterunternehmens die Verbreitung von Effizienz und Arbeitsmotivation auf die Fahnen geschrieben haben. Ihr Umgang mit thailändischen Mitarbeitern ist dementsprechend gekennzeichnet durch die Übertragung gewohnter Verhaltensweisen, die Bewertung der thailändischen Mitarbeiter nach eigenen Verhaltensmaßstäben sowie die Betrachtung fremder Verhaltensweisen als Hindernis auf der Weg der Zielerreichung, was zu ausgeprägter Emotionalität und Unbeherrschtheit führen kann. Der Unterwerfungs-Typus muss als instabil gewertet werden, da er in den Schilderungen der deutschen Manager nur indirekt erscheint. So lässt er sich entweder in der Beschreibung von vergangenen persönlichen Entwicklungsstufen ausmachen („Früher habe ich den Fehler gemacht, dass...“) oder in der Darstellung des Scheiterns Dritter identifizieren, deren Erfahrung zumeist schnell durch Repatriation beendet wird: „Und es fällt besonders auf, wenn wir relativ junge Leute dahaben, die noch keine Asienerfahrung haben. Selbst mit diesen Vorbereitungskursen, die heute ja üblich sind. Aber selbst, wenn sie da durch so einen Kurs geschleust worden sind, heißt das ja noch lange nicht, dass sie sich darauf eingestellt haben. Und in gewissen Situationen, wenn die Dinge dann nicht so laufen, wie sich das die Deutschen vorgestellt haben, dann... waren das immer ‚Die Thais’, was ich persönlich hasse, oder ‚Diese Thais’. Und das hat dann dazu geführt, dass ich die Leute teilweise nach Deutschland repatriated habe, weil ich gesagt habe, ein Expat ist sehr teuer hier, und ich erwarte von einem Expat, dass er sich einstellt und nicht alles auf die Thais schiebt, dass die alles falsch machen.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

Es scheint daher, als ob die „Eroberungs“-Rolle wegen des offensichtlichen Auslösens zu starker Widerstände entweder zum Abbruch der Beziehungssituation oder zur Weiterentwicklung hin zu verwandten, stabileren Typen führt. So zeigt sich, dass bei eher intuitiven Persönlichkeiten die Entdeckung bestimmter Vorteile thailändischer Arbeitskultur nach einer Eingewöhnungszeit auch zu einem Umschwenken auf den Partizipationstypus führen kann. Wahrscheinlicher erscheint jedoch anlässlich einer Realisierung interkultureller Probleme, die durch das eigene Verhalten begünstigt werden, eine Entwicklung hin zum systematischen Typus der Partnerschaft, einhergehend mit einer verstärkten Auseinandersetzung mit interkulturellen Fragstellungen („Ich habe gemerkt, so geht es nicht weiter“).

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

5.2.3.6. Erfolgspotential Die Abschätzung eines Erfolgspotentials der identifizierten Typen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung muss zwangsläufig spekulativ ausfallen, da sie auf dem subjektiven Eindruck der Autorin beruht, der auf eigenen Beobachtungen und Mitarbeiterkommentaren basiert. Grundsätzlich kann jedoch festgehalten werden, dass, obwohl der Partnerschaftstypus sich insgesamt am häufigsten nachweisen lässt, alle drei authentischen und stabilen Gestaltungstypen (Partnerschaft, Partizipation und Patronage) ein vergleichbares Erfolgspotential zu besitzen scheinen. Einschränkend muss dabei jedoch festgestellt werden, dass vor allem die intuitiven Typen von Unternehmenskulturgestaltung (Partizipation und Patronage) sich in ihren Erfolgsaussichten als stark abhängig von der beteiligten Führungspersönlichkeit erweisen. So lässt sich beispielsweise beobachten, dass sich bei Vorhandensein einer passenden Führungspersönlichkeit, die in der eingenommen Rolle des „Vaters“ oder des „Bewunderers“ aufgrund individueller Präferenzen und Fähigkeiten besonders aufgeht, ein äußerst starker Unternehmenszusammenhalt erzielen lässt. Auf der anderen Seite bergen die intuitiven Führungsrollen natürlich auch die Gefahr, aufgrund zu starker Verinnerlichung zu extremisieren. So wurde die mögliche Entwicklung einer ausgeprägten unternehmensinternen Vater-Kinder-Beziehung zur Entmündigung der thailändischen Mitarbeiter bereits beschrieben (siehe Kapitel 4.2.2.1.). Die Internalisierung der „Bewunderer“-Rolle in ihrer extremen Ausprägung kann dementsprechend zur persönlichen Distanzierung und Abschottung gegenüber dem Stammhaus führen. Daneben kann, obwohl er als nicht-authentisch bewertet wurde, der Neutralitäts-Typus als äußere Image-Rolle sinnvoll und erfolgreich sein, solange sich seine konkrete Umsetzung von Gestaltungsmaßnahmen am Partnerschafts-Typus orientiert. Da der Unterwerfungs-Typus generell als zeitlich instabil bewertet wurde und darüber hinaus, wie gezeigt wurde, Katastrophenpotential birgt, muss er als grundsätzlich weniger erfolgversprechend eingestuft werden. 5.2.4. Leitbilder interkultureller Unternehmenskultur Auf Basis der groben Charakterisierung der identifizierten Typen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung soll nun zur Vorbereitung der eigenen Konzepterstellung (siehe Kapitel 6) genauer untersucht werden, welche Leitvorstellungen und Gestaltungskonzepte einer interkulturellen Unternehmenskultur auf Seiten der deutschen Manager in Thailand vorhanden sind. Da die intuitiven Typen die Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur, wie gezeigt wurde, grundsätzlich als nicht konzeptualisierbar beschreiben und bei der Umsetzung auf Spontaneität und emotionale Intelligenz vertrauen, lässt sich eine Systematisierung von Gestaltungskonzepten nur aufgrund der Äußerungen der Vertreter des Partnerschafts-Typus unternehmen. Da

Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

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dieser Typus die größte Gruppe darstellt, erscheint eine Konzentration auf den PartnerschaftsTypus zur Untersuchung von Gestaltungskonzepten ebenfalls sinnvoll. In der Gesamtbetrachtung ist das Konzeptualisierungsniveau jedoch auch bei diesem Typus als niedrig zu bewerten. Entsprechende Systematiken erweisen sich als äußerst diffus und erschöpfen sich zumeist in allgemeinen Zielvorstellungen, ein Ergebnis, das bei der gleichzeitigen Betonung der Wichtigkeit des Themas interkultureller Unternehmenskultur überrascht, so dass an dieser Stelle einmal mehr die Notwendigkeit der Entwicklung entsprechender pragmatischer Anwendungskonzepte deutlich wird. Bei der Filterung der auf abstrakter Ebene kommunizierten Gestaltungsansätze interkultureller Unternehmenskultur fällt darüber hinaus auf, dass die erwähnten Leitvorstellungen insgesamt mit den identifizierten Entwicklungsdynamiken der Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung übereinstimmen. Die beobachteten Dynamiken werden dabei im Rahmen der MetaKommunikation über interkulturelle Unternehmenskultur von Seiten der deutschen Manager zusätzlich als Zielvorstellungen interpretiert. So demonstriert sich beispielsweise die Dynamik der Abwehr als konzeptuelles Ziel der Wahrung thailändischer Integrität: „Ich würde es schon als Ziel für Auslandsgesellschaften formulieren, dass man nicht versuchen sollte [...] die Leute zu verändern oder zu indoktrinieren.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Das Zusammenleben selber zwischen den Mitarbeitern, das muss man schon international offen lassen. Das kann ich den Thais nicht aufzwingen. Das muss ich akzeptieren. Da würde man ja sonst die Thais in ihrer Persönlichkeit verbiegen. Das kann für das Unternehmen nicht gut sein.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Die Dynamik der Anpassung zeigt sich demgegenüber in der Zielvorstellung der Annäherung der deutschen Unternehmenskultur an thailändische Gewohnheiten zur grundsätzlichen Ermöglichung von Unternehmenskontinuität: „Wenn sie versuchen hier in Thailand ein Unternehmen zu leiten, aufzubauen, sie müssen der Thai-Kultur, der Thai-Art, der müssen sie entgegen kommen, sonst haben sie keine Chance.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13) „Wir müssen hier eine ganz regionale, oder lokale Kultur haben, weil das natürlich durch die Menschen bestimmt wird.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Auch die im Rahmen der Emergenz interkultureller Unternehmenskultur identifizierte Integrationsdynamik findet sich in abstrakter Verbalisierung als Zielvorstellung seitens der deutschen Manager. Dabei wird besonders die Ausbildung gemeinsamer Kohärenz („etwas Homogenes“) als wichtiger Endzweck hervorgehoben: „Das man sich damit abfindet, innerhalb eines Unternehmens in einem Land zwei Subkulturen zu haben, das wäre nicht günstig. Man muss schon sehen, dass man innerhalb von Thailand eine Kultur hat. Aber die kann sich unterscheiden von der Kultur in Burma. Man strebt aber in dem Land schon eher etwas Homogenes an.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1) „Wir haben hier schon versucht, eine eigene Kultur zu schaffen. [...] Das, was hier entsteht, sollte schon eine homogene Kultur sein. Das, was dann dabei herauskommt, ist wahrscheinlich eine Mischung aus thailändischer und deutscher Kultur.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

„Man sollte sich auch nicht damit abfinden, zwei unterschiedliche Kulturen zu haben, die dann vielleicht auf den geographischen Ursprüngen aufbauen. Das schweißt irgendwo nicht zusammen. Man hätte dann zwei Firmen innerhalb einer Firma. Also, es geht nur miteinander. Wenn man sich gegenseitig akzeptiert und toleriert, dabei aber ein gemeinsames Ziel hat.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

Als häufigste Konzeptualisierung und beliebteste Zielvorstellung der deutschen Manager erweist sich insgesamt eine Verbindung aus Anpassung und Integration. Dabei verwenden die Befragten für diesen Ansatz häufig Metaphern wie „Rahmen“, „Dach“, „Säulen“ oder „Netz“ zur Verdeutlichung der Vorgabe bestimmter Rahmenbedingungen durch das Mutterunternehmen (Anpassung,) in deren sicheren Grenzen dann eine lokale Annäherung und gemeinsame Weiterentwicklung von deutschen und thailändischen Verhaltensweisen angestrebt werden sollte (Integration), wie die folgende Beschreibung eines deutschen Geschäftsführers zeigt: „Wir haben natürlich seitens der Firma [unsere Management und Führungsprinzipien] [...] hier reingetragen, denn das ist ja schon wichtig, dass man nicht in jedem Land eine eigene Firmenkultur aufbaut. Die hat man sowieso durch die unterschiedlichen Nationalitäten. Aber dass man ein gemeinsames Dach behält [...] Also da sind dann [bestimmte] Limitierungen [aus Deutschland] [...]. [Die] geben einem ja einen gewissen Rahmen oder ein Netz, innerhalb dessen man sich dann ja bewegen kann. [...] Man muss in einem gegebenen Umfeld, auf das wir nicht vollständig Einfluss ausüben können, mit den Säulen arbeiten, die gegeben sind und dann versuchen, in diesem Rahmen etwas Neues zu gestalten. [...] So eine Integrationskultur halte ich eigentlich als Ziel für sehr interessant, weil man versucht in dem Rahmen, der vorgegeben ist, Anknüpfungspunkte, [...] zu finden.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Die beobachtete Dynamik der Hybridisierung findet sich demgegenüber als abstraktes Konzeptelement nur in undeutlicher Form. Allerdings erwähnen einzelne Manager die quasi-paradoxen Effekte von Kohäsion durch Gegenüberstellung von Differentem als förderlich für die Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur, ohne dies jedoch explizit als Zielvorstellung zu formulieren. „Wenn man mal das Beispiel mit der Geisterhäuschen-Zeremonie [...] hernimmt, dann stehen dort sicherlich heterogene Elemente einander gegenüber, weil alle zwar opfern, aber die Deutschen glauben nicht daran. Und trotzdem kommt was Gutes dabei heraus. [...] Es macht natürlich keinen Sinn, sich das Ziel zu setzen, alle Kulturelemente zu zerbrechen. Das bringt auch nichts. Man kann ja nicht eine Kultur über die andere stülpen, sondern man muss beide Elemente nebeneinander pflegen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1) „Ich weiß ja, dass ich ganz bestimmte Vorstellungen habe, und ich weiß auch, dass Thailänder nicht völlig, aber anders sind. Aber das ist dann insofern keine trennende Sache, sondern etwas, wo eine Brücke entsteht, zwischen beidem.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

Insgesamt zeigt sich, dass die unterschiedlichen konzeptuellen Zielvorstellungen von interkultureller Unternehmenskulturgestaltung teilweise als gleichzeitig nebeneinander existierend, teilweise als einander widersprechend beschrieben werden. So lässt sich an keiner Stelle eine Leitvorstellung von interkultureller Unternehmenskultur ausmachen, die nur eine der beschriebenen Dynamiken in den Vordergrund stellt und zum allgemeinen Ziel erklärt. Vielmehr versuchen sich die Befragten an allgemeinen Definitionsversuchen, führen dann jedoch nach weiterem Nachdenken immer wieder auch die gleichzeitige Wichtigkeit der Berücksichtigung abweichender oder gegenteiliger Konzepte an: „Wir versuchen hier schon [...] etwas Eigenes zu schaffen, was nicht unbedingt das gleiche ist wie in Deutschland. ... So homogen kann das aber nicht sein.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

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„Ich tendiere dazu, Unternehmenskultur hier in Thailand [...] als etwas Homogenes, Neues zu sehen, ... andererseits als etwas, das immer heterogen bleiben wird. [...] Unterschiedliche Formen von Unternehmenskultur liegen da wohl auch neben- und übereinander.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Die allgemeine Unschärfe der vorgebrachten Definitionsversuche unterstreicht dabei einmal mehr die geringe abstrakte Durchdringung interkultureller Fragestellungen in der heutigen Unternehmenspraxis: „Trotzdem meine ich, sollte man versuchen, eine Firmenkultur schaffen. Die hat dann die unterschiedlichen Elemente. Die sollte aber nicht als Kultur existieren, wo man sagt, wir haben keine gemeinsame Identifikation. Eine gemeinsame Identifikation zu haben, wenn man sich integriert hat, hat man das eher, als wenn da so zwei Kulturen nebeneinander stehen und jeder nur tolerant genug ist, die anderen Elemente zu akzeptieren. Deswegen würde ich sagen, Zielsetzung ist, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der alle Elemente integriert sind und wo man nach außen hin ein Bild vermittelt.“

So lässt sich abschließend in Bezug auf die Konzeptualisierung interkultureller Unternehmenskulturgestaltung einerseits feststellen, dass sich die Befragten zu keinem allgemein gültigen Lösungsvorschlag bekennen und implizit die Notwendigkeit ausdrücken, verschiedene Dynamiken gleichermaßen zu berücksichtigen. Andererseits fällt auf, dass auf Basis der Untersuchung noch keine umfassende Systematisierung dieses Themas in der interkulturellen Zusammenarbeit deutscher Unternehmen in Thailand identifizierbar ist. 5.2.5. Ergebnisdiskussion Die Ergebnisse der Untersuchung zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur sollen im Folgenden mit den bereits vorgestellten, relevanten Gestaltungskonzepten internationalen Managements (z.B. Heenan/Perlmutter 1979, Schreyögg 1993, Adler 1991) kontrastiert und diskutiert werden. Zusätzlich werden im Rahmen der Betrachtung zum Leitbild von Interkulturalität sowie der Führungstypologie interkultureller Unternehmenskulturgestaltung Studien zur interkulturellen Adaption von Expatriate-Managern (z.B. Bennett 1986, Mendenhall/Dunbar/Oddou 1987, Stahl 1998) in die Analyse miteinbezogen. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Ergebnisse der Befragung deutscher Manager zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur zum einen eine praxisnahe Bestätigung wichtiger, auf Basis theoretischer Erwägungen getroffener a-priori Annahmen liefern (siehe Kapitel 3.3.), die teilweise im Gegensatz zu vorhandenen betriebswirtschaftlichen Konzepten stehen. Zum anderen bilden die meta-kommunikativen Beschreibungen der Befragten zu möglichen Gestaltungskonzepten genaue Entsprechungen zu den im Rahmen der Untersuchung zur Emergenz identifizierten Einflussdynamiken interkultureller Unternehmenskultur, die auf diese Weise zusätzlich gestalterische Bedeutung erhalten. Bei der Betrachtung der Ergebnisse zum vorherrschenden Leitbild von Unternehmenskultur überrascht zunächst die Einhelligkeit einer gemeinsamen Sichtweise von Unternehmenskultur als gewachsenem System. Die Einschätzung der befragten Manager, Unternehmenskultur sei in diesem Sinne nur bedingt, innerhalb der Regeln des Systems beeinflussbar, unterstreicht den eingangs vorgestellten dialektischen Ansatz, Unternehmenskultur als Wechselspiel zwischen

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

Emergenz und Gestaltungsbemühungen zu verstehen. Konzepte, die demgegenüber von Unternehmenskultur als Variable ausgehen und quasi unbegrenzte Gestaltbarkeit postulieren (vgl. z.B. Pümpin 1984, Kobi/Wüthrich 1986, Tunstall 1983, Hinterhuber 1992, siehe auch Kapitel 3.2.1.2.) erweisen sich vor diesem Hintergrund auch aus der Praxisperspektive als realitätsfern. Die von den Befragten vorgebrachte eigene Rollendefinition als Anreger oder Initiator von Veränderungen, die jedoch letztlich als nicht vollkommen kontrollierbar erfahren werden, steht darüber hinaus im Gegensatz zu bekannten Ansätzen von Unternehmenskultur, die vor allem den herausragenden Einfluss bestimmter Führungspersonen im Sinne von „Unternehmenshelden“ betonen (vgl. z.B. Rüttinger 1986, Deal/Kennedy 1982, Peters/Waterman 2000, siehe auch Kapitel 3.2.1.2.). Es ist zu vermuten, dass die von den Befragten häufig geäußerte Erfahrung der Unüberbrückbarkeit von Gegensätzen innerhalb interkultureller Unternehmenskultur in besonderem Maße für diese gemäßigten, die eigene Einflussmöglichkeit zurückstellenden Einschätzungen verantwortlich ist. Die unterschiedliche Stärke oder Nachhaltigkeit solcher Erfahrungen spiegelt sich dabei teilweise in den unterschiedlichen Gestaltungsweisen interkultureller Unternehmenskultur wider, die auf der einen Seite eher Intuition betonen und damit die Vorstellung individueller Einflussnahme durch die eigene Führungspersönlichkeit aufrechterhalten, sowie auf der anderen Seite eher Systematik fordern und damit eher einen außerpersönlichen Regeln unterliegenden Systemcharakter interkultureller Unternehmenskultur herausstellen.44 Teilweise müssen die beschriebenen unterschiedlichen Gestaltungsmodi jedoch einfach als unterschiedliche individuelle psychologische Präferenzen im Führungsstil der Befragten gewertet werden. In Bezug auf die vorherrschenden Leitbilder zum Phänomen der Interkulturalität können verschiedene theoretische Konzepte zur interkulturellen Adaption von Expatriates zur Diskussion herangezogen werden. Stahl unterscheidet in diesem Zusammenhang je nach Ursprung des Erklärungsmodells einen transitionstheoretischen, einen lerntheoretischen, einen kommunikationstheoretischen, einen rollentheoretischen, einen stresstheoretischen sowie einen entwicklungspsychologischen Ansatz (Stahl 1998, S. 70ff.). Diese Ansätze beschreiben jedoch eher den persönlichen Enkulturationsprozess von Führungskräften im internationalen Einsatz als deren Vorstellungen von Interkulturalität als solcher. Darüber hinaus bestehen aus der Frühphase der Interkulturalitäts-Forschung verschiedene deskriptive Anpassungstypologien zum interkulturellen Handeln, die auf Basis der Untersuchung von Personen entwickelt wurden, die sich für eine befristete Zeit in einer fremden Kultur auf-

44

Doppler diskutiert den Widerspruch zwischen Intuition und Systematik interkultureller Unternehmenskulturgestaltung als Gegensatz zwischen Bequemlichkeit und Mühe: „Auch ohne Kulturpessimist zu sein, müssen wir heute davon ausgehen, dass trotz gewaltiger, geradezu explosionsartiger Steigerungen der kommunikativen Möglichkeiten die Schwierigkeiten erfolgreichen Zusammenspiels in der Summe nicht weniger geworden sind. Vielleicht erklärt diese Schwierigkeit, dass manche ihr Heil in einem Konzept suchen, das davon ausgeht, man benötige für solche Prozesse Leitfiguren, die als ‚Heroen’ den Weg vorangehen, den Erfolg garantieren und denen man deshalb vertrauensvoll folgen kann [...]. Nicht nur, dass dieses Konzept kaum der zeitgemäßen Führungsphilosophie [...] entspricht, es schafft auch eine fatale, fast totale Abhängigkeit von einer einzigen und einigen wenigen Personen. Wer mit strukturellen Veränderungen auch eine neue Kultur aufbauen will, die auf breiterer Basis ruht und für längere Zeit Bestand haben soll, wird um den skizzierten mühsameren Weg nicht herumkommen: durch aufwendige Kommunikation und offene Auseinandersetzung Mißtrauen ab- und Vertrauen aufzubauen.“ (Doppler 1994, S. 195)

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hielten (z.B. Bennett/Passin/McKnight 1958, Heenan 1970, Klein 1977)45. Das bekannte Konzept von Gardner postuliert dabei den Typus eines „universal communicators“ (Gardner 1962), eine Anpassungstypologie nach Sewell/Davidsen (1956) teilt interkulturelles Teilnahmeverhalten ein in die Typen „Detached observer“, „Promoter“, „Enthusiastic Participant“, „Settler“. Spätere Typologien wie die von Mendenhall/Dunbar/Oddou (1987) orientieren sich stärker am Erfolg von Expatriate-Managern und unterscheiden sieben Typen interkulturellen Handelns je nach Ausprägung der drei Faktoren „self-orientation“, „others-orientation“ und „perceptual orientation“ (Mendenhall/Dunbar/Oddou 1987, S. 333). Insgesamt muss jedoch festgestellt werden, dass die zahlreichen, hier nur kurz vorgestellten Ansätze eher auf eine Einteilung interkultureller Verhaltensweisen zur Ermöglichung einer Effizienz- bzw. Erfolgsprognose ausgerichtet sind, anstatt grundlegende Vorstellungen von Interkulturalität zu untersuchen. Anknüpfungspunkte zu der vorgenommenen Unterscheidung zu Leitbildern von Interkulturalität findet sich dagegen im Rahmen des entwicklungspsychologischen Ansatzes bei Bennett46, dessen Phasenmodell zur Entwicklung interkultureller Sensibilität ebenfalls die Haltung von Individuen zu kulturellen Unterschieden untersucht. Die Stufen „minimization“ und „acceptance“ auf Bennetts Kontinuum zwischen „ethnocentric stages“ und „ethnorelative stages“ (Bennett 1986, S. 182) lassen sich dabei vergleichen mit den Interkulturalitäts-Diagnosen der vorgestellten Typologie. So versteht Bennett beispielsweise unter interkultureller „minimization“: „Cultural difference is overtly acknowledged and is not negatively evaluated […]. Rather, cultural difference is trivialized. While differences are seen to exist, they are experienced as relatively unimportant compared to the far more powerful dictates of cultural similarity.” (Bennett 1986, S. 183f.)

Seine Beschreibung der entsprechenden interkulturellen Verhaltensausprägungen stimmt dabei auffällig mit den geäußerten Verhaltenskonzepten der Befragten überein, die einer Gleichheitsdiagnose zugeordnet wurden: „In this view, human behavior is best understood as mainly innate with cultural difference representing rather straightforward permutations of certain underlying rules. People holding this view generally approach intercultural situations with the assurance that awareness of basic human patterns of behavior is sufficient to ensure successful communication.” (Bennett 1986, S. 184)

Die beschriebene Unterschiedlichkeitsdiagnose lässt sich darüber hinaus mit Bennetts Phase der „acceptance” in Verbindung bringen: „Cultural difference is both acknowledged and respected… Particular cultural differences are not evaluated at this stage – they simply exist“ (Bennett 1986, S. 184). Eine Übertragung einer solchen Typologie auf den Bereich des interkulturellen Managements liefert Adler mit ihrer Einteilung in die unterschiedlichen Ansätze „parochial“, „ethnocentric“ und „synergistic“ (Adler 2002, S. 115f). Managementverhalten vom Typus „parochial“ ist danach charakterisiert durch eine Negation des Einflusses kultureller Unterschiede auf die Unternehmung und entspricht in diesem Sinne der Gleichheitsdiagnose der vorgeschlagenen Typologie.

45

Eine umfangreiche Übersicht deskriptiver Anpassungstypologien findet sich bei Dinges (1983, S. 182ff.). Weitere Anpassungsmodelle des entwicklungspsychologischen Ansatzes finden sich beispielsweise bei Hoopes 1979, Mansell 1981, Zaharna 1989, Yoshikawa 1987, Kim 1986.

46

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

Ethnozentrisches Verhalten, das nach Adler kulturelle Unterschiede grundsätzlich als Störfaktor betrachtet, lässt sich dann mit der Ungleichheitsdiagnose in ihrer Fremdheitsausprägung des Modells in Verbindung setzen. Eine Management-Einstellung des synergetischen Typus, die Interkulturalität als potentiell positiv und negativ einschätzt, findet ihre Entsprechung in der Ungleichheitsdiagnose, die zwischen Fremdheit und Nähe schwankt. Während sich hier also einige Ähnlichkeiten der Interkulturalitätsdiagnose der entwickelten Typologie mit theoretischen Modellen der Interkulturalitätsforschung finden, muss insgesamt festgestellt werden, dass eine Verknüpfungen solcher Modelle mit der zweiten Achse der vorgestellten Typologie, der Frage nach der Unternehmenskultur, noch nicht stattgefunden hat. Vergleichbare Führungstypologien in Bezug auf den spezifischen Fokus der Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur liegen daher innerhalb der relevanten Literatur noch nicht vor. Demgegenüber repräsentieren die im Rahmen der Untersuchung identifizierten Gestaltungsansätze interkultureller Unternehmenskultur teilweise eine Gegenposition zu bestehenden Konzepten der internationalen Management-Literatur. So kann, wie in Kapitel 5.2.4. gezeigt wird, festgestellt werden, dass die befragten Manager durch ihre abstrakte Beschreibung möglicher Gestaltungskonzepte die beobachteten Dynamiken der Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung indirekt bestätigen. Diese Bestätigung besitzt dabei einen doppelten Charakter: Einerseits diagnostizieren die deutschen Manager ein einfaches Vorhandensein der unterschiedlichen Dynamiken sowie ihre Wirksamkeit im interkulturellen Unternehmensalltag und bestätigen auf diese Weise die Bedeutung der Dynamiken für die Emergenz interkultureller Unternehmenskultur. Andererseits beziehen sie die einzelnen Dynamiken in die Formulierung abstrakter Handlungskonzepte ein und erweitern so ihre Bedeutung um die Gestaltungsfunktion. Die identifizierten Dynamiken interkultureller Unternehmenskulturentwicklung erhalten auf diese Weise eine Doppelrolle als einerseits eigendynamische Prozesse und andererseits gestalterisches Potential, das bei der Erstellung handlungsleitender Konzepte konsequent berücksichtigt werden muss. Ein Vergleich mit bestehenden, bereits vorgestellten Gestaltungsansätzen interkulturellen Managements (vgl. Heenan/Perlmutter 1979, Schreyögg 1993, Adler 2002) offenbart in diesem Zusammenhang ein Defizit dieser Modelle, da sie immer nur jeweils eine Dynamik favorisieren, wie z.B. „Anpassung“ als Basis-Dynamik des ethnozentrischen und polyzentrischen Ansatzes nach Heenan/Perlmutter (1979) oder der universellen Unternehmenskultur nach Schreyögg 1993 (siehe Kapitel 5.1.4.) oder „Integration“ als Basis-Dynamik des synergetischen Kulturmodells nach Adler (2002). Mit seiner Kombination aus den zwei Dynamiken von „Anpassung“ und „Integration“ nähert sich Doppler dem von Seiten der befragten Manager häufig in ersten Definitionsversuchen verbalisierten Konzeptualisierung eines „Rahmen“-Modells an (siehe Kapitel 5.2.4.). Interessant erscheint in diesem Zusammenhang vor allem die von beiden verwendete Metapher des „Dachs“:

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„[Bei der Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur] bietet sich eher ein Mischmodell an, bei dem ein Teil der alten Identitäten bewußt beibehalten wird, unter dem Dach einer neuen gemeinsam konzipierten und von allen akzeptierten Über-Identität?“ (Doppler 1994, S. 191).

Insgesamt muss jedoch festgestellt werden, dass der innerhalb der Befragung festgestellte Ausdruck umfangreicher Komplexität interkultureller Unternehmenskultur, der eine Berücksichtigung aller festgestellten Dynamiken fordert, innerhalb bestehender Modelle keine Entsprechung findet. Die vorgestellten Ansätze adressieren die Komplexität interkultureller Unternehmenskultur daher nur unzureichend und erweisen sich im Vergleich zu den Äußerungen der befragten Manager als zu einfach. Die Entwicklung eines Management-Konzepts zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur, das auf Grundlage der dargestellten Untersuchungsergebnisse die unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken von Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung berücksichtigt, erscheint daher äußerst sinnvoll. 5.3. Zusammenfassung Aufgrund der Beschreibung des Modells zur Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur kann folgende Zusammenfassung als Basis für die anschließende Konzeptentwicklung getroffen werden: ‚Das Modell untersucht die Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur als Dialektik von einerseits Emergenz im Sinnes eines unwillkürlichen Wachstums und andererseits gestaltende Einflussnahme durch die Unternehmensführung. ‚Die Emergenz interkultureller Unternehmenskultur wird als kommunikativer Prozess bestehend aus Einflussmedien (Auf welchem Weg wird kommuniziert?), Einflussfaktoren (Was wird kommuniziert?) und Dynamiken (Welche kommunikative Wirkung wird auf der Beziehungsebene erreicht?) beschrieben. − Als Einflussmedien interkultureller Unternehmenskultur wird zwischen Organisatorischen Rahmenbedingungen und Individuum differenziert. − Als Einflussfaktoren interkultureller Unternehmenskultur werden einerseits die Ursprungsund Landeskultur des Tochterunternehmens und andererseits Einflüsse der Individuen, der Branche, der Wirtschaftssituation sowie der Kultur des Mutterunternehmens unterschieden. − Zur Beschreibung des Niederschlags der einzelnen Einflussfaktoren innerhalb der Unternehmenskultur werden Entwicklungsdynamiken der Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung identifiziert. Die unterschiedenen Dynamiken bestehen dabei parallel und gleichwertig nebeneinander, werden in unterschiedlichen Zusammenhängen virulent und erfüllen jeweils für die erfolgreiche Entwicklung von Unternehmenskultur unterschiedliche Funktionen.

