Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz [3. Aufl.] 9783814557236

This book offers a transparent presentation of the advantages and drawbacks of selling a company in crisis or after the

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Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz [3. Aufl.]
 9783814557236

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Denkhaus/Ziegenhagen Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz

RWS-Skript 351

Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz 3., neu bearbeitete Auflage 2016

von Rechtsanwalt, FAInsR Stefan Denkhaus, Hamburg Rechtsanwalt, WP, StB Andreas Ziegenhagen, Frankfurt/Berlin

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

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Vorwort In Krisensituationen ist der Unternehmenskauf zunehmend eine von den beteiligten Stakeholdern präferierte Strategie zur Umsetzung der erforderlichen, den Unternehmenserhalt sichernden Sanierung. Dabei unterscheiden sich der Unternehmenskauf in der Krise und der Unternehmenskauf nach Insolvenzantragstellung regelmäßig nur insoweit voneinander, als beim Verkauf in der Krise und ohne Insolvenz die notwendigen Forderungsverzichte/sonstigen Beiträge von den beteiligten Stakeholdern geleistet werden, während beim Unternehmenskauf aus der Insolvenz sämtliche Gläubiger faktisch zum quotalen Verzicht gezwungen werden. Die Autoren dieser überarbeiteten Auflage wollen dazu beitragen, dass die Vor- und Nachteile eines Unternehmensverkaufes in der Krise oder nach der Insolvenzeröffnung transparent dargestellt werden, und damit potentiell Beteiligten (Unternehmern, Beratern, Finanziers, Investoren, Gläubigern und Insolvenzverwaltern) einen Leitfaden an die Hand geben, der den Entscheidungsprozess unterstützt. Unternehmensverkäufe in Krise oder Insolvenz können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die beteiligten Berater in multidisziplinären Teams neben dem allgemeinen Zivilrecht das Insolvenz-, Arbeits-, Steuer- und ggf. Kartellrecht beherrschen und zugleich die finanziellen Auswirkungen der jeweiligen Optionen auf die Fortführungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erkennen und plausibilisieren. Dies ist unabdingbare Voraussetzung, um dem jeweiligen Mandanten (Verkäufer oder Erwerber) sämtliche möglichen Szenarien und alternativen Gestaltungen aufzeigen zu können. Neben der Kenntnis von Rechtsprechung und Gesetz sind hierbei insbesondere typische Gestaltungen als „Tipps und Tricks“ der Sanierungsbranche zu berücksichtigen. Aus Sicht der beiden Autoren, die die Disziplinen Insolvenzverwalter, Doppeltreuhänder, Steuerrechtler, (Distressed) M&A-Anwalt und Wirtschaftsprüfer als Unternehmenssanierer und Unternehmensbewerter in sich vereinen, beinhaltet dieses Werk eine praxisnahe Darstellung der wesentlichen Probleme und „Hebel“ beim Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz. Diese dritte Auflage berücksichtigt Rechtsprechung, Literatur und Gesetzgebungsvorhaben bis einschließlich März 2016.

Hamburg und Berlin, im April 2016

Stefan Denkhaus Andreas Ziegenhagen

V

Inhaltsverzeichnis Rn.

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Vorwort ............................................................................................................ V Literaturverzeichnis ..................................................................................... XV A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz ...... 1 ......... 1 I.

Abwicklungsoptionen des Unternehmenskaufs aus der Krise/Insolvenz ............................................................................ 3 1. Asset Deal .............................................................................. 4 2. Share Deal .............................................................................. 6 a) Grundform ..................................................................... 6 b) Sonderfall: Debt-Equity-Swap .................................... 12

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II. Mögliche Phasen für einen Unternehmenskauf ....................... 17 ........ 6 III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung ....... 1. Share Deal ............................................................................ 2. Asset Deal ............................................................................ a) Insolvenzanfechtung ................................................... aa) Unternehmenskaufvertrag mehr als drei Monate vor Antragstellung ......................... bb) Unternehmenskaufvertrag erst in den letzten drei Monaten vor Antragstellung ....................... cc) Geplante Gesetzesänderung .............................. b) Der Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters aus § 143 Abs. 1 InsO ................................................. c) Der Anspruch des Erwerbers nach Erfüllung des Kaufpreisanspruchs ............................................... aa) Fall 1: Anfechtung des Unternehmenskaufvertrags nach § 132 Abs. 1 InsO ................. bb) Fall 2: Isolierte Anfechtung der Verfügungsgeschäfte ........................................... 3. Weitere Risiken beim Unternehmenskauf vor Insolvenzantrag ................................................................... a) § 75 AO ........................................................................ b) § 25 HGB ..................................................................... c) § 613a BGB ..................................................................

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IV. Phase 2: Unternehmenskauf im Insolvenzeröffnungsverfahren ..................................................................................... 85 ...... 24 1. Grundsatz ............................................................................ 85 ...... 24

VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

3.

Besonderheit: Sicherungsanordnungen nach §§ 21 ff. InsO ............................................................. 86 a) Zustimmungsvorbehalt („schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter) ..................................................... 87 b) Übertragung der Verfügungsbefugnis („starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter) ................ 89 aa) Möglichkeit der Unternehmensveräußerung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter ........ 89 bb) Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens ............................................ 97 c) Anfechtbarkeit von Verfügungen durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter ............ 100 d) Anfechtbarkeit von Verfügungen durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter ....... 102 Vorläufige Eigenverwaltung ............................................. 108

V. Phase 3: Unternehmenskauf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens .................................................................. 1. Unternehmensveräußerung vor dem Berichtstermin ..... 2. Unternehmensveräußerung nach dem Berichtstermin ..... 3. Reduzierung der Risiken ................................................... 4. Insolvenzplanverfahren .....................................................

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle .............. 172 ...... 45 I.

Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren ............ 1. „Beteiligte“ des Insolvenzverfahrens ............................... 2. Die Beteiligten einer übertragenden Sanierung im Einzelnen ...................................................................... a) Der Insolvenzverwalter ............................................. aa) Rechtsstellung des Insolvenzverwalters .......... bb) Aufgaben des Insolvenzverwalters/ Verfahrensziele .................................................. cc) Verfügungs- und Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters .................................... b) Schuldner/Geschäftsführer ....................................... c) Sachwalter .................................................................. d) Gesellschafter des Schuldnerunternehmens ............. e) Gläubiger .................................................................... f) Organe der Gläubiger ................................................ g) Insolvenzgericht ........................................................ h) Arbeitnehmer ............................................................. i) Kunden und Lieferanten ...........................................

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II. Verhandlungspartner für Kaufinteressenten ........................... 302 ...... 67 1. Verwaltung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter ............................................................ 303 ...... 68 VIII

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

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Eigenverwaltung unter Aufsicht des (vorläufigen) Sachwalters ........................................................................ 313 ...... 69

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal ................ 1. Probleme der Vertragsgestaltung ..................................... a) Kaufgegenstand .......................................................... aa) Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern ...... bb) Genaue Bestimmung des Kaufobjekts ............. cc) Verwertungsrechte des Insolvenzverwalters im Hinblick auf Gegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen ......................... dd) Firma .................................................................. ee) Immaterialgüterrechte ...................................... ff) Gesellschaftsvertragliche Veräußerungsbeschränkungen ............................................... b) Forderungsmanagement ............................................ 2. Kaufpreisbemessung ......................................................... 3. Garantievereinbarungen .................................................... a) „Garantiefeindlichkeit“ des Insolvenzverwalters ..... b) Gewährleistungsausschluss ....................................... c) Mögliche Garantien ................................................... 4. Besonderheiten der Due Diligence, Haftung für Verbindlichkeiten (insbesondere beihilferechtliche und umweltrechtliche Fragen) und kartellrechtliche Fragen ............................................................... a) Checkliste für übertragende Sanierungen ................ b) Haftung für Altlasten ................................................ aa) Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters für Altlasten ...................................................... bb) Verantwortlichkeit des Investors bei übertragender Sanierung ................................... c) Haftung für rechtswidrig gewährte Beihilfen .......... aa) Rückforderung gewährter Beihilfen für das insolvente Unternehmen ............................ bb) Rückforderungsanspruch als einfache Insolvenzforderung .......................................... d) Kartellrecht ................................................................ aa) Allgemeine kartellrechtliche Grundsätze betreffend die Fusionskontrolle ....................... bb) Besonderheiten des Fusionskontrollverfahrens beim Erwerb aus der Insolvenz ...... cc) Verfahren der Zusammenschlusskontrolle und Vollzugsverbot .......................................... (1) Fristen und Prüfverfahren ........................ (2) Vollzugsverbot ..........................................

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IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

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IV. Dual-Track-Investorenprozesse als Gläubigeroption ............ 1. Problemstellung ............................................................... 2. Dual-Track-Verfahren ...................................................... 3. Generalität als Basis .......................................................... 4. Praxis ..................................................................................

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V. Exkurs: Abweichende Gestaltungsmöglichkeiten .................. 1. Verschmelzung ................................................................. a) Verschmelzung durch Aufnahme ............................. b) Verschmelzung durch Neugründung ...................... 2. Ausgliederung ................................................................... a) Begriff ......................................................................... b) Folgen der Ausgliederung ......................................... c) Einschränkungen ....................................................... 3. Anwachsung ...................................................................... 4. Liquiditäts- und Kapitalmaßnahmen ............................... a) Liquiditäts- und/oder Kapitalbeschaffung bei Gesellschaftern .................................................... aa) Gesellschafterdarlehen ...................................... bb) Änderungen durch das MoMiG ....................... cc) Forderungsverzicht ........................................... b) Liquiditäts- und Kapitalbeschaffung durch Investoren .................................................................. aa) Darlehen ............................................................ bb) Sanierende Kapitalherabsetzung ..................... cc) Stille Gesellschaft .............................................. c) Debt-Equity-Swap ..................................................... d) Debt-Mezzanine-Swap ..............................................

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VI. Erwerb einer börsennotierten AG – WpÜG .......................... 532 .... 122 VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz ................................. 1. Anwendbarkeit des § 613a BGB in der Insolvenz und Voraussetzungen eines Betriebsübergangs .............. 2. Fallbeispiele ....................................................................... a) Mietvertrag und Auftragsvergabe als Betriebsübergang ....................................................... b) Mehrere Standorte ..................................................... 3. Rechtsfolgen des § 613a BGB für den Erwerber und Strategien zur Vermeidung ....................................... a) Auflösung der betrieblichen Einheit ........................ b) Transfergesellschaft bzw. BQG – Beschäftigungsund Qualifizierungsgesellschaft ................................ c) § 613a BGB in masselosen Insolvenzen ...................

X

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Inhaltsverzeichnis Rn.

4. 5.

d) Verbindliches Erwerberkonzept zur Restrukturierung ....................................................... e) Der nicht mehr erwartete Betriebsübernehmer ....... Kündigung zur Verbesserung der Verkaufschancen ....... Kombinationsmöglichkeiten ............................................

655 672 686 711

Seite

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VIII. Betriebliche Renten und Zusagen im Insolvenzfall .............. 716 .... 162 IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen in Krise, Insolvenz und Sanierung ................... 1. Steuerliche Interessen des Veräußerers in der Krise ....... a) Asset Deal .................................................................. aa) Veräußerer ist eine natürliche Person ............. bb) Veräußerung von Mitunternehmeranteilen ..... cc) Thesaurierungsbesteuerung von Personengesellschaften ..................................... dd) Veräußerung durch Kapitalgesellschaft ........... b) Share Deal .................................................................. aa) Veräußerer ist eine natürliche Person .............. (1) Einkünfte aus Gewerbebetrieb ................. (2) Einkünfte aus Kapitalvermögen ............... bb) Veräußerer ist eine Kapitalgesellschaft ............ 2. Steuerliche Interessen des Erwerbers in der Krise .......... a) Asset Deal .................................................................. b) Nutzung steuerlicher Verlustvorträge beim Share Deal ......................................................... aa) Tatbestand des § 8c KStG im Allgemeinen ..... bb) Tatbestand des § 8c KStG im Einzelnen ......... cc) Anteilsübertragung und vergleichbare Sachverhalte gemäß § 8c KStG ........................ dd) Sanierungsklausel gemäß § 8c Abs. 1a KStG ..... ee) Konzernklausel gemäß § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG ....................................................... ff) Verschonungsregelung bei stillen Reserven gemäß § 8c Abs. 1 Satz 6–9 KStG .................... c) Keine Nutzung steuerlicher Verlustvorträge mehr bei Verschmelzung/Abspaltung ...................... d) Verlustnutzung durch andere Gestaltungen ............ aa) Gestaltung einer Organschaft .......................... bb) Realisation stiller Reserven ............................... cc) Forderungsverzicht mit Besserungsvereinbarung ...................................................... e) Steuerliche Behandlung von stillen Gesellschaften/Genussrechten ............................................ 3. Besteuerung von Sanierungsgewinnen .............................

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853 .... 195 856 .... 196 862 .... 197

XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

4.

5. 6. 7.

8. 9.

Steuerrechtliche Behandlung von Forderungsverzichten mit Besserungsabrede ....................................................... a) Steuerliche Auswirkungen im Zeitpunkt des Verzichts .............................................................. b) Steuerliche Auswirkungen im Zeitpunkt des Besserungsfalls .................................................... aa) Auswirkungen auf Ebene der Gesellschaft ..... bb) Auswirkungen auf Ebene des Gesellschafters .................................................. cc) Behandlung der Darlehenszinsen ..................... c) Besonderheit bei zeitgleicher Abtretung von Forderungen und Geschäftsanteilen ........................ Steuerrechtliche Behandlung des Debt-Equity-Swaps .... Steuerrechtliche Behandlung des Rangrücktritts ............ Umsatzsteuer beim Unternehmenskauf .......................... a) Asset Deal ................................................................. b) Share Deal ................................................................. Grunderwerbsteuer beim Unternehmenskauf ............... Sonstige steuerliche Haftungsrisiken ............................... a) § 75 AO ..................................................................... b) § 13c UStG ................................................................. c) § 73 AO bei umsatzsteuerlicher Organschaft ..........

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C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz ........................... 1015 .... 233 I.

Aufgabenspektrum des Insolvenzverwalters ........................ 1015 .... 233

II. Interessenlage des Insolvenzverwalters ................................. 1043 .... 240 III. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz: Grundkonstellationen aus Sicht des Insolvenzverwalters und Sachwalters ..... 1. Übertragende Sanierung ................................................. 2. Unternehmenserwerb auf Grundlage eines Insolvenzplans ................................................................. a) Übertragende Sanierung auf Grundlage eines Insolvenzplans ................................................ b) Eigensanierung und Insolvenzplan .........................

1074 .... 246 1084 .... 247

IV. Leitlinien für Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter, Sachwalter und Eigenverwalter bei Kaufinteresse ................ 1. Timing .............................................................................. 2. Kaufpreisfindung ............................................................. 3. Vertragsverhandlung und -gestaltung ............................

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1058 ..... 243 1059 .... 243 1073 .... 246

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D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten im Rahmen des Unternehmenskaufs in der Krise ............. 1119 .... 255 I. XII

Vorbemerkung ........................................................................ 1119 .... 255

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

II. Grundlagen des Sanierungskonzepts i. S. d. IDW S 6 .......... 1123 .... 256 III. Bestimmung von Auftragsinhalt und Verantwortlichkeiten im Rahmen der Erstellung von Sanierungskonzepten .......... 1131 .... 258 IV. Darstellung und Analyse des Unternehmens ....................... 1. Anforderungen an die Qualität der Informationen ...... 2. Basisinformationen über das Unternehmen .................. 3. Analyse der Unternehmenslage .....................................

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V. Feststellung des Krisenstadiums ............................................ 1. Feststellungen zur Stakeholderkrise .............................. 2. Feststellungen zur Strategiekrise ................................... 3. Feststellungen zur Produkt- und Absatzkrise .............. 4. Feststellungen zur Erfolgskrise ...................................... 5. Feststellungen zur Liquiditätskrise ................................

1142 1143 1145 1146 1147 1148

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VI. Aussagen zur Unternehmensfortführung ............................. 1149 .... 264 VII. Ausrichtung am Leitbild des sanierten Unternehmens ........ 1153 .... 265 VIII. Beschreibung von Wettbewerbsvorteilen und Wettbewerbsstrategien ........................................................... 1158 .... 266 IX. Stadiengerechte Bewältigung der Unternehmenskrise ......... 1. Sanierung in der Insolvenz ............................................. 2. Vermeidung der Insolvenz ............................................. 3. Überwindung der Liquiditätskrise ................................. 4. Überwindung der Erfolgskrise ....................................... 5. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise ............... 6. Überwindung der Strategiekrise ..................................... 7. Überwindung der Stakeholderkrise ...............................

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X. Integrierte Sanierungsplanung ............................................... 1182 .... 274 E.

Grundlagen der Unternehmensbewertung ........................ 1191 .... 279

I.

Theoretische Grundlagen ....................................................... 1. Allgemeines ..................................................................... 2. Prognose der künftigen finanziellen Überschüsse ........ 3. Kapitalisierung der künftigen Überschüsse ................... 4. Ertragswert- und „Discounted-Cashflow-Verfahren“ .... a) Ertragswertverfahren ............................................... b) Die „Discounted-Cashflow-Verfahren“ .................

1191 .... 279 1191 .... 279 1199 .... 281 1208 .... 282 1215 ..... 284 1216 .... 284 1218 .... 287

II. Multiplikatorverfahren ........................................................... 1224 .... 289 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 291

XIII

Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien, Festschriften Adler/Düring/Schmaltz (Begr.) Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen – Rechnungslegung nach internationalen Standards, Teilband 6, 6. Aufl., 1997 Baumbach/Hueck GmbH-Gesetz, Kommentar, 20. Aufl., 2013 (zit.: Baumbach/Hueck-Bearbeiter, GmbHG) Baumbach/Hopt Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 37. Aufl., 2016 (zit.: Baumbach/Hopt-Bearbeiter, HGB) Beck/Depré (Hrsg.) Praxis der Insolvenz, 2. Aufl., 2010 (zit.: Beck/Depré-Bearbeiter, Praxis der Insolvenz) Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl Handbuch der übertragenden Sanierung, 2002 (zit.: Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Bearbeiter, Handbuch der übertragenden Sanierung) Bickhoff/Blatz/Eilenberg/Haghani/Kraus (Hrsg.) Die Unternehmenskrise als Chance – Innovative Ansätze zur Sanierung und Restrukturierung, 2004 (zit.: Bickhoff/Blatz/Eilenberg/Haghani/Kraus-Bearbeiter, Die Unternehmenskrise als Chance) Blaurock Handbuch Stille Gesellschaft, 7. Aufl., 2010 Blum Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit in der Insolvenz, 2001 Blumenberg/Schäfer (Hrsg.) Das SEStEG – Steuer- und gesellschaftsrechtliche Erläuterungen und Gestaltungshinweise, 2007 (zit.: Blumenberg/Schäfer-Bearbeiter, Das SEStEG) Boochs/Dauernheim Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl., 2007 Borchardt/Frind (Hrsg.) Betriebsfortführung, 2. Aufl., 2014 (zit.: Borchardt/Frind-Bearbeiter, Betriebsfortführung) Bork Europarechtswidrige Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, in: Festschrift für Marcus Lutter, 2000, S. 301 – 316

XV

Literaturverzeichnis

Bork/Hölzle (Hrsg.) Handbuch Insolvenzrecht, 2014 (zit.: Bork/Hölzle-Bearbeiter, Handbuch Insolvenzrecht) Braun (Hrsg.) Insolvenzordnung, Kommentar, 6. Aufl., 2014 (zit.: Braun-Bearbeiter, InsO) Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, 1997 Breithecker/Förster/Förster/Klapdor Unternehmensteuerreformgesetz 2008, Kommentar, 2007 (zit.: Breithecker/Förster/Förster/Klapdor-Bearbeiter, Unternehmensteuerreformgesetz 2008) Brönner (Hrsg.) Die Besteuerung der Gesellschaften, 18. Aufl., 2007 (zit.: Brönner-Bearbeiter, Die Besteuerung der Gesellschaften) Brossette/Plagens/Schmidt Das Autohaus in der Krise und Insolvenz, 2008 Bundeskartellamt Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, 2012 Buth/Hermanns (Hrsg.) Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014 (zit.: Buth/Hermanns-Bearbeiter, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz) Dötsch/Pung/Möhlenbrock (Hrsg.) Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Stand: 85. EL, 2015 (zit.: Dötsch/Pung/Möhlenbrock-Bearbeiter, KStG) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 16. Aufl., 2016 (zit.: ErfKoArbR-Bearbeiter, BGB) Erle/Sauter Köperschaftssteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., 2010 (zit.: Erle/Sauter-Bearbeiter, KStG) Ernst & Young (Hrsg.) Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Stand: 114. EL, 2016 (zit.: Ernst & Young-Bearbeiter, KStG) Etzel/Bader/Fischermeyer (Hrsg.) Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzrecht und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 11. Aufl., 2016 (zit.: KR-Bearbeiter, BGB)

XVI

Literaturverzeichnis

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz Dem Unternehmenskauf in der Krise bzw. aus der Insolvenz kommt aufgrund 1 der wirtschaftlichen Gesamtsituation sowie den erweiterten Restrukturierungsoptionen im Zusammenhang mit der Reform des Insolvenzrechts durch das am 1. März 2012 sowie am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) sowie mit der Reform des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG) mit Wirkung zum 5. August 2009 immer größere Bedeutung zu. Obwohl die Zahl der Insolvenzen in den letzten Jahren rückläufig ist, führen komplexere Finanzierungsstrukturen im Zusammenhang mit Verfehlung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen im Rahmen der Unternehmensplanung häufig zu einer potenziellen Liquiditätskrise des Unternehmens, die dann unter Umständen mit dem Einstieg von Investoren durch eine Unternehmenstransaktion beseitigt werden soll. Bei Scheitern der Unternehmenstransaktion in der Krise kommt dann noch immer die Fortführung bzw. Einleitung eines Unternehmensverkaufs aus der Insolvenz in Betracht. Schließlich führen auch spezialisierte „Distressed“ bzw. „Opportunity Fonds“ im Rahmen von Restrukturierungen zu erweiterten Möglichkeiten bei Unternehmenstransaktionen in der Krise, da diese sowohl Eigen- als auch Fremdkapital in Krisensituationen erwerben und hierdurch erweiterte Optionen für die Beteiligten geschaffen werden. Verschiedene Unternehmensbeteiligungsgesellschaften haben sich insoweit sogar ausschließlich auf den Erwerb von Unternehmen in der Krise oder aus der Insolvenz spezialisiert, um durch einen günstigen Erwerb und nach erfolgreicher Sanierung einen Veräußerungsgewinn zu realisieren. Im Folgenden werden die rechtlichen und steuerlichen Besonderheiten des 2 Unternehmenskaufs in den jeweiligen Phasen der Krise und unter Berücksichtigung der jeweiligen Transaktionsstruktur und des regelmäßig bestehenden zusätzlichen Zeitdrucks zwecks Herbeiführung einer Lösung zur Abwendung einer Insolvenz oder einer schnellen Umsetzung des Unternehmenskaufs aus der Insolvenz dargestellt. Maßgeblich für den Zeitdruck ist regelmäßig, dass das Unternehmen in der Krise meist einen Wertverlust aufgrund von negativen Maßnahmen der verschieden beteiligten Stakeholder (Kunden, Lieferanten, Dienstleister, Warenkreditversicherer, Kreditgeber, Arbeitnehmer, Wettbewerber etc.) erleidet. Der unverzügliche Unternehmenskauf in der Krise kann insoweit eine weitere Wertvernichtung im Interesse aller Beteiligten vermeiden. I. Abwicklungsoptionen des Unternehmenskaufs aus der Krise/Insolvenz Unabhängig vom Bestehen einer wirtschaftlichen Krise des Verkäufers bzw. 3 seines Unternehmens oder einer bereits eingetretenen Insolvenz kommen für einen Unternehmenskauf grundsätzlich zwei Transaktionsstrukturen in Betracht: „Asset Deal“ und „Share Deal“. 1

A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

1. Asset Deal 4 Beim Unternehmenskauf als Asset Deal erwirbt der Käufer sämtliche zum Unternehmen gehörende geschäftsbedeutsamen Vermögensgegenstände als Inbegriff von Sachen, Rechten und sonstigen Vermögenswerten und lässt sich von dem Träger des Unternehmens eine Option zur Übernahme solcher Rechtsverhältnisse mit Dritten einräumen, die für den Fortbetrieb des Unternehmens wesentlich sind. Der Käufer ist selbstverständlich auch am Erwerb der tatsächlichen wertbeeinflussenden Faktoren des Geschäftsbetriebs des Unternehmens wie deren Wettbewerbsstellung, Know-how und Qualität des Personals interessiert. 5 In der Insolvenz des Unternehmensträgers ist der Asset Deal der praktische Regelfall. Dabei wird der Kaufvertrag über die zu übertragenden Vermögenswerte (Assets) mit dem zur Verfügung Berechtigten – nach Insolvenzeröffnung im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens wegen § 80 Abs. 1 InsO also mit dem Insolvenzverwalter – abgeschlossen. Dieser Erwerb aus der Insolvenz wird allgemein als sog. „übertragende Sanierung“ bezeichnet, weil die Vermögensgegenstände unabhängig von den im Insolvenzverfahren zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten oder sonstigen Haftungsrisiken übertragen werden und hierdurch eine bewusste Trennung von den Schulden des insolventen Unternehmens realisiert wird. Der Erwerber startet mithin seine Geschäftstätigkeit grundsätzlich ohne „Altlasten“, die im Insolvenzverfahren verbleiben. Allerdings muss er diesen Unternehmenskauf im Rahmen des Asset Deals auch selbst finanzieren, da er grundsätzlich keine Schulden des insolventen Unternehmens übernimmt. Der Erwerb im Rahmen der „übertragenden Sanierung“ stellt den Regelfall im Insolvenzverfahren dar. 2. Share Deal a) Grundform 6 Im Gegensatz dazu erwirbt der Käufer beim Unternehmenskauf als Share Deal Anteile an dem Unternehmensträger; ist dieser z. B. eine GmbH, also die Geschäftsanteile. Dabei wird der Käufer meist sämtliche Gesellschaftsanteile erwerben. Notwendig ist dies jedoch nicht. Insbesondere in der wirtschaftlichen Krise eines Unternehmens – außerhalb der Insolvenz – kann auch der Erwerb einer Teilbeteiligung die Ziele des Erwerbers, die Geschicke des Zielunternehmens je nach der Höhe der Beteiligung maßgeblich mitzubestimmen und vom künftigen Erfolg im Rahmen einer erfolgreichen Sanierung der Unternehmung zu profitieren, mit den Zielen des Anteilsveräußerers zusammenführen, die etwa darin bestehen können, der Unternehmung zusätzliche finanzielle Mittel des neuen Teilhabers zuzuführen und zugleich das Know-how des bisherigen Anteilsinhabers weiterhin an das Unternehmen zu binden. Der Share Deal in der Krise wird insoweit wirtschaftlich regelmäßig primär eine Zuführung von Eigenkapital und Liquidität bezwecken und kann insoweit auch im Rahmen einer Kapitalmaßnahme realisiert bzw.

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I. Abwicklungsoptionen des Unternehmenskaufs aus der Krise/Insolvenz

mit dieser kombiniert werden. Die bisherigen Altanteile bleiben insoweit bestehen, werden jedoch durch die neuen Anteile verwässert und die Beteiligung der bisherigen Anteilsinhaber sinkt entsprechend. Bei einer Kombination mit einer vereinfachten Kapitalherabsetzung bleiben die bisherigen Altgesellschafter nur dann am Unternehmen beteiligt, wenn sie sich an der Kapitalerhöhung mit neuem Eigenkapital beteiligen können. Der Share Deal ist ein Rechtskauf i. S. v. § 453 BGB. Für die Frage, ob der 7 Käufer beim Share Deal neben Rechtsmängeln des gekauften Mitgliedschaftsrechts ausnahmsweise auch Sach- und Rechtsmängel der durch den Share Deal erworbenen Vermögensgegenstände des Unternehmens geltend machen kann, ist entscheidend, ob der erworbene Anteil so bedeutend ist, dass sich der Erwerb nach den Umständen des Einzelfalls als Erwerb des gesamten Unternehmens und damit zugleich als Unternehmenskauf darstellt. Die Höhe der erforderlichen Beteiligungsquote differiert je nach Einzelfall, darf aber nach Rechtsprechung des BGH jedenfalls nicht unter 50 % liegen. BGH, Urt. v. 12.11.1975 – VII ZR 142/74, NJW 1976, 236, 237; BGH, Urt. v. 23.11.1979 – I ZR 161/77, DB 1980, 679, 681: Erwerb der anderen Hälfte durch einen schon zur Hälfte beteiligten Aktionär als Unternehmenskauf; BGH, Urt. v. 2.6.1980 – VIII ZR 64/79, ZIP 1980, 549 = NJW 1980, 2408, 2409: 60 % reichen nicht aus; vgl. auch BGH, Urt. v. 4.4.2001 – VIII ZR 32/00, ZIP 2001, 918 = NJW 2001, 2163, 2164; OLG München, Urt. v. 25.3.1998 – 7 U 6364/97, DB 1998, 1321, 1321: Erwerb von 75 % als Unternehmenskauf, wegen der damit verbundenen Möglichkeit des Käufers, satzungsändernde Beschlüsse durchzusetzen.

Der Share Deal kommt sowohl auf der Ebene des in die Krise geratenen Un- 8 ternehmensträgers als auch auf der Ebene seiner Tochtergesellschaft in Betracht. Beim Erwerb aus der Insolvenz ist insbesondere der Share Deal hinsichtlich einer Tochtergesellschaft praktisch bedeutsam. Dabei kann es sich sowohl um den marktgerechten Erwerb der Beteiligung an einer nicht insolventen Tochtergesellschaft des Insolvenzverwalters als auch um eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft handeln, auf die der Insolvenzverwalter seinerseits durch einen „internen“ Asset Deal Vermögensteile des Schuldners übertragen hat. Der im Rahmen des Share Deals zu vollziehende Erwerb der Anteile am Trä- 9 ger des Unternehmens lässt dessen rechtliche Identität unberührt. Das ist immer dann vorteilhaft, wenn der Unternehmensträger Inhaber zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen ist, die für den Betrieb des Unternehmens unentbehrlich sind und, sei es aufgrund unüberwindbarer rechtlicher Hindernisse oder aus Kostengründen, nicht auf einen neuen Unternehmensträger übertragen werden können. So sind z. B. öffentlich-rechtliche Genehmigungen zum Betrieb bestimmter Anlagen, aber auch Konzessionen, Lizenzen oder besondere Gewerbegenehmigungen grundsätzlich auf den das Unternehmen betreibenden Rechtsträger bezogen. Das gleiche gilt für die Beteiligung an Ausschreibungsverfahren über öffentliche Aufträge. Häufig

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

sollen dem Unternehmen aber auch zivilrechtliche Verhältnisse, z. B. ein günstiger Mietvertrag, erhalten bleiben, deren Übertragung auf einen neuen Unternehmensträger der Vertragspartner nicht zustimmen würde. Dagegen ist, wie § 23 HGB zeigt, eine Übertragung der Firma auf einen neuen Unternehmensträger möglich, sodass allein zwecks Fortführung einer am Markt bereits etablierten Firma der Share Deal dem Asset Deal nicht vorgezogen werden muss. 10 Soll ein neuer Erwerber das Unternehmen im Rahmen eines Share Deals übernehmen, nachdem bereits ein Insolvenzgrund eingetreten oder sogar schon das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmensträgers eröffnet worden ist, so kann der Unternehmenskauf wirtschaftlich nur dann erfolgreich abgeschlossen werden, wenn es gelingt, die Insolvenzgründe zu beseitigen und den Rechtsträger aus einem etwa schon eröffneten Insolvenzverfahren im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten wieder herauszuführen. Die Notwendigkeit, die Insolvenzgründe zu beseitigen, ergibt sich für juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (insbesondere Personengesellschaften), bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, bereits aus den die Mitglieder des Vertretungsorgans treffenden Insolvenzantragspflichten (§ 15a Abs. 1 und Abs. 2 InsO). 11 Für die Beendigung eines bereits eröffneten Insolvenzverfahrens kommen dabei nur drei Möglichkeiten in Betracht: Die Einstellung des Verfahrens auf Antrag des Unternehmensträgers (Schuldners) wegen Wegfall des Eröffnungsgrunds nach § 212 InsO, die Zustimmung sämtlicher angemeldeter Insolvenzgläubiger nach § 213 InsO und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch die rechtskräftige Bestätigung eines Insolvenzplans nach § 258 Abs. 1 InsO. b) Sonderfall: Debt-Equity-Swap 12 Der Anteilserwerb lässt sich insbesondere in Sanierungsfällen auch durch einen sog. „Debt-Equity-Swap“ erreichen. Dabei erklären sich die Gläubiger damit einverstanden, gegen Gewährung von Anteilen an dem Unternehmensträger auf ihre Forderungen zu verzichten bzw. diese an das Unternehmen abzutreten, diese Forderungen also gegen Anteile am Unternehmensträger einzutauschen. Der Gläubiger erhält dadurch nicht nur die Möglichkeit, an späteren Gewinnen beteiligt zu werden, sondern er gewinnt gesellschaftsrechtlichen Einfluss und kann somit steuernd auf das Unternehmen einwirken. Gleichzeitig verringert sich beim Unternehmensträger die bilanzielle Überschuldung und die Liquiditätslage verbessert sich. Somit stellt der „Debt-Equity-Swap“ ein für beide Seiten attraktives und effektives Sanierungsmittel dar. HambKo-Thies, InsO, § 225a Rn. 12.

13 Die gegen den Unternehmensträger bestehende Forderung kann danach insbesondere im Wege einer Kapitalerhöhung als Sacheinlage eingebracht werden. Hierfür ist jedoch bei Kapitalgesellschaften neben dem entsprechenden Kapi4

I. Abwicklungsoptionen des Unternehmenskaufs aus der Krise/Insolvenz

talerhöhungsbeschluss grundsätzlich die Werthaltigkeit der Sacheinlage erforderlich, die durch einen Prüfungsbericht nachzuweisen ist. Näher Kestler/Striegel/Jesch, Distressed Debt Investments, Rn. 109 ff.; Bauer, ZInsO 2002, 153, 159; von Schorlemer/Stupp, NZI 2003, 345, 346; Vallender, NZI 2007, 129, 132 f.; vgl. auch Redeker, BB 2007, 673 ff.; Graf-Schlicker-Kebekus/Wehler, InsO, § 225a Rn. 5 f.

In der Praxis machen Banken von diesem Sanierungsinstrument allerdings 14 kaum Gebrauch, da sie nicht das Risiko eingehen wollen, mit ihren Darlehensforderungen als Gesellschafter nachrangig zu sein. Relevanter ist der „Debt-Equity-Swap“ mit Anleihegläubigern. Mit Wirkung zum 5. August 2009 ist das reformierte Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) maßgeblich. Danach können in einer Gläubigerversammlung die Anleihegläubiger grundsätzlich jede Sanierungsmaßnahme gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG mit einer qualifizierten Mehrheit von 75 % der teilnehmenden Stimmrechte gerechnet nach Summen (vgl. § 6 SchVG) beschließen, sofern die Anleihebedingungen nicht höhere Anforderungen stellen. Auch die Umwandlung der Anleiheforderungen in Gesellschaftsanteile kommt insoweit gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG als sog. „Debt-Equity-Swap“ der Anleihe in Betracht. Zum neuen Schuldverschreibungsgesetz vgl. Horn, BKR 2009, 446 ff.; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025 ff.; zum alten Schuldverschreibungsgesetz vgl. Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311 ff. und Klerx/Penzlin, BB 2004, 791 ff.

Das Gesetz gilt nunmehr auch für Auslandsanleihen, sofern diese gemäß § 1 15 Abs. 1 SchVG von Emittenten im Ausland nach deutschem Recht vergeben wurden. Zudem findet das neue Schuldverschreibungsgesetz auf sämtliche inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen Anwendung, sodass nunmehr ein weiter Schuldverschreibungsbegriff gilt. Auf Genussscheine, deren Rückzahlungsansprüche aufgrund einer vereinbarten Gewinnund Verlustbeteiligung von Anfang an bedingt und der Höhe nach unbestimmt sind, war das alte Schuldverschreibungsgesetz z. B. nicht anwendbar. Vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 28.4.2006 – 20 W 158/06, ZIP 2006, 1388 ff.

Durch das am 1. März 2012 sowie am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Ge- 16 setz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) können nun im Interesse verbesserter Sanierungsmöglichkeiten im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens nach § 225a InsO auch die Anteilsrechte des schuldnerischen Unternehmens in den Insolvenzplan einbezogen werden. Danach können insbesondere im Insolvenzplan Kapitalmaßnahmen vorgesehen werden, die die Umwandlung von Forderungen in Gesellschaftsanteile im Rahmen des „Debt-Equity-Swaps“ bewirken. Die Einbeziehung der Gläubiger setzt deren Zustimmung voraus, sodass Gläubiger nicht gegen ihren Willen zu einer Umwandlung ihrer Forderung in Gesellschaftsanteile gezwungen werden können (anders im ursprünglichen ESUG-Diskussionsentwurf sowie

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

bei Anwendung von § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG). Für die Einbeziehung der Anteilsrechte in die gestaltende Wirkung eines Insolvenzplans spricht, dass in der Insolvenz das Eigenkapital der Anteilsinhaber wertlos ist und diese nur aufgrund ihres gesellschaftsrechtlichen Einflusses ein erhebliches Blockadepotential zulasten der Gläubiger geltend machen können. Vgl. zum „Debt-Equity-Swap“ im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG Günther, ZInsO 2012, 2037, 2038 ff.; zum Regierungsentwurf des ESUG vgl. Hölzle, NZI 2011, 124, 127 ff.; Meyer/Degener, BB 2011, 846 ff.; zum Diskussionsentwurf des ESUG vgl. J. Schmidt, GWR 2010, 568 ff.

II. Mögliche Phasen für einen Unternehmenskauf 17 Der zeitliche Verlauf einer Krise bis hin zur Liquidation des Unternehmensträgers im Rahmen eines Insolvenzverfahrens lässt sich in drei Phasen unterteilen: in Phase 1 vor der Stellung des Insolvenzantrags, in die Zeit nach dem Insolvenzantrag bis zur Entscheidung über Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dem sog. Insolvenzantragsverfahren als Phase 2 sowie dem eröffneten Insolvenzverfahren als Phase 3. 18 In Phase 1 kann der Unternehmensträger uneingeschränkt über sein Vermögen verfügen. Doch besteht unter bestimmten Voraussetzungen das Risiko einer insolvenzrechtlichen Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO. Dabei ist der Zeitraum der letzten drei Monate vor Eingang des Insolvenzantrags beim Insolvenzgericht besonders gefährlich, weil in dieser Zeit eine Anfechtung unter den vergleichsweise geringen Anforderungen der §§ 130 – 132 InsO droht. Der Zeitraum jeglichen Anfechtungsrisikos reicht – wenn der Schuldner eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger zumindest für möglich hielt – sogar bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag zurück (vgl. § 133 InsO). 19 Im Rahmen eines Unternehmenskaufs, sei es im Wege eines Asset Deals oder eines auf Beteiligung an einer Tochtergesellschaft bezogenen Share Deals mit dem Schuldner, kann das Risiko einer Anfechtung auch in der kritischen Zeit der letzten drei Monate vor Antragstellung dadurch minimiert werden, dass die betreffenden Vermögensgegenstände zeitnah und zu einem marktgerechten Preis übertragen werden. In einem solchen Fall liegt ein sog. Bargeschäft vor, bei dem eine Anfechtung nach § 142 InsO nur zulässig ist, wenn der Schuldner trotz der adäquaten Gegenleistung gemäß § 133 InsO mit dem Vorsatz handelte, seine Gläubiger zu benachteiligen. 20 Ob die Verfügungsmacht auch in Phase 2 noch bei dem eigentlichen Träger des Unternehmens liegt, hängt davon ab, ob das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner schon für das Insolvenzantragsverfahren ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt. In diesem Fall geht mit dem entsprechenden Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Dieser

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II. Mögliche Phasen für einen Unternehmenskauf

hat nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO insbesondere ein vom Schuldner betriebenes Unternehmen bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung fortzuführen und kann ein solches Unternehmen nur mit Zustimmung des Insolvenzgerichts stilllegen. Angesichts dessen ist äußerst umstritten, ob der mit Verfügungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 InsO ausgestatte vorläufige Insolvenzverwalter (sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter) überhaupt berechtigt ist, das vom Schuldner betriebene Unternehmen als Ganzes zu veräußern. Über die grundsätzliche Aufgabe auch des starken vorläufigen Insolvenzverwalters, den notleidend gewordenen Betrieb zu bewahren und die vorhandenen Werte zu erhalten, geht dies deutlich hinaus. Das Insolvenzantragsverfahren wird zeitlich durch die InsO nicht beschränkt. 21 Für schuldnerische Unternehmen, die Arbeitnehmer beschäftigen, ergibt sich eine solche Begrenzung jedoch regelmäßig in der Praxis aus dem Umstand, dass § 183 Abs. 1 SGB III die Zahlung von Insolvenzgeld für die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer auf die drei Anstellungsmonate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. einer Antragsabweisung mangels Masse begrenzt. Vor allem der starke vorläufige Insolvenzverwalter ist deshalb gehalten, über diese drei Monate hinaus keine Arbeitsentgeltverbindlichkeiten des Schuldners zu begründen, weil diese nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen sind. Denn nach § 55 Abs. 3 Satz 1 InsO sind nur die aufgrund einer Zahlung von Insolvenzgeld nach § 187 SGB III auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt von der Qualifizierung als Masseverbindlichkeiten ausgenommen. Für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter würde sich aus einer Überschreitung der durch Insolvenzgeld abgesicherten Dreimonatsfrist nach § 21 Abs. 2 Nr. 1, § 61 InsO ein erhebliches Haftungsrisiko ergeben. Die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnende dritte Phase lässt 22 sich noch einmal in die nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht über drei Monate hinausgehende Zeit vor dem Berichtstermin, in dem der Insolvenzverwalter über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten hat, und die Zeit danach unterteilen. Im Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter nach § 156 Abs. 1 Satz 2 InsO insbesondere darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden. Aus diesen Angaben lassen sich wertvolle Informationen für den Erwerb von Unternehmensteilen entnehmen. Während der Asset Deal grundsätzlich während aller drei Phasen in Betracht 23 zu ziehen ist, ist ein Share Deal über die Schuldnergesellschaft selbst in den Phasen 2 und 3 grundsätzlich nur im Rahmen eines Insolvenzplans bzw. bei beabsichtigter Umsetzung eines solchen nach §§ 217 ff. InsO sinnvoll. Denn da der Share Deal die Identität des (insolventen) Unternehmensträgers nicht berührt, wäre eine Beteiligung an der Schuldnergesellschaft bei Fortbestand 7

A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

aller gegen diese gerichteten und im Verfahren angemeldeten Forderungen unattraktiv. Von den die Erfüllung dieser Forderungen regelnden Bestimmungen der InsO kann gemäß § 217 InsO nur im Rahmen eines Insolvenzplans abgewichen werden. III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung 24 Wird der Verkauf eines Unternehmens durch eine wirtschaftliche Krise des Verkäufers bzw. seines Unternehmens veranlasst, so ist der Erwerber einer Anschlussinsolvenzgefahr ausgesetzt. Bei Unternehmenskäufen in der Krise muss daher aufgrund der regelmäßig im Rahmen der Due Diligence erworbenen konkreten Kenntnis über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Verkäufers das Risiko einer nachfolgenden Insolvenz beurteilt werden. In Abhängigkeit von der Transaktionsstruktur – Share Deal oder Asset Deal – sind insoweit die etwaigen Rechtsfolgen einer späteren Insolvenz zu beachten. 1. Share Deal 25 Für die Frage, welche Vertragsgestaltung für den Unternehmenskauf vor Antragstellung gewählt wird, wirkt sich zugunsten des Share Deals aus, dass eine Übertragung von Vermögensgegenständen, die dem in die Krise geratenen Unternehmensträger gehören, im Gegensatz zum Asset Deal nicht vollzogen wird. Der Erwerber wird bei uneingeschränkter Fortsetzung der Identität des Unternehmensträgers lediglich dessen Anteilseigner. Dies schließt vor allem Anfechtungsrisiken aus, denen ein Asset Deal unterliegt, wenn nach der Veräußerung der erfassten Vermögensgegenstände der Unternehmensträger in die Insolvenz fällt (siehe Rn. 27 ff.). Dies gilt selbstverständlich nur insoweit, als der Anteilsverkäufer selbst nicht insolvenzbedroht ist, sondern nur dessen Gesellschaft. 26 Da nicht nur die Vermögensgegenstände, Know-how und ein etwaiger Firmenwert, sondern auch alle Verbindlichkeiten beim Unternehmensträger verbleiben, beträgt der Kaufpreis häufig nur 1 € oder ist sogar negativ, sodass der Anteilsverkäufer zusätzlich einen negativen Kaufpreis an den Anteilskäufer zahlt bzw. das Unternehmen vorab mit zusätzlichem Eigenkapital ausstattet. Der Erwerb wird hierdurch für einen Investor attraktiv, wenn dieser mit zusätzlichen eigenen Mitteln und Know-how ein etwaiges künftiges Ertragspotenzial ausschöpfen kann. Allerdings müssen spätestens nach dem Vollzug des Unternehmenskaufs zumindest bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit und ohne eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter die Insolvenzgründe Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit (§§ 17, 19 InsO) beseitigt werden, weil anderenfalls für die geschäftsführenden Organe die Insolvenzantragspflicht aus § 15a Abs. 1 und Abs. 2 InsO bestehen bleibt. In den seltensten Fällen ist für den Erwerber die Übernahme des unveränderten Fortbestands aller Aktiva und Passiva attraktiv. Deshalb verhandelt der Erwerber regelmäßig vor dem verbindlichen Vertragsschluss mit den Gläubigern des Unternehmens Sanierungsbeiträge 8

III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung

wie Verzichte oder Stundungen als Voraussetzung für die Übernahme der Anteile sowie die Investition von zusätzlichem Eigenkapital, um dem Erwerber einen wirtschaftlich attraktiven Einstieg zu ermöglichen. Diese Gläubigerbeiträge inklusive etwaigen Arbeitnehmerbeiträgen z. B. im Rahmen eines Sanierungstarifvertrages können insoweit von dem Erwerber auch bei Vertragsschluss („Signing“) als Vollzugsbedingungen (sog. „Closing Conditions“) für den Erwerb der Anteile in der Krise gefordert werden. 2. Asset Deal Neben den Insolvenzanfechtungsrisiken des Unternehmenskaufs in der Form 27 des Asset Deals ist bei einer nachfolgenden Insolvenz des Verkäufers das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 InsO zu berücksichtigen. Das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 InsO besteht, wenn der Unternehmenskaufvertrag im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens von keiner Seite vollständig erfüllt ist. Maßgeblich für die Erfüllung ist der Eintritt des vertraglich geschuldeten 28 Leistungserfolgs, vgl. § 362 Abs. 1 BGB. Beim Kaufvertrag muss folglich der Verkäufer die Sache übergeben und übereignen, der Käufer schuldet die Kaufpreiszahlung und die Annahme der Sache. Werden im Rahmen des Unternehmenskaufs auch Grundstücksobjekte übertragen, so sollte neben der Auflassung auch der Eintragungsantrag von beiden Parteien gestellt werden, da aufgrund des hierdurch entstehenden unentziehbaren Anwartschaftsrechts des Käufers § 103 InsO nicht mehr anwendbar ist. MüKo-Huber, InsO, § 103 Rn. 132.

Des Weiteren ist § 106 InsO zu berücksichtigen, wonach der Vormerkungs- 29 berechtigte vom Insolvenzverwalter trotz späterer Insolvenz Erfüllung des Grundstücksübertragungsanspruchs verlangen kann. Lehnt der Insolvenzverwalter bei Anwendbarkeit von § 103 InsO die Erfüllung 30 des Kaufvertrages ab, so sind die Erfüllungsansprüche des Erwerbers nicht mehr durchsetzbar. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093, 1094; BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, ZIP 2003, 1208, 1209; BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526, 527 f.; Gottwald-Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 34 Rn. 42 ff.; MüKo-Kreft, InsO, § 103 Rn. 13; HambKo-Ahrendt, InsO, § 103 Rn. 38.

Der Vertragspartner kann gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO einen Schadenser- 31 satzanspruch wegen Nichterfüllung als Insolvenzforderung geltend machen. Auch bereits erbrachte Kaufpreiszahlungen sind als Vorleistungen lediglich Insolvenzforderungen, jedoch kann der Käufer insoweit mit Forderungen des Insolvenzverwalters aufgrund von Vorleistungen des Verkäufers – unabhängig von der streitigen rechtlichen Dogmatik – verrechnen.

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526, 527 f.; Gottwald-Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 35 Rn. 41; Uhlenbruck-Wegener, InsO, § 103 Rn. 172a; HambKo-Ahrendt, InsO, § 103 Rn. 46.

32 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen des Asset Deals neben vereinbarten Vollzugsbedingungen (u. a. Freigabe durch die Kartellbehörde bzw. Europäische Kommission) regelmäßig eine Vielzahl von Übertragungsakten als Erfüllungshandlungen des Verkäufers realisiert werden müssen. Die schnelle vollständige Erfüllung des Verkäufers kann daher im Rahmen eines Asset Deals regelmäßig nicht gewährleistet werden. Auf der anderen Seite führt auch die Verwendung von üblichen Kaufpreisanpassungsklauseln – variable Kaufpreisteile nach Bilanzaufstellung oder „EarnOut-Klauseln“ – zu einer Hinauszögerung der vollständigen Erfüllung durch Kaufpreiszahlung des Erwerbers und erhöhen insoweit das Risiko der Erfüllungsablehnung gemäß § 103 InsO bei einer Anschlussinsolvenz, soweit auch der Verkäufer aufgrund von erheblichen Mitwirkungspflichten (z. B. Erstellung von Bilanzen etc.) noch nicht vollständig seine Vertragspflichten erfüllt hat. Maßgeblich ist insoweit, dass die Erfüllung der synallagmatischen Hauptleistungspflichten nach herrschender Meinung für die vollständige Erfüllung i. S. d. § 103 InsO nicht ausreicht, sondern es auch auf die Erfüllung sämtlicher ergänzender selbstständiger Nebenpflichten ankommt. Vgl. MüKo-Huber, InsO, § 103 Rn. 123; Braun-Kroth, InsO, § 103 Rn. 18 f.; HambKo-Ahrendt, InsO, § 103 Rn. 10 ff.; Uhlenbruck-Wegener, InsO, § 103 Rn. 58 f. m. w. N.; BGH, Urt. v. 25.2.1983 – V ZR 20/82, ZIP 1983, 709; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 171 sowie Graf-Schlicker-Breitenbüchler, InsO, § 103 Rn. 8, wonach es sich um eine im Synallagma stehende Pflicht handeln muss.

33 Das Risiko einer Erfüllungsablehnung bei einer Anschlussinsolvenz des Verkäufers ist im Ergebnis grundsätzlich erst ausgeschlossen, wenn bei einem Vertragspartner vollständige Erfüllung i. S. d. § 103 InsO eingetreten ist und mithin entweder der Verkäufer die dinglichen Vollrechte als Hauptleistungspflicht im Rahmen des Unternehmenskaufs wirksam übertragen und etwaige ergänzende Nebenpflichten erfüllt oder der Erwerber seine Hauptleistungspflicht mit Zahlung des gesamten Kaufpreises erfüllt hat. Die vertragliche und tatsächliche Sicherstellung eines zügigen Vollzugs der jeweiligen Erfüllungshandlungen setzt insoweit erhöhte Anforderungen an den Asset Deal in der Krise. Die Vorleistung des Erwerbers hinsichtlich der Kaufpreiszahlung sollte selbstverständlich nur gegen hinreichende Sicherung erfolgen, die allerdings nicht erfüllungsschädlich sein darf (z. B. selbstschuldnerische Bankbürgschaft). Vgl. Wessels, ZIP 2004, 1237, 1243.

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III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung

a) Insolvenzanfechtung Sowohl die Veräußerung des kaufmännischen Unternehmens als Ganzes als 34 auch die jeweiligen Verfügungen über die einzelnen Vermögensgegenstände können gemäß §§ 129 ff. InsO angefochten werden, sofern durch die angefochtene Rechtshandlung eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten ist. Vgl. dazu K. Schmidt, BB 1988, 5 ff.; Braun-de Bra, InsO, § 129 Rn. 31; Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 226; HambKo-Rogge/Leptien, InsO, § 129 Rn. 50; UhlenbruckHirte/Ede, InsO, § 129 Rn. 391; MüKo-Kayser, InsO, § 129 Rn. 94.

Außer in den Fällen der §§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 2 InsO genügt bereits eine 35 mittelbare Benachteiligung, bei welcher nicht durch die anfechtbare Rechtshandlung selbst (unmittelbar), sondern durch weitere – bis zum Schluss der mündlichen Tatsachenverhandlung im Anfechtungsprozess hinzutretende – Umstände die (mittelbare) Gläubigerbenachteiligung verursacht wird. BGH, Urt. v. 9.12.1999 – IX ZR 102/97, ZIP 2000, 238, 241; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183, 1184; Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 129 Rn. 22 f.; MüKo-Kayser, InsO, § 129 Rn. 122 mit Beispielen zur mittelbaren Gläubigerbenachteiligung.

Die übrigen Voraussetzungen, unter denen ein späterer Insolvenzverwalter 36 Rechtshandlungen im Zuge eines Unternehmenskaufs vor der Insolvenz anfechten kann, hängen davon ab, ob der Kaufvertrag in den letzten drei Monaten vor Antragstellung oder davor wirksam wurde. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist selbstverständlich noch nicht bekannt, ob und wann ein Insolvenzantrag gestellt wird. Deshalb sind beide Alternativen, ein Vertragsschluss vor oder innerhalb der kritischen Dreimonatsfrist, zu betrachten. aa) Unternehmenskaufvertrag mehr als drei Monate vor Antragstellung Wird ein Insolvenzantrag erst mehr als drei Monate nach dem Unterneh- 37 menskaufvertrag gestellt, so kommen gemäß § 133 InsO die Vorsatzanfechtung sowie nach §§ 130, 131 InsO die Anfechtung von zur Erfüllung des Kaufvertrags vorgenommenen Verfügungen über Vermögensgegenstände des Schuldners in Betracht. Eine Anfechtung kommt gemäß § 133 InsO in Bezug auf die in den letzten 38 zehn Jahren vor Insolvenzantragstellung vorgenommenen Rechtshandlungen in Betracht, wenn dem Insolvenzverwalter der Nachweis gelingt, dass der Schuldner mit der Unternehmensveräußerung vor der Insolvenz die Möglichkeit einer Benachteiligung seiner übrigen Gläubiger billigend in Kauf nahm und der Käufer hiervon Kenntnis hatte. Die Kenntnis des Käufers wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn er die drohende Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 18 Abs. 2 InsO) und die Gläubigerbenachteiligung kannte. Auch wenn die Ausschöpfung der Zehn-Jahres-Frist in der Praxis nicht

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

relevant ist, kann die lange Anfechtungsfrist des § 133 InsO von erheblicher Bedeutung sein. Maßgeblich ist insoweit, dass der Erwerber aufgrund der Informationen im Rahmen der Due Diligence Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erlangen kann und zudem das Risiko einer Gläubigerbenachteiligung besteht, wenn im Rahmen des Asset Deals auch einzelne Verbindlichkeiten übernommen werden. Kommt es dann nach dem Unternehmensverkauf zur Insolvenz des Verkäufers, so erhalten die Insolvenzgläubiger nur die Insolvenzquote, die Gläubiger der übernommenen Verbindlichkeiten wurden dagegen vom Erwerber vollständig befriedigt. Vgl. MüKo-Kayser, InsO, § 129 Rn. 104, 123 zur mittelbaren Gläubigerbenachteiligung bei Erfüllung von Verbindlichkeiten des Schuldners.

39 Wegen des Risikos der mittelbaren Gläubigerbenachteiligung der Insolvenzgläubiger bei einer Anschlussinsolvenz sollte der Erwerber grundsätzlich möglichst keine dinglich ungesicherten Verbindlichkeiten des Verkäufers im Rahmen des Asset Deals übernehmen. Theoretisch wäre auch die Übernahme sämtlicher Verbindlichkeiten insolvenzanfechtungsrechtlich unbedenklich, jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Belastung (ohne bereits vorverhandelte Reduzierung wie beim Share Deal als Vollzugsbedingung) regelmäßig nicht umsetzbar. Lediglich die Übernahme von Verbindlichkeiten, deren Gläubigern ein Aussonderungsrecht zusteht (vgl. § 47 InsO) ist unschädlich, da insoweit objektiv keine Gläubigerbenachteiligung eintreten kann. Bei Gläubigern mit Absonderungsrechten (vgl. §§ 49, 50, 51 InsO) kommt ebenfalls keine Gläubigerbenachteiligung in Betracht, sofern deren Wert nicht den Nominalwert der übernommenen Verbindlichkeit überschreitet. BGH, Urt. v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509, 1511; BGH, Urt. v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585, 587; BGH, Urt. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585, 585; HK-Kreft, InsO, § 129 Rn. 60 f.; Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 129 Rn. 28; Uhlenbruck-Hirte/Ede, InsO, § 129 Rn. 180, 211; HambKo-Rogge/Leptien, InsO, § 129 Rn. 55.

40 Kommt mangels Gläubigerbenachteiligungsabsicht nur die Anfechtung der Erfüllungshandlungen in Betracht, so ist zwischen der kongruenten und der inkongruenten Deckung gemäß § 130 InsO bzw. § 131 InsO zu differenzieren. Hat der Käufer lediglich das erhalten, was er aufgrund des Unternehmenskaufvertrages vom Schuldner verlangen konnte („kongruente Deckung“), so besteht gemäß § 130 InsO das Risiko einer Anfechtung der Vermögensverfügung nur dann, wenn die Verfügung in den letzten drei Monaten vor Antragstellung vorgenommen wurde, der übertragende Unternehmensträger bereits zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war und der Erwerber zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit kannte. Die positive Kenntnis des Erwerbers von der Zahlungsunfähigkeit wird vermutet, wenn der Erwerber Umstände kannte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Diese Kenntnis wird der Erwerber häufig aufgrund der ihm im Rahmen der Due Diligence erschlossenen Informationen haben. Erfolgt die den Vertrag er12

III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung

füllende Verfügung erst nach Insolvenzantrag, was der Unternehmensträger selbst freilich nur kann, solange noch kein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt ist, so genügt es, wenn der Erwerber zum Zeitpunkt der Veräußerung den Eröffnungsantrag kannte. Hat der Erwerber etwas anderes erhalten, als er aufgrund des Unternehmens- 41 kaufvertrags verlangen konnte („inkongruente Deckung“), so ist die Verfügung, soweit sie im letzten Monat vor Antragstellung vorgenommen worden ist, in jedem Fall anfechtbar (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO); wenn sie im zweiten oder dritten Monat vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist, schon dann, wenn der Veräußerer zur Zeit der Handlung objektiv zahlungsfähig war oder dem Erwerber zum Zeitpunkt der Verfügung Umstände bekannt waren, die auf eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger schließen lassen (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 3 InsO). Eine Anfechtung der Verfügungsgeschäfte gemäß §§ 130, 131 InsO ist aller- 42 dings nach § 142 InsO ausgeschlossen, wenn die gleichwertigen Leistungen und Gegenleistungen der Parteien des Unternehmenskaufvertrages zeitnah ausgetauscht werden. Der Erwerber ist aber hinsichtlich der Voraussetzungen des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO darlegungs- und beweisbelastet. BGH, Urt. v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, NJW 2003, 360, 362; BGH, Urt. v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162, 1164; MüKo-Kirchhof, InsO, § 142 Rn. 25; Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 142 Rn. 14; K. Schmidt-Ganter/Weinland, InsO, § 142 Rn. 52.

Das Anfechtungsrisiko der Verfügungsgeschäfte gemäß §§ 130, 131 InsO 43 kann zudem durch Vorverlagerung des Vornahmezeitpunkts im Rahmen der Gestaltung des Unternehmenskaufvertrages gemindert werden, sofern hierdurch die Rechtshandlung außerhalb des Dreimonatszeitraums verlagert werden kann. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass bei bedingten oder befristeten Rechtshandlungen gemäß § 140 Abs. 3 InsO der anfechtungsrechtlich maßgebliche Zeitpunkt auf den Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände ohne den Eintritt der Bedingung oder des Termins vorverlegt wird. Mithin kann bereits durch Begründung eines Anwartschaftsrechts der Beginn der anfechtungsrechtlichen Dreimonatsfrist ausgelöst werden. Vgl. Wessels, ZIP 2004, 1237, 1239.

Wann und wie der Erwerber das Anwartschaftsrecht erwirbt, hängt jeweils 44 von den zu übertragenen Vermögensgegenständen ab. Aus Sicht des Erwerbers sollte möglichst bereits mit Unterzeichnung des Unternehmenskaufvertrages das jeweilige Anwartschaftsrecht an den Kaufgegenständen entstehen und zugleich könnte vereinbart werden, dass der Zufluss des Kaufpreises insoweit erst nach Ablauf der anfechtungsrechtlichen Dreimonatsfrist, nach Entstehen des Anwartschaftsrechts, erfolgt. Dies wird jedoch häufig beim Verkäufer nicht durchsetzbar sein.

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

bb) Unternehmenskaufvertrag erst in den letzten drei Monaten vor Antragstellung 45 Wird der Kaufvertrag erst in den letzten drei Monaten vor Antragstellung wirksam, so sind die ihn erfüllenden Verfügungsgeschäfte nach den soeben unter (1) geschilderten Voraussetzungen anfechtbar, der Kaufvertrag als die die schuldrechtlichen Verpflichtungen begründende Rechtshandlung zudem unter den Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 InsO. Dieser verlangt zusätzlich eine unmittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger durch den abgeschlossenen Unternehmenskaufvertrag. Eine solche Benachteiligung liegt vor, wenn nach dem Maßstab einer wirtschaftlichen ex post-Betrachtung nach einer Erfüllung des Kaufvertrags weniger Masse zur Verteilung zur Verfügung stünde als davor, wenn also insbesondere die vom Erwerber zu erbringende Gegenleistung unangemessen niedrig ist. Ein Preisabschlag wegen krisenbedingter Eilbedürftigkeit des Unternehmenskaufvertrages erhöht insoweit das Anfechtungsrisiko, da nachträglich ein höherer objektiver Marktwert festgestellt werden kann. Uhlenbruck-Ede/Hirte, InsO, § 132 Rn. 9; HambKo-Rogge/ Leptien, InsO, § 132 Rn. 10; nach a. A. besteht ein gewisser Bewertungsspielraum, vgl. Kübler/Prütting/Bork-Schoppmeyer, InsO, § 132 Rn. 29.

46 Die Beweislast für die verursachte unmittelbare Gläubigerbenachteiligung aufgrund des Unternehmenskaufvertrags nach § 132 InsO obliegt grundsätzlich dem Insolvenzverwalter. HambKo-Rogge/Leptien, InsO, § 132 Rn. 20; K. Schmidt-Ganter/Weinland, InsO, § 132 Rn. 50.

47 § 132 InsO ist Auffangtatbestand zu §§ 130 f. InsO. Deshalb richtet sich die Anfechtung der zur Erfüllung eines Unternehmenskaufvertrags getroffenen Verfügungen auch dann nach §§ 130 f. InsO (siehe dazu Rn. 37 ff.), wenn der zugrunde liegende Unternehmenskaufvertrag innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag geschlossen wurde. Dagegen ist der Abschluss des Kaufvertrags selbst keine den Vertragspartner i. S. v. §§ 130 f. InsO befriedigende oder ihm Sicherung gewährende Rechtshandlung, weil dessen Ansprüche durch den Vertragsschluss überhaupt erst begründet werden. Die Bedeutung einer an das zusätzliche Merkmal der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung geknüpften Anfechtung nach § 132 InsO liegt darin, dass durch die auf die Vorschrift gestützte Anfechtung des Kaufvertrags schon die vertragliche Grundlage für die in Erfüllung des Kaufvertrags geleisteten Verfügungen des Schuldners beseitigt wird, was die Inkongruenz dieser Leistungen i. S. v. § 131 Abs. 1 InsO und mithin ihre nach Nr. 1 – 3 dieser Vorschrift erleichterte Anfechtung begründet. Denn wird der Kaufvertrag erfolgreich nach § 132 Abs. 1 InsO angefochten, so konnte der Erwerber mangels wirksamen Vertrages etwa zu seinen Gunsten gemachte Verfügungen des Schuldners nicht beanspruchen (vgl. § 131 Abs. 1 InsO). Nicht zu beanspruchen im Sinne dieser Vorschrift ist auch die Befriedigung einer Forde14

III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung

rung, deren Rechtsgrundlage der Insolvenzverwalter durch eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung beseitigt hat. BGH, Urt. v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630, 635; Uhlenbruck-Ede/Hirte, InsO, § 131 Rn. 5.

cc) Geplante Gesetzesänderung Die Bundesregierung hat Ende 2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Verbes- 48 serung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz beschlossen. Durch die Klarstellungen insbesondere in den §§ 131, 133, 142 InsO sollen der Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten entlastet werden. BT-Drucks, 18/7054; vgl. hierzu Ahrens, ZRP 2016, 5 ff.

b) Der Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters aus § 143 Abs. 1 InsO Die aufgrund des Unternehmenskaufvertrags auf den Erwerber übertragenen 49 Vermögensgegenstände, für deren Verfügung ein Anfechtungsgrund besteht, muss der Erwerber nach § 143 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewähren. Der Umfang des Anspruchs entspricht dem Verlust, den die Insolvenzmasse 50 durch die angefochtene Rechtshandlung erlitten hat, nicht jedoch der beim Anfechtungsgegner eingetretenen Bereicherung. Die Erstattungspflicht kann deshalb über das vom Anfechtungsgegner durch die Rechtshandlung unmittelbar Erlangte hinausgehen und ist unabhängig davon, inwieweit der Anfechtungsgegner noch bereichert ist. BGH, Urt. v. 29.1.1964 – I b ZR 197/62, NJW 1964, 1319, 1321; Uhlenbruck-Ede/Hirte, InsO, § 143 Rn. 20 f.; HambKo-Rogge/ Leptien, InsO, § 143 Rn. 8; K. Schmidt-Büteröwe, InsO, § 143 Rn. 7; vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 16.4.1996 – 27 U 197/95, ZIP 1996, 1140, 1141: Rückgewähranspruch nach § 37 Abs. 1 KO ist kein Bereicherungsanspruch, § 818 BGB weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Die Erstattungspflicht besteht auch unabhängig davon, ob der Anfechtungs- 51 gegner durch die Herausgabe gegenüber Dritten ersatzpflichtig wird. BGH, Beschl. v. 24.5.2005 – IX ZR 77/03, NJW-RR 2005, 1283.

Problematisch ist der Umfang des Erstattungsanspruchs, wenn – was bei ei- 52 ner Betriebsfortführung nach einem Unternehmenskauf fast immer der Fall ist – sich der Wert des veräußerten Unternehmens zwischen der Übertragung an den Erwerber und Rückerstattung in die Insolvenzmasse verändert hat. Grundsätzlich gilt: Durch die Übertragung des Unternehmens und die zwischenzeitliche Fortführung durch den Erwerber darf der Masse kein Nachteil, aber auch kein unberechtigter Vorteil erwachsen, in dessen Genuss

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

sie ohne die Übertragung des Unternehmens bei dessen Fortführung durch den Schuldner bzw. den (vorläufigen) Insolvenzverwalter nicht gekommen wäre. Zwischenzeitliche Wertsteigerungen des Unternehmens erfasst der Anspruch aus § 143 Abs. 1 InsO deshalb nur dann, wenn sie auch bei einer Fortführung durch den Schuldner angefallen wären. Soweit das nicht der Fall ist, sind dem Anfechtungsgegner die von ihm erbrachten werterhöhenden Aufwendungen zu ersetzen und darf dieser Erträge zurückhalten, die allein auf von ihm gemachte Aufwendungen zurückgehen. So, allerdings allgemein für den Erstattungsanspruch aus § 143 Abs. 1 InsO, Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 143 Rn. 21; Kübler/Prütting/Bork-Jacoby, InsO, § 143 Rn. 52 ff.; vgl. auch BGH, Urt. v. 23.11.1995 – IX ZR 18/95, ZIP 1996, 83, 88 für den Fall notwendiger Verwendungen auf ein anfechtbar übertragenes Grundstück.

53 Worauf vom Erwerber zwischen Übertragung und Rückübertragung erwirtschaftete Gewinne oder Wertsteigerungen bzw. Wertminderungen beruhen, wird sich im Einzelfall selten eindeutig zuordnen lassen. Zumeist werden sie dem Zusammenspiel der schon mit der Übertragung auf den Erwerber gegebenen Umstände mit dessen unternehmerischem Engagement erwachsen. Ausgehend von der Rechtslage im allgemeinen Bereicherungsrecht lassen sich jedoch Grundregeln für die Erstattung von Nutzungen bzw. die Anrechnung von Wertsteigerungen oder -minderungen im Rahmen eines Anfechtungsanspruchs nach § 143 Abs. 1 InsO aufstellen. 54 Wertminderungen begründen grundsätzlich einen Wertersatzanspruch des Insolvenzverwalters entsprechend § 818 Abs. 2 BGB. Der zur Rückübertragung verpflichtete Erwerber muss, will er diesem Nachzahlungsanspruch entgehen, nachweisen, dass die Wertminderung auch bei Fortführung durch den Schuldner entstanden wäre. Anderenfalls würde – nimmt man den Erstattungsanspruch des Erwerbers aus § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO hinzu (siehe dazu Rn. 62 ff.) – im wirtschaftlichen Ergebnis die von § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO vorgegebene Beweislast hinsichtlich der in der Masse auf Grund der Kaufpreiszahlung noch vorhandenen Bereicherung umgekehrt. 55 Ebenso verbleiben Wertsteigerungen der zum Unternehmen gehörenden Gegenstände bei der Masse, die nicht von der unternehmerischen Betätigung des Unternehmensinhabers, sondern von der objektiven Marktentwicklung abhängen, wie z. B. der durch ein allgemeines Anziehen der Immobilienpreise erhöhte Wert eines Betriebsgrundstücks. Auch sind entsprechend § 818 Abs. 1 BGB Nutzungen herauszugeben, von denen der Insolvenzverwalter mindestens im Wege des ersten Anscheins nachweisen kann, dass sie ohne Veräußerung vom Schuldner im gleichen Maße gezogen worden wären. Ein solcher Anschein ist etwa dann begründet, soweit der Erwerber während der Dauer der Unternehmensfortführung regelmäßige Einnahmen erzielt hat, die zuvor bereits dem Schuldner in gleichem Maße zugeflossen waren.

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III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung

Nicht ganz so klar ist die Frage nach dem Verbleib des vom Erwerber ver- 56 einnahmten Unternehmensgewinns. Das ist auch bei der Übertragung im Rahmen der Insolvenz des Unternehmensträgers kein nur theoretisches Problem, weil häufig rentable Unternehmensteile abgetrennt und veräußert werden, auch wenn die dabei erzielte Liquidität nur einen begrenzten Zeitraum überbrückt und die Insolvenz des Unternehmensträgers letztlich doch nicht verhindert. Außerdem ist es nicht selten gerade das Verdienst des Erwerbers, das von ihm erworbene Unternehmen kraft eigener Anstrengungen wieder in die Gewinnzone geführt zu haben, z. B. unter Ausnutzung in seinem Konzernverbund verfügbarer gewerblicher Schutzrechte oder schlicht durch die Aufwendung dringend notwendiger Investitionen. Der vom Anfechtungsgegner kraft eigenen unternehmerischen Engagements 57 realisierte (zusätzliche) Gewinn sollte unseres Erachtens beim Anfechtungsgegner verbleiben. Das ist für den Kondiktionsanspruch im normalen Bereicherungsverhältnis allerdings umstritten. Vgl. MüKo-Schwab, BGB, § 818 Rn. 32 ff.: Unternehmenserträge fallen nach herrschender Auffassung unter den Begriff der Nutzungen i. S. v. § 818 Abs. 1 BGB.

Auch dort befürwortet man jedoch zum Teil, dem Bereicherungsschuldner 58 diejenigen Gewinnanteile zu belassen, die auf seiner eigenen Tätigkeit und Tüchtigkeit beruhen. MüKo-Schwab, BGB, § 818 Rn. 35; so auch für den Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen nach Rücktritt (§§ 347, 987 BGB a. F.) BGH, Urt. v. 11.5.1978 – VII ZR 55/77, NJW 1978, 1578, 1578.

Dies muss umso mehr für den Anspruch aus § 143 Abs. 1 InsO gelten, der 59 nicht den Schuldner als Partei des mit dem Erwerber geschlossenen unwirksamen Unternehmenskaufvertrags schützen soll, sondern dessen (Insolvenz-)Gläubiger, die vom Schuldner grundsätzlich nicht beanspruchen können, dass dieser sich über das bis zur Übertragung geübte Maß hinaus in seinem Unternehmen engagiere. Die praktische Schwierigkeit dieser Lösung besteht, beim allgemeinen Berei- 60 cherungsanspruch ebenso wie bei § 143 Abs. 1 InsO, allerdings darin, denjenigen Gewinnanteil, der auf die Tätigkeit des neuen Erwerbers zurückgeht, von demjenigen Gewinnanteil zu trennen, der aus der schlichten Fortführung des erworbenen Unternehmens resultiert. Wo dies nicht punktgenau gelingt, hilft eine Schätzung nach § 287 ZPO. Dafür BGH, Urt. v. 11.5.1978 – VII ZR 55/77, NJW 1978, 1578, 1578; dagegen nunmehr MüKo-Schwab, BGB, § 818 Rn. 34.

Immerhin spricht der Beweis des ersten Anscheins für den Verbleib desjeni- 61 gen Gewinnanteils beim Erwerber, um den dieser den zuvor vom Schuldner mit dem übertragenen Unternehmen(-steil) erwirtschafteten Gewinn steigern konnte. Ist es dem Erwerber gelungen, das Unternehmen für die Zeit seiner Inhaberschaft mit seinen Restrukturierungsmaßnahmen aus der Verlust- in

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

die Gewinnzone zu führen, so gebührt unseres Erachtens der gesamte in dieser Zeit erwirtschaftete Gewinn dem Erwerber. c) Der Anspruch des Erwerbers nach Erfüllung des Kaufpreisanspruchs aa) Fall 1: Anfechtung des Unternehmenskaufvertrags nach § 132 Abs. 1 InsO 62 Konnte der Insolvenzverwalter hinsichtlich der Übertragung des Unternehmens einen Erstattungsanspruch aus § 143 Abs. 1 InsO etwa i. V. m. §§ 130 f. InsO nur dadurch begründen, dass er den Unternehmenskaufvertrag selbst nach § 132 Abs. 1 InsO angefochten hat, so muss er auch einen bereits vom Erwerber gezahlten Kaufpreis erstatten. Dessen Anspruch ist nach § 144 Abs. 2 InsO Masseforderung, soweit der Kaufpreis – etwa auf einem gesonderten Konto des Schuldners – noch in der Masse unterscheidbar vorhanden ist oder die Masse noch um seinen Wert bereichert ist. Der Erwerber trägt also das Entreicherungsrisiko des Schuldners und muss ggf. die noch bestehende Bereicherung der Masse im Prozess beweisen. MüKo-Kirchhof, InsO, § 144 Rn. 17; Uhlenbruck-Hirte/Ede, InsO, § 144 Rn. 11; Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 144 Rn. 5; K. Schmidt-Büteröwe, InsO, § 144 Rn. 7 f.; HambKo-Rogge/ Leptien, InsO, § 144 Rn. 21.

63 Nach herrschender Meinung ist die Bereicherung der Masse auf den Zeitpunkt zu bestimmen, in dem der Anfechtungsgegner den zu erstattenden Vermögensgegenstand an den Insolvenzverwalter herausgegeben hat. Der Erstattungsanspruch des Anfechtungsgegners entsteht erst mit Vollzug der Herausgabe an den Insolvenzverwalter. Uhlenbruck-Hirte/Ede, InsO, § 144 Rn. 11; HambKo-Rogge/ Leptien, InsO, § 144 Rn. 21; wohl auch BGH, Urt. v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, ZIP 1986, 787, 790; a. A. Kübler/Prütting/ Bork-Jacoby, InsO, § 144 Rn. 31, wonach der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung maßgeblich sein soll.

64 Der Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters nach § 143 Abs. 1 InsO und der Erstattungsanspruch des Anfechtungsgegners nach § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO sind zwar keine in einem vertraglichen Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Ansprüche, doch steht dem Anfechtungsgegner gegen den Anspruch aus § 143 Abs. 1 InsO ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB aufgrund seines Erstattungsanspruchs zu, weil dieser auf demselben rechtlichen Verhältnis wie der Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters beruht. BGH, Urt. v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, ZIP 1986, 787, 790 zu §§ 37, 38 KO; BGH, Urt. v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061, 1066; HK-Kreft, InsO, § 144 Rn. 6; MüKo-Kirchhof, InsO, § 144 Rn. 18; Uhlenbruck-Hirte/Ede, InsO, § 144 Rn. 12; Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 144 Rn. 5; K. Schmidt-Büteröwe, InsO, § 144 Rn. 9; HambKo-Rogge/Leptien, InsO, § 144 Rn. 22.

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III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung

Durch etwaige Wertminderungen des Unternehmens zwischen Übertragung 65 auf den Erwerber und Rückerstattung in die Masse tritt jedoch keine Entreicherung der Masse ein, durch die sich der Anspruch des Anfechtungsgegners aus § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO ermäßigen würde. Denn diese Wertminderungen sind, sofern sie Folge der Unternehmensfortführung durch den Erwerber sind und bei einer Fortführung durch den Schuldner bzw. den (vorläufigen) Insolvenzverwalter nicht aufgetreten wären, bereits beim Anspruch des Insolvenzverwalters aus § 143 Abs. 1 InsO zu berücksichtigen und erhöhen diesen um einen entsprechenden Wertersatzanspruch (§ 818 Abs. 2 BGB). Soweit der Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters nach § 143 Abs. 1 InsO in einem solchen Wertersatz besteht, ist streitig, ob der Anspruch aus § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO, der Masseforderung ist, mit dem Wertersatzanspruch des Insolvenzverwalters verrechnet werden kann. Befürwortend, soweit keine Masseunzulänglichkeit vorliegt: Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 144 Rn. 5; Nerlich/RömermannNerlich, InsO, § 144 Rn. 11; HK-Kreft, InsO, § 143 Rn. 24; MüKo-Kirchhof, InsO, § 144 Rn. 16, 18; HambKo-Rogge/Leptien, InsO, § 144 Rn. 22; für eine generelle Aufrechnung von Geldansprüchen auch hinsichtlich der Insolvenzforderung bei Entreicherung der Insolvenzmasse sogar Kübler/Prütting/Bork-Jacoby, InsO, § 144 Rn. 13; ebenso nun auch Uhlenbruck-Ede/Hirte, § 143 Rn. 110, § 144 Rn. 13.

Im Ergebnis erscheint die Möglichkeit der Aufrechnung oder eines Zurück- 66 behaltungsrechts hinsichtlich des Masseanspruchs gemäß § 144 Abs. 2 InsO angemessen, um den Schutz des Erwerbers als Massegläubiger zu gewährleisten. Allerdings trägt der Erwerber das volle Entreicherungsrisiko, wenn der spätere Insolvenzschuldner den empfangenen Kaufpreis aus dem Unternehmensverkauf verbraucht hat. bb) Fall 2: Isolierte Anfechtung der Verfügungsgeschäfte Ist dem Insolvenzverwalter hingegen – ohne Vernichtung des Unterneh- 67 menskaufvertrags unter Rückgriff auf § 132 Abs. 1 InsO – die isolierte Anfechtung einer Rechtshandlung nach §§ 130 f. InsO gelungen, durch die der Schuldner in Erfüllung des Unternehmenskaufvertrags Vermögensgegenstände auf den Erwerber übertragen hat, so stellt sich die Situation für den Erwerber hingegen deutlich schlechter dar. Der gegen die Masse gerichtete Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises nach § 144 Abs. 2 InsO besteht nur nach Anfechtung auch des (schuldrechtlichen) Unternehmenskaufvertrags nach § 132 InsO, unter Umständen auch nach § 133 InsO. Dagegen sieht man bei der isolierten Anfechtung von Erfüllungshandlungen die Gegenleistung des Gläubigers für die konkrete Verfügung nicht in der Kaufpreiszahlung, die schuldrechtlich als Gegenleistung versprochen wurde, sondern lediglich in der mit der Erfüllungshandlung verbundenen Befreiung des Schuldners von einer Verbindlichkeit. Für die „Erstattung“ dieser Schuldbefreiung trifft § 144 Abs. 1 InsO eine abschließende Regelung. Deshalb lebt durch die

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

Rückgewähr einer isoliert angefochtenen Verfügung über einen Vermögensgegenstand nach § 144 Abs. 1 InsO lediglich der Anspruch des Erwerbers auf diesen Gegenstand wieder auf. MüKo-Kirchhof, InsO, § 144 Rn. 8; HK-Kreft, InsO, § 144 Rn. 3; Uhlenbruck-Hirte/Ede, InsO, § 144 Rn. 9; Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 144 Rn. 1; HambKo-Rogge/Leptien, InsO, § 144 Rn. 5.

68 Dieser Anspruch des Erwerbers auf die (erneute) Übertragung des Vermögensgegenstands ist dann nur Insolvenzforderung i. S. v. § 38 InsO, wird nach § 45 Satz 1 InsO in Geld umgerechnet und bei der Verteilung lediglich mit der Quote bedient. Gelingt mithin dem Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die isolierte Anfechtung der zur Erfüllung des Unternehmenskaufvertrags vom Schuldner vorgenommenen Verfügungen über die in den Vertrag einbezogenen Vermögensgegenstände, so muss der Erwerber diese an den Insolvenzverwalter erstatten, während ein bereits gezahlter Kaufpreis der Masse vollständig erhalten bleibt; der Anspruch des Erwerbers aus dem Unternehmenskaufvertrag auf Übertragung der einbezogenen Vermögensgegenstände nimmt als Insolvenzforderung lediglich in Höhe des nach § 45 Satz 1 InsO ermittelten objektiven Werts der zu übertragenden Vermögensgegenstände an der quotalen Verteilung des Schuldnervermögens teil. 69 Nicht selten wird der nach § 45 Satz 1 InsO nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmenskaufvertrages, sondern auf die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu schätzende objektive Wert der zu übertragenden Vermögensgegenstände hinter dem vom Erwerber bezahlten Kaufpreis zurückbleiben. Diese Minderung tritt neben den Ausfall des Erwerbers, den er ohnehin schon aufgrund der nur quotalen Bedienung seiner Forderung im Insolvenzverfahren des Verkäufers erfährt. Beide Komponenten führen dazu, dass der Erwerber bei isolierter Anfechtung der Erfüllungshandlungen des insolventen Verkäufers einen erheblichen Schaden bis zur Höhe des vollen von ihm gezahlten Kaufpreises erleiden kann. 70 Im Ergebnis ist jedenfalls bei einem nach den zugrunde liegenden Tatsachen erheblichem Anschlussinsolvenzrisiko des Verkäufers nicht zu empfehlen, einen Unternehmenskaufvertrag in der Krise des verkaufenden Unternehmens im Rahmen eines Asset Deals abzuschließen, sofern nicht ein sofort umsetzbares Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO mit unmittelbarem gleichwertigem Austausch von Leistung und Gegenleistung realisiert werden kann. Stattdessen kann der Erwerber unverbindliche Verkaufsverhandlungen führen, um sofort nach einem Insolvenzantrag bereits im Insolvenzantragsverfahren – vor der Verfahrenseröffnung – mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter über einen Asset Deal zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu verhandeln. Es ist auch nicht ratsam, mit dem Abschluss eines Asset Deals vor Insolvenzeröffnung darauf zu spekulieren, dass das Insolvenzgericht die Verfahrenseröffnung mangels Masse ablehnt und insoweit nur die Anfechtung des einzelnen Gläubigers außerhalb des Insolvenzverfahrens nach dem Anfechtungsgesetz droht.

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III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung

3. Weitere Risiken beim Unternehmenskauf vor Insolvenzantrag Weitere Risiken eines Unternehmenskaufs vor Stellung des Insolvenzantrags 71 ergeben sich aus allgemeinen, nicht insolvenzspezifischen Regeln, die an die Übernahme eines Unternehmens oder eines einheitlichen Betriebsteils anknüpfen. a) § 75 AO Der Erwerber eines Unternehmens oder eines in der Gliederung eines Un- 72 ternehmens gesondert geführten Betriebs haftet nach § 75 Abs. 1 AO für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet und die im letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahr entstanden sind. Immerhin beschränkt sich die Haftung nach Satz 2 der Vorschrift auf das übernommene Vermögen. Neben dem Erwerb des Unternehmens als Ganzes greift die Haftung auch ein, wenn ein in der Gliederung des veräußernden Unternehmensträgers gesondert geführter Teilbetrieb i. S. v. § 16 EStG erworben wird. Allgemein zur Haftung gemäß § 75 AO vgl. Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 4 Rn. 53 – 63.

Da die Haftung von der Kenntnis des Erwerbers unabhängig ist, sollte der 73 Erwerber vor Abschluss eines Unternehmenskaufs mit Zustimmung des Verkäufers beim zuständigen Finanzamt eine Auskunft über etwaige Steuerschulden einholen. Ohne Zustimmung des Verkäufers ist die Finanzbehörde an einer solchen Auskunft durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) gehindert. Im Kaufvertrag vereinbarte Unbedenklichkeitsbescheinigungen durch den Veräußerer können lediglich Schadensersatzansprüche des Erwerbers gegen den Veräußerer auslösen, die in dessen Insolvenz wiederum nur quotal bedient werden. Vertragliche Haftungsfreistellungen sind gegenüber den Finanzbehörden 74 unwirksam. Ein aus ihnen erwachsender Freistellungsanspruch des Erwerbers ist in einem späteren Insolvenzverfahren nur dann Masseforderung, wenn der Erwerber den Unternehmenskaufvertrag mit dem verfügungsberechtigten („starken“) Insolvenzverwalter geschlossen hat. Anderenfalls handelt es sich lediglich um eine Insolvenzforderung. Sind erhebliche Steuerschulden zu befürchten, so sollte aufgrund des be- 75 trächtlichen Haftungsrisikos für den Erwerber der Unternehmenskauf erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens realisiert werden, da nach § 75 Abs. 2 AO die steuerliche Haftung des Unternehmenserwerbers beim Kauf aus dem eröffneten Insolvenzverfahren nicht anwendbar ist. b) § 25 HGB Der Erwerber haftet sogar für alle in dem zu erwerbenden Handelsgeschäft 76 begründeten Verbindlichkeiten des Verkäufers nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, 21

A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

wenn er das erworbene Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne einen Nachfolgezusatz fortführt. Ob eine Firmenfortführung i. S. d. § 25 HGB vorliegt, ist aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise zu beantworten. Entscheidend ist, dass der prägende Teil der alten Firmierung in der neuen Firmierung beibehalten bzw. übernommen wird, sodass der Verkehr darin eine Fortführung des Unternehmens erblickt. Auf eine wort- und buchstabengetreue Übernahme der Firma kommt es insoweit nicht an. Vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 324/01, NZG 2004, 716 f.; BGH, Urt. v. 28.11.2005 – II ZR 355/03, NJW 2006, 1001, 1002; BGH, Urt. v. 16.9.2009 – VIII ZR 321/08, NJW 2010, 236, 237; BGH, Urt. v. 5.7.2012 – III ZR 116/11, NZG 2012, 916, 917; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2004 – I-24 U 34/04, NZG 2005, 176.

77 Für die Anwendung von § 25 HGB genügt auch bereits der Teilerwerb eines Unternehmens, sofern diejenigen Teile, die den nach außen in Erscheinung tretenden wesentlichen Unternehmenskern bestimmen, übertragen werden. Für die Frage, ob der wesentliche Kernbereich eines Unternehmens fortgeführt wird, soll insbesondere auch der hierdurch übernommene Ertragswert des Unternehmensteils maßgeblich sein. Vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2009 – II ZR 229/08, NZG 2010, 112 f.; BGH, Urt. v. 5.7.2012 – III ZR 116/11, NZG 2012, 916, 917; vgl. auch die Urteilsbesprechung hierzu von Müller/Kluge, NZG 2010, 256 ff.; OLG Köln, Urt. v. 11.11.2005 – 10 U 1325/04, NZG 2006, 477, 478.

78 Übernimmt der Erwerber die Firma des Verkäufers, so ist diesem Haftungsrisiko, sofern die Übernahme der Verbindlichkeiten des Verkäufers durch den Erwerber nicht zugleich der Vereinbarung im Unternehmenskaufvertrag entspricht, durch eine abweichende Vereinbarung zu begegnen, die nach § 25 Abs. 2 HGB in das Handelsregister einzutragen und bekannt zu machen ist. Das Registergericht hat die Eintragung des Haftungsausschlusses bereits dann vorzunehmen, wenn die Möglichkeit der Haftungsvoraussetzungen nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB zumindest ernsthaft in Betracht kommt. Vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2012 – III ZR 116/11, NZG 2012, 916, 917; OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 1.12.2012 – 2 W 192/11, FGPrax 2012, 126; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.3.2010 – 8 W 139/10, NZG 2010, 628 betreffend den Erwerb einzelner Vermögensgegenstände vom Insolvenzverwalter; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.6.2003 – 3 Wx 108/03, NZG 2003, 774, 776; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 23.6.2005 – 20 W 272/05, NZG 2005, 846, 847.

79 Ein späterer Insolvenzverwalter des Verkäufers kann den Haftungsausschluss nicht nach §§ 129 ff. InsO anfechten. Soweit sich der Erwerber nicht i. S. v. § 25 Abs. 3 HGB gesondert zur Haftungsübernahme verpflichtet hat oder die Übertragung der Einzelobjekte oder des gesamten Unternehmenskaufvertrags anfechtbar ist, entgeht durch den nach § 25 Abs. 2 HGB vereinbar-

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III. Phase 1: Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung

ten, eingetragenen und bekannt gemachten Haftungsausschluss der Wert des veräußerten Unternehmens dem Zugriff des Insolvenzverwalters. Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 25 Rn. 16; Weimar, MDR 1964, 566, 567.

c) § 613a BGB Im Hinblick auf die mit dem veräußerten Betrieb oder Betriebsteil verbun- 80 denen Arbeitsverhältnisse besteht für den Erwerber das Eintrittsrisiko nach § 613a Abs. 1 BGB. Für die vor dem Betriebsübergang entstandenen Forderungen der Betriebsarbeitnehmer haftet der Erwerber nach § 613a Abs. 2 BGB. Nachdem der EuGH in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hatte, dass die § 613a BGB zugrunde liegende Richtlinie (RL 77/187/EWG, inzwischen aufgehoben durch RL 2001/23/EG) nicht den Betriebsübergang aufgrund eines Konkurses erfasse, das nationale Recht jedoch über die Richtlinie hinausgehen und deren Anforderungen auch an Veräußerungen in der Insolvenz anlegen dürfe, wendete das BAG § 613a BGB auf Betriebsveräußerungen durch den Insolvenzverwalter an. EuGH, Urt. v. 7.2.1985 – Rs. 135/83 H.B.M. Abels ./. Bestuur van de Bedrijfsvereniging voor de Metaalindustrie en de Electrotechnische Industrie, Slg. 1985, 469 ff.; BAG, Urt. v. 17.1.1980 – 3 AZR 160/79, NJW 1980, 1124 ff.; bestätigt durch BAG, Urt. v. 19.5.2005 – 3 AZR 649/03, ZIP 2005, 1706, 1708.

Der Gesetzgeber hat hieran bei Einführung der Insolvenzordnung nichts ge- 81 ändert, wenngleich die noch in § 61 KO enthaltene Privilegierung von Arbeitsentgeltansprüchen entfallen ist. BAG, Urt. v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, NZI 2003, 222, 225; vgl. dazu Lembke, BB 2007, 1333, 1333; Wisskirchen/Bissels, BB 2009, 2142, 2144.

Allerdings machte das BAG für die Betriebsveräußerung nach der Eröffnung 82 des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Veräußerers eine entscheidende Einschränkung. § 613a BGB ist bei einer Betriebsveräußerung aus der Insolvenz nicht auf diejenigen Ansprüche der Arbeitnehmer anzuwenden, die bereits bei Insolvenzeröffnung entstanden waren. Grund ist, dass die übernommene Belegschaft anderenfalls auch für die bereits vor Verfahrenseröffnung entstandenen Ansprüche einen neuen zahlungskräftigen Haftungsschuldner erhielte. Dies würde sie nicht nur zulasten des Erwerbers begünstigen, sondern zudem – entgegen dem Grundsatz „par conditio creditorum“ – auch die übrigen Insolvenzgläubiger benachteiligen, weil der Betriebserwerber mit Rücksicht auf die übernommene Haftung in der Regel einen entsprechend geringeren Kaufpreis zahlen würde. Deshalb könne ein Erwerber des notleidenden Betriebs z. B. durch Vereinbarung mit den übernommenen Arbeitnehmern die Grundsätze der betrieblichen Altersversorgung einschränken oder aufheben.

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz BAG, Urt. v. 17.1.1980 – 3 AZR 160/79, NJW 1980, 1124 ff.; BAG, Urt. v. 18.11.2003 – 9 AZR 347/03, NZA 2004, 654, 655 f.; BAG, Urt. v. 19.12.2006 – 9 AZR 230/06, BB 2007, 1281, 1282; ErfKoArbR-Preis, BGB, § 613a Rn. 146; Berkowsky, NZI 2007, 386, 388.

83 Nach dieser Rechtsprechung stellt sich die Haftungssituation eines Unternehmenserwerbers – ähnlich wie bei § 75 AO – bei einem Erwerb aus der Insolvenzmasse deutlich besser dar. Hinzu kommt, dass in denjenigen Fällen, in denen der Betriebsübergang mit einer Betriebsänderung i. S. v. § 111 Satz 3 BetrVG einhergeht, die in §§ 111 ff. BetrVG geregelten Möglichkeiten der Mitbestimmung in der Insolvenz des (veräußernden) Betriebsinhabers durch §§ 121 ff. InsO deutlich eingeschränkt sind. Zwar ist der Betriebsübergang für sich genommen nach herrschender Meinung noch keine Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG. BAG, Beschl. v. 17.2.1981 – 1 ABR 101/78, NJW 1981, 2716, 2716 für den Fall der Betriebsaufspaltung; BAG, Beschl. v. 17.3.1987 – 1 ABR 47/85, NZA 1987, 523, 523; BAG, Urt. v. 15.12.2011 – 8 AZR 692/10, NZA-RR 2012, 570, 575; ErfKoArbR-Kania, BetrVG, § 111 Rn. 12; Nerlich/Römermann-Hamacher, InsO, § 125 Rn. 10; a. A. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.10.1978 – 9 TaBV 4/78, DB 1979, 114, 115; Karthaus, AuR 2007, 114, 115 f.

84 Doch liegt eine Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG schon dann vor, wenn anlässlich des Betriebsübergangs grundsätzlich neue Arbeitsstrukturen eingeführt (§ 111 Satz 3 Nr. 5 BetrVG) oder – was häufig sein wird – ein Personalabbau durchgeführt werden soll (§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG: Einschränkung wesentlicher Betriebsteile). Die Mitbestimmungsrechte gemäß §§ 111 ff. BetrVG schließt § 613a BGB, wenn es anlässlich eines Betriebsübergangs zu einer damit verbundenen Betriebsänderung kommt, nicht aus. BAG, Beschl. v. 25.1.2000 – 1 ABR 1/99, NZA 2000, 1069, 1070.

IV. Phase 2: Unternehmenskauf im Insolvenzeröffnungsverfahren 1. Grundsatz 85 In der Zeit zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung setzen sich die oben (siehe Rn. 24 ff.) für einen Unternehmenskauf in der Zeit vor Stellung des Insolvenzantrags dargestellten Risiken fort, wobei der Insolvenzantrag wegen der zusätzlichen Anfechtungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO) insbesondere die Anfechtungsrisiken erhöht. 2. Besonderheit: Sicherungsanordnungen nach §§ 21 ff. InsO 86 Zumeist wird das Gericht von der durch §§ 21 ff. InsO gegebenen Möglichkeit Gebrauch machen, Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Solche Anordnungen beschränken die Möglichkeit eines Asset Deals. Von den in § 21 Abs. 2 InsO genannten Anordnungen ist dabei lediglich die Bestellung eines

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IV. Phase 2: Unternehmenskauf im Insolvenzeröffnungsverfahren

vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO) relevant, dessen Befugnisse und mithin dessen notwendige Einbindung in den Asset Deal davon abhängen, ob das Gericht Verfügungen des Schuldners unter den Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters stellt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) oder mit der Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots für den Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über dessen Vermögen gänzlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter überträgt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO). a) Zustimmungsvorbehalt („schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter) Beim Zustimmungsvorbehalt bleibt die Veräußerung von Vermögensgegens- 87 tänden durch den Schuldner und mithin auch des vollständigen Unternehmens oder abgeschlossener Unternehmensteile grundsätzlich möglich, doch ist die Verfügung ohne die Zustimmung des vorläufigen („schwachen“) Insolvenzverwalters nach § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam. Stimmt der vorläufige Insolvenzverwalter nicht zu, kann der Erwerber einen bereits gezahlten Kaufpreis zwar nach § 81 Abs. 1 Satz 3 InsO als Masseforderung geltend machen, allerdings nur, soweit die Masse noch um den Kaufpreis bereichert ist. Der Umfang dieses Anspruchs richtet sich nach §§ 818, 819 BGB. Anders als § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO gewährt § 81 Abs. 1 Satz 3 InsO, vorrangig zum Bereicherungsanspruch, keinen Anspruch auf Erstattung einer in der Insolvenzmasse noch unterscheidbar vorhandenen Gegenleistung. Deshalb kommt es hier nur auf die bereits oben (siehe Rn. 49 ff.) geschilderte bereicherungsrechtliche Rückabwicklung der bereits ausgetauschten Leistungen an. Dabei sind dieselben Maßstäbe anzusetzen, weil ein durch das Insolvenzgericht angeordneter Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO ebenso wie die Anfechtungsansprüche nach §§ 129 ff. InsO den Insolvenzgläubigern entsprechend dem Grundsatz der „par conditio creditorum“ den gleichrangigen Zugriff auf eine ungeschmälerte Insolvenzmasse sichern soll. Selbst wenn der gegen die Masse gerichtete Bereicherungsanspruch nach § 88 88 Abs. 1 Satz 3 InsO der Höhe nach auf die Erstattung des gesamten Kaufpreises gerichtet ist, muss der Erwerber mit der nur quotalen Befriedigung seiner Rückzahlungsforderung rechnen, wenn die Masse unzulänglich i. S. v. § 208 Abs. 1 InsO ist. b) Übertragung der Verfügungsbefugnis („starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter) aa) Möglichkeit der Unternehmensveräußerung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter Wird ein sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, so geht mit 89 der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots nach § 22 Abs. 1 Satz 2 InsO die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf diesen über. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO hat der vorläufige Insolvenzverwal-

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

ter ein bis dahin vom Schuldner betriebenes Unternehmen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stilllegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden. 90 Häufig werden dem starken vorläufigen Insolvenzverwalter gerade unmittelbar nach Antragstellung besonders günstige Angebote für eine Unternehmensveräußerung unterbreitet. Denn zu diesem Zeitpunkt ist das Unternehmen zumeist noch werbend aktiv und das Vertrauen der Arbeitnehmer und der Geschäftspartner in das Unternehmen noch nicht gänzlich verloren. Auf der anderen Seite besteht bei einer allzu schnellen Veräußerung des Unternehmens die Gefahr, dass Insider wie Gesellschafter oder Geschäftsführer des Schuldners ihren Wissensvorsprung vor anderen potenziellen Interessenten nutzen und dem vorläufigen Insolvenzverwalter schon unmittelbar nach Antragstellung ein Übernahmeangebot etwa im Rahmen eines „ManagementBuy-Outs“ unterbreiten, das der vorläufige Insolvenzverwalter – zusätzlich zur Begutachtung der Insolvenzgründe und innerhalb der regelmäßigen dreimonatigen Eröffnungsphase – nur unter großem Zeitdruck prüfen kann und das ihn unter Umständen davon abhält, nach Insolvenzeröffnung mit weiteren Kaufinteressenten zu verhandeln. 91 Ob angesichts des Fortführungsgebots in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO der starke vorläufige Insolvenzverwalter nach geltendem Recht überhaupt die Möglichkeit hat, das Unternehmen zu veräußern, ist umstritten. Eine Verwertung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens sieht § 159 InsO erst für das eröffnete Verfahren und dort sogar erst für die Zeit nach dem ersten Berichtstermin vor, während das vorläufige Insolvenzverfahren durch den in §§ 21 ff. InsO zum Ausdruck kommenden Sicherungszweck der in diesem Stadium durch Insolvenzgericht oder vorläufigen Insolvenzverwalter zu treffenden Maßnahmen geprägt ist. Zwar ist nicht jede Veräußerung eines einzelnen Massegegenstands schon eine Verwertungshandlung, sondern kann auch im Rahmen der nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO das Vermögen des Schuldners sichernden und erhaltenden Verwaltung erfolgen. Vgl. Kirchhof, ZInsO 1999, 436, 436 f. zur Abgrenzung zwischen erhaltender und fortführender Verwaltung einerseits und Verwertung andererseits.

92 Doch sprengt jedenfalls die Veräußerung des gesamten Schuldnerunternehmens oder abgeschlossener Unternehmensteile den durch den Sicherungszweck vorgegebenen Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens. Vallender, GmbHR 2004, 543, 544.

93 Der BGH ließ in einem früheren Urteil zum Sequester lediglich offen, ob von diesem Grundsatz ausnahmsweise abgewichen werden kann, wenn die Sicherung des Schuldnervermögens im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Eröffnung des Verfahrens dies zwingend gebietet.

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IV. Phase 2: Unternehmenskauf im Insolvenzeröffnungsverfahren BGH, Urt. v. 11.4.1988 – II ZR 313/87, ZIP 1988, 727, 728 f.; für eine solche Ausnahme OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.1991 – 22 U 202/91, ZIP 1992, 344, 346.

Mit dem OLG Düsseldorf gestattet ein Teil des Schrifttums in seltenen Aus- 94 nahmefällen dem vorläufigen Insolvenzverwalter, bereits im Eröffnungsverfahren das Schuldnerunternehmen zu veräußern oder auf eine Auffanggesellschaft zu übertragen, wenn sich diese Maßnahme als für den Gläubiger günstigste Verwertungsart darstellt und gleichzeitig zur Erhaltung des „Good Will“ erforderlich ist. Dies sei vor allem dann möglich, wenn sich eine „exorbitant günstige Verwertungsmöglichkeit“ biete und der Schuldner zustimme. Zusätzlich wird dem vorläufigen Insolvenzverwalter empfohlen, zur Haftungsabsicherung die Zustimmung des Insolvenzgerichts einzuholen. Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 22 Rn. 41; MüKo-Haarmeyer, InsO, § 22 Rn. 81; zu entsprechenden Überlegungen der BundLänder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“ vgl. Graf-Schlicker/ Remmert, NZI 2001, 569, 573 f.

Selbst wenn man dem folgt, ist für die Praxis von einem Unternehmenser- 95 werb vom starken vorläufigen Insolvenzverwalter abzuraten, weil sich die Unsicherheit, ob die von der zitierten Ansicht aufgestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Erwerbs gegeben sind, kaum beherrschen lässt und als Ausnahme den allgemeinen Grundsätzen des Insolvenzeröffnungsverfahrens widerspricht. Vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 195/00, NJW 2001, 1496, 1497; BGH, Urt. v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, NZI 2003, 259, 260; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 22 Rn. 41; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 22 Rn. 89; HambKo-Schröder, InsO, § 22 Rn. 41.

Da allerdings bei einer Verfügung durch den starken vorläufigen Insolvenz- 96 verwalter keine Anfechtungsrisiken bestehen (dazu näher Rn. 100 f.), kann sich der Käufer dies ausnahmsweise zunutze machen, indem der Kaufvertrag schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem starken vorläufigen Insolvenzverwalter geschlossen wird. Die Ansprüche des Käufers sind dann Masseforderungen (§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO). Nach der Verfahrenseröffnung sollte sich der Käufer den Kaufvertrag vom Insolvenzverwalter sicherheitshalber bestätigen lassen. Es bleiben jedoch die zusätzlichen sonstigen Haftungsrisiken, insbesondere gemäß § 613a BGB, § 25 HGB und § 75 AO, zu berücksichtigen. bb) Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens Der Ende April 2003 vom Bundesministerium der Justiz vorgelegte Entwurf 97 eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung sah eine neu zu fassende Nr. 2 des § 22 Abs. 1 InsO vor, die unter den Voraussetzungen, unter denen schon jetzt eine Stilllegung des Betriebs in Betracht käme, mit Zustimmung

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

des Insolvenzgerichts die Veräußerung des Unternehmens an einen Dritten zulassen sollte. Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze, abgedruckt in ZVI 2003, Beilage 1; zu der darin vorgeschlagenen Möglichkeit einer Unternehmensveräußerung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter vgl. Sabel, ZIP 2003, 781, 782.

98 Das Vorhaben ist allerdings aufgrund des Widerspruchs zu dem Grundsatz, dass der vorläufige Insolvenzverwalter kein Recht zur Verwertung der Insolvenzmasse hat und insbesondere wegen der fehlenden Beteiligung des Schuldners an der zu treffenden Verkaufsentscheidung, in einer Phase, in der noch keineswegs abzusehen ist, ob der – etwa von einem einzelnen Gläubiger gestellte – Insolvenzantrag Erfolg haben wird, auf Kritik gestoßen. Vgl. Pape, ZInsO 2003, 389, 391; ders., NZI 2007, 425, 426; Pannen/ Riedemann, NZI 2006, 193, 195; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 21 Rn. 9e ff.; Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618, 621.

99 Das am 1. Juli 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens hat die Möglichkeit der Unternehmensveräußerung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter nicht aufgenommen. Jedoch ist der Wortlaut des § 158 InsO, der bis zur Gesetzesänderung vor dem Berichtstermin nur die Stilllegung des Schuldnerunternehmens durch den Insolvenzverwalter erlaubte, um die Möglichkeit der Unternehmensveräußerung durch den Insolvenzverwalter vor dem Berichtstermin ergänzt worden. c) Anfechtbarkeit von Verfügungen durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter 100 Immerhin ist das Risiko einer Anfechtung bei einer Veräußerung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter eingeschränkt. Die zutreffende herrschende Meinung schließt die Anfechtung von Rechtshandlungen des starken vorläufigen Insolvenzverwalters aus, sofern er als Organ der Insolvenzmasse Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO begründet und insoweit im Interesse des schutzwürdigen Vertrauens des Rechtsverkehrs keine anfechtungsrechtliche Rückabwicklung droht. Vgl. nunmehr BGH, Urt. v. 20.10.2014 – IX ZR 164/13, NJW 2014, 1737, 1738; zuvor bereits Kirchhof, ZInsO 2000, 297, 297; Uhlenbruck-Hirte/Ede, InsO, § 129 Rn. 140; HK-Kreft, InsO, § 129 Rn. 32; Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 129 Rn. 14; anders für den Fall insolvenzzweckwidriger Zahlungen das OLG Dresden, Urt. v. 29.1.2004 – 13 U 2163/03, ZInsO 2005, 1221, 1222.

101 Die zum Teil eingeforderten Ausnahmen für den Fall eines vom Insolvenzverwalter bei Vornahme der Rechtshandlung gemachten Anfechtungsvorbehalts und einer vom Anfechtungsgegner erzwungenen Rechtshandlung werden bei der Unternehmensveräußerung nicht relevant.

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IV. Phase 2: Unternehmenskauf im Insolvenzeröffnungsverfahren

d) Anfechtbarkeit von Verfügungen durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter Rechtshandlungen eines ohne Übertragung der Verfügungsbefugnis bestell- 102 ten vorläufigen („schwachen“) Insolvenzverwalters sind hingegen, soweit sie dem Schuldner zurechenbar sind, wie dessen eigene Rechtshandlungen grundsätzlich anfechtbar. BGH, Urt. v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, ZIP 2003, 810, 811; BGH, Urt. v. 13.3.2003 – IX ZR 56/02, ZIP 2003, 855, 856; BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, NZI 2005, 218, 219; BGH, Urt. v. 20.10.2014 – IX ZR 164/13, NJW 2014, 1737, 1738; OLG Stuttgart, Urt. v. 24.7.2002 – 3 U 14/02, ZIP 2002, 1900, 1901; Uhlenbruck-Hirte/Ede, InsO, § 129 Rn. 142 ff.; HK-Kreft, InsO, § 129 Rn. 31; Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 129 Rn. 15.

Etwas anderes gilt entsprechend den Grundsätzen zum starken vorläufigen 103 Insolvenzverwalter, wenn dieser ausnahmsweise zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im konkreten Einzelfall des Rechtsgeschäfts vom Insolvenzgericht ermächtigt war. BGH, Urt. v. 20.10.2014 – IX ZR 164/13, NJW 2014, 1737, 1738; Uhlenbruck-Hirte/Ede, InsO, § 129 Rn. 141.

Im Rahmen eines Unternehmensverkaufs durch den schwachen vorläufigen 104 Insolvenzverwalter sollte insoweit auf eine konkret hierfür erteilte Einzelermächtigung geachtet werden. Liegt die Einzelermächtigung nicht vor, so kann sich der Vertragspartner ausnahmsweise noch auf einen Vertrauenstatbestand gegenüber dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter berufen, wenn er als Anfechtungsgegner berechtigterweise auf die Insolvenzfestigkeit der Rechtshandlungen vertrauen durfte, tatsächlich darauf vertraut hat und dieses Vertrauen schutzwürdig ist, eine Anfechtung deshalb also treuwidrig wäre. BGH, Urt. v. 13.3.2003 – IX ZR 56/02, ZIP 2003, 855, 856; BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, ZIP 2005, 218, 220; BGH, Urt. v. 15.12.2005, IX ZR 156/04, ZIP 2006, 431, 433; OLG Stuttgart, Urt. v. 24.7.2002 – 3 U 14/02, ZIP 2002, 1900, 1902; OLG Celle, Urt. v. 12.12.2002 – 13 U 56/02 ZIP 2003, 412, 413.

Ein solcher Vertrauenstatbestand liegt vor, wenn der vorläufige Insolvenz- 105 verwalter der Erfüllung vertraglicher Ansprüche im Rahmen des Vertragsschlusses vorbehaltlos zustimmt. Wegen der Einbindung des vorläufigen Insolvenzverwalters in den Vertragsschluss darf der Gläubiger nach Treu und Glauben davon ausgehen, das empfangene Recht als Erfüllungsleistung behalten zu dürfen (Fall des „venire contra factum proprium“). Ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand scheidet grundsätzlich aus, wenn die Rückforderung ausdrücklich vorbehalten wird oder der Insolvenzverwalter der Erfüllungshandlung zwar zustimmt, diese jedoch nicht im Zusammenhang mit einem neuen Vertragsschluss steht.

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, NZI 2005, 218, 220; vgl. Uhlenbruck-Hirte/Ede, InsO, § 129 Rn. 142 ff. m. w. N.

106 Eine allein durch Ausnutzung besonderer Marktstärke oder sonstiger wirtschaftlicher Zwänge „erpresste“ Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters schafft zwar keinen nach Treu und Glauben schützenswerten Vertrauenstatbestand, jedoch ist der Insolvenzverwalter im Rahmen eines Anfechtungsprozesses für die entsprechenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig. BGH, Urt. v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, ZIP 2006, 431 ff.; vgl. auch de Bra, LMK 2005, 95 f.

107 Im Ergebnis besteht beim Unternehmenskauf mit Zustimmung des (schwachen) vorläufigen Insolvenzverwalters im Insolvenzeröffnungsverfahren zwar nur ein geringes Anfechtungsrisiko, jedoch scheidet in der Praxis der Erwerb regelmäßig aufgrund sonstiger Haftungsrisiken (§ 613a BGB, § 25 HGB, § 75 AO) und der fehlenden Verwertungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters aus. 3. Vorläufige Eigenverwaltung 108 Im Rahmen des ESUG wurde im Insolvenzeröffnungsverfahren die Möglichkeit der Eigenverwaltung gemäß den §§ 270a und 270b InsO eingeführt. In diesem Fall wird anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters ein vorläufiger Sachwalter bestellt, der allerdings hinsichtlich seiner Befugnisse und Kompetenzen nicht mit Ersterem vergleichbar ist. Der Schuldner behält im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, allerdings nicht schrankenlos, da er die Überwachungs- und Mitwirkungsrechte des vorläufigen Sachwalters gemäß §§ 274 f. InsO zu beachten hat. Die Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters richtet sich gemäß § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO nach der Aufgabenteilung im eröffneten Verfahren gemäß den §§ 274 f. InsO, wonach er primär zur Überwachung der wirtschaftlichen Lage, insbesondere der gewöhnlichen Geschäftsführung des Schuldners im Insolvenzeröffnungsverfahren, verpflichtet ist. Lediglich bei nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörenden Rechtsgeschäften besteht gemäß § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO ein Zustimmungsvorbehalt. Im Übrigen stehen dem vorläufigen Sachwalter ein Widerspruchsrecht und umfassende Informations-, Auskunfts- und Einsichtsrechte zu. Auch die Kassenführung kann ihm gemäß § 275 Abs. 2 InsO bereits im vorläufigen Verfahren übertragen werden. 109 Verstößt der Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren gegen Mitwirkungs- und Informationspflichten des vorläufigen Sachwalters, so hat der vorläufige Sachwalter das Insolvenzgericht sowie ggf. den vorläufigen Gläubigerausschuss zu informieren. Das Insolvenzgericht kann dann von Amts wegen die vorläufige Eigenverwaltung aufheben, wenn der Schuldner erhebliche gläubigerschädigende Handlungen vornimmt oder sonstige Umstände i. S. v.

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IV. Phase 2: Unternehmenskauf im Insolvenzeröffnungsverfahren

§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO bekannt werden, sodass die Eigenverwaltung nicht mehr nachteilsfrei fortgeführt werden kann. Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270a Rn. 13; Kübler/Prütting/ Bork-Pape, InsO, § 270a Rn. 24.

Da der Schuldner im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung die Verwal- 110 tungs- und Verfügungsbefugnis behält, sind auch seine Rechtshandlungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich gemäß den §§ 129 ff. InsO anfechtbar. Für die Insolvenzanfechtung ist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Eigenverwaltung gemäß § 280 InsO der Sachwalter zuständig. Lediglich bei einer Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 270b Abs. 3 InsO oder bei konkreter Einzelermächtigung des Insolvenzgerichts gegenüber dem Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren kommt keine spätere Insolvenzanfechtung dieses Rechtsgeschäfts in Betracht. Ob ausnahmsweise auch der vorläufige Sachwalter wie der vorläufige Insolvenzverwalter einen Vertrauenstatbestand im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung schaffen kann, obwohl seine Einbindung in Rechtsgeschäfte mangels allgemeinen Zustimmungsvorbehalts wie beim vorläufigen Insolvenzverwalter nicht als gleichwertig angesehen werden kann, ist derzeit streitig und unseres Erachtens eher abzulehnen. Vgl. zum aktuellen Streitstand der Anfechtung von Rechtshandlungen im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren UhlenbruckZipperer, InsO, § 270a Rn. 23 m. w. N.

Der Unternehmenskauf vom Schuldner im vorläufigen Eröffnungsverfahren 111 kommt in der Praxis selbst mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters und konkreter Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten wegen der übrigen Haftungsrisiken insbesondere gemäß § 613a BGB, § 25 HGB und § 75 AO nicht in Betracht. Stattdessen wird aus potenzieller Käufersicht regelmäßig versucht, auch im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung über den vorläufigen Sachwalter eine Prüfung des Unternehmenswerts im Rahmen einer Due Diligence durchzuführen. Dies widerspricht allerdings unter Umständen den Interessen des Schuldners an der Eigensanierung im Rahmen der Eigenverwaltung, da dieser gerade kein Interesse an kompetitiven Angeboten eines potenziellen Käufers hat. Aus rechtlicher Sicht ist insoweit das Verbot der Schlechterstellung gemäß 112 § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu berücksichtigen, wonach die etwaige Möglichkeit einer übertragenden Sanierung auf einen potenziellen Käufer geprüft werden muss, um die erforderliche Vergleichsrechnung im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens zwecks Eigensanierung transparent und mit einem plausiblen „Markttest“ aufzustellen. Das AG Hamburg hält insoweit auch den vorläufigen Sachwalter im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO im Regelfall für verpflichtet, die Möglichkeiten für eine übertragende Sanierung auszuloten. Aufgrund des engen Zeitrahmens, insbesondere im Schutzschirmverfahren, müsste diese Tätigkeit auch bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen. 31

A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz AG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2013 – 67g IN 419/12, ZIP 2014, 237, 239.

113 Danach darf sich der vorläufige Sachwalter nicht nur auf die Überwachung der Ermittlung der Liquidationswerte sowie des Restrukturierungskonzepts des Schuldners beschränken, sondern muss im Interesse der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung auch die Prüfung der Fortführungsoptionen mit Investoren verlangen. Kommt der vorläufige Sachwalter zu dem Ergebnis, dass der Schuldner trotz Vorliegens ernsthaften Interesses von Investoren bereits die Möglichkeit dieser Option ohne plausible Begründung verweigert, so hat er dies dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss anzuzeigen. Maßgeblich ist insoweit § 274 Abs. 3 Satz 1 InsO, wonach der Sachwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen hat, wenn Umstände erwarten lassen, dass die Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Die einseitige Fixierung auf das vom Schuldner initiierte Insolvenzplanverfahren ohne Ermittlung marktgerechter Vergleichsrechnungen kann derartige Nachteile zulasten der Gläubiger erwarten lassen. 114 Trotz der begrenzten Überwachungsfunktion des Sachwalters kann dessen Anzeige über etwaige gläubigerbenachteiligende Umstände an das Insolvenzgericht und den Gläubigerausschuss mittelbar zur Aufhebung der Eigenverwaltung führen, wenn dies in der Folge vom vorläufigen Gläubigerausschuss gem. § 270b Abs. 4 Nr. 2 InsO bzw. – sofern kein Gläubigerausschuss existiert – von einem Gläubiger gem. § 270b Abs. 4 Nr. 3 InsO beantragt wird. Der Schuldner und dessen Berater sollten daher in jedem Fall die alternativen Fortführungsoptionen für das schuldnerische Unternehmen ernsthaft prüfen und gegenüber dem vorläufigen Sachwalter und Gläubigerausschuss dokumentieren. Die Kosten für eine potenzielle Investorenansprache müssen im Verhältnis zur Größe des Unternehmens und der voraussichtlichen Insolvenzmasse angemessen sein. Kommt im Einzelfall keine alternative Fortführungsoption in Betracht, die zu einer besseren Gläubigerbefriedigung führen könnte, so ist dies gegenüber Sachwalter und Gläubigerausschuss plausibel darzulegen und transparent zu dokumentieren. Umgekehrt sollte ein potenzieller Käufer beim Sachwalter und ggf. beim vorläufigen Gläubigerausschuss sein ernsthaftes und seriöses Interesse am Unternehmenserwerb geltend machen, wenn der Schuldner im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung nicht angemessene Informationen zwecks Abgabe verbindlicher Angebote gewährt. V. Phase 3: Unternehmenskauf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 115 Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die rechtlichen Risiken, die mit einem Unternehmenskauf in der Krise oder während des Insolvenzeröffnungsverfahrens verbunden sind, es häufig als ratsam erscheinen lassen, eingehend zu prüfen, ob mit dem Erwerb des Unternehmens bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Unternehmensträger gewartet werden sollte. Etwaige wirtschaftliche Vorteile eines schnellen Erwerbs außerhalb des eröffneten Insolvenzverfahrens sind insoweit mit den dargestellten rechtlichen Risiken ab-

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V. Phase 3: Unternehmenskauf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

zuwägen. Tatsächlich gewährleisten die dem Insolvenzverwalter im Rahmen seiner mit Verfahrenseröffnung begründeten Verfügungsmacht (§ 80 InsO) in die Hand gelegten gesetzlichen Freiheiten für den Erwerber eine deutlich höhere Rechtssicherheit und geben dem Insolvenzverwalter einen recht weiten Verhandlungsspielraum, den sich der Erwerber allerdings nur in Kenntnis der gesetzlichen Möglichkeiten und mit entsprechendem Verhandlungsgeschick zunutze machen kann. So kann selbst die Tragweite des in der Insolvenz fortgeltenden § 613a BGB 116 durch entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten abgeschwächt werden. Häufig gehen Kaufinteressenten in der Insolvenz des zu veräußernden Unternehmensträgers jedoch mit einer „Schnäppchen-Haltung“ in die Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter und lassen sich – in Verkennung der Risiken und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten häufig nicht angemessen anwaltlich beraten – vom Insolvenzverwalter die Vertragskonditionen diktieren. 1. Unternehmensveräußerung vor dem Berichtstermin In dem ersten Berichtstermin der Gläubigerversammlung, den das Insolvenz- 117 gericht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Eröffnungsbeschluss bestimmt, hat der Insolvenzverwalter nach § 156 Abs. 1 InsO über die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu berichten und insbesondere darzulegen, ob es aussichtsreich ist, das Unternehmen des Schuldners vollständig oder in Teilen zu erhalten. Die Verwertungsphase setzt nach § 159 InsO grundsätzlich erst nach dem 118 Berichtstermin ein, der möglichst sechs Wochen, längstens jedoch drei Monate nach der Insolvenzeröffnung festgesetzt werden soll (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens am 1. Juli 2007 eröffnete § 158 InsO dem Insolvenzverwalter vor dem Berichtstermin grundsätzlich nur die Möglichkeit, das Unternehmen stillzulegen, und zwar – soweit ein solcher bestellt ist – nur mit Zustimmung des Gläubigerausschusses. Nach überwiegender Meinung sollte jedoch auch eine Unternehmensveräußerung vor dem Berichtstermin zulässig sein, wenn der Schuldner zuvor gemäß § 161 InsO unterrichtet wird und die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder, falls ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung eingeholt wird. Denn dadurch würden in der Praxis die Chancen für eine übertragende Sanierung zwecks Erhaltung des operativen Geschäftsbetriebs erhöht. Vallender, GmbHR 2004, 642, 643 f.; Kübler/Prütting/BorkOnusseit, InsO, § 158 Rn. 18.

Durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens, das am 1. Juli 119 2007 in Kraft getreten ist, wurde § 158 InsO dahingehend geändert, dass dort auch vor dem Berichtstermin die Möglichkeit vorgesehen ist, das Unternehmen zu veräußern. Die nunmehr zulässige Betriebsveräußerung vor dem Berichtstermin mit Zu- 120 stimmung des Gläubigerausschusses begegnet keinen Bedenken, da nach der 33

A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

Insolvenzeröffnung der Insolvenzgrund bereits feststeht und insoweit ermöglicht wird, bei Bedarf günstige Verwertungsmöglichkeiten in einem frühen Verfahrensstadium zu nutzen. Pape, NZI 2007, 481, 484; Sternal, NJW 2007, 1909, 1913; Graf-Schlicker-Castrup, InsO, § 158 Rn. 1; HambKo-Decker, § 158 Rn. 6.

121 Denn regelmäßig werden die Verträge bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren ausverhandelt und insoweit wird eine schnelle verbindliche Entscheidung vom Erwerbsinteressenten und etwaigen Finanzgebern erwartet. 122 Für den Erwerber ist ein unter Verstoß gegen die untersagende Entscheidung des Insolvenzgerichts oder ohne Zustimmung des Gläubigerausschusses vorgenommene Unternehmensveräußerung weitestgehend ungefährlich, weil sie trotz der Verstöße im Außenverhältnis wirksam ist. Das folgt aus der uneingeschränkten Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters nach § 80 InsO und aus § 164 InsO, der auch dem Verstoß gegen die Mitwirkungsgebote in §§ 160 – 163 InsO bei einer Unternehmensveräußerung nach dem Berichtstermin jegliche Außenwirkung versagt. Hingegen haftet der Insolvenzverwalter den Gläubigern im Rahmen von § 60 InsO auf Schadensersatz. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 161 Rn. 13, § 164 Rn. 2; Graf-Schlicker-Castrup, InsO, § 164 Rn. 1 f.; Vallender, GmbHR 2004, 643, 643.