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Entwicklung von Unternehmenskulturen im interkulturellen Kontext

− Auf Basis der Diskussion der Ergebnisse kann festgestellt werden, dass die Beobachtung einer gleichzeitigen Existenz verschiedener Einflussdynamiken und die jeweilige Anerkennung ihrer spezifischen Vorteile für die Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur in Kontrast steht zu betriebswirtschaftlichen Konzepten des internationalen Managements, die interkulturelle Unternehmenskultur auf einzelne Dynamiken reduzieren und damit ihrer Komplexität nur unzureichend gerecht werden. ‚Gestalterische Einflussnahmen auf die Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur werden anhand vorhandener Gestaltungsansätze seitens des Unternehmensmanagements untersucht. − In Bezug auf vorhandene Leitbilder von Unternehmenskultur erweist sich die Vorstellung von Unternehmenskultur als System mit eingeschränkter Gestaltbarkeit als allgemein vorherrschend. Demgegenüber kann zwischen einer eher systematischen und einer eher intuitiven Gestaltungsweise unterschieden werden. − In Bezug auf vorhandene Leitbilder von Interkulturalität wird zwischen einer Gleichheitsund einer Unterschiedlichkeitsdiagnose differenziert. − Auf Basis der unterschiedlichen Leitbilder zur Unternehmenskulturgestaltung und Interkulturalität wird eine Typologie unterschiedlicher Formen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung entwickelt, die zwischen Patronage („Vater“-Rolle), Partizipation („Bewunderer“-Rolle), Partnerschaft („Kameraden“-Rolle), Neutralität („Richter“-Rolle) und Unterwerfung („Eroberer“-Rolle) unterscheidet. − Eine Untersuchung der vorhandenen Leitbilder zu interkultureller Unternehmenskultur zeigt, dass die Gestaltungsansätze mit den identifizierten Entwicklungsdynamiken der Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung übereinstimmen. Einerseits diagnostizieren die befragten Manager ein einfaches Vorhandensein der unterschiedlichen Dynamiken sowie ihre Wirksamkeit im interkulturellen Unternehmensalltag und bestätigen auf diese Weise die Bedeutung der Dynamiken für die Emergenz interkultureller Unternehmenskultur. Andererseits beziehen sie die einzelnen Dynamiken in die Formulierung abstrakter Handlungskonzepte ein und erweitern so ihre Bedeutung um die Gestaltungsfunktion. − Die Entwicklung eines Management-Konzepts zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur, das auf Grundlage der dargestellten Untersuchungsergebnisse die unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken von Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung berücksichtigt, erscheint daher sinnvoll.

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

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6. Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur „[Interkulturelle Unternehmenskultur] zu analysieren und sich die Auswirkungen bewusst zu machen, nutzt wenig, wenn es sich nicht im Managementhandeln niederschlägt. Es ist wenig professionell und deshalb unzureichend – auch wenn es durchaus der üblichen Praxis entspricht –, diese Aspekte nur so nebenbei im Auge zu behalten.“ (Doppler 1994, S. 191)

Das folgende Kapitel erstellt auf Basis der dargestellten Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung und des entwickelten Modells ein Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur. Um die Wichtigkeit des Themas interkultureller Unternehmenskultur für den wirtschaftlichen Erfolg internationaler Tochterunternehmen adäquat zu berücksichtigen, ist es das oberste Ziel der Konzeptgestaltung, Handlungspotentiale für eine interkulturelle Kulturgestaltung zu systematisieren, ohne jedoch unbegrenzte Gestaltbarkeit zu suggerieren. Das Konzept richtet sich insgesamt vornehmlich an das Expatriate-Management internationaler Tochterunternehmen, das die interkulturelle Zusammenarbeit innerhalb seiner Niederlassungen als verbesserungswürdig ansieht. Als idealem Zeitpunkt zur Konzeptimplementierung wird dabei von einer Organisationsphase ausgegangen, in der das Tochterunternehmen bereits besteht und grundlegende organisatorische Anfangsherausforderungen überwunden wurden, so dass im Bereich des Managements von freien Kapazitäten für Effizienzverbesserungen ausgegangen werden kann. Obwohl das Konzept auf einer fallstudienhaften Untersuchung deutscher Unternehmen in Thailand basiert, wird von einer Übertragbarkeit der grundsätzlichen Vorgehensweise auch auf andere interkulturelle Konstellationen ausgegangen. Um die systematische Einpassung eines Konzepts zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur in den Unternehmensalltag zu ermöglichen und damit grundsätzliches Resonanzpotential innerhalb des Organisationssystems zu schaffen, lehnt sich der Konzeptaufbau an klassische Projektorganisationen an. Er enthält daher aufeinander aufbauende, zeitlich planbare Ablaufphasen der Bestandsaufnahme, der Zieldefinition, der Gestaltungsplanung, der Implementierung sowie der Erfolgskontrolle als Feedback-Schleife. Trotz dieses fest umschriebenen Projektprozesses soll dabei in Anlehnung an Weick (1977) von einer „chronically unfrozen“ Organisation ausgegangen werden. Es wird der Konzeptentwicklung also ein Wandelverständnis von Unternehmen zugrunde gelegt, das an den Ansatz der lernenden Organisation anknüpft (vgl. March/Olsen 1979). Interkulturalität wird dabei nicht als Problem der Organisation aufgefasst, dessen einmalige und endgültige Lösung angestrebt wird. Vielmehr wird Wandel, in diesem Fall die Entwicklung einer interkulturellen Unternehmenskultur, „als Normalfall“, „als Teil der Systemprozesse“ (Schreyögg 2000, S. 548) verstanden. In Anlehnung an das Konzept der lernenden Organisation und unter Berücksichtigung der Vorstellung von Unternehmenskultur als Dialektik von Emergenz und Gestaltung (siehe Einleitung Kapitel 5) wird deshalb davon ausgegangen, dass die Steuerung des Wandels, also die Entwick-

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Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

lung einer funktionsfähigen interkulturellen Unternehmenskultur, sich letztlich indirekt vollzieht. Das explizite Konzept mit seiner ausdefinierten Projektorganisation erfüllt dabei iterative Initiativ-Funktion und verhilft der Thematik zu kontinuierlicher unternehmensinterner Resonanz. Grundsätzlich wird jedoch davon ausgegangen, dass der Gestaltungs-Prozess interkultureller Unternehmenskultur nicht abschließbar ist. 6.1. Anforderungen an das Konzept Als Schlussfolgerungen aus den Untersuchungsergebnissen zur Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur und ihrer Diskussion ergeben sich verschiedene Anforderungen an ein handlungsleitendes Konzept, die im Folgenden kurz beschrieben werden. 6.1.1. Anerkennung kultureller Differenz Wie bereits innerhalb der Beschreibung der theoretischen Grundlagen (siehe Kapitel 3.1.2.) dargestellt, liegt der vorliegenden Arbeit grundsätzlich ein differenzorientiertes Verständnis von Kultur und Unternehmenskultur zugrunde, das durch die Diagnose fundamentaler Differenzen innerhalb der Untersuchung der interkulturellen Rahmenbedingungen (siehe Kapitel 4.1., 4.2.) nachhaltig bestätigt werden konnte. Für einen Konzeptvorschlag zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur muss daher die Anerkennung kultureller Differenzen als Grundlage unternehmenskultureller Kohäsion zur Basisanforderung erklärt werden. Kulturelle Differenzen werden in diesem Sinne konzeptuell nicht als Probleme eines Unternehmens betrachtet, dessen Lösung eine größtmögliche Angleichung oder Erzeugung von Homogenität erfordert, sondern als eine seiner wesentlichen Grundbedingungen begriffen. Die für den Fortbestand des Unternehmens notwendige Kohäsion wird dann über die Herstellung von Normalität dieser Differenzen erzeugt. Unternehmenskultur wird dabei als Schöpferin von Normalität aufgefasst, die über die kontinuierliche Bekanntmachung und Aktualisierung der Differenzen Kohäsion stiftet. Die identifizierte Dynamik der Abwehr zeigt darüber hinaus, dass kulturelle Differenzen nicht nur als neutrales Charakteristikum von Unternehmen berücksichtigt, sondern gleichzeitig als Quelle schwerwiegender Frustrationen, die im Extremfall Gefahren für die individuelle Mitarbeiterintegrität darstellen können, ernst genommen werden müssen. Eine Anerkennung kultureller Differenzen bringt daher auch die Anerkennung von Unüberbrückbarem mit sich. Innerhalb eines Gestaltungskonzepts interkultureller Unternehmenskultur muss daher grundsätzlich von dem Ansatz uneingeschränkter Anpassungsfähigkeit der Organisationsmitglieder abgesehen werden. Vielmehr erfordert ein solches Konzept eine differenzierte Betrachtung der Gewichtigkeit und Auswirkungen von Differenzen, um realistische Einschätzungen darüber zu ermöglichen, wo kulturelle Grenzen überwindbar sind, und wo Rückzugsmöglichkeiten geschaffen müssen, um die individuelle Integrität nicht zu verletzen.

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

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6.1.2. Differenzierung zwischen kultureller Relativität und unternehmerischer Subjektivität Wie innerhalb der theoretischen Grundlagen (siehe Kapitel 3.1.3.) ausgeführt, liegt der Arbeit ein interaktionsorientierter Kommunikationsbegriff und damit auch ein interaktionsorientiertes Verständnis von Interkulturalität zugrunde. Die interkulturellen Analysen deutsch-thailändischer Zusammenarbeit (siehe Kapitel 4.1.1., 4.1.2.) konnten mit ihrer grundsätzlichen Einnahme einer Doppelperspektive in diesem Sinne die Relativität kultureller Einschätzungen und Bewertungen in vielfältiger Form nachweisen. Ein Konzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur muss daher einerseits von einer Prozessualität von Interkultur ausgehen und auf die Annahme jeglicher überkultureller Objektivität verzichten. Aus der Perspektive kultureller Relativität können dann keine Aussagen über interkulturell Richtiges oder Falsches getroffen werden. Andererseits muss das Konzept gleichzeitig den Realitäten des Unternehmensalltags Rechnung tragen und mit der Tatsache unternehmerischer Subjektivität umgehen. Wie anhand der Analyse der Anpassungsdynamiken gezeigt wurde (siehe Kapitel 5.1.3.1., 5.1.4.2.1.), steht Unternehmenskultur letztlich immer im Dienst des wirtschaftlichen Unternehmenserfolgs. Aus dieser Perspektive lassen sich dann sehr wohl Aussagen über Richtiges und Falsches treffen, die dem Maßstab ökonomischer Gesetze folgen. Obwohl auch hier Kausalbeziehungen nicht immer zweifelsfrei herstellbar sind, muss doch, wie die Anpassungsbeispiele zeigen, von dem Vorhandensein einer Sammlung subjektiver, aber in der Vergangenheit wirksamer unternehmenskultureller Standardisierungen ausgegangen werden, die innerhalb des Unternehmens als essentiell zur Erfolgssicherung angesehen werden. Ein handlungsleitendes Unternehmenskulturkonzept muss hier zwischen kultureller Relativität und unternehmerischer Subjektivität vermitteln. Es muss daher eine differenzierte Betrachtung integrieren, die auf der einen Seite zu einer Einordnung der Kulturelemente nach ihrer Wichtigkeit zur Sicherung des Unternehmensfortbestands kommt und auf der anderen Seite neben als unabdingbar erkannten Elementen konsequent Raum für kulturelle Eigendynamik lässt. 6.1.3. Berücksichtigung interkultureller Komplexität Die bereits im Rahmen der theoretischen Grundlagen beschriebene Komplexität von Interkulturalität (siehe Kapitel 3.2.2.3.) konnte anhand der Analysen zur Emergenz interkultureller Unternehmenskultur mit ihrer Identifikation eines komplexen Einflussgefüges bestätigt werden (siehe Kapitel 5.1.). So muss auf Basis der Untersuchungsergebnisse davon ausgegangen werden, dass interkulturelle Unternehmenskultur auch innerhalb eines Anwendungskonzepts nicht auf einzelne Einflussfaktoren und -dynamiken beschränkt werden kann. Wie auch die dargestellten Gestaltungskonzepte der befragten Manager zeigen (siehe Kapitel 5.2.4.), unterliegt interkulturelle Unternehmenskultur unabhängig von der Internationalisierungs-strategie des Mutterunternehmens grundsätzlich hoher Komplexität, die innerhalb eines Konzepts systematisch berücksichtigt werden muss.

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Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

Der folgende Konzeptvorschlag bezieht daher grundsätzlich alle relevanten Einflussfaktoren, die im Rahmen der Untersuchung identifiziert wurden (siehe Kapitel 5.1.2.), in eine Bestandsaufnahme mit ein. Darüber hinaus berücksichtigt er die beobachteten Einflussdynamiken der Anpassung, Integration, Abwehr und Hybridisierung (siehe Kapitel 5.1.3.) nicht nur als emergente, eigendynamische Elemente von Unternehmenskultur, sondern auch als Gestaltungsansätze zur Verbesserung der Unternehmenskohäsion. Im Rahmen einer Einbeziehung der Anpassungsdynamik geht es dann beispielsweise um eine systematische Unterscheidung zwischen sinnvollen und sinnlosen Vorgaben der Unternehmensleitung. Die Abgrenzungsdynamik schlägt sich als Identifikation und Kommunikation von sinnvollen, unternehmensförderlichen Grenzziehungen nieder. Unter Einbezug der Integrationsdynamik werden für die Ausbildung funktionsfähiger Prozesse notwendige Integrationspunkte erfasst. Die Hybridisierungsdynamik schließlich wird in Form systematischer Erarbeitung von sinnvollen kulturellen Verstärkungsmechanismen und Verknüpfungsmöglichkeiten berücksichtigt. Eine erhöhte Komplexität des Konzepts muss dabei bewusst in Kauf genommen werden, da, wie gezeigt wurde, die Vernachlässigung einzelner Dynamiken entsprechend zum Risiko der wirtschaftlichen Sicherheit des Unternehmens (Anpassung), zum Verlust individuellen Sicherheitsempfindens (Abwehr), zur Verhinderung funktionsfähiger Arbeitsprozesse (Integration) oder zur Unterdrückung individueller Identitätsbestimmung der Mitarbeiter (Hybridisierung) führen kann (siehe Kapitel 5.1.3.). 6.1.4. Realistische Umsetzungsorientierung Innerhalb der eingangs beschriebene Forschungslücke wurde bereits auf einen Mangel an handlungsleitenden Konzepten hingewiesen, die einerseits der Komplexität interkultureller Unternehmenskultur Rechnung tragen und trotzdem eine realistische Umsetzungsorientierung verfolgen (siehe Kapitel 3.3.). Die Diskussion der Ergebnisse zur Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur zeigte darüber hinaus ebenfalls Defizite innerhalb bestehender Konzepte hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit auf (siehe Kapitel 5.1.4., 5.2.5.). Zur Sicherstellung von Implementierbarkeit muss daher bereits bei der Entwicklung des Konzeptansatzes eine spätere Umsetzbarkeit berücksichtigt werden. Eine grundsätzliche Umsetzungsorientierung schlägt sich im Rahmen des Konzeptvorschlags dabei insofern nieder als, analog zur angewandten Untersuchungsmethodik (siehe Kapitel 2.1.2.), eine Gegenstandsbegründung aller konzeptuellen Gestaltungselemente gefordert wird. In diesem Sinne wird auf ein universelles Konzept interkultureller Unternehmenskultur als „Kochbuch“ verzichtet zugunsten einer individuellen Analyse, die sich auf im Unternehmensalltag virulente Themenfelder beschränkt. Der Konzeptvorschlag verfolgt damit eine grundsätzliche Einzelfallorientierung: Er betrachtet als Bereich gestalterischer Einflussnahme nur das von den Mitarbeitern selbst als relevant Erachtete und überlässt Funktionsfähiges und Bewährtes seiner kulturellen Eigendynamik.

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Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

6.2. Vorgehensweise Der Konzeptvorschlag zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur gliedert sich auf in vier abgrenzbare, aufeinander folgende Phasen aus Situationsbestimmung, Definition der Gestaltungsziele, Gestaltungsplanung sowie Implementierung. Teil der Implementierung ist eine kontinuierliche Erfolgskontrolle, die je nach Ergebnis eine entsprechende iterative Rückkehr zu einer der vorangegangenen Phasen auslösen kann, so dass insgesamt eine kontinuierliche Beschäftigung mit dem Themenfeld interkultureller Unternehmenskultur innerhalb der Unternehmensleitung gefördert wird. Die folgende Abbildung stellt den Ablauf der einzelnen Phasen überblicksartig dar. Im Anschluss sollen die Aktivitäten und Arbeitsergebnisse der einzelnen Konzeptphasen genauer beschrieben werden. Zusätzlich werden Beispiele aus der Untersuchung zur deutschthailändischen Unternehmenskultur zur Illustration der abstrakten Prozessbeschreibungen herangezogen.

Phasen

Aktivitäten

Situationsbestimmung

c Analyse interkultureller Rahmenbedingungen • Beteiligte Wirtschaftsstile • Typische Konflikte, Synergien

d Analyse weiterer Einflussfaktoren • Wirtschaftssituation • Branche • Mutterunternehmen • Individuum

e Analyse vorhandener Entwicklungsdynamiken • Anpassung

• Integration

• Abwehr

• Hybridisierung

Entwicklung der Gestaltungsziele f Priorisierung und Bewertung der Einflüsse • Unabdingbarkeit (Anpassung)

Gestaltungsplanung

i Abgleich der Gestaltungsziele mit vorhandenen Entwicklungsdynamiken

• Aushandelbarkeit (Integration) • Unvereinbarkeit – Unterstützbarkeit (Hybridisierung)

j Definition von Gestaltungsmaßnahmen

– Abgrenzungsbedarf (Abwehr)

g Abgleich mit Gesamtunternehmenszielen

Implementierung

k Umsetzung der Gestaltungsmaßnahmen l Erfolgskontrolle

• Verstärkung • Gegensteuern • Initiierung

h Definition kontrollierbarer Erfolgsindikatoren

Abb. 63: Konzeptvorschlag zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur – Phasen und Aktivitäten

6.2.1. Situationsbestimmung Die erste Phase der Situationsbestimmung zielt insgesamt auf eine IST-Analyse der vorhandenen Unternehmenskultur des entsprechenden Tochterunternehmens ab. Zur Erstellung einer solchen IST-Analyse wird eine ähnliche Vorgehensweise vorgeschlagen, wie sie im Rahmen der vorliegenden Untersuchung beispielhaft durchgeführt wurde. Die benötigten Daten werden dabei in Form einer vertieften qualitativen Mitarbeiterbefragung erhoben. Zur Sicherung der Ergebnisqualität hinsichtlich Unvoreingenommenheit und adäquater Methodenanwendung sollte hierbei vorzugsweise externe Unterstützung durch einen mit der Thematik interkultureller Kommunikation vertrauten Spezialisten gesucht werden.

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Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

Den ersten Schritt dieser Konzeptphase bildet die Analyse interkultureller Rahmenbedingungen der Unternehmenskultur sowie die Untersuchung weiterer Einflussfaktoren zur Identifikation relevanter inhaltlicher Einflüsse, denen die Kultur des Tochterunternehmens unterliegt. Während in diesem erstem Schritt also die inhaltlichen Elemente festgestellt werden, aus denen sich die vorhandene Unternehmenskultur speist, werden dann in einem zweiten Schritt die vorhandenen Entwicklungsdynamiken untersucht, um herauszufinden, wie die identifizierten inhaltlichen Einflussfaktoren innerhalb der Unternehmenskultur ihren Niederschlag finden. 6.2.1.1. Analyse interkultureller Rahmenbedingungen von Unternehmenskultur Die Analyse interkultureller Rahmenbedingungen bildet die Grundlage für die Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur. Dabei werden als erforderliche Aktivitäten analog zur vorliegenden Untersuchung eine grundlegende Analyse der beteiligten Wirtschaftsstile sowie eine Beschreibung typischer Konflikte und Synergiepotentiale unterschieden. Als Datenbasis dient hierbei eine ausführliche qualitative Befragung der Expatriate-Manager sowie der einheimischen Mitarbeiter zu Merkmalen der unterschiedlichen Wirtschaftsstile und Beobachtungen zur täglichen interkulturellen Zusammenarbeit.47 Typische Arbeitsergebnisse dieses Schritts bilden eine Beschreibung der relevanten Elemente der beteiligten Wirtschaftsstile aus zweifacher (interkultureller) Perspektive sowie eine Dokumentation typischer Konfliktverläufe und Synergiepotentiale. ‚Beispiele Beispiele für mögliche Arbeitsergebnisse der Analyse interkultureller Rahmenbedingungen können im Fall einer Untersuchung deutsch-thailändischer Unternehmenskultur sämtliche identifizierten Stilmerkmale (siehe Kapitel 4.1.1., 4.1.2.) bzw. Konflikt- und Synergiepotentiale sein (siehe Kapitel 4.2.1., 4.2.2.). Oft erweisen sich jedoch nur einzelne der identifizierten Gegensätze als besonders relevant bei der Betrachtung eines spezifischen Unternehmens. So konnten im Rahmen der Untersuchung beispielsweise bei einem der befragten Unternehmen besondere Gegensätze im Zusammenhang mit der Problematik der Entscheidungsfindung festgestellt werden. Während die deutschen Mitarbeiter sehr stark an einem gemeinsamen Meinungsaustausch mit anschließender Entscheidungsfindung im Rahmen von problemorientierten Besprechungen gewöhnt waren, schilderten die thailändischen Mitarbeiter vor allem deutsche Aggression beim Erzwingen von Meinungsäußerungen innerhalb öffentlicher Meetings (vgl. auch Kapitel 4.2.1.1.3., Verantwortungsmissverständnis). Bei einem anderen Unternehmen erwiesen sich die unterschiedlichen deutschen und thailändischen Vorstellungen von adäquaten Kollegialbeziehungen als besonders gravierend (vgl. auch Kapitel 4.2.1.1.5., Kollegialitätsmissverständnis) und äußerten sich auf deutscher Seite als

47

Zu Einzelheiten der Methodik der Datenerhebung und Auswertung vgl. Kapitel 2.2.

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

285

Frustration über die abweisende Haltung der thailändischen Kollegen, auf thailändischer Seite als Misstrauen gegenüber der Authentizität der deutschen Kollegen. Der spezifisch deutsch-thailändische Gegensatz aus ernsthaftem bzw. spielerischem Umgang mit Arbeitsaufgaben trat bei einem anderen Unternehmen besonders deutlich zutage (vgl. auch Kapitel 4.1.1.4., 4.1.2.4.). Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass die Sammlung relevanter kultureller Stilmerkmale einzelfallorientiert durchgeführt werden sollte, da sie je nach Unternehmen unterschiedliche Akzentuierungen erbringen kann. 6.2.1.2. Analyse weiterer Einflussfaktoren von Unternehmenskultur Die Analyse weiterer Einflussfaktoren vervollständigt in einem nächsten Schritt die Sammlung der inhaltlichen Elemente der vorhandenen Unternehmenskultur. Hierbei werden beispielsweise die Bereiche der Unternehmensbranche, der derzeitigen Wirtschaftssituation, die Unternehmenskultur des Mutterunternehmen sowie individuelle Eigenschaften der Unternehmensleitung hinsichtlich inhaltlicher Einflussfaktoren untersucht. Analog zur Untersuchungsmethodik sollte dabei auf eine ausführliche qualitative Befragung vor allem der Unternehmensführung zurückgegriffen werden, um die wichtigsten Bestimmungsfaktoren zu identifizieren. Als konkretes Arbeitsergebnis dieser Phase ergibt sich analog zu den in Kapitel 5.1.2. beschriebenen Untersuchungsergebnissen eine Sammlung zusätzlicher Einflüsse, die bei der Entwicklung der bestehenden Unternehmenskultur des Tochterunternehmens eine Rolle spielen. ‚Beispiele Ein besonders prägnantes Beispiel innerhalb der Untersuchung zur deutsch-thailändischen Unternehmenskultur für den Bereich der Branchenorientierung bildet die ausgeprägte Sicherheitsorientierung deutscher Chemieunternehmen, die sich vor allem in einer Durchsetzung internationaler Arbeitssicherheitsstandards und strenger Befolgung internationaler Umweltrichtlinien äußert und damit nachhaltigen Einfluss auf die Unternehmenskultur des thailändischen Tochterunternehmens ausübt. Als Beispiel für den inhaltlichen Einfluss des Mutterunternehmens lässt sich darüber hinaus die internationale Regelung von Kundenpflegeprozessen eines Unternehmens anführen, die ein für Thailand ungewöhnliches Verbot selbst kleinster Geschenke beinhaltet und auf diese Weise die Gestaltung des Kundenkontakts im thailändischen Tochterunternehmen beeinflusst. Einen Einflussfaktor auf der Ebene des Individuums stellt beispielhaft das individuelle Offenheitsverständnis eines deutschen Geschäftsführers dar, der die Führungsphilosophie verfolgt, durch permanenten, vor allem räumlichen Kontakt von Mitarbeitern untereinander durch eine konsequente „Open-Door-Policy“ sowie gemeinsame Großraumbüros für Mitarbeiter unterschiedlicher Hierarchieebnen für eine transparente Unternehmenskultur zu sorgen.

286

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

Hier zeigt sich, dass die Sammlung weiterer Einflussfaktoren pro Unternehmen aufgrund der spezifischen Rahmenbedingungen insgesamt noch individueller ausfallen muss als die Feststellung relevanter Stilmerkmale der beteiligten Wirtschaftskulturen. 6.2.1.3. Analyse vorhandener Entwicklungsdynamiken interkultureller Unternehmenskultur Die Analyse vorhandener Entwicklungsdynamiken liefert innerhalb der ersten Konzeptphase schließlich die Grundlage für ein tiefer gehendes Verständnis, wie die identifizierten inhaltlichen Einflussfaktoren innerhalb des Tochterunternehmens bisher zur Ausprägung kommen. Dabei werden als typische Aktivitäten dieses Schritts die festgestellten, teilweise gegensätzlichen Einflussfaktoren einzeln betrachtet und hinsichtlich beobachtbarer Einflussdynamiken der Integration, Anpassung, Abwehr oder Hybridisierung untersucht. Die erforderliche Datenbasis hierzu kann dabei als zusätzlicher Teil der qualitativen Mitarbeiterbefragung erhoben werden48. Insgesamt bietet es sich aufgrund der Untersuchungserfahrungen hinsichtlich einer vereinfachten und zügigeren Untersuchungsdurchführung an, die Analyse interkultureller Rahmenbedingungen sowie die Untersuchung vorhandener Entwicklungsdynamiken innerhalb einer gemeinsamen Befragungsrunde zu bearbeiten. Das Ergebnis dieses Arbeitsschritts bildet eine Zuordnung der identifizierten Einflussfaktoren zu den Entwicklungsdynamiken sowie eine detaillierte Spezifikation ihrer Ausprägungen innerhalb der Unternehmenskultur in Form einer „Landkarte“ der vorhandenen Unternehmenskultur (ISTZustand). ‚Beispiele Eine hypothetische Analyse der fünf bisherigen Beispiele für unternehmenskulturelle Einflussfaktoren könnte in diesem Arbeitsschritt erbringen, dass die vorherrschende Dynamik, die den einzelnen Einflüssen zugeordnet werden muss, die Dynamik der Anpassung ist: So könnte eine Untersuchung der angesprochenen Problematik der Entscheidungsfindung zeigen, dass innerhalb der abgehaltenen Meetings die deutsche Art der Entscheidungsfindung bisher durchgesetzt wurde, indem häufig durch Ausübung von Druck auf die thailändischen Mitarbeiter eine „offene“ Meinungsäußerung erzwungen wurde, bzw. eine Entscheidung von deutscher Seite schließlich allein getroffen wurde. Auch bei einer Analyse des identifizierten Gegensatzes aus ernsthafter bzw. spielerischer Aufgabenbearbeitung könnte eine Anpassungsdynamik festgestellt werden, wenn beispielsweise die Unternehmensleitung Regeln definiert und kommuniziert hat, die aus deutscher Sicht ungewöhnliches thailändisches Verhalten unterbinden. Typische Beispiele hierfür können Verbote von gemeinsamem Essen am Arbeitsplatz oder der Dekoration bestimmter Unternehmensbereiche sein, sowie die Einführung einer „Clean-Desk-Policy“, die das verbreitete Aufstellen von Fotogalerien und Stofftiersammlungen auf den Mitarbeiterschreibtischen unterbindet.

287

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

Deutsch-thailändische Widersprüche im Kollegialitätsverständnis • Abwehr auf deutscher Seite • Abwehr auf thailändischer Seite

Hybridisierung

Offenheitsverständnis des deutschen Geschäftsführers • Erzwungene Anpassung auf thailändischer Seite

Integration

Deutsch-thailändische Widersprüche im Verständnis von Aufgabenbearbeitung • Unvollständige Anpassung auf thailändischer Seite

Deutsch-thailändische Widersprüche bei der Entscheidungsfindung • Unvollständige Anpassung auf thailändischer Seite

Abwehr

Deutsches Verständnis von Kundenkontaktpflege • Anpassung auf thailändischer Seite

Deutsches Sicherheitsverständnis • Anpassung auf thailändischer Seite

Anpassung

Abb. 64: Beispiel für kulturelle „Landkarte“ zur Dokumentation des IST-Zustands (Prinzipdarstellung)

Auch in Bezug auf die identifizierte Sicherheitsorientierung könnte eine Anpassungsdynamik festgestellt werden, wenn die internationalen Sicherheitsstandards durch die deutsche Unternehmensführung typischerweise durchgesetzt und streng kontrolliert bzw. sanktioniert werden. Der Stammhaus-Einfluss auf die Pflege von Kundenkontakten könnte darüber hinaus eine weitere Anpassungsdynamik darstellen, wenn die deutschen Regelungen zur Vermeidung von Geschenken an Kunden in Thailand durch die Unternehmensleitung konsequent umgesetzt werden. Das Beispiel der ausgeprägten Offenheitsvorstellung eines deutschen Geschäftsführers lässt sich schließlich ebenfalls als Anpassungsdynamik interpretieren, wenn er seine Vorstellungen von Unternehmenstransparenz durch individuelle Bürogestaltung in der Vergangenheit gegen die Präferenzen seiner thailändischen Mitarbeiter durchgesetzt hat, die sich nun unter ständiger „Überwachung“ durch ihre deutschen Vorgesetzten im permanenten Stresszustand befinden. In Bezug auf das gegensätzliche Kollegialitätsverständnis könnte sich hingegen auf deutscher und thailändischer Seite zum Schutz der eigenen Integrität aufgrund gegenseitiger Zurückweisungsinterpretation und Misstrauen typischerweise eine Abwehrdynamik entwickelt haben. Die Abbildung stellt zur Illustration möglicher Arbeitsergebnisse der ersten Phase das Prinzip einer kulturelle „Landkarte“ (IST-Zustand) anhand der beschriebenen hypothetischen Beispielen ausschnittsartig dar. Als auffällig im Rahmen einer realen Untersuchung von Unternehmenskultur wäre hierbei das Übergewicht der Anpassungsdynamik zu beurteilen.

48

Zu Einzelheiten der Methodik der Datenerhebung und Auswertung vgl. Kapitel 2.2.

288

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

6.2.2. Entwicklung von Gestaltungszielen In der Phase der Entwicklung von Gestaltungszielen geht es darum, innerhalb der Unternehmensleitung einerseits eine qualitative Zielvorstellung von einer kohäsiven interkulturellen Unternehmenskultur zu formulieren und andererseits diese Ziele einer systematischen Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur in Form kontrollierbarer Erfolgsindikatoren festzulegen. 6.2.2.1. Bewertung

und

Priorisierung

der

identifizierten

Einflüsse

interkultureller

Unternehmenskultur Zur Entwicklung einer qualitativen Zielvorstellung innerhalb der Unternehmensleitung müssen zunächst identifizierte inhaltliche Einflüsse hinsichtlich ihrer Wichtigkeit für den Unternehmenserfolg bewertet und priorisiert und auf Basis dieser Bewertung passenden Dynamiken zugeordnet werden. Die Bewertung der gesammelten Einflussfaktoren erfolgt dabei nach folgenden Fragestellungen: ‚Unabdingbarkeit Welche inhaltlichen Elemente werden als unabdingbar für den Geschäftserfolg des Tochterunternehmens bewertet? ‚Widersprüchlichkeit Welche inhaltlichen Elemente stehen im Widerspruch zueinander? − Unvereinbarkeit Welche der identifizierten widersprüchlichen Elemente werden als unvereinbar bewertet? - Abgrenzungsbedarf Welche der als unvereinbar identifizierten Elemente erzeugen aufgrund von Integritätsgefährdung Abgrenzungsbedarf? - Unterstützbarkeit Welche der als unvereinbar identifizierten Elemente können ohne Gefahr für den Unternehmenserfolg und die Integrität der Mitarbeiter unterstützt bzw. mit anderen Elementen verknüpft werden? − Aushandelbarkeit Welche widersprüchlichen Elemente erscheinen zur Ausbildung funktionsfähiger Unternehmensprozesse aushandelbar? Aus der abgeschlossenen Bewertung der inhaltlichen Einflussfaktoren hinsichtlich der beschriebenen Fragestellungen ergibt sich die Zuordnung zu passenden bzw. gewünschten Entwicklungsdynamiken. Dabei entspricht unabdingbaren Elementen die Dynamik der Anpassung. Widersprüchliche, unvereinbare Elemente werden je nach Unterstützbarkeit bzw. Abgrenzungsbedarf der Dynamik der Hybridisierung bzw. Abwehr zugeordnet. Als widersprüchlich aber aushandelbar bewertete Einflussfaktoren entsprechen der Integrationsdynamik. Identifizierte Ein-

289

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

flüsse, die sich keinem Bereich zuordnen lassen, werden dementsprechend weder als unabdingbar für den Unternehmenserfolg noch als im Widerspruch zu anderen Faktoren bewertet. Sie können daher bei der interkulturellen Gestaltung von Unternehmenskultur ihrer kulturellen Eigendynamik überlassen bzw. eventuell als passende Verknüpfungselemente einer Hybridisierungsdynamik (siehe Kapitel 6.2.3.2.) nutzbar gemacht werden. Die folgende Abbildung stellt die Bewertung der inhaltlichen Einflussfaktoren illustrativ als Entscheidungsbaum dar. Einflussfaktoren interkultureller Unternehmenskultur Ursprungskultur

Branche

Wirtschaftssituation

Mutterunternehmen

Landeskultur

Adäquate Entwicklungsdynamik

Unabdingbarkeit Ja

Anpassung

Nein

Kulturelle Eigendynamik

Nein Widersprüchlichkeit

Ja

Unvereinbarkeit

Aushandelbarkeit

Integration

Abgrenzungsbedarf

Abwehr

Unterstützbarkeit

Hybridisierung

Abb. 65: Entscheidungsbaum zur Bewertung inhaltlicher Einflussfaktoren hinsichtlich der Auswahl adäquater Dynamiken

Die vorgeschlagene Bewertung soll idealerweise als Diskussion der Ergebnisse der IST-Analyse, eventuell moderiert durch einen externen Spezialisten, innerhalb der Unternehmensleitung gemeinsam erarbeitet werden. Das Ergebnis dieses Arbeitsschritts bildet eine weitere „Landkarte“ der Unternehmenskultur (ZIEL), auf der als Zielvorstellung von Unternehmenskultur die identifizierten Einflüsse sinnvoll und systematisch passenden Dynamiken zugeordnet sind. ‚Beispiele Eine hypothetische Bewertung der vorgestellten Beispiele aus der Untersuchung deutschthailändischer Unternehmenskultur könnte folgende Ergebnisse erbringen: Auf die Frage nach der Unabdingbarkeit der inhaltlichen Einflüsse für den Unternehmenserfolg könnte typischerweise die deutsche Sicherheitsorientierung der Branche identifiziert werden. Die passende Dynamik wäre in diesem Fall eine Anpassung des thailändischen Tochterunternehmens an die deutschen Standards. Darüber hinaus könnte jedoch auch die thailändische Art

290

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

der Kontaktpflege als unabdingbar für den Vertriebserfolg des thailändischen Tochterunternehmens bewertet werden. In diesem Fall wäre die passende Dynamik eine Anpassung der deutschen Regelungen des Kundenkontakts an die thailändische Wirtschaftspraxis. Auf die Frage nach der Widersprüchlichkeit einzelner inhaltlicher Elemente konnten schon die deutsch-thailändischen Unterschiede im Verständnis von Entscheidungsfindung und kollegialen Beziehungen, sowie eine ernsthafte bzw. spielerische Herangehensweise an bestimmte Aufgaben angeführt werden. Darüber hinaus steht das beschriebene Offenheitsverständnis des Geschäftsführers im Gegensatz zum thailändischen Hierarchieverständnis. Eine genauere Bewertung dieser kulturellen Widersprüche könnte erbringen, dass nur die Gegensätze aus Offenheits- bzw. Hierarchieverständnis und ernsthafter, bzw. spielerischer Herangehensweise als wirklich unvereinbar betrachtet werden, da aufgrund der Ergebnisse der Analyse interkultureller Rahmenbedingungen nicht davon auszugehen ist, dass eine der beiden Seiten ihre grundsätzlichen Vorstellungen von Hierarchie sowie ihr Arbeitsverständnis beliebig anpassen oder aufgeben wird. Die weitere Untersuchung dieser Elemente könnte darüber hinaus offenbaren, dass sich aufgrund der Offenheitsoffensive des deutschen Geschäftsführers die thailändischen Mitarbeiter durch die von ihnen als permanente Überwachung interpretierte Aufsicht unter Druck gesetzt fühlen, so dass ein Abgrenzungsbedarf, also die Notwendigkeit der Abwehrdynamik, erkannt wird. Auf der anderen Seite könnte eine Bewertung des Gegensatzes aus eher ernsthaftem bzw. eher spielerischem Arbeitsverständnis zu der Erkenntnis führen, dass hier ohne Gefahr für den Unternehmenserfolg und die Integrität der Mitarbeiter widersprüchliche Verhaltensweisen (hier also z.B. das spielerische Element) unterstützt werden oder mit anderen Elementen zur Erzeugung von Kohäsion verknüpft werden können. Als passende Dynamik wäre dann entsprechend Hybridisierung auszuwählen.

Hybridisierung

Deutsch-thailändische Widersprüche im Verständnis von Aufgabenbearbeitung • Hybridisierung von deutscher Seite

Offenheitsverständnis des deutschen Geschäftsführers • Ermöglichung von Abwehr auf thailändischer Seite

Deutsch-thailändische Widersprüche im Kollegialitätsverständnis • Gegenseitige Integration

Deutsches Sicherheitsverständnis • Anpassung auf thailändischer Seite

Deutsch-thailändische Widersprüche bei der Entscheidungsfindung • Gegenseitige Integration

Integration

Abwehr

Deutsches Verständnis von Kundenkontaktpflege • Anpassung auf deutscher Seite

Anpassung

Abb. 66: Beispiel für kulturelle „Landkarte“ zur Dokumentation der Zielvorstellung (Prinzipdarstellung)

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

291

Während die bisher diskutierten Widersprüche als unvereinbar bewertet wurden, könnten die Gegensätze im Bereich der Entscheidungsfindung bzw. des Kollegialitätsverständnisses aufgrund der Ergebnisse der Analyse interkultureller Rahmenbedingungen als aushandelbar bewertet werden, da hier primär Missverständnisse, die sich aus kulturellen Fehlinterpretation des Verhaltens des jeweiligen Gegenübers ableiten, für die Frustrationen verantwortlich gemacht werden können. In diesem Fall würde Integration als passende Dynamik identifiziert werden. Die Abbildung stellt zur Illustration möglicher Arbeitsergebnisse der Entwicklung einer Zielvorstellung interkultureller Unternehmenskultur das Prinzip der kulturelle „Landkarte“ (ZIELZustand) anhand der beschriebenen hypothetischen Beispielen ausschnittsartig dar. 6.2.2.2. Abgleich mit Gesamtunternehmenszielen Aufbauend auf der kulturellen „Landkarte“ als Zielvorstellung der interkulturellen Unternehmenskultur wird als weiterer Schritt ein Abgleich mit den Gesamtunternehmenszielen bzw. internationalen Verhaltensrichtlinien notwendig, um potentielle Widersprüche möglichst schnell zu erkennen. Im Falle festgestellter Inkongruenz der definierten inhaltlichen Elemente oder der ihnen zugeordneten Dynamiken im Vergleich mit Vorgaben der Unternehmenszentrale sollten sich daher Diskussionen mit dem Stammhaus zur Klärung der identifizierten potentiellen Problembereiche anschließen, die je nach Ausmaß der festgestellten Widersprüche bis zur Vorbereitung von Ausnahmeregelungen für das Tochterunternehmen oder zur Anpassung der lokalen Zielvorstellung führen können. Eindeutige Klärung sollte jedoch in jedem Fall vor der Umsetzung von Gestaltungsmaßnahmen erfolgen. ‚Beispiele So könnte beispielsweise, wie in mehreren deutschen Tochterunternehmen beobachtet, eine Anpassung der Vertriebs-Prozesse an thailändische Standards mit Stammhaus-Regelungen zu Spenden und Geschenken an Kunden kollidieren. Eine unternehmensweite „Clean-Desk-Policy“ könnte der identifizierten Hybridisierungsdynamik mit ihrer Unterstützung von spielerischen Elementen im Arbeitsalltag (z.B. durch umfangreiche Dekoration der Arbeitsplätze) widersprechen. Hier sollte innerhalb des Tochterunternehmens eine Entscheidung über die Schwere der Abweichung getroffen werden, aufgrund derer beispielsweise in Bezug auf das Austeilen von Geschenken an Kunden eine systematische Abstimmung mit dem Stammhaus erfolgt, während in Bezug auf die Gestaltung der Büroräume lokal Tatsachen geschaffen werden. Unterbleibt diese Klärung, etablieren sich interkulturelle Grauzonen der Nicht-Entscheidbarkeit, die, wie in Kapitel 4.1.1.1.2. am Beispiel der Vergabe von Geschenkkörben gezeigt, eine Quelle permanenter Frustrationen bilden können und adäquates Mitarbeiterverhalten hemmen.

292

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

6.2.2.3. Definition kontrollierbarer Erfolgsindikatoren Zur kontinuierlichen Kontrolle des Erfolgs der Bemühungen zur Entwicklung einer funktionsfähigen interkulturellen Unternehmenskultur sollten in einem weiteren Schritt durch die Unternehmensleitung, vorzugsweise unter Einbeziehung der Mitarbeiter, eindeutige Erfolgsindikatoren festgelegt werden, die idealerweise im Anschluss innerhalb des Unternehmens kommuniziert werden. Das Ergebnis dieses Arbeitsschritts bildet dann eine Sammlung von unternehmensspezifischen Erfolgsindikatoren, die in Abhängigkeit einer funktionsfähigen Unternehmenskultur bzw. konfliktfreier interkultureller Zusammenarbeit stehen. In Bezug auf die Ergebnisse der Untersuchung deutsch-thailändischer Unternehmen könnte dies beispielsweise die Festlegung einer bestimmten Zielquote der Fluktuationsrate bedeuten oder die Vorgabe der Umsetzung bestimmter Qualitätsziele, wie beispielsweise die im Rahmen der Untersuchung häufig angeführten ISO-Zertifizierungen. Zusätzlich sollte grundsätzlich ein Zeitrahmen für die Erreichung der gesetzten Ziele definiert werden, der sinnvollerweise mittelfristige Zeiträume (min. 1 Jahr) betrachtet, um die eingeschränkte Wandelbarkeit und Trägheit gewachsener Unternehmenskulturen zu berücksichtigen. 6.2.3. Gestaltungsplanung Im Rahmen der dritten Konzeptphase, der Gestaltungsplanung, sollen auf Basis der ISTAnalyse sowie der festgelegten Zielvorstellungen konkrete Gestaltungsmaßnahmen zur Entwicklung der interkulturellen Unternehmenskultur erarbeitet werden. Hierfür muss zunächst in einem ersten Schritt ein Abgleich der definierten Gestaltungsziele mit den vorhandenen Entwicklungsdynamiken durchgeführt werden, um potentielle Inkongruenzen festzustellen, bevor in einem zweiten Schritt entsprechende Maßnahmen zur Erreichung der Zielvorstellungen festgelegt werden können. 6.2.3.1. Abgleich der Gestaltungsziele mit vorhandenen Entwicklungsdynamiken Um zu einem Abgleich der definierten Gestaltungsziele mit vorhandenen Entwicklungsdynamiken zu kommen, werden die beiden kulturellen „Landkarten“, also der IST-Zustand der Unternehmenskultur und die Zielvorstellung einer zukünftigen Unternehmenskultur, miteinander verglichen, um Abweichungen festzustellen und diese im Rahmen der Festlegung von Gestaltungsmaßnahmen adressieren zu können. Das Arbeitsergebnis dieses Schritts bildet in diesem Sinne eine Darstellung der Unterschiede zwischen den Ergebnissen der Phasen „Situationsbestimmung“ und „Entwicklung von Gestaltungszielen“. ‚Beispiele Eine Betrachtung der vorgestellten hypothetischen Beispiele hinsichtlich eines Vergleichs der IST-Situation und der Zielvorstellung würde zum einen eine Kongruenz im Bereich des Einflussfaktors Sicherheit erbringen. Hier wurde einerseits eine Anpassung des thailändischen Tochterunternehmens an die Richtlinien des deutschen Stammhauses festgestellt. Im Rahmen der

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

293

Zieldefinition wurde der Sicherheitsaspekt darüber hinaus als unabdingbar für den Unternehmenserfolg bewertet und aus diesem Grund Anpassung als adäquate Dynamik bestimmt. ISTSituation und Zielvorstellung stimmen in diesem Fall überein. Sofern die Anpassung des thailändischen Tochterunternehmens in der Vergangenheit konsequent umgesetzt wurde, besteht in diesem Bereich zunächst kein Gestaltungsbedarf. Die Analyse der weiteren Beispiele offenbart jedoch zahlreiche Inkongruenzen zwischen ISTZustand und Zielvorstellung. So wurde in Bezug auf die Kundenpflege innerhalb der Situationsbestimmung eine Anpassung des thailändischen Tochterunternehmens an deutsche Regelungen festgestellt, als Zielvorstellung wurde jedoch eine Anpassung an thailändische Standardisierungen gefordert. In Bezug auf die Entscheidungsfindung in der täglichen Zusammenarbeit wurde eine erzwungene, jedoch häufig erfolglose Anpassung der thailändischen Mitarbeiter an deutsche Gewohnheiten festgestellt, im Rahmen der Zieldefinition jedoch Integration als adäquate Dynamik festgelegt. In Bezug auf das Offenheitsverständnis des Geschäftsführers, das sich in der Vergangenheit ebenfalls in Form von Anpassung der thailändischen Mitarbeiter in der Unternehmenskultur niedergeschlagen hat, wurde als Zielvorstellung die Ermöglichung von Abwehr definiert. Dem unterschiedlichen Verständnis von Kollegialität, bei dem im Rahmen der IST-Analyse Abwehr auf beiden Seiten festgestellt werden konnte, wurde als Zieldynamik Integration zugeordnet. Der Gegensatz zwischen ernsthafter und spielerischer Arbeitsweise schließlich, bei dem in der Vergangenheit durch deutsche Verbote eine Anpassung der thailändischen Mitarbeiter erzielt werden sollte, wurde demgegenüber im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungszielen als Bereich bewertet, der für eine Hybridisierungsdynamik in Frage kommen könnte. 6.2.3.2. Definition von Gestaltungsmaßnahmen Als zweiter Schritt innerhalb der Phase der Gestaltungsplanung schließt sich die Definition konkreter Gestaltungsmaßnahmen auf Basis der identifizierten Kongruenzen bzw. Inkongruenzen zwischen IST und ZIEL der interkulturellen Unternehmenskultur an. Dabei wird im einzelnen versucht, durch geeignete Maßnahmen einerseits eine Verstärkung kongruenter Dynamiken zu erreichen, andererseits wird durch das Initiieren neuer Dynamiken eine Korrektur inkongruenter Dynamiken begünstigt. Als Arbeitsergebnis dieses Schritts ergibt sich dann eine Sammlung möglichst konkreter Gestaltungsmaßnahmen mit einem Implementierungsplan, der Verantwortlichkeiten, Zeitrahmen, Kosten etc. spezifiziert. ‚Beispiele: Als Beispiel für die Verstärkung kongruenter Dynamiken kann der beschriebene Sicherheitsaspekt dienen. Obwohl hier eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen IST- und ZIELDynamik festgestellt wurde, wäre es möglich, zur Verstärkung des als besonders wichtig für den Unternehmenserfolg bewerteten Sicherheitsbewusstseins zusätzlich Hybridisierungsdynamiken zu initiieren. Als Beispiele aus der Untersuchung deutsch-thailändischer Unternehmens-

294 kultur

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

lassen

sich

hier

die

häufig

beobachteten

Verknüpfungen

der

deutscher

Sicherheitsvorstellung einerseits mit buddhistischen Glaubenselementen (vgl. buddhistische Zeremonie innerhalb einer Unternehmensfeier zu 777 unfallfreien Betriebstagen, siehe Kapitel 5.1.3.4.) oder die Verbindung aus Umweltschutzbewusstsein mit thailändischer Festkultur (vgl. Choreographie

eines

Umweltschutz-Tanzes

im

Rahmen

einer

deutsch-thailändischen

Unternehmensfeier) anführen. Auf der anderen Seite kann ein mögliches Gegensteuern bei der Feststellung inkongruenter Dynamiken in Bezug auf den Aspekt der Kundenpflege durch die Definition neuer Verhaltensregeln erreicht werden, die sich den herrschenden thailändischen Standardisierungen anpassen. So könnte beispielsweise die Praxis des Verteilens von Geschenken durch Festsetzung einer thailandspezifischen wertbezogenen Höchstgrenze mit internationalen Unternehmensstandards kompatibel gemacht werden – eine relativ einfache Sonderregelung, die jedoch innerhalb der untersuchten Unternehmen kaum verwirklicht wird und so zu permanenten Stammhauskonflikten führt. In Bezug auf die Gegensätze in der Praxis der Entscheidungsfindung könnte die avisierte Integrationsdynamik beispielsweise von deutscher Seite durch eine Veränderung von Besprechungsabläufen eingeleitet werden. Wie innerhalb der Untersuchung beschrieben, kann dabei ein besseres Verständnis der deutschen und thailändischen Vorstellungen von Mitarbeiterverantwortung zu neuen, integrierten Formen der Entscheidungsfindung führen, die von beiden Seiten zumutbare Verhaltensveränderungen erfordern und beiden Seiten gerecht werden (siehe Kapitel 5.1.3.3.). Zur Umwandlung der in Bezug auf das widersprüchliche Kollegialitätsverständnis festgestellten Abwehr in eine Integrationsdynamik erscheint demgegenüber ein gezieltes, teilweise getrennt durchgeführtes interkulturelles Training zum Abbau kommunikativer Missverständnisse und zum Aufbau von Vertrauen zwischen den kulturellen Gruppen als geeignete Maßnahme. Im Fall der Offenheitsoffensive des Geschäftsführers sollten hingegen zur Ermöglichung von Abgrenzung als Anerkennung und Förderung der Abwehrdynamik die beschriebenen räumlichen Aufteilungen des Büros wieder rückgängig gemacht werden zugunsten einer Platzverteilung, die den thailändischen Mitarbeitern adäquate räumliche Distanz und Rückzugsmöglichkeiten von der als übermächtig empfundenen Gruppe hierarchisch höhergestellter deutscher Manager zugesteht. Für den durch thailändische Anpassung gekennzeichneten Gegensatz aus ernsthafter bzw. spielerischer Arbeitsweise, für den im Rahmen der Zielverwirklichung ein Wandel zur Hybridisierungsdynamik vorgesehen wurde, sollten schließlich Maßnahmen definiert werden, die auf der einen Seite eine Zurücknahme der aufgestellten Anpassungsregeln beinhalten und auf der anderen Seite eine wohlwollende Unterstützung der aus deutscher Sicht fremden spielerischen Elemente fördern. Im Rahmen der Untersuchung lassen sich dafür zahlreiche Beispiele finden. So richtete ein Unternehmen beispielsweise auf dem Werksgelände einen Sportplatz mit diver-

295

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

sen Sportgeräten ein, der in Arbeitspausen benutzt werden kann. Die beschriebenen zahlreichen Unternehmensfeste nach thailändischem Stil mit ihren ausgeprägt spielerischen Elementen (z.B. sportliche Wettkämpfe, Glücksspiele, gemeinsames Karaoke-Singen etc.), die Einführung von Freizeit-Clubs oder die Verknüpfung der spielerischen Elemente mit anderen Unternehmenszielen (z.B. die Einführung eines Wettbewerbs für die beste grafische Gestaltung von Umweltschutzrichtlinien innerhalb eines chemischen Betriebs) illustrieren ebenfalls eine solche initiierte Hybridisierungsdynamik.

Situationsbestimmung

Phasen

Arbeitsergebnisse

Aktivitäten 1

Analyse interkultureller Rahmenbedingungen

Deutscher Deutscher Wirtschaftsstil Wirtschaftsstil

Thailändische Thailändische Perspektive Perspektive • Kennz ei chen dt. Interaktion: Unsensibilität, Nachlässigkeit, Ungeschi ck • Folge dt. Interaktion: Konfliktentstehung • Kommunikationsstrategien

– Verbale Direktheit/ Eindeutigkeit

– Verbale Direkt heit – Ausübung von Druck

– Offene Kritik

– Konflikte nicht erzeugen – Konflikte verschieben – „Einen anderen Weg finden“ • Wichtigkeit indirekter Konfliktsymptome

• Wichtigkeit indirekter Konfliktsymptome – Unzugänglichkeit – Köperlicher Ausdruck von Unbehagen – Extreme Aggressivität als letzter Ausweg

• Merkmale der beteiligten Wirtschaftsstile aus interkultureller Perspektive Synergie: Loyalität Deutsche

Thailändische Perspektive

Perspektive Kollegialitätsmißverständnis

Sozialverantwortung der Thailändische Unternehmensführung

Deutsche Perspe ktive

Loyalitätsverhältnis (khuna Dimension)

Perspektive

Übernahme persönlicher Verantwortung für

thailändische Mitarbeiter, Loya litätsbeziehung, Einheit von(Persönliches Kollegialität Interesse, Gewährung sozialer und Freundschaft

Kollegialität: Sachorie ntiert, Trennung Privat/ Professionell

Absicherung, Hilfe, Förderung, Fürsorge)

Beschränkung de s Be ziehungsaufbaus auf gemeinsame Aufgaben

Deutsche Kälte, Gleichgültigkeit (Decha-Verhältnis)

IInterpret nter pr et ation

Verhalten Ve rhalte n

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolledd

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Integration Integration

Abwehr Abwehr

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolled

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolled

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Anpassung Anpassung

• Landkarte der Unternehmenskulturdynamik (ZIEL)

Wahrung von Distanz, Rückzug

Ver ha lten

Wirkung

5 Abgleich mit Gesamtunter nehmenszielen

Konflikt

Branche Branche

• Sicherheitsorientierung (Chemie)

• Umweltschutzrichtlinien

• Projektorientierung (Bauwesen)

• Horizontale Organisation

• Wirtschaftskrise

Wirtschaftssituation Wirtschaftssituation • Aufschwung

• Branchentypisches Selbstverständnis, Identifikation mit Tätigkeitsbereich

• Reduzierte Personalstruktur

• Mitarbeiter-Depression

• Großinvestitionen

• Zusammengehörigkeitsgefühl (Commitment)

• Mentalität des Gründers

Mutterunternehmen Mutterunternehmen • Traditionelle Prozeßgestaltung

• Firmenloyalität • Übernahme von Prozessen

• Stammhauskonflikte

Individuum Individuum

• Feste, Veranstaltungen

• Motivation

• Patriarchal-Struktur

• Personenloyalität

Bei Abweichungen: • Entscheidungsvorlage für das Stammhaus

Abwehr Abwehr

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Hybridisierung Hybridisierung

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Integration Integration

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammha uskontrolledd

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für a lle Mitarbeiter • Gewährleistung de r Stammhauskontrolle dd

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeite r • Gewä hrle istung der Stammhauskontrolled

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammha uskontrolled

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsche s Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Rege ln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammha uskontrolle

De utsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Sta mmhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammha uskontrolledd

De utsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Sta mmhauskontrolle

Integration Integration

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für a lle Mitarbeiter • Gewährleistung de r Stammhauskontrolle

Abwehr Abwehr

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Ge währleistung der Stammhauskontrolle

Integration Integration

Deutsches Be richtswesen • Aufstellung ve rbindlicher Re geln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeite r • Gewä G ewä hrle istung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbe iter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammha uskontrolle

Deutsches Be richtswesen • Aufstellung ve rbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolled

Deutsches Berichtswe sen • Aufstellung verbindlicher Rege ln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Anpassung Anpassung

Deutsches Be richtswesen • Aufstellung ve rbindlicher Re geln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Hybridisierung Hybridisierung Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswese n • Aufstellung ve rbindlicher Re geln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Abwehr Abwehr

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammha uskontrolled

Regeln für alle Mita rbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Anpassung Anpassung

Deutsche s Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Rege ln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswe sen • Aufstellung verbindlicher Rege ln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für a lle Mitarbeiter • Gewährleistung G ewährleistung de r Stammhauskontrolle

• Abweichungen zwischen IST und ZIEL

8 6

Maßnahmenplan

Indikatoren

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Hybridisierung Hybridisierung

Abgleich der Gestaltungsziele mit vorhandenen Entwicklungsdynamiken

• Wir-Gefühl Tochterunternehmen

• Humor, Spaßorientierung • Väterlichkeit

• Sammlung weiterer Einflüsse

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Wirkung

3 Analyse vorhandener Entwicklungsdynamiken

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Unangemessenheit deutscher Annäherung (N icht-Achtung des Loyalitätsverhä ltnisses)

Zurückweisung, Ve rletzung, Frustration

Allgemeine intrakulturelle Einflußfaktoren

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolledd

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolled

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Langfristige Personenloyalität

Führungsrolle

• Konflikttypologie • Synergiepotentiale 2 Analyse weiterer Einflussfaktoren

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolledd

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolled

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Er halt von bunkhun : Dt. Manager = Gerechter Führer, Lehrer, Vater

Rückzug, Loyalitätsverlust Bestätigung eigener (Fluktuation)

Bemühen um Freundscha ften na ch deutschem Vorbild

I nte rpr etation

7 Hybridisierung Hybridisierung

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Positive Positive Verstärkung Verstärkung

Persönliche Bestätigung,

Thailändische Undankbarkeit, Unverläßlichkeit Erkennen de r Bedeutung persönlicher Beziehungen für th. Mitarbeiter

Priorisierung und Bewertung der Einflüsse zur Definition von Gestaltungszielen

Arbeitsergebnisse

Aktivitäten

4

Konfliktverhalten Konfliktverhalten

Deutsche Deutsche Perspektive Perspektive • Folge: Glaube an konstruktive Lösbarkeit von Konfli kten durch Wahrheitsfindung

Deutsche Perspektive Thailändische Perspektive – Ag gressivität (Lautstärke, Wut) – Erwartung von klärenden Fragen und Thailändische Perspektive Deutsche Perspektive Frühinformati on • Konflikt = Gefahr des Gesichtsverlusts • Verhaltensstrategien • Teilweise: Erkennen der Ritualisierung dt. • Folge: Angst vor Konflikten, gesteigerte Sensitivität KonfliKreng ktverhaltens – Kofliktidentifikation (Zuspitzung) für Konfliktpotentiale, erhöhte Emotionalität und • Ziel th. Interaktion: Jai (Primat der Empfindlichkeit– Zusammentreffen den Konfliktparteien Rücksichtnahme) – Möglichkeit offener Kommunikation ohne • Ziel th. Interaktion: Konfliktvermeidung Sanktionierung • en, Kommunikationsstrategien – Offenes Austragen des Konflikt s (Streß zeig • Kommunikationsstrategien Konfrontation/ Klärung suchen) – Indirektheit – Möglichkeit zur Versöhnung („they don‘t mean it“) – Verbale Uneindeutigkeit/ Indirektheit – Lächeln – Festlegen von Konsequenzen (Bestrafung, – Meinungsunabhängige mmung zukünftigeZusti Verhaltensregeln) – Ja-Sagen, Schmeicheln – Vermeidung von Kritik/ schlechten Nachrichten – Versöhnung/ „Vertragen“ – Vermeidung von Kri ti k/ schlechten Nachrichten • Verhaltensstrategi en • Verhaltensstrategien – Konflikte ruhenl assen – Nicht-öffentliches, verdecktes Lösen – Konflikte verdrängen/ ausweichen – Fluc ht

Arbeitsergebnisse

Aktivitäten

• Konflikt = Notwendig zur Problemlösung

Thailändischer Thailändischer • Ziel dt. Interaktion: Konfliktlösung Konfliktverhalten Konfliktverhalten Wirtschaftsstil W irtschaftsstil • Kommunikationsstrategien

Gestaltungsplanung

Entwicklung der Gestaltungsziele

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Anpassung Anpassung

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

• Landkarte der Unternehmenskulturdynamik (IST)

Definition kontrollierbarer Erfolgsindikatoren

Fluktuation Fluktuation

5%

Umsetzungs Umsetzungs tempo tempo

ISOZertifizierung: 6 Monate

... ...

...

• Erfolgsindikatoren und Zielausprägungen

Definition von Gestaltungsmaßnahmen

Hybridisierung Hybridisierung

Integration Integration

Abwehr Abwehr

Anpassung Anpassung

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolledd

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbi ndlic her Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolledd

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolled

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbi ndlic her Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Beri chtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolled

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbi ndlic her Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Beri chtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolledd

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbi ndlic her Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

Deutsches Berichtswesen • Aufstellung verbindlicher Regeln für alle Mitarbeiter • Gewährleistung der Stammhauskontrolle

• Maßnahmenplan

Abb. 67: Konzeptvorschlag zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur – Arbeitsergebnisse pro Phase (Übersicht)

6.2.4. Umsetzung und Erfolgskontrolle Den Abschluss des Konzeptvorschlags bildet als letzte Phase konsequenterweise die Umsetzung der festgelegten Gestaltungsmaßnahmen und die entsprechende Erfolgskontrolle. Dabei werden die einzelnen Gestaltungsmaßnahmen in Abhängigkeit der definierten Verantwortlichkeit und Zeitrahmen implementiert. Je nach Art der Maßnahmen kann sich dabei ein eher verdeckter Anstoß bestimmter Dynamiken, wie im Fall der Ermöglichung von thailändischer Abwehr in Bezug auf die deutsche Offenheitsoffensive, eine behutsame Kommunikation mit den betroffenen Bereichen, wie im Fall der Integration des Kollegialitätsverständnisses, oder eine großflächige unternehmensinterne kommunikative Begleitung der Umsetzung, wie im Fall hybridisierender Maßnahmen spielerischer Unternehmenskultur-Elemente, anbieten.