2. Unternehmensveräußerung nach dem Berichtstermin 123 Die nach dem Berichtstermin gemäß § 159 InsO einsetzende Verpflichtung des Insolvenzverwalters, unverzüglich das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten, schließt die Veräußerung des Schuldnerunternehmens selbstverständlich mit ein. Wie schon bei einer Veräußerung vor dem Berichtstermin führt eine Verletzung der insbesondere in §§ 160 – 163 InsO dem Insolvenzverwalter auferlegten Pflichten, Gläubiger und Insolvenzschuldner in die geplanten Verfügungen einzubeziehen, keineswegs zur Unwirksamkeit der vom Insolvenzverwalter getroffenen Verfügungen. Diese Rechtssicherheit gibt § 164 InsO dem Erwerber ausdrücklich. 124 Nur im Verhältnis zu den Insolvenzgläubigern ist der Insolvenzverwalter deshalb nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 InsO verpflichtet, vor der Veräußerung des Schuldnerunternehmens oder auch nur eines Unternehmensteils die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder, falls ein solcher nicht bestellt ist, die Zustimmung der Gläubigerversammlung einzuholen. Zudem hat der Insolvenzverwalter nach § 161 Satz 1 InsO vor der Beschlussfassung durch den Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung den Schuldner von der bevorstehenden Veräußerung zu unterrichten. Der Schuldner soll Gelegenheit haben, dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern seine Auffassung zu der bevorstehenden Veräußerung darzulegen. Die Mitteilung ist, wenn der Schuldner keine natürliche Person ist, an dessen gesetzlichen Vertreter

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V. Phase 3: Unternehmenskauf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

zu richten, bei der GmbH also an die Geschäftsführer bzw. bei der Aktiengesellschaft an die Mitglieder des Vorstands. Unterlässt der Insolvenzverwalter die rechtzeitige Unterrichtung, beeinflusst dies jedoch weder die Wirksamkeit eines durch den Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung gefassten Beschlusses noch – nach § 164 InsO – die Wirksamkeit der vom Insolvenzverwalter vorgenommenen Rechtshandlungen im Außenverhältnis. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 161 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 161 Rn. 7.

Gänzlich unbeachtlich ist die Unterrichtungspflicht, wenn der Insolvenz- 125 verwalter – sei es vorsorglich oder weil kein Gläubigerausschuss bestellt ist – die Zustimmung der Gläubigerversammlung einholt. Denn selbst das vom Schuldner gemäß § 161 Satz 2 InsO gerichtlich geltend zu machende Interventionsrecht ist ausgeschlossen, sobald die Zustimmung der Gläubigerversammlung vorliegt. Die §§ 162, 163 InsO verpflichten den Insolvenzverwalter zudem in den Fällen einer Veräußerung an eine dem Schuldner nahestehende Person oder an einen Insolvenzgläubiger sowie dann, wenn ein günstigeres Alternativangebot vorliegt, die Zustimmung der Gläubigerversammlung zur Unternehmensveräußerung einzuholen. Die Zustimmung des Gläubigerausschusses genügt in diesen Fällen also nicht. Da § 164 InsO die Wirkungen der §§ 160 – 163 InsO auf das Verhältnis des 126 Insolvenzverwalters – im Ergebnis – zur Gläubigerversammlung beschränkt, ist es für den Erwerber grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob bei Abschluss des Unternehmenskaufvertrags sowie der zu seiner Erfüllung vorgenommenen Rechtsgeschäfte mit dem Insolvenzverwalter ein zustimmender Beschluss des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung vorlag. Dies gilt sogar dann, wenn der Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags bemerkt hat, dass die erforderliche Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung fehlt. Lediglich bei einer objektiven Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit der Handlung des Insolvenzverwalters, welche dem Geschäftspartner zumindest grob fahrlässig entsprechend den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht vorwerfbar sein muss, ist diese unwirksam. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, NZI 2002, 375, 377; BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, ZIP 2013, 531, 531 Rn. 9; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 164 Rn. 3; FK-Wegener, InsO, § 164 Rn. 4; HK-Kayser, InsO, § 80 Rn. 35; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 164 Rn. 3.

Dem Insolvenzverwalter droht, wenn er seine Verpflichtungen aus §§ 160 – 127 163 InsO verletzt, eine Haftung nach § 60 InsO. Eine solche Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Insolvenzverwalter den Gläubigerausschuss bzw. die Gläubigerversammlung vor dem Unternehmensverkauf ausreichend und richtig über die Konditionen informiert hat und die Veräußerung nicht offensichtlich masseschädigend ist.

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

128 Grundsätzlich besteht neben einer bereits auf die einzelnen Vertragskonditionen bezogenen Zustimmung des zuständigen Gläubigerorgans auch die Möglichkeit, dass die Gläubigerversammlung schon im Berichtstermin den Insolvenzverwalter ermächtigt, das Schuldnerunternehmen zu veräußern. In diesem Fall überträgt die Gläubigerversammlung ihre Entscheidungsmacht hinsichtlich dieser Verwertungshandlung auf den Insolvenzverwalter. Vallender, GmbHR 2004, 642, 644.

129 In der Praxis wird sich die Gläubigerversammlung allerdings nur selten darauf einlassen, den Insolvenzverwalter ohne Kenntnis der wesentlichen Vertragskonditionen zur Veräußerung des Schuldnerunternehmens zu ermächtigen. 3. Reduzierung der Risiken 130 Der Unternehmenserwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedeutet in den Fällen der übertragenden Sanierung (Asset Deal) für den Erwerber im Vergleich zu einem Erwerb in der Krise oder noch im Eröffnungsverfahren in mehrfacher Hinsicht eine Reduzierung seiner Risiken. Insbesondere hat er keine Anfechtung des Kaufvertrags oder der Verfügungen durch den Insolvenzverwalter nach §§ 129 ff. InsO zu befürchten. Dies gilt selbstverständlich auch für den Fall der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO. Jegliche Anfechtungsmöglichkeiten sind nach § 129 Abs. 1 InsO ausdrücklich auf Rechtshandlungen beschränkt, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. 131 Zudem ist die steuerliche Haftung des Erwerbers für betriebliche Steuern des Unternehmens nach § 75 Abs. 2 AO im Rahmen des Erwerbs aus dem eröffneten Insolvenzverfahren nicht anwendbar (siehe dazu Rn. 72 ff.). Dies gilt freilich nicht für den Unternehmenserwerb einer Tochtergesellschaft im Rahmen einer Anteilsübertragung durch Share Deal. Hier fehlt es an dem von § 75 Abs. 1 AO vorausgesetzten Wechsel des Unternehmensträgers; etwaige der Qualifizierung in § 75 Abs. 1 AO unterfallende Steuerschulden verbleiben selbstverständlich ohne besondere Vorschriften beim fortbestehenden Unternehmensträger. Sollen im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens die Anteile im Wege des Share Deals erworben werden, so hat der Erwerber, will er eine Forthaftung der zu erwerbenden Gesellschaft für derartige Steuerschulden vermeiden, darauf hinzuwirken, dass die zu beteiligenden Finanzbehörden – im Rahmen eines Insolvenzplans – auf die ausstehenden Steuerforderungen verzichten, soweit sie eine aus dem Verkaufserlös und der verbleibenden freien Masse zu deckende Quote übersteigen. 132 Nach herrschender Meinung kann der im Wege des Asset Deals aufkaufende Erwerber zudem die Firma des insolventen Unternehmensträgers fortführen, ohne eine Haftung für die Verbindlichkeiten des Schuldners nach § 25 Abs. 1 HGB fürchten zu müssen (zu dieser Haftung siehe Rn. 76 ff.). Nach Ansicht des BGH wäre es mit der Aufgabe des Insolvenzverwalters, die Vermögensgegenstände des Schuldners zu verwerten und dabei im Interesse der 36

V. Phase 3: Unternehmenskauf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Gläubiger den höchstmöglichen Erlös für die anschließende Verteilung zu erzielen, unvereinbar, wenn der Erwerber eines zur Masse gehörenden Unternehmens nach § 25 Abs. 1 HGB haften müsste. Denn dann wäre eine Veräußerung des Unternehmens mit sämtlichen Schulden, die zum Zusammenbruch des bisherigen Unternehmensträgers geführt haben, nur in den seltensten Fällen erreichbar. Der Insolvenzverwalter wäre zumeist darauf beschränkt, das Schuldnervermögen durch Zerschlagung zu verwerten, was nicht nur dem Verwertungsinteresse der Insolvenzgläubiger im Rahmen von § 159 InsO, sondern nach Ansicht des BGH auch dem Sinn und Zweck des § 25 Abs. 1 HGB widerspricht. BGH, Urt. v. 11.4.1988 – II ZR 313/87, NJW 1988, 1912, 1913; zustimmend unter Geltung der InsO z. B. Vallender, GmbHR 2004, 642, 645; bestätigend BAG, Urt. v. 20.9.2006 – 6 AZR 215/06, NZI 2007, 252, 253; BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 8 AZR 826/11, BB 2013, 2235, 2239.

Darüber hinaus sind die mit § 613a BGB verbundenen Haftungsgefahren bei 133 einer Betriebsveräußerung durch den Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren deutlich eingeschränkt (siehe dazu Rn. 80 ff. sowie Rn. 539 ff.). 4. Insolvenzplanverfahren Vor allem für Unternehmensveräußerungen im Wege des Share Deals, bei 134 denen der Unternehmensträger, über dessen Vermögen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet ist, erhalten bleiben soll, bietet sich eine das Insolvenzverfahren beendende Auseinandersetzung mit den Insolvenzgläubigern im Rahmen eines Insolvenzplans nach §§ 217 ff. InsO an. Der Erhalt des Unternehmensträgers ist in vielen Fällen geboten, z. B. weil für die Fortführung des Unternehmens unentbehrliche öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zertifizierungen oder wirtschaftlich wichtige Dauerschuldverhältnisse auf den insolventen Unternehmensträger lauten. Aber auch zur Vorbereitung einer übertragenden Sanierung kann sich ein In- 135 solvenzplanverfahren anbieten, wenn die Unternehmensveräußerung Vermögensgegenstände des Schuldners umfassen soll, an denen ein Absonderungsrecht besteht und einzelne Absonderungsberechtigte der Veräußerung nicht zustimmen oder die Zustimmung aufgrund der Vielzahl von Absonderungsberechtigten nicht innerhalb angemessener Zeit eingeholt werden kann. Die Normen zum Insolvenzplanverfahren (§§ 217 – 269 InsO) wurden ver- 136 einzelt durch das ESUG reformiert, sodass nun auch Anteilsinhaber des Schuldnerunternehmens als abstimmungsberechtigte Beteiligte in das Insolvenzplanverfahren eingebunden sind, da nunmehr auch in deren Rechte eingegriffen werden kann. Die wohl bedeutendste Norm ist § 225a InsO, der eine Umwandlung von Forderungen der Gläubiger in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte sowie die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten ermöglicht und damit die strikte Trennung von Gesellschaftsrecht und

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

Insolvenzrecht durchbricht. In der Praxis findet allerdings eine Anteilsübertragung bestehender Anteile in aller Regel nicht statt. Es besteht die Gefahr, dass die zu übertragenden Anteile unerkannt mit Rechten Dritter (z. B. Pfandrechten) belastet sind. Stattdessen wählt man unter Berücksichtigung der materiellen gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen den Weg einer Kapitalherabsetzung auf null bei direkt anschließender Kapitalerhöhung einschließlich der Ausgabe neuer Anteile. Der „Debt-Equity-Swap“, den § 225a Abs. 2 InsO jetzt explizit für das Planverfahren regelt, wurde oben (siehe Rn. 12 ff.) bereits vorgestellt. 137 Nach § 227 Abs. 1 InsO wird der Schuldner mit der im Plan vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern befreit. In diesem Zeitpunkt endet nach § 227 Abs. 2 InsO auch die persönliche Haftung der Gesellschafter für diese Verbindlichkeiten. 138 Im Planverfahren können die Konditionen und Vollzugsbedingungen für eine Übernahme des Unternehmens durch den Erwerber im Rahmen eines Share Deals unter dessen frühzeitiger Beteiligung und unter Vermittlung des Insolvenzverwalters frei mit den Insolvenzgläubigern und insbesondere auch mit den Absonderungsberechtigten ausgehandelt werden. Dabei verhindern die vom Gesetz differenziert angeordneten Mehrheitsverhältnisse (§ 244 InsO) sowie das Obstruktionsverbot (§ 245 InsO), dass Abstimmungsgruppen, für die sich die geplante sanierende Übertragung nicht nachteilig auswirkt, oder einzelne Stimmberechtigte die Veräußerung des Unternehmens und dessen Fortführung durch den Erwerber blockieren. 139 Ziel ist auch im Falle des Insolvenzplanverfahrens die bestmögliche Gläubigerbefriedigung. Vgl. MüKo-Eidenmüller, InsO, Vorbemerkungen vor §§ 217– 2 69.

140 Im Rahmen eines Erwerbs der Gesellschaftsanteile i. V. m. einem Insolvenzplanverfahren werden die einzelnen Bedingungen der Anteilsübertragung sowie des Insolvenzplans im Anteilskaufvertrag fixiert und dieser bereits aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Insolvenzplans abgeschlossen. Der Eintritt dieser Bedingung ist dann folglich von der Zustimmung zum Insolvenzplan durch die Beteiligten und der Rechtskraft des Insolvenzplans abhängig. 141 Um zu verhindern, dass der Insolvenzplan von den Vorgaben im Angebot des Erwerbers abweicht, sind daher im Rahmen dieses aufschiebend bedingten Anteilskaufvertrages die wesentlichen Bedingungen des Insolvenzplans zugleich als Vollzugsbedingungen zu vereinbaren. Dies können beispielsweise die weiterzuführenden Aufträge (Ausübung des Wahlrechts gemäß § 103 InsO), die Kündigung von Mietverhältnissen (§§ 108 ff. InsO), das nach Annahme des Insolvenzplans zur Verfügung stehende freie Vermögen der Gesellschaft (Bilanzgarantie), Änderungen in Arbeitnehmerverhältnissen bzw. Abschluss

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V. Phase 3: Unternehmenskauf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

von Sanierungstarifverträgen sowie weitere, für den Erwerber relevante Punkte sein. Der Insolvenzplan enthält im erläuternden Teil gemäß § 220 InsO eine Be- 142 schreibung des Unternehmens, eine Analyse der wirtschaftlichen Lage des Schuldners und der Krisenursachen, das Sanierungskonzept des Erwerbers nebst Maßnahmenkatalog sowie eine Darstellung der bereits eingeleiteten und noch einzuleitenden Sanierungsmaßnahmen. Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans werden sodann gemäß § 221 die Be- 143 teiligtenrechte neu gestaltet bzw. die jeweiligen Eingriffe in die Beteiligtenrechte dargestellt sowie nach § 222 InsO die Abstimmungsgruppen gebildet. Auch die gesellschaftsrechtlichen Änderungen – insbesondere die Übertragung von Geschäftsanteilen auf den Erwerber oder Kapitalmaßnahmen – können Bestandteil des gestaltenden Teils des Insolvenzplans sein. Soweit der Plan eine unmittelbare Änderung der dinglichen Rechtslage herbeiführen soll, können die dafür erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten insoweit schon in den gestaltenden Planteil aufgenommen werden; mögliche weitergehende Formvorschriften gelten nach § 254a InsO als gewahrt. Gemäß § 223 Abs. 1 Satz 1 InsO wird das Recht der absonderungsberechtigten Gläubiger zur Befriedigung aus den Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, nicht vom Insolvenzplan berührt, es sei denn, im Insolvenzplan ist ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Für die nicht nachrangigen Gläubiger ist gemäß § 224 InsO anzugeben, um welchen Bruchteil ihre Forderung gekürzt wird. Gemäß § 225 Abs. 1 InsO gelten die Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger als erlassen, wenn im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist. Der Insolvenzplan muss zudem eine Vergleichsrechnung der Gläubigerbe- 144 friedigung bei Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens mit der Gläubigerbefriedigung im Rahmen des vorgeschlagenen Insolvenzplans ausweisen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass für alle Beteiligten nachweislich das Insolvenzplanverfahren zu einer besseren Gläubigerbefriedigung führt. Dies ist Mindestanforderung an den Insolvenzplan, da ein Gläubiger, der durch den Plan schlechter gestellt wird als im regulären Insolvenzverfahren, gemäß § 251 Abs. 1 InsO die Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans mit dieser Begründung beantragen kann, sofern er dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle widersprochen hat. Der Insolvenzplan wird gemäß § 218 Abs. 1 InsO dem Insolvenzgericht vor- 145 gelegt, welches zunächst formale und offensichtliche inhaltliche Anforderungen auf deren Vorliegen i. S. d. § 231 InsO prüft. Sodann wird der Plan den in § 232 Abs. 1 InsO bezeichneten Personenkreisen (Gläubigerausschuss, Betriebsrat, Sprecherausschuss der leitenden Angestellten und je nach Initiative dem Schuldner bzw. dem Insolvenzverwalter/Sachwalter) zugeleitet. Das Gericht setzt hierbei nach § 232 Abs. 3 Satz 1 InsO eine Frist für die Abgabe

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

von Stellungnahmen, die gemäß § 232 Abs. 3 Satz 2 InsO einen Zeitraum von zwei Wochen nicht überschreiten soll, und bestimmt gemäß § 235 Abs. 1 InsO einen Erörterungs- und Abstimmungstermin mit den Beteiligten. 146 Im Insolvenzplan sind bereits die im Abstimmungstermin zu bildenden Beteiligtengruppen aufgeführt. Gesetzlich vorgeschriebene Beteiligtengruppen sind hierbei gemäß § 222 Abs. 1, 3 InsO: x

Gläubiger mit Absonderungsrechten, in welche eingegriffen wird;

x

nicht nachrangige Insolvenzgläubiger;

x

nachrangige Insolvenzgläubiger, die Forderungen nicht erlassen;

x

am Schuldner beteiligte Personen, wenn deren Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden;

x

Arbeitnehmer, wenn sie als Insolvenzgläubiger mit nicht unerheblichen Forderungen beteiligt sind.

147 Die Abstimmung erfolgt innerhalb jeder Gruppe gesondert, § 243 InsO. Die Zustimmung einer Gläubigergruppe zum Insolvenzplan liegt nach § 244 Abs. 1 InsO vor, wenn innerhalb dieser Gruppe x

die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt (Anzahl nach Köpfen)

sowie x

die Summe ihrer Ansprüche über 50 % der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger ausmacht.

148 Für das Ergebnis der Kopfmehrheit ist die Mehrheit der tatsächlich abstimmenden Gläubiger maßgebend, nicht die der „passiv“ Anwesenden. Die Gruppe der am Schuldner beteiligten Personen stimmt gemäß § 244 Abs. 3 InsO zu, wenn die Summe der Beteiligungen der zustimmenden Anteilsinhaber mehr als die Hälfte der Summe der Beteiligungen der abstimmenden Anteilsinhaber beträgt. Auf die Kopfmehrheit kommt es insoweit im Rahmen der Anteilseignergruppe nicht an. Vgl. MüKo-Hintzen, InsO, § 244 Rn. 9; HambKo-Thies, InsO, § 244 Rn. 10.

149 Zu berücksichtigen ist zudem, dass ein Gläubiger mehrere Kopfstimmen haben kann, da sich das Stimmrecht aus den unterschiedlichen Forderungen bzw. Rechtsansprüchen in unterschiedlichen Gruppen ergeben kann. Ein Gläubiger, der z. B. Absonderungsrechtsinhaber und Ausfallinsolvenzgläubiger ist, kann in beiden Gruppen abstimmen, wird also für die Kopfzahl in jeder Gruppe gezählt. Braun-Braun/Frank, InsO, § 243 Rn. 5.

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V. Phase 3: Unternehmenskauf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Zur Berechnung der Summenmehrheit wird die Höhe des jeweiligen An- 150 spruchs eines Gläubigers bzw. der Beteiligung eines Anteilsinhabers vor Beginn der Abstimmung durch die Forderungsprüfung, die Festlegung des Stimmrechts und die Eintragung in die Stimmliste gemäß § 239 InsO festgelegt. Die Gesamtsumme der jeweiligen Gruppe ergibt sich aus der Addition der abstimmenden Gläubiger/Anteilsinhaber. Für die erforderliche Mehrheit ist mehr als die Hälfte der Gesamtsumme gefordert. Im Falle der Gläubigergruppen müssen Kopfmehrheit und Summenmehrheit kumulativ vorliegen. MüKo-Hintzen, InsO, § 244 Rn. 14.

Stimmen alle Gruppen zu, gilt der Insolvenzplan als angenommen. Wird der 151 Insolvenzplan durch die Mehrheit der Gruppen abgelehnt, so gilt dieser als nicht angenommen. In diesem Fall kann die fehlende Zustimmung der ablehnenden Gruppen auch nicht ersetzt werden. Stimmt die Mehrheit der Gruppen dem Insolvenzplan zu, kann die fehlende 152 Zustimmung der anderen Gruppe(n) unter Beachtung des Obstruktionsverbotes ersetzt werden. Sofern die Mehrheit der Gruppen zustimmt, gilt die Zustimmung einer ab- 153 lehnenden Gruppe nach dem Obstruktionsverbot des § 245 Abs. 1 InsO dann als erteilt, wenn x

die Angehörigen dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Insolvenzplan stünden

und x

die Angehörigen dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll.

Seit Inkrafttreten des ESUG regelt das Gesetz ausdrücklich, wann eine an- 154 gemessene Beteiligung i. S. d. § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorliegt. Für eine Gläubigergruppe ist dies gemäß § 245 Abs. 2 InsO der Fall, wenn nach dem Plan x

kein anderer Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen,

x

weder ein Gläubiger, der ohne einen Plan mit Nachrang gegenüber den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, noch der Schuldner oder eine an ihm beteiligte Person einen wirtschaftlichen Wert erhält

und x

kein Gläubiger, der ohne einen Plan gleichrangig mit den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, bessergestellt wird als diese Gläubiger.

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

155 Hingegen liegt eine angemessene Beteiligung für die Gruppe der Anteilseigner gemäß § 245 Abs. 3 InsO vor, wenn nach dem Plan x

kein Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, und

x

kein Anteilsinhaber, der ohne einen Plan den Anteilsinhabern der Gruppe gleichgestellt wäre, bessergestellt wird als diese.

156 Somit sind ein „Debt-Equity-Swap“ nach § 225a Abs. 2 InsO oder Anteilsübertragungen sogar ohne Zustimmung der Anteilsinhaber möglich. 157 Sollte sich eine Gruppe gänzlich nicht an der Abstimmung beteiligen, so wird die Zustimmung dieser Gruppe nach § 246a InsO fingiert. 158 Um ein Abstimmungsergebnis zu erreichen, bei dem zumindest die Mehrheit der Gläubigergruppen dem Plan zustimmt, können daher weitere Gruppen als die gesetzlich vorgesehenen gebildet werden. Diese Gruppenbildung obliegt dem Planersteller und ist bereits im Insolvenzplan auszuweisen. Mögliche weitere Gruppen sind hierbei z. B. die Gruppe der Banken, der Lieferanten, der Kunden oder öffentlich-rechtlicher Gläubiger. Die Bildung sog. Mischgruppen, die Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung in sich vereinen (z. B. Gläubiger mit Recht auf abgesonderte Befriedigung gemeinsam mit einfachen Insolvenzgläubigern) ist unzulässig. BGH, Beschl. v. 7.7.2005 – IX ZB 266/04, NZI 2005, 619, 621.

159 Haben alle Gruppen dem Insolvenzplan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt, prüft das Insolvenzgericht, ob der Schuldner dem Insolvenzplan gemäß § 247 Abs. 1 InsO zugestimmt hat. Ist dies der Fall, kann die Bestätigung des Insolvenzplans durch das Gericht nach § 248 InsO erfolgen, sofern kein Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften des § 250 InsO vorliegt und kein Antrag auf Minderheitenschutz nach § 251 InsO gestellt hat 160 Gemäß § 251 Abs. 1 InsO ist die Bestätigung des Insolvenzplans auf Antrag eines Gläubigers bzw. einer am Schuldner beteiligten Person wegen Minderheitenschutz zu versagen, wenn der Antragsteller x

dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle widersprochen hat

und x

durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde.

161 Nach § 251 Abs. 2 InsO muss der Antragsteller die Schlechterstellung glaubhaft machen. 162 Gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt oder die Bestätigung versagt wird, steht den Gläubigern, dem Schuldner und, wenn dieser

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V. Phase 3: Unternehmenskauf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

keine natürliche Person ist, den am Schuldner beteiligten Personen gem. § 253 Abs. 1 InsO die sofortige Beschwerde zu. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass der Insolvenzverwalter 163 nicht beschwerdebefugt ist. Dies gilt, obwohl der Insolvenzverwalter aufgrund seines originären Initiativrechts durchaus ein eigenes Interesse an der angefochtenen Entscheidung haben kann, wenn sein Insolvenzplan abgelehnt wird. Die Beschwerde ist gemäß §§ 4, 6 Abs. 2 InsO i. V. m. § 569 Abs. 1 164 Satz 1 ZPO innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung über den Plan zu laufen. Die Beschwerde kann durch Einreichung einer Beschwerdeschrift beim Insolvenzgericht oder beim Beschwerdegericht gemäß § 569 Abs. 2 Satz 1 ZPO oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erhoben werden (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Vor dem Insolvenzgericht besteht kein Anwaltszwang, selbst wenn die Beschwerde an das Landgericht abgegeben wird (§ 4 InsO i. V. m. mit § 78 Abs. 3 ZPO). Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Insolvenzge- 165 richts, durch den der Insolvenzplan bestätigt oder die Bestätigung versagt wird. Über Insolvenzplanverfahren, die ab dem 1. Januar 2013 beantragt wurden, entscheidet gemäß Art. 103g Satz 2 EGInsO i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG nur noch der Richter, nicht mehr (auch) der Rechtspfleger. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass das Insolvenzgericht 166 die Vorschriften über die Bestätigung des Insolvenzplans verletzt hat. Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer durch die Entscheidung beschwert sein. Seit Inkrafttreten des ESUG verlangt § 253 Abs. 2 InsO im Falle der sofortigen Beschwerde gegen die Bestätigung des Insolvenzplans neben der materiellen nun auch eine formelle Beschwer. Auf formeller Seite muss der Beschwerdeführer dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen (Nr. 1) und gegen ihn gestimmt haben (Nr. 2). Legt demnach ein nicht stimmberechtigter Beteiligter Beschwerde ein, scheitert diese bei ordnungsgemäßer Ladung jedenfalls an Nr. 2. HK-Haas, InsO, § 253 Rn. 4 ff.; Braun-Braun/Frank, InsO, § 253 Rn. 2 ff.; HambKo-Thies, InsO, § 253 Rn. 9 ff.; vgl. auch MüKo-Sinz, InsO, § 253 Rn. 11, 22 ff., der § 253 Abs. 2 Nr. 2 InsO für nicht stimmberechtigte Gläubiger aufgrund des Art. 19 Abs. 4 GG einschränkend auslegen will.

In materieller Hinsicht muss der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass 167 er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde, und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 251 Abs. 3 InsO genannten Mitteln ausgeglichen werden könne (Nr. 3). Auf den Fall der Beschwerde gegen die Versagung der Bestätigung findet § 253 Abs. 2 InsO seinem Wortlaut nach schon keine Anwendung. Hier ist eine materielle Beschwer ausreichend, etwa dadurch, dass dem Beschwerdeführer durch den Plan zugedachte Leistungen entgehen.

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A. Phasen für den Unternehmenskauf in der Krise/Insolvenz

168 Sofern die Zustimmung aller Gruppen vorliegt, kein Rechtsmittel eingelegt wurde bzw. alle Rechtsmittel zurückgewiesen wurden, erwächst der Insolvenzplan nach Zustimmung des Schuldners und Bestätigung durch das Insolvenzgericht in Rechtskraft. Mit Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses werden alle Verfahrensmängel geheilt und die Rechtswirkungen des Insolvenzplans treten ein. Der Erlass von Forderungen kommt dabei nur dem Schuldner bzw. der Schuldnerin und ggf. ihren persönlich haftenden Gesellschaftern zugute, nicht aber mithaftenden Dritten oder Sachen (§ 254 Abs. 2 InsO). Im Falle eines „Debt-Equity-Swaps“ gemäß § 225a InsO kann der Schuldner nach § 254 Abs. 4 InsO keine Ansprüche wegen einer Überbewertung der Forderungen im Plan gegen die bisherigen Gläubiger geltend machen. Die Bewertung der Forderung kann insoweit nur im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens selbst angegriffen werden. Nach gerichtlicher Bestätigung des Insolvenzplans besteht folglich kein Haftungsrisiko mehr wegen nachträglich festgestellter Überbewertung der Forderung. Ferner ersetzt der Plan das Erfordernis eines Beschlusses der Gesellschafter- oder Hauptversammlung sowie etwaiger weiterer Erklärungen oder Maßnahmen, da diese nach § 254a Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO als abgegeben bzw. bewirkt gelten. Gemäß § 254a Abs. 2 Satz 3 InsO ist der Insolvenzverwalter berechtigt, die Anmeldung beim Registergericht vorzunehmen. 169 Vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter gemäß § 258 Abs. 2 InsO die unstreitigen fälligen Masseansprüche zu berichtigen und für die streitigen oder nicht fälligen Sicherheit gemäß §§ 232 ff. BGB zu leisten. Für die nicht fälligen Masseansprüche kann auch ein Finanzplan vorgelegt werden, wonach die Erfüllung gewährleistet ist. Verletzt der Insolvenzverwalter diese Pflicht, so haftet er bei etwaigen Ausfallschäden gemäß § 60 InsO. Das Insolvenzgericht beschließt sodann nach Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans die Aufhebung des Insolvenzverfahrens, § 258 Abs. 1 InsO. 170 Die im Insolvenzplan festgelegten Ansprüche der Insolvenzgläubiger sind entsprechend den Planangaben zu befriedigen. Um schließlich den Schuldner zur ordnungsgemäßen Umsetzung des Plans zu bewegen, sieht § 255 InsO den Wegfall etwaiger Stundungen und Erlasse vor, soweit er sich mit der Erfüllung erheblich im Rückstand befindet. Gleichzeitig können die Gläubiger aus dem Plan i. V. m. der ihre Forderung ausweisenden Tabelle die Vollstreckung wie aus einem vollstreckbaren Urteil (d. h. ohne Sicherheitsleistung) betreiben. 171 Im Übrigen gibt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Erfüllung der Masseverbindlichkeiten und Prüfung der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters dem Schuldner seine Verfügungsbefugnis zurück (§ 259 InsO). Gegebenenfalls schließt sich noch eine im Plan vereinbarte Überwachung der Planerfüllung nach Maßgabe der §§ 260 ff. InsO an. Im Ergebnis kann der Erwerber beim Erwerb der Anteile im Zusammenhang mit der Rechtskraft des Insolvenzplans eine angemessen entschuldete Gesellschaft erwerben. 44

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren 1. „Beteiligte“ des Insolvenzverfahrens Beteiligte des Insolvenzverfahrens im formellen Sinne sind der Schuldner, 172 das Insolvenzgericht, der Insolvenzverwalter sowie die Insolvenzgläubiger und deren Organe (Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss). Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, Einl. Rn. 70 ff.

Im Hinblick auf die Konsequenzen, namentlich für das Recht auf Aktenein- 173 sicht gemäß § 299 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 4 InsO, wird man jedenfalls im eröffneten Verfahren auch die Massegläubiger, Aus- und Absonderungsberechtigte sowie die Mitglieder des Gläubigerausschusses zu den Beteiligten des Insolvenzverfahrens im formellen Sinne rechnen müssen. H. M., siehe z. B. MüKo-Ganter/Lohmann, InsO, § 4 Rn. 61; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 4 Rn. 21; Heeseler, ZInsO 2001, 873 ff.; HK-Kirchhof, InsO, § 4 Rn. 14; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 4 Rn. 29.

Davon zu unterscheiden sind die „Beteiligten“ gemäß § 60 InsO, die poten- 174 zielle Ersatzberechtigte im Rahmen der Verwalterhaftung sind. Hier gilt nach ganz herrschender Ansicht der sog. materielle Beteiligtenbegriff: Beteiligte in diesem Sinne sind alle Personen, denen gegenüber der Insolvenzverwalter insolvenzspezifische Pflichten hat. HK-Lohmann, InsO, § 60 Rn. 5; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 6.37 f.; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 60 Rn. 13; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 60 Rn. 9; enger wohl MüKo-Brandes/ Schoppmeyer, InsO, § 60 Rn. 5 ff.

Im Falle der übertragenden Sanierung spielen insbesondere aus Käufersicht 175 noch weitere Personen oder Personengruppen eine Rolle, die weder im formellen noch im materiellen (Rechts-)Sinne Beteiligte des Insolvenzverfahrens, aber für die Fortführung des Unternehmens in einer Auffanggesellschaft unentbehrlich sind. Bei der Vorbereitung der übertragenden Sanierung sind als weitere Stakehol- 176 der einzubeziehen: x

Arbeitnehmer, Arbeitnehmervertreter/Betriebsrat und Gewerkschaft;

x

Kunden;

x

Lieferanten;

x

ggf. Vermieter, Lizenzgeber und sonstige Vertragspartner im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen.

In vielen Insolvenzszenarien ist das künftige Verhältnis zu den wesentlichen 177 Lieferanten und Kunden von herausragender Bedeutung für den Erfolg der 45

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

(übertragenden) Sanierung. Paradebeispiel ist die Insolvenz von Automobilzulieferern oder -händlern. Dabei ist die Kommunikation und enge Abstimmung in Vorbereitung der übertragenden Sanierung mit den Kunden/Auftraggebern wie auch mit den Vertragspartnern im Hinblick auf die Stellung als Vertragshändler von entscheidender Bedeutung. Die übertragende Sanierung steht und fällt mit dem zukünftigen Verhalten der Automobilhersteller hinsichtlich der Auftragsvergabe und des Händlervertrages. Aber auch in anderen Branchen ist die Kunden- und Lieferantenpflege durch den Insolvenzverwalter in Vorbereitung der übertragenden Sanierung für das Überleben des Unternehmens unerlässlich. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 1466 ff.; zu der Gruppe der sog. Stakeholder und ihrer Einbeziehung im Rahmen der Unternehmenssanierung vgl. aus betriebswirtschaftlicher Sicht z. B. Bickhoff/Blatz/Eilenberger/Haghani/KrausBuschmann, Die Unternehmenskrise als Chance, S. 197 ff.

178 Im Folgenden wird der Begriff der „Beteiligten“ als Oberbegriff sowohl für all diejenigen Personen bzw. Gruppen verwendet, die im Rahmen einer übertragenden Sanierung zwingend zu beteiligen sind, als auch für solche Dritte, deren Interessen in besonderer Weise zu berücksichtigen sind. Ausführliche systematische Darstellung der Beteiligten mit allen Rechten und Pflichten z. B. bei Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 805 ff.

2. Die Beteiligten einer übertragenden Sanierung im Einzelnen a) Der Insolvenzverwalter 179 Zentrale Figur des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter. Seine Auswahl gilt daher mit Recht als „Schicksalsfrage“ des Insolvenzverfahrens. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 56 Rn. 1 unter Bezugnahme auf die klassische Formulierung bei Ernst Jaeger. „Die Aufgaben des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren darzustellen, würde praktisch den Versuch bedeuten, eine Gesamtdarstellung des Insolvenzrechts zu geben.“ Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 14 Rn. 30.

180 Die folgenden Ausführungen müssen sich daher auf eine holzschnittartige Darstellung der wesentlichen Fragen beschränken, die für eine Unternehmensveräußerung von Bedeutung sind. aa) Rechtsstellung des Insolvenzverwalters 181 Die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters ist in der Wissenschaft nach wie vor umstritten. Vgl. die Darstellungen des Streitstandes bei Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 15.01 ff. und Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rn. 65.

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I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren

Für die Praxis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts und 182 des BGH von der sog. Amtstheorie auszugehen, vgl. die umfangreichen Nachweise bei Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rn. 72; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.10.1983 – I ARZ 334/83, ZIP 1984, 82 ff.,

nach welcher der Insolvenzverwalter kraft des ihm übertragenen Amtes die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse im eigenen Namen ausübt. Daher ist der Insolvenzverwalter im eigenen Namen Vertragspartei des Un- 183 ternehmenskaufvertrages. Er tritt weder als Vertreter noch als Organ des Schuldnerunternehmens bzw. des Unternehmensträgers oder der Insolvenzmasse auf. Sein Name ist – versehen mit einem Verwalterzusatz – ins Rubrum des Vertrages als Verkäufer aufzunehmen: Kaufvertrag zwischen N. N., handelnd nicht für sich persönlich, sondern ausschließlich handelnd als Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der XYGmbH, – Verkäufer – und der Firma ABC GmbH – Käuferin –. Für vertragliche und nachvertragliche Pflichten der Parteien ist er materiell 184 berechtigt und verpflichtet, für sich aus dem Unternehmenskauf eventuell ergebende Prozesse ist er als Partei kraft Amtes aktiv- wie passivlegitimiert. Seine Legitimation leitet der Insolvenzverwalter ausschließlich aus seiner Be- 185 stellung her, selbst wenn er sein Amt durch Wahl der Gläubigerversammlung nach § 57 InsO erhält. MüKo-Graeber, InsO, § 56 Rn. 142.

Alle seine Maßnahmen, einschließlich der Veräußerung des Schuldnerunter- 186 nehmens, unterstehen nach § 58 InsO der Aufsicht des Insolvenzgerichts. bb) Aufgaben des Insolvenzverwalters/Verfahrensziele Der Insolvenzverwalter hat die vielfältigen unterschiedlichen Interessen der 187 Beteiligten miteinander in Einklang zu bringen, er ist „mehrseitig fremdbestimmter Liquidator“. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 14 Rn. 2.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

188 Seine Aufgaben orientieren sich an den Zwecken des Insolvenzverfahrens und ergeben sich mithin in erster Linie aus § 1 InsO. Danach stehen die Interessen der Gläubiger im Vordergrund, ihre „gemeinschaftliche Befriedigung“ bildet das Primärziel des Verfahrens. Jaeger-Henckel, InsO, § 1 Rn. 3 ff.

189 Die Befriedigung der Gläubiger kann prinzipiell auf zwei verschiedene Weisen erfolgen: durch Liquidation, also durch Verwertung des Schuldnervermögens, oder durch die Erhaltung und Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplans. Im Rahmen der Verwertung können die Wirtschaftsgüter einzeln veräußert werden; damit ist die Zerschlagung des Unternehmens verbunden. Daneben kann die Verwertung aber auch durch Veräußerung des Unternehmens als Ganzes erfolgen. Hierfür hat sich der Begriff der „übertragenden Sanierung“ eingebürgert. Der Begriff wurde geprägt von K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 336.

190 Einige Autoren bevorzugen die Formulierung „sanierende Übertragung“, z. B. Hölzle, DStR 2004, 1433 ff., insbesondere Rn. 14,

ohne dass damit ein Unterschied in der Sache verbunden wäre. 191 Die „sanierende Übertragung“ oder „übertragende Sanierung“ wird schon dem Namen nach durch zwei Elemente definiert: 192 Rechtstechnisch handelt es sich um eine „Übertragung“, nämlich um die Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter, die zur Masse eines insolventen Unternehmens gehören. Insoweit ist die übertragende Sanierung nichts anderes als ein sog. Asset Deal. 193 Es werden jedoch nicht – dies ist der Unterschied zum klassischen Unternehmenskauf – Aktiva und Passiva des Unternehmens übertragen. Die (finanzwirtschaftliche) Sanierung besteht darin, dass die Aktivmasse von dem bisherigen Vermögensträger getrennt wird mit der Folge, dass die Verbindlichkeiten bei dem Vermögensträger verbleiben und der Erwerber die Aktivmasse ohne die Verbindlichkeiten erwirbt. Soll und Haben des Unternehmens werden gespalten, der Erwerber erhält das Haben, der Soll verbleibt in der Insolvenzmasse. Hölzle, DStR 2004, 1433, 1434.

194 Saniert wird also das Unternehmen als solches, nicht dessen Rechtsträger. Hinsichtlich des Rechtsträgers ist die übertragende Sanierung nichts anderes als eine Liquidation. 195 Die Begründung zum Regierungsentwurf definiert die übertragende Sanierung als „die Übertragung eines Unternehmens, Betriebs oder Betriebsteils von dem insolventen Träger auf einen anderen, bereits bestehenden oder neu zu gründenden Rechtsträger.“ BT-Drucks. 12/2443, 71 ff.

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I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren

In diesem Sinne wird der Begriff der übertragenden Sanierung auch vorlie- 196 gend verstanden und benutzt. In der Begründung zum Regierungsentwurf wird die übertragende Sanierung 197 ausdrücklich als gleichrangiges Instrument neben der Sanierung des Schuldners bezeichnet und allen rechtspolitischen Forderungen, die übertragende Sanierung gesetzlich zu erschweren und gegenüber dem Planverfahren zurückzudrängen, eine Absage erteilt. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, 94.

Gemäß § 1 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, eine Sa- 198 nierung des Schuldnerunternehmens in sein Kalkül einzubeziehen. Auch der Insolvenzplan ist freilich „Mittel der Gläubigerbefriedigung“, die Sanierung des Unternehmensträgers ist als solche kein Selbstzweck. Jaeger-Henckel, InsO, § 1 Rn. 7.

Allerdings wäre im Rahmen der Gläubigerautonomie auch ein reiner Sanie- 199 rungsplan denkbar, der die Sanierung des Schuldnerunternehmens ohne den Aspekt der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zum primären Ziel hat. In der Praxis wird sich ein solcher Plan allerdings kaum durchsetzen lassen; die Regelungen der §§ 245, 251 InsO lassen die Obstruktion von Gläubigergruppen und einzelnen Gläubigern zu, die durch den Insolvenzplan schlechter gestellt werden, als sie ohne ihn stünden. Es besteht daher eine vom Gesetzgeber vorgegebene „Hierarchie der Insolvenzzwecke“. MüKo-Stürner, InsO, Einl. Rn. 3.

§ 1 Satz 1 InsO führt den „Erhalt des Unternehmens“ als Beispiel für einen 200 möglichen Inhalt eines Insolvenzplans an. Hierunter wird gewöhnlich, in Übereinstimmung mit den Vorstellungen des Gesetzgebers, die Sanierung des Rechtsträgers verstanden. Der Gesetzgeber wollte den Beteiligten mit dem Planverfahren in erster Linie (aber nicht ausschließlich) die Möglichkeit eröffnen, auf eine Verwertung des Schuldnervermögens zu verzichten und die Befriedigung der Gläubiger in anderer Weise zu regeln. Das Institut des Insolvenzplans kann jedoch unstreitig auch als Mittel für eine 201 Zerschlagung oder eine übertragende Sanierung eingesetzt werden. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 1 Rn. 24; Uhlenbruck-Lüer/Streit, InsO, vor §§ 217 – 269 Rn. 17 f.

In der Praxis stehen der Verwendung des Insolvenzplanverfahrens für eine 202 Liquidation, vor allem aber für eine übertragende Sanierung, schwerwiegende Hindernisse entgegen. Jaeger-Henckel, InsO, § 1 Rn. 15 ff.

Die Nachteile des Insolvenzplanverfahrens zur Umsetzung einer übertra- 203 genden Sanierung liegen auf der Hand: Die Aufstellung eines Insolvenzplans bedarf einer gewissen Zeit. Das Verfahren zur Annahme und Bestätigung des

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Insolvenzplans ist sehr aufwendig in inhaltlicher wie zeitlicher Hinsicht. Schuldner wie Gläubigern steht gegen die Bestätigung des Plans der Rechtsweg offen (§ 251 InsO). Jaeger-Henckel, InsO, § 1 Rn. 15.

204 Auch wenn der Insolvenzverwalter mit einem sog. „Prepacked-Plan“ in die Verhandlungen mit einem potenziellen Erwerber des Unternehmens eintritt, lösen sich diese Schwierigkeiten nicht auf. Der Insolvenzverwalter kann in diesem Fall weder die Annahme des Plans durch die Gläubigerversammlung garantieren noch absehen, ob Schuldner und/oder Gläubiger Rechtsmittel ergreifen werden und wie lange es ggf. bis zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel dauert. Jaeger-Henckel, InsO, § 1 Rn. 15.

205 Es wird daher eher selten vorkommen, dass ein Insolvenzverwalter, der eine Möglichkeit sieht, das Unternehmen als Ganzes zu veräußern, hierzu das Planverfahren wählt. Ebenso Jaeger-Henckel, InsO, § 1 Rn. 16.

206 In Frage wird dies vor allen Dingen dann kommen, wenn für die übertragende Sanierung in Absonderungsrechte eingegriffen werden muss, die Zustimmung der Absonderungsrechte aber nicht oder wegen der großen Zahl der Absonderungsberechtigten nur schwer zu erlangen ist. Vallender, GmbHR 2004, 642, 646.

207 Ferner ist ein Insolvenzplanverfahren in Erwägung zu ziehen, wenn im Rahmen der übertragenden Sanierung das Unternehmen eines Einzelkaufmanns oder einer Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Vollhafter übertragen werden soll. Hier kann im Insolvenzplan geregelt werden, welche gegenwärtigen Vermögensgegenstände und welche Teile der künftigen Erträge dem Einzelkaufmann verbleiben sollen oder welche Zahlungen mit dem Ziel der vorzeitigen Restschuldbefreiung bzw. Gesellschafterenthaftung gemäß § 227 Abs. 2 InsO durch einen Insolvenzplan an die Gläubiger geleistet werden. Vgl. hierzu auch Wellensiek, NZI 2002, 233, 238.

208 Zu weiteren Fallgruppen, in denen eine übertragende Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens in Betracht gezogen werden sollte, vergleiche Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 564 f.; Vallender, GmbHR 2004, 642, 646.

cc) Verfügungs- und Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters 209 Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Auch durch einen Verstoß gegen Mitwirkungsrechte des Gläubigerausschusses, der

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I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren

Gläubigerversammlung und des Schuldners nach §§ 160 – 163 InsO wird die Wirksamkeit von Verfügungen des Insolvenzverwalters nicht berührt (§ 164 InsO). Was zur Insolvenzmasse gehört, ergibt sich aus der Legaldefinition in 210 § 35 InsO: „das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt.“ Weil nur pfändbare Gegenstände dem Haftungszugriff der Gläubiger unter- 211 liegen, beschränkt sich die Masse gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO auf pfändbares Vermögen. Das Unternehmen „als solches“ ist selbst kein feststehender Rechtsbegriff. 212 Nach einer verbreiteten Definition versteht man darunter eine „Gesamtheit von Sachen und Rechten, tatsächlichen Beziehungen und Erfahrungen sowie unternehmerischen Handlungen“. Ballerstedt, ZHR 134 (1970) 251, 260; diese Definition wird z. B. benutzt von Picot-Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil I Rn. 6; ähnlich Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 130: „Inbegriff von Sachen, Rechten, tatsächlichen Beziehungen, Vertragspositionen, Marktanteilen, Ressourcen, Geschäftschancen, Arbeitsverträgen und ähnlichem mehr“.

Das Unternehmen bildet also einen Inbegriff von Vermögenswerten recht- 213 licher und tatsächlicher Art. Als solcher unterliegt es nicht der Vollstreckung. Gleiches gilt für die inbegriffenen „tatsächlichen Vermögenswerte“. Gleichwohl gehört das Unternehmen nach allgemeiner Auffassung „als Ganzes“ zur Masse; dies folgt nach zutreffender Ansicht bereits aus den §§ 120 bis 128, 158, 160 Abs. 2 Satz 1, 162, 163 InsO. HK-Ries, InsO, § 35 Rn. 30; Jaeger-Henckel, InsO, § 35 Rn. 9; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rn. 268 f.

In dieser Hinsicht geht der Insolvenzbeschlag also weiter als die Beschlag- 214 nahme im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung. Der Insolvenzverwalter ist mithin im Grundsatz befugt, über das Unternehmen 215 im Ganzen zu verfügen. Eine gewisse Schwierigkeit ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen Soll- und 216 Istmasse. § 35 InsO definiert die Sollmasse als das gesamte der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Schuldners. Nur die Sollmasse wird vom Insolvenzbeschlag erfasst. Die Istmasse umfasst diejenige Masse, die der Insolvenzverwalter vorfindet, wenn er das Schuldnervermögen in Besitz nimmt, einschließlich derjenigen Gegenstände, die nicht im Eigentum des Schuldners stehen. Die Istmasse ist daher vor einer Verwertung zunächst zur Sollmasse zu bereinigen. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rn. 47.

Die Verwertung der Sollmasse ist gemäß § 159 InsO die Pflicht des Insol- 217 venzverwalters.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

218 Eine Form der Verwertung nach § 159 InsO ist die übertragende Sanierung. Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 159 Rn. 47.

219 Die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters umfasst nach Maßgabe der §§ 165 ff. InsO in vielen Fällen auch die Verwertung von Gegenständen, an denen ein Absonderungsrecht besteht. Namentlich sind dies Grundstücke (§ 165 InsO), bewegliche Gegenstände, die der Insolvenzverwalter im Besitz hat (§ 166 Abs. 1 InsO) sowie Forderungen, die zur Sicherheit abgetreten sind (§ 166 Abs. 2 InsO). Damit ist das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters im Gegensatz zur Rechtslage unter der Konkursordnung für drei wichtige Fälle von Absonderungsrechten, die auch im Rahmen übertragender Sanierungen eine Rolle spielen, gesetzlich anerkannt. 220 Anders ist die Rechtslage für diejenigen mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstände, die zumindest dem Wortlaut nach nicht von §§ 165, 166 InsO erfasst werden. Dabei geht es einerseits um rechtsgeschäftliche Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten, Kübler/Prütting/Bork-Flöther, InsO, § 166 Rn. 12,

andererseits um zur Sicherheit abgetretene Rechte, die keine Forderungen sind. HK-Landfermann, InsO, § 166 Rn. 32.

221 Im Rahmen übertragender Sanierungen dürften innerhalb der zuletzt genannten Fallgruppe insbesondere Immaterialgüterrechte und Beteiligungen von besonderer Bedeutung sein. Auf die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten wird zurückgekommen. b) Schuldner/Geschäftsführer 222 Dem Schuldner – das wird in den meisten Fällen einer Unternehmensveräußerung aus der Insolvenz eine Gesellschaft sein – kommen im Regelinsolvenzverfahren grundsätzlich keine Befugnisse mehr zu. In der Praxis sieht dies oft anders aus, da das „Know-how“ des Unternehmens in vielen Fällen mit der Person des Geschäftsführers eng verbunden ist. Faktisch leitet dann häufig der bisherige Geschäftsführer das Unternehmen unter Aufsicht des Insolvenzverwalters in dessen Auftrag weiter. 223 Wenn diese Situation gegeben ist, dann ist eine Abstimmung des Insolvenzverwalters mit der Geschäftsleitung vor und während einer Veräußerung des Unternehmens aus tatsächlichen Gründen unumgänglich, wenn man nicht Gefahr laufen will, den Know-how-Träger zu verlieren. 224 Umgekehrt ist auch ein Kontakt des Erwerbers mit der Geschäftsleitung dringend ratsam, da diese das Unternehmen in der Regel länger und besser kennt als der Insolvenzverwalter. Das ist insbesondere im Hinblick darauf von Bedeutung, dass der Insolvenzverwalter in aller Regel nicht die sonst bei Unternehmenskäufen üblichen Garantien abgeben wird.

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I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Bernsau, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 40 f.

Aus rechtlicher Sicht ist der Schuldner vor einer Veräußerung des Unter- 225 nehmens zu unterrichten, wenn sich die Veräußerung – was häufig der Fall sein wird – als „besonders bedeutsame Rechtshandlung“ darstellt (§ 161 Satz 1 InsO). Ist der Schuldner keine natürliche Person, sind die organschaftlichen Vertreter zu informieren. Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 161 Rn. 2.

Sofern nicht die Gläubigerversammlung ihre Zustimmung erteilt hat, kann 226 das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners und nach Anhörung des Insolvenzverwalters die Vornahme der „besonders bedeutsamen Rechtshandlung“ gemäß § 161 Satz 2 InsO untersagen. Ist Eigenverwaltung angeordnet, dann bleibt die Verwaltungs- und Verfügungs- 227 befugnis beim Schuldner, § 270 Abs. 1 InsO. Dies gilt auch für das Verwertungsrecht an Sicherungsgut (vgl. § 270 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 160 ff. InsO). Der Schuldner steht in den Fällen der Eigenverwaltung unter der Aufsicht 228 eines Sachwalters (§§ 270, 275 InsO). Insbesondere dürfen Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Sachwalters eingegangen werden. Dies dürfte für den Verkauf des Unternehmens als Ganzes stets zutreffen. Die Insolvenzgerichte sind nach wie vor gegenüber dem Institut der Eigen- 229 verwaltung sehr zurückhaltend. Maßgebend dürfte dabei der viel geäußerte Gedanke sein, dass „der Bock nicht zum Gärtner gemacht“ werden dürfe. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 1.

c) Sachwalter Im Rahmen der sog. Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO ist der Schuldner 230 unter bestimmten, in der Vorschrift geregelten Bedingungen berechtigt, die Insolvenzmasse unter der Aufsicht eines (vorläufigen) Sachwalters (eigen) zu verwalten. Die Rechtsstellung des Sachwalters richtet sich dabei nach § 274 InsO und ähnelt der Stellung eines Vergleichsverwalters i. S. d. §§ 39, 40 VerglO. Gottwald-Haas/Kahlert, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 28.

Im Rahmen des vorgelagerten Insolvenzantragsverfahrens wird, sofern ein 231 Antrag auf Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 1 Nr. 1 InsO gestellt wurde, gemäß § 270a Abs. 2 InsO bereits ein vorläufiger Sachwalter eingesetzt. Auf diesen finden die §§ 274, 275 InsO entsprechende Anwendung. Hierzu sogleich. Die Beantwortung der Frage nach der Art der Bestellung des Sachwalters, 232 den Anforderungen, die an seine Person zu stellen sind, nach der Reichweite

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

der Beaufsichtigung durch das Insolvenzgericht sowie nach seiner Vergütung und persönlichen Haftung, richtet sich nach § 274 InsO. Diese Norm verweist jedoch auf die allgemeinen Regelungen in Bezug auf den Insolvenzverwalter, mit der Folge, dass dem Sachwalter eine dem Insolvenzverwalter insoweit zumindest ähnliche Stellung zukommt. Gottwald-Haas/Kahlert, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 28.

233 Primäre Aufgabe des Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung ist die Beaufsichtigung und Überwachung des Schuldners. Den Schuldner dagegen trifft beispielsweise bei der Vornahme von bestimmten Verfügungen die Pflicht, die Zustimmung des Sachwalters oder die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen. 234 Die Insolvenzgläubiger sind gemäß § 270c Satz 2 InsO verpflichtet, ihre Forderungen beim Sachwalter anzumelden. Er hat die Insolvenztabelle zu führen. In der Folge trifft den Sachwalter sodann eine Prüfungs- und Berichtspflicht hinsichtlich dieser Forderungen. Ebenso verhält es sich mit den im Rahmen der Eigenverwaltung durch den Schuldner selbst zu erstellenden Dokumenten, namentlich dem Vermögensverzeichnis, der Schlussrechnung sowie dem Verteilungsverzeichnis. MüKo-Tetzlaff, InsO, § 270 Rn. 145.

235 Um der Aufgabe der Überwachung und Prüfung gerecht werden zu können, werden dem Sachwalter Zustimmungs- und Widerspruchsbefugnisse eingeräumt. In der Folge kann er im Zweifel Einfluss auf den Schuldner bzw. dessen Handlungen nehmen. So soll der Schuldner gemäß § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO beispielsweise Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. Bei besonders bedeutsamen Rechtshandlungen bedarf es gemäß § 276 InsO sogar der Zustimmung des Gläubigerausschusses. Im Zweifel ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag der Gläubigerversammlung an, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners ausschließlich mit Zustimmung des Sachwalters wirksam sind, vgl. § 277 Abs. 1 Satz 1 InsO. Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 277 Rn. 2 ff.

236 Anders als im Falle eines bisher bekannten Regelinsolvenzverfahrens, bei dem ein (schwacher oder starker) vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt wird, der nach Eröffnung sodann regelmäßig zum Insolvenzverwalter wird, mit der Folge, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen auf den (starken vorläufigen) Insolvenzverwalter übergeht, verbleibt diese im Rahmen der Eigenverwaltung stets beim Schuldner. Er wird Amtswalter in eigener Sache, Kübler-Kübler, HRI, § 19 Rn. 6,

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I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren

der nach Verfahrenseröffnung bestimmte, eigentlich dem Insolvenzverwalter zugewiesene Rechte wahrnehmen kann, dabei jedoch, wie dargestellt, der Aufsicht und dem Einverständnis des Sachwalters unterliegt. MüKo-Tetzlaff, InsO, § 270 Rn. 141.

Durch den Schuldner in dieser Eigenverwaltungsphase begründete Verbind- 237 lichkeiten der Insolvenzmasse werden zu privilegierten Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 InsO. HambKo-Fiebig, InsO, § 270 Rn. 35.

Insoweit ist der Schuldner in Eigenverwaltung auch Partei eines Unterneh- 238 menskaufvertrages, soweit das schuldnerische Unternehmen im Rahmen eines Asset Deals verkauft werden soll. Die Zustimmung des Sachwalters ist im Innenverhältnis gegenüber dem Schuldner zu erklären. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, dass der Sachwalter dem Vertragsschluss durch Unterzeichnung/Teilnahme an der Beurkundung zustimmt. Bestimmte, im Rahmen einer Insolvenz anfallende Aufgaben sind jedoch ori- 239 ginäre des Insolvenzverwalters, mit der Folge, dass die Gesetzgebung diese Aufgaben auch im Rahmen der Eigenverwaltung gemäß § 280 InsO bei dem Sachwalter verortet. Dies betrifft die Geltendmachung der Haftung für einen Gesamtschaden gemäß § 92 InsO bzw. die persönliche Haftung der Gesellschafter gemäß § 93 InsO, praktisch jedoch wohl insbesondere die Anfechtung von die Insolvenzgläubiger benachteiligenden Rechtshandlungen des Schuldners gemäß §§ 129 ff. InsO. Nerlich/Römermann-Riggert, InsO, § 280 Rn. 1 ff.

Die Umsetzung dieser Vorgaben stößt in der Praxis auf nicht unerhebliche 240 Probleme, da das Gesetz davon ausgeht, dass die Eigenverwaltung kompetent genug ist, das Insolvenzverfahren, namentlich die Sanierung, selbst durchzuführen. Nicht selten sind Eigenverwaltungsverfahren jedoch entweder unzureichend vorbereitet oder die Gesamtumstände bzw. fehlendes Know-how der Geschäftsführung verhindern, dass das Verfahren in Eigenverwaltung durchgeführt werden kann. Dies stellt sich in vielen Fällen erst nachträglich im Rahmen des Eröffnungsverfahrens heraus. Zeitgleich muss der vorläufige Sachwalter die für die Gutachtenerstellung und die Überwachung des Verfahrens erforderlichen Informationen von den Verantwortlichen erhalten, insbesondere über die wirtschaftliche Lage und die Zielrichtung der Sanierung. Frind, NZI 2014, 937 ff.

Hier ist ein Zusammenspiel erforderlich, welches nicht immer reibungslos 241 abläuft. In der Praxis ist es daher mittlerweile nicht unüblich, im Falle einer sich ankündigenden, aber noch nicht eingetretenen Krise zunächst eine Sanierungsberatung in Anspruch zu nehmen, namentlich einen Sanierungsgeschäftsführer zu bestellen. Im Falle der auf diese Weise geglückten Abwendung der Krise ist kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Ver-

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

mögen des Krisenunternehmens und kein mit diesem verbundener Antrag auf Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 1 Nr. 1 InsO erforderlich. 242 Sollte die Krise hingegen nicht abgewendet werden können, ist der Geschäftsführer verpflichtet, einen Eröffnungsantrag gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 InsO zu stellen. Regelmäßig stellt der Sanierungsgeschäftsführer zugleich den Antrag gemäß § 270 Abs. 1 Nr. 1 InsO, ggf. gepaart mit einem sog. Schutzschirmantrag gemäß § 270b InsO, und benennt in diesem Zusammenhang bereits den gewünschten und ihm in der Regel bereits bekannten (vorläufigen) Sachwalter. Tatsächlich kommen die Insolvenzgerichte, unabhängig von einem Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 56a InsO, dieser Begehr häufig nach, auch um kurze Einarbeitungszeiten und damit eine zügige Insolvenz zu gewährleisten. Die vorgenannten Risiken und Probleme werden auf diese Weise minimiert bzw. eliminiert. d) Gesellschafter des Schuldnerunternehmens 243 Die Gesellschafter der Schuldnerin zählen formell nicht zu den Beteiligten des Insolvenzverfahrens. Unter anderem deswegen sind sie normalerweise nicht im besonderen Blickwinkel des Insolvenzverwalters. 244 Anders ist dies insbesondere dann, wenn die „übertragende Sanierung“ mit Hilfe einer Auffanggesellschaft erfolgen soll, die der/die Gesellschafter des Schuldnerunternehmens gründen. Das bietet sich aus Verkäufersicht insbesondere dann an, wenn – wie häufig – der „Goodwill“ des Unternehmens tatsächlich „Goodwill“ des Gesellschafters ist, weil er in der Branche und/ oder Region, in der das Unternehmen tätig ist, besonderes Ansehen genießt. Umgekehrt können die Gesellschafter (oder ein Teil von ihnen) Interesse an einer derartigen Auffanglösung haben, weil sie hierdurch die Chance wahren, aus zukünftigen Gewinnen einen Teil ihrer Investition zu amortisieren. 245 Im Übrigen werden die Stellung und die gesellschaftsrechtlichen Befugnisse der Gesellschafter von der Insolvenz der Gesellschaft im Grundsatz nicht berührt. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rn. 137.

246 Diese Rechte werden im eröffneten Verfahren zwar vielfach ins Leere laufen, z. B. ist das Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer angesichts der alleinigen Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters in der Regel kaum von Bedeutung. In der Literatur wird allerdings mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die Gesellschafter immerhin den amtierenden Geschäftsführer abberufen und jederzeit neue Geschäftsführer bestellen und damit dem Unternehmen u. U. erheblichen Schaden zufügen können. Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Bernsau, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 40 f.

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I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren

Zwar wirkt sich dies, wenn der Insolvenzverwalter an dem bisherigen Ge- 247 schäftsführer als seinem Beauftragten festhält, nicht unmittelbar auf die operative Leitung des Unternehmens aus. Es kann jedoch nach innen wie außen ein falsches Signal sein, gerade wenn der bisherige Geschäftsführer objektiv oder aus Sicht eines potenziellen Erwerbers, mit dem sich der Insolvenzverwalter in Verhandlungen über einen Verkauf des Unternehmens befindet, für das Unternehmen unentbehrlich ist. Der in der einschlägigen Literatur den Insolvenzverwaltern gegebene Rat, 248 mit den Gesellschaftern zumindest ein grundsätzliches Auskommen zu suchen, ist insoweit beherzigenswert. Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Bernsau, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 39.

e) Gläubiger Beteiligte des Insolvenzverfahrens sind ferner – und eigentlich in erster Linie – 249 die Gläubiger. Der Begriff des Insolvenzgläubigers ist definiert in § 38 InsO („persönliche 250 Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben“). Keine Insolvenzgläubiger sind die Aussonderungsberechtigten (vgl. § 47 251 Satz 1 InsO). Sie werden außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den allgemeinen (d. h. in der Regel nach zivilrechtlichen) Vorschriften befriedigt. Am Verfahren teilnehmen können demgegenüber die Absonderungsberech- 252 tigten. Gemäß § 52 Satz 1 InsO sind sie Insolvenzgläubiger, soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet. Sie partizipieren allerdings an der Befriedigung aus der Insolvenzmasse nur insoweit, als sie entweder auf abgesonderte Befriedigung verzichten oder mit einem Teil ihrer Forderung ausgefallen sind (§ 52 Satz 2 InsO). Die Absonderungsberechtigten nehmen entsprechend an der Gläubigerversammlung teil (§ 74 Abs. 1 InsO). Gläubiger eigener Art sind die Massegläubiger nach § 53 InsO. Sie sind im 253 Interesse einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Insolvenzverfahrens gegenüber den Insolvenzgläubigern privilegiert. Die Geltendmachung der Ansprüche der Massegläubiger vollzieht sich außerhalb des Insolvenzverfahrens. Im Rahmen der übertragenden Sanierung spielen sie bzw. die Höhe der Masseverbindlichkeiten allenfalls im Rahmen der Kaufpreisfindung eine Rolle. Nach ihren wirtschaftlichen Interessen sind die Insolvenzgläubiger eine hete- 254 rogene Gruppe. Im Rahmen einer Unternehmensinsolvenz treten in der Regel als Gläubiger auf: x

Arbeitnehmer;

x

Banken;

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

x

Lieferanten;

x

Vermieter/Verpächter;

x

Steuergläubiger.