296

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

Entsprechend der definierten Erfolgsfaktoren und des festgesetzten Zeitrahmens sollte sich dann eine regelmäßige Erfolgskontrolle anschließen, die für eine kontinuierliche Überprüfung und Aktualisierung der IST-Situation sowie der festgelegten Gestaltungsziele sorgt. 6.3. Erfolgsfaktoren Zur erfolgreichen Umsetzung des Konzeptvorschlags lassen sich aus den Erfahrungen der Untersuchungsdurchführung zahlreiche Erfolgsfaktoren identifizieren. So hängt der Erfolg der anfänglichen Datenerhebung im Rahmen der Situationsbestimmung zu großen Teilen von der sinnvollen Auswahl der Befragungsteilnehmer ab, die vor allem einen Querschnitt verschiedener Abteilungen bilden und zu gleichen Teilen aus beiden Kulturen stammen sollten. Die befragten Mitarbeiter sollten darüber hinaus eine gewisse Meinungsdiversität widerspiegeln und hinsichtlich ihrer Kommunikationsfähigkeit in der Lage zu einer abstrakten Betrachtung und Bewertung der Unternehmenskultur sein, bzw. die Rolle eines Sprachrohrs für andere Mitarbeiter einnehmen können. Zur Ermöglichung einer konfliktfreien, offenen Gesprächsatmosphäre und zur konsequenten Berücksichtigung einer interkulturellen Doppelperspektive bietet sich darüber hinaus die Durchführung und Auswertung der Interviews durch einen externen Spezialisten an, der dabei zusätzlich durch seine Systemungebundenheit zur größtmöglichen Unvoreingenommenheit der Ergebnisse beitragen kann. In diesem Zusammenhang erweist sich in der Phase der Datenerhebung ebenfalls die konsequente Vermeidung von Rückgriffen auf bestehende Ratgeber-Literatur als sinnvoll, um eine interkulturelle Perspektive zu erhalten, die sich an der Unternehmensrealität orientiert, und eine ressourcenschonende Beschränkung der späteren Aktivitäten auf wirklich unternehmensrelevante Aspekte sicherzustellen. Im Rahmen der Diskussion zur Situationsbestimmung sowie der Entwicklung von Gestaltungszielen stellt von Seiten der Unternehmensleitung des Tochterunternehmens eine grundsätzliche Bereitschaft zu tiefergehender, unbefangener bzw. (selbst-)kritischer Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur des Mutterunternehmens, der eigenen kulturellen Prägung und der vorhandenen Unternehmenskultur des Tochterunternehmens die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Konzepts dar. Hier kann ebenfalls eine Moderation der entsprechenden Diskussionen durch einen externen Kommunikations-Spezialisten von Vorteil sein. Insgesamt repräsentiert das vorgeschlagene Konzept mit seiner systematischen Vorgehensweise eine Idealvorstellung interkultureller Unternehmenskulturgestaltung, da es eine tief gehende und kontinuierliche Auseinandersetzung des Managements mit dem Interkulturalitäts-Thema voraussetzt, die in der Praxis selten anzutreffen ist. Darüber hinaus kann das Konzept jedoch auch bei einer weniger konsequenten Umsetzung der Untersuchungsergebnisse als abstrakte Vorgehensweise einen sinnvollen Beitrag zur erfolgreichen Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur liefern.

Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur

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Unabhängig von der detailgetreuen Umsetzung des Konzeptvorschlags anhand des Phasenmodells kann die Beschäftigung mit dem zugrundeliegenden Modell der Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur bei den betroffenen Unternehmensführungen ein Verständnis für die Existenz kultureller Differenzen als integralem Bestandteil von Unternehmenskultur erzeugen. Dabei kann die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken der Unternehmensleitung neue Perspektiven für eine differenzierte Erweiterung des bisherigen interkulturellen Verhaltensrepertoires eröffnen, das über herkömmliche binäre Anpassungsgegensätze eines kulturellen Entweder/Oder hinausgeht, ohne einer idealistischen Synergie-Euphorie zu verfallen. Allein die Erkenntnis eines erweiterten Vorrats an Gestaltungsinstrumenten kann dann in der Zukunft den Blick für differenziertere Vorgehensweisen schärfen und zu Verhaltensveränderungen führen, die zur verbesserten Funktionsfähigkeit einer interkulturellen Unternehmenskultur beitragen.

Schlussbetrachtung

299

7. Schlussbetrachtung

7.1. Grundlagen der Ergebnisse Die vorliegende Arbeit widmete sich der Beantwortung der Fragen, wie sich Unternehmenskultur in einem interkulturellen Kontext entwickelt, um auf Grundlage der Ergebnisse ein Managementkonzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur zu entwickeln, das Realitätsnähe und Anwendungsorientierung verbindet. Der gewählte Ansatz zur Bearbeitung der Problemstellung war dabei besonders gekennzeichnet durch die Anwendung eines differenzorientierten Kulturbegriffs, die Betrachtung von Unternehmenskultur als Kommunikationsprozess und die Einnahme einer interaktionsorientierten Perspektive von Interkulturalität (siehe Kapitel 3): ‚Differenzorientierter Kulturbegriff Der Arbeit wurde ein differenzorientierter Kulturbegriff zugrunde gelegt, der im Gegensatz zu einem herkömmlichen Verständnis von Kultur nicht kulturelle Kohärenz und Homogenität von Werten und Verhaltensweisen als Voraussetzung für kulturellen Zusammenhalt betrachtet, sondern die Normalität und Bekanntheit von jeder Kultur innewohnenden Differenzen. Die Übertragung dieses Kulturverständnisses der jüngeren Kulturwissenschaft auf das betriebswirtschaftlich orientierte Konzept von Unternehmenskultur ermöglichte eine veränderte Sichtweise von Unternehmenskultur, bei der nicht mehr die Homogenität von Unternehmenswerten und ihre allgemeine Durchsetzung in Form konformer Verhaltensweisen als alleinige Voraussetzung für ihre Funktionsfähigkeit und als Gradmesser für ihre Stabilität gelten, sondern auch die Anerkennung und der adäquate Umgang mit inhärenten Differenzen eine Grundlage für Unternehmenskohäsion bilden. ‚Unternehmenskultur als Kommunikationsprozess Als fruchtbar für die gewählte Aufgabenstellung erwies sich ebenfalls die Betrachtung der Entwicklung von Unternehmenskultur als Kommunikationsprozess. Der Aspekt der Prozessualität von Kommunikation führt dabei innerhalb des entwickelten Modells zu einer Betonung der Entwicklungsdynamik von Unternehmenskultur. Durch eine differenzierte Untersuchung des Wechselspiels aus eigendynamischen, ungesteuerten Kommunikationsprozessen und gestalterischen, gesteuerten Kommunikationsprozessen initiiert durch die Unternehmensleitung wurde eine Sichtweise von Unternehmenskultur ermöglicht, die ihrem emergenten Charakter gerecht wird. So konnte eine statische Betrachtung von Unternehmenskultur, die immer auch die trügerische Möglichkeit eines endgültigen Ergebnisses suggeriert, vermieden werden. ‚Interkulturelle Perspektive In Bezug auf den interkulturellen Kontext von Unternehmenskultur wurde der Ansatz ergänzt durch die konsequente Verfolgung einer Perspektive der jüngeren Interkulturalitätsforschung,

300

Schlussbetrachtung

die sich im Gegensatz zu kulturvergleichender Forschung primär an der Interaktion der beteiligten Individuen als Interkultur orientiert. Auf diese Weise konnte der Gefahr unzulässiger Generalisierungen, denen kulturvergleichende Ansätze aufgrund ihrer Annahme universeller Kulturdimensionen in höherem Maße ausgesetzt sind, begegnet werden. Die interaktionsorientierte Fokussierung auf konkrete Äußerungsformen von Interkulturalität trug darüber hinaus zu einer durchgängigen Problemorientierung bei, die sich auf den alltäglich wirksamen interkulturellen Kommunikationsprozess konzentriert und auf Hypothesen zur letztlich unbestimmbaren Innensicht der beteiligten Personen weitgehend verzichtet. So wurden kognitive Ansätze der Beschreibung bestimmter kulturell geprägter Weltsichten zur Vertiefung und Erklärung beobachteter Phänomen zwar herangezogen, den Ausgangspunkt der Betrachtung bildete jedoch immer die interkulturelle Kommunikation selbst. 7.2. Zusammenfassung der Ergebnisse Auf Basis dieses Ansatzes konnten mit Hilfe der empirischen Fallstudienuntersuchung deutscher Unternehmen in Thailand zahlreiche Ergebnisse erzielt werden, die im Folgenden kurz zusammengefasst werden sollen. ‚Individualität von Interkultur Innerhalb der Untersuchung der interkulturellen Rahmenbedingungen (siehe Kapitel 4) einer deutsch-thailändischen Unternehmenskultur wurde aufgrund der konsequent verfolgten interkulturellen Perspektive anhand des gewählten Beispiels ein detaillierter Nachweis der Individualität von Interkulturen ermöglicht. Mit der Identifikation von spezifisch deutsch-thailändischen Missverständnissen, Konfliktverläufen aber auch Synergiepotentialen, die von einer primär kulturvergleichenden Forschung in der Vergangenheit nicht geleistet wurde, konnte dabei einerseits ein konkretes Bild einer deutsch-thailändischen Interkultur gezeichnet werden, andererseits wurde die Notwendigkeit einer fallspezifischen, interaktionsorientierten Betrachtungsweise von Interkulturalität weiter untermauert. ‚Differenzorientiertes Modell der Emergenz interkultureller Unternehmenskultur Zur Beschreibung der Emergenz interkultureller Unternehmenskultur wurde ein Modell entwickelt, das zwischen Einflussmedien, Einflussfaktoren und Einflussdynamiken interkultureller Unternehmenskultur unterscheidet (siehe Kapitel 5.1.). Die Identifikation der Einflussfaktoren Ursprungskultur, Landeskultur, Kultur des Mutterunternehmens, Branche, Wirtschaftssituation und Individuum konnte dabei einerseits frühere Forschungsergebnisse zur Beeinflussung von Unternehmenskultur bestätigen. Andererseits zeichnet sich das entwickelte Modell durch die besondere Berücksichtigung der verschiedenen Faktoren als Zusammenspiel aus. Während bisherige Ansätze eher die Ausprägung von Unternehmenskultur auf wenige Einfluss-Alternativen beschränken, liegt die Leistung des Modells daher in der grundsätzlichen Diagnose und Anerkennung der Pluralität der identifizierten Einflussfak-

Schlussbetrachtung

301

toren, die auf diese Weise systematisch für ein Gestaltungskonzept berücksichtigt und nutzbar gemacht werden können. Das Modell leistet darüber hinaus eine Abbildung der prozessualen Komponente interkultureller Unternehmenskultur, indem vier Dynamiken unterschieden werden, die mit „Anpassung“, „Abwehr“, „Integration“ und „Hybridisierung“ bezeichnet wurden. Unter „Anpassung“ wird dabei die Vorgabe von Werten oder Verhaltensweisen über organisatorische Regeln oder individuellen Zwang zur Sicherung der Unternehmenskontinuität verstanden. „Abwehr“ bezeichnet die Nichtübernahme von Wertvorstellungen oder Verhaltensweisen als Schutzreaktion durch individuelle oder organisatorische Abgrenzung zur Wahrung persönlicher Integrität. Als „Integration“ wird die Annäherung und gemeinsame Weiterentwicklung ursprünglich abweichender Werte oder Verhaltensweisen bezeichnet, die durch zweckgerichtete Kompromisse zur Erzeugung von Kohärenz führen kann. Die Dynamik der „Hybridisierung“ schließlich beschreibt die Unterstützung und Verknüpfung abweichender Werte oder Verhaltensweisen ohne gegenseitige Übernahme über ein nicht-instrumentiertes Gewährenlassen, die zur Anerkennung von Differenzen beiträgt. Im Gegensatz zu früheren Ansätzen, die häufig nur einzelne prozessuale Aspekte von Unternehmenskultur (z.B. Anpassung oder Integration) identifiziert haben, erweist sich als entscheidendes Ergebnis der vorliegenden Untersuchung einerseits der Nachweis eines komplexen Zusammenspiels von vier unterschiedlichen Dynamiken und andererseits die Erkenntnis, dass alle vier identifizierten Dynamiken für die Kohäsion von Unternehmenskultur, also den Unternehmenszusammenhalt, notwendige Funktionen übernehmen und ein Fehlen einzelner Dynamiken zur Destabilisierung der Unternehmenskultur beitragen kann. Alle vier Dynamiken, insbesondere die auf die Erhaltung von Differenzen ausgerichteten Dynamiken der Abwehr und der Hybridisierung, erfüllen daher sinnvolle Aufgaben in Bezug auf die Erzeugung von Unternehmenszusammenhalt. Auf diese Weise konnte nachgewiesen werden, dass die Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur im Sinne bisheriger Konzepte nicht auf einzelne Dynamiken reduziert werden darf. ‚Interkulturelle Synergie als Kohäsionsprodukt Auf Basis des beschriebenen Modells interkultureller Unternehmenskultur, das allen identifizierten Dynamiken in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation ihre Berechtigung und Sinnhaftigkeit bei der Entwicklung von Unternehmenszusammenhalt zugesteht, ergibt sich als weiteres Ergebnis ein verändertes Verständnis interkultureller Synergie. Die Vorstellung interkultureller Synergie kann dabei nicht mehr auf erarbeitbare Kompromisse beschränkt werden, die in einer bestimmten Situation für funktionsfähige Prozesse sorgen. Der Gedanke einer situativ angemessenen Realisierung aller Dynamiken als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit interkultureller Unternehmenskultur impliziert vielmehr, dass zur Herstellung von Unternehmenszusammenhalt genauso wie Anpassung und Integration auch das Zulassen von Abwehr oder die Unterstützung von Unverständlichem in Form von Hybridisierung gehört. Interkulturelle Synergien, wie die im deutsch-thailändischen Fall beschriebenen Phänomene von Loyalität, Innovation oder Emanzipation, lassen sich dann nicht, wie es bisherige Konzepte suggerieren, beschlie-

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Schlussbetrachtung

ßen oder planen. Sie gedeihen vielmehr als Produkt eines starken Unternehmenszusammenhalts. Nicht kulturelle Kohärenz, sondern kulturelle Kohäsion, die auf der Anerkennung von Differenz beruht, muss daher als Voraussetzung für interkulturelle Synergie innerhalb einer Unternehmenskultur betrachtet werden. ‚Modell der Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur In Bezug auf die derzeitige Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur in der Praxis erwies sich die Vorstellung von Unternehmenskultur als System mit eingeschränkter Gestaltbarkeit innerhalb der befragten Managergruppe als vorherrschend (siehe Kapitel 5.2.). Auf Basis unterschiedlicher Leitbilder zur Interkulturalität und Gestaltungsweise von Unternehmenskultur wurde darauf aufbauend eine Typologie von Formen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung entwickelt und ihr Erfolgspotential abgeschätzt. Die Untersuchung der vorhandenen Leitbilder zu interkultureller Unternehmenskulturgestaltung zeigte darüber hinaus, dass die vorherrschenden Gestaltungsansätze mit den identifizierten Entwicklungsdynamiken der Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung übereinstimmen, da sie der Formulierung abstrakter Handlungskonzepte zugrunde liegen. Ihre Bedeutung für die interkulturelle Unternehmenskultur wurde daher um die Gestaltungsfunktion erweitert. Die gestalterische Umsetzung der Dynamiken ließ sich in der Praxis der untersuchten Unternehmen in vielfältiger Form beobachten, vollzog sich aber zu großen Teilen unsystematisch, meist eher intuitiv gesteuert durch die Führungspersönlichkeit des Expat-Managers. Einzelne Beispiele einer systematischen gestalterischen Anwendung der Dynamiken von Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung zeigten demgegenüber jedoch deutliche Erfolge hinsichtlich eines verstärkten Unternehmenszusammenhalts, der sich in niedriger Fluktuation, Recruitingerfolgen und überdurchschnittlicher Mitarbeitermotivation äußerte. Ein systematisches Gestaltungskonzept interkultureller Unternehmenskultur, das die Anwendung der beobachteten Dynamiken integriert, eröffnet daher für die Unternehmen ein signifikantes Differenzierungspotential. ‚Realitätsnahes Managementkonzept zur erfolgreichen Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur Auf Basis der dargestellten Ergebnisse konnte im Sinne des übergeordneten Forschungsziels ein Konzept zur erfolgreichen Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur im Rahmen internationaler Tochterunternehmen entwickelt werden, das kulturelle Differenzen grundsätzlich anerkennt, interkulturelle Komplexität berücksichtigt und eine realitätsnahe Umsetzungsorientierung verfolgt (siehe Kapitel 6). Kernstück des Konzepts sind der differenzierte Einsatz und die gleichmäßige Förderung der vier identifizierten Entwicklungsdynamiken interkultureller Unternehmenskultur: Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung. Dabei werden zunächst alle relevanten Einflüsse auf die Unternehmenskultur in einer Phase der Situationsbestimmung analysiert und einerseits hinsichtlich ihrer Unabdingbarkeit für den Unternehmenserfolg und andererseits hinsichtlich ihrer Widersprüchlichkeit bzw. Unvereinbarkeit,

Schlussbetrachtung

303

ihrer Aushandelbarkeit, ihres Abgrenzungsbedarfs und ihrer Unterstützbarkeit bewertet. Je nach Bewertungsergebnis werden den identifizierten Einflüssen die adäquaten Entwicklungsdynamiken der Anpassung, Abwehr, Integration oder Hybridisierung zugewiesen und entsprechende Gestaltungsmaßnahmen zur Förderung der jeweils adäquaten Dynamik entwickelt. Das Konzept folgt dabei einer grundsätzlichen Einzelfallorientierung, betrachtet als Bereich gestalterischer Einflussnahme nur das von den Mitarbeitern selbst als relevant Erachtete und überlässt Funktionsfähiges und Bewährtes seiner kulturellen Eigendynamik. Der erarbeitete Konzeptvorschlag kann insgesamt einerseits als systematische Vorgehensweise zur praktischen Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur Verwendung finden und so zu einer verbesserten Kohäsion interkultureller Unternehmenskultur beitragen. Andererseits kann er als theoretischer Ansatz zur Entwicklung eines vertieften Verständnisses für die Existenz kultureller Differenzen als integralem Bestandteil von Unternehmenskultur beitragen. Dabei kann die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken neue Perspektiven für ein erweitertes, differenzierteres interkulturelles Verhaltensrepertoire eröffnen. 7.3. Kritische Reflexion der Ergebnisse und Ausblick Abschließend die Geltungsbegründung der gewonnenen Ergebnisse kritisch diskutiert und auf dieser Basis Perspektiven für die zukünftige Forschung interkultureller Unternehmenskultur aufgezeigt werden. Aufgrund ihrer qualitativen Methodik muss sich die Arbeit dabei dem nach wie vor nicht vollständig gelösten „Bewertungsproblem qualitativer Forschung“ (Flick 2000, S. 239) stellen, das vor allem in der Suche nach angemessenen Beurteilungskriterien zur Gewährleistung einer Verallgemeinerbarkeit der Forschungsergebnisse besteht (Flick 2000, S. 240). Mayring schlägt in diesem Zusammenhang eine Reihe von Gütekriterien qualitativer Forschung (Mayring 1993, S. 108ff.) vor, die innerhalb der vorliegenden Arbeit berücksichtigt wurden. So wurde dem Kriterium der Verfahrensdokumentation durch eine ausführliche Darstellung des theoretischen Vorverständnisses sowie die Veranschaulichung des Forschungsvorgehens durch Offenlegung der gewählten Kodierung (siehe Kapitel 2.2.4. und Anhang 8.3.) Rechnung getragen. Das Kriterium der argumentativen Interpretationsabsicherung wurde zum einen durch die gewählte Darstellungsweise eines konsequenten Wechselspiels aus Interviewzitaten und Deutung berücksichtigt. Zusätzlich wurden Widersprüche innerhalb der gesammelten Daten transparent gemacht und anhand sekundärer Literatur diskutiert. Durch die Darstellung des Forschungsprozesses in einzelnen Schritten und ihre systematische Bearbeitung wurde der Anforderung der Regelgeleitetheit entsprochen. Das Kriterium der Gegenstandsnähe wurde durch eine intensive Feldforschung, die hauptsächlich auf Interviews mit direkt Beteiligten zurückgreift, berücksichtigt. Darüber hinaus wurde mit Hilfe mehrfacher Triangulation (siehe Kapitel 2.2.2., vgl. Denzin 1989) vor allem anhand der Durchführung von zwei Analysegängen und der gewählten Vielfalt der Datenquellen die Validität der gewonnenen Daten vergrößert.

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Schlussbetrachtung

Die konsequente Berücksichtigung der Gütekriterien qualitativer Forschung bei der Vorbereitung und Durchführung der Datenerhebung sowie ihrer Auswertung unterstützt daher die Annahme einer Glaubwürdigkeit der Ergebnisse und ihrer Übertragbarkeit auf einen allgemeineren Kontext. So wird die Hypothese aufgestellt, dass sich das erarbeitete Modell zur Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur zur allgemeinen Untersuchung und Beschreibung interkultureller Unternehmenskulturen verwenden lässt. Die identifizierten Einflussfaktoren sowie die Dynamiken der Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung stellen demnach allgemeine Elemente interkultureller Unternehmenskultur dar, die auch in anderen interkulturellen Kontexten nachweisbar sein müssten. Dabei ist, wie die Diskussion der Ergebnisse mit bisherigen Modellen zeigte, zu erwarten, dass je nach untersuchter Interkultur unterschiedliche Gewichtungen der Einflussfaktoren auftreten. Darüber hinaus erscheint ebenfalls eine unterschiedliche Ausprägung der Dynamiken wahrscheinlich, da je nach empfundenem Fremdheitsgrad der aufeinander treffenden Kulturen bestimmte Dynamiken weniger deutlich zutage treten. So könnte beispielsweise das Vorhandensein eines größeren Normalitätsverständnisses zwischen den untersuchten Kulturen die Dynamiken der Abwehr oder Hybridisierung stärker in den Hintergrund treten lassen. Die Untersuchungsergebnisse unterstützen jedoch die Annahme einer Existenz aller vier Dynamiken auch in weniger exotischen interkulturellen Kontexten. Es wird daher davon ausgegangen, dass ihre systematische Berücksichtigung auch hier einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Unternehmenskultur leisten könnte. Obwohl die Dynamiken der Anpassung, Abwehr, Integration und Hybridisierung im Zusammenhang mit der Untersuchung von Unternehmen im interkulturellen Kontext identifiziert wurden, lässt sich darüber hinaus die Hypothese aufstellen, dass es sich bei den festgestellten Dynamiken um allgemein gültige Aspekte der Entwicklung von Unternehmenskultur handelt. Wenn grundsätzlich von einer Multikollektivität des Individuums und der damit verbundenen vielfältigen Zugehörigkeit von Individuen zu verschiedenen Kulturen auf verschiedenen Ebenen ausgegangen wird (vgl. Kapitel 3.1.3.), kann die Diagnose von Interkulturalität, die im Rahmen der Arbeit allein auf die Ebene von Nationalkulturen bezogen wurde, erweitert werden auf den

intranationalen Bereich von Unternehmenskultur. Es erscheint dann wahrscheinlich, dass die identifizierten Dynamiken der Entwicklung von Unternehmenskultur ebenso im intranationalen Kontext von Unternehmen auftreten können. Allerdings ist zu vermuten, dass im Kontext nationaler Unternehmenseinheiten aufgrund des Mangels an offensichtlichen kulturellen Unterschieden der Organisationsmitglieder die Dynamiken der Anpassung und Integration als dominant erscheinen, während Abwehr- und Hybridisierungsdynamiken in den Hintergrund treten, da diese mehrdeutigen Dynamiken erst vor der bunten Folie nationaler Kulturunterschiede sichtbar und fassbar zu werden scheinen. Aufgrund dieser Überlegungen kann jedoch die verallgemeinernde Hypothese aufgestellt werden, dass die Untersuchung interkultureller Unternehmenskultur auch wertvolle Rückschlüsse für eine allgemeine, eher national orientierte Unternehmenskulturforschung erbringen kann, da das Zusammentreffen nationalkultureller Unter-

Schlussbetrachtung

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schiede aufgrund seiner Unübersehbarkeit und kognitiven Akzeptanz durch die Beteiligten, ähnlich einem Kontrastmittel, einzelne Phänomene der Entwicklung von Unternehmenskultur deutlicher hervortreten lassen kann, als es die Grauschattierungen intranationaler kultureller Unterschiede zulassen. Neben diesen Überlegungen zur Anwendbarkeit der Ergebnisse in anderen Forschungskontexten unterliegt die Arbeit trotz der Berücksichtigung qualitativer Gütekriterien aufgrund ihrer Methodik den spezifischen Grenzen jeder Fallstudienuntersuchung aufgrund ihrer Orientierung am konkreten Einzelfall. So konnte insgesamt im Rahmen der vorliegenden Untersuchung beispielsweise nur der deutsch-thailändische Kontext interkultureller Unternehmenskultur betrachtet werden. Innerhalb dieses Kontextes konzentrierte sich die Auswahl der Gesprächspartner innerhalb der untersuchten Unternehmen und damit die Datenbasis der Untersuchung auf die Ebenen des mittleren und oberen Managements. Jedes Unternehmen wurde darüber hinaus nur innerhalb eines interkulturellen Kontextes, des deutsch-thailändischen, untersucht, die Betrachtung des interkulturellen Gegensatzes dieser zwei national geprägten Wirtschaftskulturen bildete dabei das Zentrum der Untersuchung. Das entwickelte Konzept zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur basiert auf den Ergebnissen der qualitativen Fallstudienuntersuchung, konnte jedoch in der Praxis noch nicht hinsichtlich seiner Umsetzbarkeit und Wirksamkeit überprüft werden. Aus diesen Grenzen der Arbeit lassen sich verschiedene Perspektiven für weitere Forschung auf dem Gebiet interkultureller Unternehmenskultur ableiten: So könnten die Ergebnisse zur deutsch-thailändischen Interkultur innerhalb von Unternehmen überprüft und vertieft werden, indem weitere Unternehmensebenen, zum Beispiel anhand einer Detailanalyse einzelner Firmen, in die Untersuchung mit einbezogen werden. Die Ergebnisse zur Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur könnten darüber hinaus in ihrer Anwendbarkeit und Übertragbarkeit überprüft werden, indem die Untersuchungsmethodik auf andere interkulturelle Kontexte mit unterschiedlichen Ursprungs- bzw. Landeskulturen übertragen werden. Zur genaueren Validierung des Niederschlags der Kultur eines Mutterunternehmens und der Ursprungskultur innerhalb der interkulturellen Kultur der Tochterunternehmen könnte zusätzlich eine Untersuchung von einzelnen multinationalen Unternehmen in mehreren interkulturellen Kontexten eine Beobachtung unterschiedlicher Ausprägungen bestimmter Einflussfaktoren sowie bestimmter Dynamiken erbringen. Neben der theoretischen Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse könnte eine exemplarische Anwendung des Konzepts zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur dazu beitragen, die Umsetzbarkeit und das Erfolgspotential der vorgeschlagenen Vorgehensweise zu testen. Schließlich verspricht eine Übertragung der Ergebnisse zur Entwicklung interkultureller Unternehmenskultur auf den Bereich der intrakulturellen Unternehmenskultur die Möglichkeit, das eingangs diskutierte, noch weitgehend ungelöste Problem der inneren Struktur von Unterneh-

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Schlussbetrachtung

menskultur, ihrer Homogenität bzw. Heterogenität, weiterführend zu untersuchen. Die Übertragung eines Modells, das die Funktionsfähigkeit von Unternehmenskultur, ihre Kohäsion, nicht mehr auf kulturelle Kohärenz zurückführt, könnte so auch das Verständnis intrakultureller Unternehmenskultur erweitern. „Interkulturalität [ist] kein besonderer Bereich der Kulturwissenschaft, sondern eine grundsätzliche Bedingung ihres Gegenstandes. Kultur ist immer schon Interkulturalität.“ (Hansen 2000, S. 358)

Die Erkenntnis von Interkulturalität als Grundbedingung jeglicher Betrachtung von Kultur, die Hansen hier für den Bereich der Kulturwissenschaften trifft, könnte dann auch innerhalb einer allgemeinen Unternehmenskulturforschung Berücksichtigung finden.

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Anhang

8. Anhang

8.1. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Gegenüberstellung theoretischer Konzepte und Praxisaussagen zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur ............................................. 15 Abb. 2: Aufbau der Arbeit ........................................................................................ 18 Abb. 3: Vorgehensweise Forschungsprozess (nach Eisenhardt 1989) ............................23 Abb. 4: Bruttoinlandsprodukt (BIP), Bevölkerungsgröße in Südostasien (nach: bfai 2000, S. 9 u. 11) ........................................................................ 30 Abb. 5: Thailand: Entwicklung volkswirtschaftlicher Indikatoren (nach: bfai 2001, S. 6) ................................................................................. 30 Abb. 6: Am Forschungsprojekt teilnehmende Unternehmen ....................................... 32 Abb. 7: Beispiele für zusätzliche Forschungsquellen ................................................... 35 Abb. 8: Fragenkomplexe der Gesprächsleitfäden ....................................................... 36 Abb. 9: Transkriptionsbeispiel .................................................................................. 39 Abb. 10: Beispiel für die Entwicklung einer linearen Code-Hierachie auf Basis von Interview-Zitaten ......................................................................................... 40 Abb. 11: Ausschnitt aus der Analyseeinheit innerhalb der verwendeten Auswertungs-Software ATLAS/ti ................................................................... 41 Abb. 12: Beispiele für Kulturdimensionen der makroanalytischen Kulturforschung (nach Apfelthaler 1999) ................................................................................ 43 Abb. 13: Konzept kultureller Stilforschung (Vorgehensweise nach Ammon 2001, Barmeyer 2001, Bolten 2001b, Münch 1990) ................................................. 44 Abb. 14: Das differenzorientierte Kulturmodell von Hansen .......................................... 56 Abb. 15: Interaktionstheoretischer Kommunikationsbegriff nach Watzlawick (1990, erweitert durch Oksaar 1993) ............................................................ 58 Abb. 16: Organisationskultur als Ursache-Wirkungs-System (Schichtenmodell nach Schein 1995, S. 30) ................................................... 64 Abb. 17: Beispiel für ein Dimensionsmodell von Unternehmenskultur (nach Hofstede/Neuijn/Ohayv/Sanders 1990) ................................................ 65 Abb. 18: Positive und negative Effekte starker Unternehmenskulturen (nach Schreyögg 2000, S. 463 ff.) ................................................................ 73

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Abb. 19: Ausschnitt aus der Mitarbeiterzeitschrift „Sawasdee“ von Bayer Thai ............... 93 Abb. 20: Beziehungsaufbau als Teil des thailändischen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive ...................................................................... 96 Abb. 21: Beispiel für thailändisches Hierarchieverständnis aus deutscher Perspektive ..... 98 Abb. 22: Hierarchieverständnis als Teil des thailändischen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive ...................................................... 102 Abb. 23: Beispiel für thailändisches Konfliktverhalten aus deutscher Perspektive ............ 104 Abb. 24: Beispiel für thailändische Aggressivität aus deutscher Perspektive ................... 108 Abb. 25: Konfliktverhalten als Teil des thailändischen Wirtschaftstils aus deutscher und thailändischer Perspektive ...................................................................... 113 Abb. 26: Beispiel für thailändische Ad-hoc-Bearbeitung aus deutscher Perspektive ......... 119 Abb. 27: Beispiele für spielerische Elemente thailändischer Arbeitsweise aus deutscher Perspektive .................................................................................. 120 Abb. 28: Beispiel für thailändischen Individualismus aus deutscher Perspektive ............. 122 Abb. 29: Aufgabenbearbeitung als Teil des thailändischen Wirtschaftstils aus deutscher und thailändischer Perspektive ....................................................... 128 Abb. 30: Beziehungsaufbau als Teil des deutschen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive ...................................................................... 133 Abb. 31: Beispiel für patriarchale Prägung deutscher Hierarchie aus deutscher Perspektive ................................................................................................. 135 Abb. 32: Beispiel deutscher Erwartung der Verantwortungsübernahme aus thailändischer Perspektive ............................................................................ 138 Abb. 33: Hierarchieverständnis als Teil des deutschen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive ...................................................................... 139 Abb. 34: Beispiel für deutsche Objektivitätssuche aus deutscher Perspektive ................. 140 Abb. 35: Beispiel für deutsche Konflikterzeugung aus thailändischer Perspektive ............ 144 Abb. 36: Konfliktverhalten als Teil des deutschen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive ............................................................................ 145 Abb. 37: Beispiel für deutsche Planungsorientierung aus deutscher Perspektive ............. 148 Abb. 38: Beispiel für deutsche Qualitätsorientierung aus deutscher Perspektive ............. 150 Abb. 39: Aufgabenbearbeitung als Teil des deutschen Wirtschaftsstils aus deutscher und thailändischer Perspektive ...................................................................... 153

309

Anhang

Abb. 40: Auswahl thailändischer Anredeformen nach hierarchischem Kontext (nach: Cooper/Cooper 1994, S.99) ................................................................ 157 Abb. 41: Soziale Rangbestimmung des Sakdina-Systems (nach Reynolds 1987, S. 93; Slagter/Kerbo 2000, S. 65) ................................ 159 Abb. 42: Ausprägungen thailändischen kreng-jai-Verhaltens (nach Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 47f.) .................................................... 160 Abb. 43: Thailändische Bezeichnungen für 13 Arten des Lächelns (nach Holmes/Tangtongtavy 1995, S. 25) ...................................................... 162 Abb. 44: Khuna- und decha-Dimensionen thailändischer Vorstellungswelt (Modell nach Mulder 2000, erweitert um Unternehmenssphäre) ....................... 168 Abb. 45: Beispiel Motivations-Missverständnis .............................................................. 183 Abb. 46: Beispiel Leistungs-Missverständnis ................................................................ 184 Abb. 47: Beispiel Verantwortungs-Missverständnis ....................................................... 186 Abb. 48: Beispiel für deutsche Konflikterzeugung aus thailändischer Perspektive ............ 192 Abb. 49: Beispiel für deutsch-thailändische Innovation ................................................. 195 Abb. 50: Entwicklung interkultureller Unternehmenskulturen aus Emergenz und Gestaltung ............................................................................................ 205 Abb. 51: Emergenz interkultureller Unternehmenskultur ............................................... 206 Abb. 52: Einflussfaktoren und -medien interkultureller Unternehmenskultur (Beispiele) ................................................................................................... 220 Abb. 53: Dynamiken interkultureller Unternehmenskultur ............................................. 223 Abb. 54: Beispiel für deutsches Abwehrverhalten ......................................................... 231 Abb. 55: Beispiel für deutsches Abwehrverhalten ......................................................... 232 Abb. 56: Animistisches Geisterhäuschen und deutsch-thailändische Geisterhäuschenzeremonie ........................................................................... 239 Abb. 57: Beispiel für Pseudo-Hybridisierung ................................................................ 239 Abb. 58: Hybridisierungsbeispiel - Verknüpfung von deutschem Umweltschutzverständnis und thailändischem Tanz ........................................ 241 Abb. 59: Hybridisierungsbeispiel – Gartenanlagen auf deutsch-thailändischem Werksgelände .............................................................................................. 242 Abb. 60: Hybridisierungsbeispiel – Werbebroschüre ..................................................... 242 Abb. 61: Typen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung ....... 265 Abb. 62: Typologienmatrix interkultureller Unternehmenskulturgestaltung .................... 266

310

Anhang

Abb. 63: Konzeptvorschlag zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur – Phasen und Aktivitäten ................................................................................ 283 Abb. 64: Beispiel für kulturelle „Landkarte“ zur Dokumentation des IST-Zustands (Prinzipdarstellung) ...................................................................................... 287 Abb. 65: Entscheidungsbaum zur Bewertung inhaltlicher Einflussfaktoren hinsichtlich der Auswahl adäquater Dynamiken ............................................................... 289 Abb. 66: Beispiel für kulturelle „Landkarte“ zur Dokumentation der Zielvorstellung (Prinzipdarstellung) ...................................................................................... 290 Abb. 67: Konzeptvorschlag zur Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur – Arbeitsergebnisse pro Phase (Übersicht) ........................................................ 295

311

Anhang

8.2. Code-Übersicht Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht über die verwendeten Kategorien und Hauptcodes. Jedem Hauptcode ist ein Beispielzitat oder ein erklärender Kommentar zugeordnet. Die Hauptcodes wurden aus Ursprungscodes gewonnen und stellen daher bereits die erste Abstrahierungsstufe der Kodierung dar (zu Kodierungsmethode und Kodierungsbeispielen siehe Kapitel 2.2.4.). Zum genaueren inhaltlichen Verständnis der Code-Hierarchie und kausaler Zusammenhänge zwischen den einzelnen Codes wird auf die Erläuterungen in den entsprechenden Kapiteln verwiesen. Code-Typus

Nr.

Code-Bezeichnung

Hauptkategorie

1.

Thailändischer Wirtschaftsstil (dt. Perspektive)

Beispielzitate/ Kommentar

Kategorie

1.1.

Beziehungsaufbau

HauptCodes

1.1.1.

Soziales Netzwerk als Erfolgsgrundlage

„Wirklich ernstgenommen wird man hier nur, wenn man eine persönliche Beziehung aufbaut!“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

1.1.2.

Langfristigkeit des sozialen Netzwerkes

„Ein Geschäftspartner hier zum Beispiel [Betonbranche], den hatten wir damals auf die BAUMA eingeladen und der revanchierte sich dann mit einer Einladung hier in Thailand zum Golfspielen. Jetzt laden wir den wiederum zum Golfspielen ein. So baut man dann eine langfristige Beziehung auf. Nur so kann man hier erfolgreich sein.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

1.1.3.

Personenloyalität

„In Thailand gilt eher ein Loyalitätsprinzip gegenüber der Person. Wenn einer geht, gehen viele mit. Bei [einer anderen deutschen Firma] gab es zum Beispiel eine sehr starke Fluktuation, da sind in einem Jahr 20% der Belegschaft gegangen. Jetzt haben sie das ein bisschen eingedämmt.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

1.1.4.

Einheit von Freundschaft und Kollegialität

„Thais fällt es schwer, professionell zwischen Arbeit und Privatleben zu trennen. Auch zwischen Freunden und Arbeitskollegen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11 )

1.1.5.

Gemeinschaftlichkeit

„Hier wird mehr mit Nachbarschaft, Gruppenwärme gearbeitet.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

1.1.6.

Beziehungsfortschreibung

Kategorie

1.1.6.1. durch Gewährung von Gefälligkeiten

„In Thailand wird erwartet, dass man sich erkenntlich zeigt, dass man dem Tempel etwas spendet. Oder dass man zum Geburtstag einer hochgestellten Persönlichkeit einen Geschenkkorb schenkt.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

1.1.6.2. durch persönlichen Kontakt/ Verantwortungsübernahme

„Um Unternehmenskultur zu schaffen, ist es nicht nur wichtig, nach innen zu arbeiten, sondern man muss auch nach außen etwas aufbauen. Man muss gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, zum Beispiel in der Handelskammer oder sich für eine Universität einsetzen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

1.1.6.3. durch Erzeugung von "gutem Gefühl"

„Man geht immer zum Lunch und zum Dinner gemeinsam, und nutzt diese Zeit, um Beziehungen zu vertiefen. Ich habe eigentlich immer Lunch und Dinner verplant, jeden Tag. Bei den Thais ist das Essen mehr als nur Nahrungsaufnahme. Man will sich auch gut fühlen.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

1.2.

Hierarchieverständnis

312 Code-Typus

Anhang

Nr.

Haupt-Codes 1.2.1. 1.2.2.

Code-Bezeichnung

Beispielzitate/ Kommentar

Ausgeprägte Hierarchie

„Dieses hierarchische Denken, das steckt in der gesamten Thai-Gesellschaft.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Hierarchiekriterien

1.2.2.1. Alter, Status, Rang

„Hier ist es schon schwierig, jemand jüngeren vor jemand älteren zu setzen. Also wenn der Chef dann vielleicht Mitte dreißig ist und die Mitarbeiter zehn Jahre älter. Das ist dann schon schwierig.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

1.2.2.2. Nationalität (ExpatÜberlegenheit)

„[Aber er [der thailändische Kollege] hat Sie als Vorgesetzten aufgefasst?] Ja, wahrscheinlich, obwohl ich formal auf einer Ebene mit ihm stand. Aber wenn wir zusammengearbeitet hatten, hatte ich wohl doch eher die führende Rolle inne. Natürlich haben die Expats irgendwie immer einen höheren Rang.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

1.2.2.3. Größe, Geschlecht

„Dann bin ich ja auch so groß. Ich glaube, sie [die thailändischen Mitarbeiter] haben mich wegen meiner Größe wahrscheinlich ernster genommen als die Chefin.“ (Herr Y, Praktikant, Firma Z)

1.2.3.

„Das ist aber Thai- Mentalität, das ist diese Hierarchie: Wenn von oben etwas kommt, dann wird das nicht in Frage gestellt, das wird gemacht.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Allgemeine Anerkennung der Hierarchie

1.2.3.1. Eingeschränkte Verantwortung Untergeordneter

„Zum Thema Verantwortung. Das ist auch etwas, was in Thailand ganz extrem ist, diese Rückdelegation. Keiner übernimmt erst mal direkt selber Verantwortung.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

1.2.3.2. Gehorsam Untergeordneter

„Von den Eltern her werden die Kinder zur Unterwürfigkeit erzogen, speziell gegenüber höhergestellten Persönlichkeiten. Und dann der Gehorsam, das Militärische, das in der Schule gepredigt wird und wohl auch zu Hause. Das heißt, die Kinder werden zu hundertprozentigem Gehorsam gezwungen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

1.2.3.3. Ausgeweitete Verantwortung Übergeordneter

„Man erwartet hier eigentlich, dass die Führungsperson die Entscheidungen vorkaut. Und die anderen dürfen dann Ja sagen.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

1.2.3.4. Ausnutzen von Macht durch Übergeordnete

"Wenn man sich den Stil der Thais hier anschaut, habe ich festgestellt, dass, wenn sie die Macht haben, weil sie einen gewissen Status besitzen, dann verhalten sie sich bei Problemen oft sehr viel aggressiver. Sie nutzen ihre Position stärker aus.” (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12)

1.2.3.5. Äußere Hierarchiedemonstration

„Der [thailändische] Gesprächsführer, in einem Meeting zum Beispiel, der sitzt in der Mitte. Das muss so sein. Das muss man drauf achten. Das machen die aber auch von sich aus schon, die rücken dann alle zur Seite. Das zeigt schon die äußere Hierarchie.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

Kategorie

1.3.

Konfliktverhalten

HauptCodes

1.3.1.

Konfliktbedeutung Gesichtsverlust

„Es wird den Thai-Kindern von Anfang an beigebracht, dass man auf andere, besonders auf höhergestellte Personen Rücksicht nehmen muss. Das heißt man darf nicht kritisieren. Sonst verliert der andere sein Gesicht.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

1.3.1.1. Konfliktangst

„Wenn man die Thais konfrontiert, dann fühlen sie sich sehr in die Ecke gedrängt.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

1.3.1.2. Sensitivität für Konfliktpotentiale

„Das registrieren die [Thais] also alles mit ganz feiner Antenne. Die beobachten uns in einem Maße, wie wir uns das gar nicht richtig vorstellen können. Aber das ist so. Wir stehen also unter ständiger Beobachtung.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

313

Anhang

Code-Typus

Nr.

Code-Bezeichnung

Beispielzitate/ Kommentar

1.3.1.3. Erhöhte Emotionalität und Empfindlichkeit

„Ganz wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Thais doch die schwierigsten Asiaten sind, weil sie sehr mimosenhaft veranlagt sind. [...] Die Thais sind eher kleine Mimöschen von ihrem Naturell her. Sie sind sehr empfindlich. Sie sind andererseits aber auch sehr rezeptiv.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

1.3.2.

Interaktionsziel Konfliktvermeidung

„Hier ist das etwas harmonischer und weniger konfliktträchtig [als in Deutschland], weil die Jungs ... und Mädels hier diese Konflikte auch gar nicht so suchen.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

1.3.3.

Kommunikationsstrategien

1.3.3.1. Uneindeutigkeit und Indirektheit

„Sich festlegen auf irgendwas, das werden Sie von einem Thailänder nie hören. [...]“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

1.3.3.2. Meinungsunabhängige Zustimmung

„Wenn ein Thai am Anfang Ja sagt, muss man erstmal herausfinden, ob er das überhaupt verstanden hat und zweitens, ob er das auch so meint.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2),

1.3.3.3. Vermeidung von Kritik und schlechten Nachrichten

„Die Thai-Seele hat ja grundsätzlich Probleme damit, schlechte Nachrichten zu überbringen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

1.3.4.

Verhaltensstrategien

1.3.4.1. Ruhenlassen von Konflikten

„Wenn ich so ein paar Konfliktfälle betrachte, die wir da hatten, denke ich manchmal, dass die Thais in einem Meeting oftmals Konflikte gar nicht lösen können. Man geht lieber erstmal auseinander und lässt es auf sich beruhen. Man sagt aber nicht konkret: 'Wir überlegen uns das noch mal', sondern lässt es eher in der Schwebe.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

1.3.4.2. Verdecktes Lösen

„Und wenn es Störungen gibt, versuchen sie [die Thais] diese Störungen erstmal selbst zu beseitigen. Wenn das nicht möglich ist, schalten sie Mittelsmänner ein, Freunde, Bekannte, versuchen da eine Lösung zu finden.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

1.3.4.3. Verdrängen von Konflikten

„Thais neigen dazu, entweder vor dem Problem wegzulaufen oder es auszusitzen. Und dann kommt es irgendwann wieder hervor und man kann nichts mehr machen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

1.3.4.4. Flucht

„Wir hatte schon öfter Fälle, wo Mitarbeiter einfach gegangen sind, weil ein Problem für sie zu groß geworden war. Sie sind dann einfach nicht mehr da.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

1.3.5.

Indirekte Konfliktsymptome

1.3.5.1. Unzugänglichkeit und Unbehagen

„Ich habe niemanden angeschrien, aber die Leute wirklich scharf angesprochen. Hart angesprochen. Ich brauche die dann nur angucken, die Augen werden dann richtig..., wie ein geprügelter Hund sehen die dann aus, die Ohren, die hängen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

1.3.5.2. Extreme Aggressivität als letzter Ausweg

„Und wenn man einfach einen Schritt zu weit geht, können sie aggressiv werden, auch wenn sie relativ freundlich und lieb erscheinen, aber ab einer gewissen Hemmschwelle ist dann schon eine sehr große Aggressivität da.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Kategorie

1.4.

Aufgabenbearbeitung

HauptCodes

1.4.1.

Motivation

1.4.1.1. Arbeit als Einheit von Anstrengung und Spaß

„Dass hier die Leute mitmachen, ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass die Leute es [die Arbeit] mehr auch als Spaß begreifen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

1.4.1.2. Flexible Einheit von Arbeits- und Freizeit

„Und oft arbeiten die Leute auch abends noch später, aber die holen sich dann gemeinsam noch ne Pizza. [...] ich kriege immer jeden Freitag einen Kuchen hier rein.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

314 Code-Typus

Anhang

Nr.

Beispielzitate/ Kommentar

1.4.1.3. Wichtigkeit des Betriebsklimas

„Die Menschen [...] viel stärker nach so einer persönlichen Identifikation und [möchten] sich innerhalb einer Organisation gut aufgehoben fühlen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

1.4.1.4. Hohe Arbeitsmotivation

„Wenn den Thais hier das Umfeld gefällt, in dem sie arbeiten, dann kommen sie augenscheinlich besser motiviert zur Arbeit als die Deutschen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

1.4.2.

Arbeitsweise

1.4.2.1. Ad-hoc Bearbeitung

„Wenn wir in unseren Management-Meetings etwas beschließen, dann geht alles immer ganz schnell. Dann gehen die Thais ab wie eine Rakete, dann wollen sie, wenn sie davon überzeugt sind, keine Zeit mehr verschwenden, noch etwas zu überlegen oder zu durchdenken. Dann gehen sie los. Dann marschieren sie los. Mit einer affenartigen Geschwindigkeit.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

1.4.2.2. Kindlichkeit

„Das sehen sie auch, wenn sie mal durch das Büro durchgehen. Das ist alles ganz verspielt.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

1.4.2.3. Pragmatik

„Und ich glaube eben, die Thailänder gucken lieber so ein bisschen globaler. Und schauen, passt das ungefähr? Und ob das dann so im Detail ..., ach das interessiert die gar nicht so sehr.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

1.4.2.4. Individualismus

“Aus meiner Sicht sind die Thais im Unterschied zu einem typischen Unternehmensbild viel, viel stärkere Individualisten. Sie sehen zwar Regeln, diese Regeln werden aber nicht immer unbedingt befolgt, aber nicht, um die Regeln zu brechen, sondern man ist der Meinung, man kann ja auch mal etwas anderes versuchen.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

1.4.3.

Hauptkategorie

Code-Bezeichnung

Ergebnis

1.4.3.1. Ineffizienz

„Die Thais leben im Grunde von heute auf morgen. Da der Unterschied von heute auf morgen nicht so groß ist, brauchen sie im Grunde auch keine Planung.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

1.4.3.2. Qualitätsmängel

„[Die Thais] gucken zunächst mal nur auf den Preis. Es gibt also nur wenige, die wirklich den Wert von Qualitätsprodukten verstehen und auch akzeptieren.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

1.4.3.3. Hohes Gestaltungspotential

„Wenn man die Menschen hier soweit hat, dass sie laufen, dann ist es unglaublich, was man hier alles erreichen kann.“ (Herr K, deutscher Marketingleiter, Firma 2)

2.

Thailändischer Wirtschaftsstil (th. Perspektive)

Kategorie

2.1.

Beziehungsaufbau

HauptCodes

2.1.1.

Soziales Netzwerk als Erfolgsgrundlage

“In Thailand, you have to put all your effort into building a relationship with the customers and try to maintain close contact with them so that they come again. For example with high ranking officers or the princess and so on.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

2.1.2.

Langfristigkeit des sozialen Netzwerkes

“If you have an investment plan for the next ten years, even for the next five years, you need to pave the way, to build up relations with the important community functions and also the Thai people to tell them about [Company 1].” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

2.1.3.

Personenloyalität

"It was a very important task in the beginning to boost internal communications. To build motivation among employees, so that they know what they are working for… Who they are working for!” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

2.1.4.

Einheit von Freundschaft und Kollegialität

“If I visit the journalists, I say Sister, Brother, this and that. Very, very personal. And they know me. These are my contacts. In Germany, you just talk on the job. Ok, you also build relationships, but it is not that deeply rooted.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

315

Anhang

Code-Typus

Nr.

Code-Bezeichnung

2.1.5.

Beziehungsfortschreibung

Beispielzitate/ Kommentar

2.1.5.1. durch Reziprozität und Iteration von Gefälligkeiten

“If I walk around in the office, I call my older colleagues Sister, Brother, or Uncle and Auntie. Whatever. And then I can ask them for help if I need it. This is the Thai style.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

2.1.5.2. durch "Showing face" und "Caring"

“Start with the personal side first, before you implement anything. Try to gain the trust first. Show that you care, that you are a friend. That you are on our side, not a super-boss.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Kategorie

2.2.

Hierarchieverständnis

HauptCodes

2.2.1.

Ausgeprägte Hierarchie

„Thai companies are very hierarchical. It’s changing, but this is still there!” (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12)

2.2.2.

Hierarchiekriterium Seniorität

„Was zählt, ist die Seniorität.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

2.2.3.

Allgemeine Anerkennung der Hierarchie

„Because in Thailand, we respect the older people.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

2.2.3.1. Eingeschränkte Verantwortung Untergeordneter

„Die Mitarbeiter [in Thai-Firmen] müssen dort nicht so häufig ihre Meinung äußern. […] Ich könnte da nicht arbeiten.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

2.2.3.2. Gehorsam Untergeordneter

“If in a Thai organization you try to challenge your bonus or the company, I will try to find a way to kick you out.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

2.2.3.3. Ausgeweitete Verantwortung Übergeordneter

„In thailändischen Unternehmen entscheidet immer der Chef. [...] Also, zum Beispiel, wenn der Boss etwas sagt, dann muss man immer zuhören. Keine Kritik üben.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

2.2.3.4. Rücksichtslosigkeit des Übergeordneten

„In einer thailändischen Bank könnte ich nie so offen mit meinem Chef sprechen. Wenn man da in einem Meeting das Falsche sagt, steht man gleich auf der Black List.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

2.2.3.5. Äußere Hierarchiedemonstration

„Still, for a Thai the boss is always the company. There is a huge gap between the subordinate employee and the boss.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Kategorie

2.3.

Haupt-Codes 2.3.1. 2.3.2.

Konfliktverhalten Interaktionsziel kreng jai

„Kreng jai [bedeutet]: Man soll generell Rücksicht nehmen.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

Kommunikationsstrategien

2.3.2.1. Indirektheit

„In Western culture you would probably find a direct channel to express your own opinion. That is hard for Thai people to do that. Maybe they discuss the problem among themselves, but to come up with a direct solution, that is hard.” (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12)

2.3.2.2. Ja-Sagen

“In a meeting, we are all very quiet. We always say: Yes, yes. Did you understand? Yes. Can you do it? Yes. [lacht] Even if we don’t understand or if we won’t do it.” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

2.3.2.3. Vermeidung von Kritik

„Zum Beispiel, wenn der Boss etwas sagt, dann muss man immer zuhören. Keine Kritik üben.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

2.3.3.

Verhaltensstrategien

2.3.3.1. Nicht-Erzeugen von Konflikten

“Normally, when I as a Thai walk through the company and I see the boss walking towards me I will turn around and walk the other way. [lacht] This is Thai, just better not talk to him.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

2.3.3.2. Verschieben von Konflikten

“The Germans are very direct. They want us to say directly what we think, even in a meeting. But that will never happen. [...] We tell them later, or we find another way.” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

316 Code-Typus

Kategorie

Anhang

Nr.

Code-Bezeichnung

Beispielzitate/ Kommentar

2.3.3.3. "Einen anderen Weg finden"

„[Zu einem verschleppten Konflikt mit dem deutschen Stammhaus]:[And what did they decide?] Well ... they did not ... have not decided .. it takes time. I think we have to find another way to … be flexible. We have to do it … on a case-by-case basis [lächelt].” (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

2.3.4.

Indirekte Konfliktsymptome

„Here, if people feel unsure or insecure, they smile.“ (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

2.4.

Aufgabenbearbeitung

Haupt-Codes 2.4.1.

Motivation

2.4.1.1. Arbeit als Einheit von Anstrengung und Spaß

„But we, the Thais, we can sit and work, have a little coffee, have a little chat, until ten at night. We don’t care.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

2.4.1.2. Flexible Einheit von Arbeits- und Freizeit

„We are a little bit like: We can work until midnight, even on Saturday or Sunday. But the official working hours, we see a little bit relaxed.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

2.4.1.3. Wichtigkeit des Betriebsklimas

„If you want to know about the Thai corporate culture, it’s very simple. We

have sabei, sabei. And sanuk, sanuk. [lacht]. [What is the difference between sabei and sanuk?] It is the same in a way, but sabei means rather being relaxed and sanuk means rather having fun.” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

2.4.2.

2.4.2.1. Dynamik und Aktionsorientierung

„Thai people don’t care about the plan too much. We start working right away.” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

2.4.2.2. "Try it out"

„You will never find a Thai engineer who will read the manual [lacht]. First we try it out. Maybe it works, so then we have saved the time to read. Maybe it doesn’t work. Then we get nervous and try to find the mistake in the manual.” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

2.4.2.3. Flexibilität der Zielerreichung

“And also for the discipline. I confess that Thai working style in terms of being on time, meeting deadlines and so on, is very relaxed. You can say … flexible [lacht].” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

2.4.3.

Hauptkategorie

Arbeitsweise

Ergebnis

2.4.3.1. Effizienz

„You know, there is a famous Thai joke about planning. If you take the word planning, it contains the words ‘plan’ and ‘ning’. ‘Plan’ means ‘plan’, ok, but ning in Thai means: Stand still, don’t move. So that is very funny for the Thai, because if Western people talk about planning, for us it sounds like ‘make a plan and stand still’. [lacht]” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

2.4.3.2. Entschuldbare Imperfektion (Mai pen rai)

„Thai people don’t care about the plan too much. We start working right away. We will build the house right away. And if in the end something is too long, mai pen rai! We make it shorter. And if it’s too short, mai pen rai, we make it longer [lacht].” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

3.

Deutscher Wirtschaftsstil (dt. Perspektive)

Kategorie

3.1.

Beziehungsaufbau

HauptCodes

3.1.1.

Untergeordnete Wichtigkeit eines sozialen Netzwerks

„Beziehungen sind sehr wichtig in Thailand. Das ganze Business ist sehr viel stärker beziehungsgetrieben. Verglichen mit Deutschland. [...]“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

3.1.2.

Abstrakte Firmenloyalität

„In Deutschland wird ja häufig eine lange Firmenzugehörigkeit auch als etwas Positives gesehen. Da gibt es schon eine gewisse Loyalität zu der Firma, in der man arbeitet.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

3.1.3.

Trennung von Freundschaft und Kollegialität

„Wir erledigen hier unsere Arbeit professionell und dann geht jeder seinem Privatleben nach.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3)

317

Anhang

Code-Typus

Nr.

Code-Bezeichnung

Kategorie

3.2.

Hierarchieverständnis

HauptCodes

3.2.1.

Wenig ausgeprägte Hierarchie

3.2.2.

Hierarchiekriterien

3.2.2.1. Leistung/ Kompetenz

„Wir sind sehr leistungs- und ergebnisorientiert.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3)

3.2.2.2. Unauffälligkeit

„Vielfach sind die, die ganz oben landen, Leute, die flexibel waren. Die sich nicht aus dem Fenster gelehnt haben... [Man toleriert keine Fehler?] Wahrscheinlich ja. Die, die Karriere machen, haben keine Fehler gemacht. Und wann macht man keine Fehler? Wenn man keine Entscheidungen trifft ... 'Es entscheidet sich.' Das ist so ein Spruch bei [Firma1] [lächelt]: 'Es entscheidet sich.'“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

3.2.2.3. Geschlecht

„In meinem Umfeld, das ist natürlich technisch orientiert, hatte ich in Deutschland in meinem gesamten Berufs- leben bei [Firma 1] noch mit keiner einzigen Frau in einer Führungsposition zu tun. Es gab da mal eine einzige. In Thailand hatte ich schon mehrfach mit Frauen zu tun, auch im technischen Bereich.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

3.2.3.

Übernahme persönlicher Verantwortung auf allen Ebenen

3.2.3.1. Verantwortung der Untergeordneten für eigenen Bereich

„Man muss den Leuten erklären, dass sie Verantwortung haben und dass sie die auch ausüben müssen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

3.2.3.2. Verantwortung der Übergeordneten für Mitarbeiterwohl

„[...] Wenn nicht genügend Arbeit da ist, ist es im Prinzip unsere Verpflichtung [die der Geschäftsführer], die Arbeit ranzuschaffen.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

3.2.4.

Kategorie

Beispielzitate/ Kommentar

Geringe Machtdistanz zwischen Ebenen

3.2.4.1. Vermeidung von Standesdünkel

„In unserer Firma wird erwartet, dass ein Manager einer Abteilung nicht nur Manager ist und alles deligiert, sondern wenn die Arbeitsbelastung einen gewissen Level annimmt, wird es durchaus erwartet, dass der auch mit einspringt und mit seinen Kollegen das anpackt.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

3.2.4.2. Angreifbarkeit des Übergeordneten

„In Deutschland ist das oft ganz anders. Selbst wenn du in der leitenden Position bist, musst du manchmal darum kämpfen, dass du diese Position im Meeting auch behälst und sich keiner in den Vordergrund drängt.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

3.3.

Konfliktverhalten

Haupt-Codes 3.3.1.

Notwendigkeit von Konflikten zur Problemlösung

„In Deutschland kommuniziert man eher, um Unterschiede herauszufinden und diese dann auszuräumen.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

3.3.2.

Glaube an konstruktive Lösbarkeit von Konflikten

„Zum Beispiel unsere konstruktive Streitkultur, die ist hier schwieriger umzusetzen.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

3.3.3.

Interaktionsziel: Konfliktlösung

3.3.4.

Kommunikationsstrategien

3.3.4.1. Verbale Direktheit/ Eindeutigkeit

„Wir sind da immer sehr scharf, und bringen immer alles sehr schwarz-weiß auf den Punkt.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

3.3.4.2. Offene Kritik

„Ich habe in der Vergangenheit [in Deutschland] auch immer den Leuten auf den Kopf zugesagt, was sie falsch gemacht haben.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

318 Code-Typus

Anhang

Nr.

Code-Bezeichnung

3.3.4.3. Erwartung von klärenden Fragen und Frühinformation 3.3.5.

Beispielzitate/ Kommentar

„Der größte Fehler, den ein Mitarbeiter bei uns begehen könnte, wäre Probleme, die man erkannt hat, nicht zu kommunizieren. Das wird nur schwer verziehen. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3)

Verhaltensstrategien

3.3.5.1. Konfliktidentifikation (Zuspitzung)

„In einer solchen Situation [Konflikt] in Deutschland würde man einfach erst mal fragen: Was ist dein Problem? Und dann würde der andere einem vermutlich innerhalb eines gewissen Rahmen sagen, was los ist. [...] In Deutschland kann man einfach fragen.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

3.3.5.2. Zusammentreffen der Konfliktparteien

„Da kriegte ich plötzlich einen Anruf von meinem Chef. Der sagte, kommen sie mal bitte in mein Büro. Dort machte er schnell die Türen zu. Die waren schalldicht. Und dann fing er an. Und beschimpfte mich. Der hörte gar nicht wieder auf.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

3.3.5.3. Offenes Austragen des Konflikts

„Und wenn was nicht so funktioniert, dann schreit man rum und haut auf den Tisch.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

3.3.5.4. Festlegen von Konsequenzen

„Wenn irgendwas mal schiefläuft, muss es in Zukunft eine Regel geben, die das verhindert.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

3.3.5.5. Versöhnung

„Aber Sie können dem nicht auf die Schulter klopfen und sagen, ach komm, jetzt trinken wir mal ein Bier, das habe ich doch nicht so gemeint. Und das ist ja so ein bisschen die deutsche Mentalität.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

Kategorie

3.4.