255 Im Rahmen der Novellierung durch das ESUG sind die Rechte der vorgenannten Gläubiger im Insolvenzverfahren gestärkt worden. Namentlich haben diese nun mehr Einfluss auf „ihr“ Insolvenzverfahren, da Ziel eines jeden Verfahrens, unabhängig von dessen Ausgestaltung als Sanierung oder Liquidation, gem. § 1 InsO die bestmögliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger ist. Insofern war es nur konsequent, die Gläubiger, insbesondere bei einer Sanierung, mehr in das Verfahren und damit in die vorzunehmenden Maßnahmen einzubinden. Im Wesentlichen bestimmt die Insolvenzordnung nun, dass bereits im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens unter bestimmten Bedingungen ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt werden kann bzw. muss. §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 22a InsO normieren die Einsetzung eines solchen vorläufigen Gläubigerausschusses als vom Insolvenzgericht anzuordnende vorläufige Maßnahme. § 56a InsO regelt nach der Novellierung die Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung. Demnach ist vor der Bestellung des Insolvenzverwalters dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen, die an den potenziellen Kandidaten zu stellen sind, und zu der avisierten Person selbst zu äußern, es sei denn, diese Beteiligung führte aus zeitlicher Sicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners. Ferner kommt dem vorläufigen Gläubigerausschuss ein Vorschlagsrecht im Hinblick auf die zu bestellende Person zu. Borchardt/Frind-Kühne, Betriebsfortführung, Rn. 756; Huber, ZInsO 2013, 1, 5.

256 Dies reicht nach Auffassung der Verwalterpraxis und auch des Gesetzgebers jedoch nicht aus, eine Sanierung auf eine solide Grundlage zu stellen. In der Folge wurde im Zuge der Novellierungen durch das ESUG beispielsweise ebenfalls der Zugang zur Eigenverwaltung erleichtert und ein sog. Schutzschirmverfahren gem. §§ 270a und 270b InsO eingeführt, nach dem der Eigenverwalter unter und zu bestimmten Bedingungen nahezu frei von äußeren negativen Einflüssen eine auch für die Gläubiger wirtschaftlich sinnvolle Sanierung, respektive einen Insolvenzplan, vorbereiten kann. 257 Diese Neuerungen fußen auf der Intention, den in die Krise geratenen Schuldner zu einer frühzeitigen, oder vielmehr zu einer so früh wie möglichen Antragsstellung zu bewegen, da regelmäßig nur in einem so frühen Stadium ausreichend Warenbestände, Liquidität und vor allem Kunden vorhanden sind, um das Ruder des vom Kurs abgekommenen Schiffes aussichtsvoll herumreißen zu können. Erfolgt die Antragsstellung zu spät, sind nicht selten Kontakte und Markverbundenheit unwiederbringlich zerstört und damit meist auch Aussichten auf Fortführung des Geschäftsbetriebes. Eine Liqui-

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I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren

dation führt regelmäßig zu einer geringeren Quote für die Insolvenzgläubiger als eine Sanierung. Die vorgenannten Gesetzesänderungen waren und sind auch nötig, da auslän- 258 dische Kreditgeber und Stakeholder in der Vergangenheit zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte und der damit globalen Krisen ist nach wie vor vermehrt mit Insolvenzen von Unternehmen zu rechnen, die durch „Private-Equity-Fonds“ erworben und deren Erwerb durch ein international besetztes Bankenkonsortium fremdfinanziert wurde. Dabei wurde zur Erzielung einer hohen Eigenkapitalrendite der „Private- 259 Equity-Fonds“ meist ein hoher Fremdkapitalanteil verwendet (sog. „Leverage“). Zugleich wurde vielfach ein stetiges Wachstum bei steigenden Werten unterstellt. Diese Annahmen haben sich häufig nicht bestätigt. Die so erworbenen Unternehmen haben mit dem zu hohen Kapitaldienst für das zu hohe Fremdkapital zu kämpfen und fallen infolge dessen in die Insolvenz. Auf den Insolvenzverwalter kommt in diesen Fällen die Herausforderung zu, 260 mit diesem Bankenkonsortium über die Freigabekonditionen und Verwertung der Vermögensgegenstände, die als Sicherheit gewährt wurden, in Vorbereitung der übertragenden Sanierung zu verhandeln. Dabei stellt die Prüfung der Wirksamkeit bzw. Anfechtbarkeit der bestellten Sicherheiten noch das übliche Standardprogramm dar. Besonders herausfordernd ist es, die Vielzahl der unterschiedlichsten Kreditgeber von der regionalen Sparkasse bis zum Hedgefonds mit ihren heterogenen Interessen unter einen Hut zu bekommen. Zum Teil wird allein schon die Grundstruktur des deutschen Insolvenzrechts auf Unverständnis bei den ausländischen Gläubigerbanken stoßen. Neben sprachlichen Hürden werden dabei auch die Feinheiten der Kredit- und Sicherheitenverträge zu beachten sein. Auch wenn die Insolvenzmasse nicht unmittelbar davon betroffen ist, wird sich der Insolvenzverwalter den Auswirkungen der Interessengegensätze unterschiedlich rangiger Kreditgeber nicht entziehen können. Diese Verhandlungen ähneln teils einem Geschacher. Gegebenenfalls bietet es sich auch hier an, professionelle Expertise, insbesondere im Umgang mit heterogenen Bankenpools, einzuholen. Vgl. zu dem Gesamtkomplex Denkhaus/Demisch, InsVZ 2010, 243, 244.

Derartige Inanspruchnahmen besonders qualifizierter Personen durch den 261 Insolvenzverwalter können delegiert werden. BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, ZInsO 2004, 1348, 1349.

In diesem Zusammenhang sehen sich Insolvenzverwalter zunehmend dem 262 Ansinnen ausgesetzt, die Zustimmung der gesicherten Gläubiger, also insbesondere der Banken, zum Abschluss des Kaufvertrags nur gegen Verzicht auf Anfechtung gestellter Sicherheiten zu erhalten. Der Insolvenzverwalter wird regelmäßig zurzeit des Abschlusses des Kaufvertrags noch nicht wissen, ob

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

bestehende Sicherheiten einzelner Gläubiger anfechtbar sind und wie es um die Beweislage und damit die Prozessaussichten bestellt ist. Die Einforderung derartiger Erklärungen ist darüber hinaus als Indiz zu werten, dass Anfechtungsansprüche bestehen können. Ein Anfechtungsverzicht zu einem solchen Zeitpunkt wäre damit insolvenzzweckwidrig. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, NZI 2002, 375 ff.; MüKo-Hefermehl, InsO, § 55 Rn. 25.

263 Aus diesem Grunde dürfte der Insolvenzverwalter regelmäßig nicht in der Lage sein, derartige Erklärungen abzugeben, will er sich nicht selber etwaigen Haftungsrisiken gemäß § 60 InsO aussetzen. 264 Auch wenn die Gläubigerversammlung die Abgabe einer derartigen Erklärung durch den Insolvenzverwalter genehmigt, dürfte dieser Beschluss gemäß § 78 InsO aufzuheben sein, da durch ihn ein einzelner Gläubiger einseitig bevorzugt wird. HambKo-Press, InsO, § 78 Rn. 7.

265 Diese Aufhebung erfolgt allerdings nur, soweit ein entsprechender Antrag in der Gläubigerversammlung von einem nicht nachrangigen Gläubiger, einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder dem Insolvenzverwalter gestellt wird. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, so sind die Beschlüsse wirksam. Lediglich Beschlüsse, die unter Verletzung formeller Voraussetzungen zustande gekommen sind oder gegen Verbotsgesetze bzw. inhaltlich gegen zwingendes Recht (§§ 134, 138 BGB) verstoßen, sind nichtig und bedürfen keiner Aufhebungsentscheidung. Dieses ist z. B. der Fall, wenn die Gläubigerversammlung ihre gesetzlichen Kompetenzen überschreitet. AG Duisburg, Beschl. v. 10.2.2010 – 60 IN 26/09, ZInsO 2010, 815, 816.

f) Organe der Gläubiger 266 Rechtlich sind die Gläubiger an Entscheidungen im Insolvenzverfahren durch ihre Organe, Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss, beteiligt. Eingehend Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, insbesondere S. 61 ff.

267 Der Gläubigerausschuss war bisher nur im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens gesetzlich geregelt. Durch das Gesetz zur erleichterten Sanierung von Unternehmen („ESUG“) erfolgten nunmehr jedoch erforderliche Anpassungen der Regelungen zum Gläubigerausschuss im Insolvenzantragsverfahren. Hintergrund ist der Umstand, dass ein Insolvenzverfahren, egal in welcher Form und zu welcher Zeit es geführt wird, schlussendlich ein Verfahren zwischen Schuldner und Gläubigern ist. Die Gesetzesreform trägt diesem Gedanken dadurch Rechnung, dass die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte der Gläubiger im Zuge der Novellierung gestärkt wurden.

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I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren Vallender/Steinwachs/Cranshaw-Cranshaw, Der Gläubigerauschuss in der Insolvenz des Firmenkunden, Rn. 1; Huber, ZInsO 2013, 1, 1.

Um dieser Intention Raum zu verschaffen, sieht das ESUG diverse neue Re- 268 gelungen und damit Mechanismen vor, die Gläubiger stärker in einem frühen Verfahrensstadium einzubinden. Unter anderem soll diese verstärkte Mitbestimmung dadurch gewährleistet werden, dass bereits im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens unter bestimmten Bedingungen ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt werden kann bzw. muss. §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 22a InsO normieren die Einsetzung eines solchen vorläufigen Gläubigerausschusses als vom Insolvenzgericht anzuordnende vorläufige Maßnahme. Der § 69 Abs. 1 InsO spricht in diesem Zusammenhang davon, dass vor der 269 ersten Gläubigerversammlung ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt werden kann. Die Einsetzung ist demnach grundsätzlich fakultativ. § 22a Abs. 1 InsO hingegen normiert, dass das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a einzusetzen hat, wenn die dort genannten Merkmale, den Schuldner betreffend, erfüllt sind. Ferner soll ein solcher Ausschuss auch dann eingesetzt werden, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter oder ein Gläubiger dies beantragt und Personen benannt werden, die als Mitglieder des Ausschusses in Betracht kommen und entsprechende Einverständniserklärungen bereits abgegeben haben. Huber, ZInsO 2013, 1, 3.

Nicht eingesetzt werden soll ein Ausschuss hingegen, wenn der Geschäftsbe- 270 trieb des Schuldners eingestellt ist, die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses im Hinblick auf die zu erwartende Insolvenzmasse unverhältnismäßig ist oder die mit der Einsetzung verbundene Verzögerung zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt. Die ersten beiden Gründe sind wirtschaftlicher Natur. Im Falle der Einstellung des Geschäftsbetriebes, nämlich der Liquidation des Schuldners, bedarf es regelmäßig keiner besonders frühzeitigen Abstimmung über den weiteren Verlauf mit den Gläubigern, im Falle einer geringen Insolvenzmasse würde diese mit Zusatzkosten für die Mitglieder des Gläubigerausschusses belastet werden. Letzterer Fall stellt einen Zeitfaktor dar: Die Beteiligung der Insolvenzgläubiger vor der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters erscheint nur dann praktikabel, wenn hierdurch keine erhöhten Risiken für die spätere Insolvenzmasse entstehen. Andernfalls wäre die Einsetzung eines Gläubigerausschusses kontraproduktiv. Borchardt/Frind-von Websky, Betriebsfortführung, Rn. 1861.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

271 Die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses soll insbesondere den frühzeitigen Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters sicherstellen. Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des ESUG, BT-Drucks. 17/5712, 24.

272 Dies ist deshalb uneingeschränkt zu begrüßen, da das Insolvenzverfahren ausschließlich der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger dienen soll und die Person des vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig wegweisend für den Gang des Insolvenzverfahrens ist. Vallender, MDR 2012, 61, 63.

273 In der Folge regelt § 56a InsO nach der Novellierung die Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung. Demnach ist vor der Bestellung des Insolvenzverwalters dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen, die an den potenziellen Kandidaten zu stellen sind, und zu der avisierten Person selbst zu äußern, es sei denn, diese Beteiligung führte aus zeitlicher Sicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners. Ferner steht dem vorläufigen Gläubigerausschuss das Recht zu, einstimmig einen (vorläufigen) Insolvenzverwalter vorzuschlagen. Im Falle eines solchen Vorschlages darf das Insolvenzgericht nur dann von diesem abweichen, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet erscheint. Grundsätzlich, aber insbesondere im Falle der Ablehnung des vorgeschlagenen Kandidaten, hat das Insolvenzgericht die von dem vorläufigen Gläubigerausschuss beschlossenen Anforderungen an die Person des Insolvenzverwalters der Auswahl und Entscheidung zugrunde zu legen. Borchardt/Frind-Kühne, Betriebsfortführung, Rn. 756; Huber, ZInsO 2013, 1, 5.

274 Durch diese Neuregelung hat das vormalige Alleinbestimmungsrecht des Insolvenzgerichts bezüglich des (vorläufigen) Insolvenzverwalters zumindest in den Fällen, in denen ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt wurde, erhebliche Einschränkungen erfahren. Dies hat Vor-, aber auch Nachteile. 275 Zum einen ist die Entscheidungsbefugnis damit nicht mehr isoliert bei dem Insolvenzrichter angesiedelt, sondern wird von vielen, nämlich sämtlichen Gläubigerausschussmitgliedern, ausgeübt. Dies minimiert das Risiko von Fehlentscheidungen, insbesondere zulasten der nachmaligen Insolvenzgläubiger. Außerdem entscheiden die Insolvenzgläubiger in ihrem Verfahren, denn das Insolvenzverfahren dient der bestmöglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger, wegweisend mit. Früher kam es in Einzelfällen zur Bestellung eines für das individuelle Verfahren ungeeigneten Insolvenzverwalter. Diese wirkte sich nicht selten nachteilig für die Gläubiger aus. 276 Zum anderen birgt die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses und das diesem sodann zugestandene Mitbestimmungsrecht aber auch ein gewisses

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I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren

Risiko für das zu sanierende Unternehmen, da sowohl die Einsetzung des Ausschusses als auch eine Abstimmung durch diesen einer gewissen Zeit bedürfen, die das Unternehmen möglicherweise nicht hat. Huber, ZInsO 2013, 1, 6.

Das eröffnete Insolvenzverfahren ist sodann nach der Konzeption des Ge- 277 setzes in zwei Abschnitte geteilt. Der Insolvenzverwalter hat nach dem gesetzlichen Modell (§ 156 InsO) bis zum Berichtstermin die Masse zu sichern und zu verwalten. Durch seinen Bericht soll er die Entscheidung der Gläubigerversammlung über den weiteren Fortgang des Insolvenzverfahrens vorbereiten. Nach dem Berichtstermin ist es dann die Aufgabe des Insolvenzverwalters, die Entscheidungen der Gläubigerversammlung umzusetzen und die Masse zu verwerten. Zunächst hatte die Insolvenzordnung eine Verwertung der Masse vor dem 278 Berichtstermin im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Hieraus wurde in der Literatur von der wohl noch herrschenden Meinung auf die Unzulässigkeit von Verwertungshandlungen vor dem Berichtstermin geschlossen, Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 159 Rn. 4; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 159 Rn. 44,

was auch für die übertragende Sanierung vor dem Berichtstermin gelten sollte. Vallender, GmbHR 2004, 642, 643.

Daran war problematisch, dass dies einen verlorenen Zeitraum von bis zu 279 drei Monaten (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO) mit sich brachte, was in vielen Fällen die Chancen einer übertragenden Sanierung überhaupt zunichtemacht oder jedenfalls erschwert, weil bei vielen Verfahren nicht genug Liquidität vorhanden sein wird, um das Unternehmen derart lange fortzuführen. Das gilt umso mehr, als die Personalkosten ab der Verfahrenseröffnung die Masse belasten. Daneben wird in vielen Branchen auch die Marktreaktion auf die Insolvenz umso heftiger ausfallen, je länger mit einer Sanierung gewartet wird. Schließlich kann sich ein längeres Zuwarten zum Nachteil der Masse auf den für das Unternehmen erzielbaren Preis auswirken. Der zunehmende Zeitdruck schwächt die Verhandlungsposition des Insolvenzverwalters; überdies besteht die Gefahr, dass in der Zwischenzeit wichtige Arbeitnehmer, Lieferanten oder Kunden abspringen. Ähnlich Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Bernsau, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 55.

In der Insolvenzpraxis hatte sich dementsprechend schnell herausgestellt, 280 dass der günstigste Zeitpunkt für eine übertragende Sanierung oft unmittelbar nach Eröffnung des Verfahrens liegt. Bork/Hölzle-Jaffé, Handbuch Insolvenzrecht, Rn. 31.55 und 31.73; Menke, BB 2003, 1133, 1138; Vallender, GmbHR 2004, 642, 643.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

281 Daher wird der Unternehmenskaufvertrag regelmäßig schon durch den vorläufigen Insolvenzverwalter mit dem Erwerbsinteressenten ausgehandelt und dann als sog. „Prepacked-Deal“, Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 1652 ff.; Menke, BB 2003, 1133, 1138 bei und in Rn. 57,

unmittelbar nach Eröffnung des Verfahrens unterzeichnet. 282 Der Gesetzgeber ist dieser Praxis durch das zum 1. Juli 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 gefolgt. Nach Änderung des § 158 Abs. 1 und 2. InsO ist nun eine Betriebsveräußerung vor dem Berichtstermin analog der Stilllegung mit Zustimmung des Gläubigerausschusses möglich. Dadurch erhält der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, schon vor dem Berichtstermin das Unternehmen im Ganzen zu veräußern, was wie bereits ausgeführt oft die beste Form der Verfahrensabwicklung darstellt. Pape, NZI 2007, 481, 484.

283 Mit der Neufassung des § 158 Abs. 2 InsO – Unterrichtung des Schuldners – sind auch die Rechte des Schuldners gewahrt. Seiner Zustimmung zur Betriebsveräußerung bedarf es jedoch nicht, weil die Entscheidung über die Verfahrenseröffnung bereits vorher gefallen ist, was den Eingriff in die Rechte des Schuldners legitimiert. Pape, NZI 2007, 481, 484.

284 Die Gläubigerversammlung ist gemäß § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO nur ersatzweise zuständig, wenn ein Gläubigerausschuss nicht bestellt ist. Vallender, GmbHR 2004, 642, 643.

285 In jedem Fall bedarf es der Zustimmung der Gläubigerversammlung und ggf. ihrer kurzfristigen Anberaumung in den Fällen des § 162 InsO, der sog. Betriebsveräußerung an besonders Interessierte. In diesem Spezialfall des § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO, bei dem der Erwerber zu dem schuldnerischen Unternehmen ein besonderes Näheverhältnis hat, ist nicht der Gläubigerausschuss, sondern ausschließlich die Gläubigerversammlung zustimmungskompetent. Aufgrund der steigenden Missbrauchsgefahr bei einer übertragenden Sanierung auf einen Erwerber mit Näheverhältnis zum schuldnerischen Unternehmen soll das oberste Gläubigerorgan entscheiden, ob der Fortführungswert angemessen vergütet wird. Als besonders Interessierte werden in § 162 InsO zwei Erwerbergruppen genannt: 286 Die dem Schuldner nahestehenden Personen i. S. d. § 138 InsO, die zu 20 % oder mehr am Kapital des Erwerbers beteiligt sind sowie absonderungsberechtigte Gläubiger oder Insolvenzgläubiger mit einer derartigen Beteiligung am Erwerber, deren Absonderungsrechte bzw. Forderungen zugleich 20 % des Wertes aller Absonderungsrechte bzw. Insolvenzforderungen erreichen. Gesellschaftsrechtliche Konstruktionen mit mittelbaren Beteiligungen – ab64

I. Relevante Beteiligtengruppen im Insolvenzverfahren

hängige Unternehmen, Treuhandverhältnisse wie auch abhängige Unternehmen als Treugeber – sind über § 162 Abs. 2 InsO erfasst. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 1654 f.

Findet sich keine ausreichende Anzahl an Mitgliedern für einen Gläubiger- 287 ausschuss (mindestens zwei), sollte der Insolvenzverwalter spätestens im Berichtstermin zur Vermeidung von Haftungsrisiken die Gläubigerversammlung um die Genehmigung der erfolgten übertragenden Sanierung bitten. In seinem Bericht sollte er dabei darlegen, warum ein Warten bis zum Berichtstermin nachteilige Folgen für die Masse gehabt hätte. Vallender, GmbHR 2004, 642, 644.

Aus Sicht des Erwerbers ist die Zustimmung des Gläubigerausschusses mit 288 Blick auf § 164 InsO nicht von zentraler Bedeutung. g) Insolvenzgericht Das Insolvenzgericht wirkt am eröffneten Insolvenzverfahren durch die Be- 289 aufsichtigung des Insolvenzverwalters gemäß § 58 Abs. 1 InsO mit. Aus systematischer Sicht von besonderer Bedeutung ist die Prüfung der Schlussrechnung gemäß § 66 Abs. 2 InsO, die als Vorprüfung stets der Prüfung durch die Gläubigerversammlung vorauszugehen hat. Im Rahmen einer übertragenden Sanierung kann das Gericht auf Antrag des 290 Schuldners oder einer bestimmten Anzahl von Gläubigern, wenn der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses gemäß § 161 InsO zur Veräußerung des Unternehmens eingeholt hat, eine Gläubigerversammlung zur Entscheidung der Frage (an Stelle des Gläubigerausschusses) einberufen. Antragsbefugt sind neben dem Schuldner allein mindestens fünf absonderungsberechtigte oder nicht nachrangige Gläubiger, deren Forderungen zusammen 1/5 der Summe aller Absonderungsrechte und nicht nachrangigen Forderungsbeträge ergeben müssen. h) Arbeitnehmer Nach einer gewichtigen Stimme in der Literatur sind im Rahmen des Insol- 291 venzverfahrens – auch wenn dies, anders als im Regierungsentwurf vorgesehen, im Text der Insolvenzordnung nicht ausdrücklich seinen Niederschlag gefunden hat – die Interessen des Schuldners, seiner Familie sowie der Arbeitnehmer des Schuldners in angemessener Weise zu berücksichtigen. Der Rechtsauschuss habe, so wird u. a. zur Begründung angeführt, die Streichung des § 1 Abs. 2 Satz 1 des Regierungsentwurfs, der dies ausdrücklich normierte, mit einer „redaktionellen Straffung“ begründet, hat also eine sachliche Änderung nicht gewollt. Uhlenbruck-Pape, InsO, § 1 Rn. 5 ff., insbesondere Rn. 16.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

292 In welcher Weise allerdings insbesondere die Arbeitnehmerinteressen über die insolvenzarbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Spezialnormen hinaus im Insolvenzverfahren berücksichtigt werden können, ist bislang ungeklärt. 293 Vom rechtsdogmatischen Standpunkt aus ist der Erhalt von Arbeitsplätzen nach geltendem Recht kein selbstständiger Verfahrenszweck, MüKo-Ganter, InsO, § 1 Rn. 71; Jaeger-Henckel, InsO, § 1 Rn. 5,

weswegen Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter, wenn sie nicht selbst Gläubiger sind, keine Verfahrensbeteiligten sind. MüKo-Ganter, InsO, § 1 Rn. 71.

294 Sie sind daher, nicht anders als andere Interessierte, darauf angewiesen, die Beteiligten, insbesondere den Insolvenzverwalter und die Gläubiger, für ihre Ziele zu gewinnen. MüKo-Ganter, InsO, § 1 Rn. 71.

295 Dies wird im Rahmen einer übertragenden Sanierung vor allem dann gelingen, wenn ein potenzieller Erwerber an dem Erhalt von Arbeitsplätzen aus selbstständigen Erwägungen interessiert ist und die Gläubiger sich bei Annahme seines Gebots nicht schlechter stellen als bei Annahme eines anderen Gebots oder bei Zerschlagung. 296 Im Rahmen einer übertragenden Sanierung dürften die Interessen der Arbeitnehmer, insbesondere die Möglichkeit des Erhalts von Arbeitsplätzen, faktisch häufig den Ausschlag dafür geben, dem Gebot eines bestimmten Erwerbers den Vorzug zu geben. Die Interessen der Arbeitnehmer decken sich jedenfalls wirtschaftlich auch mit den Interessen der Insolvenzgläubiger. Kommt es zu keiner oder nur zu einer teilweisen übertragenden Sanierung, lösen die nicht übernommenen Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten während der Dauer der Kündigungsfristen aus. Diese (auf-)oktroyierten Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 2 Nr. 2 InsO sind vorrangig aus der Insolvenzmasse zu zahlen und schmälern damit die Masse, die den nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern i. S. d. § 38 InsO zur Verfügung steht. Infolge dessen ist auch ein Unterschreiten der Liquidationswerte vertretbar, soweit die Insolvenzmasse durch die Unternehmensveräußerung von ansonsten entstehenden Masseverbindlichkeiten entlastet wird. Grenzen findet diese Kalkulation bei den Gegenständen, die mit Rechten Dritter belastet sind. Zwar wird die Insolvenzmasse regelmäßig gemäß §§ 166, 170 f. InsO oder aufgrund höherer ausgehandelter Massekostenbeiträge an den Verwertungserlösen beteiligt. Eine vollständige Anrechnung der Masseverbindlichkeiten, um die die Insolvenzmasse bei einer Unternehmensveräußerung im Ganzen entlastet wird, ist im Hinblick auf diese Gegenstände jedoch ausgeschlossen. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2565.

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II. Verhandlungspartner für Kaufinteressenten

i) Kunden und Lieferanten Auch wenn diese im Normalfall, d. h. wenn sie nicht zugleich aus irgendeinem 297 Grunde Gläubiger sind, keine Beteiligten des Insolvenzverfahrens im Rechtssinne sind, spielen ihre Interessen gleichwohl eine entscheidende Rolle für die Abwicklung einer übertragenden Sanierung. Insbesondere führt das Interesse am Erhalt der Kundenbeziehungen in der 298 Regel dazu, einen möglichst frühen Verkauf bzw. Erwerb des Unternehmens vorzunehmen, und zwar sowohl aus Verkäufer- wie aus Käufersicht. In vielen Insolvenzszenarien ist das künftige Verhältnis zu den wesentlichen 299 Lieferanten und Kunden von derart herausragender Bedeutung für den Erfolg der (übertragenden) Sanierung, dass sie damit steht und fällt. Paradebeispiel ist die Insolvenz von Automobilzulieferern oder -händlern. Hierzu ausführlich Brossette/Plagens/Schmidt, Das Autohaus in der Krise und Insolvenz, S. 1 ff.

Dabei ist die Kommunikation und enge Abstimmung in Vorbereitung der 300 übertragenden Sanierung mit den Kunden/Auftraggebern wie auch mit den Vertragspartnern im Hinblick auf die Stellung als Vertragshändler von herausragender Bedeutung. Die übertragende Sanierung steht und fällt mit dem zukünftigen Verhalten der Automobilhersteller hinsichtlich der Auftragsvergabe und des Händlervertrages. Im Ergebnis und im Regelfall bestimmen die Automobilhersteller den Unternehmenskäufer, der Insolvenzverwalter ist insoweit meistens nur ausführendes Organ. Aber auch in anderen Branchen ist die Kunden- und Lieferantenpflege durch den Insolvenzverwalter in Vorbereitung der übertragenden Sanierung für das Überleben des Unternehmens unerlässlich. Aus diesem Grunde muss der Insolvenzverwalter Kunden und Lieferanten in 301 vertretbarem Maß in die Vorbereitung der übertragenden Sanierung einbeziehen, ihnen somit Planungssicherheit hinsichtlich der weiteren Zusammenarbeit mit dem schuldnerischen Unternehmen geben und damit den Weg für die zukünftige Geschäftsbeziehung zwischen Käufer und diesen beiden wesentlichen Stakeholdern ebnen. Denn jeder Unternehmenskäufer kauft das Unternehmen im Ergebnis nur wegen der damit verbundenen Umsatz- und Ertragspotenziale, die im Wesentlichen mit den Kundenbeziehungen verbunden sind. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 1643 f.

II. Verhandlungspartner für Kaufinteressenten Die Person des Verhandlungspartners für einen Kaufinteressenten in Krise 302 und Insolvenz des Unternehmens ist formal abhängig vom Verfahrensstand.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

1. Verwaltung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter 303 Wie bereits oben dargelegt, tritt im eröffneten Verfahren der Insolvenzverwalter im eigenen Namen als Verkäufer des Unternehmens auf. Im Eröffnungsverfahren ist es demgegenüber regelmäßig der Schuldner, der als Verkäufer auftritt, wobei er für den Abschluss die Zustimmung des (schwachen) vorläufigen Insolvenzverwalters benötigt. 304 Zentrale Figur ist aber bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren der vorläufige Insolvenzverwalter. Dieser wird sich möglichst schon unverzüglich nach einer Bestellung, jedenfalls sobald er sich ein Bild von dem Unternehmen und dem relevanten Markt gemacht hat, um einen Kaufinteressenten bemühen. Häufig liegt schon bei Eröffnung des eigentlichen Verfahrens ein sog. „Prepacked-Deal“ vor, der im Rahmen des eröffneten Verfahrens dann nur noch formal umgesetzt wird. Menke, BB 2003, 1133, 1138; Vallender, GmbHR 2004, 642, 643.

305 An den Verhandlungen über eine derartigen „Prepacked-Deal“ ist regelmäßig neben dem vorläufigen Insolvenzverwalter auch die Geschäftsführung des Schuldnerunternehmens beteiligt, da sie es in erster Linie ist, die über die für die Formulierung des Vertrages notwendigen Kenntnisse des Unternehmens verfügt. 306 Ob ein Kaufinteressent den Erstkontakt zunächst besser mit dem Insolvenzverwalter oder mit dem Schuldnerunternehmen bzw. dessen Geschäftsleitung sucht, zu dieser Frage Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Bernsau, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 38 f.,

hängt von den Umständen des Einzelfalles, von den Usancen des betreffenden Insolvenzverwalters und oft auch von Zufälligkeiten ab. Jedenfalls sollte der Kaufinteressent Wert darauf legen, die Geschäftsleitung und ggf. weitere sachkundige Mitarbeiter des Zielunternehmens in die Gespräche einzubeziehen und auf diese Weise Informationen über das Unternehmen zu gewinnen, über die der Insolvenzverwalter und seine Mitarbeiter meist nach wenigen Wochen noch nicht verfügen. 307 Weiterhin sollte der Kaufinteressent auf sachkundige Beratung sowohl in rechtlicher als auch in steuerlicher Hinsicht achten. Besonders die anwaltliche Beratung sollte dabei im Idealfall einer Kanzlei anvertraut werden, die selbst Insolvenzverwalter in ihren Reihen hat, da dort das Gefühl für das spezifische Denken eines Insolvenzverwalters vorhanden ist. Ähnlich Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Bernsau, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 38.

308 Neben dem Insolvenzverwalter und den oben bereits erwähnten Kunden und Lieferanten sind die jeweiligen Stakeholder des Unternehmens, das erworben werden soll, Verhandlungspartner. 68

II. Verhandlungspartner für Kaufinteressenten

Soweit Dauerschuldverhältnisse, insbesondere Mietverträge, für die Betriebs- 309 immobilie oder ein Filialnetz betriebsnotwendiger Bestandteil sind, ist die nachhaltige übertragende Sanierung davon abhängig, dass die Vermieter dem Eintritt des Käufers in den Mietvertrag zustimmen. Zwar kann auch die Untervermietung durch den Insolvenzverwalter an den Käufer für eine Übergangszeit eine Lösung darstellen, soweit der Vermieter die Untervermietung nicht verweigert. Sie gibt dem Käufer aber nicht die notwendige Planungssicherheit für die langfristige Betriebsfortführung. Auch wenn vereinzelt in der Rechtsprechung, OLG Hamburg, Urt. v. 29.10.1993 – 4 U 167/93, WuM 1993, 737,

für Gewerberaummietverträge dem Mieter ein Anspruch auf Erteilung einer Zustimmung zur Untervermietung zugebilligt wird, existiert nach der herrschenden Meinung kein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung. Statt aller Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, Rn. 1239 f.

Es ist daher unerlässlich, dass der Erwerbsinteressent und Insolvenzverwalter 310 in Vorbereitung der übertragenden Sanierung mit den Vermietern die Überleitung des oder der Mietverhältnisse auf den Käufer verhandelt. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 1644.

Entsprechendes gilt für jedwede betriebsnotwendigen, nur mit Zustimmung 311 des Vertragspartners übertragbaren Vertragsverhältnisse wie Lizenzverträge. Auf Lizenzverträge ist nach der aktuellen Rechtsprechung, BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZInsO 2006, 35 ff.; vgl. Seegel/Remmertz/Kast, ZInsO 2015, 1993 ff.,

§ 103 InsO anwendbar; die durch Einführung eines § 108a InsO in einem RegE angedachte Insolvenzfestigkeit eines Lizenzvertrages ist bisher nicht vom Gesetzgeber realisiert worden. Letzteres gilt auch eingeschränkt für behördliche Genehmigungen. Diese 312 können zwar zumeist nicht übertragen, sondern nur neu erteilt werden, soweit sie nicht mit einzelnen Vermögenswerten, wie z. B. einem Grundstück verbunden sind. Die Vorbereitung der übertragenden Sanierung erfordert daher auch die Kontaktaufnahme und ein Vorfühlen des Insolvenzverwalters und des Erwerbsinteressenten bei denjenigen Behörden, die betriebsnotwendige Genehmigungen zugunsten des Käufers erteilen müssen, mit dem Ziel, etwaige Probleme im Vorwege zu erkennen und zu lösen. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 1645.

2. Eigenverwaltung unter Aufsicht des (vorläufigen) Sachwalters Hat der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über 313 sein Vermögen und zusätzlich einen Antrag nach § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO 69

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

gestellt und hat das Insolvenzgericht diesem Antrag im Rahmen des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgegeben, so verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen grundsätzlich bei dem eigenverwaltenden Schuldner. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus dem Wortlaut des § 270a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 InsO, wonach das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren davon absehen soll, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. 314 Demnach kann das Vorgesagte zu den Verhandlungen eines etwaigen Verkaufs des sanierungsfähigen Schuldners durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter im Falle der Eigenverwaltung nicht gelten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 270 Abs. 1 InsO besagt, dass der Schuldner berechtigt ist, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Ferner bestimmt § 270a Abs. 2 Satz 2 InsO, dass anstelle eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Falle der Eigenverwaltung ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird. Demnach ist die alleinige Verhandlung eines Kaufes des schuldnerischen Unternehmens für Kaufinteressenten im Rahmen eines Asset oder Share Deals bereits aus diesen Gründen ausschließlich mit dem (vorläufigen) Sachwalter ausgeschlossen. 315 In der Folge müssen auch hier, in Umsetzung der Änderungen durch das ESUG, neue Wege beschritten werden. Vielmehr hat der eigenverwaltende Schuldner bzw. sein (Interims-)Management die Aufgabe, einen etwaigen Verkauf des schuldnerischen Unternehmens an einen Interessenten in eigener Regie, aber unter der Aufsicht des (vorläufigen) Sachwalters zu organisieren. Dies ist bereits dem Begriff der Eigenverwaltung inhärent. 316 Faktisch bedarf es insbesondere bei größeren Unternehmen eines strukturierten Bieterprozesses, der zum einen eine Marktansprache, namentlich die Ansprache von potenziellen Investoren, in der Regel inklusive einer umfassenden Due Diligence, und zum anderen natürlich die Verhandlung eines entsprechenden Kaufvertrages benötigt (hierzu sogleich). Dabei gilt: Je größer das Unternehmen, umso langwieriger, komplexer und aufwändiger sind diese Prozesse. 317 Die Organe der Gesellschaft sind regelmäßig in diesen Angelegenheiten wenig bis gar nicht erfahren und müssen daher insolvenzrechtliche Expertise hinzuziehen. In der Folge bedarf es ferner der Einbindung eines professionellen M&A-Beraters, der idealerweise über die nötige Erfahrung von Verkäufen aus der Insolvenz, sog. „Distressed Transaktionen“ verfügt. Problematisch hieran ist, sofern nicht eine Ansprache eines solchen Beraters bereits vor Antragstellung erfolgte, dass sich der Berater sehr kurzfristig einarbeiten muss. Dies ist, je nach Unternehmensgröße, ein zeitaufwändiger und damit die Sanierung bzw. den Verkauf gefährdender Prozess. 318 Eine Veräußerung des insolventen Geschäftsbetriebes aus der Eigenverwaltung heraus ist im Grunde immer dann besonders sinnvoll, wenn das schuld70

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

nerische Unternehmen bereits vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch einen Sanierungsgeschäftsführer geführt wurde, der bereits im Zeitraum der sich ankündigenden Krise den Weg für eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sofort umsetzbare Veräußerung bereitet hat. Im Idealfall kann die auf diese Weise vorbereitete (übertragende) Sanierung zeitnah nach Eröffnung des Verfahrens umgesetzt werden. Die erfolgreiche Veräußerung eines laufenden Geschäftsbetriebes im Rahmen der Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO ist demnach eine Frage der richtigen Vorbereitung. Vgl. von Buchwaldt, BB 2015, 3017 ff.

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal 1. Probleme der Vertragsgestaltung a) Kaufgegenstand aa) Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern Die übertragende Sanierung ist eine besondere, durch die Insolvenz des Ziel- 319 unternehmens geprägte Form des Unternehmenskaufs in der Gestalt des sog. Asset Deals. Der Begriff des Unternehmens als solcher ist im deutschen Recht nicht defi- 320 niert. Bei allen Unterschieden im Detail besteht Einigkeit dahingehend, dass das Unternehmen im Rechtssinne weder eine Sache noch ein Recht ist. Es wurde bereits auf die Definition Ballerstedts verwiesen, der darunter eine Gesamtheit von Sachen und Rechten, tatsächlichen Beziehungen und Erfahrungen sowie unternehmerischen Handlungen versteht. Ballerstedt, ZHR 134 (1970) 251, 260.

Diese Umschreibung ist freilich keine Begriffsbestimmung im engeren Sinne, 321 wie sich schon daran zeigt, dass sie selbst wiederum der Definition bedürftige Elemente („tatsächliche Beziehungen und Erfahrungen“, „unternehmerische Handlungen“) enthält. Das „Unternehmen“ ist daher zwar ein tatsächliches, wirtschaftliches Phä- 322 nomen, aber kein genau bestimmbares Objekt des Rechtsverkehrs. Dementsprechend bezieht sich zwar die schuldrechtliche Verpflichtung aus dem Asset Deal auf das Unternehmen als Ganzes, das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot erfordert jedoch für den dinglichen Übergang die Übertragung aller zugehörigen Einzelwirtschaftsgüter. bb) Genaue Bestimmung des Kaufobjekts Mithin ist die genaue Bestimmung des Kaufobjekts für den Asset Deal von 323 entscheidender Bedeutung. Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Höpfner, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 86 ff.; Vallender, GmbHR 2004, 642, 647.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

324 Bei einem werbenden Unternehmen, welches eine Handelsbilanz aufgestellt hat, genügt für die genauere Bestimmung der zu übertragenden Sachen und Rechte in der Regel die Bezugnahme auf die Bilanz nebst Inventarverzeichnis. Lediglich Vermögensgegenstände, die entweder nicht bilanziert werden müssen oder nicht bilanzierungsfähig sind, müssen im Vertrag konkret bestimmt werden, z. B. die voll abgeschriebenen Wirtschaftsgüter. Picot-Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil I Rn. 49.

325 Bei einer übertragenden Sanierung genügt die Bezugnahme auf Handelsbilanzen zur Bestimmtheit des Kaufobjektes regelmäßig nicht. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2523.

326 Grundlage für die Bestimmbarkeit des Kaufobjektes in der übertragenden Sanierung ist der Massebegriff der Insolvenzordnung. Hieraus ergeben sich zwei Konsequenzen: 327 Die Befugnis des Insolvenzverwalters zur Verwertung bezieht sich gemäß § 159 InsO ausschließlich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen. Im ersten Schritt ist daher eine rechtliche Abgrenzung zwischen den zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenständen und anderen, nicht in die Insolvenzmasse fallenden Gegenständen vorzunehmen. Nicht zur Insolvenzmasse gehören insbesondere die mit Aussonderungsrechten behafteten Vermögensgegenstände, § 47 InsO. 328 Sodann ist gemäß § 151 InsO durch den Insolvenzverwalter unter Hinzuziehung des Schuldners ein Verzeichnis der einzelnen Gegenstände der Insolvenzmasse aufzustellen. Dies kann nur im Wege einer Inventur erfolgen. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 151 Rn. 3.

cc) Verwertungsrechte des Insolvenzverwalters im Hinblick auf Gegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen 329 Gegenstände, an denen ein Absonderungsrecht besteht, gehören, wie erörtert, zur Insolvenzmasse. Hinsichtlich der Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters ist zu differenzieren: 330 Unbewegliche Gegenstände kann der Insolvenzverwalter gemäß § 165 InsO im Wege der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung verwerten, auch wenn an dem Gegenstand ein Absonderungsrecht besteht. 331 Nach einhelliger Ansicht ist der Insolvenzverwalter aber auch berechtigt, zur Insolvenzmasse gehörende Grundstücke und Grundstücksanteile freihändig zu verwerten, soweit nicht gesetzliche oder vertragliche Bindungen entgegenstehen. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 165 Rn. 7; UhlenbruckBrinkmann, InsO, § 165 Rn. 4; zum Sonderfall der Verfügungsbefugnis des Treuhänders in der Insolvenz von Verbrauchern und Kleinstunternehmern vgl. Kesseler, ZInsO 2006, 1029 ff.

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III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

Dabei bedarf die freihändige Verwertung gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 332 InsO der Mitwirkung der absonderungsberechtigten Gläubiger – da der Käufer regelmäßig lastenfrei erwerben möchte – und der Mitwirkung von Gläubigerausschuss oder Gläubigerversammlung. Das Fehlen der Mitwirkung von Gläubigerausschuss oder Gläubigerversammlung berührt allerdings die Wirksamkeit der Verwertungsmaßnahmen gemäß § 164 InsO nicht. Bewegliche Sachen, an denen ein Absonderungsrecht besteht, darf der Insol- 333 venzverwalter gemäß § 166 Abs. 1 InsO freihändig verwerten, wenn er die Sachen in seinem Besitz hat. Zur Sicherheit abgetretener Forderungen darf der Insolvenzverwalter gemäß § 166 Abs. 2 InsO verwerten. Die Insolvenzordnung enthält keine weiteren Regelungen über die Verwer- 334 tungsbefugnis, insbesondere nicht hinsichtlich beweglicher Sachen, die der Insolvenzverwalter nicht in seinem Besitz hat sowie sonstiger, mit einem Absonderungsrecht belasteter Rechte, die nicht Forderungen sind. Hierunter fallen z. B. die Immaterialgüterrechte oder gesellschaftsrechtliche Beteiligungen. In der Literatur ist umstritten, wie das Schweigen des Gesetzes in dieser Hinsicht zu bewerten ist. Gleiches gilt für andere Sicherungsformen an Rechten als die Sicherungsabtretung. § 166 Abs. 2 InsO erwähnt nur die Sicherungsabtretung, nicht hingegen insbesondere das rechtsgeschäftliche Pfandrecht. Für die Praxis der übertragenden Sanierung stehen die folgenden Fallgruppen 335 im Vordergrund: x

zur Sicherheit abgetretene oder verpfändete Patente, Marken, Lizenzen etc.;

x

verpfändete GmbH-Geschäftsanteile und Aktien;

x

verpfändete oder sicherungsübertragene Miteigentumsanteile und Anwartschaften.

Die Diskussion in der Literatur ist mittlerweile nur noch schwer zu übersehen. 336 Im Kern lassen sich drei Ansätze unterscheiden: Entweder wird hinsichtlich der sicherungsübertragenen Rechte schlicht eine 337 Analogie zu § 166 Abs. 2 InsO angenommen, da insoweit eine (unbewusste) Gesetzeslücke vorliege, die durch Analogie zu schließen sei. Nerlich/Römermann-Becker, InsO, § 166 Rn. 35.

Insbesondere spreche die Gesetzeslücke dafür, dass am bisherigen Rechtszu- 338 stand nach der Konkursordnung nichts geändert werden sollte. Marotzke, ZZP 109 (1996), 429 ff.

73

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

339 Dagegen wird angeführt, die vom Gesetzgeber bewusst gezogenen Grenzen des Verwertungsrechts dürften nicht im Wege der Analogie überschritten werden. HK-Landfermann, § 166 Rn. 32; Uhlenbruck-Brinkmann, InsO, § 166 Rn. 29; Wallner, ZInsO 1999, 453 ff.

340 Demgegenüber wird eine Analogie des § 166 Abs. 2 InsO auf verpfändete Forderungen überwiegend abgelehnt. Uhlenbruck-Brinkmann, InsO, § 166 Rn. 30; HK-Landfermann, InsO, § 166 Rn. 28; BGH, Urt. v. 11.4.2013 – IX ZR 176/11, ZIP 2013, 987 ff.

341 Ein mit guten Gründen vertretener und vertretbarer Ansatz stellt sowohl für sicherungsübereignete wie für verpfändete Rechte nicht auf eine Analogie zu § 166 Abs. 2 InsO, sondern auf § 166 Abs. 1 InsO ab. Zweck des § 166 Abs. 1 InsO sei es, die Chancen der Betriebsfortführung und der übertragenden Sanierung des Schuldnerunternehmens zu erhalten. Daher sei in analoger Anwendung des § 166 Abs. 1 InsO der Insolvenzverwalter zur Verwertung und Benutzung all derjenigen mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände befugt, die wegen ihrer Zugehörigkeit zur technisch-organisatorischen Einheit des schuldnerischen Unternehmens zur Fortführung oder übertragenden Sanierung erforderlich und daher betriebsnotwendig seien. Häcker, Abgesonderte Befriedigung aus Rechten, Rn. 1055.

342 Diese Auffassung löst gerade die im Zusammenhang einer übertragenden Sanierung auftretenden Zweifelsfälle überzeugend. Sie wird freilich in der Kommentarliteratur nur sehr vorsichtig aufgegriffen. Kritisch z. B. HK-Landfermann, InsO, § 166 Rn. 32; zweifelnd Uhlenbruck-Brinkmann, InsO, § 166 Rn. 36.

343 Im Ergebnis besteht in dieser Hinsicht eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die letztendlich nur durch den BGH beseitigt werden kann. Ebenso Uhlenbruck-Brinkmann, InsO, § 166 Rn. 36.

344 Wirtschaftlicher Mittelpunkt der Auseinandersetzung um die Verwertungsbefugnis ist weniger das Recht zur Verwertung als solches. Vielmehr geht es um die wirtschaftliche Notwendigkeit, das Unternehmen mit sämtlichen Vermögenswerten aus einer Hand verkaufen zu können. Schließlich geht es um die Erhöhung der freien Insolvenzmasse durch Kostenbeiträge auf Grundlage der Vorschriften der §§ 170, 171 InsO, nach denen die Insolvenzmasse bei einer Verwertung von Gegenständen, an denen ein Absonderungsrecht besteht, einen Kostenbeitrag in Höhe von 9 % des Verwertungserlöses erhält. 345 In der Praxis wird der Insolvenzverwalter häufig schon aus diesem Grunde bei zur Sicherheit abgetretenen Rechten die Verwertungsbefugnis für sich re-

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III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

klamieren. Andererseits wird gerade deshalb der Sicherungsgläubiger seinerseits die Verwertung an sich ziehen. Der Insolvenzverwalter wird seinerseits allerdings im Rahmen einer Veräu- 346 ßerung angesichts der unklaren Rechtslage vermeiden, seine Verwertungsbefugnis zu garantieren. Aus Sicht des Erwerbers empfiehlt es sich daher, wenn z. B. der Erwerb einer Marke oder einer Gesellschaftsbeteiligung für den wirtschaftlichen Erfolg dringend notwendig ist, den Sicherungsgläubiger an den Vertragsverhandlungen zu beteiligen. Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es dann, einen internen Ausgleich zwischen Insolvenzverwalter und Absonderungsberechtigtem zu finden, der z. B. in einem pauschalen Kostenbeitrag liegen kann, der deutlich hinter dem gesetzlichen Massebeitrag zurückbleibt. dd) Firma Die Firma ist Bestandteil der Insolvenzmasse.

347

BGH, Urt. v. 27.9.1982 – II ZR 51/82, ZIP 1983, 193 ff.; BGH, Urt. v. 14.12.1989 – I ZR 17/88, ZIP 1990, 388 ff.; dazu Lepsien, EWiR 1990, 491 f.; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rn. 275; Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2537.

Das gilt nach heute herrschender Auffassung im Grundsatz auch für die Firma, 348 die den Namen des Geschäftsinhabers enthält, insbesondere auch die Firma des Einzelkaufmanns. MüKo-Lwowski, InsO, § 35 Rn. 496, 502; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rn. 275, 375; Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2538; ausführlich Barnert, KTS 2003, 523 ff.

Die sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 12 BGB, Art. 2 GG) stüt- 349 zende Rechtsprechung, BGH, Urt. v. 26.2.1960 – I ZR 159/58, BGHZ 32, 103, 108; BGH Urt. v. 27.9.1982 – II ZR 51/82, ZIP 1983, 193, 193,

nach der die Firma, die den Namen des Geschäftsinhabers enthält, nur dann in die Insolvenzmasse fällt, wenn sie den Familiennamen des Schuldners nicht enthält, soll seit der Reform des Firmenrechts, Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz) vom 22. Juni 1998, BGBl. I 1998, 1474 ff.,

als überwunden gelten. Gemäß der Neufassung des § 18 Abs. 1 HGB ist die Firma des Einzelkaufmanns nicht mehr zwingend sein Name. Auch Einzelkaufleute können seitdem eine Sachfirma wählen. Wer gleichwohl seinen Namen als Firma verwende, sei mit der in diesem Zusammenhang eintretenden Kommerzialisierung einverstanden und begebe sich dadurch des namensrechtlichen Schutzes.

75

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rn. 71a; Hölzle, DStR 2004, 1433, 1436; MüKo-Ott/Vuia, InsO, § 80 Rn. 57.

350 Die Frage ist jedoch weiterhin streitig. anderer Ansicht z. B. Jaeger-Henckel, InsO, § 35 Rn. 21, wonach weiterhin die Zustimmung des Schuldners erforderlich sein soll, wenn die Firma seinen Namen enthält.

351 Die herrschende Ansicht erhebt den Anspruch, auch für Altfirmen zu gelten, da der Kaufmann es nach neuem Firmenrecht auch insoweit in der Hand habe, eine Firma zu wählen, in der sein Name nicht mehr vorkommt. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rn. 71a; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rn. 379; Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2538.

352 Bei einer Unternehmensveräußerung aus der Insolvenz kann der Insolvenzverwalter daher auch die Firma des Handelsgeschäfts ohne Zustimmung des Schuldners veräußern. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rn. 275, 379.

353 Allerdings ist zu beachten, dass es dem Schuldner schon aus verfassungsrechtlichen Gründen wohl nicht verwehrt werden kann, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens im Geschäftsverkehr wieder mit seinem Namen zu werben. Jaeger-Henckel, InsO, § 35 Rn. 24.

354 Besondere Probleme ergeben sich durch die Veräußerung der Firma für den verbleibenden Rechtsträger. Der Erwerber im Rahmen einer übertragenden Sanierung, der auch die Firma erworben hat, hat einen vertraglichen Anspruch darauf, dass die Firma der insolventen Gesellschaft geändert wird, um Verwechselungen vorzubeugen und die negative Marktwirkung der Insolvenz von seinem neuerworbenen Unternehmen fernzuhalten. Für die Änderung der Firma sind und bleiben aber auch in der Insolvenz die Gesellschafter zuständig. Die herrschende Literaturauffassung geht demgegenüber davon aus, dass diese zur Satzungsgewalt zählende Zuständigkeit der Gesellschafter in der Insolvenz ihre Schranke insoweit findet, als sie zur Beeinträchtigung der Insolvenzmasse führt. Da die Firma in die Insolvenzmasse fällt, der Insolvenzverwalter aber befugt ist, die Masse und damit auch die Firma ohne Zustimmung der Gesellschafter zu veräußern, gilt der Insolvenzverwalter daher als berechtigt, während der Dauer des Insolvenzverfahrens und für den Fall der Verfahrensbeendigung eine Ersatzfirma zu bestimmen. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rn. 275, 379; Ulmer, NJW 1983, 1697, 1702.

355 Anderes gilt nur für die Personalfirma des Einzelkaufmanns, die der Insolvenzverwalter nicht aus eigener Machtbefugnis ändern kann. Herchen, ZInsO 2004, 1112, 1116.

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III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

ee) Immaterialgüterrechte Eine besondere Problematik stellte sich bisher im Hinblick auf die Behand- 356 lung von Lizenzverträgen. Bisher unterliegen Lizenzverträge dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters. BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZInsO 2006, 35 ff.; Seegel/Remmertz/Kast, ZInsO 2015, 1993 ff.,

Das stellte sich insbesondere für den Lizenznehmer als problematisch dar, 357 wenn der Insolvenzverwalter des Lizenzgebers die Nichterfüllung des Vertrages wählt. Zu unterscheiden ist dann jedoch, ob es sich um den Hauptlizenznehmer oder um einen Unterlizenznehmer handelt. In ersterem Fall erlischt die Lizenz, wenn der Insolvenzverwalter den Nichteintritt in den Vertrag zwischen insolventem Lizenzgeber und Lizenznehmer erklärt. Dahl/Schmitz, NZI 2007, 626 ff.; LG Mannheim, Urt. v. 27.6.2003 – 7 O 127/03, ZIP 2004, 576 ff.

Umstritten ist jedoch weiter, ob die Forderung des Lizenzgebers aufgrund 358 der Nichterfüllung des Lizenzvertrages durch den Schuldner einen Schadensersatzanspruch des Lizenzgebers begründet, für den die §§ 249 ff. BGB gelten, BGH, Urt. v. 16.1.1986 – VII ZR 138/85, NJW 1986, 1176, 1176; Schricker, Verlagsrecht, § 36 Rn. 22,

oder ob der Schaden lediglich durch den Betrag der noch offenen Forderung festgelegt wird. Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 97.

Im Fall der Unterlizenz führt das Erlöschen der Hauptlizenz nicht zum Er- 359 löschen der Unterlizenz, wenn der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren eingeräumt hat und die Hauptlizenz nicht aufgrund eines Rückrufs wegen Nichtausübung, sondern aus anderen Gründen erlischt. BGH, Urt. v. 19.7.2012 – I ZR 70/10, ZInsO 2012, 1561 ff.

Der Gesetzgeber wollte den Interessen der lizenznehmenden Unternehmen 360 Rechnung tragen. Das sollte durch eine Novellierung der Insolvenzordnung erfolgen. Der Entwurf sah eine grundsätzliche Insolvenzfestigkeit von Lizenzverträgen vor. Danach unterliege der Lizenzvertrag nicht mehr dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters, sondern behalte im Insolvenzverfahren seine volle Gültigkeit. Die Vertreter der Insolvenzverwalter stemmen sich verständlicherweise gegen solch eine Reform, da der Status quo den Insolvenzverwaltern mehr Spielraum zugunsten der Insolvenzmasse lässt. Die diesbezüglichen Meinungsstände gehen auseinander, sodass eine Neuregelung noch auf sich warten lässt. Bis zu diesem Zeitpunkt herrscht nach wie vor Rechtsunsicherheit. Seegel/Remmertz/Kast, ZInsO 2015, 1997 ff.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

361 Besonderheiten sind ferner bei urheberrechtlich geschützten Werken i. S. d. § 2 UrhG zu berücksichtigen. Hierzu gehören u. a. Sprachwerke, Werke der Musik, der bildenden Künste einschließlich Werke der Baukunst und Entwürfe solcher Werke, Filmwerke, Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen sowie Computerprogramme (Software), sofern diese persönliche geistige Schöpfungen darstellen. 362 Es gilt der Grundsatz der Unübertragbarkeit des Urheberrechts (§ 29 Abs. 1 Satz 1 UrhG); dieses kann nur als Ganzes vererbt oder durch Verfügung von Todes wegen auf andere übergehen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 UrhG). Der Urheber kann sein Werk jedoch durch andere verwerten lassen, indem er Nutzungsrechte in mehr oder weniger großem Umfang einräumt (§§ 29 Abs. 2, 31 ff. UrhG). Dabei können ausschließliche oder einfache Nutzungsrechte, zeitlich, räumlich, inhaltlich beschränkt oder unbeschränkt eingeräumt werden. Ein gutgläubiger Rechtserwerb scheidet aus. Wer behauptet, Inhaber eines Nutzungsrechts zu sein, muss deshalb im Streitfall eine lückenlose Vertragskette darlegen und beweisen, die bis zum Urheber führt. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2546 ff.

363 Sind Art und Umfang des Nutzungsrechts nicht ausdrücklich bezeichnet, bestimmt sich dies aus dem von den Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck (§ 31 Abs. 5 UrhG). Nutzungsrechte sind im Grundsatz frei übertragbar, die Verfügung über das Recht bedarf aber der Zustimmung des Urhebers, die dieser gegenüber dem Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts nicht willkürlich verweigern darf. Das Erfordernis der Zustimmung ist durch eine entsprechende Vereinbarung abbedingbar. Schließlich ist die Zustimmung des Urhebers dann nicht nötig, wenn die Weiterübertragung im Rahmen der Veräußerung eines Unternehmens oder von Teilen eines Unternehmens geschieht oder sich die Beteiligungsverhältnisse am Unternehmen wesentlich verändern (§ 34 Abs. 3 UrhG). 364 Dies gilt auch im Rahmen der übertragenden Sanierung des insolventen Unternehmens oder einzelner in sich abgeschlossener Unternehmensteile. 365 Für Arbeitnehmer stellt § 43 UrhG eine generalklauselartige Regelung bereit, die die Verwertung der Rechte angestellter Urheber nach dem Inhalt oder Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses einschränkt, woraus sich nach ständiger Rechtsprechung, BGH, Urt. v. 22.2.1974 – I ZR 128/72, GRUR 1974, 480, 483; BAG, Urt. v. 13.9.1983 – 3 AZR 371/81 – „Statikprogramme“, GRUR 1984, 429, 431,

die Verpflichtung ergibt, dem Arbeitgeber oder Dienstherrn die zur Auswertung der Werke erforderlichen Nutzungsrechte vertraglich einzuräumen. Eine ausdrückliche vertragliche Regelung über den Umfang der Nutzungsrechte ist anzuraten. Für den Fall geschützter Computerprogramme bestimmt hin-

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III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

gegen § 69b UrhG, dass dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn kraft Gesetzes alle vermögensrechtlichen Befugnisse an einem in abhängiger Position geschaffenen Programm zustehen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Für Softwarelizenzen ist zu beachten, dass bei der zeitlich, räumlich und in- 366 haltlich unbeschränkten Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte in Bezug auf die Software auch die Anwendungsdokumentation und der Quellcode übertragen werden. Überwiegend wird bei einer dauerhaften Überlassung von Standardsoftware gegen Einmalentgelt (auch bei nur einfachen Nutzungsrechten) von der Anwendbarkeit kaufrechtlicher Vorschriften ausgegangen. BGH, Urt. v. 4.11.1987 – VIII ZR 314/86, NJW 1988, 406, 407 f.; BGH, Urt. v. 23.7.2009 – VII ZR 151/08, NJW 2009, 2877 ff.; aber weiterhin str., ob bei der Erstellung und dauerhaften Überlassung von Individualsoftware Kauf- oder Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt.

Bei einer beschränkten Überlassung auf Zeit gegen wiederkehrendes Entgelt 367 werden Softwareüberlassungsverträge als Verträge mit „sui-generis-Charakter“ zu klassifizieren sein. BGH, Urt. v. 24.10.2002 – I ZR 3/00, NJW 2003, 2014, 2016.

Im Übrigen können Immaterialgüterrechte wie Patente, Gebrauchsmuster, 368 Marken und Designs im Rahmen der übertragenden Sanierung veräußert und übertragen werden. HambKo-Lüdtke, InsO, § 35 Rn. 113 ff.

ff) Gesellschaftsvertragliche Veräußerungsbeschränkungen Die Abtretung von Geschäftsanteilen einer GmbH bedarf in vielen Fällen 369 nach näherer Bestimmung der Satzung der Zustimmung der Gesellschafter bzw. der Gesellschafterversammlung. Nach herrschender Auffassung in der Literatur gelten im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Zustimmungserfordernisse oder Veräußerungsbeschränkungen nicht bei einer Veräußerung aus der Insolvenz, weil die Veräußerung durch den Insolvenzverwalter zugunsten der Gläubiger das Insolvenzverfahren als Verwertung nicht durch gesellschaftsvertragliche Regelungen eingeschränkt werden kann. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 51; MüKo-Peters, InsO, § 35 Rn. 241.

Folglich kann der Insolvenzverwalter beim Unternehmensverkauf aus der 370 Insolvenzmasse dem Erwerber auch ohne Einhaltung einer satzungsmäßigen Vinkulierungsvorschrift eine Beteiligung verkaufen und übertragen, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens wegen fehlender Zustimmung der Gesellschafter unveräußerbar wäre.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

b) Forderungsmanagement 371 In der Regel stehen nach dem Unternehmenskaufvertrag sowohl der Insolvenzmasse als auch den Erwerbern Altforderungen bzw. Forderungen aus laufenden Verträgen zu. In einem solchen Fall sollten zur Vermeidung von Streitigkeiten möglichst eindeutige Regelungen zum Forderungsmanagement getroffen werden. Vallender, GmbHR 2004, 642, 647.

372 Kauft der Erwerber nicht den gesamten Forderungsbestand des Schuldnerunternehmens aus Lieferung und Leistung, so muss der Forderungseinzug eindeutig geregelt werden. Dies erfordert eine Abgrenzung dahingehend, ob und in welchem Umfang der Insolvenzverwalter bzw. Erwerber berechtigt bzw. verpflichtet sein soll, Forderungen einzuziehen bzw. bei dem Forderungseinzug mitzuwirken. Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Höpfner, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 116.

373 Soll der Insolvenzverwalter die Forderungen der Insolvenzmasse selbst einziehen, so stellt sich für ihn in tatsächlicher Hinsicht das Problem, dass er nicht über die sachlichen und personellen Mittel zum Forderungseinzug verfügt, weil auch diese im Rahmen der übertragenden Sanierung auf den Erwerber übergegangen sind. Auch werden die für den Forderungseinzug notwendigen Unterlagen regelmäßig im Rahmen des Asset Deals dem Erwerber übergeben werden. Ein effektiver Forderungseinzug durch den Insolvenzverwalter setzt daher voraus, dass der Erwerber sich im Vertrag verpflichtet, den Insolvenzverwalter gegen angemessene Vergütung bei dem Forderungseinzug mit sachlichen und personellen Mitteln zu unterstützen. Idealerweise sollte dabei dem Insolvenzverwalter ein eigenständiges Weisungsrecht gegenüber den zuständigen Mitarbeitern eingeräumt werden. Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Höpfner, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 119.

374 Kommen die Vertragsparteien demgegenüber überein, dem Erwerber den Einzug der Forderungen der Insolvenzmasse zu übertragen, so wird in der Regel zugunsten des Erwerbers für die Abrechnung und den Forderungseinzug ein Bearbeitungsentgelt in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Netto-Rechnungsbetrages vereinbart. Ferner wird man in diesem Fall eine Verpflichtung des Erwerbers zur regelmäßigen Rechnungslegung sowie fixe Zahlungstermine bzw. -fristen in den Vertrag aufnehmen. Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Höpfner, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 118.

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III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

2. Kaufpreisbemessung Gesetzlicher Anhaltspunkt für die Kaufpreisermittlung ist der gesetzliche 375 Auftrag des Insolvenzverwalters gemäß § 1 InsO. Ziel muss es sein, für die Gläubiger eine möglichst hohe Quote zu erreichen. Bei der Bestimmung des Kaufpreises im Rahmen übertragender Sanierungen 376 ergeben sich erhebliche Unterschiede zur üblichen Kaufpreisfindung bei Unternehmenskäufen. Der Kaufpreis bei der übertragenden Sanierung orientiert sich an der Ge- 377 samtsumme der Werte der zu veräußernden einzelnen Vermögensgegenstände. Insbesondere kann die Bemessung des Kaufpreises bei einem Unternehmenskauf aus der Insolvenz nicht auf der Grundlage der sonst bei Kauf eines „lebenden“ Unternehmens üblichen Methoden erfolgen. Eine Bewertung anhand der vergangenen und erwarteten Erträge oder Cashflows kommt nicht infrage, da das Unternehmen gerade keinen Gewinn bzw. positiven Cashflows erwirtschaftete. Auch die Substanzwertmethode scheidet im Fall der Überschuldung aus, da Eigenkapital nicht vorhanden ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter veranlasst regelmäßig nach seiner Bestel- 378 lung eine Inventarisierung und Bewertung der vorhandenen materiellen Wirtschaftsgüter. Eine derartige Bewertung enthält üblicherweise zwei Werte, den Liquidations- bzw. Zerschlagungswert sowie den Fortführungswert (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO a. F.). Für immaterielle Vermögenswerte, insbesondere gewerbliche Schutzrechte, erfolgt ggf. eine gesonderte Bewertung. Gleiches gilt für etwaige nicht insolvente Beteiligungen oder Tochtergesellschaften, die nach den üblichen Methoden nicht insolventer Unternehmen durch eine Unternehmensbewertung zu bewerten sind. Erwerbsinteressenten wird im Datenraum eine Aufstellung sämtlicher veräu- 379 ßerbarer Vermögensgegenstände inklusive des Fortführungswertes übergeben. Auskünfte über Liquidationswerte wird der (vorläufige) Insolvenzverwalter regelmäßig nicht geben, da sie die untere Grenze des Insolvenzverwalters in den Kaufpreisverhandlungen darstellen. Der Kaufinteressent kann bei der Kaufpreisberechnung berücksichtigen, dass 380 der Insolvenzverwalter ohne Verkauf des Unternehmens mit erheblichen Mehrkosten rechnen muss, die für ihn somit kaufpreisbestimmende Faktoren bei einer von ihm immer anzustellenden Alternativbetrachtung der Zerschlagung sind. Nicht übernommene Arbeitnehmer lösen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten aus. Diese aufoktroyierten Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 2 Nr. 2 InsO sind vorrangig aus der Insolvenzmasse zu zahlen und schmälern damit die Masse, die den nicht nachrangigen Gläubigern (§ 38 InsO) zur Verfügung steht. Sind im Zielunternehmen viele Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit vorhanden, sodass regelmäßig die dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 InsO greift, kommt es nicht selten vor, dass die Insolvenzmasse bei einer Betriebseinstellung durch

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

die Auslauflöhne bis zum Ende der Kündigungsfrist aufgezehrt wird. Verfügt der Betrieb über einen Betriebsrat, besteht die zusätzliche Verpflichtung, gemäß § 112 BetrVG einen Sozialplan zu schließen. Infolgedessen ist die Übernahme von Arbeitnehmern ein wesentliches Kriterium der Kaufpreisermittlung. 381 Der Investor sollte somit im Rahmen der Kaufpreisfindung anhand der Arbeitnehmerlisten ermitteln, in welchem Umfang die Insolvenzmasse belastet wird, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen liquidiert und die Arbeitsverhältnisse unter Berücksichtigung der Regelung des § 113 InsO kündigt. Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Bernsau, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 53.

382 Auch ein Sozialplanvolumen und die Beträge für eine etwaige Urlaubsabgeltung unter Berücksichtigung der Regelung der § 123 InsO sollten ermittelt werden und Berücksichtigung finden, wenn es im Rahmen der übertragenden Sanierung zu keinem Arbeitsplatzabbau kommt. Der Insolvenzverwalter wird diese Kalkulation für sich entsprechend vornehmen, um das erforderliche Mindestgebot zu ermitteln. 383 Eine entsprechende Kalkulation kann ebenfalls erfolgen, wenn die Übernahme von Mietverträgen für Immobilien kaufvertraglicher Bestandteil ist, denn auch die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO zu zahlenden Mieten sind aufoktroyierte und vorab zu erfüllende Masseverbindlichkeiten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass für Mietverträge keine Überleitungsvorschrift, wie die des § 613a BGB für Arbeitsverhältnisse, existiert. Infolgedessen ist die Überleitung eines Mietverhältnisses vom insolventen Unternehmen auf den Erwerber von der Zustimmung des jeweiligen Vermieters abhängig. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2563.

384 Für die Beurteilung eines Mindestgebotes wird der Insolvenzverwalter somit zwei Kriterien zugrunde legen: x

die Liquidationswerte der einzelnen Wirtschaftsgüter des Unternehmens als Bewertungsuntergrenze und

x

die Masseverbindlichkeiten, die bei der Liquidation des Schuldnerunternehmens oder bei einer Ausproduktion entstehen.

385 Ein Unterschreiten der Liquidationswerte ist vertretbar, soweit die Insolvenzmasse durch die Unternehmensveräußerung von ansonsten entstehenden Masseverbindlichkeiten entlastet wird. Grenzen findet diese Kalkulation bei den Gegenständen, die mit Rechten Dritter belastet sind. Zwar wird die Insolvenzmasse regelmäßig gemäß §§ 166, 170 f. InsO oder aufgrund höherer ausgehandelter Massekostenbeiträge an den Verwertungserlösen beteiligt. Eine vollständige Anrechnung der Masseverbindlichkeiten, um die die Insol-

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III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

venzmasse bei einer Unternehmensveräußerung im Ganzen entlastet wird, ist im Hinblick auf diese Gegenstände jedoch ausgeschlossen. Weitere Elemente der Kaufpreisfindung sind der Zeitfaktor und die Liquidi- 386 tätslage im Zielunternehmen. Ein Unternehmensverkauf setzt im Regelfall ein werbendes Unternehmen voraus. Ist schon eine kurzfristige Betriebsfortführung in Anbetracht der Liquiditätslage des Unternehmens nur unter erheblichen Mühen und Haftungsrisiken des (vorläufigen) Insolvenzverwalters möglich, wird der erste Interessent, der zügig unternehmerische Entscheidungen zu einer Investition trifft, auch bei einem schlechten Kaufpreisgebot den Zuschlag erhalten. Zögerliche Interessenten, die einen langwierigen DueDiligence-Prozess aufsetzen, werden nicht mehr zum Zuge kommen, auch wenn sie grundsätzlich bereit sind, am Ende ihres Entscheidungsfindungsprozesses einen höheren Kaufpreis zu zahlen. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2566.

Schließlich können auch die Vorstellungen der einzelnen Interessenten hin- 387 sichtlich Fälligkeit und Besicherung der Kaufpreisforderungen ein wesentlicher Punkt bei der Bewertung mehrerer Angebote durch Interessenten durch den Insolvenzverwalter und den Gläubigerausschuss sein. Soweit höhere, aber ratierlich zu zahlende Kaufpreise, die nicht werthaltig besichert sind, niedrigeren, aber sofort fälligen Kaufpreisgeboten gegenüberstehen, kann dies ausschlaggebendes Kriterium für die Annahme des niedrigeren Angebotes sein. 3. Garantievereinbarungen a) „Garantiefeindlichkeit“ des Insolvenzverwalters Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen einem „normalen“ Unter- 388 nehmenskauf und einem Unternehmenskauf aus der Insolvenz liegt darin, dass der Insolvenzverwalter in fast allen Fällen nicht bereit sein wird, die sonst bei Unternehmenskäufen üblichen Garantien zu übernehmen. Vgl. zu den sonst üblichen Garantien den umfangreichen Katalog bei Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 503 – 506.

Derartige Garantiekataloge kann der Insolvenzverwalter nicht abgeben. Häu- 389 fig wird er im insolventen Unternehmen keine ordnungsgemäße Buchhaltung vorfinden und nur in beschränktem Umfang auf aktuelle Bilanzen und betriebswirtschaftliche Auswertungen zurückgreifen können und eine Vollständigkeitserklärung wird auch niemand abgeben (wollen). Aber auch wenn dem Grunde nach ausreichende Unterlagen vorhanden sind, ist die abschließende Prüfung entweder zeitlich unmöglich oder jedenfalls zu aufwendig und kostspielig. Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Höpfner, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 129.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

390 Der Insolvenzverwalter wird es ferner vermeiden, das Bestehen von Verträgen oder das Vorliegen von Aufträgen zum Gegenstand einer Garantie zu machen, da er nicht sicher sein kann, dass ihm hinsichtlich bestehender Verträge bzw. Kundenaufträge sämtliche relevanten Vertragserklärungen der Parteien zur Verfügung standen. Der Insolvenzverwalter kann nicht sicher ausschließen, dass Kunden ihre Aufträge gekündigt haben, Verträge zwischenzeitlich einvernehmlich aufgehoben wurden oder Willenserklärungen angefochten oder widerrufen wurden. Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl-Höpfner, Handbuch der übertragenden Sanierung, S. 132.

391 Vergleichbare Gründe werden den Insolvenzverwalter auch von den meisten anderen, sonst bei Unternehmenskäufen üblichen Garantien abhalten. 392 Grund für diese „Garantiefeindlichkeit der Insolvenzverwalter“ ist letztlich die Vermeidung der Haftung der Insolvenzmasse und der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters. Der Insolvenzverwalter kennt den Kaufgegenstand in der Regel erst seit wenigen Wochen und nur rudimentär. Schließlich wird er in der Mehrzahl der Fälle auch nicht branchenkundig sein. Er wird daher meist darauf bestehen, das Unternehmen in dem Zustand zu übertragen, in welchem er es vorgefunden hat. Er wird dem Erwerber eher mit dem Preis entgegenkommen, als Garantien zu übernehmen. Im Übrigen soll der gezahlte Kaufpreis zur alsbaldigen Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung stehen. 393 Im Rahmen der Eigenverwaltung wird das zuvor Gesagte inhaltlich so nicht haltbar sein, da in der Regel davon auszugehen ist, dass die den eigenverwalteten Schuldner führenden Organe Einblick in die Situation – namentlich die Buchhaltung und wesentlichen Verträge – des Schuldners haben. Trotz dieses Wissens und einer damit möglichen Risikobeurteilung werden die Organe des in der Eigenverwaltung befindlichen Schuldners im Rahmen des Unternehmensverkaufs in der Krise versuchen, die Gewährleistungen soweit wie möglich auszuschließen und Garantiezusagen nur in beschränktem Umfang abzugeben, um eine mögliche Haftung weitestgehend auszuschließen. 394 Ferner treffen den Veräußerer daneben weitere Aufklärungs-, Wahrheitsund Berichtspflichten. So besteht beispielsweise eine Pflicht zur Aufklärung, wenn der Erwerber unter Zugrundelegung des Grundsatzes von Treu und Glauben die Offenlegung bestimmter Tatsacheninformation erwarten kann. Um hier einen überschaubaren und damit berechenbaren Rahmen für die Beteiligten zu schaffen, wird in der Regel ein Garantiekatalog vereinbart. Dieser enthält sodann die offen zu legenden Information, den zu beachtenden Maßstab an Sorgfalt sowie die mit einem Verstoß verbundenen Rechtsfolgen. Thierhoff/Müller-Undritz, Unternehmenssanierung, S. 431.

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III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

b) Gewährleistungsausschluss Anstatt Garantien zu übernehmen, wird der Insolvenzverwalter im Gegenteil 395 und in der Regel auf einen Gewährleistungsausschluss bestehen. Unternehmenskaufverträge aus der Insolvenz sehen daher regelmäßig vor, dass der Verkäufer keine Gewährleistungs- oder Schadensersatzverpflichtungen irgendwelcher Art übernimmt. In der Literatur wird ferner empfohlen, auch die Nacherfüllungsansprüche nach § 439 BGB ausdrücklich auszuschließen. Vallender, GmbHR 2004, 642, 648.

Im Hinblick auf die Regelung des § 444 BGB ist es erforderlich, in den Ver- 396 trag eine weitere Klausel aufzunehmen, nach welcher der Verkäufer Einsicht in alle notwendigen und relevanten Unterlagen erhalten hat und auch alle Gegenstände in Augenschein genommen hat. Vallender, GmbHR 2004, 642, 648.

Es ist aus Erwerbersicht nicht sinnvoll, an diesem Punkt die Verhandlungen 397 in die Länge zu ziehen. Die Insolvenzmasse wird ohnedies nur in wenigen Fällen in der Lage sein, auftretende Gewährleistungsansprüche zu befriedigen. Zeigt der Insolvenzverwalter nach Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen des Erwerbers nach § 208 InsO Masseunzulänglichkeit an, sind die Käuferrechte nicht mehr durchsetzbar. Es verbleiben dem Erwerber daher allenfalls Ansprüche gegen den Insol- 398 venzverwalter persönlich. Voraussetzung hierfür wäre, dass ein die persönliche Haftung des Insolvenz- 399 verwalters auslösendes Verhalten die Gewährleistungsansprüche begründet hat. Denkbar ist zum einen der Fall, dass der Insolvenzverwalter wesentliche 400 Umstände, die ihm bekannt waren und zu den Gewährleistungsansprüchen führten, verschwiegen hat. Ferner kann der Insolvenzverwalter als Sachwalter nach den Grundsätzen der 401 Vertreterhaftung wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens (§ 311 Abs. 3 BGB) haften. BGH, Urt. v. 14.4.1987 – IX ZR 260/86, ZIP 1987, 650 ff.; dazu Baur, EWiR 1987, 609 f.; BGH, Urt. v. 12.11.1987 – IX ZR 259/86, ZIP 1987, 1586 ff.; BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 245/88, ZIP 1989, 1584 ff.

Ebenso kommt eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach §§ 60, 402 61 InsO wegen Masseunzulänglichkeit in Frage. Der Insolvenzverwalter kann sich jedoch exkulpieren, wenn er beweist, dass er bei Eingehung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde. Das wird bei Gewährleistungsansprüchen kaum je der Fall sein. MüKo-Schoppmeyer, InsO, § 61 Rn. 24.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

c) Mögliche Garantien 403 Möglich und häufig verwendet ist eine Klausel, mit der der Insolvenzverwalter seine Verfügungsbefugnis garantiert und nachweist. 404 Zu empfehlen ist eine dahingehende Vertragsklausel, dass sich die Parteien einig sind, dass die verkauften Vermögensgegenstände im Eigentum der Schuldnerin stehen, es von den Parteien jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei einigen Vermögensgegenständen um Eigentum Dritter (z. B. Leasinggüter oder gemietete Gegenstände) handelt. Ferner kann die Regelung aufgenommen werden, dass die mögliche Mitveräußerung von Gegenständen, die nicht zur Masse gehören, auf den Vertrag keinen Einfluss hat und auch keine Schadensersatzansprüche auslöst. 405 Ferner gewährleistet der Insolvenzverwalter eventuell die Existenz des verkauften Anlagevermögens und der verkauften Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. 406 Eine typische Gewährleistungsklausel des vom Insolvenzverwalter vorbereiteten Unternehmenskaufvertrages lautet: Der Käufer hatte ausreichend Gelegenheit, sich von den Rechten, dinglichen Berechtigungen und Ansprüchen an den Vermögensgegenständen, die Gegenstand dieses Vertrages sind sowie über Zustand und Beschaffenheit der Vermögensgegenstände und Vertrags- und Rechtsverhältnisse, die Gegenstand dieses Vertrages sind, zu überzeugen. Der Verkäufer garantiert ausschließlich die Existenz des in Anlage 1 aufgeführten beweglichen Anlagevermögens und die Existenz der veräußerten Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe. Im Zusammenhang mit dem vorgenannten beweglichen Anlagevermögen und den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen erstreckt sich die Gewährleistung des Verkäufers nicht auf Abtretungen zu Sicherungszwecken im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs und nicht auf irgendeine Art von Eigentumsvorbehalten von Lieferanten, verlängerte Eigentumsvorbehalte eingeschlossen. Sämtliche mit diesem Kaufvertrag verkauften und übertragenen Gegenstände gemäß Anlage 1 sind gebraucht und möglicherweise beschädigt. Die Gegenstände gemäß Anlage 1 werden deshalb verkauft wie besichtigt. Der Käufer ist daher nicht verpflichtet, die Gegenstände frei von Sachmängeln zu verschaffen. Eine bestimmte Beschaffenheit ist nicht vereinbart. Eine Haftung für Sachmängel jeder Art ist – so nicht arglistige Täuschung vorliegt – ausgeschlossen. Dem Käufer stehen – so nicht arglistige Täuschung vorliegt – die Rechte aus §§ 437 ff. BGB nicht zu. Dies gilt auch dann, wenn Mängel im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang auftreten sollten, es sei denn, der Verkäufer hätte diese grob fahrlässig zu vertreten. Soweit dem Verkäufer Ansprüche gegen Dritte (Schädiger, Versicherung) zustehen, tritt der Verkäufer – unter Ausschluss jeder Gewährleistung – seine möglichen Ansprüche an den die Abtretung bereits jetzt annehmenden Käufer ab.

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III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

Für die Frage, ob arglistige Täuschung vorliegt und/oder welches Wissen zuzurechnen ist, ist allein der Wissenstand des Verkäufers oder des von ihm mit den Vertragsverhandlungen Beauftragten entscheidend. Eine Zurechnung des Wissens der Schuldnerin, sei es aus deren Unterlagen, von deren Organen, Mitarbeitern oder sonst von ihr beauftragten, findet nicht statt. Rein vorsorglich sind Ansprüche des Verkäufers auf Nacherfüllung ausgeschlossen, der Verkäufer ist jedoch dazu berechtigt. Darüber hinaus ist der Insolvenzverwalter in der Regel bereit, die Zusage ab- 407 zugeben, dass der Betrieb bis zum Übertragungsstichtag in ordnungsgemäßer Weise geführt wurde und Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes nicht stattgefunden haben. 4. Besonderheiten der Due Diligence, Haftung für Verbindlichkeiten (insbesondere beihilferechtliche und umweltrechtliche Fragen) und kartellrechtliche Fragen a) Checkliste für übertragende Sanierungen Eine Prüfung des Zielunternehmens (Due Diligence) ist wegen des Zeitdrucks, 408 häufig auch wegen der mangelhaften Dokumentation nur eingeschränkt möglich. Gleichwohl ist sie in vielen Fällen gerade im Hinblick auf die fehlenden Garantien des Verkäufers unentbehrlich. Eine Due-Diligence-Prüfung erfolgt in der Regel anhand von Checklisten. 409 Diese enthalten jedoch zahlreiche Punkte, die im Rahmen eines Unternehmenserwerbs aus der Insolvenz ohne Belang sind. Im Anhang wird eine typische Due-Diligence-Checkliste abgedruckt, bei der die im Rahmen einer übertragenden Sanierung irrelevanten Punkte durchgestrichen sind. Eine auf den Unternehmenskauf in der Insolvenz zugeschnittene Checkliste findet sich auch bei Fiebig/Undritz, MDR 2003, 254 ff.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle Information

Relevanz/Prüfungsumfang

Gesellschaftsstruktur Name, Rechtsform, Gesellschaftsvertrag, Eintragung im Handelsregister Beteiligungen an anderen Gesellschaften

Besonders relevant bei Konzerninsolvenzen, da Konzern in Insolvenz in Einzelteile zerfällt und jedes Unternehmen der individuellen insolvenzrechtlichen Prüfung unterzogen wird. Gehören sie mit zum Kaufgegenstand? Wenn ja, muss die DD auch bzgl. der Töchter durchgeführt werden! Achtung: Haftungserleichterungen (z. B. keine Geltung der § 25 HGB, § 75 AO in Insolvenz) gelten nur für insolvente Mutter.

Niederlassungen

Gehören sie mit zum Kaufgegenstand? Das zu Tochtergesellschaften bemerkte gilt ebenso. Sofern die Niederlassung rechtlich unselbstständig ist, greifen allerdings die Haftungserleichterungen des Mutterhauses.

Unternehmensverträge, Beherrschungsverträge, Ergebnisabführungsverträge

Gehen Beteiligungen an Tochtergesellschaften mit über, haben die Verträge keinen Bestand mehr.

Umsatzgrößen

Relevant für die Fusionskontrolle.

Sonstige gesellschaftsrechtliche Verträge und Absichtserklärungen Aktueller HR-Auszug Aktuelle beglaubigte Kopie des Gesellschaftsvertrages sowie aller nichteingetragener, satzungsändernder Gesellschafterbeschlüsse

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Bedeutung ausschließlich im Share Deal. Der Normalfall der übertragenden Sanierung ist ein Asset Deal.

Fundort bzw. Vorhanden ja/nein

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

Fortsetzung Information

Relevanz/Prüfungsumfang

Versammlungs- und Beschlussprotokoll

Bedeutung ausschließlich im Share Deal. Der Normalfall der übertragenden Sanierung ist ein Asset Deal.

Öffentliche Erklärungen und Anmeldungen

Beispielsweise kartellrechtlich.

Fundort bzw. Vorhanden ja/nein

Betriebsgenehmigungen Geprüfte Jahresabschlüsse der letzten 5 Jahre Für die Gesellschaft bisher tätige Rechts- und Patentanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Notare Kapitalstruktur und Steuern Die Kapitalstruktur der Gesellschaft hat Bedeutung im Share Deal. Der Normalfall der übertragenden Sanierung ist der Asset Deal. Steuerverbindlichkeiten werden bei einem Verkauf aus einem eröffneten InsoVerf heraus gemäß § 75 AO vom Erwerber nicht übernommen. Anderes gilt jedoch z. B. bei einem Verkauf aus dem Eröffnungsverfahren heraus, bzw. bei einem Share Deal. Gezeichnetes und genehmigtes Kapital, Kapitalerhöhungen, Leistung der Bar- und Sacheinlage, lückenlose Urkunden über den Stand und die Entwicklung der Gesellschaftsanteile Bilanzen und finanzwirtschaftliche Lage: Konzernabschluss, Bilanzen der Einzelunternehmen, Jahresabschlüsse, Gewinn- und Verlustrechnung, Buchführung, BWAs, etc. Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern untereinander und/oder mit der Gesellschaft Optionen, Bezugsrechte oder sonstige kapitalbezogenen Rechte Überschuldungsstatus und Liquiditätsübersichten Zuständiges Finanzamt, Steuernummer, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Fortsetzung Information

Relevanz/Prüfungsumfang

Steuererklärungen und -bescheide Steuerschulden Prüfungsberichte Arbeitsverhältnisse Liste der Mitarbeiter, Führungskräfte und Organmitglieder Arbeitsverträge Muster-Anstellungsverträge/ Standardvereinbarungen Vereinbarungen über Zusatzvergütungen, Abfindungszahlungen Verträge mit freien Mitarbeitern (Individual- und Standardverträge, Zusatzvereinbarungen) Pensionspläne Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge Einzelpensionsvereinbarungen Gruppenversicherungen Arbeitnehmern gewährte Darlehen Darstellungen von Verstößen der Gesellschaft gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen Schwerbehinderte Altersstruktur der Arbeitnehmer Ausfallzeiten der Arbeitnehmer Bedeutung bei Share Deal oder bei Existenz, Identität und Vergütung von Gesellschaftsorganen (Geschäfts- (vorläufiger) Mitnahme der Geführer, Aufsichtsrat, Beirat, Vorstand) schäftsführung bzw. der Organe. Identität und Vollmachten der Prokuristen und Bevollmächtigten Mögliche Interessenkonflikte dieser Personen

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Auch bei Asset Deal wichtig wegen § 613a BGB.

Fundort bzw. Vorhanden ja/nein

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

Fortsetzung Information

Relevanz/Prüfungsumfang

Fundort bzw. Vorhanden ja/nein

Im Betrieb tätige Betriebsräte und Gewerkschaften, existente Betriebsvereinbarungen und sonstige kollektivrechtlichen Regelungen Grundvermögen Grundbuchauszüge für Grundstücke und Erbbaurechte Dingliche und öffentlich-rechtliche Belastungen Gemietete/vermietete Grundstücke Unerfüllte Verträge über Immobilienerwerb bzw. -verkauf Gewerbliche Schutzrechte Patente und -anmeldungen Warenzeichen und -anmeldungen Urheberrechte Geschmacks- und Gebrauchsmuster bzw. -anmeldungen Geheimes Know-how Internationale Rechte Markennamen Lizenzverträge für Schutzrechte und Know-how Sonstiges Vermögen Bankkonten

Der Bestand von Bankkonten bzw. die Kontoauszüge der Vergangenheit können zwar evtl. Hinweise über Kostenstrukturen des Unternehmens geben, die alten Konten sind jedoch im Regelfall zum Verkaufszeitpunkt bereits durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter aufgelöst bzw. die Guthaben auf das Insolvenzverwalter-Anderkonto überführt.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Fortsetzung Information

Relevanz/Prüfungsumfang

Sicherungsrechte (Grundpfandrechte, Sicherungsübereignungen und -abtretungen, Bürgschaften, Pfändungen und Verpfändungen)

Sicherheiten, die noch auf Assets des Unternehmens liegen, sind i. d. R. bereits durch den Insolvenzverwalter festgestellt worden, da ihm die Verwertungsrechte zustehen. Trotzdem sollte auch ein Käufer darauf achten, dass wirklich alle Sicherheiten erfasst wurden, da hier die Gläubiger in eine Vereinbarung miteinbezogen werden müssen, um einen wirksamen, lastenfreien Übergang der Vermögensgegenstände sicherzustellen.

Darlehen und Vorschüsse

Sofern nicht ein Share Deal stattfindet (im Regelfall nicht!), haben die Verbindlichkeiten des Unternehmens bei der Prüfung keine Relevanz, da eine übertragende Sanierung ja gerade dazu dient, Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten zu trennen. Sie verbleiben also bei dem insolventen Unternehmen. Dennoch kann eine Analyse der Verbindlichkeiten dazu dienen, die Knackpunkte, die letztlich zur Insolvenz führten, näher zu bestimmen.

Finanzielle Verbindlichkeiten

Siehe Kommentar zu Darlehen und Vorschüssen.

Subventionen, Prämien, Investitionszulagen, Zuschüsse

Siehe Kommentar zu Darlehen und Vorschüssen.

Kraftfahrzeuge und -briefe Computersysteme und sonstige Maschinen Mangelhafte Gegenstände des Anlageund Umlaufvermögens Zahlungsverzüge

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Siehe Kommentar zu Darlehen und Vorschüsse.

Fundort bzw. Vorhanden ja/nein

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

Fortsetzung Information

Relevanz/Prüfungsumfang

Fundort bzw. Vorhanden ja/nein

Umwelt Ausführliche Checklisten zur umweltrechtlichen DD bei Sietz/Sondermann, Umwelt-Audit und Umwelthaftung, S. 3 ff. Insbesondere soweit Grundstücke mit veräußert werden, ist eine mögliche Kontamination mit Altlasten sorgfältig zu prüfen, da gemäß § 4 BBodSchG auch der Grundstückseigentümer als Rechtsnachfolger für die Altlastenbeseitigung haftet. Hier besteht also für den Erwerber trotz eines eröffneten Insolvenzverfahrens ein erhebliches Haftungsrisiko. Angaben über das Betriebsgelände Auf dem Betriebsgelände hergestellte Produkte Abfall- und Abwasserbeseitigung Grundwassergefährdende Substanzen Umweltrechtliche Vorkommnisse Gefahr- und Giftstoffe Emissionen Genehmigungspflichtige Anlagen Umweltrechtliche Lizenzen Arbeitsschutzuntersuchungen Umweltrechtliche Verstöße Drohende, anhängige und abgeschlossene umweltrechtliche Untersuchungen Umweltschutz-, Arbeitsschutz und Sicherheitspolitik, jährlicher Kostenaufwand Sanierung von Umweltschäden Dauerrechtsverträge Versicherungsverträge Verträge mit Lieferanten Verträge mit Kunden

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Fortsetzung Information

Relevanz/Prüfungsumfang

Handelsrechtliche Verträge mit Vertriebsmittlern (Vertragshändler, Handelsvertreter, Kommissionäre usw.) Kooperationsvereinbarungen/Joint Venture Miete/Leasing/Gebrauchsüberlassung Factoring Ver- und Entsorgungsverträge Unternehmenskaufverträge Wettbewerbsbeschränkungen Staatliche Verträge Change-of-Control-Klauseln

Alle Verträge, die durch die Änderung der Beteiligungsverhältnisse verändert werden oder verändert werden können (z. B. Kündigungsrechte, Unwirksamkeitsklauseln etc.)

Sonstige wirtschaftlich relevante Verträge Internet Internetdomains Beschreibung der technischen Voraussetzungen/Sicherheitsstandards des Zahlungsverkehrs Beschreibung der Sicherstellung des Datenschutzes bei Teledienstes

Angebote von Waren- und Dienstleistungen mit unmittelbarer und interaktiver Bestellmöglichkeit

Kopie aller Web-Seiten bzw. der Ober- Anbieterkennzeichnung § 6 flächen der Bestellseiten bei TeleTDG diensten Rechtsstreitigkeiten (drohende und anhängige) Finanzrechtliche Streitigkeiten Verfahren wegen Schutzrechtsverletzungen

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Fundort bzw. Vorhanden ja/nein

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

Fortsetzung Information

Relevanz/Prüfungsumfang

Fundort bzw. Vorhanden ja/nein

Arbeitsrechtliche Streitigkeiten, insbesondere Kündigungsverfahren Sozialrechtliche Streitigkeiten Umweltrechtliche Verfahren Sonstige Zivilrechtsstreitigkeiten Straf- und Bußgeldverfahren Sonstiges Laufende Genehmigungsverfahren Mitteilungen/Studien/Produktinformationen Qualitätsmanagement (Existiert ein lizenziertes oder zertifiziertes Qualitätssicherungshandbuch (DIN ISO 9000-9004)?) Mitgliedschaften (betriebsbezogene Mitgliedschaften in Organisationen und Vereinigungen sowie Verbänden) Besondere Geschäftsidee

b) Haftung für Altlasten aa) Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters für Altlasten Die Kosten der Altlastenbeseitigung in der Insolvenz beschäftigt seit vielen 410 Jahren Insolvenzverwalter, Behörden, Gerichte und Wissenschaft. Die Frage der Zuordnung dieser Kosten ist nicht nur von erheblicher Bedeutung für die Befriedigungschancen der Gläubiger, sondern auch für die Chancen einer (übertragenden) Sanierung. In der geführten Diskussion standen sich eine „massefreundliche“ und eine 411 „massefeindliche“ Lösung gegenüber. Nach dem massefreundlichen Ansatz traf den Insolvenzverwalter keine Ordnungspflicht für Verunreinigungen des Bodens vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach dieser Auffassung waren folglich auch die Kosten der Ersatzvornahme keine Masseschulden nach § 55 InsO, sondern einfache Insolvenzforderungen. Der „massefeindliche“ Ansatz sah den Insolvenzverwalter kraft dessen umfassender Sachherrschaft als Zustandsstörer an und begriff infolgedessen die Haftung für Bodenverunreinigungen als Masseverbindlichkeit. Auch die Freigabe von Massegrundstücken sollte nach dieser Auffassung sittenwidrig sein und damit keine enthaftende Wirkung entfalten. Zum Meinungsstreit vgl. MüKo-Peters, InsO, § 35 Rn. 95 ff.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

412 Das BVerwG hat durch eine Grundsatzentscheidung vom 23. September 2004 hier für eine gewisse Klarheit gesorgt. Vgl. BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22.03, ZIP 2004, 2145 ff.; dazu ausführlich Hess, InsO, § 55 Rn. 65 ff.

413 Nach der Lösung des BVerwG kann der Insolvenzverwalter bis zur Freigabe des Grundstücks aus dem Insolvenzbeschlag für die Altlastensanierung herangezogen werden. Seine bodenrechtlichen Verpflichtungen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sind Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Das BVerwG bekräftigt in seiner Entscheidung die Trennung von Insolvenzrecht und öffentlichem Recht. Das Insolvenzrecht bestimme, wie Ordnungspflichten im Insolvenzverfahren einzuordnen seien (also z. B. als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung), das öffentliche Recht bestimme, ob den Insolvenzverwalter eine Ordnungspflicht für die vom Massegegenstand ausgehende Störung trifft. Deshalb sei auch die Frage, ob allein die dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis folgende Inbesitznahme der Masse durch den Insolvenzverwalter nach § 148 Abs. 1 InsO eine Ordnungspflicht für von der Masse ausgehende Störungen bekundet, ausschließlich nach den Tatbestandsmerkmalen des jeweils einschlägigen Ordnungsrechts zu bestimmen. Hess, InsO, § 55 Rn. 68.

414 Nach Auffassung des BVerwG kann der Insolvenzverwalter die betroffenen Grundstücke aber freigeben und darf nach der Freigabe nicht mehr zu deren Sanierung herangezogen werden. Die Möglichkeit der Freigabe sei insolvenzrechtlich anerkannt. Durch die Freigabe entfalle die tatsächliche Gewalt über die Flächen und damit die bodenschutzrechtliche Voraussetzung für eine Inanspruchnahme. 415 Da die Schonung der Masse Pflicht des Insolvenzverwalters ist, kann die Freigabe von Vermögenswerten, die die Masse belasten, durchaus eine Amtspflicht des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO sein. Hess, InsO, § 55 Rn. 70; Blum, Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit in der Insolvenz, S. 214; zum Pflichtenprogramm des Insolvenzverwalters bei Altlastenverdacht vgl. Küpper/Heinze, ZInsO 2005, 409 ff.

bb) Verantwortlichkeit des Investors bei übertragender Sanierung 416 Mit der Übereignung des kontaminierten Grundstücks trifft den Erwerber die Zustandshaftung des Grundstücks. Eventuelle Ordnungsverfügungen richten sich vom Zeitpunkt der Übereignung an gegen den Rechtsnachfolger. Runkel/Schmidt-Undritz, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 14 Rn. 103.

417 Dies ist im Falle eines Unternehmens(-teil-)kaufs der Erwerber. Im Rahmen von übertragenden Sanierungen stellt also die bodenrechtliche Verantwort-

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III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

lichkeit eine ernste Gefahr für die Sanierungschance und für den potenziellen Investor dar. Das gilt umso mehr, als der Insolvenzverwalter sich regelmäßig weigern wird, irgendwelche Gewährleistungen zu übernehmen. Die Freigabe des Grundstücks ist dann keine Lösung, wenn das Grundstück 418 betriebsnotwendig ist und daher im Rahmen der übertragenden Sanierung in jedem Fall mitveräußert werden soll. Eine für alle Fälle passende Lösung kann hierfür nicht angeboten werden. 419 Mögliche Ansätze für eine praktische Bewältigung können sein: x

Im Rahmen der Vertragsgestaltung ist darauf zu achten, dass der Investor nicht Gesamtrechtsnachfolger des insolventen Unternehmens wird, da andernfalls die Gesamtrechtsnachfolgerhaftung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG einschlägig ist.

x

In Frage kommt ferner der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der zuständigen Behörde und dem Insolvenzverwalter zur Regelung des Haftungsumfangs des Erwerbers. Einzelne Länder (z. B. Bayern) haben bereits allgemeine Verwaltungsanweisungen erlassen, mit denen derartige öffentlich-rechtliche Verträge faktisch als Rechtsinstitut anerkannt werden.

x

In derartigen Verträgen wird die Haftungshöchstgrenze des Erwerbers festgeschrieben, darüber hinaus erklärt die Behörde die Freistellung.

Mit der zuständigen Bodenschutzbehörde ist vor Abschluss des Kaufvertrages 420 ein Sanierungsplan zu erarbeiten und gleichzeitig eine Freistellungsvereinbarung ggf. mit Haftungshöchstgrenze abzuschließen, die wirksam wird, wenn die Anforderungen aus dem Sanierungsplan erfüllt sind. Geschäftsgrundlage für einen solchen Sanierungsplan und eine solche Freistellungsvereinbarung ist regelmäßig der Erhalt der bisherigen gewerblichen Nutzung. Sofern aufgrund des knappen Zeitrahmens der Abschluss eines solchen Sanierungsplans nicht in Betracht kommt, sollte sich der Erwerber von der zuständigen Bodenschutzbehörde vor Abschluss des Kaufvertrages zusichern lassen, dass diese keine Sanierungsanordnung erlassen wird, soweit sich die bisherige gewerbliche Nutzung nicht ändert. Das Risiko, dass die Behörde bei einer Änderung der Geschäftsgrundlage nicht mehr an eine solche Zusicherung gebunden wäre und dass sie die Zusicherung unter bestimmten Voraussetzungen zurücknehmen oder widerrufen kann, kann allerdings nicht ausgeschlossen werden. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2590.

Neben dem Risiko der Haftung der Erwerbergesellschaft kann auch das Ri- 421 siko einer Haftung der Gesellschafter der Erwerbergesellschaft für Altlasten nicht ausgeschlossen werden. Im Extremfall droht gar die Haftung des gesamten Erwerberkonzerns. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 4 1. Alt. BBodSchG ist zur Sanierung verpflichtet, „wer aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrecht-

97

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

lichem Grund für eine juristische Person einzustehen hat“, der ein kontaminiertes Grundstück gehört. Bei weiter Auslegung dieser Norm kann eine altlastenrechtliche Haftung des Gesellschafters der Erwerbergesellschaft und letztlich sogar des Konzerns, dem die Erwerbergesellschaft angehört, in Betracht kommen. 422 Für das Vorliegen einer gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht ist zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Einstandspflicht nur in Fällen besteht, in denen das kontaminierte Grundstück einer juristischen Person gehört. 423 Nach der derzeit wohl überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist die Einstandspflicht nicht analog auf Personengesellschaften wie z. B. die GmbH & Co. KG anwendbar. VGH München, Urt. v. 29.11.2004 – 22 CS 04.2701, NJW-RR 2005, 829, 831 Rn. 15; Versteyl/Sondermann, BBodSchG, § 4 Rn. 62; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen-Giesberts, BBodSchG, § 4 Rn. 277; Denkhaus/Demisch, InsVZ 2010, 243, 245.

424 Ob eine Durchgriffshaftung vermieden werden kann, wenn die Erwerbergesellschaft als Personengesellschaft ausgestaltet ist, lässt sich nicht abschließend sagen. Auch Personengesellschaften sind teilrechtsfähig und damit Kapitalgesellschaften angenähert. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 4 Abs. 3 Satz 4, 1. Alt. BBodSchG, eine rechtmissbräuchliche Umgehung der öffentlich-rechtlichen Sanierungspflichten durch gesellschaftsrechtliche Organisationsformen zu verhindern, besteht das Risiko, dass Verwaltungsgerichte eine Einstandspflicht für Personengesellschaften bejahen. 425 Nach der Rechtsprechung des BGH besteht seit der Trihotel-Entscheidung, BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 ff.,

aus dem Jahr 2007 eine gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht des Gesellschafters nach § 826 BGB in Fällen „existenzvernichtender Eingriffe“ der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen. 426 Infolgedessen wird in der bodenschutzrechtlichen Literatur teilweise vertreten, dass durch diese Entwicklung der von § 4 Abs. 3 Satz 4 1. Alt. BBodSchG geforderte gesellschaftsrechtliche Rechtsgrund einer Einstandspflicht im Bereich der Haftung aufgrund qualifizierter Konzernabhängigkeit endgültig aufgegeben worden sei. Vgl. Tiedemann, NVwZ 2008, 257, 259.

427 Da sich die Auslegung des § 4 Abs. 3 Satz 4 1. Alt. BBodSchG an der Rechtsprechung des zweiten Senats des BGH orientiert, hat diese Vorschrift einen dynamischen Charakter. In der bisher seltenen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu dieser Vorschrift wird jeweils auf die aktuelle Rechtsprechung des zweiten BGH-Senats abgestellt.

98

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 18.12.2007 – 10 S 2351/06, NVwZ-RR 2008, 605, 609 Rn. 45.

Es ist fraglich, ob die Verwaltungsgerichte auch künftig den Maßstäben des 428 BGH für eine gesellschaftsrechtliche Haftung ohne Weiteres folgen oder eigene Maßstäbe entwickeln werden. Fluck/Frenz/Fischer/Franßen-Giesberts, BBodSchG, § 4 Rn. 292; vgl. zu diesem Thema auch Denkhaus/Demisch, InsVZ 2010, 243, 245.

In der Praxis werden die Erwerbsgesellschaften vor diesem Hintergrund je- 429 denfalls als Personengesellschaften ausgestaltet. c) Haftung für rechtswidrig gewährte Beihilfen aa) Rückforderung gewährter Beihilfen für das insolvente Unternehmen Nach den Entscheidungen der Europäischen Kommission,

430

EuGH, Urt. v. 28.1.2003 – Rs. C-334/99 Bundesrepublik Deutschland ./. Kommission – „Gröditzer Stahlwerke“, Slg. 2003, I-1139; EuGH, Urt. v. 8.5.2003 – verb. Rs. C-328/99 Italienische Republik ./. Kommission und C-399/00 SIM 2 Multimedia SpA ./. Kommission – „Seleco“, NVwZ 2003, 839 ff.,

war in Deutschland die Unsicherheit über die gemeinschaftsrechtliche Behandlung der Rückforderung zu Unrecht gewährter Beihilfen in der Insolvenz des Beihilfeempfängers sehr groß. In diesen Entscheidungen hat die Kommission die Haftung für die Rückforderung der Beihilfen auf die Erwerber von wesentlichen Vermögenswerten dem Grunde nach erweitert. Damit ist in derartigen Fällen eine übertragende Sanierung mit erheblichen Rückforderungsansprüchen der Kommission belastet und im Ergebnis praktisch nur mit erheblichem Aufwand und Sorgfalt durchführbar, da der Erwerber faktisch automatisch das Risiko eines (bisher noch nicht gegenüber der Insolvenzschuldnerin geltend gemachten) Rückforderungsanspruchs übernimmt. Insbesondere in der Entscheidung „Seleco“ hat sich der EuGH mit einer 431 Kommissionsentscheidung befasst, die neben dem ursprünglichen Beihilfeempfänger auch den Erwerber des beihilfebegünstigten Unternehmens zur Rückzahlung der Beihilfe verpflichtete. Vgl. EuGH, Urt. v. 8.5.2003 – verb. Rs. C-328/99 Italienische Republik ./. Kommission und C-399/00 SIM 2 Multimedia SpA ./. Kommission – „Seleco“, NVwZ 2003, 839 ff.

Der EuGH hat in dieser Entscheidung die Rechtsansichten der Kommission 432 bestätigt, wonach der Mitgliedsstaat verpflichtet sei, alle verfügbaren Mittel juristischer Art zur Rückforderung der Beihilfe einzuleiten, inklusive der Liquidation des Unternehmens, wenn es anders nicht zur Rückzahlung der rechtswidrig gewährten Beihilfe in der Lage sein sollte.

99

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

433 Die SMI-Entscheidung (System Mikroelektronik Innovation) des Europäischen Gerichtshofs vom 29. April 2004, EuGH, Urt. v. 29.4.2004 – Rs. C-277/00 Bundesrepublik Deutschland ./. Kommission, ZIP 2004, 1013 ff.,

hat für eine gewisse Klärung gesorgt. Die Rückforderung einer Beihilfe gegenüber dem Unternehmenserwerber ist danach ausgeschlossen, soweit das Unternehmen von einem Dritten zum Marktpreis erworben wird. Der höchste realisierbare Preis, den ein privater Investor unter normalen Wettbewerbsbedingungen für dieses Unternehmen in der Situation, in der es sich nach dem Erhalt staatlicher Beihilfen befindet, zu zahlen bereit ist, bewertet das Beihilfeelement zum Marktpreis. Unter diesen Umständen kann der Erwerber nicht als Nutznießer eines Vorteils gegenüber den übrigen Marktteilnehmern angesehen werden. Wird eine Auffanggesellschaft in der Insolvenz des ursprünglichen Beihilfeempfängers gegründet, die einen Teil der Tätigkeit des insolventen Unternehmens, welches Beihilfe erhalten hat, nach dessen Insolvenz fortführt, kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass ggf. auch diese Auffanggesellschaft zur Rückerstattung der fraglichen Beihilfen verpflichtet ist. Voraussetzung ist aber, dass der tatsächliche Nutzen des mit dem Erhalt der Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils bei dieser Auffanggesellschaft verblieben ist und die Auffanggesellschaft die Aktiva der insolventen Gesellschaft erwirbt, ohne dafür einen den Marktbedingungen entsprechenden Preis zu zahlen. Gleiches gilt, wenn Zweck der Gründung der Erwerbsgesellschaft ist, die Pflicht zur Rückerstattung der Beihilfen zu umgehen. 434 Eine Rückforderung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Veräußerung des Unternehmens bzw. der geförderten Vermögenswerte zum Marktpreis erfolgt. In dem der SMI-Entscheidung zugrunde liegenden Insolvenzverfahren hatte der bestellte Insolvenz- bzw. Gesamtvollstreckungsverwalter zwar wohl kein den heutigen Standards entsprechendes Bieterverfahren unter Hinzuziehung von M&A-Beratern und weiter Marktansprache durchgeführt. Der EuGH stellt jedoch fest, dass der Verkauf unter gerichtlicher Kontrolle stattfand und er nicht sofort vorgenommen wurde, sondern erst nach fruchtlosen Verhandlungen mit einem anderen Unternehmen. Dies seien Anhaltspunkte dafür, dass es sich um ein hinreichend offenes und transparentes Verfahren gehandelt habe. EuGH, Urt. v. 29.4.2004 – Rs. C-277/00 Bundesrepublik Deutschland ./. Kommission, ZIP 2004, 1013, 1018 f.

435 Jüngst hat die Europäische Union ihren vormals eingeschlagenen Kurs bestätigt. Der Kommissionsentscheidung vom 15. Oktober 2014, C(2014) 7359, final,

liegt ein Sachverhalt zugrunde, in dessen Rahmen der Insolvenzverwalter über das Vermögen der slowakischen NCHZ im Wege eines Asset Deals die Insolvenzschuldnerin zum Höchstgebot veräußerte. Sämtliche Vermögensgegenstände wurden jedoch durch den Erwerber einen Tag nach Vollzug des 100

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

Kaufs an einen Zweiterwerber weiterveräußert. Die der NCHZ gewährten Beihilfen wurden infolgedessen von der Kommission als rechtswidrig erachtet und zurückgefordert. Zur Begründung führte die Kommission aus, dass das höchste Gebot nicht dem Marktpreis für die Insolvenzschuldnerin entsprach, da es der Insolvenzverwalter versäumt hatte, einen offenen, transparenten, bedingungs- und diskriminierungsfreien Verkaufsprozess durchzuführen. Ein Verkaufsprozess erfolgt nach Auffassung der Kommission unter einer Bedingung, wenn das Bieterverfahren so ausgestaltet ist, dass derjenige, der das höchste Gebot abgegeben hat, sein Gebot nachbessern darf, um ein anderes Gebot, welches unter anderen Bedingung abgegeben wurde, zu überbieten. Ferner bejahte die Kommission eine ökonomische Kontinuität zwischen Veräußerer und Zweiterwerber, da sowohl Erst- als auch Zweiterwerber sämtliche bestehenden Verbindlichkeiten sowie die für den Betrieb relevanten Verträge von der Insolvenzschuldnerin übernommen hatten. Zusätzlich gingen sämtliche Arbeitsverhältnisse auf den Zweiterwerber über, die Unternehmensstrategie wurde beibehalten und das Produktangebot und die Produktionsabläufe blieben ebenfalls konstant. Diese Faktoren, insbesondere der Zwischenerwerb, veranlassten die Kommission zu dem Schluss, dass die Veräußerung nicht zum Marktpreis erfolgte und eine Durchbrechung der Unternehmenskontinuität ebenfalls nur dann anzunehmen wäre, wenn der Zweitverkauf zum Marktpreis erfolgt wäre. Vgl. dazu ausführlich Jüchser, NZI 2015, 596 ff.

Infolge dieser Entscheidungen müssen Kaufinteressenten in der Due Dili- 436 gence etwaige Rückforderungsrisiken identifizieren und i. S. d. zitierten Rechtsprechung des EuGH Vorsorge treffen. Der Insolvenzverwalter muss zudem sicherstellen, dass ein dem Markt entsprechender Preis für das Unternehmen erzielt wird, was ohnehin seine Pflicht ist. Ferner muss er das Risiko einer Beihilferückforderung im Bieterverfahren offenlegen, um auszuschließen, dass der im Rahmen der Rückforderung haftende Erwerber Schadensersatzansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend macht. In entsprechend gelagerten Beihilfe-Insolvenzverfahren ist es somit umso erforderlicher, unter Hinzuziehung eines professionellen M&A-Beraters ein transparentes, bedingungs- und diskriminierungsfreies Bieterverfahren durchzuführen. Nur ein solches kann die Inanspruchnahme des Unternehmenserwerbers wegen der ursprünglich rechtswidrig gewährten Beihilfen ausschließen. Vgl. zum Bieterverfahren ausführlich Borchardt/Frind-Kühne, Betriebsfortführung, Rn. 1575 ff.

bb) Rückforderungsanspruch als einfache Insolvenzforderung Rechtswidrig gewährte Beihilfen sind nach der Entscheidung der Kommissi- 437 on von der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des deutschen Rechts zurückzufordern. Die nationalen Regelungen dürfen aber die Rückforderung nicht ausschließen oder faktisch unmöglich machen. Im Fall von rechtswidrigen, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen muss 101

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

ein wirksamer Wettbewerb wieder hergestellt und dazu die betreffende Beihilfe unverzüglich zurückgefordert werden. Vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 221/05, ZIP 2007, 1760 ff.

438 Die Verpflichtung zur Rückforderung besteht aber nicht uneingeschränkt. Befindet sich das Unternehmen in der Insolvenz, genügt es, dass der Beihilfegeber seine Rückerstattungsforderung zur Tabelle anmeldet. Denn durch das Insolvenzverfahren und die Liquidation des Beihilfeempfängers wird die durch die unerlaubte Beihilfe hervorgerufene Beeinträchtigung des Wettbewerbs in aller Regel bereinigt. Vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 221/05, ZIP 2007, 1760, 1763.

439 Der BGH hat in einem neueren Urteil der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung, der Rückforderungsanspruch für staatliche Beihilfen, die als eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen zu werten seien, gewähre gemäß § 89 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur eine nachrangige Insolvenzforderung, was auch durch das Europarecht nicht modifiziert werde, Bork, FS Lutter, S. 301, 315 f.; Geuting/Michels, ZIP 2004, 1215 ff.,

eine Absage erteilt. Der Beihilfegeber sei auch in der Insolvenz des Beihilfeempfängers zur Rückforderung verpflichtet, da nur so die unerlaubte Beeinträchtigung des Wettbewerbs bereinigt werden könne. An der Verpflichtung des Mitgliedsstaats, die Beihilfe effektiv und unverzüglich zurückzufordern, ändere die Insolvenz des Beihilfeempfängers grundsätzlich nichts, sodass auch dann die Anwendung des deutschen Insolvenzrechts die Rückforderung nicht faktisch verhindern dürfe. BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 221/05, ZIP 2007, 1760, 1763; vgl. auch von der Lühe/Lösler, ZIP 2002, 1752, 1758.

440 Wenn die Rückforderung aber nur zu einer nachrangigen Insolvenzforderung führte, hätte der Beihilfegeber nicht einmal die uneingeschränkte Möglichkeit, die Rückforderung zur Tabelle anzumelden, sondern könnte der entsprechenden Pflicht nur nachkommen, wenn das Insolvenzgericht ihn zur Anmeldung aufforderte, sodass er noch schlechter stünde, als dies wegen der Zahlungsunfähigkeit des Beihilfeempfängers ohnehin schon der Fall ist. Die Einordnung als nachrangige Insolvenzforderung würde selbst die auf der Zahlungsunfähigkeit beruhende quotale Rückforderung faktisch unmöglich machen, denn auch die nur teilweise Befriedigung nachrangiger Insolvenzforderungen sei regelmäßig nicht zu erwarten. Dies würde darüber hinaus die Einflussnahme des Rückforderungsgläubigers auf das Insolvenzverfahren ausschalten. Gerade diese ist jedoch nötig, um den mit der Beihilfe erlangten Wettbewerbsvorteil vollständig abschöpfen zu können. Als nachrangiger Insolvenzgläubiger wäre der Beihilfegeber nicht berechtigt, die Einberufung einer Gläubigerversammlung zu beantragen, er wäre in ihr auch nicht stimmberechtigt.

102

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

d) Kartellrecht Insbesondere die großen Automobilzuliefererinsolvenzen der jüngeren Ver- 441 gangenheit haben gezeigt, dass der Erwerb eines Unternehmens aus der Insolvenz in Einzelfällen in kartellrechtlicher Hinsicht besondere Risiken begründen kann. Auch beim Unternehmenskauf aus der Insolvenz stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Erwerb eines insolventen oder eines insolvenzbedrohten Unternehmens durch Wettbewerber von der Europäischen Kommission oder dem Bundeskartellamt untersagt werden kann. Die Fusionskontrolle an dieser Stelle mit allen Aspekten darzustellen, würde 442 zu weit gehen. Aus diesem Grunde wird sie hier ausschließlich anhand der deutschen Zusammenschlusskontrollvorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), nicht aber anhand der europäischen Fusionskontrollverordnung (FKVO) erörtert. Ob die FKVO aufgrund einer gemeinschaftsweiten Bedeutung eines Zusammenschlusses zur Anwendung kommt oder aber das GWB, hängt maßgebend vom Umsatz der beteiligten Unternehmen und damit von quantitativen Kriterien ab. Im Übrigen finden im deutschen sowie im europäischen Fusionskontrollrecht im Hinblick auf die kartellrechtliche Problematik von Unternehmenskäufen aus der Insolvenz – mit Unterschieden in den Einzelheiten – die gleichen Grundsätze Anwendung. aa) Allgemeine kartellrechtliche Grundsätze betreffend die Fusionskontrolle Nach § 39 GWB ist jeder Zusammenschluss, der die Kriterien der §§ 35 und 443 37 GWB erfüllt, durch die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen anmelde- und kontrollpflichtig; es besteht somit eine generelle vorbeugende Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt. § 35 Abs. 1 GWB regelt die quantitativen Aufgreifschwellen der deutschen 444 Fusionskontrolle. Danach finden die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle Anwendung, wenn x

im letzten Geschäftsjahr die an einem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. € erzielt haben und

x

im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. € und

x

ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 5 Mio. € erzielt hat.

Daneben nennt § 37 Abs. 1 GWB die entscheidenden Kriterien für die mate- 445 rielle Fusionskontrolle. Danach liegt ein der Fusionskontrolle unterliegender Zusammenschluss im Fall des Vermögenserwerbs, des Kontrollerwerbs, des Anteilserwerbs und/oder im Fall eines wettbewerblich erheblichen Einflusses eines oder mehrerer Unternehmen auf ein anderes Unternehmen vor.

103

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

446 Liegt ein Zusammenschluss i. S. d. §§ 35 und 37 GWB vor, so muss das Bundeskartellamt nach § 36 Abs. 1 GWB diesen untersagen, wenn von dem Zusammenschluss zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, es sei denn, die beteiligten Unternehmen können nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und dass diese Verbesserungen die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen. bb) Besonderheiten des Fusionskontrollverfahrens beim Erwerb aus der Insolvenz 447 In der Praxis wird beim Erwerb eines insolventen oder eines insolvenzbedrohten Unternehmens durch einen Wettbewerber häufig das Argument der „Sanierungsfusion“ vorgebracht. In diesen Fällen soll es an dem Kausalitätserfordernis des § 36 Abs. 1 Hs. 1 GWB zwischen Unternehmenszusammenschluss und der dadurch verursachten Marktbeherrschung bzw. deren Verstärkung, also der Verschlechterung der Wettbewerbsstruktur, fehlen. Der Zusammenschluss diene der Rettung eines vor dem finanziellen Zusammenbruch stehenden Unternehmens durch ein gesundes Unternehmen und sei daher ausnahmsweise nach der Abwägungsklausel des § 36 Abs. 1 Hs. 2 GWB zulässig. Das Bundeskartellamt, Bundeskartellamt, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, Rn. 184,

dessen Verwaltungspraxis der der Europäischen Kommission entspricht und im Einklang mit den im US-Antitrustrecht entwickelten Prinzipien steht, gibt Sanierungsfusionen frei, wenn nachfolgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: x

Das zu übernehmende Unternehmen würde ohne Übernahme durch ein anderes Unternehmen ohnehin kurzfristig aus dem Markt ausscheiden, d. h. es wäre ohne Übernahme nicht überlebensfähig.

x

Es gibt keine weniger wettbewerbsschädliche Erwerbsalternative, insbesondere kommt kein Unternehmen als alternativer Erwerber in Betracht.

x

Die Marktanteile des zu erwerbenden, sanierungsbedürftigen Unternehmens würden im Fall seines Ausscheidens aus dem Markt dem erwerbenden Unternehmen ohnehin im Wesentlichen zuwachsen. Dabei reicht es nach der Praxis des Bundeskartellamtes aus, wenn – sofern das erwerbende Unternehmen zu einem Oligopol gehört – das Marktpotenzial innerhalb dieses Oligopols verbleibt.

448 Demnach können Unternehmenszusammenschlüsse, die außerhalb einer Krise unzulässig wären, in der Krise ausnahmsweise vor dem Hintergrund zulässig sein, dass die Marktsituation durch den Erwerb nicht stärker beeinträchtigt wird als sie durch ein Ausscheiden dieses Unternehmens aus dem Markt, verbunden mit einer Übernahme der Marktanteile dieses Unternehmens durch 104

III. Risiken und Schwierigkeiten bei einem Asset Deal

den potenziellen Erwerber, beeinträchtigt würde. An eine Sanierungsfusion sind jedoch hohe Anforderungen gestellt. Dem Rechtfertigungsgrund der Sanierungsfusion wird regelmäßig entgegenstehen, dass dasselbe Ziel auch durch weniger wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen erreicht werden kann, insbesondere durch einen Zusammenschluss oder eine sonstige Kooperation des sich in der Insolvenz befindenden Unternehmens mit Dritten, die ggf. über geringere Marktanteile als der Erwerber verfügen. cc) Verfahren der Zusammenschlusskontrolle und Vollzugsverbot (1) Fristen und Prüfverfahren Ungeachtet der Besonderheiten der Sanierungsfusion darf das Bundeskartell- 449 amt nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB einen Zusammenschluss, der ihm gemäß § 39 GWB angemeldet worden ist, nur untersagen, wenn es den anmeldenden Unternehmen innerhalb einer Frist von einem Monat seit Eingang der vollständigen Anmeldung mitteilt, dass es in die Prüfung des Zusammenschlusses (Hauptprüfverfahren) eingetreten ist. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 GWB soll das Hauptprüfverfahren eingeleitet werden, wenn eine weitere Prüfung des Zusammenschlusses erforderlich ist. Im Hauptprüfverfahren entscheidet das Bundeskartellamt durch Verfügung, ob der Zusammenschluss untersagt oder freigegeben wird (§ 40 Abs. 2 Satz 1 GWB). Wird die Verfügung den anmeldenden Unternehmen nicht innerhalb von vier Monaten nach Eingang der vollständigen Anmeldung zugestellt, gilt der Zusammenschluss nach § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB als freigegeben. Dies gilt nach § 40 Abs. 2 Satz 4 GWB allerdings nicht, wenn die anmelden- 450 den Unternehmen einer Fristverlängerung zugestimmt haben, das Bundeskartellamt wegen unrichtiger Angaben oder wegen einer nicht rechtzeitig erteilten Auskunft nach § 39 Abs. 5 GWB oder § 59 GWB die Mitteilung nach Abs. 1 oder die Untersagung des Zusammenschlusses unterlassen hat oder eine zustellungsbevollmächtigte Person im Inland entgegen § 39 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 GWB nicht mehr benannt ist. (2) Vollzugsverbot Zur Sicherung des Systems der präventiven Zusammenschlusskontrolle ent- 451 hält § 41 GWB in Abs. 1 Satz 1 ein generelles Vollzugsverbot für alle anmeldepflichtigen Zusammenschlüsse bis zur Freigabe durch das Bundeskartellamt oder bis zum Ablauf der oben genannten Untersagungsfristen. Mit der Freigabeentscheidung des Bundeskartellamtes oder dem Ablauf der Untersagungsfristen entfällt das Vollzugsverbot. § 40 Abs. 1 Satz 2 GWB sieht die zivilrechtliche Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die gegen das Vollzugsverbot nach Abs. 1 verstoßen, vor. Nach der herrschenden Meinung, anstelle aller Immenga/Mestmäcker-Mestmäcker/Veelken, GWB, § 41 Rn. 12 f.,

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

handelt es sich hierbei um eine schwebende Unwirksamkeit, die mit der Untersagungsverfügung ex tunc eintritt. § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB erfasst alle Maßnahmen, die einen Zusammenschluss in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht vollenden. Zu den verbotenen Rechtshandlungen gehört insbesondere der unbedingte Abschluss von Erfüllungsgeschäften. Zu den verbotenen tatsächlichen Handlungen gehört vor allem die Einräumung des Besitzes im Fall der Vermögensübertragung. 452 Neben der Unwirksamkeit der gegen das Vollzugsverbot verstoßenden Rechtsgeschäfte können Verstöße gegen das Vollzugsverbot mit einer Geldbuße von bis zu 1 Mio. € bzw. bei Unternehmen bis zu 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr vom betroffenen Unternehmen erzielten Umsatzes geahndet werden (§ 81 Abs. 4 GWB). 453 Nach § 41 Abs. 2 GWB besteht allerdings die Möglichkeit, dass das Bundeskartellamt auf Antrag ausnahmsweise eine Befreiung vom Vollzugsverbot erteilt, wenn die beteiligten Unternehmen hierfür wichtige Gründe geltend machen. Hierzu gehört insbesondere die Sanierungsfusion. In materiell-rechtlich eindeutigen Fällen sollte von einem entsprechenden Befreiungsantrag abgesehen werden, da das Befreiungsverfahren in diesen Fällen nicht kürzer dauert als das Genehmigungsverfahren selbst. Die Befreiung kommt daher grundsätzlich nur bei kritischen Fällen infrage, in denen mit einer langen Verfahrensdauer zu rechnen ist. Borchardt/Frind-Denkhaus, Betriebsfortführung, Rn. 2616 m. w. N.