Aufgabenbearbeitung

HauptCodes

3.4.1.

Motivation

3.4.1.1. Arbeit als Anstrengung

„[Manchmal] haben wir auch Samstags gearbeitet bis Sonntag morgen. Und sind dann am Nachmittag noch mal wieder gekommen, damit das Montag morgen fertig war. Und das haben die Leute mitgemacht. Das könnte man in Deutschland so überhaupt nicht hinbekommen, weil Arbeit dort tatsächlich eine Anstrengung ist.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

3.4.1.2. Starke Trennung von Arbeits- und Freizeit

„Versuchen Sie mal in Deutschland am Wochenende einen Trainingskurs zu machen. Unmöglich.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

3.4.1.3. Unwichtigkeit des Betriebsklimas, Wichtigkeit von Freizeit

„Früher gab es ja in Deutschland auch mehr Betriebsfeste, die gibt es ja kaum noch. Da geht man lieber mal früher nach Hause.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

3.4.1.4. Eingeschränkte Arbeitsmotivation

„German style ist ja auch zum Beispiel, abends um fünf nach Hause zu gehen, egal, ob die Arbeit getan ist oder nicht.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

3.4.2.

Arbeitsweise

3.4.2.1. Planungsorientierung

„Für Deutschland ist der Plan die Bibel.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

3.4.2.2. Ernsthaftigkeit

„Wir erwarten von unseren Mitarbeitern, dass sie bei dem, was sie tun, eine gewisse Ernsthaftigkeit an den Tag legen. Wir können hier keine lustigen Spielchen machen. Wir können uns auch keine Dummheiten leisten. Wir müssen uns unserer Tätigkeit mit einem gewissen Ernst widmen.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10)

3.4.2.3. Ordnung

„Man kommt pünktlich, man macht alles möglichst akkurat und 100%ig richtig. [...] Das ist nur diese Prinzipienreiterei, [leiert herunter] wir müssen um acht da sein und wir müssen vierzig Stunden arbeiten die Woche, und nicht neunundreißigeinhalb und nicht vierzigeinhalb.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

3.4.3.

Ergebnis

319

Anhang

Code-Typus

Hauptkategorie

Nr.

Code-Bezeichnung

Beispielzitate/ Kommentar

3.4.3.1. Effizienz

„Grosse Unterschiede zwischen Deutschen und Thais im Arbeitsleben bestehen in der Effizienz. So eine Firma, wie wir sie hier haben, würde in Deutschland mit 40 Mitarbeitern auskommen. Man muss hier in Thailand bestimmte Bereiche sehr stark personell besetzen in unserem Geschäftsfeld, die in Deutschland wesentlich rationalisierter laufen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

3.4.3.2. Hohe Ergebnisqualität

„Und dann haben die Thais auch in Bezug auf die Qualität ihrer Arbeitsleistung eine andere Einstellung als die Deutschen.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

3.4.3.3. Geringes Gestaltungspotential

„Was in Deutschland ein Riesenproblem darstellt, die sozialen Errungenschaften zum Teil, oder die Arbeitszeit zu reduzieren oder mal an einem Samstag zu arbeiten, das durchzusetzen, einfach mal flexibel zu sein, was das für ein Aufwand ist, das kommt dort nicht in Frage. Das macht keinen Spaß.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

4.

Deutscher Wirtschaftsstil (th. Perspektive)

Kategorie

4.1.

Beziehungsaufbau

HauptCodes

4.1.1.

Untergeordnete Wichtigkeit eines sozialen Netzwerks

4.1.2.

Fehlen persönlicher Beziehungen nach th. Vorbild

„Sie [die Deutschen] haben auch weniger Kommunikation. Sie arbeiten eher für sich alleine. Nicht richtig zusammen. Jeder macht seine Arbeit.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

4.1.2.1. Sinnleere, Kälte

“In these first years of our existence here in Thailand, there was no stimulation. Everyone just worked day by day, and at 5.30 you would just put everything in the drawer, until the next day.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

4.1.2.2. Vereinzelung

“How can you sit in your room all the time? You have to walk around, create the relationship first. I think it's in the nature of the human being.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

4.1.2.3. Ineffizienz (Vermeiden gegenseitiger Hilfe)

„Jeder macht seine Arbeit. Aber nur seine eigene. Wenn etwas anderes kommt, kümmern sie sich nicht darum. Sie leiten es nicht weiter an die zuständige Stelle. Sondern sagen, das ist nicht meine Arbeit!“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

4.1.3.

Freundschaft als Sondersi- “I think the Germans have a soft factor, they are not only focused on the work. […] Because of this soft factor, I think a lot of locals feel comfortable to work tuation bes. Verlässlichwith Germans. […] This soft factor is harder to discover. But if a German is your keit friend, I think he is really your friend.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Kategorie

4.2.

Hierarchieverständnis

HauptCodes

4.2.1.

Ähnlich ausgeprägte Hierarchie

“In terms of hierarchy, I think it's similar to the Thai. Both have strong hierarchies. In this respect it is not difficult to adapt.“ (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

4.2.2.

Hierarchiekriterium Leistung

“Die Kultur hier von [Firma 3] ist eher leistungsorientiert. Man wird nach seiner Leistung beurteilt.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

4.2.3.

Übernahme persönlicher Verantwortung auf allen Ebenen

320 Code-Typus

Anhang

Nr.

Code-Bezeichnung

Beispielzitate/ Kommentar

4.2.3.1. Verantwortung der Untergeordneten für eigenen Bereich

„Von den deutschen Firmen bekommt man sehr viel Vertrauen, man bekommt mehr Verantwortung. Aber es wird auch mehr von einem verlangt. [...] Hier bei [Firma 3] habe ich erst als Sekretärin gearbeitet. Dann habe ich aber jedes Jahr mehr Verantwortung bekommen und jetzt bin ich Deputy Representative.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

4.2.3.2. Verantwortung der Übergeordneten für Mitarbeiterwohl

“The Americans have [...] a very target-oriented style. No relationship. No relationship. He is friendly, he talks to you nicely, but that doesn't mean that he likes you. The Germans are different. I think the Germans have a soft factor, they are not only focused on the work.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

4.2.4.

“If in a Thai organization you try to challenge your bonus or the company, I will try to find a way to kick you out. Here, people [the Germans] ask first, is it maybe right, is there a reason. I think that is an important difference.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Geringe Machtdistanz zwischen Ebenen

Kategorie

4.3.

Konfliktverhalten

HauptCodes

4.3.1.

Unsensibilität, Nachlässigkeit als Kennzeichen dt. Interaktion

“Why are they [the Germans] so direct, why are they so rude?” (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1)

4.3.2.

Konfliktentstehung als Folge

“Germans tend to always go for the conflict […]” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

4.3.3.

Konmmunikationsstrategien

4.3.3.1. Verbale Direktheit

“The German style is more direct, than the Thai style.” (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1)

4.3.3.2. Ausübung von Druck

“Often the Thais ask, why are they putting so much pressure on us. They always need it Now! Now! Now!” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

4.3.3.3. Aggressivität

“[German] expats can be perceived as yelling at people although they don't mean to.” (Frau S, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 12)

4.3.4.

Teilweise: Erkennen der Ritualisierung dt. Konfliktverhaltens

4.3.4.1. Möglichkeit offener Kommunikation ohne Sanktionierung

“If some German will challenge you, will yell at you, that doesn't mean that he really thinks you cannot do your job.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

4.3.4.2. Möglichkeit zur Versöhnung

“And sometimes, my [German] boss would say: Oh, how stupid! And I got really angry and scared, but I found out, he doesn't mean it that way.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

Kategorie

4.4.

Aufgabenbearbeitung

HauptCodes

4.4.1.

Motivation

4.4.1.1. Arbeit als Anstrengung

“I think that the Thai people appreciate that the Germans are working very hard.” (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

4.4.1.2. Starke Trennung von Arbeits- und Freizeit

“If you look at the Germans here […] They are very devoted to their work. They completely devote the working time during the week for their work. They start very early in the morning, maybe at 7.30 or at 8 and then they work until 5.30 or later, sometimes until 8.30 at night. And they do nothing but work. But on the weekends: Nothing! On the weekends you could not disturb.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

321

Anhang

Code-Typus

Nr.

Code-Bezeichnung

4.4.1.3. Hohe Arbeitsmotivation (Arbeitszeit), Nichts-Tun (Freizeit)

4.4.2.

“If you look at the Germans here […] They are very devoted to their work. They completely devote the working time during the week for their work. They start very early in the morning, maybe at 7.30 or at 8 and then they work until 5.30 or later, sometimes until 8.30 at night. And they do nothing but work. But on the weekends: Nothing! On the weekends you could not disturb.” (Frau C, thailändische Leiterin Corporate Communication, Firma 1)

Arbeitsweise

4.4.2.1. Planungsfixiertheit

„When the Germans come here, they have a plan for everything. They have it all on paper, all the numbers.” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

4.4.2.2. Ernsthaftigkeit

„Die Arbeit ist immer eine ganz ernste Sache. Sie lachen viel weniger.“ (Frau I, thailändisches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 3)

4.4.2.3. Ordnung

„There are always systems in place. I guess that is the [German] way: You use more systematic approaches.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

4.4.3.

Hauptkategorie

Beispielzitate/ Kommentar

Ergebnis

4.4.3.1. Ineffizienz

„Before they start working, they learn the plan. And in the end, they look at the outcome and compare the numbers. If the outcome is not exactly identical with the plan, it’s not right. Cannot be! [lacht] Because it’s not like the plan.” (Herr N, thailändischer Leiter Qualitätsmanagement, Firma 7)

4.4.3.2. Hohe Ergebnisqualität

„This company is producing a very high quality of [products] […] There is some good in terms of production and the quality. Because with the Germans you don’t get variations in quality. You can rely on that.“ (Herr G, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 5)

5.

Deutsch-thailändische Interkultur

Kategorie

5.1.

Konfliktpotentiale

HauptCodes

5.1.2.

Kommunikative Missverständnisse

5.1.2.1. MotivationsMissverständnis

Zusammentreffen von dt. und th. Arbeitsverständnis und Arbeitsmotivation (vgl. Codes 1.4.1., 2.4.1., 3.4.1., 4.4.1.), Beispielgeschichte siehe Kapitel 4.2.1.1.1.

5.1.2.2. Leistungs-Missverständnis

Zusammentreffen von dt. und th. Hierarchiekriterien (vgl. Codes 1.2.2., 2.2.2., 3.2.2., 4.2.2.), Beispielzitate siehe Kapitel 4.2.1.1.2.

5.1.2.3. VerantwortungsMissverständnis

Zusammentreffen von dt. und th. Verständnis von Mitarbeiterverantwortung (vgl. Codes 1.2.3., 2.2.3., 3.2.3., 4.2.3.), Beispielgeschichte siehe Kapitel 4.2.1.1.3.

5.1.2.4. Effizienz-Missverständnis

Zusammentreffen von dt. und th. Verständnis von effizienter Arbeitsweise (vgl. Codes 1.4.2., 2.4.2., 3.4.2., 4.4.2.)

5.1.2.5. KollegialitätsMissverständnis

Zusammentreffen von dt. und th. Verständnis von Mitarbeiterbeziehungen, bzw. Kollegialität (vgl. Codes 1.1.4., 2.1.4., 3.1.3.., 4.1.2.), Beispielzitate siehe Kapitel 4.2.1.1.5.

5.1.3.

Konfliktverschärfung

5.1.3.1. Th. Konflikterkennung

Zusammentreffen von th. Konfliktvermeidungsstrategien und dt. Nichtbeachtung wg. Mangel an Direktheit (vgl. Codes 1.3.3., 1.3.4., 2.3.2., 2.3.3., 3.3.4., 3.3.5, 4.3.3.), Beispielzitate siehe Kapitel 4.2.1.2.1.

5.1.3.2. Dt. Konflikterkennung

Zusammentreffen von dt. Konfliktlösungsstrategien und th. Konfliktvermeidungsstrategien (vgl. Codes 1.3.3., 1.3.4., 2.3.2., 2.3.3., 3.3.4., 3.3.5, 4.3.3.), Beispielgeschichte siehe Kapitel 4.2.1.2.2.

322 Code-Typus

Anhang

Nr.

Code-Bezeichnung

Beispielzitate/ Kommentar

Kategorie

5.2.

Synergiepotentiale

HauptCodes

5.2.1.

Loyalität

Zusammenwirken von dt. Verständnis von Sozialverantwortung und th. Loyalitätsbeziehungen (vgl. Codes 1.1.3., 2.1.3., 3.2.3.2., 4.2.3.2.), Beispielzitate siehe Kapitel 4.2.2.1.

5.2.2.

Innovation

Zusammenwirken von dt. und th. Verständnis effizienter Arbeitsweisen (vgl. Codes 1.4.2., 2.4.2., 3.4.2., 4.4.2.), Beispielgeschichte siehe Kapitel 4.2.2.2.

5.2.3.

Emanzipation

Zusammenwirken von dt. und th. Verständnis von Arbeit und Machtdistanz (vgl. Codes 1.2.3., 1.4.1.1., 2.2.3., 2.4.1.1., 3.2.4., 3.4.1.1., 4.2.4., 4.4.1.1.), Beispielzitate siehe Kapitel 4.2.2.3.

Hauptkategorie

6.

Emergenz interkultureller Unternehmenskultur

Kategorie

6.1.

Einflussmedien interkultureller Unternehmenskultur

HauptCodes

6.1.1.

Organisatorische Rahmenbedingungen

6.1.2.

Individuum

Kategorie

"Also in den Bereichen Buchhaltung, Rechnungswesen, EDV, das ist natürlich alles [Firma 1] international- globalisierter Standard. Man kann dann zwar einiges ein bisschen adaptieren, aber da muss man einfach das weltweite Prinzip der EDV- Programme, des Abrechnungssysteme mitfahren." (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

6.1.2.1. Exemplarisches Verhalten

„Man kann [bestimmte Verhaltensweisen der thailändischen Mitarbeiter] aber ändern. Indem man, viel stärker als in Deutschland, eine massive Vorbildfunktion einnimmt.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

6.1.2.2. Repräsentatives Verhalten

“Still, for a Thai the boss is always the company. There is a huge gap between the subordinate employee and the boss. But this gap depends on the Managing Director. If the boss tries to reduce this gap by talking to the employees, he can improve the relationships with the employees and that can make the company better understandable and peaceful.” (Herr Q, thailändischer Leiter Finance and Controlling, Firma 12)

6.1.2.3. Initiatives Verhalten

“So a lot of things happen, because [Mr. P] is very sensitive to these [intercultural] issues, which would never happen, if he didn't care about it. This really has a strong effect on the working environment, and also the credibility he receives from the Thai staff. So the corporate culture here is very depending on how sensitive the M.D. is to cultural issues. For example, the M.D. before, he was not very sensitive to these issues.” (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12)

6.2.

Haupt-Codes 6.2.1.

Einflussfaktoren interkultureller Unternehmenskultur Individuum

“Die Kultur von [Firma 10] hier in Thailand ist grundsätzlich anders, wenn ich dieses Unternehmen führe, als wenn jemand anderes, zum Beispiel mein Nachfolger, es führt.“ (Herr W, Geschäftsführer, Firma 10))

6.2.2.

Branche

„Unsere Unternehmenskultur, ja, was könnte das sein? Einmal ist es glaube ich so, dass... wir eine Baufirma sind. Damit fängt das schon mal an. Wir sind also eine richtige... normale... große Baufirma. Und wir wollen unser Geld, [...] wirklich nur mit dem Bauen verdienen. [...] Das Kerngeschäft ist das Bauen, und das machen wir.“ (Deutscher Geschäftsfirma eines Unternehmens der Bauindustrie)

6.2.3.

Wirtschaftssituation

„Da es hier früher ein Verkäufer-Markt war und noch kein Käufer-Markt, müssen die Händler jetzt umlernen. Die müssen genau diesen Umschwung zwischen Verkäufer- und Käufermarkt lernen.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

6.2.4.

Mutterunternehmen

323

Anhang

Code-Typus

Nr.

Code-Bezeichnung

Beispielzitate/ Kommentar

6.2.4.1. Übernahme von Organisa- „Unter [dem neuen Mutterunternehmen] ist das ganze dann in eine funktionale tionsstrukturen Organisation umgewandelt worden. Das ist vor drei Jahren eingeführt worden, und es kommt immer noch zu Reibungsverlusten, weil lange bestehende soziale Strukturen zerstört worden sind. Weil man nicht mehr seinen Nachbarn fragen konnte, mach mal dies oder das.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8) 6.2.4.2. Verhaltensvorprägung der Expats

„Je mehr Menschen Sie hier haben, die lange bei der Firma waren, desto eher sind Sie auch in der Lage, diese Kultur nicht nur mitzubringen, sondern auch weiterzuverteilen. Und ich persönlich ... arbeite, so wie ich das in der Firma über 23 Jahre erlebt habe.“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

6.2.4.3. Verarbeitung von Stammhauskonflikten

„Ich kämpfe auch [...] als Thai für die Thais gegen das Mutterhaus. Und das kommt gut an. Und wenn ich überzeugt bin, dass das Mutterhaus versucht, hier Dinge zu implementieren, die einfach nicht passen, dann stelle ich mich auch davor.“ (Herr P, deutscher Geschäftsführer, Firma 12)

6.2.5.

Ursprungskultur

„Da kann ich auch keine Zugeständnisse machen. Das ist ein absolutes Muss. Und da versucht man schon, die Leute zu einer Art deutschen Kultur der Ehrlichkeit zu erziehen.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

6.2.6.

Landeskultur

„Ich würde sagen, der thailändische Einfluss auf das Management in dieser Firma ist wichtiger als der deutsche. Schon allein deshalb, weil 95% unserer Mitarbeiter Thais sind.“ (Herr R, Leitung Human Resources Asia Pacific, Firma 12)

Kategorie

6.3.

Einflussdynamiken interkultureller Unternehmenskultur

HauptCodes

6.3.1.

Anpassung

6.3.1.1. UnabdingbarkeitsMetaphern

„Bestimmte Dinge werden aus Deutschland übernommen. Es gibt bestimmte Regeln, die müssen überall gelten. Und das würde ich auch nicht tolerieren, wenn das hier in Thailand nicht ganz so gemacht würde.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

6.3.1.2. Manifestation als organisatorische Regeln

„Wo [Firma 13] im allgemeinen und auch hier in Thailand wirklich drauf achtet ist, dass Termine und das Berichtswesen eingehalten werden. Ich habe hier zum Beispiel so einen Kalender, da steht drauf, bis wann ich was zu reporten habe. Da bestehen die auf bestimmten Terminen, das verstehe ich auch und das befolge ich auch. Das ist ja überall so, sonst funktioniert ein Unternehmen ja nicht.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

6.3.1.3. Manifestation als individueller Zwang

„Ich habe das dann auch schnell gemerkt. Ich habe dann am Anfang so zwei, drei katastrophale Fehler gemacht, und dann muss man sich schon überlegen ... entweder ändert man sich selber, denn die anderen ändert man nicht mehr. Es hat gar keinen Sinn, man muss sich anpassen.“ (Herr M, deutscher Geschäftsführer, Firma 7)

6.3.2.

Abwehr

6.3.2.1. Schutz-Metaphern

„Das ist natürlich gerade, wenn man zusammen arbeitet, nicht so einfach, weil ich eben nicht glaube, dass ... ein, ein ...oder dass es schwierig ist, gerade für einen Deutschen, ... oder wenn ich das mal auf mich beziehe, ich will kein Thai werden, nicht weil ich das nicht will, oder weil ich das einfach nicht... Es kann einfach nicht sein! Es geht nicht!“ (Herr F, deutscher Geschäftsführer, Firma 4)

6.3.2.2. Manifestation als Abgrenzung

„Da sage ich, Gefälligkeitsbeschäftigungen gibt es bei uns nicht! Dazu haben wir nicht das Geld. Und auch von meiner inneren Einstellung her, will ich das auch nicht! Das heißt, entweder sie [die Mitarbeiterin] schafft das oder sie schafft es nicht. Wenn wir für sie bei ihren eingeschränkten Fähigkeiten andere Einsatzmöglichkeiten haben, ok. Aber [Gefälligkeitsbeschäftigungen], nein!“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

6.3.3.

Integration

6.3.3.1. Kompromiss/GemeinsamkeitsMetaphern

„Hier ist das manchmal mehr ein Geben und Nehmen. Ich sage meinen Mitarbeitern immer: Give and Take. Wenn ihr gebt, gebe ich auch.“ (Herr J, deutscher Vertriebsleiter, Firma 2)

324 Code-Typus

Anhang

Nr.

Code-Bezeichnung

6.3.3.2. Manifestation als zweckgerichteter Kompromiss

6.3.4.

Beispielzitate/ Kommentar

„Und ich sage auch immer zu meinen Thais: Das macht gar nichts, wenn man mal einen Fehler gemacht hat. Das kann jedem passieren. Der Fehler darf nur nicht wiederholt werden. Ich glaube, dass man langfristig durch diese Erziehung die Thais dazu kriegt, dass sie ohne Bauchschmerzen und ohne irgendwelche Vorbehalte hier in die Firma kommen und ihr gegenüber auch selbstbewusst auftreten.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

Hybridisierung

6.3.4.1. Wärme-Metaphern

"Hier muss man ein warmes Element reinbringen" (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

6.3.4.2. Manifestation als nichtinstrumentiertes Gewährenlassen

“Each year they [the Germans] are doing several religious buddhist ceremonies. So that shows that the Germans are willing to do something, because they think this is what the Thai believe. The Germans also take part in this, for example in the buddhist ceremonies. They take part in it as observers. They do want to see what is happening. But they would not actually pray. I think the Thais feel happy if they see the Germans take part in it, because it shows the openness. It shows that you don't shut the doors. Even if you have no clue what is going on. It shows some kind of respect. Whether you actually start believing it, doesn't matter. But if you show interest, that is good enough.” (Herr D, thailändischer Leiter Human Resources, Firma 1)

Hauptkategorie

7.

Gestaltungsansätze interkultureller Unternehmenskultur

Kategorie

7.1.

Leitbilder von Unternehmenskultur

HauptCodes

7.1.1.

Systemcharakter

„Unternehmenskulturen müssen wahrscheinlich [...] als Systeme gesehen werden.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

7.1.2.

Eingeschränkte Gestaltbarkeit

„Ich glaube, man kann Unternehmenskultur nur zu einem Teil verändern. Wenn Sie zum Beispiel bestimmte gelebte Rituale haben, gerade der Mitarbeiter, die schon länger dabei sind, dann ist das sehr schwierig, so etwas zu verändern.“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

7.1.3.

Gestaltungsmodus

7.1.3.1. Intuitiv

„Meine Philosophie ist eigentlich, wenn sie den Leuten ein gutes Gefühl geben, dass sie sich für sie einsetzen, sich um sie sorgen, die Arbeit geht dann automatisch.“ (Herr L, deutscher Geschäftsführer, Firma 6)

7.1.3.2. Systematisch

„Man muss ein Regelsystem haben, man muss ein Wertesystem haben, und darin kann man dann manches kulturell gestalten.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

Kategorie

7.2.

Leitbilder von Interkulturalität

HauptCodes

7.2.1.

Gleichheitsdiagnose

„Die Thais, die hier arbeiten sind ja, um es mal so auszudrücken, auch nur Menschen.“ (Herr H, deutscher Geschäftsführer, Firma 3)

7.2.2.

Unterschiedlichkeitsdiagnose

„Ein Thailänder ist, auch wenn er in Deutschland studiert, ein Thailänder. Ein Deutscher bleibt, auch wenn er sieben Jahre im Ausland lebt, ein Deutscher.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

7.2.2.1. Bewunderung

„[...] wie ausgelassen die [Thais] wirklich feiern können und dann auch den Alltag wirklich vergessen. Das finde ich bemerkenswert! Wirklich!“ (Herr T, deutsches Mitglied der Geschäftsführung, Firma 11)

7.2.2.2. Fremdheit

„Ich verstehe das auch gar nicht. So diese Unterwürfigkeit zum Beispiel. Wenn ich hier neue Leute einstelle und ich sehe die dann auf dem Gang, dann geht der Kopf immer fast bis zum Boden runter, und dieses Unterwürfige, dieses Devote, das ist mir ... [fremd?] nein, nicht nur fremd, das ist mir eigentlich zuwider.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

325

Anhang

Code-Typus

Nr.

Code-Bezeichnung

Beispielzitate/ Kommentar

Kategorie

7.4.

Typen und Führungsrollen interkultureller Unternehmenskulturgestaltung

HauptCodes

7.4.1.

Patronage ("Vater"-Rolle)

Zusammentreffen von intuitivem Gestaltungsmodus und Gleichheitsdiagnose (vgl. Codes 7.1.3.1., 7.2.1.)

7.4.2.

Partizipation ("Bewunderer"-Rolle)

Zusammentreffen von intuitivem Gestaltungsmodus und Unterschiedlichkeitsdiganose der Bewunderung (vgl. Codes 7.1.3.1., 7.2.2.1.)

7.4.3.

Unterwerfung ("Eroberer"- Zusammentreffen von intuitivem Gestaltungsmodus und UnterschiedlichkeitsdiRolle) ganose der Fremdheit (vgl. Codes 7.1.3.1., 7.2.2.2.)

7.4.4.

Neutralität ("Richter"Rolle)

Zusammentreffen von systematischem Gestaltungsmodus und Gleichheitsdiagnose (vgl. Codes 7.1.3.2., 7.2.1.)

7.4.5.

Partnerschaft ("Kameraden"-Rolle)

Zusammentreffen von systematischem Gestaltungsmodus und Unterschiedlichkeitsdiagnose zwischen Bewunderung und Fremdheit (vgl. Codes 7.1.3.2., 7.2.2.1., 7.2.2.2.)

Kategorie

7.4.

Leitbilder interkultureller Unternehmenskultur

HauptCodes

7.4.1.

Leitbild der Abwehr

„Das Zusammenleben selber zwischen den Mitarbeitern, das muss man schon international offen lassen. Das kann ich den Thais nicht aufzwingen. Das muss ich akzeptieren. Da würde man ja sonst die Thais in ihrer Persönlichkeit verbiegen. Das kann für das Unternehmen nicht gut sein.“ (Herr B, deutscher Projektleiter, Firma 1)

7.4.2.

Leitbild der Anpassung

„Wenn sie versuchen hier in Thailand ein Unternehmen zu leiten, aufzubauen, sie müssen der Thai-Kultur, der Thai-Art, der müssen sie entgegen kommen, sonst haben sie keine Chance.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

7.4.3.

Leitbild der Integration

„Wir haben hier schon versucht, eine eigene Kultur zu schaffen. [...] Das, was hier entsteht, sollte schon eine homogene Kultur sein. Das, was dann dabei herauskommt, ist wahrscheinlich eine Mischung aus thailändischer und deutscher Kultur.“ (Herr U, deutscher Geschäftsführer, Firma 13)

7.4.4.

Leitbild der Anpassung und Integration

„Wir haben natürlich seitens der Firma [unsere Management und Führungsprinzipien] [...] hier reingetragen, denn das ist ja schon wichtig, dass man nicht in jedem Land eine eigene Firmenkultur aufbaut. Die hat man sowieso durch die unterschiedlichen Nationalitäten. Aber dass man ein gemeinsames Dach behält [...] Also da sind dann [bestimmte] Limitierungen [aus Deutschland] [...] die geben einem ja einen gewissen Rahmen oder ein Netz, innerhalb dessen man sich dann ja bewegen kann. [...] Man muss in einem gegebenen Umfeld, auf das wir nicht vollständig Einfluss ausüben können, mit den Säulen arbeiten, die gegeben sind und dann versuchen, in diesem Rahmen etwas Neues zu gestalten. [...] So eine Integrationskultur halte ich eigentlich als Ziel für sehr interessant, weil man versucht in dem Rahmen, der vorgegeben ist, Anknüpfungspunkte, [...] zu finden.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

7.4.5.

Leitbild der Hybridisierung

„Ich weiß ja, dass ich ganz bestimmte Vorstellungen habe, und ich weiß auch, dass Thailänder nicht völlig, aber anders sind. Aber das ist dann insofern keine trennende Sache, sondern etwas, wo eine Brücke entsteht, zwischen beidem.“ (Herr Z, deutscher Geschäftsführer, Firma 8)

7.4.6.

Vermischung von Leitbildern, Unschärfe

„Ich tendiere dazu, Unternehmenskultur hier in Thailand [...] als etwas Homogenes, Neues zu sehen, ... andererseits als etwas, das immer heterogen bleiben wird. [...] Unterschiedliche Formen von Unternehmenskultur liegen da wohl auch neben- und übereinander.“ (Herr A, deutscher Geschäftsführer, Firma 1)

326

Anhang

8.3. Verzeichnis der thailändischen Begriffe

Thailändischer Begriff

Deutsche Übersetzung/ Entsprechung

boon tham kam taeng

etwa: Dein Karma ist verantwortlich für Deinen jetzigen Zustand

bunkhun

tiefe Güte (häufig Bezeichnung für Beziehungen gegenseitiger Hilfe und Loyalität zwischen Über- und Untergeordneten)

decha

Dimension th. Vorstellungswelt bestimmt durch amoralische Macht

farang

"Langnase" = Bezeichnung für westliche Ausländer

hai kiat

jmd. Respekt zollen, jmd. Ehre erweisen

jai rohn

"Heißes Herz" = Unbeherrschtheit, Aggressivität

jai yen

"Kühles Herz" = Gelassenheit, Beherrschtheit

katanyoo rookhun

Dankbarkeit, in jmd. Schuld stehen (Element von bunkhun-Beziehungen)

khun

Herr/ Frau (Höfliche Anrede)

khuna

Dimension th. Vorstellungswelt bestimmt durch moralische Güte

kreng jai

etwa: Rücksichtnahme, bes. gegenüber Menschen höherer Seniorität

kreng klua

Angst

mai pen rai

etwa: Macht nichts!

mettaa karunaa

Güte, Wohlwollen (Element von bunkhun-Beziehungen)

mot khwam kreng jai

„kreng jai ist beendet“ = Respekt vor jmd. verlieren

na

Reisfeld

ngan

Arbeit, Fest

ning

etwa: Stillstand, Unbeweglichkeit

phrakhun

väterlicher Schutz

pradhet

autoritäre Härte

roojak thee soong thee tam

etwa: Wisse, wer oben und unten steht

sabei

Entspannung

sakdi

Macht

sakdina

System sozialer Rangbestimmung, eingeführt unter dem th. König Paramatrailoknatha (15. Jh.)

sanuk

Spaß haben, feiern, Lebensgenuss

thamma-racha

etwa: gerechter König

327

Anhang

8.4. Literaturverzeichnis Abels 1997

Abels, G.: Hat der Experte ein Geschlecht? Reflexionen zur sozialen Interaktion im ExpertInnen-Interview, in: Femina Politica - Zeitschrift für feministische PolitikWissenschaft 1, 1997, S. 79-88

Adelung 1793

Adelung, J. Ch.: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen, Leipzig 1793, Band 1, 2. Ausgabe, Neudruck Hildesheim 1970 (Olms)

Adler 1980

Adler, N. J.: Cultural synergy - The management of cross-cultural organizations, in: Burke/Goodstein, L. D. 1980, S. 163-184

Adler 1991

Adler, N. J.: International dimensions of organizational behavior, Boston 1991, 2. Aufl. (PWS-Kent)

Adler 2002

Adler, N. J.: International Dimensions of Organizational Behavior, Cincinnati 2002, 4. Aufl. (South Western)

Adler/Doktor/Redding 1986

Adler, N. J.; Doktor, R.; Redding G. S.: From the Atlantic to the Pacific Century - CrossCultural Management Reviewed, in: Hunt, J. G.; Blair, J. D. (Hg.): Yearly Review of Management of the Journal of Management 12, 1986, Heft 2, S. 295-318, zitiert nach: Kiechl 1990

Adler/Jelinek 1986

Adler, N. J.; Jelinek, M.: Is "organization culture" culture bound?, in: Human Resource Management 25, 1986, Nr. 1, S. 73-90

Aktouf 1985

Aktouf, O.: Wie Manager und Arbeiter sich selbst und einander in Organisationen sehen "Eine" einheitliche Organisationskultur?, in: Organisationsentwicklung - Zeitschrift der Gesellschaft für Organisationsentwicklung e.V. 4, 1985, Heft 1, S. 27-50

Albrecht 2001

Albrecht, D.: Culture and BrainStyles - New Alternatives for Human Resource Strategies to Develop Chinese-Western Cooperation, in: Kidd/Li/Richter 2001, S. 233-252

Allen/Wilder/Atkinson 1983

Allen, V. L.; Wilder, D. A.; Atkinson, M. L.: Multiple group membership and social identiy, in: Sarbin/Scheibe 1983

Alvesson/Berg 1992

Alvesson, M.; Berg, P. O.: Corporate culture and organizational symbolism, Berlin/New York 1992 (De Gruyter)

Ammon 1989

Ammon, G.: Der französische Wirtschaftsstil, München 1989 (Eberhard)

Ammon 2001

Ammon, G.: Der Wirtschaftsstil - ein Instrument zur Analyse fremder Volkswirtschaften, erläutert am Beispiel des französischen Wirtschaftsstils, in: Bolten/Schröter 2001, S. 143154

Ampha 1978

Ampha, O.: Kulturelle Unterschiede im Alltag: Thailand - Deutschland, in: Festschrift 30 Jahre Deutsche Abteilung Chulalongkorn Universität, Bangkok 1978, S. 72-83

Ampha 1991

Ampha, O.: Perlen vor die Säue werfen oder Dem Affen einen Kristall geben, Bonn 1991 (Deutsch-Thailändische Gesellschaft)

Ansoff 1979

Ansoff, H. I.: Strategic management, London 1979 (MacMillan)

Apfelthaler 1999

Apfelthaler, G.: Interkulturelles Management, Wien 1999 (Manz)

328

Anhang

Ardagh 1995

Ardagh, J.: Germany and the Germans, London 1995, 3. Aufl. (Penguin)

Aristoteles 1977

Aristoteles, : Hauptwerke, Stuttgart 1977, 8. Aufl. (Kröner)

Ashforth/Mael 1989

Ashforth, B. E.; Mael, F.: Social identity theory and the organization, in: Academy of Management Review 14, 1989, S. 20-39

Assmann/Harth 1991

Assmann, A.; Harth, D. (Hg.): Kultur als Lebenswelt und Monument, Frankfurt/Main 1991 (Fischer)

Auernheimer 1989

Auernheimer, G.: Kulturelle Identität - ein gegenaufklärerischer Mythos?, in: Das Argument, 1989, Heft 175, S. 381-394

Barmeyer 2001

Barmeyer, C. I.: Kulturelle Lernstile - Erfahrungslernen und Bildungssysteme in Frankreich und Deutschland, in: Bolten/Schröter 2001, S. 155-173

Barmeyer/Bolten 1998

Barmeyer, C. I.; Bolten, J. (Hg.): Interkulturelle Personalorganisation, Sternenfels 1998 (Wissenschaft & Praxis)

Beck 1997

Beck, U.: Was ist Globalisierung? Irrtümer des Glaubens – Antworten auf Globalisierung, Frankfurt 1997 (Suhrkamp)

Beck 1998

Beck, U. (Hg.): Politik der Globalisierung, Frankfurt 1998 (Suhrkamp)

Benedict 1934

Benedict, R.: Patterns of culture, New York 1934 (Houghton Mifflin), zitiert nach: Hansen 2000, S. 252

Benedict 1952

Benedict, R.: Thai culture and behavior – An unpublished war-time study, Ithaca 1952 (Cornell University, Microfilm)

Bennett 1986

Bennett, M. J.: A Developmental Approach to Training for Intercultural Sensitivity, in: International Journal of Intercultural Relations 10, 1986, Nr. 2

Bennett/Passin/ McKnight 1958

Bennett, J. W.; Passin, H.; McKnight, R. K.: In search of identity – The Japanese overseas scholar in America and Japan, Minneapolis 1958 (University of Minnesota Press)

Bergemann/ Sourisseaux 1996

Bergemann, N.; Sourisseaux, A. L. J. (Hg.): Interkulturelles Management, Heidelberg 1996, 2. überarb. Aufl. (Physika)

Bergmann 1981

Bergmann, J. E.: Ethnomethodologische Konversationsanalyse, in: Schröder/Steger 1981, S. 9-52

bfai 2001

Bundesstelle für Außenhandelsinformationen (Hg.): Wirtschaftstrends Thailand – Zum Jahreswechsel 2000/2001, Köln 2001

Bleicher 1984

Bleicher, K.: Auf dem Wege zu einer Kulturpolitik der Unternehmung, in: Zeitschrift Führung und Organisation (ZFO) 53, 1984, Heft 8

Bleicher 1982

Bleicher, K.: Japanisches Management im Wettstreit mit westlichen Organisationskulturen, in: Zeitschrift Führung und Organisation (ZFO) 51, 1982, Heft 8, S. 444-450

Bleicher 1983

Bleicher, K.: Organisationskulturen und Führungsphilosophien im Wettbewerb, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (ZfbF) 35, 1983, Heft 2, S. 135-146

Bleicher 1992

Bleicher, K.: Der Strategie-, Struktur-, und Kulturfit strategischer Allianzen als Erfolgsfaktor, in: Bronder/Pritzl 1992, S. 267-292

329

Anhang

Bolten 1999

Bolten, J. (Hg.): Cross Culture – Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft, Sternenfels/Berlin 1999, 2. Aufl. (Wissenschaft & Praxis)

Bolten 1999a

Bolten, J.: Grenzen der Internationalisierungsfähigkeit – Interkulturelles Handeln aus interaktionstheoretischer Perspektive, in: Bolten 1999, S. 25-42

Bolten 1999b

Bolten, J.: Kommunikativer Stil, kulturelles Gedächtnis und Kommunikationsmonopole, in: Geißner, H. K.; Herbig, A. F.; Wessela, E. (Hg.): Wirtschaftskommunikation in Europa, Tostedt 1999 (Attikon), S. 113-131, zitiert nach: www.wiwi.uni-jena.de/IWK/forschung/ index_pu.htm

Bolten 2000a

Bolten, J.: Können internationale mergers eine eigene Identität ausbilden? – Unternehmensfusionen aus der Perspektive der interkulturellen Wirtschaftskommunikationsforschung, in: Schriftenreihe der IIK Bayreuth, Bayreuth 2000, zitiert nach: www.wiwi.uni-jena.de/IWK/forschung/index_pu.htm

Bolten 2000b

Bolten, J.: Kultur ist Kommunikationsprodukt, in: SIETAR Newsletter, 2000, zitiert nach: www.wiwi.uni-jena.de/IWK/forschung/index_pu.htm

Bolten 2001a

Bolten, J.: Interkulturelles Coaching, Mediation, Training und Consulting als Aufgaben des Personalmanagements internationaler Unternehmen, in: Schmeisser, W. (Hg.): Strategisches Personalmanagement in Globalen Unternehmen, 2001, zitiert nach: www.wiwi.uni-jena.de/IWK/forschung/index_pu.htm

Bolten 2001b

Bolten, J.: Kann man Kulturen beschreiben oder erklären, ohne Stereotypen zu verwenden? Einige programmatische Überlegungen zur kulturellen Stilforschung, in: Bolten/Schröter 2001, S.128-142

Bolten/Schröter 2001

Bolten, J.; Schröter, D. (Hg.): Im Netzwerk interkulturellen Handelns – Theoretische und praktische Perspektiven der interkulturellen Kommunikationsforschung, Sternenfels 2001 (Wissenschaft & Praxis)

Bourdieu 1974

Bourdieu, P.: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt/Main 1974, 1. Aufl. (Suhrkamp)

Braddock 1958

Braddock, R.: An extension of the Lasswell-Formula, in: Journal of Communication 8, 1958, S. 88-93

Braun/Krieger 1976

Braun, M.; Krieger, F.: Organische Chemie und Einführung in die Biochemie, München 1976, 4. Aufl. (BLV)

Braun/Krieger 1977

Braun, M.; Krieger, F.: Anorganische Chemie mit Grundlagen der physikalischen Chemie, München 1977, 4. Aufl. (BLV)

Breuer/Barmeyer 1998

Breuer, J. P.; Barmeyer, C. I.: Von der interkulturellen Kompetenz zur Kooperationskompetenz – Beratung und Mediation im deutsch-französischen Management, in: Barmeyer/Bolten 1998, S. 179-202

Brinkama 1996

Brinkama, A.: Deutsche Unternehmen in Thailand - Strukturen, Rahmenbedingungen, Königswinter 1996 (IFIM)

Brinkama/Richter/ Zhong 1996

Brinkama, A.; Richter, M.; Zhong, M.: Deutsche Führungskräfte und Mitausreisende in Thailand, Königswinter 1996 (IFIM)

Bronder/Pritzl 1992

Bronder, Ch.; Pritzl, R. (Hg.): Wegweiser für Strategische Allianzen - Meilen- und Stolpersteine bei Kooperationen, Wiesbaden 1992 (Gabler)

330

Anhang

Brummelhuis 1980

Brummelhuis, H. T.: Notes on Thai Individualism, in: Seminarunterlage "Social Change in Contemporary Thailand", University of Amsterdam, Anthropological-Sociological Centre, Department of South and Southeast Asian Studies, Amsterdam 1980, S. 28-30

Buhr 1998

Buhr, R.: Unternehmen als Kulturräume - Eigensinnige betriebliche Integrationsprozesse im transnationalen Kontext, Berlin 1998 (Sigma)

Bungarten 1991

Bungarten, T. (Hg.): Konzepte zur Unternehmenskommunikation, Unternehmenskultur & Unternehmensidentität, Tostedt 1991, Bd. 2 (Attikon)

Bungarten 1997

Bungarten, T. (Hg.): Aspekte der Unternehmungskultur und Unternehmensidentität in der historischen Wirtschaftslinguistik, Tostedt 1997 (Attikon)

Burke/Goodstein 1980

Burke, W. W.; Goodstein, L. D. (Hg.): Trends and issues in OD - Current theory and practice, San Diego 1980 (University Associates)

Burns/Stalker 1961

Burns, T.; Stalker, G. M.: The management of innovation, London 1961 (Travistock)

Cameron/Quinn 1988

Cameron, K.; Quinn, R.: Organizational paradox and transformation, in: Quinn/Cameron 1988, S. 1-18

Child 1981

Child, J.: Culture, contingency and capitalism in the cross-national study of organizations, in: Cummings/Staw 1981, S. 303-356

Cohen 1991

Cohen, E.: Thai society in comparative perspective, Bangkok 1991 (White Lotus)

Cooper/Cooper 1994

Cooper, R.; Cooper, N.: Culture Shock Thailand, Singapore 1994, 3. Aufl. (Times Books International)

Cui/Awa 1992

Cui, G.; Awa, N. E.: Measuring intercultural effectiveness - An integrative approach, in: International Journal of Intercultural Relations 16, 1992, S. 311-328

Cummings/Staw 1981

Cummings, L. L.; Staw, B. M. (Hg.): Research in organizational behavior - An annual series of analytical essays and critical reviews, Greenwich 1981, Bd. 3 (JAI Press)

Dahler-Larsen 1997

Dahler-Larsen, P.: Organizational Identity as a "Crowded Category" - A case of Multiple and Quickly Shifting "We" Typifications, in: Sackmann 1997, S. 367-389

Deal/Kennedy 1982

Deal, T. E.; Kennedy, A. A.: Corporate Cultures - The Rites and Rituals of Corporate Life, Cambridge, Mass. 1982, Wiederaufl. 2000 (Perseus)

Demorgon 2001

Demorgon, J.: Die deutsch-französische Kommunikation - Wie? Warum?, in: Bolten/Schröter 2001, S. 242-245

Denzin 1989

Denzin, N. K.: The Research Act, Eglewood Cliffs 1989, 3. Aufl. (Prentice Hall)

Dey 1999

Dey, I.: Grounding Grounded Theory - Guidelines for Qualitative Inquiry, San Diego 1999 (Academic Press)

Dhiravegin 1980

Dhiravegin, L.: Bürokratie und Modernisierung in Thailand, in: Hohnholz 1980, S. 297-303

Dierkes/Hoffmann/ Marz 1992

Dierkes, M.; Hoffmann, U.; Marz, L.: Leitbild und Technik - Zur Entstehung und Steuerung technischer Innovationen, Berlin 1992 (Ed. Sigma)

DIHT 2002

Deutscher Industrie- und Handelskammertag: Deutsche Direktinvestitionen im Ausland 2000, zitiert nach: www.diht.de

331

Anhang

Dilling/Reimer 1995

Dilling, H.; Reimer, C.: Psychatrie und Psychotherapie, Berlin, New York 1995, 2. Aufl. (Springer)

Dinges 1983

Dinges, N.: Intercultural Competence, in: Landis/Brislin 1983, S. 176-202

Donner 1996

Donner, W.: Thailand - Land zwischen Tradition und Moderne, München 1996 (Beck)

Doppler 1994

Doppler, K.: Multikulturell, interkulturell - Integrierte Vielfalt versus Veschmelzung, in: Schuppert/Papmehl/Walsh 1994, S. 179-196

Drechsel/Schmidt/ Gölz 2000

Drechsel, P.; Schmidt, B.; Gölz, B.: Kultur im Zeitalter der Globalisierung - Von Identität zu Differenzen, Frankfurt/Main 2000 (IKO)

Dubey-Villinger 2001a

Dubney-Villinger, N.: Thai business culture - Hierarchy and groups, initiative and motivation, in: Kidd/Li/Richter 2001, S. 105-116

Dubey-Villinger 2001b

Dubey-Villinger, N.: Training in Thailand: Trends and Cases from the Service Industries, in: Kidd/Li/Richter 2001, S. 135-153

Dülfer 1991

Dülfer, E.: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, München/Wien 1991 (Oldenbourg)

Dunette 1976

Dunette, M. D. (Hg.): Handbook of Industrial and Organizational Psychology, Chicago 1976 (Rand McNelly)

EBTG 1988

The Economist Business Traveller's Guides: Germany on Business, in: The Economist, London 1988 (Collins)

Eco 1997

Eco, U.: Platon im Striptease-Lokal - Parodien und Travestien, München 1997 (dtv)

Ehlich/Switalla 1976

Ehlich, K.; Switalla, B.: Transkriptionssysteme - Eine exemplarische Übersicht, in: Studium Linguistik 2, 1976, S. 78-105

Eisenhardt 1989

Eisenhardt, K. M.: Building Theories from Case Study Research, in: Academy of Management Review 14, 1989, Nr. 4, S. 532-550

Embree 1950

Embree, J. F.: Thailand - A 'Loosely Structured' Social System, in: American Anthropologist 52, 1959, S. 181-193

Engelhard 1997

Engelhard, J. (Hg.): Interkulturelles Management - Theoretische Fundierung und funktionsbereichsspezifische Konzepte, Wiesbaden 1997 (Gabler)

England 1975

England, G. W.: The manager and his values - An international perspective from the USA, Japan, Korea, India, and Australia, Cambridge 1975 (Ballinger)

ETB 1978

Educational Technique Bureau, Department of Education, : Studybook Preparing for the Experience of Life (in Thai), Bangkok 1978, Band 5 (ETB), zitiert nach: Mulder, N.: Inside Thai society - Religion, Everyday Life, Change, Chiang Mai 2000 (Silkworm Books), S. 115

Fahey/Narayanan 1986

Fahey, L.; Narayanan, V. K.: Macroenvironmental analysis for strategic management, St. Paul 1986 (West)

Farmer/Richman 1965

Farmer, R. N.; Richman, B. M.: Comparative management and economic progress, Homewood 1965 (Irwin)

Fischer 2001

Fischer, M.: Die Internationalisierung deutscher Unternehmen, in: Bolten/Schröter 2001, S. 33-45

332

Anhang

Flick 2000

Flick, U.: Qualitative Forschung - Theorie, Methoden, Anwendung in Psychologie und Sozialwissenschaften, Reinbek bei Hamburg 2000, 5. Aufl. (Rowohlt)

Foellmer 2001

Foellmer, A.: Comment from the President, in: GTCC 2001, S. 30-32

Form 1979

Form, W.: Comparative industrial sociology and the convergence hypothesis, in: Anual Review of Sociology 5, 1979, S. 1-25

Foucault 1977a

Foucault, M.: Überwachen und Strafen - Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt/Main 1977, 1. Aufl. (Suhrkamp)

Foucault 1977b

Foucault, M.: Der Wille zum Wissen - Sexualität und Wahrheit I, Frankfurt/Main 1977, 1. Aufl. (Suhrkamp)

Frost et al. 1991

Frost, P.; et al. (Hg.): Reframing organizational culture, Newbury Park 1991 (Sage)

Fung 1995

Fung, R. J.: Organizational strategies for cross-cultural cooperation, Delft 1995 (Eburon)

Galtung 1985

Galtung, J.: Struktur, Kultur und intellektueller Stil - Ein vergleichender Essay über sachsonische, teutonische, gallische und nipponische Wissenschaft, in: Wierlacher 1985, S. 151-193

Gardner 1962

Gardner, G. H.: Cross-cultural communication, in: Journal of Social Psychology 58, 1962, S. 241-256

Garz/Kraimer 1991

Garz, D.; Kraimer, K. (Hg.): Qualitativ-empirische Sozialforschung, Opladen 1991 (Westdeutscher Verlag)

Geertz 1996

Geertz, C.: Welt in Stücken - Kultur und Politik am Ende des 20. Jahrhunderts, Wien 1996 (Passagen)

Geertz 1999

Geertz, C.: Dichte Beschreibung - Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt 1999, 6. Aufl. (Suhrkamp)

Girling 1981

Girling, J. L.: Thailand - Society and Politics, Ithaca 1981 (Cornell University)

Glaser 1978

Glaser, B. G.: Theoretical Sensitivity, Mill Valley 1978 (University of California)

Glaser 1992

Glaser, B.G.: Basics of Grounded Theory Analysis - Emergence vs. Forcing, Mill Valley 1992 (Sociology Press)

Glaser 1998

Glaser, B.G.: Doing Grounded Theory - Issues and Discussions, Mill Valley 1998 (Sociology Press)

Glaser/Strauss 1967

Glaser, B.; Strauss, A. L.: The discovery of grounded theory - Strategies of qualitative research, London 1967 (Wiedenfeld and Nicholson)

Glaser/Strauss 1979

Glaser, B.; Strauss, A. L.: Die Entdeckung gegenstandsbegründeter Theorie: Eine Grundstrategie qualitativer Forschung, in: Hopf/Weingarten 1979, S. 91-112

Glasl 1990

Glasl, F.: Konfliktmanagement - Ein Handbuch zur Diagnose und Behandlung von Konflikten für Organisationen und ihre Berater, Bern, Stuttgart, 1990, 2. Aufl. (Haupt)

Goffman 1959

Goffman, E.: The presentation of self in everyday life, New York 1959 (Doubleday)

GTCC 2001

German-Thai Chamber of Commerce (Hg.): Handbook & Directory 2001/2002, Bangkok 2001 (GTCC)

333

Anhang

Gumbrecht/Pfeiffer 1986

Gumbrecht, H. U.; Pfeiffer, K. L. (Hg.): Stil - Geschichten und Funktionen eines kulturwissenschaftlichen Diskurselements, Frankfurt/Main 1986, 1. Aufl. (Suhrkamp)

Günthner 1993

Günthner, S.: Pi Lao Zheng ("Müdigkeit im Kampf") - Zur Begegnung deutscher und chinesischer Gesprächsstile, in: Müller 1993, S. 297-324

Habermas 1981

Habermas, J.: Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt/Main 1981, 2 Bde. (Suhrkamp)

Haferkamp 1990

Haferkamp, H. (Hg.): Sozialstruktur und Kultur, Frankfurt/Main 1990, 1. Aufl. (Suhrkamp)

Hall 1972

Hall, R. H.: Organizations - Structure and process, Englewood Cliff 1972 (Prentice Hall)

Hall 1989a

Hall, E. T.: Beyond Culture, New York/London/Toronto/Sydney/Auckland 1989 (Anchor Books Editions)

Hall 1989b

Hall, E. T.: The Dance of Life, New York/London/Toronto/Sydney/Auckland 1989 (Anchor Books Editions)

Hall 1990a

Hall, E. T.: The Silent Language, New York/London/Toronto/Sydney/Auckland 1990 (Anchor Books Editions)

Hall 1990b

Hall, E. T.: The Hidden Dimension, New York/London/Toronto/Sydney/Auckland 1990 (Anchor Books Editions)

Haller et al. 1993

Haller, M. et al. (Hg.): Globalisierung der Wirtschaft - Einwirkungen auf die Betriebswirtschaftslehre, Bern/Stuttgart/Wien 1993 (Haupt)

Hampden-Turner/ Trompenaars 1993

Hampden-Turner, C.; Trompenaars, F.: The seven cultures of capitalism - Value systems for creating wealth in the United States, Britain, Japan, Germany, France, Sweden and the Netherlands, New York 1993, 1. Aufl. (Doubleday)

Handy 1978

Handy, Ch. B.: Zur Entwicklung der Organisationskultur einer Unternehmung durch Management-Developmentmethoden, in: Zeitschrift für Organisation (ZfO) 47, 1978, Heft 7, S. 404-410

Hansen 2000

Hansen, K.: Kultur und Kulturwissenschaft, Paderborn 2000, 2. Aufl. (UTB)

Harris 1991

Harris, M.: Menschen - Wie wir wurden, was wir sind, Stuttgart 1991, 2. Aufl. (KlettCotta)

Hasenkamp/Lee 1997

Hasenkamp, N.; Lee, A.: Das deutsche Rätsel - Lösbar?, in: Hofstede 1997, S. 345-356

Hasenstab 1999

Hasenstab, M.: Interkulturelles Management, Sternenfels/Berlin 1999 (Wissenschaft & Praxis)

Hastorf/Isen 1982

Hastorf, A.; Isen, A. (Hg.): Cognitive social psychology, London 1982 (Routledge)

Heenan 1970

Heenan, D. A.: The corporate expatriate - Assignment to ambiguity, in: Columbia Journal of World Business 5, 1974, S. 49-54

Heenan/Perlmutter 1979

Heenan, D. A.; Perlmutter, H. V.: Management in the industrial world, New York 1979 (McGraw-Hill)

Helferich 1998

Helferich, C.: Geschichte der Philosophie - Von den Anfängen bis zur Gegenwart und Östliches Denken, München 1998 (dtv)

334

Anhang

Hermanns/Zhao 1996

Hermanns, F.; Zhao, M.: "Arbeit" in China und in Deutschland - Ein Begriffsvergleich als Beitrag zum Programm der interkulturellen Linguistik, in: Wierlacher/Stötzel 1996, S. 413436

Hernes 1997

Hernes, H.: Cross-cutting identifications in organizations, in: Sackmann 1997, S. 343-366

Hilb 1991

Hilb, M.: Entwicklungsphasen des multikulturellen Personalmanagements, in: Marr 1991, S. 111-120

Hinterhuber 1992

Hinterhuber, H. H.: Strategische Unternehmensführung II - Strategisches Handeln: Direktiven, Organisation, Umsetzung, Unternehmungskultur, strategisches Controlling, strategische Führungskompetenz, Berlin/New York 1992, 5. neub. Aufl. (de Gruyter)

Hoffmann/Hochapfel 1995

Hoffmann, S. O.; Hochapfel, G.: Neurosenlehre, psychotherapeutische und psychosomatische Medizin, Stuttgart/New York 1995, 5. Aufl. (Schattauer)

Hofstede 1984

Hofstede, G.: Culture's Consequences - International differences in Work-Related Values, Newbury Park 1984, Abriged Edition (Sage Publications)

Hofstede 1993

Hofstede, G.: Interkulturelle Zusammenarbeit - Kulturen, Organisationen, Management, Wiesbaden 1993 (Gabler)

Hofstede 1997

Hofstede, G.: Lokales Denken, globales Handeln - Kulturen, Zusammanarbeit und Management, München 1997, Akt. Ausgabe der dt. Übersetzung (dtv)

Hofstede/Neuijen/ Ohayv/Sanders 1990

Hofstede, G.; Neuijen, B.; Ohayv, D. D.; Sanders, G.: Measuring organizational cultures, in: Administrative Science Quarterly 35, 1990, S. 286-316

Hogg/Abrams 1988

Hogg, M. A.; Abrams, D.: Social identifications - A social psychology of intergroup relations and group processes, London 1988 (Routledge)

Höhne 2001

Höhne, S.: Deutschlandbilder - Amerikabilder - Stereotypisierung und Vorurteilsbildung aus interkultureller Perspektive, in: Bolten/Schröter 2001, S. 246-260

Hohnholz 1980

Hohnholz, J. H. (Hg.): Thailand - Geographie, Geschichte, Kultur, Religion, Staat, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Tübingen 1980 (Erdmann)

Holmes/ Tangtongtavy 1995

Holmes, H.; Tangtongtavy, S.: Working with the Thais - A guide to managing in Thailand, Bangkok 1995, 2. Aufl. (White Lotus)

Holzmüller 1995

Holzmüller, H. H.: Konzeptionelle und methodische Probleme in der interkulturellen Management- und Marketingforschung, Stuttgart 1995 (Poeschel)

Holzmüller 1997

Holzmüller, H. H.: Kulturstandards - ein operationales Konzept zur Entwicklung kultursensitiven Managements, in: Engelhard 1997 (Gabler), S. 55-74

Hoopes 1979

Hoopes, D. S.: Intercultural communication concepts and the psychology of intercultural experience, in: Pusch 1979, S. 10-38

Hoopes/Pedersen/ Renwick 1977

Hoopes, D. S.; Pedersen, P. B.; Renwick, G. W. (Hg.): Overview of intercultural education, training, and research, Washington 1977, Bd. 1 (SIETAR)

Hopf/Weingarten 1979

Hopf, C.; Weingarten, E. (Hg.): Qualitative Sozialforschung, Stuttgart 1979 (Klett-Cotta)

Jablin/Putnam/ Roberts/Porter 1987

Jablin, F. M.; Putnam, L. L.; Roberts, K. H.; Porter, L. W. (Hg.): Handbook of Organizational Communication, Newbury Park 1987 (Sage)

335

Anhang

Jamieson 1980

Jamieson, I.: Capitalism and culture - A comparative analysis of British and American manufacturing organisations, Farnborough 1980 (Gower)

Jüttermann 1985

Jüttermann, G. (Hg.): Qualitative Forschung in der Psychologie, Weinheim 1985 (Beltz)

Kasper 1987

Kasper, H.: Organisationskultur - Über den Stand der Forschung, Wien 1987 (Service)

Keesing 1974

Keesing, R. M.: Theories of culture, in: Annual Review of Anthropology 3, 1974, S. 73-97

Keller 1984

Keller, M.: Rechtfertigungen - Zur Entwicklung praktischer Erklärungen, in: v. Edelstein/Habermas 1984, S. 253-299

Kern 1990

Kern, H.: Analyse von Unternehmenskulturen - Eine empirische Studie, Frankfurt/Main 1990 (Peter Lang)

Kets de Vries/Miller 1986

Kets de Vries, M.; Miller, D.: Personality, Culture and Organization, in: Academy of Management Review 2, 1986, Heft 11, S. 266-279

Keyes 1989

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Kidd/Li/Richter 2001

Kidd, J. B.; Li, X.; Richter, F.-J.: Advances in Human Resource Management in Asia, New York 2001 (Palgrave)

Kidd/Li/Richter 2001a

Kidd, J. B.; Li, X.; Richter, F.-J.: Affirmation of the Central Role of Human Resource Management in Asia, in: Kidd/Li/Richter 2001, S. 1-24

Kiechl 1990

Kiechl, R.: Ethnokultur und Unternehmungskultur, in: Lattmann 1990, S. 107-130

Kiechl 1990a

Kiechl, R.: Wirksam Konflikte lösen, in: io Management Zeitschrift 59, 1990, Nr. 7/8, S. 47-50

Kieser 1984

Kieser, A.: Welchen Einfluß hat die Kultur auf Organisation und Führung, in: Pullig/Schäkel/Scholz 1984, S. 25-51

Kilmann 1985

Kilmann, R.: Beyond the quick fix - Managing five tracks to organizational success, San Francisco 1985 (Jossey-Bass)

Kim 1986

Kim, Y. Y.: Cross-cultural adaptation - A critical assessment of the field (presented to the Annual Conference of the Speech Communication Association, Chicago), 1986, zitiert nach: Cui/Awa 1992

Kim/Gudykunst 1987

Kim, Y. Y.; Gudykunst, W. B. (Hg.): Cross-cultural adaptation - Current approaches, Newbury Park 1987 (Sage)

Kirkbridge/Tang/ Westwood 1991

Kirkbridge, P. S.; Tang, S. F. Y.; Westwood, R. I.: Chinese conflict preferences and negotiating behavior - Cultural and psychological influences, in: Organization Studies 12, 1991, Nr. 3, S. 365-386

Klages 1984

Klages, H.: Wertorientierungen im Wandel - Rückblick, Gegenwartsanalyse, Prognosen, Frankfurt/Main, New York 1984 (Campus)

Klausner 1983

Klausner, W. J.: Reflections on Thai culture - Collected writings, Bangkok 1983 (Siam)

Klausner 2000

Klausner, W. J.: Thai Culture in Transition, Bangkok 2000, 3. Aufl. (Amarin)

336

Anhang

Klein 1977

Klein, M. H.: Adaptation to new cultural environments, in: Hoopes/Pedersen/Renwick 1977, S. 49-55

Kleinpaul 1888

Kleinpaul, R.: Sprache ohne Worte - Ideen einer allgemeinen Wissenschaft der Sprache, Leipzig 1888 (Friedrich)

Kluckhohn 1949

Kluckhohn, C.: Mirror for Man - The relation of anthropology to modern life, New York 1949, 5. Aufl. (Whittlesey House)

Kluckhohn 1962

Kluckhohn, C.: Universal categories of culture, in: Tax 1962, S.317-318

Knapp 1999

Knapp, K.: Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit als Qualifikationsmerkmal in der Wirtschaft, in: Bolten 1999, S. 9-24