454 Nach § 41 Abs. 3 GWB ist ein vollzogener Zusammenschluss, der die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 erfüllt, auf Anordnung des Bundeskartellamtes aufzulösen (sog. Entflechtung), wenn nicht ausnahmsweise der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie nach § 42 GWB die Erlaubnis zu dem Zusammenschluss erteilt. § 41 Abs. 4 GWB enthält verwaltungsrechtliche Sanktionen zur Durchsetzung der Auflösungsanordnung. 455 Bei der Vertragsgestaltung im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen, die nach § 39 GWB anmelde- und kontrollpflichtig sind, empfiehlt es sich, die Wirksamkeit des Unternehmenskauf- und Übertragungsvertrages unter die aufschiebende Bedingung der Freigabe durch das Bundeskartellamt oder des Ablaufs der Untersagungsfristen zu stellen, um nicht – im Fall der endgültigen Untersagung des Zusammenschlusses – gegen das Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB zu verstoßen. Aus demselben Grund sollte ein solcher Vertrag vorsehen, dass Übergangsstichtag und Übergabe erst nach Erfüllung der aufschiebenden Bedingung eintreten. Auch die Einräumung von Befugnissen des potenziellen Erwerbers im Übergangszeitraum bis zur Freigabe ist anhand des Vollzugsverbotes zu prüfen.

106

IV. Dual-Track-Investorenprozesse als Gläubigeroption

IV. Dual-Track-Investorenprozesse als Gläubigeroption 1. Problemstellung Insbesondere im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens, aber auch im 456 Rahmen eines Regelinsolvenzverfahrens besteht das Risiko, dass die von Eigenverwaltung oder Insolvenzverwalter forcierte Lösung die Gläubiger nicht überzeugt. Regelmäßig begehren die Gläubiger, dass ihnen Lösungsansätze aufgezeigt werden, die zunächst ergebnisneutral sind. Dies kann in Form einer Plan- oder Übertragungslösung geschehen, bedarf aber im Vorfeld entsprechender Weichenstellungen. Der durch die Eigenverwaltung vorgelegte Insolvenzplan ist nicht selten auf die Eigensanierung ausgerichtet, mit der Folge, dass dieser den Gläubigern keine Alternativ-, mithin keine wirkliche Vergleichslösung (sondern nur die Planvergleichsrechnung mit einem mutmaßlichen Liquidationsszenario) aufzeigt. Wünschenswert und zu fordern ist daher, dass die einzelnen Szenarien mit belastbaren Daten aus dem Markt hinterlegt werden, um ihre Glaubwürdigkeit zu steigern. 2. Dual-Track-Verfahren Im Rahmen eines Dual-Track-Verfahrens kann ein Investorenprozess gestartet 457 werden, der dem vorgenannten Problem entgegenwirkt. Besonderheit dieses Prozesses ist, dass im Hinblick auf eine Veräußerung des in die Krise geratenen Unternehmens in jedem Fall potenzielle Interessenten angesprochen werden. Diese Ansprache erfolgt jedoch dahingehend ergebnisoffen, dass im Rahmen der ersten Gespräche noch nicht kommuniziert wird, in welcher Form ein möglicher Verkauf durchgeführt werden würde. Zur Auswahl stehen hier die Übertragungslösung (Asset Deal) oder aber ein Insolvenzplan. Hierauf aufbauend scheinen als Annex Fremdkapitalakquisition oder „Debt-EquitySwap“ möglich. In der Folge gestaltet sich die Sanierung in dieser Anfangsphase ergebnisoffen, mit der Folge, dass den Gläubigern später alle Optionen zur Verfügung stehen. Madaus, NZI 2011, 622 ff.

3. Generalität als Basis In jedem Fall, und zwar unabhängig davon, ob man einen internen Investor 458 bzw. Übernehmer benötigt, oder die Planlösung fokussiert, sollte zeitnah nach der Antragstellung eine breite Interessentenansprache durchgeführt werden. Diese kann und sollte ergebnisoffen erfolgen (siehe oben). Die Praxis – beispielsweise in dem Insolvenzverfahren PROKON – zeigt, dass dieses Vorgehen keine Abschreckung potenzieller Interessenten bewirkt, da die tatsächliche Umsetzung der Transaktion zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam mit der Geschäftsleitung, den Gläubigern in Form des Gläubigerausschusses und dem potenziellen Investor festgelegt werden kann. Allerdings sollte, wenn der Plan bevorzugt wird, bereits ein grobes Konzept im Rahmen der Interessentenansprache präsentiert werden können, um den potenziellen 107

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Geldgeber von dem Plan zu überzeugen. Der Insolvenzplan als solcher ist dann Teil der Phase 2 des Investorenprozesses und gemeinsam mit der Investorenvereinbarung das zu verhandelnde Vertragswerk. 459 Auch drei Jahre nach den Novellierungen durch das ESUG zeigt sich, dass in der Mehrheit der Insolvenzverfahren die übertragende Sanierung immer noch gegenüber einer Sanierungslösung mittels eines Insolvenzplans mit Gesellschafterwechsel grundsätzlich bevorzugt wird. Auch in den Fällen des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b InsO wird bisher selten ein praktikabler sog. „Prepacked-Plan“ vorgelegt, mit der Konsequenz, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung weder dem Schuldner, noch den Gläubigern klar ist, ob eine Sanierungslösung ohne Investor oder ein Übernahmeszenario außerhalb eines Insolvenzplans vorteilhafter ist und realisiert werden kann. 4. Praxis 460 In der Praxis stellt sich die dargestellte offene Ansprache potenzieller Interessenten zumeist als Theoretikum heraus. Dies liegt zum einen daran, dass Eigenverwaltungen ungenügend vorbereitet werden, zum anderen dass die Ansprache der potenziellen Interessenten nicht offen genug ausgestaltet wird. Schließlich steht ein eigenverwaltender Schuldner, der eine Aussicht auf eine Eigensanierung sieht, einem Übernahmeszenario in der Regel wenig offen gegenüber. Hinzu tritt, dass insbesondere strategische Investoren immer noch Übertragungslösungen (Asset Deal) bevorzugen. Ein Unternehmensverkauf auf Grundlage eines Insolvenzplans ist somit bisher die Ausnahme und wird es auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen zunächst wohl auch bleiben. Den Regelfall bildet die übertragende Sanierung. Fröhlich/Ziegenhagen, return Sanierungsmagazin 01/14, S. 30 ff.

V. Exkurs: Abweichende Gestaltungsmöglichkeiten 461 Neben der klassischen übertragenden Sanierung im Wege des Asset Deals aus dem eröffneten Insolvenzverfahren sind auch alternative Gestaltungen durch Nutzung von umwandlungs- und gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten zur Restrukturierung eines Unternehmens oder Unternehmensteils in Betracht zu ziehen. Diese werden im Regelfall eher in der Unternehmenskrise zur Vermeidung der Insolvenz in Betracht kommen. 462 Im Folgenden werden die in der Praxis wichtigsten Gestaltungen kurz erläutert. 1. Verschmelzung 463 Bei der Verschmelzung gehen mehrere Gesellschaften in einer neuen Gesellschaft auf, d. h. das oder die übertragenden Unternehmen transferieren im Wege der Gesamtrechtsnachfolge alle Aktiva und Passiva auf eine weitere Gesellschaft und erlöschen. Die Gesellschafter der hiernach aufgelösten Ge-

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V. Exkurs: Abweichende Gestaltungsmöglichkeiten

sellschaften erhalten die Anteile der neuen Gesellschaft. Möglich sind Verschmelzungen zur Aufnahme oder durch Neugründung. Die Möglichkeiten der Verschmelzung ergeben sich aus § 3 UmwG. Gläubiger 464 können nach § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwG Sicherheitsleistungen verlangen und haben im Einzelfall Schadensersatzansprüche gegen die Organe und den Verschmelzungsprüfer, §§ 11, 25 ff. UmwG. Im Wege der Verschmelzung besteht die Möglichkeit, das wirtschaftlich ge- 465 sunde Mutter- auf das Tochterunternehmen oder das Tochter- auf das wirtschaftlich gesunde Mutterunternehmen zu verschmelzen. Vgl. auch Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.245.

a) Verschmelzung durch Aufnahme Eine Gesellschaft wird hier mit einer bereits bestehenden Gesellschaft, die 466 danach alleine weiterexistiert, verschmolzen. Diese Gesellschaft führt eine entsprechende Kapitalerhöhung durch, die daraus resultierenden Gesellschaftsanteile erhalten die Gesellschafter der alten Gesellschaft. Semler/Stengel-Stengel, UmwG, § 2 Rn. 24 f.

Zu beachten ist, dass für den Fall, dass die aufnehmende Gesellschaft schon 467 an der aufzunehmenden Gesellschaft beteiligt ist, gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 68 Abs. 1 Nr. 1 UmwG eine Kapitalerhöhung ausgeschlossen ist und die bisherige Beteiligung untergeht. b) Verschmelzung durch Neugründung Notwendig hierfür sind zwei Rechtsträger, die zusammen zu einem dritten 468 Rechtsträger verschmolzen werden. Die Gesellschafter der beiden anfänglichen Gesellschaften erhalten gemeinsam die Anteile an der neu gegründeten, dritten Gesellschaft. Semler/Stengel-Stengel, UmwG, § 2 Rn. 29.

2. Ausgliederung a) Begriff Die Ausgliederung wird in § 123 Abs. 3 UmwG legaldefiniert. Es handelt 469 sich um eine Art der Spaltung, bei der ein Teil der Gesellschaft von dieser abgespalten wird, die Anteile jedoch nicht von den Gesellschaftern des Ausgangsunternehmens (vom Gesetzgeber „übertragender Rechtsträger“ genannt), sondern vielmehr von dem Ausgangsunternehmen selbst erworben werden. Kallmeyer-Kallmeyer/Sickinger, UmwG, § 123 Rn. 11.

109

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

470 Durch diese Vorgehensweise wird aus dem bisher zusammenhängenden Unternehmen ein Konzern mitsamt entsprechender Struktur, Buth/Hermanns-Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 17 Rn. 55,

da nunmehr die Ausgangsgesellschaft Teile der neuen, ehemals eingegliederten Gesellschaft hält. 471 Wie bei jeder Spaltung werden auch bei der Ausgliederung Aktiva und Passiva auf den übernehmenden neuen Rechtsträger übertragen. Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Häuser, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 12 Rn. 60; Semler/Stengel-Stengel, UmwG, § 123 Rn. 15.

b) Folgen der Ausgliederung 472 Die Ausgliederung hat mehrere Effekte, die dem alten Unternehmen die Sanierung erleichtern können. Grund dafür ist, dass das neue, abgespaltene Unternehmen als eigene Gesellschaft am Rechtsverkehr teilnimmt und sich von dem bisherigen Teil „lossagt“. 473 Durch die Schaffung bzw. Entstehung einer neuen, kleineren (Teil-)Gesellschaft kann z. B. der Verkauf dieser Gesellschaft vorbereitet werden, um so den Restkonzern der Sanierung näher zu bringen. Semler/Stengel-Stengel, UmwG, § 123 Rn. 7.

474 Sollen Haftungs- oder Verschuldensrisiken begrenzt werden, eignet sich die Ausgliederung, soweit keine Konzernhaftung droht. Das neue Unternehmen ist im Rahmen der Konzernstrukturen eigenständig, verfügt über eine eigene Haftungsmasse und die Möglichkeit, nunmehr Verträge im eigenen Namen abzuschließen, eigene Verbindlichkeiten zu begründen und eigene Rechte zu erwerben. 475 Durch die Verkleinerung beider Teilunternehmen können in Einzelfällen die internen Strukturen flacher und effizienter gestaltet werden. Es müssen nicht mehr beide Gesellschaften „in eine Richtung laufen“; vielmehr haben beide Gesellschaften die Eigenständigkeit, die sie möglicherweise benötigen. Beispielsweise können künftige Investitions- und Finanzierungerfordernisse unabhängig voneinander umgesetzt werden und etwaige künftige Risiken des einen Teilunternehmens beeinträchtigen dem Grunde nach nicht mehr die künftige Entwicklung und Sanierungschancen der anderen rechtlich eigenständigen Teilunternehmen. c) Einschränkungen 476 Zu beachten ist, dass gemäß § 133 UmwG der Gläubigerschutz ein Hindernis für die Spaltung sein kann. Denn alle Verbindlichkeiten der Ausgangs-

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V. Exkurs: Abweichende Gestaltungsmöglichkeiten

gesellschaft begründen eine gesamtschuldnerische Haftung aller an der Spaltung beteiligten Unternehmen. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.245; Knops/Bamberger/Maier-ReimerThielemann, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 13 Rn. 197.

Dadurch ist es nicht möglich, Altverbindlichkeiten einfach loszuwerden. Viel- 477 mehr will das Gesetz gerade diese Vorgehensweise verhindern. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.246; vgl. auch Kallmeyer-Kallmeyer/ Sickinger, UmwG, § 133 Rn. 5.

Die Ausgliederung kann daher nur als mittelfristige Insolvenzprophylaxe statt 478 als sofort realisierte Sanierung durch Enthaftung bewertet werden. 3. Anwachsung Die Anwachsung ist eine gesetzliche Rechtsfolge beim Austritt eines Gesell- 479 schafters aus einer Gesellschaft. Kraft Gesetzes (vgl. § 738 BGB) gehen in einem solchen Fall die dem alten Gesellschafter gehörenden Gesellschaftsanteile an Personengesellschaften auf die verbleibenden Gesellschafter über. Hierdurch kann beispielsweise auch eine Anwachsung auf eine ausländische Gesellschaft realisiert werden, indem diese an der Personengesellschaft (durch vorherige Umwandlung in eine KG) beteiligt wird und anschließend die übrigen Gesellschafter ausscheiden. Dieses Modell wurde beispielsweise bei den ersten öffentlich bekannten Migrationen deutscher Gesellschaften nach England zwecks Nutzung der dortigen Restrukturierungsverfahren genutzt („Deutsche Nickel“ und „Schefenacker“). Sowohl im Rahmen des Unternehmenskaufs als auch danach im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung kommt insoweit ebenfalls die Nutzung des Anwachsungsmodells in Betracht. Zur Sanierung trägt die Anwachsung bei, indem einzelne Tochtergesellschaften 480 dergestalt umorganisiert und konzentriert werden, dass sie am Ende am gewünschten „Ast“ der Firmenstruktur gesammelt sind. Durch Austritte von Konzernteilen aus Beteiligungen an anderen Konzernteilen sowie Umstrukturierung des Gesamtkonzerns kann eine Struktur realisiert werden, aus der defizitäre oder im Gegenteil allein profitable Organisationsteile herausgenommen und isoliert liquidiert bzw. veräußert werden. Dergestalt können strukturelle Verbindlichkeiten, die den gesamten Konzern oder Konzernteile belasten, umstrukturiert, isoliert und/oder gezielt ausgeglichen werden. Zusätzlich können die einzelnen Organisationsteile eigenständige Sanierungs- 481 maßnahmen einleiten, die nunmehr durch flachere Hierarchieebenen, effizientere Organisation und die Möglichkeit, getrennte Verbindlichkeiten einzugehen oder gezielt auszugleichen, die Sanierung des Unternehmens unterstützen und zugleich künftige Risiken voneinander abgrenzen. Hinzu kommt schließlich, dass die einzelnen Organisationsteile Strukturierungsmaßnahmen 111

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

einleiten können, die evtl. im Zusammenhang mit anderen Teilen des Konzerns nicht möglich oder überflüssig wären oder sogar schaden würden. 4. Liquiditäts- und Kapitalmaßnahmen 482 Liquiditäts- und Kapitalmaßnahmen mit dem Ziel der Sanierung können durch die bestehenden Gesellschafter oder neue Investoren realisiert werden. Investoren können sich insoweit in der Krise des Unternehmens entweder aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen an diesem direkt oder zunächst lediglich als Gläubiger im Rahmen von schuldrechtlichen Finanzierungsmaßnahmen beteiligen. Allen Sanierungsmaßnahmen ist gemein, dass die Gesellschaft entweder neue Liquidität erhält oder zumindest eine Zahlungsverpflichtung subordiniert wird oder endgültig wegfällt, wodurch zugleich das Eigenkapital des Unternehmens gestärkt wird. Maßgeblich ist, dass die Maßnahme geeignet sein muss, dass das Unternehmen künftig dauerhaft seine laufenden Zahlungspflichten erfüllen kann und mithin eine positive Fortführungsprognose sichergestellt werden kann. a) Liquiditäts- und/oder Kapitalbeschaffung bei Gesellschaftern 483 Für die Liquiditäts- und/oder Kapitalbeschaffung bei Gesellschaftern gibt es neben der unmittelbaren Barkapitalerhöhung mehrere Möglichkeiten, vornehmlich das Gesellschafterdarlehen, den qualifizierten Rangrücktritt und den Forderungsverzicht. aa) Gesellschafterdarlehen 484 Ein Darlehen durch einen oder mehrere Gesellschafter ist die häufigste Form der kurzfristigen Liquiditätszuführung, bedingt durch die Tatsache, dass die Gesellschaft in ihrer schlechten finanziellen Lage keine externen Kapitalgeber mehr aufzubringen in der Lage ist, jedoch ständig und regelmäßig liquide Mittel benötigt, um ihren täglichen Geschäften nachzukommen. 485 Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) mit Wirkung zum 1. November 2008, BGBl. I 2008, 1982 ff.,

waren dabei die Regeln über eigenkapitalersetzende Darlehen gemäß §§ 32a, 32b GmbHG sowie die sog. Rechtsprechungsgrundsätze des BGH zu beachten, BGH, Urt. v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, MDR 1960, 205 f.; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 14/84, ZIP 1984, 698 ff.; vgl. zur Entwicklung des Eigenkapitalersatzrechts Gehrlein, BB 2011, 3 ff.,

und das womöglich daraus folgende Verbot der Rückzahlung der einmal geleisteten Zahlungen, §§ 30 ff. GmbHG, sowie der nachträglichen Anfechtung in der Insolvenz, vorbehaltlich des Sanierungsprivilegs, § 32a Abs. 3 GmbHG.

112

V. Exkurs: Abweichende Gestaltungsmöglichkeiten

Zwecks Vermeidung einer drohenden Überschuldung haben die Gesellschafter 486 in der Praxis bis zum Inkrafttreten des MoMiG häufig einen sog. „qualifizierten Rangrücktritt“ mit der Gesellschaft vereinbart. Der Rangrücktritt beinhaltete die Verpflichtung des Gesellschafters in seiner Eigenschaft als Gläubiger, mit seinen Forderungen hinter allen anderen Gläubigern zurückzutreten. Rechtlich stellt die Rangrücktrittsvereinbarung einen verfügenden Schuldänderungsvertrag i. S. v. § 311 Abs. 1 BGB dar. Die Forderung bleibt insoweit in ihrem Bestand unangetastet und wird auch weiterhin handelsbilanziell passiviert, lediglich für den Insolvenzfall wird eine Befriedigungsregelung getroffen. Die Rechtsprechung des BGH verlangte insoweit für die Nichtpassivierung einer Verbindlichkeit im Überschuldungsstatus eine sog. qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung, wonach die im Rang zurücktretende Forderung insolvenzrechtlich in „Quasi-Eigenkapital“ umqualifiziert werden musste, d. h. in der Art und Weise ihrer Erfüllung im Insolvenzverfahren den Einlagen der Gesellschafter gleichgestellt wurde. BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235 ff.; dazu Priester, EWiR 2001, 329 f.; außerdem OLG Dresden, Beschl. v. 25.2.2002 – 13 W 2009/01, DZWIR 2004, 476 f.; dazu Steinecke, EWiR 2002, 489 f.

Aufgrund des qualifizierten Rangrücktritts musste der Gesellschafter für die 487 Dauer der Krise seinen Anspruch wie Eigenkapital behandeln lassen. Die Gesellschaft erhielt insoweit gegen die Forderung eine Einrede, sodass diese Forderung in der Krise auch keine Zahlungsunfähigkeit herbeiführen konnte. Buth/Hermanns-Buth/Herrmanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 16 Rn. 35; vgl. auch K. Schmidt, GesellschaftsR, S. 527 f.

Dies galt auch für sog. eigenkapitalersetzende Darlehen, die in der Insolvenz 488 der Gesellschaft lediglich im Nachrang zu bedienen waren. Allein diese Nachrangigkeit reichte jedoch nicht aus, um von der Passivierung im Überschuldungsstatus eine Ausnahme zu machen. BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235 ff.; BGH, Beschl. v. 1.3.2010 – II ZR 13/09, ZInsO 2010, 1069 f.

bb) Änderungen durch das MoMiG Der Gesetzgeber hat im Zuge des MoMiG den Eigenkapitalersatzbegriff ab- 489 geschafft und stattdessen Darlehen von Gesellschaftern an eine juristische Person oder solche Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, bei denen nicht wenigstens ein Gesellschafter eine persönlich haftende natürliche Person ist, rechtsformneutral gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO dem gesetzlichen Nachrang unterstellt. Gleichzeitig wurde § 19 Abs. 2 InsO um einen weiteren Satz ergänzt, wonach Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nicht bei den Verbindlichkeiten im Überschuldungsstatus zu berücksichtigen sind, wenn für sie ein Nachrang hinter den in § 39 Abs. 1 113

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Nr. 1 – 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist. Der Gesetzgeber hat dadurch nunmehr klargestellt, dass auch nach neuem Recht der ohnehin eintretende Rangrücktritt nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht ausreichend ist. Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 5. März 2015 die seit MoMiG geltenden Anforderungen an einen qualifizierten Rangrücktritt zur Vermeidung einer Überschuldung begründet. BGH, Urt. v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff.; vgl. dazu K. Schmidt, ZIP 2015, 901 ff.; Berger ZIP 2016, 1 ff.

490 Danach muss der qualifizierte Rangrücktritt zur Beseitigung einer rechnerischen Überschuldung als Schuld- oder Schuldänderungsvertrag ein zwingendes nicht aufhebbares Zahlungsverbot in der Krise der Gesellschaft bewirken. Verbotswidrige Zahlungen auf diese nachrangigen Forderungen können nach § 812 Abs. 1 Satz1 Fall 1 BGB kondiziert und nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter zudem gem. § 134 Abs. 1 InsO angefochten werden. Dieser qualifizierte Rangrücktritt darf nicht ohne Mitwirkung der übrigen (künftigen) Gläubiger aufgehoben werden. Dogmatisch begründet der BGH dieses Aufhebungsverbot mit einem Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 BGB. Im Ergebnis begründet der qualifizierte Rangrücktritt zur Beseitigung der Überschuldung nach den Grundsätzen des BGH bereits ein vorinsolvenzrechtliches materielles Zahlungsverbot, nach dessen Inhalt die Forderung des nachrangigen Gläubigers nur im Falle eines die Verbindlichkeiten übersteigenden Aktivvermögens befriedigt werden darf. Der qualifizierte Rangrücktritt i. S. d. vorgenannten BGH-Entscheidung schützt mithin die übrigen Gläubiger insoweit, als keine Zahlungen an nachrangige Gläubiger in der Krise der Gesellschaft bewirkt werden und hierdurch keine Insolvenzantragspflicht ausgelöst wird. Eine zeitliche Befristung des qualifizierten Rangrücktritts ist somit nicht möglich, da es sich sonst lediglich um eine Stundung der Forderung handeln würde, die nicht zum Wegfall der Passivierungspflicht im Überschuldungsstatus führt. Uhlenbruck-Mock, InsO, § 19 Rn. 230; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 246 HGB Rn. 139; Henkel/Wentzler, GmbHR 2013, 239, 240.

491 Aufgrund des am 18. Oktober 2008 in Kraft getretenen Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStG) wurde § 19 Abs. 2 InsO zunächst für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2009, später 31. Dezember 2013, neu gefasst. Mittlerweile hat der Gesetzgeber, versteckt im Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5. Dezember 2012, die zeitliche Befristung aufgehoben. BGBl. I 2008, 1982, 1988 f., BGBl. I 2009, 3151 und BGBl. I 2012, 2418, 2424; vgl. Leithaus/Schaefer, NZI 2010, 844, 845 f.; Böcker/Poertzgen, GmbHR 2013, 17 ff.

492 Überschuldung liegt somit weiterhin vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahr114

V. Exkurs: Abweichende Gestaltungsmöglichkeiten

scheinlich. Im Ergebnis allein entscheidend für eine etwaige rechtliche Überschuldung ist daher derzeit die Feststellung einer positiven Fortführungsprognose durch Ermittlung einer mittelfristig ausreichenden Finanzkraft des Unternehmens im Rahmen einer überwiegend wahrscheinlichen Zahlungsfähigkeitsprognose. Auf eine bilanzielle „rechnerische“ Überschuldung, die im Zuge der globalen Finanzkrise vielen Unternehmen infolge der allgemeinen Wertverluste bei verwertbaren Aktiva zum Verhängnis zu werden drohte, kommt es insoweit nicht an. cc) Forderungsverzicht Schließlich kommt als Kapitalmaßnahme des Gesellschafters der Forderungs- 493 verzicht mit oder ohne Besserungsabrede in Betracht. Aufgrund des Wegfalls der Verbindlichkeiten gegenüber dem Gesellschafter kann wiederum eine etwaige drohende Überschuldung vermieden werden. Die steuerrechtliche Problematik hinsichtlich der Besteuerung des Forde- 494 rungsverzichts inklusive etwaiger Besserungsabrede wird unter Rn. 910 ff. dargestellt. b) Liquiditäts- und Kapitalbeschaffung durch Investoren Auch die Liquiditäts- und Kapitalbeschaffung durch Investoren beinhaltet 495 ein breites Spektrum von Möglichkeiten. Namentlich zu erwähnen sind Darlehen, sanierende Kapitalherabsetzung und die Begründung einer stillen Gesellschaft. aa) Darlehen Investoren können der Gesellschaft in der Krise Darlehen gewähren, um 496 hierdurch erforderliche Liquidität zuzuführen. Aufgrund des erhöhten Risikos wird der „Fresh-Money-Darlehensgeber“ regelmäßig werthaltige Sicherheiten und insoweit einen Vorrang gegenüber den bisherigen Darlehensgebern verlangen (sog. „Super-Senior-Facility“). Angemessene Sicherheiten in Sachwerten sind nach § 142 InsO als Bargeschäft nicht anfechtbar und insoweit insolvenzfest. Da freie werthaltige Sicherheiten in der Krise regelmäßig nicht vorhanden sind, ist die Mitwirkung der bisherigen Kreditgeber erforderlich, die insoweit ihre Altsicherheiten anteilig freigeben müssen. Maßgeblich ist insoweit die Risikoverteilung hinsichtlich der Rangfolge der Darlehensgeber untereinander in einem etwaigen Insolvenzverfahren. Die neuen Darlehensgeber können auch als sog. „Distressed-Debt-In- 497 vestoren“ die Finanzierung als ersten Schritt für den Erwerb des Unternehmens im Rahmen einer „Loan-to-Own-Strategie“ nutzen. Zu beachten ist auch hier der insolvenzrechtliche Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, sofern nicht das Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO eingreift.

115

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

498 Schließlich ist § 44a InsO zu berücksichtigen, sofern der Darlehensgeber sich vom Gesellschafter des Unternehmens Kreditsicherheiten gewähren lässt. Danach kann der Darlehensgeber im Insolvenzfall nur insoweit Befriedigung verlangen, als er sich nicht aus der Sicherheit des Gesellschafters befriedigen kann. Der Darlehensgeber nimmt insoweit im Ergebnis nur in Höhe seines Ausfalls hinsichtlich der Gesellschaftersicherheit als Insolvenzgläubiger des Unternehmens teil. Bei gleichzeitiger Besicherung des Darlehens besteht nach zutreffender herrschender Ansicht die Wahlfreiheit des Darlehensgebers, sich primär aus der Realsicherheit des Unternehmens zu befriedigen. Der Darlehensgeber muss insoweit nicht vorrangig die Gesellschaftersicherheit in Anspruch nehmen. BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, ZIP 2011, 2417 ff.; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 44a Rn. 7; Graf-Schlicker-Neußner, InsO, § 44a Rn. 10; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 44a Rn. 18; HK-Kleindiek, InsO, § 44a Rn. 10 ff.; a. A. HambKo-Lüdtke, InsO, § 44a Rn. 20; K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 44a Rn. 10 ff.

bb) Sanierende Kapitalherabsetzung 499 Die vereinfachte sanierende Kapitalherabsetzung ist im Gegensatz zur ordentlichen Kapitalherabsetzung als ein zweckgebundenes schnelles Verfahren zwecks schneller Sanierung des Unternehmens konzipiert. Die gesetzlichen Voraussetzungen finden sich in § 229 AktG bzw. in den §§ 58a ff. GmbHG. Danach dient die vereinfachte sanierende Kapitalherabsetzung dem Ausgleich von Wertminderungen oder sonstiger Verluste. Etwaige Gewinn- oder Kapitalrücklagen müssen insoweit vorab aufgelöst werden (vgl. § 229 Abs. 2 AktG, § 58a GmbHG). Der Zielsetzung des schnellen Sanierungserfolgs dient insoweit auch die Rückwirkung der vereinfachten sanierenden Kapitalherabsetzung gemäß § 238 AktG, § 58e GmbHG. Vgl. zu den rechtlichen Voraussetzungen zusammenfassend Buth/Hermanns-Knecht/Haghani, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 18 Rn. 36 ff.

500 Die sanierende Kapitalherabsetzung kann insoweit in zwei Schritten den Eintritt neuer Gesellschafter mit neuem Gesellschafterkapital bewirken. In einem ersten Schritt wird das Kapital nominell herabgesetzt, also ohne Freiwerden von Mitteln für die Gesellschafter. Infolgedessen wird die Unterbilanz beseitigt. In einem zweiten Schritt erfolgt die Aufnahme neuer Gesellschafter gegen Gewährung von neuen Gesellschaftsrechten. 501 Diese Reihenfolge ist notwendig, da andernfalls neue Gesellschafter kaum zu finden sein werden. Maser/Sommer, GmbHR 1996, 22, 24.

502 Ein besonderes Problem sind Voreinzahlungen, die sich im Sanierungsfall nicht immer werden ausschließen lassen, wenn frisches Kapital dringend be-

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V. Exkurs: Abweichende Gestaltungsmöglichkeiten

nötigt wird. Der BGH hat festgestellt, dass Voreinzahlungen schuldbefreiende Wirkung bei einer Kapitalerhöhung nur dann haben, wenn der eingezahlte Betrag noch vorhanden ist, sobald der Beschluss über die Kapitalerhöhung gefasst wird. BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 210/01, ZIP 2004, 849 ff.; BGH, Beschl. v. 11.6.2013 – II ZB 25/12, ZIP 2013, 1422 ff.

Diese Grundsätze sind in Krisenfällen regelmäßig nicht aufrechtzuerhalten. 503 Der BGH hat insoweit klargestellt, dass ausnahmsweise Voreinzahlungen unter engen Voraussetzungen in Sanierungsfällen als wirksame Erfüllung der später übernommenen Einlageschuld anerkannt werden, wenn die Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung mit aller gebotenen Beschleunigung nachgeholt wird, ein akuter Sanierungsfall vorliegt, andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen und die Rettung der sanierungsfähigen Gesellschaft scheitern würde, sofern die übliche Reihenfolge der Kapitalerhöhungsmaßnahme beachtet werden müsste. BGH, Urt. v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, NZG 2007, 23 ff.; vgl. zur Umsetzung Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56a Rn. 10 ff.; vgl. allgemein zu Vorausleistungen auf Kapitalerhöhungen nach MoMiG und ARUG Priester, DStR 2010, 494 ff.

Keinesfalls dürfen die Mittel jedoch alsbald zurückfließen.

504

BGH, Urt. v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, ZIP 2003, 211 ff.; dazu Blöse, EWiR 2003, 223 f.; BGH, Urt. v. 22.3.2004 – II ZR 7/02, ZIP 2004, 1046 f.; BGH, Urt. v. 12.4.2011 – II ZR 17/10, ZIP 2011, 1101 ff.

Zu beachten ist, dass es sich hinsichtlich der Kapitalerhöhung zumindest in 505 Höhe des nominellen Mindeststamm- bzw. Grundkapitals der GmbH bzw. AG um eine Barkapitalerhöhung handeln muss. Darüber hinaus kommt zwar dem Grunde nach auch eine Sacheinlage in Betracht, dies empfiehlt sich aber aufgrund der hiermit verbundenen Anfechtungs- und Eintragungsrisiken in Kombination mit der möglichst schnell zu vollziehenden sanierenden Kapitalherabsetzung nicht. Baumbach/Hueck-Zöllner/Haas, GmbHG, § 58a Rn. 34; Roth/Altmeppen-G. Roth, GmbHG, § 58a Rn. 19.

Schließlich ist zu beachten, dass sich das Bezugsrecht der bisherigen Anteils- 506 eigner auch bei einer Kapitalherabsetzung auf null in Kombination mit der Kapitalerhöhung nach dem ursprünglich nicht herabgesetzten Kapital richtet. Die Kapitalerhöhung muss insoweit so bemessen sein, dass auch die Minderheitsanteilseigner eine größtmögliche Chance auf Beteiligung haben. Baumbach/Hueck-Zöllner/Haas, GmbHG, § 58a Rn. 35.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

cc) Stille Gesellschaft 507 Die als reine Innengesellschaft in den §§ 230 ff. HGB konstruierte stille Gesellschaft beinhaltet eine Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters am Unternehmen eines anderen. Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, § 4 Rn. 4.3.

508 Die stille Gesellschaft eignet sich, da sie weder eingetragen noch anderweitig veröffentlich werden muss, vor allem dann als Sanierungsmaßnahme, wenn die Krise nicht publik gemacht werden soll. Besonders eignet sie sich für Dritte, die, ohne sich tatsächlich zu beteiligen, Interesse an der Sanierung haben. Buth/Hermanns-Buth/Herrmanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 16 Rn. 16; K. Schmidt, GesellschaftsR, S. 1845 ff.

509 Der stille Gesellschafter erhält eine Gewinnbeteiligung, eine Beteiligung am Verlust ist dispositiv. 510 In der Insolvenz des schuldnerischen Unternehmens ist der stille Gesellschafter mit seiner Einlageforderung Gläubiger und kann seinen Rückzahlungsanspruch – abzüglich etwaiger Verlustbeteiligung – zur Gläubigertabelle anmelden (vgl. § 236 HGB). 511 Zu beachten ist jedoch: Hat der stille Gesellschafter eine dem Gesellschafter gleichgestellte oder gleichzustellende Position, so ist der insolvenzrechtliche Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sowie die Insolvenzanfechtung gem. § 135 InsO insoweit auch auf die sog. atypische stille Gesellschaft anzuwenden. Maßgeblich für eine dem Gesellschafter gleichgestellte Position des atypischen stillen Gesellschafters ist, dass dessen Stellung nach dem Beteiligungsvertrag im Innenverhältnis der Stellung eines Kommanditisten weitgehend angenähert ist. BGH, Urt. v. 28.6.2012 – II ZR 191/11, ZIP 2012, 1869 ff.; OLG Köln, Urt. v. 27.10.2011 – I-18 U 34/11, ZIP 2011, 2208 ff.

512 Im Ergebnis ist auch nach Änderung der Regeln über eigenkapitalersetzende Darlehen durch das MoMiG auf die atypischen stillen Gesellschaften der insolvenzrechtliche Nachrang des § 39 Ans. 1 Nr. 5 InsO entsprechend anwendbar. Vgl. bereits zuvor Mock, DStR 2008, 1645 ff.

c) Debt-Equity-Swap 513 Unter „Debt-Equity-Swap“ versteht man den Erwerb eines Unternehmens oder einer Beteiligung im Wege des Forderungskaufs mit anschließendem Tausch des Fremdkapitals in Eigenkapital. Hierzu erwirbt der Investor die (häufig notleidenden) Darlehen des in der Krise befindlichen Unternehmens von den Banken oder anderen Großgläubigern.

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V. Exkurs: Abweichende Gestaltungsmöglichkeiten Lützenrath/Schuppener/Peppmeier-Windhöfel, Distressed Debt und Non-Performing Loans, S. 112 ff.; Kestler/Striegel/Jesch, Distressed Debt Investments, Rn. 104 ff.; Buth/Hermanns-Buth/ Herrmanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 16 Rn. 48.

Es wird also eine gegen die Gesellschaft bestehende Forderung im Wege der 514 Sachkapitalerhöhung in die Gesellschaft eingebracht. Der Gläubiger tritt entweder seine Forderung an die Gesellschaft ab, wodurch diese im Wege der Konfusion erlischt oder er bringt die Forderung im Wege des Erlassvertrages i. S. d. § 397 BGB ein. Der Umstand, dass sich die Forderung gegen die Gesellschaft selbst richtet, beeinträchtigt deren Einlagefähigkeit nicht. Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279, 282.

Bei einem in der Krise befindlichen Unternehmen wird vor der Sachkapital- 515 erhöhung in der Regel ein Kapitalschnitt notwendig sein, um das Kapital der Gesellschaft an die erlittenen Verluste anzugleichen bzw. sogar um eine rechnerische Überschuldung zu beseitigen. Die Kapitalersetzung zu Sanierungszwecken kann bei der Aktiengesellschaft gemäß §§ 229 ff. AktG bzw. bei der GmbH gemäß §§ 58a ff. GmbHG in vereinfachter Form durchgeführt werden (siehe Rn. 499 ff.). Ein „Debt-Equity-Swap“ beseitigt die Krise des Unternehmens durch Besei- 516 tigung der bilanziellen Überschuldung. Gleichzeitig wird die künftige Ergebnisund Liquiditätssituation wegen Wegfalls der Zinsbelastung verbessert. Für die Investoren liegt der Vorteil darin, dass sie als Gesellschafter unmittelbaren Einfluss auf die Sanierung des Unternehmens nehmen können. Bei erfolgreich durchgeführter Sanierung können die Investoren den ursprünglichen Forderungswert mindestens teilweise durch den Beteiligungswert kompensieren. Der „Debt-Equity-Swap“ ist auch im deutschen Recht möglich, nur unter 517 anderen Voraussetzungen als im Common Law. Eine erste Restriktion findet er im Recht der Sachkapitalerhöhung. Die Einbringung von Forderungen in das Gesellschaftskapital stellt eine Sacheinlage dar, zu der es einer Sachkapitalerhöhung bedarf. Nach §§ 5 Abs. 4, 19 Abs. 5, 56 GmbHG sowie §§ 27, 183 ff. AktG ist für diese ein Sachkapitalerhöhungsbeschluss der Gesellschafterversammlung bzw. Hauptversammlung sowie eine Sachprüfung nötig. In dem Beschluss muss die Werthaltigkeit der Forderung nachgewiesen werden. Die Sacheinlage ist bei der Einbringung zum Zweck der Festsetzung ihrer 518 Höhe zu bewerten. Dabei kommt es für die Höhe der Sacheinlage aufgrund des realen Kapitalaufbringungsgrundsatzes nicht auf den Nennwert, sondern auf den tatsächlichen Wert der Forderung an. Dieser richtet sich nach der Solvenz der Gesellschaft selbst zum Zeitpunkt der Einbringung. Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279, 282.

Wegen der Krisensituation der Gesellschaft ist eine Einbringung der Forde- 519 rung zum Nennwert mangels Vollwertigkeit regelmäßig nicht mehr der Fall,

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

sodass insoweit regelmäßig ein erheblicher Abschlag auf den Nennwert der Forderung im Rahmen der Sachkapitalerhöhung in Ansatz zu bringen ist. 520 Misslingt die Sanierung (trotz des „Debt-Equity-Swaps“) und wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so besteht für den Investor das Risiko, dass der Insolvenzverwalter innerhalb der zehnjährigen Verjährungsfrist aufgrund der verschuldensunabhängigen Differenzhaftung gemäß §§ 9, 56 GmbHG eine Nachzahlung in bar in Höhe der Differenz zwischen dem Betrag der übernommenen Einlage und dem Wert der eingebrachten Forderung geltend macht. Bei der Aktiengesellschaft umfasst die Differenzhaftung gemäß § 9 Abs. 1 AktG auch das Agio. Hoffmann-Becking-Scholz, MünchHdb/AG, § 57 Rn. 61 m. w. N.

521 Dieses Risiko der Differenzhaftung lässt sich folglich verringern, wenn der Investor bereits im Rahmen des „Debt-Equity-Swap“ eine ausreichend hohe Wertberichtigung der Forderung vornimmt und zusätzlich sicherheitshalber einen Teilbetrag der Forderung als Agio – Zuzahlung in das Eigenkapital – einbuchen lässt. 522 Die geschilderte Gefahr der Differenzhaftung im Rahmen eines „Debt-EquitySwaps“ kann dadurch begrenzt werden, dass die Forderung nur zum tatsächlichen (sicheren) Forderungswert eingelegt wird und hierfür eine höhere Beteiligung am Unternehmen mit den Gesellschaftern vereinbart wird, sodass der Unternehmenswert entsprechend „angepasst“ wird. Dadurch erhält der Investor nach seiner Vorstellung eine Beteiligung bzw. setzt eine solche durch, die zumindest nach seiner Ansicht mehr wert ist, als er für seine „eingetauschte“ Forderung aufbringen muss. Kestler/Striegel/Jesch, Distressed Debt Investments, Rn. 118; dies., NZI 2005, 417, 422.

523 Eine weitere Möglichkeit die Differenzhaftung zu vermeiden, ist der Erwerb bereits bestehender Gesellschaftsanteile gegen (teilweisen) Forderungsverzicht im Wege des Erlassvertrages i. S. v. § 397 BGB. Neben der Vermeidung des Differenzhaftungsrisikos besteht ein weiterer Vorteil in der schnellen einfachen Abwicklung gegenüber der Sachkapitalerhöhungsmaßnahme. Letztlich ist aber auch hier mindestens die Mitwirkung des abtretenden Altgesellschafters erforderlich. Vgl. Eilers, GWR 2009, 3 ff.

524 Durch das am 1. März 2012 sowie am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) können nun im Interesse verbesserter Sanierungsmöglichkeiten im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens nach § 225a InsO auch die Anteilsrechte des schuldnerischen Unternehmens in den Insolvenzplan einbezogen werden. Die Einbeziehung der Gläubiger setzt deren Zustimmung voraus, sodass Gläubiger nicht gegen ihren Willen zu einer Umwandlung ihrer Forderung in

120

V. Exkurs: Abweichende Gestaltungsmöglichkeiten

Gesellschaftsanteile gezwungen werden können (anders im ursprünglichen ESUG-Diskussionsentwurf sowie bei Anwendung von § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG). Für die Einbeziehung der Anteilsrechte in die gestaltende Wirkung eines Insolvenzplans spricht, dass in der Insolvenz das Eigenkapital der Anteilsinhaber wertlos ist und diese nur aufgrund ihres gesellschaftsrechtlichen Einflusses ein erhebliches Blockadepotential zulasten der Gläubiger geltend machen können. Vgl. zum „Debt-Equity-Swap“ im Insolvenzplanverfahren nach dem Regierungsentwurf des ESUG Hölzle, NZI 2011, 125, 128; Meyer/Degener, BB 2011, 846 ff.; zuvor zum Diskussionsentwurf vgl. J. Schmidt, GWR 2010, 568 ff.

Die Anteilsinhaber sollen als stimmberechtigte Beteiligte in einer eigenen 525 Gruppe in den Insolvenzplan einbezogen werden, unterliegen dann allerdings gemäß § 245 Abs. 3 InsO dem sog. Obstruktionsverbot. Hinsichtlich der Differenzhaftung ist in § 254 Abs. 4 InsO normiert, dass 526 diese nach der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplanverfahrens ausgeschlossen ist. Die Bewertung der Forderung kann insoweit nur im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens selbst angegriffen werden. Nach gerichtlicher Bestätigung des Insolvenzplans besteht folglich kein Haftungsrisiko mehr wegen nachträglich festgestellter Überbewertung der Forderung. d) Debt-Mezzanine-Swap Eine Alternative zum „Debt-Equity-Swap“ stellt die Umwandlung von Forde- 527 rungen in Mezzanine-Finanzierungen im Rahmen eines sog. „Debt-MezzanineSwaps“ dar. Dabei kann es sich insbesondere um die Umwandlung in Beteiligungen über Genussrechte oder stille Gesellschaften handeln. Vgl. dazu Lützenrath/Schuppener/Peppmeier-Windhöfel, Distressed Debt und Non-Performing Loans, S. 112 ff.; Kestler/Striegel/Jesch, Distressed Debt Investments, Rn. 121 ff.; Volk, BB 2003, 1224 ff.; Oelke/Wöhlert/Degen, BB 2010, 299 ff.; Rusch/Brocker, ZIP 2012, 1293 ff.

Der Begriff der Mezzanine-Finanzierung umfasst einen großen Teil der Eigen- 528 und Fremdkapital-Finanzierungsfazilitäten. Link/Reichling, Die Bank 2000, 266, 268; Volk, BB 2003, 1224 ff.

Die Gestaltungsformen von Mezzanine-Kapital weisen im Wesentlichen fol- 529 gende Kernelemente auf: x

Nachrangigkeit in Bezug auf die sonstigen Gläubiger;

x

Vorrangigkeit gegenüber dem haftenden Eigenkapital;

x

erfolgsabhängige höhere Vergütung für die Kapitalbereitstellung im Vergleich zum klassischen Fremdkapital aufgrund der Nachrangigkeit;

121

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

x

Beteiligung am Verlust;

x

zeitliche Befristung der Kapitalüberlassung auf ca. sechs bis zehn Jahre;

x

die Vergütung für die Kapitalbereitstellung stellt unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin steuerlichen Betriebsaufwand dar. Nelles/Klusemann, FB 2003, 1, 6 f.; Volk, BB 2003, 1224, 1225; Oelke/Wöhlert/Degen, BB 2010, 299, 301 ff.

530 In der Praxis kann auch durch einen „Debt-Mezzanine-Swap“ im Rahmen eines Insolvenzplans durch Umwandlung der Verbindlichkeit des schuldnerischen Unternehmens in bilanzielles Eigenkapital nach HGB zugleich eine rechtliche Überschuldung aufgrund des nachrangigen Genussrechts beseitigt werden. Vgl. Küting/Kessler, BB 1994, 2103 ff. zur Bilanzierung von Genussrechten.

531 Steuerlich ist zu berücksichtigen, dass das Genussrecht als steuerliches Fremdkapital ausgestaltet werden kann, wenn es nicht am Liquidationserlös der Gesellschaft beteiligt wird. In diesen Fällen bleibt die Vergütung des Genussrechts aus Sicht der Gesellschaft steuerlicher Aufwand und mindert das körperschaftsteuerliche Einkommen sowie den Gewerbeertrag. Vgl. BMF-Schreiben v. 8.12.1986, BB 1987, 667 f.; Oelke/Wöhlert/Degen, BB 2010, 299, 301.

VI. Erwerb einer börsennotierten AG – WpÜG 532 Im Rahmen des Erwerbs einer Beteiligung an einer börsennotierten Aktiengesellschaft sind die Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) zu berücksichtigen. Nach §§ 35, 39, 29 Abs. 2 WpÜG ist der Erwerber von 30 % der Stimmrechte an einer deutschen Aktiengesellschaft, deren Aktien an einem organisierten Markt im Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel zugelassen sind, grundsätzlich verpflichtet, den außenstehenden Aktionären ein sog. Pflichtangebot für ihre Anteile zu unterbreiten. 533 Auch im Rahmen eines „Debt-Equity-Swaps“ muss insoweit die vorgenannte Kontrollgrenze von 30 % beachtet werden. Hierbei ist zusätzlich der umfangreiche Zurechnungskatalog des § 30 WpÜG zu berücksichtigen, der zu einem mittelbaren Kontrollerwerb führen kann (Zurechnung von Treuhandbeteiligungen, Tochtergesellschaften, Stimmbindungsvereinbarungen, „Actingin-Concert“, etc.). 534 Im Zusammenhang mit der Sanierung der Gesellschaft kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) gemäß § 37 Abs. 1 i. V. m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung von diesem Pflichtangebot befreien, sofern die Voraussetzungen der Sanierungsbefreiung erfüllt sind. Da in Sanierungssituationen der tatsächliche Wert häufig unter dem Mindestpreis des Pflichtangebots in Höhe des gewichteten Dreimonatsbörsenkurses

122

VI. Erwerb einer börsennotierten AG – WpÜG

liegt, kommt der Sanierungsbefreiung eine zusätzliche erhebliche Bedeutung zu. Voraussetzung der Sanierungsbefreiung sind die Sanierungsbedürftigkeit, ein 535 Sanierungskonzept, ein Sanierungsbeitrag des Bieters sowie eine positive Ermessensausübung der BaFin, jeweils zum Zeitpunkt der Kontrollerlangung. Vgl. näher Kocher, ZInsO 2010, 2125 ff.; Hasselbach/Hoffmann, DB 2009, 327 ff.; Klepsch/Kiesewetter, BB 2007, 1403 ff.

Die Sanierungsbedürftigkeit ist im WpÜG nicht definiert. Nach Auffassung 536 der BaFin sollen ein Insolvenzantragsgrund oder bestandsgefährdende Risiken i. S. v. § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB vorliegen, da nur in diesen Fällen ein Totalverlust bei den bisherigen Anteilseignern drohe, der eine Befreiung rechtfertige. Der Nachweis soll insoweit durch den letzten testierten Lagebericht oder einem aktuellen Vermerk des Wirtschaftsprüfers erbracht werden. In der Praxis wird dies regelmäßig im Rahmen des Sanierungskonzepts nach dem Standard IDW S 6 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) dokumentiert werden. Vgl. Kocher, ZInsO 2010, 2125, 2126; Hasselbach/Hoffmann, DB 2009, 327, 328 ff.; Klepsch/Kiesewetter, BB 2007, 1403 ff.

Hinsichtlich des Sanierungsbeitrags ist zu berücksichtigen, dass der Anteils- 537 eignerwechsel allein nicht für den Befreiungstatbestand ausreichend ist. Es müssen insoweit die typischen Sanierungsbeiträge wie Übernahme von Barkapitalerhöhungen, Forderungsverzichte oder Kreditgewährungen dazukommen. Die Maßnahmen sollten bereits rechtlich verbindlich zugesagt werden und zudem in dem Sanierungskonzept zwecks geeigneter Überwindung der Krise einbezogen werden. Vgl. Kocher, ZInsO 2010, 2125, 2127; Hasselbach/Hoffmann, DB 2009, 327, 331; Klepsch/Kiesewetter, BB 2007, 1403, 1407.

Schließlich muss die BaFin gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG eine interessengerech- 538 te Ermessensausübung vornehmen, wonach die Interessen des Bieters an der Befreiung mit den Interessen der übrigen bisherigen Aktionäre abzuwägen sind. Aufgrund der strengen Anforderungen an den Befreiungstatbestand wird die BaFin kaum eine ermessensfehlerfreie Versagung begründen können. Da die Befreiung nur für den Fall der Umsetzung des Sanierungskonzepts erteilt wird, werden zugleich regelmäßig Auflagen erteilt, wonach der Bieter diese Umsetzung durch geeignete Dokumentation nachzuweisen hat. Die Befreiung steht daher regelmäßig unter dem Widerrufsvorbehalt gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. Vgl. Klepsch/Kiesewetter, BB 2007, 1403, 1407 inkl. Checkliste zum Antrag auf Sanierungsbefreiung; Hasselbach/Hoffmann, DB 2009, 327, 332.

123

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz 539 Mit einer übertragenden Sanierung werden im Regelfall einschneidende Sanierungsmaßnahmen auf der Personalebene verbunden sein. Der Erwerber eines Unternehmens aus der Insolvenz wird aufgrund der Haftungskonsequenzen zumeist Vermögenswerte, nicht jedoch Anteile an dem Insolvenzunternehmen übernehmen wollen. Ein derartiger Asset Deal stellt bei Übernahme wesentlicher Vermögenswerte häufig einen Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB dar, der zu einer unveränderten Übernahme der bestehenden Arbeitsverhältnisse verpflichtet. 540 Nach einer weit verbreiteten Auffassung erweist sich die Vorschrift des § 613a BGB nach wie vor als ein „Sanierungshindernis par excellence“. 541 Bis Ende 1998 waren die fünf neuen Bundesländer für Unternehmenserwerber ein „Schlaraffenland“, erklärte doch Art. 232 § 5 Abs. 2 Ziff. 1 EGBGB die Vorschrift des § 613a BGB in den Beitrittsgebieten für nicht anwendbar. 542 Mit der Vereinheitlichung des Insolvenzrechtes durch das Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999 findet auch in den neuen Ländern § 613a BGB in der Insolvenz Anwendung. Vallender, GmbHR 2004, 642, 646.

1. Anwendbarkeit des § 613a BGB in der Insolvenz und Voraussetzungen eines Betriebsübergangs 543 Gemäß § 613a BGB tritt der Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteiles vollumfassend in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Damit ist der Erwerber eines Betriebes nicht nur zur Übernahme der Arbeitsverhältnisse in ihrem aktuellen Bestand verpflichtet, sondern auch zur Übernahme der Haftung für bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer. Insbesondere im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung, rückständige Lohnzahlungen oder entstandene Urlaubsansprüche können hier erhebliche Belastungen gerade für den Erwerber eines in die Insolvenz geratenen Unternehmens entstehen. Die gesetzliche Haftungsregel des § 613a BGB sieht ihrem Wortlaut nach keine Erleichterung für Fälle des Betriebsübergangs in der Insolvenz vor. Bliebe es dabei, würde der Erwerber eines insolventen Betriebes vollumfänglich die Haftung für bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer übernehmen müssen. Allerdings hat das BAG die Haftung des Erwerbers eines Betriebes oder Betriebsteiles in der Insolvenz maßgeblich eingeschränkt. Wie nachfolgend dargestellt, kommt es für den Umfang der Haftung gemäß § 613a BGB entscheidend darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Betriebsübergang erfolgt. 544 Bei Erwerb eines Unternehmens während des Insolvenzantragsverfahrens (vor dem Eröffnungsbeschluss) haftet der Erwerber in vollem Umfang nach 124

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, d. h. er haftet auch für Verbindlichkeiten aus den Arbeitsverhältnissen, die vor dem Übertragungsstichtag entstanden sind. Insoweit ergibt sich aus der Insolvenzsituation des Unternehmens keine Privilegierung des Erwerbers. BAG, Urt. v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, BB 2003, 423, 426.

Eine teleologische Reduktion des § 613a BGB erfolgt nach der Rechtspre- 545 chung des BAG jedoch für den Unternehmenserwerb, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführt wird. BAG, Urt. v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, BB 2003, 423, 426; Vallender, GmbHR 2004, 543, 548; Menke, BB 2003, 1133, 1138.

Auf einen Unternehmenserwerb, der nach der Eröffnung des Insolvenzver- 546 fahrens über das Vermögen des Verkäufers durchgeführt wird, findet nach ständiger Rechtsprechung des BAG § 613a BGB zwar hinsichtlich seiner Bestandsschutzfunktion Anwendung, d. h. die Arbeitnehmer des betroffenen Betriebes bzw. Betriebsteiles gehen mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über, BAG, Urt. v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, BB 2003, 423, 426; Menke, BB 2003, 1133, 1138 m. w. N.,

jedoch haftet der Erwerber nicht für solche Verbindlichkeiten, die vor der Verfahrenseröffnung entstanden sind. Diese Privilegierung ermöglicht es, die oft erheblichen Versorgungsanwartschaften „abzuhängen“ und beim insolventen Unternehmensträger zu belassen. Der Erwerber haftet lediglich für den Teil der Betriebsrentenansprüche und Versorgungsanwartschaften, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdient werden. Betriebsrentenansprüche oder -anwartschaften, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, können nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. Sofern die Ansprüche gemäß den Regelungen des BetrAVG bei Insolvenzeröffnung unverfallbar sind, haftet insoweit der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV). BAG, Urt. v. 22.12.2009 – 3 AZR 814/07, NZA 2010, 568 ff.; BAG, Urt. v. 19.5.2005 – 3 AZR 649/03, BB 2006, 943, 946.

Der Erwerber haftet ebenfalls nicht für bereits vor Betriebsübergang einge- 547 tretene Versorgungsfälle, denn gemäß § 613a BGB können nur aktuelle Arbeitsverhältnisse, nicht jedoch bereits beendete Arbeitsverhältnisse übergehen. Ansprüche, die vor der Verfahrenseröffnung entstanden sind, können grund- 548 sätzlich nur gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, sei es als Forderung im Rang des § 38 InsO, sei es als Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 InsO. Urlaubsansprüche werden von dieser Privilegierung grundsätzlich nicht erfasst, es sei denn, sie können einem Zeitpunkt vor der Insolvenzeröffnung zugeordnet werden. BAG, Urt. v. 18.11.2003 – 9 AZR 347/03, NZI 2005, 120, 122.

125

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

549 Soweit ein tariflicher oder vertraglicher Anspruch auf zusätzliche Urlaubsvergütung („Urlaubsgeld“) besteht, ist dieser Anspruch – akzessorisch zum Urlaubsanspruch – ebenfalls vom Erwerber zu erfüllen. LAG Hamm, Urt. v. 15.9.2004 – 18 Sa 389/04, NZA-RR 2006, 65, 66.

550 Der Erwerber haftet allerdings gesamtschuldnerisch mit dem Insolvenzverwalter für Arbeitsentgeltansprüche, die im Zeitraum zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Stichtag für den Betriebsübergang entstanden sind. 551 Von erheblicher Bedeutung ist demnach der richtige Zeitpunkt für einen Betriebsübergang. Entscheidend für die Beurteilung, wann der Betriebsübergang stattgefunden hat, ist der Zeitpunkt, zu dem der Erwerber die betriebliche Leitungsmacht übernommen hat. Insbesondere ist darauf zu achten, nicht aufgrund von nicht eindeutigen Vertragsregelungen die Übertragung der betrieblichen Leitungsmacht auf einen Zeitpunkt vor die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu legen. 552 Unter welchen Voraussetzungen ein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB vorliegt, gibt die Norm selbst nicht vor. Die Auslegung des § 613a BGB wurde und wird maßgeblich von der Rechtsprechung des EuGH bestimmt. EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-466/07 Dietmar Klarenberg ./. Ferrotron Technologies GmbH – „Klarenberg“, NZA 2009, 251 ff.; EuGH, Urt. v. 20.11.2003 – Rs. C-340/01 Carlito Abler u. a. ./. Sodexho MM Catering Gesellschaft mbH, NJW 2004, 45, 46; Danko/Cramer, BB-Special 4/2004, 9, 13 m. w. N.

553 Dieser Rechtsprechung folgt das BAG, präzisiert und modifiziert sie stellenweise auch. Ein Betriebsübergang liegt demnach vor, wenn ein neuer Rechtsträger die auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf eine auf Dauer angelegte organisatorische Gesamtheit von Personen und/ oder Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. BAG, Urt. v. 23.5.2013 – 8 AZR 817/12, BeckRS 2013, 72352.

554 Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb oder „Betriebsteil“ beim Erwerber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, die in einer Gesamtwürdigung einzubringen sind. Die Rechtsprechung erachtet insbesondere die folgenden Teilaspekte für relevant: x

Art des betroffenen Betriebes;

x

Übergang der materiellen Vermögensgegenstände, wie Grundstücke, Gebäude und beweglicher Besitz;

126

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

x

Wert der übergehenden immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Überganges;

x

Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft;

x

Über- oder Nichtübergang der Kundschaft und Lieferantenbeziehungen;

x

Grad der Ähnlichkeit der vor und nach Übergang verrichteten Tätigkeiten;

x

Dauer der Betriebsunterbrechung.

Daneben kann sich auch aus der Arbeitsorganisation, den Führungskräften, 555 den Betriebsmethoden oder den Betriebsmitteln die Identität der Einheit ergeben. Wichtig ist, zu beachten, dass keine feste Gewichtung der einzelnen Kriterien besteht; diesen kommt vielmehr je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. BAG, Urt. v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, NZA-RR 2013, 179 ff.; BAG, Urt. v. 26.6.1997 – 8 AZR 426/95, NZA 1997, 1228, 1229; BAG, Urt. v. 22.1.1998 – 8 AZR 243/95, NJW 1998, 2994, 2995; BAG, Urt. v. 22.1.1998 – 8 AZR 775/96, NZA 1998, 638, 639.

Entscheidend ist, ob die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung 556 und gegenseitigen Ergänzung zwischen den Produktionsfaktoren beim Erwerber verloren geht. BAG, Urt. v. 23.5.2013 – 8 AZR 817/12, BeckRS 2013, 72352.

Verliert ein Betrieb oder Betriebsteil beim Übergang auf den Erwerber seine 557 organisatorische Einheit, liegt kein Fall des § 613a BGB vor. Insbesondere die entsprechend gesteuerte Integration von Betriebsteilen in bereits bestehende Strukturen des Erwerbers oder auch die Änderung des Betriebskonzepts kann damit zur Vermeidung eines Betriebsübergangs und seiner Rechtsfolgen genutzt werden. Die vorstehenden Grundsätze gelten ebenfalls bei der Übertragung von Be- 558 triebsteilen. Der § 613a BGB findet hier Anwendung, wenn die wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt. Auch hier genügt es, dass die funktionale Verknüpfung der übertragenen Produktionsfaktoren erhalten bleibt. Bei einem Betriebsteil muss es sich dementsprechend um eine Einheit han- 559 deln, die aus einer hinreichend strukturierten und selbstständigen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck besteht. Dabei sind alle Umstände festzustellen und als Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung zugrunde zu legen. Eine isolierte Betrachtung einzelner Umstände darf nicht erfolgen. BAG, Urt. v. 21.8.2014 – 8 AZR 648/13, NZA 2015, 167 ff.

Bei einem Betriebsteilübergang wird es oft um die Frage gehen, welche Ar- 560 beitnehmer vom Betriebsteilübergang gemäß § 613a BGB erfasst sind.

127

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Grundsätzlich gehen nur die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer nach § 613a BGB auf den Betriebserwerber über, die dem übernommenen Betriebsteil zugeordnet waren. Für die Zuordnung kommt es zunächst auf den Willen der Arbeitsvertragsparteien an. Liegt ein solcher Wille weder in ausdrücklicher noch in konkludenter Form vor, so erfolgt die Zuordnung grundsätzlich – ausdrücklich oder konkludent – durch den Arbeitgeber auf Grund seines Direktionsrechts. BAG, Urt. v. 17.10.2013 – 8 AZR 763/12, NZA 2014, 392 (Ls.).

561 Bei einer Übertragung nur eines Betriebsteiles und der Stilllegung des verbleibenden Teils ist darauf zu achten, dass dann, wenn bei der Betriebsteilübertragung über die Stilllegung des übrigen Teils bereits entschieden ist, die Sozialauswahl der wegen der Stilllegung zu kündigenden Arbeitnehmer auf alle Arbeitnehmer zu beziehen ist und die dem Betriebsteil zugeordneten Arbeitnehmer nicht ausgenommen werden können. BAG, Urt. v. 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, BB 2005, 892 ff.

2. Fallbeispiele 562 Die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze sollen nachfolgend anhand von zwei Beispielen kursorisch dargestellt werden: a) Mietvertrag und Auftragsvergabe als Betriebsübergang 563 Insbesondere bei Insolvenzen in der Hotellerie und Gastronomie, aber auch im Einzelhandel und bei sonstigen Dienstleistern präsentiert sich dem eingesetzten Gutachter/vorläufigen Insolvenzverwalter bei Aufnahme seiner Tätigkeit ein neuer Betreiber in den (ehemaligen) Geschäftsräumen des Schuldners. 564 Dieser hat die im Eigentum des Vermieters stehende oder aber auch nur mit dem Vermieterpfandrecht belastete Gaststätten-/Restauranteinrichtung inklusive der Räumlichkeiten angemietet, nachdem der Vermieter den Mietvertrag mit dem Schuldner wegen bestehender Mietrückstände fristlos gekündigt hat und der Betrieb für einen kurzen Zeitraum oder auch gar nicht geruht hat. Lohn- und Gehaltsrückstände bestehen häufig für wenigstens drei Monate. Der neue Betreiber führt einen Betrieb mit einem – mehr oder weniger – modifizierten Konzept im Vergleich zum Schuldner und hat mit Teilen der Belegschaft „neue“ Arbeitsverträge geschlossen. 565 Ein entsprechendes Vorgehen birgt für den Neumieter und -betreiber ein erhebliches Risiko. 566 Unter einem Betriebsübergang wird jeder Wechsel in der Person des Inhabers verstanden, wenn die Identität des Betriebes gewahrt bleibt. Das Rechtsgeschäft, das dem Übergang zugrunde liegt, muss jedoch nicht unbedingt eine vertragliche Beziehung zwischen dem früheren und dem neuen Inhaber darstellen, sondern kann auch zwischen dem neuen Inhaber und Dritten bestehen.

128

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz EuGH, Urt. v. 7.3.1996 – verb. Rs. C-171/94 und C-172/94 Albert Merckx und Patrick Neuhuys ./. Ford Motors Company Belgium SA, NJW 1996, 1199, 1200.

Dementsprechend kann ein Betriebsinhaberwechsel i. S. d. § 613a BGB auch 567 dann vorliegen, wenn ein Wechsel von Pächtern/Mietern erfolgt, ohne dass zwischen dem Vor- und dem Nachpächter/-mieter eine rechtsgeschäftliche Beziehung bestehen müsste. Auch durch den „Rückfall“ des Pachtgegenstandes an den Verpächter kann bereits ein Betriebsübergang ausgelöst werden. BAG, Urt. v. 18.3.1999 – 8 AZR 159/98, NZA 1999, 704 ff.

Entscheidend ist in derartigen Fällen, ob der Betrieb als solcher fortgeführt 568 wird, etwa indem der neue Pächter die Gaststätte in denselben Räumlichkeiten mit derselben Einrichtung und derselben Angebotsausrichtung betreibt. Die reine Fortführungsmöglichkeit genügt nach neuerer Rechtsprechung nicht. BAG, Urt. v. 26.2.1987 – 2 AZR 768/85, NZA 1987, 419, 420; BAG, Urt. v. 10.5.2012 – 8 AZR 434/11, NZA 2012, 1161; anders noch BAG, Urt. v. 22.5.1985 – 5 AZR 173/84, DB 1985, 2407 ff.

Im Bereich der Zwangsvollstreckung kann ebenfalls ein Betriebsübergang auf 569 den Zwangsverwalter vorliegen: Kündigt der Zwangsverwalter eines Grundstücks den Pachtvertrag über ein auf diesem Grundstück von einem Dritten betriebenen Hotelbetrieb und führt er dieses Hotel mit Zustimmung des Vollstreckungsgerichts in eigenem Namen weiter, nachdem er es vom bisherigen Pächter übernommen hat, so liegt ein Übergang des Betriebs „durch Rechtsgeschäft“ i. S. d. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vor. BAG, Urt. v. 18.8.2011 – 8 AZR 230/10, NZA 2012, 267 ff.

Die Betriebsmittel müssen nicht auf Grund eines wirksamen Kaufvertrages 570 erworben werden und in das Eigentum eines Dritten übergehen. Sofern der Insolvenzverwalter die Betriebstätigkeit des Unternehmens lediglich einstellt und einem Dritten – der mit den bisherigen Arbeitnehmern des Unternehmens und den übernommenen Betriebsmitteln die bisherige wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens fortsetzt – die bisherigen Betriebsmittel zur Nutzung überlässt, liegt ein Betriebsübergang vor. BAG, Urt. v. 15.10.2007 – 8 AZR 917/06, NZI 2008, 450, 451.

Unerheblich ist auch, von wem der Erwerber/Neumieter das Mobiliar er- 571 worben hat und ob er dieses nur vorübergehend nutzt oder langfristig durch neues ersetzen möchte. Selbst wenn der Erwerber/Neumieter die für die Betriebsführung wesentlichen sächlichen Betriebsmittel von Dritten erhält, die als Sicherungseigentümer oder aufgrund ähnlicher Rechtsstellung über das Betriebsvermögen verfügen können (z. B. Leasinggeber), kann von einem Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB ausgegangen werden. Es muss sich auch nicht um ein Rechtsgeschäft mit einem einzigen Vertrags- 572 partner handeln, sondern kann auch ein sog. „Bündel“ von Rechtsgeschäften mit mehreren Parteien sein. Anzahl und Form der Rechtsgeschäfte, die zu 129

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

der Möglichkeit führen, die Betriebsführungsbefugnis über einen intakten Betrieb zu erlangen, sind dementsprechend nicht entscheidend. BAG, Urt. v. 22.5.1985 – 5 AZR 173/84, DB 1985, 2407 ff.

573 Unschädlich für die Annahme des Vorliegens eines Betriebsübergangs ist es, wenn der Betrieb kurzfristig stillgelegt wird oder eine Einstellung der Tätigkeit mit anschließender Liquidation vorgenommen wird. EuGH, Urt. v. 2.12.1999 – Rs. C-234/98 G. C. Allen u. a. ./. Amalgamated Construction Co. Ltd, NZA 2000, 587, 589 Rn. 33; EuGH, Urt. v. 7.3.1996 – verb. Rs. C-171/94 und C-172/94 Albert Merckx und Patrick Neuhuys ./. Ford Motors Company Belgium SA, NJW 1996, 1199, 1200; vgl. auch LAG Köln, Urt. v. 2.10.1997 – 10 Sa 643/97, NZA-RR 1998, 290, 292, wonach für eine Kindertagesstätte eine dreimonatige Unterbrechung nicht mehr kurzfristig sei.

574 Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Betriebsübergang vorliegt, ist eine Gesamtabwägung der oben genannten maßgeblichen Faktoren, vor allem der Art des Betriebes, des Übergangs materieller Aktiva (insbesondere genutzte bewegliche und unbewegliche Güter), der Wert immaterieller Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme oder Nichtübernahme eines Hauptteils der Belegschaft, der Eintritt in Kundenbeziehungen, die Ähnlichkeit der Tätigkeit des Betriebs vor und nach dem fraglichen Übergang und die Dauer einer etwaigen Unterbrechung. EuGH, Urt. v. 19.5.1992 – Rs. C-29/91 Dr. Sophie Redmond Stichting ./. Hendrikus Bartol u. a., Slg. 1992, I 3189 Rn. 24; ständige Rechtsprechung, z. B. EuGH, Urt. v. 2.12.1999 – Rs. C-234/98 Allen u. a. ./. Amalgamated Construction Co. Ltd, NZA 2000, 587 ff.

575 Nicht relevant ist jedoch, ob die Nutzung der Betriebsmittel eigenwirtschaftlich (d. h. innerhalb der eigenen Verfügungsmacht und der eigenen Kalkulation zur Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils) erfolgt oder nicht. Relevant ist allein, ob durch den Erwerber die bisherigen Betriebsmittel genutzt werden. Grundlegend EuGH, Urt. v. 15.12.2005 – verb. Rs. C-232/04 und C-233/04 Nurten Güney-Görres und Gul Demir ./. Securicor Aviation (Germany) Ltd und Kötter Aviation Security GmbH & Co. KG, ZIP 2006, 95 ff.; im Anschluss daran BAG, Urt. v. 4.6.2006 – 8 AZR 222/04, BB 2006, 2697, 2699; BAG, Urt. v. 13.6.2006 – 8 AZR 271/05, NZA 2006, 1101 ff.; BAG, Urt. v. 13.12.2007 – 8 AZR 937/06, NZA 2008, 1021 ff.

576 Der Aspekt der Trennung von Eigentumsrechten und Betriebsfortführung kann außerdem dann relevant werden, wenn der Erwerber den Betrieb nach Übernahme in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft aufspalten will. Werden die sächlichen Betriebsmittel, wie Grundstücke und Anlagen, von der Besitzgesellschaft erworben, diese Betriebsmittel jedoch der Betriebsgesellschaft zur Nutzung überlassen und führt diese den bisherigen Betrieb im 130

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

Übrigen fort, liegt ein Betriebsübergang (nur) auf die Betriebsgesellschaft vor. In dem Asset-Kaufvertrag mit dem Insolvenzverwalter sollten zur Absicherung des Betriebsübergangs nur auf die Betriebsgesellschaft entsprechende Regelungen aufgenommen werden, aus denen sich die beabsichtigte Aufteilung und die Folgen für die zu übernehmenden Arbeitnehmer eindeutig ergeben. Auf den vorliegenden Fall angewandt, sprechen folglich mehrere Kriterien für 577 die Annahme eines Betriebsübergangs. Insbesondere die Weiterbenutzung desselben Mobiliars, das leicht modifizierte Unternehmenskonzept sowie die nur kurzfristige Dauer der Unterbrechung der Betriebstätigkeit sprechen bereits für einen Betriebsübergang. Gleiches gilt für den Eintritt in die Kundenbeziehungen, wovon bei einem nur leicht modifizierten Betreiberkonzept und der unveränderten Einrichtung ausgegangen werden muss. In der Rechtsprechung sind mehrere Fälle höchstrichterlich entschieden 578 worden, in denen es um die Kündigung von Pacht- bzw. Mietverträgen und die anschließende Neuverpachtung bzw. -vermietung ging. Dabei wurde häufig von einem Betriebsübergang ausgegangen. Das BAG entschied z. B. in seinem Urteil vom 25. Februar 1981, BAG, Urt. v. 25.2.1981 – 5 AZR 991/78, NJW 1981, 2212, 2213,

dass ein Pächter, der den Betrieb im Anschluss an die beendete Pacht eines früheren Pächters pachtet, in die Rechte und Pflichten der mit dem ersten Pächter bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Nach dieser Entscheidung ist es unerheblich, dass der eintretende Pächter nach dem Pachtvertrag verpflichtet war, das zum Betrieb des Restaurants notwendige Personal selbst einzustellen. Entscheidend ist allein der Schutzgedanke der Norm, der auch beim Pächter- oder Mieterwechsel zugunsten der Arbeitnehmer eingreift. Hinsichtlich der oben genannten Gesamtabwägung zur Beurteilung der 579 Wahrung der wirtschaftlichen Identität kommt es nach Ansicht des BAG bei einer Gaststätte auch auf ihr kundenorientiertes Leistungsangebot, die Übernahme der Führungskräfte sowie des sonstigen Personals an. BAG, Urt. v. 11.11.1997 – 8 AZR 555/95, NJW 1998, 1253, 1254.

In dem zitierten Fall hatte das BAG die Wahrung der Identität der wirt- 580 schaftlichen Einheit verneint, weil der Grad der Ähnlichkeit der vor und nach der Weitervermietung der betriebenen Gaststätte nicht ausreichte. Es handelte sich um eine etwa 80 Jahre lang als gutbürgerliches deutsches Speiserestaurant geführte Gaststätte, die anschließend in ein Restaurant mit arabischen Spezialitäten, arabischer Küche, arabischer Musik und Bauchtanz umgestaltet wurde. Ebenfalls keinen Betriebsübergang hat das BAG,

581

BAG, Urt. v. 6.4.2006 – 8 AZR 249/04, ZInsO 2008, 53 ff.,

im Zusammenhang mit der eingestellten Bewirtschaftung von Bistrocafés in Interregio-Zügen, die fremd vergeben war, und der Umstellung der betref131

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

fenden Strecken auf IC/ICE-Züge mit gleichzeitiger Übernahme der Bewirtschaftung der Restaurantwagen in ICEs sowie von Bistroabteilen in ICs durch die DB AG gesehen, wobei die DB AG keine Arbeitnehmer des vorherigen Franchisenehmers einstellte. 582 Anders als das LAG hat das BAG den Betriebsübergang nicht deswegen verneint, weil die DB AG kein Personal übernahm. Es handelt sich bei der Zugbewirtschaftung nicht um Dienstleistungen, bei denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt. Vielmehr sind materielle Betriebsmittel – die zur Verfügung gestellten Bistrowagen – für die Ausführung der Zugbewirtschaftung unabdingbar. 583 Das BAG hat das Vorliegen eines Betriebsüberganges aber verneint, da dieser die unveränderte Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung ihrer Identität voraussetzt. Diese ist nicht mehr vorhanden, wenn der Betrieb(-steil) organisatorisch selbstständig fortgeführt wird, was nicht der Fall ist, wenn ein (Bewirtschaftungs-)Betrieb vollständig in die Organisationsstruktur eines anderen Unternehmens eingegliedert wird. 584 Das LAG Berlin, LAG Berlin, Urt. v. 23.10.2006 – 15 Sa 1314/06, ZIP 2007, 788 ff.,

hat hingegen einen Betriebsübergang im Rahmen einer Auftragsneuvergabe technischer Dienstleistungen durch ein Krankenhaus angenommen. In diesem Fall hatte ein betriebsmittelarmes Unternehmen seit elf Jahren mit 19 Arbeitnehmern nur einen Auftrag für dieses eine Krankenhaus ausgeführt. 585 Um die Haftungsrisiken für den Betriebserwerber nochmals zu verdeutlichen, sei auf die Dienstanweisungen der Agentur für Arbeit zu § 169 SGB III (DA) hingewiesen: „Handelt es sich um eine vorinsolvenzliche Vermögensverschiebung [Anm. der Autoren: Veräußerung/Übertragung], gilt DA Abs. 2 1. Alt. (vgl. BAGUrteil vom 28.4.1987 – 3 AZR 75/86, DB 1988, 400, bestätigt durch das BAGUrteil vom 8.11.1988 – 3 AZR 85/87, DB 1989, 1526). Gleiches gilt bei einer Betriebsveräußerung, die durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder aufgrund seiner Mitwirkung erfolgt (vgl. BAG-Urteil vom 21.2.1990 – 5 AZR 160/89, ZIP 1990, 662).“

586 Die vorerwähnte DA Abs. 2 1. Alt. enthält folgende Anweisung an die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit: „Der Übernehmer eines Betriebes oder Betriebsteiles haftet grundsätzlich für Arbeitsentgeltansprüche, die gemäß § 169 SGB III bzw. im Rahmen der Gleichwohlgewährung gemäß § 115 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 157 Abs. 3 Satz 1 SGB III auf die BA übergehen.“

587 Soweit der Insolvenzverwalter den Betriebsübergang nicht anfechten kann, kann er jedoch dafür Sorge tragen, dass die Agentur für Arbeit die notwendigen Informationen über den tatsächlichen Schuldner des Insolvenzgeldes erhält. Eine von der Agentur für Arbeit im Rang des § 38 InsO angemeldete Forde132

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

rung kann dann ggf. mit dem Hinweis auf den tatsächlichen Insolvenzgeldschuldner bestritten werden. b) Mehrere Standorte Ein produzierendes, in der Regionalversorgung tätiges Unternehmen hat in 588 einer Region vier eigenständig arbeitende Standorte, die zunächst im Insolvenzantragsverfahren fortgeführt werden. Ein Erwerbsinteressent gibt ein Angebot für zwei der vier Standorte inklusive Arbeitnehmer, Anlage- und Umlaufvermögen mit Ausnahme der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ab. Im Übrigen bietet er an, von den zwei anderen Standorten die dort vorhandenen Rohstoffe zu übernehmen. Entsprechende Verträge werden geschlossen, zwei leitende Mitarbeiter eines „nicht übernommenen“ Standortes, der liquidiert wird, erhalten einen Arbeitsvertrag an einem übernommenen Standort. Alle übrigen 30 Arbeitnehmer der „nicht übernommenen“ Standorte erhalten eine betriebsbedingte Kündigung wegen Stilllegung des jeweiligen Betriebes. Unstreitig liegt bei den beiden „übernommenen“ Standorten ein Betriebs- 589 übergang i. S. d. § 613a BGB vor. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass ein „reiner“ Betriebsübergang, d. h. eine Veräußerung von Assets ohne gleichzeitige Durchführung von Betriebsänderungen o. Ä. nach der Rechtsprechung, BAG, Urt. v. 19.1.1999 – 1 AZR 342/98, ZIP 1999, 1411 ff.; KR-Treber, BGB, § 613a Rn. 45; LAG Köln, Beschl. v. 18.12.2012 – 7 TaBV 44/12, BeckRS 2013, 73876,

keine Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG darstellt. Wie verhält es sich aber mit den beiden Standorten, für deren Rohstoffe, 590 Auftragsbestände und zwei leitende Mitarbeiter ein Angebot vorliegt und die im Übrigen liquidiert werden sollen? Da Anknüpfungspunkt des § 613a BGB gerade nicht das Unternehmen, son- 591 dern der Betrieb ist, müssen die Voraussetzungen eines Betriebsüberganges für jeden Betrieb bzw. Betriebsteil, i. e. jeden Standort, vorliegen und gesondert geprüft werden, es sei denn, es besteht ein standortübergreifender einheitlicher Betrieb. Zu prüfen ist vorliegend daher, ob die erworbenen Wirtschaftsgüter in ihrer 592 Gesamtheit und die Beschäftigung zweier leitender Mitarbeiter an anderen Standorten die Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit in ihrer bisherigen Identität bedeuten und damit einen Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB begründen. Die Feststellung eines Betriebsübergangs an den beiden „nicht übernommenen“ Standorten hätte zur Folge, dass die Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergegangen wären und die Kündigungen der Arbeitnehmer an den „nicht übernommenen“ Standorten in der Regel unwirksam wären. Für das produzierende Gewerbe kommt dem Erwerb oder Nicht-Erwerb von 593 Rohstoffen nur geringe Bedeutung zu, da sich der etwaige Betriebserwerber

133

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

diese Rohstoffe unproblematisch am Markt besorgen kann, sodass diese kein identitätsstiftendes Kriterium sind. BAG, Urt. v. 22.9.1994 – 2 AZR 54/94, ZIP 1995, 59 ff.

594 Die Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern beim Betriebserwerber ist ein wesentliches, zu berücksichtigendes Indiz für die Gesamtbetrachtung. Bei der Übernahme von Arbeitnehmern ist zu unterscheiden zwischen der Quantität der übernommenen Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft des Betriebes, um dessen möglichen Übergang es geht. Ebenfalls ist auf die Qualifikationen der betreffenden Mitarbeiter abzustellen. Für einen Betriebsübergang spricht die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Belegschaft, wobei die Frage der „Wesentlichkeit“ wiederum im Einzelfall zu klären ist. Bei betriebsmittelarmen Tätigkeiten wird der Übernahme von Personal regelmäßig mehr Bedeutung zukommen als im Bereich des produzierenden Gewerbes. Dies kann im Einzelfall aber auch durchaus einmal anders zu beurteilen sein, wenn der Betrieb stärker durch das Spezialwissen und die Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt ist. BAG, Urt. v. 21.6.2012 – 8 AZR 181/11, BB 2012, 3144 ff.; BAG, Urt. v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05, NZA 2006, 1105 ff.; BAG, Urt. v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, NZA 1998, 251 ff.

595 Ist die Personalstruktur nicht durch derartige Qualifikation geprägt, ist die Übernahme einer Teilbelegschaft eines produzierenden Betriebes zumeist von untergeordneter Bedeutung, da die menschliche Arbeitskraft hier weit weniger präsent für die Betriebsorganisation ist als insbesondere in Dienstleistungsunternehmen. KR-Treber, BGB, § 613a Rn. 35 f.

596 Eine feste Grenze für die Anforderung an Quantität und Qualität der übernommenen Arbeitnehmer existiert nicht; die Entscheidung erfolgt im Einzelfall anhand der Betriebsausrichtung und der hierfür erforderlichen und im Betrieb vorhandenen Tätigkeiten. Die Tendenzen in der Rechtsprechung gehen hier von einem deutlich über 50 % liegenden Umfang aus. BAG, Urt. v. 21.6.2012 – 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6 ff.: bei IT-Service-Betrieb reichen 58 % aus; BAG, Urt. v. 10.12.1998 – 8 AZR 676/97, NZA 1999, 420, 422: bei Reinigungsdienst reichen 75 % nicht aus; BAG, Beschl. v. 29.6.2000 – 8 ABR 44/99, NZA 2000, 1180 ff.: bei Bauunternehmen mit 50 Arbeitnehmern reichen 50 % der Bauleiter und Poliere nicht aus.

597 Unterbleibt eine Übernahme der Belegschaft vollständig, ist dies zwar ein Indiz dafür, dass kein Betriebsübergang vorliegt, mehr jedoch nicht. In derartigen Fällen ist entscheidend, wie die Transaktion im Übrigen gestaltet ist. Steht ein Betriebsübergang bereits aufgrund anderer Kriterien fest, ist der Übergang der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer Rechtsfolge und nicht Voraussetzung eines Betriebsübergangs. BAG, Urt. v. 22.7.2004 – 8 AZR 350/03, AP BGB § 613a Nr. 274.

134

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

Für den Beispielfall bedeutet das, dass die zu überprüfenden Kriterien bereits 598 einzeln gegen einen Betriebsübergang sprechen. Auch in der wertenden Gesamtschau ergibt sich keine hiervon abweichende Beurteilung, sodass ein Betriebsübergang nicht vorliegt. Die beiden Betriebe wurden vom Insolvenzverwalter daher zutreffend stillgelegt und den Arbeitnehmern gekündigt. Nach der neueren Rechtsprechung des BAG,

599

BAG, Urt. v. 10.5.2012 – 8 AZR 434/11, NZA 2012, 1161 ff.; anders noch BAG, Urt. v. 22.2.1978 – 5 AZR 800/76, DB 1978, 1453 f.,

ist es für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht ausreichend, dass ein Erwerber grundsätzlich die Möglichkeit hat, einen Betrieb fortzuführen. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass der Erwerber den Betrieb auch tatsächlich fortführt. Daran fehlt es in jedem Fall, wenn in einem eingestellten Betrieb keinerlei 600 betriebliche Tätigkeit mehr ausgeübt wird. Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend für den Betriebsteilüber- 601 gang. Dieser setzt voraus, dass eine selbstständig abtrennbare organisatorische Einheit bereits beim Veräußerer bestand, die auf den Erwerber übergegangen ist. 3. Rechtsfolgen des § 613a BGB für den Erwerber und Strategien zur Vermeidung Derjenige, der einen Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft erwirbt, 602 tritt in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, wobei – wie oben dargestellt – beim Erwerb vom Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinsichtlich der Haftung für bestehende Ansprüche eine teleologische Reduktion stattfindet. Um Kündigungen wegen des Betriebsüberganges vorzubeugen, ist in § 613a 603 Abs. 4 BGB ein entsprechendes Kündigungsverbot normiert. Danach ist ein Personalabbau durch betriebsbedingte Kündigungen unzulässig, wenn die Kündigungen wegen des Betriebsüberganges ausgesprochen werden. Kündigungen aus anderen Gründen bleiben jedoch zulässig. Ein Kaufangebot für ein Unternehmen im Insolvenzverfahren wird von den 604 Erwerbsinteressenten jedoch häufig mit der Bedingung verbunden, nur einen Teil der Belegschaft übernehmen zu müssen. Sofern ein umfassender Erwerb beabsichtigt ist, würden die im Betrieb beschäftigen Arbeitnehmer auf den Erwerber übergehen, der sich dann nur nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes, d. h. insbesondere unter Beachtung der Sozialauswahlregeln, von Arbeitnehmern trennen könnte. Dies würde häufig dazu führen, dass gerade den vom Erwerber als wichtig angesehenen, oft jungen Arbeitnehmern zu kündigen wäre – oder bei Eingliederung des übernommenen Betriebes in 135

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

den Betrieb des Erwerbers ggf. den bereits beim Erwerber beschäftigten „AltArbeitnehmern“. Ein Ergebnis, dass die meisten Erwerber richtigerweise vermeiden möchten. 605 Um das Risiko des Betriebserwerbers bezüglich der Arbeitnehmer zu reduzieren, die er nicht übernehmen möchte und eine funktionsfähige Mitarbeiterstruktur sicherzustellen, werden die nachfolgend dargestellten Strategien und Gestaltungen von den Beteiligten praktiziert: a) Auflösung der betrieblichen Einheit 606 Ein Betriebsübergang liegt bereits tatbestandlich dann nicht vor, wenn die bestehende betriebliche Einheit nicht auf den Erwerber übergeht, weil sie ihre Identität verliert. 607 So liegt kein Betriebsübergang in der sog. reinen Funktions- oder Auftragsnachfolge vor, bei der lediglich die bisherige Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer fortgeführt wird, ohne dass dieser weitere betriebliche Mittel, wie etwa Produktionsanlagen oder Personal, nutzt. Denn die reine Tätigkeit ist für sich genommen noch keine, für § 613a BGB jedoch erforderliche, wirtschaftliche Einheit. BAG, Urt. v. 24.8.2006 – 8 AZR 317/05, NZA 2007, 1287, 1289; LAG Niedersachsen, Urt. v. 6.1.2009 – 12 Sa 1058/08, NZA-RR 2009, 184 ff.

608 Auch die Änderung des Betriebszwecks kann einen Betriebsübergang vermeiden. Eine derartige Änderung spricht gegen eine unveränderte Fortführung des Betriebes und damit gegen die für einen Betriebsübergang erforderliche Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit. BAG, Urt. v. 13.12.2007 – 8 AZR 937/06, NZA 2008, 1021, 1022 f.

609 Gleiches gilt auch dann, wenn die bisherige Betriebsorganisation „zerschlagen“ wird, indem die bisherige Betriebsstruktur beim Erwerber aufgelöst und in die bei ihm bestehende Organisation eingegliedert wird, ohne dass ein eigener abgrenzbarer Betriebsteil verbleibt. Willemsen, NJW 2007, 2065 ff.

610 Allerdings hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2009 („Klarenberg“) betont, dass es auf die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhanges zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren ankommt, die es dem Erwerber erlauben, diese Faktoren zur Verfolgung eines bestimmten wirtschaftlichen Zwecks zu nutzen. Die Beibehaltung einer organisatorischen Selbstständigkeit sei hierfür nicht erforderlich. EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-466/07 Dietmar Klarenberg ./. Ferrotron Technologies GmbH – „Klarenberg“, NZA 2009, 251, 253.

136

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

Das BAG hat zunächst in Kenntnis der EuGH-Entscheidung erkennen lassen, 611 dass eine Änderung des Betriebszwecks nach wie vor einen Betriebsübergang verhindern kann. BAG, Urt. v. 25.6.2009 – 8 AZR 258/08, NZA 2009, 1412, 1414.

Auch in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2009,

612

BAG, Urt. v. 17.12.2009 – 8 AZR 1019/08, ZInsO 2010, 1103, 1104,

hat das BAG die „Zerschlagungsmodelle“, in denen die Identität der selbstständigen wirtschaftlichen Einheit nicht gewahrt wird, sondern erhebliche Organisationsänderungen vorgenommen werden, nicht aufgegeben (Übernahme von Betriebskantinen unter Aufgabe der frischen Zubereitung von Speisen und Umstellung der Essenszubereitung auf bloßes Aufwärmen zentral vorgefertigter Speisen). Trotz der EuGH-Entscheidung bleiben den Unternehmen daher weiterhin Spielräume bei der Gestaltung von Betriebsübergängen und deren Gestaltung. b) Transfergesellschaft bzw. BQG – Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Seit Jahren bewährtes und von der Rechtsprechung anerkanntes Modell zur 613 „Bewältigung“ des Personalabbaus in einer Unternehmenskrise ist der Einsatz einer Transfergesellschaft bzw. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (nachfolgend „Transfergesellschaft“) mittels deren Hilfe eine schnelle und deutliche Senkung der laufenden Personalkosten erreicht werden kann Die Transfergesellschaft ist in den meisten Fällen eine rechtlich selbstständige Einheit, die von Drittunternehmen betrieben wird. In den letzten Jahren hat sich ein großes Angebot an Transfergesellschaften entwickelt, da mit ihrer Einschaltung nach entsprechender höchstrichterlicher Bestätigung kurzfristig Personalabbaumaßnahmen möglich sind und sie inzwischen auch bei Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern akzeptiert werden. Dazu ausführlich Lembke, BB 2004, 773 ff.

Grundgedanke der Transfergesellschaft ist der zügige Personalabbau beim 614 insolventen Arbeitgeber bei gleichzeitiger Rechtssicherheit durch einvernehmliche Überleitung der Arbeitnehmer in die Transfergesellschaft. Zeitlich nachgeschaltet ist die Übernahme eines Teils der Arbeitnehmer durch die Auffanggesellschaft bzw. den Erwerber, sei es durch Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses oder durch (befristete) Überlassung der Arbeitnehmer von der Transfergesellschaft. Die Transfergesellschaft wird mit Abschluss des jeweiligen befristeten Arbeitsvertrages in jeder Hinsicht Arbeitgeber, also auch in steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht. Voraussetzung für die Durchführung dieses Modells ist der Abschluss eines 615 einvernehmlichen, schriftlichen Aufhebungsvertrages (§ 623 BGB) zwischen

137

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

dem insolventen Arbeitgeber und jedem Arbeitnehmer bei gleichzeitiger Überführung des Arbeitnehmers in die Transfergesellschaft (gleichzeitiger Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages). In der Transfergesellschaft werden die Arbeitnehmer qualifiziert, fortgebildet, auf eine Anschlussbeschäftigung vorbereitet und vermittelt. 616 Soweit die Voraussetzungen vorliegen, d. h. der Personalabbau selbst oder die hiermit verbundene Strukturänderung zu einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG führt, muss ggf. ein Interessenausgleich und ein (Transfer-)Sozialplan verhandelt werden. 617 Die Arbeitnehmer werden in der Transfergesellschaft grundsätzlich befristet weiterbeschäftigt. 618 Die notwendigen Mittel der BQG zur Bezahlung der Arbeitnehmer werden zum einen von der Bundesagentur für Arbeit durch sog. Transferkurzarbeitergeld (§ 111 SGB III) und durch Zuschüsse zu Transfermaßnahmen (§ 110 SGB III) zur Verfügung gestellt. Die Bezugsdauer dieser Zahlungen ist jedoch auf zwölf Monate begrenzt, sodass die Dauer der befristeten Arbeitsverhältnisse in der Transfergesellschaft maximal ebenfalls auf zwölf Monate begrenzt ist. 619 Zum anderen muss das sich in der Krise bzw. Insolvenz befindende Unternehmen die Verwaltungskosten der Transfergesellschaft, Anteile an Qualifikations- und Weiterbildungsmaßnahmen, sog. Remanenzkosten (Arbeitgeberund Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung sowie die Entgeltzahlung an Urlaubs- und Feiertagen) sowie ggf. Aufstockungsbeiträge zum Transferkurzarbeitergeld oder sog. Sprinterprämien (Sonderzahlung für Arbeitnehmer, die besonders schnell die Transfergesellschaft in ein neues Arbeitsverhältnis verlassen) tragen. 620 Dabei wird regelmäßig ein Dienstleistungs- und Kooperationsvertrag zwischen dem insolventen Unternehmen bzw. dem Insolvenzverwalter und der Transfergesellschaft geschlossen, aus dem sich die Finanzierungskosten des Insolvenzverwalters ergeben. 621 Die Transfergesellschaft übernimmt außer den Arbeitnehmern keine materiellen oder immateriellen Betriebsmittel und verfolgt einen anderen Betriebszweck als die insolvente Gesellschaft, sodass bei der Gesamtbetrachtung keine wirtschaftliche Einheit übergeht und § 613a BGB auf die Transfergesellschaft nicht anwendbar ist. Die Transfergesellschaft ist damit weder an die Arbeitsbedingungen des insolventen Unternehmens gebunden, noch muss sie die Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung übernehmen. 622 Der sich an den Übergang der Mitarbeiter in die Transfergesellschaft anschließende Erwerb der Assets durch eine Auffanggesellschaft stellt zwar regelmäßig einen Betriebs(-teil-)übergang i. S. d. § 613a BGB dar. Im Idealfall haben sämtliche Arbeitnehmer jedoch einen Aufhebungsvertrag mit dem insolventen Arbeitgeber und einen neuen Arbeitsvertrag mit der Transferge138

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

sellschaft geschlossen, sodass im Augenblick des Betriebsübergangs kein Arbeitsverhältnis mehr besteht und § 613a BGB insoweit leerläuft, es sei denn, der Aufhebungsvertrag ist unwirksam. Von der Rechtsprechung waren bisher zwei wesentliche Konstellationen zu 623 entscheiden, in denen Arbeitnehmer Aufhebungsverträge unterzeichnet hatten. Es gibt immer wieder die Fälle, in denen der (vorläufige) Insolvenzverwalter, 624 der Schuldner und der Betriebserwerber versuchen, die Arbeitnehmer zu motivieren, wegen der auch bei Insolvenzgeldvorfinanzierung rechtlich bestehenden Lohnrückstände außerordentlich zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Beim sog. Lemgoer Modell hatte der Betriebserwerber der gesamten (oder 625 auch einem bestimmten Teil der) Belegschaft verbindlich in Aussicht gestellt, neue Arbeitsverträge abzuschließen, wenn entsprechende Aufhebungsverträge unterzeichnet bzw. Eigenkündigungen durch die Arbeitnehmer erklärt würden. Hierdurch wurde versucht, das Unternehmen von allen Arbeitsverhältnissen zu „befreien“ und damit die Rechtsfolgen des Eintritts in die Arbeitsverhältnisse mit allen sozialen Nebenleistungen zu umgehen. Das BAG hat eine derartige Vertragskonstruktion inklusive der Eigenkündi- 626 gungen der Arbeitnehmer bzw. der von ihnen unterzeichneten Aufhebungsverträge für unwirksam erklärt, da eine Umgehung des § 613a BGB vorläge. BAG, Urt. v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203 ff.; BAG, Urt. v. 28.4.87 – 3 AZR 75/86, NZA 1988, 198, 199.

Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages im zeitlichen Zusammenhang mit 627 dem Betriebsübergang ist als unzulässige Umgehung des Kündigungsverbotes wegen Betriebsüberganges (§ 613a BGB) unwirksam. BAG, Urt. v. 15.10.2007 – 8 AZR 917/06, BB 2008, 1175, 1178.

Differenzierter hat das BAG in der sog. Dörries-Scharmann-Entscheidung 628 geurteilt. BAG, Urt. v. 10.12.1998 – 8 AZR 135/97, NZA 1999, 422 ff.

In diesem Fall hatte die insolvente Schuldnerin in Absprache mit dem (vor- 629 läufigen) Insolvenzverwalter den Mitarbeitern einen dreiseitigen Vertrag angeboten, nach dessen Inhalt die Arbeitnehmer aus der Schuldnerin ausscheiden sollten und von einer Transfergesellschaft befristet übernommen werden sollten. Ein Teil der Belegschaft sollte später ein Angebot von einer Auffanggesellschaft erhalten. Welche Arbeitnehmer konkret ein derartiges Angebot erhalten sollten, war den Betroffenen nicht mitgeteilt worden. Damit sollte die drohende Entlassung aller Beschäftigten verhindert werden. In dem Vertrag wurden die Arbeitnehmer ausführlich über die Sach- und Rechtslage aufgeklärt.

139

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

630 Der Unterschied zum Lemgoer Modell bestand darin, dass der dreiseitige Vertrag auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem insolventen Unternehmen gerichtet war und nicht von Anfang an auf die Wiedereinstellung bei der Auffanggesellschaft. Die Auffanggesellschaft hatte nicht zugesagt, alle Beschäftigten einzustellen. Die ehemaligen Arbeitnehmer hatten lediglich die mehr oder weniger begründete Erwartung, in ein neues Arbeitsverhältnis mit der Auffanggesellschaft zu treten. Damit kam der Vertragsschluss einem Risikogeschäft gleich. Die Arbeitnehmer hatten bereits am Tag der Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrages nahezu alles verloren. Der dreiseitige Vertrag eröffnete den Arbeitnehmern neben der sozialrechtlichen Positionsverbesserung die Chance, bei der Auffanggesellschaft einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Infolge dessen diente der dreiseitige Vertrag nicht der Unterbrechung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses, denn die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses durch die Auffanggesellschaft war jedenfalls für den einzelnen Arbeitnehmer nicht abzusehen. 631 Die Dörries-Scharmann-Entscheidung wurde vom BAG zwischenzeitlich mehrfach – entgegen vorinstanzlicher Entscheidungen z. B. des LAG Bremen – bestätigt. BAG, Urt. v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, ZIP 2006, 148 ff.; BAG, Urt. v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866 ff.

632 Danach ist ein Aufhebungsvertrag wegen gesetzwidriger Umgehung des § 613a BGB unwirksam, wenn zugleich ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber vereinbart oder verbindlich in Aussicht gestellt wird, bzw. durch den Aufhebungsvertrag die Übernahme in eine Transfergesellschaft nur zum Schein vorgeschoben oder offensichtlich bezweckt wird, die Sozialauswahl zu umgehen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer die Umgehung des 613a BGB damit begründet, es sei zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen worden, jedoch nach den gesamten Umständen klar gewesen, dass er vom Betriebserwerber eingestellt werde. Diese Umstände hat der Arbeitnehmer näher darzulegen und ggf. zu beweisen. BAG, Urt. v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203 ff.

633 Wie das BAG in seinem „Lotterie-Urteil“, BAG, Urt. v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152 ff.,

festgestellt hat, kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an: Hängt die Neueinstellung nur vom „Losglück“ ab, besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Übernahme vom Erwerber (im entschiedenen Fall: 352 zu 452) und besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Wechsel in die Transfergesellschaft und Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses (im entschiedenen Fall: 24 Stunden ohne Arbeitstätigkeit), ist der Aufhebungsvertrag wegen Umgehung des § 613a Abs. 4 BGB nichtig und das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Arbeitsbedingungen auf den Erwerber übergegangen.

140

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass es bei der Umsetzung des „Dörries- 634 Scharmann-Modells“ eines genauen Timings und einer genauen Umsetzung der Vorgaben der BAG-Rechtsprechung bedarf, soll die Gestaltung wirksam sein. Sind die Voraussetzungen der Rechtsprechung jedoch erfüllt, können die 635 Arbeitsvertragsparteien ihr Rechtsverhältnis im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang durch einen Aufhebungsvertrag auflösen. Für den Insolvenzverwalter stellt sich im Übrigen nach Einführung des § 613a 636 Abs. 5 BGB, der umfangreiche Mitteilungs-/Unterrichtungsverpflichtungen gegenüber der Belegschaft den Betriebsübergang regelt, die Frage, ob eine Neubewertung der durch die Dörries-Scharmann-Entscheidung geschaffenen Rechtslage erfolgen muss. Die Dörries-Scharmann-Entscheidung zeigt bereits, dass es bei Restrukturie- 637 rungen in der Krise/Insolvenz auf die richtige Kommunikation mit den Arbeitnehmern vor Unterzeichnung eines dreiseitigen Vertrages ankommt. Selbstverständlich müssen Auskünfte, die gegenüber den Arbeitnehmern erteilt werden, richtig und vollständig sein. Der Insolvenzverwalter muss den Arbeitnehmern Klarheit über den Risikocharakter des dreiseitigen Vertrages verschaffen und nachvollziehbare Angaben über den Zweck des Modells – Entlastung der Insolvenzmasse und Chance zur Rettung eines Teils der Arbeitsplätze ohne Sozialauswahl – machen. Insbesondere darf weder der Erwerber noch der Insolvenzverwalter einzelnen Arbeitnehmern ein neues Arbeitsverhältnis zusagen bzw. verbindlich in Aussicht stellen. In diesem Fall liegt kein Risikogeschäft mehr vor und die Aufhebungsverträge sind wegen einer Umgehung des § 613a BGB nichtig. Da ein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB durch das BQG-Modell verhin- 638 dert werden soll, stellt sich die Frage, ob (dennoch) eine Unterrichtungspflicht gemäß oder analog § 613a Abs. 5 BGB besteht. Da beim BQG-Modell im Augenblick des Betriebsübergangs keine Arbeitsverhältnisse mehr bestehen, können den Insolvenzverwalter wohl keine Aufklärungspflichten mehr treffen. Diese Frage ist allerdings bis heute in dieser Form nicht von den Arbeitsgerichten entschieden worden, sodass das Risiko besteht, dass z. B. über den Grundsatz von Treu und Glauben eine Aufklärungsverpflichtung des Insolvenzverwalters konstruiert werden könnte. Im Übrigen besteht bei fehlender oder unzutreffender Unterrichtung die Gefahr der erfolgreichen Anfechtung des Aufhebungsvertrages. Aus diesem Grunde sollte die Aufklärung der Arbeitnehmer detailliert erfolgen und sie sollten darüber informiert werden, dass der Verkauf an die Auffanggesellschaft als Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB zu werten sei, dessen Rechtsfolgen für den Erwerbsinteressenten aber ein „Deal Breaker“ seien und sie aus diesem Grunde durch das beschriebene BQG-Modell verhindert werden sollen. Zugleich kann der Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung vorsorglich einen Widerspruch gegen den Betriebsübergang unterzeichnen.

141

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

639 In diesem Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, dass das BAG in seinem Urteil vom 24. Mai 2005, BAG, Urt. v. 24.5.2005 – 8 AZR 398/04, NZA 2005, 1302, 1303,

entschieden hat, dass die Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt, die der Verkäufer nach einem Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Betriebsübergang erklärt. Allerdings kann die Verletzung der Unterrichtungspflicht generell zu Schadensersatzansprüchen führen, sofern dem Arbeitnehmer der Nachweis der Kausalität zwischen mangelhafter Unterrichtung und eingetretenem Schaden gelingt. BAG, Urt. v. 20.3.2008 – 8 AZR 1022/06, NZA 2008, 1297, 1298; BAG, Urt. v. 13.7.2006 – 8 AZR 382/05, NZA 2006, 1406, 1411.

640 Die Vorteile des Dörries-Scharmann-Modells für das insolvente Unternehmen bzw. den Insolvenzverwalter, den Erwerber und die Arbeitnehmer liegen auf der Hand und sind nachfolgend noch einmal zusammengefasst: x

Die Zwischenschaltung der BQG erlaubt die Veräußerung der Assets ohne Übergang der Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber.

x

Die Verkürzung von Kündigungsfristen schont die Insolvenzmasse (Faustformel: ein Bruttogehalt, zwei Monate BQG).

x

Der Betriebsübernehmer kann sich seine „Wunschmannschaft“ unabhängig von der Sozialauswahl zusammenstellen.

x

Neueinstellungen von der BQG nur zu Arbeitsbedingungen des Erwerbers.

x

Ausschaltung der mit betriebsbedingten Kündigungen verbundenen rechtlichen Risiken.

x

Neubegründung eines befristen Arbeitsverhältnisses zur BQG und dadurch Aufschub der Erwerbslosigkeit und ggf. Verlängerung des Arbeitslosengeldanspruchs (Überschreiten von Altersgrenzen, Vorbeschäftigungszeiten).

x

Chance auf Arbeitsplatz in Erwerbergesellschaft oder Vermittlung nach Qualifizierung/Fortbildung.

c) § 613a BGB in masselosen Insolvenzen 641 Nachteil des BQG-Modells sind die damit verbundenen Kosten, die in masselosen bzw. massearmen Insolvenzen nicht darstellbar sind. 642 Da auch größere Unternehmenseinheiten als masseloses Insolvenzverfahren enden können, das Insolvenzantragsverfahren jedoch mit einer Betriebsfortführung verbunden ist und durchaus aussichtsreiche Chancen für eine übertragende Sanierung unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen, wurde von der Praxis ein Modell in Anlehnung an das BQG-Modell

142

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

und auf Grundlage der Dörries-Scharmann-Entscheidung für masselose Insolvenzverfahren entwickelt, das kürzlich erstmalig gerichtlich überprüft wurde. ArbG Lübeck, Urt. v. 12.10.2010 – 6 Ca 1791/10, ZIP 2010, 2316 f.

Bei dieser Gestaltung wird in Anlehnung an die Dörries-Scharmann-Ent- 643 scheidung ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag zwischen der Schuldnerin mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters und sämtlichen Arbeitnehmern geschlossen, wobei die Arbeitnehmer ebenfalls zuvor darüber informiert werden, dass ein Betriebsübergang vorliegen wird, es aber erklärter Wille des Betriebsübernehmers ist, von seinem Angebot zurückzutreten, wenn die Gefahr besteht, dass er mehr Arbeitnehmer wegen § 613a BGB übernehmen muss, als er bereit ist, zu „übernehmen“. Aus diesem Grunde müssen sämtliche Arbeitsverhältnisse vor dem Betriebsübergang beendet sein. Zugleich wird den Arbeitnehmern mitgeteilt, dass sich der Erwerber gegenüber dem Insolvenzverwalter verpflichten wird, einer bestimmten – nicht personalisierten – Anzahl von Arbeitnehmern ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu unterbreiten. Es muss sich bei dieser Konstellation um ein erkennbares Risikogeschäft für die Arbeitnehmer handeln, die zwischen der Betriebsstilllegung und dem damit endgültigen Verlust ihres Arbeitsplatzes und der Chance auf Neueinstellung bei dem Erwerber wählen. Soweit Entgeltreduzierungen oder eine Reduzierung der Urlaubstage geplant 644 sind, sollten diese mit pauschalen Prozentsätzen den Arbeitnehmern mitgeteilt werden. Der Aufhebungsvertrag enthält im Gegenzug die ggf. als Masseverbindlich- 645 keit zu bestätigende Regelung, dass die Arbeitnehmer, die kein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages vom Erwerber erhalten, eine pauschalierte Abfindung erhalten, die sich die Masse leisten kann. Im Übrigen müssen bzw. können sich diese Arbeitnehmer arbeitslos melden, soweit sie keine Neuanstellung in einem anderen Betrieb finden. Damit auch bei diesem Modell die Arbeitnehmer ein Risikogeschäft i. S. d. Ausführungen des BAG in der Dörries-Scharmann-Entscheidung eingehen, dürfen die Arbeitnehmer bei Unterzeichnung des Aufhebungs- und Abfindungsvertrages nicht wissen, ob sie abgefunden werden oder ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages erhalten. Auch bei dieser Variante erklärt jeder Arbeitnehmer vorsorglich zusätzlich den Widerspruch gegen einen etwaigen Betriebsübergang. Dies dient der zusätzlichen Absicherung des Erwerbers, da der Widerspruch keines sachlichen Grundes bedarf und grundsätzlich der alleinigen Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers unterliegt. Der Widerspruch darf allerdings nicht institutionell missbraucht werden. BAG, Urt. v. 30.9.2004 – 8 AZR 462/03, NJW 2005, 775, 778.

143

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

646 Das ArbG Lübeck, ArbG Lübeck, Urt. v. 12.10.2010 – 6 Ca 1791/10, ZIP 2010, 2316 f.,

führt aus, dass § 613a BGB keine Einschränkung der Möglichkeit des Arbeitnehmers beinhalte, eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ggf. auch gegen eine Gegenleistung, etwa eine in einem Sozialplan vereinbarte Abfindung, herbeizuführen. Besteht nur eine Chance auf eine Neuanstellung bei dem Betriebsübernehmer und ist der Arbeitnehmer nicht gezwungen, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, schadet die Abweichung, dass keine Transfergesellschaft zwischen insolventem Unternehmen und Unternehmenserwerber zwischengeschaltet ist, nicht. 647 Erfahrungsgemäß befürchten die Arbeitnehmer, dass ihnen gegenüber im Falle der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages von der zuständigen Agentur für Arbeit eine Sperrzeit verhängt wird. Die bis dahin vorherrschende Praxis der Agentur für Arbeit einschränkend: BSG, Urt. v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, AuA 2007, 311 ff.

648 Um den Arbeitnehmern diese Sorge zu nehmen, empfiehlt es sich, die lokal zuständige Agentur für Arbeit einzubinden und einzuladen, an den entscheidenden Betriebsversammlungen teilzunehmen. Nicht verhindert werden kann im Übrigen, dass die Abfindungszahlungen ggf. auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden. 649 Das Modell funktioniert regelmäßig nur vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, denn nur dann sind die Arbeitnehmer dazu berechtigt, wegen der bestehenden Entgeltrückstände zu kündigen bzw. Aufhebungsverträge zu schließen, ohne dass eine Sperrfrist droht. 650 Soweit der Erwerbsinteressent sein Angebot zum Ende des Insolvenzgeldzeitraumes noch nicht abgegeben hat und eine revolvierende Insolvenzgeldvorfinanzierung nicht in Betracht kommt, ist die lokal zuständige Agentur für Arbeit aber möglicherweise bereit, von einer Sperrfrist abzusehen, auch wenn erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Aufhebungsverträge geschlossen werden, ohne dass nun förmlich Lohnrückstände bestehen. Dieses kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter die Agentur für Arbeit davon überzeugen kann, dass die Masseunzulänglichkeit und damit auch die kurzfristige Arbeitslosigkeit der Belegschaft ohne Lohnfortzahlung drohen. Die lokalen Agenturen für Arbeit sind meistens in entsprechenden Situationen flexibel und entgegenkommend, wenn die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit in den Prozess rechtzeitig eingebunden werden. 651 Unterstützend können hier Gewerkschaftssekretäre und Betriebsräte auf die Belegschaft Einfluss nehmen, soweit ihnen dieses komplexe Modell vermittelt werden kann.

144

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

Zur besseren Verständlichkeit enthält dieses Skript nachfolgend ein Muster- 652 anschreiben an die Belegschaft mit einer Erklärung des Procedere wie auch ein Muster der Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarung: Exemplarisches Musteranschreiben

653

An die Arbeitnehmer der … Sehr geehrte Damen und Herren, Ihnen ist aus den vorangegangenen Betriebsversammlungen bekannt, dass die Geschäftsführung des Unternehmens einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat. Das Insolvenzgericht wird voraussichtlich zeitnah das Insolvenzverfahren eröffnen und mich zum Insolvenzverwalter bestellen. Parallel zur Eröffnung wird vom Insolvenzgericht ein Gläubigerausschuss eingesetzt werden (§ 67 InsO). Dem Gläubigerausschuss soll auch ein Interessenvertreter der Arbeitnehmer angehören. Der Geschäftsbetrieb des Unternehmens ist bis dato im Wesentlichen aufrechterhalten worden. Die betriebswirtschaftliche Prüfung hat jedoch ergeben, dass das Unternehmen in seiner gegenwärtigen Form am Markt keine Chance hat. Das Unternehmen ist wegen hoher Überschuldung von innen heraus nicht sanierungsfähig. Die Gesellschafter können keine Sanierung leisten; auch eine Entschuldungshilfe durch die Gläubiger ist nicht zu erwarten. Es bestehen jedoch gute Aussichten, Teile des Geschäftsbetriebs in eingeschränktem Umfang zu erhalten, und zwar durch einen Verkauf an einen Dritten im Rahmen einer teilweisen sog. übertragenden Sanierung. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, führe ich seit geraumer Zeit Verhandlungen mit mehreren Interessenten, die das bewegliche Anlagevermögen erwerben möchten. Ein bindendes Kaufvertragsangebot eines Interessenten liegt mir vor. Das Angebot sieht vor, dass der Interessent mit rd. 50 % der Belegschaft in den Geschäftsfeldern der Schuldnerin tätig sein wird. Die Übergabe ist per […] geplant. Die Wirksamkeit des Kaufvertrages hängt jedoch von mehreren Voraussetzungen ab: x

Das Insolvenzgericht hat das Insolvenzverfahren zu eröffnen und einen Gläubigerausschuss gemäß § 67 Abs. 1 InsO einzusetzen.

x

Der bestellte Gläubigerausschuss hat dem Kaufvertrag vorbehaltlos zuzustimmen.

x

Die Käuferin verpflichtet sich, dafür Sorge zu tragen, dass namentlich noch nicht benannten mindestens [Anzahl] Arbeitnehmern Angebote zum Abschluss neuer Arbeitsverträge unterbreitet werden. Das Arbeitsentgelt wird bei den gewerblichen Arbeitnehmern mindestens […] v. H. des derzeit gezahlten Arbeitsentgeltes betragen. Der Jahresurlaub wird mindestens […] Arbeitstage betragen. Der Übergang weiterer Arbeitsverhältnisse, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen. 145

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Ich halte es für möglich, die vorgenannten Voraussetzungen zu erfüllen. Der Ausschluss des Übergangs weiterer Arbeitsverhältnisse als der der Käuferin verbindlich Zugesagten bedarf jedoch Ihrer Mitwirkung: 1. Information über den möglichen bevorstehenden Betriebsübergang Derzeit ist beabsichtigt, dass der Geschäftsbetrieb durch die Übertragung des beweglichen Anlagevermögens und die Vermietung der Betriebsimmobilien in […] und […] am […] auf die Käuferin übergeht. Von diesem Zeitpunkt an wird die Käuferin von der Schuldnerin die Organisations- und Leitungsmacht übernehmen. Damit würde zu diesem Zeitpunkt ein Fall eines sog. Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB vorliegen. Mit dem Betriebsübergang würden die zu diesem Zeitpunkt im Betrieb der Schuldnerin in […] und in […] bestehenden Arbeitsverhältnisse automatisch auf die Käuferin übergehen. Sämtliche vertraglichen Rechte und Pflichten, die im Verhältnis des einzelnen Mitarbeiters zur Schuldnerin bestanden, bestünden unverändert im Arbeitsverhältnis zur Käuferin fort. Bei der Käuferin sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, sodass – abhängig von der Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen – bei der Käuferin Kündigungsschutz für übergegangene Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz bestünde. Ein Betriebsrat besteht bei der Käuferin nicht, auch findet im Betrieb der Käuferin kein Tarifvertrag Anwendung. Aus diesem Grund würden bei einem Betriebsübergang die bei der Schuldnerin bestehenden Betriebsvereinbarungen […] und Regelungen des […]-Tarifvertrages vom […] nicht in ihrer bisherigen, kollektiv-rechtlichen Form, sondern als Bestandteil des einzelnen Arbeitsvertrages weiter gelten. Die Käuferin könnte diese Regelungen für die Frist von einem Jahr nicht zum Nachteil des Mitarbeiters ändern, es sei denn, Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung gelten nicht mehr oder die Käuferin vereinbart mit dem Mitarbeiter die Geltung eines anderen Tarifvertrages. Des Weiteren könnte die Käuferin einem Mitarbeiter, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund des Betriebsüberganges mit der Käuferin besteht, nicht wegen des Betriebsüberganges kündigen. Kündigungen aus anderen Gründen wären jedoch ohne weitere Einschränkungen möglich. Möchte der Arbeitnehmer nicht, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber besteht, hat er das Recht, innerhalb eines Monats nachdem er von dem Betriebsübergang und seinen Folgen unterrichtet wurde, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Mit Ausübung des Widerspruchsrechtes wird das Arbeitsverhältnis bei dem Betriebserwerber beendet und das ursprüngliche Arbeitsverhältnis zum ehemaligen Betriebsinhaber lebt wieder auf. Für den Fall, dass Arbeitsverhältnisse im Rahmen des Betriebsübergangs von der Schuldnerin auf die Käuferin übergehen und ein Arbeitnehmer diesem Übergang widersprechen sollte, könnte die Schuldnerin jedoch betriebsbedingt kündigen, da eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei ihr ausscheidet. 146

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

Die Käuferin ist seit […] Jahren auf dem Gebiet […] tätig und beschäftigt […] Mitarbeiter an […] Standorten. Wie oben erläutert, würde sich der Betriebsübergang auf die Käuferin als Folge der übertragenden Sanierung von Teilen des Geschäftsbetriebes der Schuldnerin ergeben, deren Grundlage ein (noch abzuschließender) Kaufvertrag zwischen der Schuldnerin und der Käuferin ist. Beabsichtigt ist, das gesamte bewegliche Anlagevermögen auf die Käuferin zu übertragen und die Betriebsimmobilien in […] und […] an die Käuferin zu vermieten. Wie eingangs geschildert, bestehen zu dem vorgestellten Modell der teilweisen übertragenden Sanierung keine Fortführungsalternativen. Eingehende betriebswirtschaftliche Prüfungen ergeben die Unmöglichkeit einer Fortführung des Unternehmens ohne die Veräußerung an die Käuferin. 2. Voraussetzungen der Sanierung und Folgen für den einzelnen Mitarbeiter: Der Kaufvertrag mit der Käuferin kann nur dann zustande kommen, wenn die Kostenrisiken der Käuferin möglichst minimiert werden. Das Übernehmerkonzept setzt voraus, dass die Käuferin nicht mit den aus dem oben dargestellten Betriebsübergang resultierenden Personalkosten belastet wird und eine Reduzierung des Mitarbeiterstammes erfolgt. Damit hängt die teilweise übertragende Sanierung auf die Käuferin davon ab, dass die oben dargelegten Rechtsfolgen eines Betriebsüberganges von der Schuldnerin auf die Käuferin gerade nicht eintreten. Hierfür ist Ihre Mitwirkung unerlässlich: Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der Schuldnerin kann jeder einzelne Mitarbeiter sein Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin beenden. Es besteht dann kein Arbeitsverhältnis mehr, das bei Verkauf an die Käuferin auf diese übergehen könnte. Gleichzeitig erklärt der einzelne Mitarbeiter rein vorsorglich, dass er dem möglichen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Käuferin widerspricht. Diese Erklärung erfolgt rein vorsorglich und soll sicherstellen, dass die Käuferin in keinem Fall einem Kostenrisiko durch den Übergang von Arbeitsverhältnissen ausgesetzt ist. Im Gegenzug verpflichtet sich die Käuferin, gegenüber […] bisherigen Mitarbeitern der Schuldnerin ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu geänderten Konditionen zu unterbreiten, wobei die hiervon betroffenen Mitarbeiter noch nicht feststehen. Die folgenden Erläuterungen sollen aufzeigen, aus welchem Grund ein derartiger Aufhebungsvertrag und die Ausübung des Widerspruchsrechts sinnvoll sind: Zum einen sichert sich jeder Arbeitnehmer die Chance, zu einem späteren Zeitpunkt bei der Käuferin beschäftigt zu werden. Die Käuferin hat sich im Rahmen des Kaufvertrages zu verpflichten, […] bisherige Mitarbeiter der Schuldnerin in dem übernommenen Betriebsteil zu beschäftigen. Zwar ist die Käuferin nur zur Zahlung von […] % des bei der Schuldnerin gezahlten Ent147

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

geltes verpflichtet und eine Anrechnung der Betriebszugehörigkeitszeit bei der Schuldnerin findet im dann neuen Arbeitsverhältnis mit der Käuferin nicht statt. Auch ist die Käuferin nicht verpflichtet, mehr als […] Arbeitstage als Jahresurlaub zu gewähren. Jedoch besteht für den einzelnen Mitarbeiter die Möglichkeit, zeitnah eine ihm und seinen beruflichen Qualifikationen entsprechende Beschäftigung zu finden. Die Namen der bei der Käuferin in Zukunft beschäftigten Mitarbeiter stehen noch nicht fest. Mit Abschluss des Aufhebungsvertrages verschafft sich damit jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, einer dieser Mitarbeiter zu sein. Für den Fall der Nicht-Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages besteht diese Möglichkeit nicht, da der Kaufvertrag mit der Käuferin dann nicht zustande kommt. Es liegt aber auch im Interesse der kein Vertragsangebot erhaltenen Mitarbeiter, das Zustandekommen des Kaufvertrages mit der Käuferin zu fördern. Scheitern die Kaufvertragsverhandlungen, ist der Insolvenzverwalter gezwungen, die Liquidation des Unternehmens zu betreiben, sämtlichen Arbeitnehmern zu kündigen, erhebliche Teile der Belegschaft kurzfristig freizustellen und den Geschäftsbetrieb zeitnah einzustellen. Im Übrigen werde ich nach dem Stand der Dinge nicht umhinkommen, die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO beim Insolvenzgericht anzuzeigen. Rechtsfolge dieser Anzeige ist, dass die sämtlichst gekündigten und freigestellten Mitarbeiter nicht mit Lohn- und Gehaltszahlungen rechnen können. Zahlungen an die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit noch nicht freigestellten Mitarbeiter kann ich nur im Rahmen des § 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 InsO leisten. Sollten hingegen der vorerwähnte Kaufvertrag mit der Käuferin wirksam werden, sehe ich mich im Stande, den Mitarbeitern, die kein Arbeitsvertragsangebot der Käuferin erhalten, eine Abfindung in Höhe von […] Bruttomonatsgehältern pro Person zu versprechen. Ich weise darauf hin, dass die Abfindung allerdings von der Agentur für Arbeit bei der Zahlung von Arbeitslosengeld teilweise angerechnet werden wird. Im Übrigen werde ich sämtlichen Mitarbeitern im Rahmen der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse den noch nicht genommenen Urlaub auszahlen können. Im Ergebnis hat das vorstehend geschilderte Modell zum Erhalt eines Teils der Arbeitsplätze durch eine übertragende Sanierung nur dann eine Chance, wenn sich sämtliche Mitarbeiter dazu bereit erklären, spätestens am […], bis […] Uhr Aufhebungsvereinbarungen hinsichtlich ihrer alten Arbeitsverhältnisse abzuschließen. Die Aufhebungsverträge sind so ausgestaltet, dass x

Mitarbeitern, die von der Käuferin kein Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags erhalten, eine Abfindungszahlung in Höhe von […] Bruttomonatsgehältern zusteht,

x

sämtliche Mitarbeiter ihren noch nicht genommenen Urlaub abgegolten bekommen,

148

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

x

ich vom Vertrag zurücktreten kann, wenn nicht sämtliche Mitarbeiter ihre Aufhebungsvereinbarungen abschließen.