Kobi/Wüthrich 1986

Kobi, J.-M.; Wüthrich, H.: Unternehmenskultur verstehen, erfassen und gestalten, Landsberg am Lech 1986 (Moderne Industrie)

Komin 1991

Komin, S.: Psychology of the Thai people - Values and behavior patterns, Bangkok 1991 (National Institute of Development Administration)

Koot 1997

Koot, W. C. J.: Strategic utilization of ethnicity in contemporary organizations, in: Sackmann 1997, S. 315-339

Kopper 1996

Kopper, E.: Multicultural workgroups and project teams, in: Bergemann/Sourisseaux 1996, S. 229-251

Kotter/Heskett 1992

Kotter, J. P.; Heskett, J. L.: Corporate culture and performance, New York 1992, 5. Aufl. (Free Press)

Kreikebaum 1997

Kreikebaum, H.: Strategische Unternehmensplanung, Stuttgart 1997, 6. Aufl. (Kohlhammer)

Krell 1997

Krell, G. (Hg.): Chancengleichheit durch Personalpolitik, Wiesbaden 1997 (Gabler)

Krell/Emmerich 1997

Krell, G.; Emmerich, A.: Managing Diversity-Trainings, in: Krell 1997, S. 329-344

Krohn/Küppers 1992

Krohn, W.; Küppers, G. (Hg.): Emergenz - Die Entstehung von Ordnung, Organisation und Bedeutung, Frankfurt/Main 1992 (Suhrkamp)

Krulis-Randa 1990

Krulis-Randa, J. S.: Unternehmungskultur, in: Lattmann 1990, S. 1-20

Kumar 1987

Kumar, B. N.: Deutsche Unternehmen in den USA - Das Management in amerikanischen Niederlassungen deutscher Mittelbetriebe, Wiesbaden 1987 (Gabler)

Kumar 1988

Kumar, B. N.: Interkulturelle Managementforschung - Ein Überblick über Ansätze und Probleme, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 17, 1988, Nr. 8, S. 389-394

Lammers/Hickson 1979

Lammers, C. J.; Hickson, D. J. (Hg.): Organizations Alike and Unlike, London 1979 (Routledge)

Landis/Brislin 1983

Landis, D.; Brislin, R. W. (Hg.): Handbook of Intercultural Training, New York 1983, 3 Bde. (Pergamon)

Lane/diStefano 2000

Lane, H. W.; diStefano, J. J.: International Management Behavior - From Policy to Practice, Cambridge 2000, 4. Aufl. (Blackwell)

337

Anhang

Lattmann 1990

Lattmann, Ch. (Hg.): Die Unternehmenskultur - Ihre Grundlagen und ihre Bedeutung für die Führung der Unternehmung, Heidelberg 1990 (Physika)

Laurent 1983

Laurent, A.: The cultural diversity of Western conceptions of management, in: International Studies of Management and Organizations 13, 1983, S. 75-96

Leach 1978

Leach, E.: Kultur und Kommunikation - Zur Logik symbolischer Zusammenhänge, Frankfurt/Main 1978 (Suhrkamp)

Levitt 1983

Levitt, R.: The globalization of markets, in: Harvard Business Review 83, 1983, Heft 3, S. 92-102

Liang 1996

Liang, Y.: Höflichkeit - Fremdheitserfahrung und interkulturelle Handlungskompetenz, in: Wierlacher/Stötzel 1996, S. 399-411

Luhmann 1973

Luhmann, N.: Zweckbegriff und Systemrationalität - Über die Funktion von Zwecken in sozialen Systemen, Frankfurt 1973, 1. Aufl. (Suhrkamp)

Luhmann 1984

Luhmann, N.: Soziale Systeme - Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt 1984 (Suhrkamp)

Lyotard 1986

Lyotard, J.-F.: Das postmoderne Wissen - Ein Bericht, Graz, Wien 1986 (Böhlau)

Macharzina/Wolf/ Döbler 1993

Macharzina, K.; Wolf, J.; Döbler, T.: Werthaltungen in den neuen Bundesländern Strategien für das Personalmanagement, Wiesbaden 1993 (Gabler)

Malinowski 1944

Malinowski, B.: A scientific theory of culture and other essays, Chapel Hill 1944 (University of North Carolina Press)

Mansell 1981

Mansell, M.: Transcultural experience and expressive response, in: Communication Education 30, 1981, S. 93-108

March/Olsen 1979

March, J. G.; Olsen, J. P.: Ambiguity and choice in organizations, Bergen 1979, 2. Aufl. (Unversitetsforlaget)

Marcotty/Solbach 1996

Marcotty, A.; Solbach, W.: Organisationsentwicklung in fremden Kulturen, in: Bergemann/Sourisseaux 1996, S. 253-268

Marr 1991

Marr, R. (Hg.): Euro-strategisches Personalmanagement, München 1991, Bd. 1 (Hampp)

Marr 1993

Marr, R.: Betrieb und Umwelt, in: Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, München 1993, Bd. 1 (Vahlen), S. 47-114

Martin 1982

Martin, J.: Stories and scripts in organizational settings, in: Hastorf/Isen 1982 (Routledge), S. 255-305

Martin 1992

Martin, J.: Cultures in Organizations - Three Perspectives, New York 1992 (Oxford University Press)

Martin/Siehl 1983

Martin, J.; Siehl, C.: Organizational culture and counterculture - An uneasy symbiosis, in: Organizational Dynamics 12, 1983, Nr. 2, S. 52-64

Marx/Engels 1969

Marx, K.; Engels, F.: Werke, Berlin 1969, Bd. 3 (Dietz)

Matje 1996

Matje, A.: Unternehmensleitbilder als Führungsinstrument - Komponenten einer erfolgreichen Unternehmensidentität, Wiesbaden 1996 (Gabler)

338

Anhang

Matthes 1991

Matthes, J.: "Das Gesicht wahren" - eine kulturelle Regel im interkuturellen Vergleich, in: Universitas 5, Stuttgart 1991, S. 429-439

Mayring 1993

Mayring, P.: Einführung in die qualitative Sozialforschung - Eine Anleitung zum qualitativen Denken, Weinheim 1993, 2. Aufl. (Physologie-Verl.-Union)

McKelvey/Aldrich 1983

McKelvey, B.; Aldrich, H. E.: Populations, natural selection, and applied organizational science, in: Administrative Science Quarterly 28, 1983, S. 101-128

Meesok et al. 1975

Meesok, A.; et al.: Cultures in Collision: An experience of Thailand, in: Pilowsky, I. (Hg.): Cultures in Collision, Adelaide 1975 (Australian National Association for Mental Health), zitiert nach: Mulder 2000, S. 56

Meissner 1997

Meissner, H. G.: Der Kulturschock in der Betriebswirtschaftslehre, in: Engelhard 1997, S. 1-14

Mendenhall/Dunbar/ Oddou 1987

Mendenhall, M. E.; Dunbar, E.; Oddou, G. R.: Expatriate selection, training, and careerpathing - A review and critique, in: Human Resource Management 26, 1987, S. 331-345

Merkens 1990

Merkens, H.: Organisationsveränderung und Unternehmenskultur, in: Merkens/Schmidt/Dürr 1990, S. 51-72

Merkens o.J.

Merkens, H.: Unternehmenskulturen und Interkulturelles Management, Arbeitstext Nr. 16, o.J., zitiert nach: Deutsch-Französisches Jugendwerk, http://www.dfjw.org/paed/texte2/intmanag2.html

Merkens/Schmidt/ Dürr 1990

Merkens, H.; Schmidt, F.; Dürr, W. (Hg.): Strategie, Unternehmenskultur und Organisationsentwicklung im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Praxis, Baltmannsweiler 1990 (Pädagogischer Verlag Burgbücherei Schneider)

Merten 1977

Merten, K.: Kommunikation - Eine Begriffs- und Prozeßanalyse, Opladen 1977 (Westdeutscher Verlag)

Meuser/Nagel 1991

Meuser, M.; Nagel, U.: ExpertInneninterviews - vielfach erprobt, wenig bedacht - Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion, in: Garz/Kraimer 1991, S. 441-468

Meyerson 1991

Meyerson, D.: "Normal" ambiguity? - A glimpse of an occupational culture, in: Frost, P. et al. 1991, S. 131-144

Miller 1991

Miller, G. (Hg.): Studies in organizational sociology, Greenwich 1991 (JAI Press)

Miller 1997

Miller, M.: BrainStyles - Change your life without changing who you are, New York 1997 (Simon & Schuster)

Mills 1988

Mills, A.: Organization, gender and culture, in: Organization studies 9, 1988, S. 351-370

Mintzberg 1979

Mintzberg, H.: An emerging strategy of "direct" research, in: Administrative Science Quarterly 24, 1979, S. 580-589

Mog 1996

Mog, P.: Kulturkategorien des Alltags - Entwickelt am deutsch-amerikanischen Vergleich, in: Wierlacher/Stötzel 1996, S. 585-591

Mog/Althaus 1993

Mog, P.; Althaus, H. J. (Hg.): Die Deutschen in ihrer Welt - Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde, Berlin 1993, 2. Aufl. (Langenscheidt)

339

Anhang

Moosmüller 1997

Moosmüller, A.: Kulturen in Interaktion - Deutsche und US-amerikanische Firmenentsandte in Japan (Münchener Beiträge zur Interkulturellen Kommunikation, Bd. 4), Münster/New York/München/Berlin 1997 (Waxmann)

Moran/Riesenberger 1994

Moran, R. T.; Riesenberger, J. R.: The global challenge - Building the worldwide enterprise, London 1994 (McGraw-Hill)

Morgan 1980

Morgan, G.: Paradigms, metaphors, and puzzle solving in organization theory, in: Administrative Science Quarterly 25, 1980, S. 605-622

Morgan 1986

Morgan, G.: Images of organization, Beverly Hills, London 1986 (Sage)

Morosini 2001a

Morosini, P.: Managing cross-cultural M&As - Today's organizational imperative is how to win in execution (1. Teil), in: M&A 10, 2001, S. 456-462

Morosini 2001b

Morosini, P.: Managing cross-cultural M&As - Today's organizational imperative is how to win in execution (2. Teil), in: M&A 11, 2001, S. 521-525

Mulder 1979

Mulder, N.: Everyday life in Thailand - An Interpretation, Bangkok 1979 (Duang Kamol)

Mulder 1981

Mulder, N.: Individual and society in contemporary Thailand and Java, Bielefeld 1981 (Working paper)

Mulder 1990

Mulder, N.: Inside Thai society - An interpretation of everyday life, Bangkok 1990 (White Lotus)

Mulder 1997

Mulder, N.: Thai images - The culture of the public world, Chiang Mai 1997 (Silkworm Books)

Mulder 2000

Mulder, N.: Inside Thai society - Religion, Everyday Life, Change, Chiang Mai 2000 (Silkworm Books)

Müller 1993a

Müller, B.-D. (Hg.): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation, München 1993, 2. Aufl. (Iudicium)

Müller 1993b

Müller, B.-D.: Die Bedeutung der interkulturellen Kommunikation für die Wirtschaft, in: Müller 1993, S. 27-52

Müller 2001

Müller, W.: Message from Germany, in: GTCC 2001, S. 11

Münch 1990

Münch, R.: Code, Struktur und Handeln - Soziale Milieus der Wissensproduktion, in: Haferkamp 1990, S. 54-94

Negandhi 1979

Negandhi, A. R.: Convergence in organizational practices: An empirical study of industrial enterprise in developing countries, in: Lammers/Hickson 1979, S. 323-345

Neuberger 1985

Neuberger, O.: Unternehmenskultur und Führung, Augsburg 1985 (Univ.)

Neuberger/Kompa 1986

Neuberger, O.; Kompa, A.: Serie Firmenkultur (1. Das Gesicht der Firma, 2. Mit Zauberformeln die Leistung steigern, 3. Die Neurosen des Chefs, 4. Macher, Gärtner, Krisenmanager), in: Psychologie heute - Juni, Juli, August, September, 1986

Niratpattanasai 2000

Niratpattanasai, K.: Bridging the Gap (Artikelserie), in: Bangkok Times, Bangkok 2000

Niratpattanasai 2000a

Niratpattanasai, K.: The 'easy life' meets 'planning', in: Bangkok Times: Bridging the Gap (Artikelserie), Bangkok 29.12.2000

340

Anhang

Niratpattanasai 2001

Niratpattanasai, K.: Bridging the Gap (Artikelserie), in: Bangkok Times, Bangkok 2001

Niratpattanasai 2001a

Niratpattanasai, K.: 'Hai kiat' and how to deploy it wisely, in: Bangkok Times: Bridging the Gap (Artikelserie), Bangkok 27.04.2001

Oksaar 1993

Oksaar, E.: Problematik im interkulturellen Verstehen, in: Müller 1993, S. 13-26

Ouchi 1981

Ouchi, W. G.: Theory Z - How American Business can meet the Japanese Challenge, London 1981 (Addison-Wesley)

Pateau 1996

Pateau, J.: Managementkulturen im deutsch-französischen Vergleich - Zur praktischen Bedeutung historischen Wissens, in: Wierlacher/Stötzel 1996, S. 607-616

Pennings/Gresov 1986

Pennings, J. M.; Gresov, C. G.: Technoeconomic and structural correlates of organizational culture, in: Organization Studies 7, 1986, S. 317-334

Peters/Waterman 1982

Peters, Th. J.; Waterman, R. W.: In Search of Excellence - Lessons from America's BestRun Companies, 1982 (Harper & Row)

Pettigrew 1979

Pettigrew, A. M.: On studying organizational cultures, in: Administrative Science Quarterly 24, 1979, S. 570-581

Phillips 1966

Phillips, H. P.: Thai Peasant Personality - The Patterning of Interpersonal Behavior in the Villlage of Bang Chan, Berkeley 1966 (University of California)

Phillips 1984

Phillips, M. E.: A conception of culture in organizational settings (Working Paper No. 884), Los Angeles 1984 (University of California)

Pondy/Frost/Morgan/ Dandridge 1983

Pondy, L. R.; Frost, P. J.; Morgan, G.; Dandridge, Th. C. (Hg.): Organizational Symbolism, Greenwich 1983 (JAI Press)

Pullig/Schäkel/Scholz 1984

Pullig, K.; Schäkel, U.; Scholz, J. (Hg.): Erfolgskonzepte der Führung - Fallstudien aus Deutschland, Japan und den USA, Hamburg 1984 (Windmühle)

Pümpin 1984

Pümpin, C.: Unternehmenskultur, Unternehmensstrategie und Unternehmenserfolg, in: GDI Impuls, Bern 1984, Nr. 2 (Gottlieb Duttweiler Institut), S. 19-30

Pümpin/Kobi/ Wüthrich 1985

Pümpin, C.; Kobi, J.-M.; Wüthrich, H.: Unternehmenskultur, in: Die Orientierung Schriftenreihe der Schweizerischen Volksbank, Bern 1985, Nr. 85

Pusch 1979

Pusch, M. D. (Hg.): Multicultural education - A cross cultural training approach, La Grange Park 1997 (Intercultural Networks)

Quinn/Cameron 1988

Quinn, R.; Cameron, K. (Hg.): Paradox and transformation - Toward a theory of change in organization and management, Cambridge, MA 1988 (Ballinger)

Rabibhadana 1996

Rabibhadana, A.: The organization of Thai society in the early Bangkok Period, 17821873, Bangkok 1996 (Amarin)

Randlesome 1994

Randlesome, C.: The business culture in Germany, Oxford 1994 (ButterworthHeinemann)

Rathje/Suchy 1996

Rathje, S.; Suchy, M.: Öko-Kommunikation im Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie, Berlin 1996 (Diplomarbeit HdK Berlin)

Reineke 1989

Reineke, R. D.: Akkulturation von Auslandsakquisitionen: Eine Untersuchung zur unternehmenskulturellen Anpassung, Wiesbaden 1989 (Gabler)

341

Anhang

Reynolds 1986

Reynolds, P. D.: Organizational culture as related to industry, position and performance, in: Journal of Management Studies 23, 1986, S. 333-345

Reynolds 1987

Reynolds, C. J.: Thai Radical Discourse - The Real Face of Thai Feudalism Today, Ithaca 1987 (Cornell Southeast Asia Program)

Riley 1983

Riley, P.: A structuralist account of political cultures, in: Administrative Science Quarterly 28, 1983, S. 414-437

Ronen 1986

Ronen, S.: Comparative and multinational management, New York 1986 (Wiley)

Rüttinger 1986

Rüttinger, R.: Unternehmenskultur: Erfolge durch Vision und Wandel, Düsseldorf/Wien 1986, 1. Aufl. (Econ) Sackmann, S.: Organisationskultur - Die unsichtbare Einflußgröße, in: Gruppendynamik 14, 1983, Heft 4, S. 393-406

Sackmann 1983

Sackmann 1991

Sackmann, S. A.: Cultural Knowlegde in Organizations - Exploring the collective mind, Newbury Park 1991 (Sage)

Sackmann 1997

Sackmann, S. A. (Hg.): Cultural Complexity in Organizations - Inherent Contrasts and Contradictions, Thousand Oaks, London, New Delhi 1997 (Sage)

Sanders 1860

Sanders, D.: Wörterbuch der Deutschen Sprache, Leipzig 1860, Band 1, Neudruck Hildesheim 1969 (Olms)

Sarbin/Scheibe 1983

Sarbin, T. R.; Scheibe, K. E. (Hg.): Studies in social identity, New York 1983 (Praeger)

Schall 1981

Schall, M. S.: An exploration into a successful corporation's saga-vision and its rhetorical community, 1981 (Konferenzpapier, SCA Conference on Interpretive Approaches to Organizational communication, Juli 1981)

Schall 1983

Schall, M.: A communication rules approach to organizational culture, in: Administrative Science Quarterly 28, 1983, S. 557-581

Schein 1984

Schein, E. H.: Coming to a new awareness of organizational culture, in: Sloan Management Review, Winter, 1984, S. 3-16

Schein 1984a

Schein, E.: Soll und kann man eine Organisations-Kultur verändern?, in: GDI Impuls 2, 1984, S. 31-43

Schein 1985

Schein, E. H.: Organizational culture and leadership, San Francisco 1985 (Jossey-Bass)

Schein 1991

Schein, E. H.: What is culture?, in: Frost, P. et al. (Hg.): Reframing organizational culture, Newbury Park 1991 (Sage), S. 243-253

Schein 1995

Schein, E. H.: Unternehmenskultur - Ein Handbuch für Führungskräfte, Frankfurt/New York 1995 (Campus)

Schönberg 1980

Schönberg, K.: Sozialer Wandel und Bevölkerungsentwicklung, in: Hohnholz 1980, S. 349367

Schreyögg 1991

Schreyögg, G.: Die internationale Unternehmung im Spannungsfeld von Landeskultur und Unternehmenskultur, in: Zeitschrift für Personalforschung, Sonderheft: Eurostrategisches Personalmanagement, 1991, S. 17-42

Schreyögg 1993

Schreyögg, G.: Unternehmenskultur zwischen Globalisierung und Regionalisierung, in: Haller 1993, S. 149-170

342

Anhang

Schreyögg 2000

Schreyögg, G.: Organisation - Grundlagen moderner Organisationsgestaltung, Wiesbaden 2000, 3. Aufl. (Gabler)

Schröder/Steger 1981

Schröder, P.; Steger, H. (Hg.): Dialogforschung, Düsseldorf 1981, 1. Aufl. (Schwann)

Schuppert/Papmehl/ Walsh

Schuppert, D.; Papmehl, A.; Walsh, I. (Hg.): Interkulturelles Management - Abschied von der Provinzialität, Wiesbaden 1994 (Gabler)

Sewell/Davidsen 1956

Sewell, W.; Davidsen, O.: The adjustment of Scandinavian students, in: Journal of social issues 12, 1956, S. 9-19

Slagter/Kerbo 2000

Slagter, R.; Kerbo, H. R.: Modern Thailand, Boston 2000 (McGraw-Hill)

Smircich 1983

Smircich, L.: Concepts of culture and organizational analysis, in: Administrative Science Quarterly 28, 1983, S. 339-358

Smircich/Calas 1987

Smircich, L.; Calas, M. B.: Organizational Culture: A Critial Assessment, in: Jablin/Putnam/Roberts/Porter 1987, S. 228-263

Soeffner 1986

Soeffner, H.-G.: Stil und Stilisierung, in: Gumbrecht/Pfeiffer 1986, S. 317-341

Sorge 1983

Sorge, A.: Cultural orientation, in: International Studies of Management and Organization 12, 1983, S. 106-138

Sourisseaux 1994

Sourisseaux 1994, A. L. J.: Organisationskultur - Zur facettentheoretischen Konzeptualisierung eines organisationspsychologischen Konstruktes, Frankfurt a. M. 1994 (Peter Lang)

Stahl 1998

Stahl, G.: Internationaler Einsatz von Führungskräften, München/Wien 1998 (Oldenbourg)

Steward 1955

Steward, J.: Theory of culture change, Urbana 1955 (University of Illinois Press)

Stoffers 1995

Stoffers, A.: Im Landes des weißen Elefanten - Die Beziehungen zwischen Deutschland und Thailand von den Anfängen bis 1962, Bonn 1995 (Deutsch-Thailändische Gesellschaft)

Strauss 1994

Strauss, A. L.: Grundlagen qualitativer Sozialforschung, München 1994 (Fink)

Strauss/Corbin 1990

Strauss, A. L.; Corbin, J.: Grounded Theory - Grundlagen Qualitativer Sozialforschung, Weinheim 1990 (Beltz)

Strauss/Corbin 1997

Strauss, A.; Corbin, J. (Hg.): Grounded Theory in Practice, Thousand Oaks 1997 (Sage)

Stüdlein 1997

Stüdlein, Y.: Management von Kulturunterschieden - Phasenkonzept für internationale strategische Allianzen, Wiesbaden 1997 (Gabler)

Suvanajata 1976

Suvanajata, T.: Is Thai social system loosely structured?, in: Social Science Review 1, 1976, Nr. 1, S. 171-187

Synn 1996

Synn, I.: Das tragfähige Zwischen - Über den koreanischen Blickwinkel auf Deutsches im Zeitalter der Internationalisierung: Deutschland auf dem Weg zur menschlichen Rationalität?, in: Wierlacher/Stötzel 1996, S. 101-113

Tajfel 1982

Tajfel, H.: Gruppenkonflikt und Vorurteil - Entstehung und Funktion sozialer Stereotype, Bern 1982 (Huber)

343

Anhang

Tax 1962

Tax, S. (Hg.): Anthropology today, Chicago 1962 (University of Chicago Press)

Thomas 1976

Thomas, K. W.: Conflict and conflict management, in: Dunette 1976, S. 889-935

Thomas 1996

Thomas, A.: Psychologie interkulturellen Handelns, Göttingen 1996 (Hogrefe)

Thomas 1997

Thomas, A.: Psychologische Bedingungen und Wirkungen internationalen Managements Analysiert am Beispiel deutsch-chinesischer Zusammenarbeit, in: Engelhard 1997, S. 111134

Thum 1985

Thum, B. (Hg.): Gegenwart als kulturelles Erbe - Ein Beitrag der Germanistik zur Kulturwissenschaft deutschsprachiger Länder, München 1985 (Iudicium)

Tiedemann 1993

Tiedemann, J.: Wirtschaftsdeutsch und interkulturelles Lernen am Beispiel Thailand, in: Müller 1993, S. 123-144

Trice 1993

Trice, H.: Occupational subcultures in the workplace, Ithaca 1993 (ILR Press)

Trice/Beyer 1984

Trice, H.; Beyer, J.: Studying organizational cultures through rites and ceremonials, in: Academy of Management Review 9, 1984, S. 653-669

Trice/Morand 1991

Trice, H.; Morand, D.: Organizational subcultures and countercultures, in: Miller 1991 (JAI Press)

Trömel-Plötz 1996

Trömel-Plötz, S.: Frauengespräche: Sprache der Verständigung, Frankfurt a. M. 1996 (Fischer)

Trompenaars 1993

Trompenaars, F.: Handbuch Globales Managen, Wien/New York/Moskau 1993 (ECON)

Tunstall 1983

Tunstall, W. B.: Cultural transition at AT&T, in: Sloan Management Review, Fall, 1983, S. 15-26

Turner 1989

Turner, B. A. (Hg.): Organizational symbolism, Berlin/New York 1989 (De Gruyter)

Turner et al. 1987

Turner, J. C.; Hogg, M. A.; Oakes, P. J.; Reicher, S. D.; Wetherell, M. S.: Rediscovering the social group - A self categorization theory, Oxford 1987 (Basil Blackwell)

Tylor 1871

Tylor, E. B.: Primitive culture - Researches into the development of mythology, philosophy, religion, language, art and custom, London 1871, 2 Bd. (J. Murray)

Uhde o. J.

Uhde Thailand Ltd.: His Majesty King Chulalongkorn on his First Trip to Germany in September 1897, Bangkok o.J., Unternehmensintern produzierte Werbebroschüre

v. Edelstein/ Habermas 1984

v. Edelstein, W.; Habermas, J. (Hg.): Soziale Interaktion und soziales Verstehen Beiträge zur Entwicklung der Interaktionskompetenz, Frankfurt/Main 1984, 1. Aufl. (Suhrkamp)

v. Helmolt 1997

v. Helmolt, K.: Kommunikation in internationalen Arbeitsgruppen - Eine Fallstudie über divergierende Konventionen der Modalitätskonstituierung, München 1997 (Iudicium)

v. Keller 1981

v. Keller, E.: Management in fremden Kulturen - Ziele, Ergebnisse und methodische Probleme der kulturvergleichenden Managementforschung, Bern/Stuttgart 1981 (Haupt)

v. Rosenstiel et al. 1983

v. Rosenstiel, L.; Falkenberg, T.; Hehn, W.; Henschel, E.; Warns, I.: Betriebsklima heute, Ludwigshafen 1983, 2. Aufl. (Kiehl)

344

Anhang

Wacker/Haussmann/ Kumar 1981

Wacker, W. H.; Haussmann, H.; Kumar, B. (Hg.): Internationale Unternehmensführung Managementprobleme international tätiger Unternehmen, Berlin 1981 (Schmidt)

Wägenbaur 2002

Wägenbaur, T.: Emergenz - Der Sprung von der Evolutions- in die Kommunikationstheorie und Ästhetik, 2002, zitiert nach: http://parapluie.de/archiv/sprung/emergenz/index.html

Watson 1992

Watson, A.: The Germans - Who are they now?, London 1992 (Methuen)

Watzlawick 1990

Watzlawick, P.; Beavin, J. H.; Jackson, D. D.: Menschliche Kommunikation - Formen, Störungen, Paradoxien, Bern 1990, 8. Aufl. (Huber)

Weggel 1989

Weggel, O.: Die Asiaten, München 1989 (Beck)

Weick 1977

Weick, K. E.: Organization design: Organizations as self-designing systems, in: Organizational Dynamics 6, 1977, Nr. 2, S. 31-46

Welge 1980

Welge, M. K.: Management in deutschen multinationalen Unternehmungen - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, Stuttgart 1980 (Poeschel)

Welge 1982

Welge, M. K.: Entscheidungsprozesse in komplexen, international-tätigen Unternehmungen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 52, 1982, S. 810-833

Welsch 1991

Welsch, W.: Unsere postmoderne Moderne, Weinheim 1991, 3. Aufl. (Acta Humaniora)

Westerlund/Sjöstrand 1981

Westerlund, G.; Sjöstrand, S.-E.: Organisationsmythen, Stuttgart 1981 (Klett-Cotta)

White 1959

White, L. A.: The concept of culture, in: Amercian Anthropologist 61, 1959, S. 227-251

Wichiencharoen 1976

Wichiencharoen, A.: Social Values in Thailand, in: Social Science Review 1, 1976, Nr. 1, S. 122-170

Wierlacher 1985

Wierlacher, A. (Hg.): Das Fremde und das Eigene - Prolegomena zu einer interkulturellen Germanistik, München 1985 (Iudicium)

Wierlacher/Stötzel 1996

Wierlacher, A.; Stötzel, G. (Hg.): Blickwinkel - Kulturelle Optik und interkulturelle Gegenstandskonstitution, München 1996 (Iudicium)

Wilkins 1984

Wilkins, A. L.: The creation of company cultures: The role of stories and human resource systems, in: Human Resource Management 23, 1984, S. 41-60

Wischmann 1999

Wischmann, M.: Angewandte Ethnologie und Unternehmen - Die praxisorientierte ethnologische Forschung zu Unternehmenskulturen, Hamburg 1999 (Lit)

Witzel 1985

Witzel, A.: Das problemzentrierte Interview, in: Jüttermann 1985, S. 227-255

Wunderer/Klimecki 1990

Wunderer, R.; Klimecki, R.: Führungsleitbilder - Grundsätze für Führung und Zusammenarbeit in deutschen Unternehmen, Stuttgart 1990 (Poeschel)

Wuthnow/Hunter/ Bergesen/Kurzweil 1984

Wuthnow, R.; Hunter, J.; Bergesen, A.; Kurzweil, E.: Cultural Analysis, Boston 1984 (Routledge & Kegan Paul)

Wyatt 1984

Wyatt, D. K.: Thailand - A short history, New Haven 1984 (Yale University)

345

Anhang

Ybema 1997

Ybema, S. B.: Telling Tales - Contrasts and Commonalities within the organization of an amusement park - Confronting and combining different perspectives, in: Sackmann 1997, S. 160-186

Yin 1994

Yin, R. K.: Case Study Research - Design and Methods, Thousand Oaks/London/New Delhi 1994, 2. Aufl. (Sage)

Yoshikawa 1987

Yoshikawa, M. J.: Cross-cultural adaptation and perceptual development, in: Kim/Gudykunst 1987, S. 140-148

Zaharna 1989

Zaharna, R. S.: Self-shock - The double-binding challenge of identity, in: International journal of intercultural relations 13, 1989, S. 501-522

Zeidenitz/Barkow 2000

Zeidenitz, S.; Barkow, B.: The Xenophobe's Guide to the Germans, London 2000, 3. Aufl. (Oval)

Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation Band 1 Jürgen Bolten (Hrsg.): Cross Culture − Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft, 2., überarb. Aufl. 1999 Band 2 Jürgen Bolten, Marion Dathe (Hrsg.): Transformation und Integration. Aktuelle Probleme und Perspektiven west-/osteuropäischer Wirtschaftsbeziehungen, 1995 Band 3 Jürgen Bolten, Marion Dathe, Susanne Kirchmeyer, Klaus Klott, Peter Witchalls, Sabine Ziebell-Drabo: Lehrwerke und Lehrmaterialien für die Wirtschaftsfremdsprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch, 1995 Band 4 Christoph I. Barmeyer, Jürgen Bolten (Hrsg.): Interkulturelle Personalorganisation, 1998 Band 5 Michael Hasenstab: Interkulturelles Management. Bestandsaufnahme und Perspektiven, 1999 Band 6 Jürgen Bolten, Daniela Schröter (Hrsg.): Im Netzwerk interkulturellen Handelns: Theoretische und praktische Perspektiven der interkulturellen Kommunikationsforschung, 2002 Band 7 Jochen Strähle (Hrsg.): Interkulturelle Mergers & Acquisitions. Eine interdisziplinäre Perspektive, 2003 Band 8 Stefanie Rathje: Unternehmenskultur als Interkultur. Entwicklung und Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur am Beispiel deutscher Unternehmen in Thailand, 2004