Wenn nicht sämtliche Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen, ist der Zweck der Aufhebungsvereinbarung und des Abfindungsversprechens, nämlich das Zustandekommen des Kaufvertrages mit der Käuferin, verfehlt. Mein Entwurf des Aufhebungs- und Abfindungsvertrags ist diesem Rundschreiben beigefügt. Für jeden Mitarbeiter wird ein von mir und dem Geschäftsführer bereits gegengezeichneter Vertrag im Original am […], […] Uhr, bei der Betriebsleitung bereitliegen. Ich bitte Sie, sich dort einzufinden und entweder unverzüglich den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen oder aber zu erklären, dass keine Bereitschaft dazu besteht. Ich bitte darum, die kurze Entscheidungsfrist zu entschuldigen. Die Eilbedürftigkeit ergibt sich aus der Sache. Ob der vorerwähnte Kaufvertrag wirksam wird, bedarf einer schnellen Entscheidung. Ich muss als Insolvenzverwalter kurzfristig Klarheit darüber haben, ob ich das Unternehmen liquidieren muss. Lieferanten und Kunden des Unternehmens müssen eine verlässliche Auskunft darüber erhalten, inwieweit durch das Unternehmen Neuaufträge abgewickelt werden können. Mit freundlichen Grüßen Rechtsanwalt als vorläufiger Insolvenzverwalter Anlage: Vertragsentwurf

Muster Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarung:

654

Zwischen der […], vertreten durch den Geschäftsführer bei gleichzeitige Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters der – nachfolgend Arbeitgeber/Schuldnerin bzw. Insolvenzverwalter genannt – und Herrn/Frau – nachfolgend Mitarbeiter genannt – Vorbemerkung Dem Mitarbeiter liegt das Rundschreiben des […] in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter des Arbeitgebers vom […] vor. Der Mitarbeiter erklärt, darüber unterrichtet worden zu sein, dass der Verkauf des beweglichen Anlagevermögens der Schuldnerin an einen Erwerbsinteressenten beabsich149

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

tigt ist. Der Erwerbsinteressent hat hierzu ein verbindliches Angebot abgegeben, das lediglich der Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses sowie der Annahme durch den Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedarf. Der Interessent hat sich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass mindestens […] Arbeitnehmern Angebote zum Abschluss neuer Arbeitsverträge unterbreitet werden. Um welche Mitarbeiter es sich handelt, ist dem unterzeichnenden Mitarbeiter bei Unterschrift dieser Vereinbarung nicht bekannt. Die Parteien gehen davon aus, dass aufgrund des Kaufvertrages mit der Erwerbsinteressentin ein Betriebsteilübergang gemäß § 613a BGB vorliegen wird. Der Mitarbeiter ist mit dem Rundschreiben vom […] umfassend über die Voraussetzungen für den Abschluss des Kaufvertrages, die Konsequenzen eines Betriebsübergangs sowie die rechtlichen und tatsächlichen Folgen des Abschlusses einer Aufhebungsvereinbarung in der vorliegenden Form informiert worden. Insbesondere ist sich der Mitarbeiter bewusst, dass die Aufhebung sämtlicher Arbeitsverhältnisse Bedingung für den Abschluss des Kaufvertrages ist. Er wurde darüber informiert, dass der Abschluss dieses Aufhebungsvertrages die Möglichkeit eröffnet, bei der Erwerbsinteressentin zu einem späteren Zeitpunkt beschäftigt zu werden, ohne dass die Erwerbsinteressentin ihm oder einem anderen Mitarbeiter gegenüber hierzu verbindliche Angebote abgegeben oder bereits Arbeitsverträge abgeschlossen hätte. Grundlage der Entscheidung zum Abschluss dieser Aufhebungsvereinbarung ist damit zum einen die Hoffnung auf eine spätere Beschäftigung bei der Erwerbsinteressentin und zum anderen die Zusicherung einer Abfindung bei nicht erfolgender Einstellung durch die Erwerbsinteressentin. Diese Möglichkeiten stellen zur Überzeugung der Parteien einen deutlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Vorteil verglichen mit der Schließung des Betriebes und den damit verbundenen finanziellen Einbußen bei Nicht-Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages und hierdurch bedingtem Scheitern des Kaufvertrages dar. Das Rundschreiben vom […] wird ausdrücklich Bestandteil dieses Vertrages. Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien was folgt: 1. Beendigung des Arbeitsvertrages Das zwischen dem Arbeitgeber und dem Mitarbeiter bestehende Arbeitsverhältnis wird hierdurch einvernehmlich mit Ablauf des […] beendet. Anlass für die Aufhebung ist zum einen der Umstand, dass der Mitarbeiter zumindest seit zwei Monaten keine Lohn- und Gehaltszahlungen mehr erhalten hat und der Insolvenzverwalter im Fall der Nichtunterzeichnung entsprechender Vereinbarungen durch sämtliche Arbeitnehmer gezwungen ist, die Liquidation des Unternehmens zu betreiben, sämtlichen Arbeitnehmern zu kündigen, erhebliche Teile der Belegschaft kurzfristig freizustellen und den Geschäftsbetrieb des Arbeitgebers zeitnah einzustellen. Zum anderen bedarf es der Aufhebung sämtlicher Arbeitsverhältnisse der Schuldnerin, um eine teilweise sog. übertragende Sanierung bei gleichzeitiger Rettung eines Teils der Arbeitsplätze zu ermöglichen. 150

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

2. Widerspruch gemäß § 613a BGB Dem Mitarbeiter ist bekannt, dass sein Arbeitsverhältnis bei Zustandekommen des Kaufvertrages aufgrund eines Betriebsüberganges auf die Erwerbsinteressentin übergehen würde. Der Mitarbeiter wurde durch Rundschreiben vom […], das er am […] erhalten hat, umfassend über den geplanten Zeitpunkt des Betriebsüberganges, seinen Grund, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Mitarbeiter sowie über die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht gestellten Maßnahmen informiert. In Kenntnis dieser Tatsachen und in der übereinstimmenden Überzeugung der Parteien von der Wirksamkeit dieser Aufhebungsvereinbarung widerspricht der Mitarbeiter rein vorsorglich diesem Betriebsübergang. 3. Pflichten des Unternehmenskäufers Dem Mitarbeiter ist bekannt, dass der vorerwähnte Unternehmenskäufer/ Erwerbsinteressent sich gegenüber dem Insolvenzverwalter verpflichtet hat, dafür Sorge zu tragen, dass […] namentlich noch nicht benannten Arbeitnehmern Angebote zum Abschluss neuer Arbeitsverträge unterbreitet werden. Das Arbeitsentgelt wird bei den gewerblichen Arbeitnehmern mindestens 85 v. H. des derzeit gezahlten Arbeitsentgeltes betragen. Der Jahresurlaub wird mindestens 26 Arbeitstage betragen. Dem Mitarbeiter ist bewusst, dass bisherige Betriebszugehörigkeiten auf ein etwaiges neues Arbeitsverhältnis mit der Käuferin nicht angerechnet werden. 4. Abfindung/Urlaubsabgeltung Für den Fall, dass der Mitarbeiter kein Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages erhält, verpflichtet sich der Insolvenzverwalter, dem Mitarbeiter eine Abfindung in Höhe von € […] zu zahlen. In jedem Fall, und zwar unabhängig davon, ob der Mitarbeiter ein Angebot zum Abschluss eines neuen Vertrags erhält oder nicht, verpflichtet sich der Insolvenzverwalter, dem Mitarbeiter den noch nicht genommenen Urlaub von […] Tagen mit € […] brutto zu vergüten. 5. Frist zum Abschluss dieses Vertrages Dieser Vertrag kann von den Vertragsparteien nur bis zum Ablauf des […], […] Uhr geschlossen werden. Ein späterer Vertragsschluss ist ausgeschlossen. 6. Rücktrittsvorbehalte Der Insolvenzverwalter ist berechtigt von dieser Vereinbarung zurückzutreten, wenn nicht sämtliche Mitarbeiter der Schuldnerin, denen ein inhaltlich gleichlautender Aufhebungs- und Abfindungsvertrag vorliegt, diesen schließen. 7. Abwicklungsmodalitäten/Zeugniserteilung […]

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

8. Ausgleich aller Ansprüche Mit Abschluss und Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sind sämtliche gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung abgegolten und erledigt. 9. Sonstiges Der Mitarbeiter erklärt, diese Vereinbarung sorgfältig gelesen zu haben und ohne zeitlichen Druck unterschrieben zu haben. d) Verbindliches Erwerberkonzept zur Restrukturierung 655 Eine alternative Gestaltungsmöglichkeit zu den bereits geschilderten Modellen ist die „Kündigung des Betriebsveräußerers aufgrund eines Erwerberkonzepts bei zum Zeitpunkt des Zugangs greifbarer Nähe der Sanierungsdurchführung“. Vgl. BAG, Urt. v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, ZIP 2003, 1671 ff.; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.3.2013 – 5 Sa 556/12, BeckRS 2013, 69577.

656 Ein Personalabbau durch betriebsbedingte Kündigungen ist nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unzulässig, wenn die Kündigung wegen des Betriebsüberganges ausgesprochen wird. Dies ist dann der Fall, wenn der Betriebsübergang objektiv Anlass der Kündigung ist und subjektiv alleiniges Motiv. 657 Das Verbot der Kündigung wegen des Betriebsüberganges schließt aber eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen nicht aus, § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB. Ist demnach für die Kündigung ein sachlicher Grund gegeben, der aus sich heraus die Kündigung rechtfertigt, sodass der Betriebsübergang nur der äußere Anlass, nicht aber der eigentliche Grund ist, ist das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht einschlägig. Prüfungsmaßstab für die Kündigung sind die allgemeinen Regelungen, wie das Kündigungsschutzgesetz. 658 Fraglich war, ob und unter welchen Voraussetzungen der Betriebsveräußerer/Insolvenzverwalter kündigen darf, weil der potenzielle Erwerber zugleich mit der Betriebsübernahme die Belegschaft aus dringenden betrieblichen Erfordernissen verringern will. Hierfür hat sich der Begriff „Veräußererkündigung nach Erwerberkonzept“ herausgebildet. 659 Bis zu seinem Urteil vom 20. März 2003 hat das BAG die Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzeptes für zulässig erachtet, BAG, Urt. v. 26.5.1983 – 2 AZR 477/81, NJW 1984, 627, 628,

jedoch zwei wesentliche Einschränkungen vorgenommen: 660 Zum einen muss die zwischen Veräußerer und Erwerber abgesprochene Umstrukturierung schon bei Ausspruch der Kündigung greifbare Formen ange-

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VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

nommen haben. Es muss insoweit überprüfbar sein, ob die Beschäftigungsmöglichkeit mit dem Betriebsübergang tatsächlich wegfällt. Zum anderen stand nach dieser Entscheidung dem Veräußerer ein betriebs- 661 bedingter Kündigungsgrund nur dann zu, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit für bestimmte Arbeitnehmer aufgrund eines Erwerberkonzeptes wegfällt, das auch der bisherige Arbeitgeber bei eigener Fortführung des Betriebes ebenfalls hätte durchführen können. Diese Einschränkung führte dazu, dass eine Veräußererkündigung unzulässig war, wenn das Sanierungskonzept nur unter Berücksichtigung der Verhältnisse und Möglichkeiten des Erwerbers umsetzbar war. Da insbesondere Unternehmen in der Krise und in der Insolvenz aus sich heraus nicht sanierungsfähig sind oder ihnen die für die Sanierung notwendigen Mittel fehlen, war diese Hürde kaum zu nehmen. Der Achte Senat des BAG hat in der Entscheidung vom 20. März 2003 die 662 zweite Einschränkung jedenfalls für den Unternehmenserwerb in bzw. aus der Insolvenz aufgegeben und ist der Auffassung des Zweiten Senats explizit entgegengetreten. Das Wesen der Sanierungsfälle liegt häufig gerade darin, dass der Betrieb aus sich heraus nicht sanierungsfähig ist. Zur Stilllegung des Betriebs besteht oft nur die Alternative der Umstrukturierung durch die finanziellen und/oder organisatorischen Möglichkeiten des Erwerbers. In einer solchen Situation verstößt eine vollzogene Kündigung aufgrund des Sanierungskonzeptes des Erwerbers nicht gegen den Schutzgedanken des § 613a Abs. 4 BGB, der den Erwerber an einer bei der Betriebsübernahme freien Auslese der Belegschaft hindern will. Für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Veräußerers nach dem Erwerberkonzept kommt es – jedenfalls in der Insolvenz – nicht darauf an, ob das Konzept auch bei dem Veräußerer hätte durchgeführt werden können. BAG, Urt. v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, ZIP 2003, 1671 ff.; bestätigend BAG, Urt. v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387, 389.

Um eine Umgehung des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB bei vorzeitiger Veräußer- 663 erkündigung zu verhindern, muss die tatsächliche Verwirklichung des Erwerberkonzepts rechtlich abgesichert sein. Dies kann mittels eines rechtsverbindlichen Sanierungsplans oder des Abschlusses eines Vorvertrages erfolgen, in dem der Betriebsübergang selbst sowie die Anzahl der zu übernehmenden Arbeitnehmer festgehalten wird. Danko/Cramer, BB-Special 4/2004, 9, 14.

In dem vom BAG am 20. März 2003 entschiedenen Fall war das Sanierungs- 664 konzept Teil eines zwischen Insolvenzverwalter und dem bei der Schuldnerin bestehenden Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleiches. Es empfiehlt sich auch die Dokumentation der Rechtsverbindlichkeit des Er- 665 werberkonzeptes in dem zwischen Insolvenzverwalter und Erwerber geschlossenen Kaufvertrag, in dem zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass dem Insolvenzverwalter dieses Erwerberkonzept übergeben und detailliert

153

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

vorgestellt wurde, der Insolvenzverwalter es alsdann zu seiner eigenen Unternehmerentscheidung gemacht und mit der Umsetzung begonnen hat. In Konsequenz dessen erklärt er die vorgesehenen Kündigungen. 666 In Anbetracht des regelmäßig bestehenden Zeitdrucks kann es im Übrigen angezeigt sein, dass der vorläufige Insolvenzverwalter parallel zur Interessentensuche bereits ein Sanierungskonzept erstellt bzw. erstellen lässt, das dem Erwerber als Grundlage für sein Konzept dienen kann. 667 In seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2004 hat das BAG, BAG, Urt. v. 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, NZA 2005, 285, 288,

deutlich gemacht, dass auch bei Betriebsteilübertragungen mit gleichzeitiger Betriebsteilschließung die Sozialauswahl nicht auf diejenigen Arbeitnehmer beschränkt werden kann, die im zu schließenden Betriebsteil beschäftigt sind. Auf die feste Zuordnung eines „umsetzbaren“ Arbeitnehmers zu einem Betriebsteil kommt es demnach nicht an. Die beiden Vorinstanzen hatten noch ausgeführt, dass der im übertragenen Betriebsteil tätige Mitarbeiter zwar den geringeren Schutz in der Sozialauswahl genieße, doch dem übertragenen Betriebsteil fest zugeordnet sei und deshalb durch § 613a BGB geschützt sei. Dieser Argumentation schloss sich das BAG nicht an. 668 Die Entscheidung schreckt potenzielle Erwerber möglicherweise ab, da ggf. nicht ein eingespieltes Team, sondern die „Restmenge“ einer Sozialauswahl verbleibt. Die grundsätzlich bestehende Alternative der Betriebsteilübertragung vor Zugang der Kündigungen bzgl. des Restbetriebes (um so die Sozialauswahl auf den Restbetrieb zu beschränken!) wird in zumeist zeitkritischen Insolvenzsituationen keine sinnvolle Lösungsmöglichkeit bieten oder sich aufgrund der zeitlichen Abläufe schnell dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ausgesetzt sehen. Möglicherweise hat das BQG-Modell auch durch diese Entscheidung weiteren Auftrieb erfahren. 669 Schlussendlich bleibt abzuwarten, ob das BAG seine Rechtsprechung zur Kündigung auf Grundlage eines Erwerberkonzeptes auch auf (Sanierungs-)Fälle außerhalb der Insolvenz anwenden wird. Die Ausrichtung der Argumentation lässt eine Ausdehnung auf Sanierungsfälle auch außerhalb der Insolvenz vermuten, wenn ansonsten eine Betriebsstilllegung unmittelbar droht. 670 Das LAG Rheinland-Pfalz und das LAG Köln, LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.3.2013 – 5 Sa 556/12, LSK 2013, 320297; LAG Köln, Urt. v. 17.6.2003 – 9 Sa 443/03, ZIP 2003, 2042 f.,

haben allerdings entschieden, dass außerhalb der Insolvenz eine Kündigung nur dann nicht wegen des Betriebsüberganges erfolgt, wenn auch ohne den Betriebsübergang der Arbeitsplatz entbehrlich geworden wäre.

154

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das BAG in seiner Entscheidung vom 671 22. September 2005, BAG, Urt. v. 22.9.2005 – 6 AZR 526/04, NZA 2006, 658, 659,

festgestellt hat, dass im Fall einer vor Insolvenzantragstellung durchgeführten Ausgliederung weder eine Unkündbarkeitsklausel einer Betriebsvereinbarung noch § 323 Abs. 1 UmwG bei einer Betriebsstilllegung des abgespaltenen Unternehmens einer Kündigung unter Berücksichtigung der Fristen des § 113 InsO im Wege steht. Soweit ein Gemeinschaftsbetrieb nicht mehr besteht, ist hinsichtlich der Sozialauswahl nicht mehr auf die Verhältnisse vor Wirksamwerden der Spaltung abzustellen. e) Der nicht mehr erwartete Betriebsübernehmer Nicht selten tauchen Interessenten für Teile oder das gesamte schuldnerische 672 Unternehmen erst auf, wenn der Betrieb bereits vom Insolvenzverwalter stillgelegt wurde oder die Stilllegung beschlossen wurde. Häufig hat der Betrieb sich auch bereits vor Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters „von selbst stillgelegt“. Wegen des Kündigungsverbotes in § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB ist daher zwi- 673 schen Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung zu differenzieren, da sich beide gegenseitig ausschließen. BAG, Urt. v. 14.3.2013 – 8 AZR 153/12, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 201; BAG, Urt. v. 6.4.2006 – 8 AZR 222/04, NJW 2006, 2138 f.

Letztere ist ein „anderer Grund“ i. S. d. § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB und damit 674 zulässige Basis wirksamer Beendigungskündigungen. Eine Betriebsstilllegung liegt vor, wenn der Arbeitgeber endgültig entschlossen 675 ist, den Betrieb dauernd oder für eine nicht unerhebliche Zeitspanne stillzulegen. BAG, Urt. v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93, 96.

Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht un- 676 missverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt. BAG, Urt. v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93, 96.

Auch die beabsichtigte Betriebsstilllegung kann dringender betrieblicher 677 Grund für eine Kündigung sein, soweit sie greifbar und konkret ist. Dieses ist in der Regel dann der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon ausgegangen werden kann, dass bis zum Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist die Stilllegung durchgeführt sein wird. BAG, Urt. v. 19.6.1991 – 2 AZR 127/91, ZIP 1991, 1374 ff.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

678 Die Annahme einer ernsthaften und endgültigen Stilllegungsabsicht ist ausgeschlossen, wenn der Insolvenzverwalter weiterhin beabsichtigt, den Betrieb zu veräußern. Dabei sind die tatsächlichen Begebenheiten entscheidend, nicht hingegen die vom Insolvenzverwalter gegebenen Begründungen. BAG, Urt. v. 9.2.1994 – 2 AZR 666/93, NJW 1995, 75, 76.

679 Ausschlaggebend ist die Absicht des Insolvenzverwalters im Zeitpunkt der Kündigung. Eine zuvor beabsichtigte Betriebsveräußerung schließt die Annahme einer Betriebsstilllegung nicht aus. Sind jedoch die Bemühungen des Insolvenzverwalters, den Betrieb als Einheit zu veräußern, in dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Betriebsstilllegung als gescheitert anzusehen, sodass er zur endgültigen Einstellung des Betriebes gezwungen ist, rechtfertigt dieses eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen. 680 Kündigt der Insolvenzverwalter einem Arbeitnehmer wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung, so spricht es jedoch gegen eine endgültige Stilllegungsabsicht, wenn dem Insolvenzverwalter vor Erklärung der Kündigung ein Übernahmeangebot eines Interessenten vorliegt, der Insolvenzverwalter also noch in Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung steht. BAG, Urt. v. 29.9.2005 – 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720 ff.

681 Ändern sich die tatsächlichen Verhältnisse während des Laufes der Kündigungsfrist, hat der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG, BAG, Urt. v. 13.5.2004 – 8 AZR 198/03, BB 2005, 383, 385,

einen vertraglichen Wiedereinstellungsanspruch, der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitet wird. 682 Dieser Wiedereinstellungsanspruch ist gegeben, wenn x

eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers auf der Prognose beruht, bei Ablauf der Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer nicht mehr weiterbeschäftigen,

x

diese Prognose sich während des Laufes der Kündigungsfrist als falsch erweist,

x

der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und

x

ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. BAG, Urt. v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, NZA 1997, 757, 758.

683 Jedoch besteht nach der Entscheidung des BAG vom 28. Oktober 2004, BAG, Urt. v. 28.10.2004 – 8 AZR 199/04, NZA 2005, 405, 406,

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VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

ein Wiedereinstellungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers grundsätzlich nicht mehr, wenn der Betriebsübergang nach Ablauf der Frist einer insolvenzbedingten Kündigung stattgefunden hat, sofern nicht erkennbar ist, dass die zeitlichen Abläufe rechtsmissbräuchlich zur Umgehung des Wiedereinstellungsanspruches gestaltet werden. BAG, Urt. v. 13.5.2004 – 8 AZR 198/03, BB 2005, 383, 385.

Ist die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit jedoch schon während des Laufs der 684 Kündigungsfrist entstanden und damit die bei Kündigung angestellte Prognose ebenfalls während des Laufs der Kündigung unzutreffend geworden, kann der Wiedereinstellungsanspruch auch dann entstehen, wenn der Betriebsübergang erst nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt. BAG, Urt. v. 21.8.2008 – 8 AZR 201/07, NJW 2009, 391 ff. (Betriebsübergang ein Tag nach Ablauf der Kündigungsfrist).

Die Rechtsprechung stellt keine feste zeitliche Grenze auf, nach der ein Wie- 685 dereinstellungsanspruch wegen geänderter Prognose infolge Betriebsübergangs ausgeschlossen wäre. Nach der Rechtsprechung begründet allerdings eine Betriebsfortführung durch einen Erwerber vor oder alsbald nach dem beabsichtigten Stilllegungstermin die Vermutung, dass keine endgültige Stilllegungsabsicht bestand. Es obliegt in diesen Fällen dem Erwerber, durch näheren Sachvortrag diese Vermutung zu widerlegen. BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 ff.

4. Kündigung zur Verbesserung der Verkaufschancen Soweit eine Unternehmensveräußerung nicht zwangsweise kurzfristig nach 686 Eröffnung erfolgen muss und die betriebswirtschaftliche Situation des insolventen Unternehmens eine Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren zulässt, kann der Insolvenzverwalter Maßnahmen zur Personalreduzierung im Vorfeld einer Betriebsveräußerung durchführen und sich dabei der Klaviatur der §§ 113, 120 ff. InsO bedienen. Diese Vorschriften enthalten für den Insolvenzverwalter einige erhebliche Erleichterungen, insbesondere die Verkürzung der Kündigungsfrist und den Interessenausgleich mit Namensliste. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass eine nach § 613a Abs. 4 BGB 687 unzulässige Kündigung wegen Betriebsüberganges nicht vorliegt, wenn sie der Rationalisierung zur Verbesserung der Verkaufschancen dient. Dabei liegt ein Rationalisierungsgrund vor, wenn der Betrieb ohne die Rationalisierung stillgelegt werden müsste. MüKo-Müller-Glöge, BGB, § 613a Rn. 191.

Im Übrigen gilt, dass ordentliche betriebsbedingte Kündigungen im Gel- 688 tungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt sein müssen und außerordentliche Kündigungen an § 626 BGB zu messen sind. Regelungen

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

über Sonderkündigungsschutz gelten fort. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers stellt keinen außerordentlichen Kündigungsgrund dar, weder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. 689 § 113 InsO verkürzt die Kündigungsfrist bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen auf drei Monate, unabhängig vom Rechtsgrund der eigentlich geltenden Kündigungsfrist. Darüber hinaus ermöglicht § 113 InsO die Kündigung befristeter und „unkündbarer“ Arbeitsverhältnisse, die eine Kündigung vertraglich nicht vorsehen bzw. ausschließen. In diesen Fällen gilt die Frist für eine ordentliche Kündigung, die gelten würde, wenn eine Befristung oder ein Ausschluss des Rechtes zur ordentlichen Kündigung nicht gelten würde, reduziert auf die maximale Frist von drei Monaten. Auch stehen Vereinbarungen zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, die vor der Insolvenz abgeschlossen wurden, einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung nicht entgegen. BAG, Urt. v. 17.11.2005 – 6 AZR 107/05, NZA 2006, 661 ff.

690 Als lex specialis zu § 1 KSchG bietet § 125 InsO weitere Erleichterungen für die Durchführung betriebsbedingter Kündigungen. 691 Zum 1. Januar 2004 ist eine weitgehende Angleichung des § 1 KSchG an § 125 InsO erfolgt. Diese betrifft in § 1 Abs. 5 KSchG insbesondere die Regelungen über den Interessenausgleich mit Namensliste und die grobe Fehlerhaftigkeit als Überprüfungsmaßstab, allerdings auf einer erweiterten Prüfungsgrundlage. 692 Nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird zum einen vermutet, dass die Kündigung der in der Namensliste enthaltenen Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist. 693 Zum anderen enthält § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Regelung, dass die Sozialauswahl nur hinsichtlich der Auswahlkriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten und dabei auch nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar ist. Die Sozialauswahl ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird. 694 § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO lässt im Vergleich zu § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht nur die Erhaltung, sondern auch die Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur zu. Eine mit diesem Ziel durchgeführte Sozialauswahl ist als nicht grob fehlerhaft anzusehen. Dies ist in den Fällen, in denen eine längerfristige Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren möglich ist, von erheblicher Relevanz, da das Insolvenzverfahren insoweit die Möglichkeit bietet, etwaige Versäumnisse der bisherigen Personalpolitik des Unternehmens im Hinblick auf die Schaffung einer ausgewogenen und damit leistungsfähigeren Personalstruktur nachzuholen. Dieses kann ein besonders relevanter Faktor für eine erfolgreiche Betriebsveräußerung sein. Ein mit dem Ziel einer ausgewogenen Personalstruktur erstelltes Personalkonzept und die damit im 158

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

Zusammenhang stehende soziale Auswahl ist nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO deshalb nicht grob fehlerhaft, weil eine ausgewogene Personalstruktur erhalten bzw. geschaffen wird. Die Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Hs. 2 InsO kodifiziert einen Sonderfall der berechtigten betrieblichen Bedürfnisse i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Die besondere insolvenzrechtliche Regelung ermöglicht eine Ausnahme von der sozialen Auswahl selbst dann, wenn erstmals eine ausgewogene Personalstruktur geschaffen werden soll. Sie erlaubt also auch aktive Eingriffe in die bestehenden Betriebsstrukturen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des Betriebes. BAG, Urt. v. 28.8.2003 – 2 AZR 368/02, ZIP 2004, 1271, 1274.

In diesem Fall hielt das BAG es nicht für grob fehlerhaft, wenn der Insol- 695 venzverwalter bei der sozialen Auswahl zwischen Mitarbeitern mit kaufmännischer Ausbildung einerseits und Mitarbeitern ohne kaufmännische Ausbildung andererseits unterschied, BAG, Urt. v. 28.8.2003 – 2 AZR 368/02, ZIP 2004, 1271, 1274,

und damit von dem Grundsatz abwich, dass sich die Gruppenbildung bei der Sozialauswahl an einer arbeitsplatzbezogenen Austauschbarkeit zu orientieren hat. Im Übrigen wurde die Beschränkung der sozialen Auswahl in nicht einschlä- 696 gig kaufmännisch ausgebildeten Mitarbeiter auf ihre „Abteilung“ als nicht grob fehlerhaft bewertet, da diese der Erhaltung und Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur diente. Das BAG hat ferner klargestellt, dass der Begriff der Personalstruktur in 697 § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Hs. 2 InsO nicht mit dem Begriff der Altersstruktur gleichzusetzen ist. Er ist in einem umfassenderen Sinne zu verstehen, da nach der Gesetzesbegründung dem Schuldner bzw. dem Übernehmer ein funktions- und wettbewerbsfähiges Arbeitnehmerteam zur Verfügung gestellt werden soll. Als weitere Aspekte sind daher auch die Ausbildung sowie die Qualifikation der Arbeitnehmer und damit die Bildung entsprechender Qualifikationsgruppen zu berücksichtigen. BAG, Urt. v. 28.8.2003 – 2 AZR 368/02, ZIP 2004, 1271, 1274.

Die Bildung von Altersgruppen, in denen die Sozialauswahl dann jeweils ge- 698 sondert erfolgt, wird in der neueren Rechtsprechung unter Bezugnahme auf europarechtliche Vorgaben und das AGG angegriffen. ArbG Osnabrück, Urt. v. 5.2.2007 – 3 Ca 778/06, BB 2007, 1504, 1505.

Das BAG hat jedoch festgestellt, dass die Bildung von Altersgruppen gemäß 699 § 10 Satz 1 und 2 AGG durch legitime Zwecke gerechtfertigt sein kann, wovon regelmäßig in Fällen von Massenentlassungen bei Betriebsänderungen auszugehen sei. Die Bildung von Altersgruppen verletzt das Verbot der Altersdiskriminierung nicht. 159

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle BAG, Urt. v. 28.6.2012 – 6 AZR 682/10, NZA 2012, 1090 ff.; BAG, Urt. v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361, 362.

700 Demgegenüber hat das BAG, BAG, Urt. v. 28.8.2003 – 2 AZR 377/02, BB 2004, 1056, 1057,

klargestellt, dass die Regelung des § 125 InsO zu keiner Erleichterung bei der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG führt. Weder aus dem Wortlaut des § 125 Abs. 1 InsO noch aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber beim Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Anwendung des § 102 BetrVG auch nur einschränken wollte. 701 Zu beachten ist im Rahmen des § 125 InsO, dass Betriebsratsmitglieder auch in der Insolvenz den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG genießen. Wird nicht der gesamte Betrieb, sondern nur eine Betriebsabteilung stillgelegt, so ist gemäß § 15 KSchG ein Betriebsratsmitglied, das in der stillgelegten Abteilung beschäftigt wird, grundsätzlich in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Nur wenn das nicht möglich ist, kann das Arbeitsverhältnis ordentlich, frühestens aber zum Zeitpunkt der Stilllegung der Betriebsabteilung, gekündigt werden. BAG, Urt. v. 17.11.2005 – 6 AZR 118/05, NZA 2006, 370, 372.

702 Durch eine etwaige Aufnahme von Betriebsratsmitgliedern in einen Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 InsO wird dieser besondere Kündigungsschutz nicht aufgehoben. 703 Ebenfalls nicht eingeschränkt ist der Unterrichtungsanspruch des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers auf Mitteilung der Gründe, die zu der getroffenen Sozialauswahl geführt haben; die Darlegungs- und Beweislastverteilung bleibt nach § 125 InsO bzw. § 1 Abs. 5 KSchG unverändert. Für § 1 Abs. 5 KSchG: LAG Düsseldorf, Urt. v. 29.1.1998 – 5 (4) (3) Sa 1913/97, DB 1998, 1235 f.

704 Kommt ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat nicht zustande oder aber verfügt das schuldnerische Unternehmen über keinen Betriebsrat, so kann der Insolvenzverwalter das Beschlussverfahren nach § 126 InsO durchführen. Das Beschlussverfahren nach § 126 InsO ist praktisch wohl nur von geringer Relevanz. 705 Im Rahmen des Beschlussverfahrens kann das ArbG feststellen, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse bestimmter, im Antrag bezeichneter Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist. Auch hier kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflichten nachgeprüft werden. § 126 InsO schränkt den Prüfungsmaßstab aber nicht auf die grobe Fehlerhaftigkeit ein.

160

VII. Betriebsübergang gemäß § 613a BGB bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz

Eine weitere Erleichterung bei der Betriebsveräußerung im Insolvenzverfahren 706 bringt schließlich auch noch § 128 InsO mit sich. Danach ist die Anwendbarkeit der §§ 125 – 127 InsO nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Betriebsänderung, die dem Interessenausgleich bzw. dem Beschlussverfahren zugrunde liegt, erst nach einer Betriebsveräußerung durchgeführt wird. Diese Regelung soll die Flexibilität des Insolvenzverwalters bei einer Betriebsveräußerung auf Grundlage eines Erwerberkonzeptes erhöhen. Der Insolvenzverwalter ist auf Grundlage des § 128 InsO nicht gezwungen, die Betriebsänderung selbst durchzuführen und den Betrieb erst danach zu veräußern. Vielmehr kann der Erwerber die Betriebsänderung durchführen, während der Insolvenzverwalter schon vor der Veräußerung die erforderlichen Kündigungen aussprechen und deren Wirksamkeit ggf. gerichtlich überprüfen lassen kann. In Ergänzung dazu regelt § 128 Abs. 2 InsO, dass die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO bzw. auch die gerichtliche Feststellung nach § 126 Abs. 1 Satz 1 InsO sich darauf erstreckt, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht wegen des Betriebsüberganges erfolgte. Keine Sonderregelungen bestehen in der Insolvenz im Hinblick auf die Ver- 707 pflichtung zur Abgabe der Massenentlassungsanzeige gemäß §§ 17, 18 KSchG. Eine unterlassene oder nicht korrekte Massenentlassungsanzeige oder auch eine Anzeige, der die Stellungnahme des Betriebsrates nicht beigefügt ist, führt zur Unwirksamkeit sämtlicher betroffener Kündigungen, ohne dass diese Mängel durch den Bescheid der Agentur für Arbeit heilbar wären. BAG, Urt. v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 ff.

Die Anzeigepflicht gilt sowohl für Beendigungskündigungen als auch für Auf- 708 hebungsverträge und Änderungskündigungen – unabhängig davon, ab der Arbeitnehmer das unterbreitete Änderungsangebot angenommen hat oder ablehnt. BAG, Urt. v. 20.2.2014 – 2 AZR 346/12, DB 2014, 2051 ff.

Dementsprechend sind auch die für den Wechsel in eine Transfergesellschaft 709 erforderlichen Aufhebungsverträge anzeigepflichtig gemäß § 17 KSchG. Hierbei ist insbesondere auch auf die Entlassungssperrfrist von regelmäßig einem Monat zu achten, innerhalb derer Entlassungen nicht wirksam werden, sofern die Agentur dem früheren Wirksamwerden nicht zustimmt, § 18 KSchG. Sollen die Arbeitnehmer unmittelbar nach der Eröffnung des Insolvenzver- 710 fahrens in eine Transfergesellschaft wechseln, muss der Insolvenzverwalter zur Wirksamkeit der Aufhebungsverträge daher vor der Unterzeichnung der Aufhebungsverträge die korrekte Massenentlassungsanzeige abgeben und diese Massenentlassungsanzeige zum anderen mit einem Antrag auf Abkürzung der Sperrfrist (ggf. bis auf „null“) verbinden. 5. Kombinationsmöglichkeiten Soweit die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse, die wirtschaftliche Situa- 711 tionen des schuldnerischen Unternehmens und die vorhandene Zeit es er161

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

möglichen, können die unter den Rn. 613 ff., 655 ff. und 686 ff. dargestellten Modelle in unterschiedlichen Varianten miteinander kombiniert werden. So kann z. B. die Überleitung in die Transfergesellschaft mit einer Kündigung der betroffenen Arbeitnehmer auf Grundlage eines verbindlichen Erwerberkonzeptes kombiniert werden. In dem Interessenausgleich, der auf Grundlage des Erwerberkonzeptes erfolgt, kann vereinbart werden, dass den zu kündigenden Arbeitnehmern zusätzlich eine Überleitung in eine Transfergesellschaft angeboten wird. Zeitgleich zur Kündigung bietet der Insolvenzverwalter den betroffenen Arbeitnehmern den Abschluss eines Aufhebungsvertrages bei gleichzeitiger Überleitung in die BQG an. 712 Konterkariert werden können die Bemühungen, eine übertragende Sanierung unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen, oben dargestellten Gestaltungsmodelle zu ermöglichen, durch das Arbeitskampfrecht. 713 Das BAG hat in zwei Entscheidungen, BAG, Urt. v. 24.4.2007 – 1 AZR 252/06, NZA 2007, 987 ff. sowie BAG, Urt. v. 19.6.2007 – 1 AZR 396/06, NZA 2007, 1055 ff.,

die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss eines Abfindungstarifvertrages zielen, und damit zugleich die höchst umstrittene Rechtmäßigkeit derartiger Tarifverträge bestätigt. Vgl. hierzu ausführlich Th. Schmidt, ZInsO 2008, 247 ff.

714 Dem Insolvenzverfahren war ein Abfindungstarifvertrag bisher fremd. Soweit eine Betriebsänderung ansteht bzw. -stand, war ein Interessenausgleich und Sozialplan zu schließen, soweit ein Betriebsrat im schuldnerischen Unternehmen gebildet war. 715 Im Zusammenhang mit etwaig anstehenden Abfindungstarifverträgen stellt sich nun die Frage, ob in der Insolvenz die Begrenzungsregeln des § 123 InsO auch für Abfindungstarifverträge gelten. In der bisher hierzu vorhandenen Literatur wird eine Übertragung der Begrenzungen abgelehnt. Th. Schmidt, ZInsO 2008, 247 ff.

VIII. Betriebliche Renten und Zusagen im Insolvenzfall 716 Umfang und Wert von betrieblichen Versorgungsverpflichtungen sind im Rahmen des Unternehmenskaufs sorgfältig durch eine Due Diligence zu beurteilen, da insoweit erhebliche zukünftige Verpflichtungen dem Grunde nach bestehen können. Bedeutsam sind insoweit die arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Unternehmensveräußerung auf die jeweiligen Versorgungszusagen. Zur Due Diligence bei betrieblichen Versorgungsleistungen im Rahmen des Unternehmenskaufs allgemein vgl. Kleffmann/Reich, BB 2009, 214 ff.; Höfer/Lüschper/Verhuven, DStR 2005, 1829, 1830; vertiefend H. J. Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/SeibtSchnitker, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, Kap. J Rn. 688 ff.

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VIII. Betriebliche Renten und Zusagen im Insolvenzfall

Zur betrieblichen Altersversorgung gehören alle Leistungen der Alters-, In- 717 validitäts- oder Hinterbliebenenversorgung, die dem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt werden (§ 1 Abs. 1 BetrAVG). Dabei kann der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung unmittelbar selbst oder über eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung (Pensionskasse oder Pensionsfonds; vgl. § 1b Abs. 3 BetrAVG) durchführen. Außerdem kann der Arbeitgeber eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers abschließen und dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen ein Bezugsrecht auf die Ansprüche aus der Lebensversicherung einräumen (Direktversicherung; § 1b Abs. 2 BetrAVG) oder er kann die betriebliche Altersversorgung durch eine Unterstützungskasse durchführen lassen, ohne dass diese für ihre Leistungen dem Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gewährt (§ 1b Abs. 4 BetrAVG). In allen diesen Fällen hat der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung einzustehen. Im Rahmen eines Share Deals bleibt der Arbeitgeber i. S. d. BetrAVG iden- 718 tisch, da der Wechsel in den Beteiligungsverhältnissen für den Bestand der Versorgungsverpflichtungen keine Bedeutung hat. Der Erwerber muss insoweit mittelbar in seiner Eigenschaft als neuer Gesellschafter wirtschaftlich die Versorgungsverpflichtungen tragen, die das Unternehmen unter Führung der früheren Gesellschafter eingegangen ist. Soll die Übertragung der Versorgungsverpflichtungen vermieden werden, so kommt – insbesondere bei Gesellschaftern – ein (ggf. entgeltlicher) Verzicht des Berechtigten auf die Versorgungsanwartschaft in Betracht. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die steuerlichen Wirkungen des Verzichts ggf. gegen Abfindung zu berücksichtigen. Gehen mit der Übertragung eines Betriebs oder Betriebsteils im Rahmen eines 719 Asset Deals nach § 613a BGB auch die im Betrieb bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den neuen Inhaber über, so gilt dies auch für eine betriebliche Altersversorgung der übernommenen (aktiven) Arbeitnehmer. Der Erwerber tritt auch insoweit in alle Rechte und Pflichten des alten Betriebsinhabers ein und übernimmt also sämtliche bereits entstandenen Versorgungsansprüche oder -anwartschaften der vom Betriebsübergang erfassten Arbeitnehmer. Dagegen verbleiben Versorgungsansprüche früherer Arbeitnehmer des Un- 720 ternehmens im Rahmen eines Asset Deals beim Unternehmensveräußerer, sodass folglich die Versorgungsverpflichtungen gegenüber Rentnern sowie ausgeschiedenen Arbeitnehmern mit unverfallbaren Anwartschaften nicht auf den Erwerber übergehen. Vgl. H. J. Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt-Schnitker, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, Kap. J Rn. 415.

Kann der Arbeitgeber infolge einer Insolvenz seinen Verpflichtungen aus der 721 betrieblichen Altersversorgung nicht mehr nachkommen, so übernimmt der

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Pensions-Sicherungs-Verein (PSV), ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, als Träger der Insolvenzsicherung von Ansprüchen aus einer betrieblichen Altersversorgung im Rahmen von § 7 BetrAVG die Rentenzahlungen, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Der PSV finanziert sich dabei aus den gemäß § 10 BetrAVG zu leistenden Beiträgen aller Arbeitgeber, die Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung zugesagt haben. 722 Ausnahmsweise kann der Sicherungsfall gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BetrAVG auch außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens durch Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs mit Zustimmung des PSV herbeigeführt werden. Der PSV ist zur Erteilung der Zustimmung nicht verpflichtet und stimmte bisher in der Praxis nur sehr selten insoweit zu. Maßgeblich für die Entscheidung über die Zustimmung des PSV sollte die objektive Sanierungsfähigkeit des Unternehmens zwecks Vermeidung einer Insolvenz und hierdurch drohenden höheren Einstandspflicht des PSV sein. Vgl. FK-Griebeling, InsO, Anhang BetrAVG Rn. 19 ff.

723 Aufgrund dieser Insolvenzsicherung nach dem BetrAVG bestehen in der Insolvenz des Arbeitgebers keine besonderen Schutzvorschriften zugunsten rückständiger Forderungen der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber auf Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung. Derartige Ansprüche können gegenüber dem Insolvenzverwalter nur als einfache Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. Da diese Forderungen gemäß § 9 Abs. 2 BetrAVG auf den PSV übergehen, stehen sie nicht mehr den Arbeitnehmern zu. Die Forderungen sind im Insolvenzverfahren vom PSV als unbedingte Forderungen nach § 45 InsO mit dem Wert geltend zu machen, den sie zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung haben. Dieser Wert ist nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu schätzen. Vgl. FK-Griebeling, InsO, Anhang BetrAVG Rn. 132 f.

724 Sobald das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet wird bzw. in den übrigen Fällen des § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 – 3 BetrAVG der PSV dem Berechtigten die ihm zustehenden Ansprüche oder Anwartschaften schriftlich mitteilt, gehen die Ansprüche oder Anwartschaften des Berechtigten gegen den Arbeitgeber, soweit sie den Anspruch des Berechtigten gegen den PSV begründen, nach § 9 Abs. 2 BetrAVG auf den PSV über. 725 Sind die Ansprüche des Arbeitnehmers aus der betrieblichen Altersversorgung gegen eine Insolvenz des Arbeitgebers zusätzlich gesichert, so geht auch diese Sicherung, sofern sie die auf den PSV übergegangenen Ansprüche betrifft, mit diesen nach § 9 Abs. 2 BetrAVG auf den PSV über. FK-Griebeling, InsO, Anhang BetrAVG Rn. 134.

726 So kann es sein, dass der Arbeitgeber Einzahlungen des Arbeitnehmers in die betriebliche Altersversorgung auf eine Depotstelle übertragen und seine ge164

VIII. Betriebliche Renten und Zusagen im Insolvenzfall

gen diese gerichteten Ansprüche dem Arbeitnehmer zur Sicherung dessen Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung für den Fall einer Insolvenz des Arbeitgebers verpfändet hat. Darin liegt eine Insolvenzsicherung des Arbeitnehmers, weil dieser in der Insolvenz des Arbeitgebers aufgrund seines Pfandrechts zu einer abgesonderten Befriedigung aus den gegen die Depotstelle gerichteten Ansprüchen des Arbeitgebers berechtigt ist. Derselbe Effekt wird durch die Übertragung der Einzahlungen auf einen Treuhänder erreicht, der diese Mittel treuhänderisch sowohl für den Arbeitgeber als auch – für den Fall dessen Insolvenz – für den Arbeitnehmer verwaltet (sog. „Contractual-Trust-Arrangement“ [CTA] als sog. doppelseitige Treuhand). In beiden Fällen stehen die sich daraus ergebenden Absonderungsrechte, soweit die Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 2 BetrAVG auf den PSV übergegangen sind, in der Insolvenz des Arbeitgebers dem Treuhänder zugunsten des PSV zu. Vgl. Berenz, DB 2004, 1098, 1099; zur Insolvenzfestigkeit der Doppeltreuhand vgl. auch Küppers/Louven/Schröder, BB 2005, 763, 764 f.; allgemein zum CTA vgl. Rößler, BB 2010, 1405 ff.

Zu beachten ist jedoch, dass der Anspruch gegen den PSV nach § 7 Abs. 3 727 BetrAVG der Höhe nach begrenzt ist auf das dreifache der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV, die in dem Zeitpunkt gilt, in dem der erste Anspruch gegen den PSV fällig wird. Die Höchstgrenze beträgt bei laufenden Leistungen für das Jahr 2016 monatlich 8.715,00 € (alte Bundesländer) bzw. 7.560,00 € (neue Bundesländer). Bei Ansprüchen auf Kapitalleistungen ist der Anspruch gegen den PSV nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG auf 10 % der Leistung als Jahresbetrag einer (entsprechenden) laufenden Leistung begrenzt. Soweit dem Arbeitnehmer über die in § 7 Abs. 3 BetrAVG geregelte Höchst- 728 grenze hinaus Ansprüche gegen den insolventen Arbeitgeber aus seiner betrieblichen Altersversorgung zustehen, verbleiben die für den Anspruch geschaffenen Insolvenzsicherungen beim Arbeitnehmer. Dieser kann die Sicherungen und die sich daraus insbesondere ergebenden Rechte auf abgesonderte Befriedigung vor dem PSV geltend machen, auf den das Absonderungsrecht im Rahmen von § 9 Abs. 2 BetrAVG bis zur Höhe der Höchstgrenze nach § 7 Abs. 3 BetrAVG übergeht. Grund ist, dass der PSV den Übergang eines Sicherungsrechts wegen § 9 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG nicht zum Nachteil des Berechtigten geltend machen kann. Hierzu Berenz, DB 2004, 1098, 1099.

Beim Erwerb eines Betriebes aus der Insolvenz im Rahmen der sog. übertra- 729 genden Sanierung haftet der Erwerber nur für den Teil der betrieblichen Versorgungsansprüche, der nach Insolvenzeröffnung erdient worden ist und künftig erdient wird. Diese Haftungsbegrenzung des Erwerbers ergibt sich aus dem Prinzip der Gläubigergleichbehandlung und erleichtert die Veräußerung von Betriebsteilen aus der Insolvenz. Maßgeblich ist insoweit, dass die bis zum Insolvenzeröffnungszeitpunkt erdienten Versorgungsansprüche als

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Insolvenzforderungen nicht durch einen späteren Betriebsübergang befriedigt werden sollen. BAG, Urt. v. 13.11.1986 – 2 AZR 771/85, ZIP 1987, 525, 526; BAG, Urt. v. 30.10.2008 – 8 AZR 54/07, ZIP 682, 683.

730 Bei Eintritt des Versorgungsfalls hat der Erwerber folglich nur den Teil des Vergütungsanspruchs zu erfüllen, der auf die Beschäftigungszeiten nach der Insolvenzeröffnung entfällt. Die bei Insolvenzeröffnung bestehenden unverfallbaren Versorgungsansprüche sind vom PSV zu erfüllen. Die bereits erdienten aber zum Insolvenzeröffnungszeitpunkt noch verfallbaren Versorgungsanwartschaften können von den Arbeitnehmern lediglich als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. BAG, Urt. v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, BB 1986, 1644 ff.; FK-Griebeling, InsO, Anhang BetrAVG Rn. 35.

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen in Krise, Insolvenz und Sanierung 1. Steuerliche Interessen des Veräußerers in der Krise 731 Die Veräußerung in der Krise führt regelmäßig zu einem Veräußerungsverlust bei dem Veräußerer. Die Art und Weise der Berücksichtigung dieses Veräußerungsverlustes ist in steuerlicher Hinsicht abhängig von der Rechtsform des zu veräußernden Unternehmens und des Veräußerers selbst. Hinsichtlich des zu verkaufenden Unternehmens ist auch steuerlich zwischen der Veräußerung von Wirtschaftsgütern bzw. Personengesellschaftsanteilen (steuerlicher Asset Deal) und der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (steuerlicher Share Deal) zu unterscheiden. Bezüglich der Steuerbelastung des Veräußerers ist dagegen zwischen Kapitalgesellschaften (und ihren Anteilseignern) und natürlichen Personen zu differenzieren. a) Asset Deal aa) Veräußerer ist eine natürliche Person 732 Der Verkauf eines gewerblichen Unternehmens durch eine natürliche Person im Wege eines Asset Deals führt zu Einkünften aus Gewerbetrieb gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Veräußerung durch den Insolvenzverwalter vorgenommen wird; die Veräußerungshandlungen des Insolvenzverwalters stehen denen des Schuldners, der der Steuerpflichtige ist, gleich. Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rn. 139.

733 Die Veräußerung von Wirtschaftsgütern durch den Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nach Ansicht des BFH jedoch im Hinblick auf die bei der Hebung stiller Reserven entstehenden Steuern zu Masseverbindlichkeiten. Danach wird nur auf den Zeitpunkt der Realisation

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

abgestellt und auf die tatsächliche Entstehung der stillen Reserven – vor der Insolvenz – soll es nicht ankommen. BFH, Urt. v. 16.5.2013 – IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759 ff, vgl. auch Urt. v. 16.4.2015 – III R 21/11, BStBl. II 2016, 29; Beschl. v. 12.10.2015 – VIII B 143/14, BFH/NV 2016, 40.

Diese Auffassung wird insolvenzrechtlich zu Recht kritisiert, da Massever- 734 bindlichkeiten im Rang von § 55 InsO systematisch lediglich dann begründet werden können, wenn sie die Aufdeckung stiller Reserven betreffen, die nach Insolvenzeröffnung entstanden sind. Die bereits vor Insolvenzeröffnung gebildeten stillen Reserven sind dagegen bereits mit einer vorinsolvenzrechtlich begründeten latenten Steuerverbindlichkeit belastet, die richtigerweise nur als einfache Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO geltend gemacht werden kann. MüKo-Schüppen/Ruh, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 53; Kahlert, DStR 2013, 1587 f.; Schmittmann, EWiR 2013, 621 f.; kritisch Waza/Uhländer/Schmittmann-Uhländer, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1467 ff.

Veräußerungsgewinn ist gemäß § 16 Abs. 2 EStG der Betrag, um den der Ve- 735 räußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG zu ermittelnden Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Dieser Veräußerungsgewinn unterliegt der Einkommensteuer, wobei nach § 1 Abs. 4 EStG ein Freibetrag von bis zu 45.000 € oder der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG zur Anwendung kommt, wenn Gegenstand der Veräußerung der gesamte Betrieb mit seinen wesentlichen Betriebsgrundlagen oder ein insoweit gleichgestellter Teilbetrieb ist und der Veräußerer das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig ist. Zu den Voraussetzungen für wesentliche Betriebsgrundlagen im Rahmen der kombinierten funktional-quantitativen Betrachtungsweise vgl. L. Schmidt-Wacker, EStG, § 16 Rn. 101 ff. m. w. N., zum Teilbetriebsbegriff vgl. Rn. 143 ff.

Der ermäßigte Steuersatz von 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes wird 736 allerdings gemäß § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG nur einmal im Leben begrenzt auf einen Veräußerungsgewinn von bis zu 5 Mio. € gewährt. Liegen die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG nicht vor, so kommt auf Antrag gemäß § 34 Abs. 1 EStG eine Progressionsmilderung im Rahmen der sog. Fünftelungsregelung zur Anwendung. Der Veräußerungsgewinn einer natürlichen Person unterliegt nicht der Gewerbesteuer (vgl. § 7 Satz 2 GewStG; R 7.1 (3) GewStR). Bei einem Unternehmensverkauf in der Krise kommt insbesondere die Reali- 737 sierung eines Veräußerungsverlustes in Betracht. Veräußerungsverluste gemäß § 16 Abs. 1 EStG sind als gewerbliche Einkünfte dem Grunde nach abzugsund ausgleichsfähig und innerhalb eines Veranlagungszeitraums uneingeschränkt möglich. Jedoch besteht für die periodenübergreifende Verlustverrechnung gemäß § 10d EStG eine betragsgemäße Begrenzung. Danach besteht eine Art Mindestbesteuerung bezüglich der Verlustverrechnung unter167

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

schiedlicher Veranlagungszeiträume, wonach ein Verlustrücktrag gemäß § 10d Abs. 1 EStG auf 1 Mio. € (bei Zusammenveranlagung auf 2 Mio. €) beschränkt ist und der Verlustvortrag gemäß § 10d Abs. 2 EStG pro Veranlagungszeitraum auf bis zu 1 Mio. € (bei Zusammenveranlagung 2 Mio. €) zuzüglich 60 % des übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte begrenzt wird. Vgl. zur Verlustverrechnung ab 2004 Intemann/Nacke, DStR 2004, 1149 ff.; Groß/Steiger, DStR 2004, 1203 ff.; Lindauer, BB 2004, 2720 ff.; allgemein Orth, FR 2005, 515 ff.

738 Nach Auffassung des BFH ist ernstlich zweifelhaft, ob die Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG verfassungsrechtlichen Anforderungen auch dann standhält, wenn eine Verlustverrechnung in späteren Veranlagungszeiträumen aus rechtlichen Gründen endgültig ausgeschlossen ist. BFH, Beschl. v. 26.8.2010 – I B 49/10, DStR 2010, 2179 ff.; vgl. Röder, StuW 2012, 18 ff.

739 Diese Frage hat der BFH dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt (vgl. BVerfG – 2 BvL 19/14). BFH, Beschl. v. 26.2.2014 – I R 59/12, BStBl. II 2014, 1016 ff.

740 Der Ansicht des BFH nach könnte die Grenze zum Kernbereich der Gewährleistung eines Verlustausgleichs überschritten sein, wenn der Mindestbesteuerung die Wirkung eines endgültigen Ausschlusses der Verlustverrechnung zukommt. Dies kommt beispielsweise im Zusammenwirken mit schädlichen Beteiligungserwerben i. S. d. § 8c KStG in Betracht. Eine überschießende Wirkung der Mindestbesteuerung kommt aber beispielsweise auch im Rahmen der Liquidation des Unternehmens in Betracht und ist insoweit ebenfalls nicht mit den ertragsteuerlichen Grundsätzen der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in der abschnittsübergreifenden Totalgewinnperiode zu vereinbaren. In beiden Fällen führt die Mindestbesteuerung nicht lediglich zu einer „Zeitstreckung“, sondern zu einer endgültigen „Verlustvernichtung“. In Fällen, in denen es aufgrund des Zusammenwirkens von Mindestbesteuerung und eines tatsächlichen oder rechtlichen Grundes zu einem endgültigen Ausschluss einer Verlustnutzungsmöglichkeit kommen kann, gewährt die Finanzverwaltung auf Antrag Aussetzung der Vollziehung. BMF-Schreiben v. 19.10.2011, BStBl. I 2011, 974 f.

741 Bei der Gewerbesteuer können Verluste gemäß § 10a GewStG lediglich vorgetragen werden und sind bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. € von künftigen Gewerbeerträgen abzuziehen. Der übersteigende Verlustvortrag ist lediglich in Höhe von 60 % des überschießenden Gewerbeertrags zu berücksichtigen.

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Beispiel: Der Unternehmer U bildet zum 31.12.15 in der Handelsbilanz eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe von 5 Mio. €, die steuerlich gemäß § 5 Abs. 4a EStG nicht gebildet werden darf. Der steuerliche Gewinn in 15 beträgt daher 5 Mio. €. Im Folgejahr 16 realisiert U die Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe von 5 Mio. € und erzielt im Übrigen ein ausgeglichenes Ergebnis von 0 €. Im Folgejahr 17 realisiert U ein steuerliches Einkommen in Höhe von 5 Mio. €. Das steuerliche Einkommen von U in 15 in Höhe von 5 Mio. € kann hinsichtlich der Einkommensteuer nachträglich im Wege des Verlustrücktrages gemäß § 10d Abs. 1 EStG in Höhe von 1 Mio. € reduziert werden. Zum 31.12.16 wird dann für U jeweils ein Verlustvortrag für die Einkommensteuer in Höhe von 4 Mio. € und für die Gewerbesteuer in Höhe von 5 Mio. € festgestellt. Im Folgejahr 17 wird der Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. der Gewerbeertrag von U dann aufgrund des Verlustvortrages im Rahmen der Einkommen- und Gewerbesteuer jeweils um 3,4 Mio. € (1 Mio. € + 60 % von 4 Mio. €) gemindert. Der verbleibende Verlustvortrag per 31.12.17 beträgt bei U dann im Rahmen der Einkommensteuer 600.000 € und im Rahmen der Gewerbesteuer 1,6 Mio. €. Im Ergebnis wird verdeutlicht, dass das steuerliche Einkommen in den Jahren 15 – 17 durch die Verlustverrechnungsbeschränkungen gemäß § 10d EStG beeinflusst wird. Hierdurch können erhebliche Steuerbelastungen entstehen, die erst nachträglich im Rahmen der beschränkten Verlustvortragsverrechnung ausgeglichen werden. bb) Veräußerung von Mitunternehmeranteilen Die vorgenannten Grundsätze zur Besteuerung von Veräußerungsgewinnen 742 gemäß §§ 16, 34 EStG gelten entsprechend für die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen durch unmittelbare Gesellschafter einer Personengesellschaft, die natürliche Personen sind. Umfasst ein Mitunternehmeranteil auch Sonderbetriebsvermögen mit wesent- 743 lichen Betriebsgrundlagen, so liegt allerdings nur dann eine begünstigte Veräußerung gemäß §§ 16, 34 EStG vor, wenn diese wesentlichen Betriebsgrundlagen mit übertragen werden, ohne dass dies unentgeltlich geschieht. Der Veräußerer kann diese Wirtschaftsgüter stattdessen auch in sein Privatvermögen überführen und hierdurch eine begünstigte Betriebsaufgabe bewirken. Der gemeine Wert der überführten Wirtschaftsgüter ist dann zusammen mit dem Kaufpreis für den Mitunternehmeranteil begünstigter Gewinn (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 6 f. EStG). Werden dagegen wesentliche Betriebsgrundlagen aus dem Sonderbetriebsvermögen des Veräußerers im Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung zu Buchwerten in ein anderes Betriebsvermögen überführt, so entfällt die Begünstigung gemäß §§ 16, 34 EStG. Schließlich kann die Steuervergünstigung nach §§ 16, 34 EStG nur dann in Anspruch genommen

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

werden, wenn sämtliche stille Reserven des Mitunternehmeranteils aufgedeckt werden. BFH, Urt. v. 6.9.2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229 ff.; vgl. weiterführend L. Schmidt-Wacker, EStG, § 16 Rn. 414 ff.

744 Im Rahmen der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen kann zudem ein Veräußerungsgewinn eines Gesellschafters im Zusammenhang mit seinem negativen Kapitalkonto zu berücksichtigen sein. Scheidet ein Gesellschafter als Mitunternehmer einer Personengesellschaft aus, ohne sein negatives Kapitalkonto ausgleichen zu müssen, so erhöht sich insoweit der Veräußerungsgewinn entsprechend, unabhängig davon, ob das negative Kapitalkonto durch laufende Verluste – bei Kommanditisten ggf. nur verrechenbare Verluste gemäß § 15a EStG – oder durch Entnahmen verursacht worden ist. Vgl. L. Schmidt-Wacker, EStG, § 16 Rn. 469 ff.; Kahlert/Rühland-Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rn. 5.113 ff.

Beispiel: Das Kapitalkonto des Kommanditisten K ist negativ in Höhe von 1 Mio. € und es besteht ein verrechenbarer Verlust gemäß § 15a Abs. 2 EStG in Höhe von 500.000 €. Der Erwerber übernimmt diesen Kommanditanteil ohne Zahlung eines zusätzlichen Kaufpreises. Es entsteht bei K ein Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG in Höhe von 1 Mio. €. Von diesem Veräußerungsgewinn sind die vorhandenen nur verrechenbaren Verluste gemäß § 15a Abs. 2 EStG abzuziehen, sodass ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn in Höhe von 500.000 € verbleibt. 745 Mithin sind nicht auszugleichende negative Kapitalkonten bei Veräußerung von Kommanditanteilen nur dann ohne einkommensteuerrechtliche Wirkung, wenn aufgrund von Verlustzuweisungen in der Vergangenheit noch entsprechende verrechenbare Verluste gemäß § 15a EStG vorhanden sind. L. Schmidt-Wacker, EStG, § 15a Rn. 224.

cc) Thesaurierungsbesteuerung von Personengesellschaften 746 Im Zuge des Unternehmensteuerreformgesetzes von 2008 wurde mit § 34a EStG auch für Personengesellschaften die Möglichkeit geschaffen, nicht ausgeschütteten Gewinn mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Nach dieser Vorschrift sind Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit auf Antrag ganz oder teilweise mit einem festen Steuersatz in Höhe von 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag zu besteuern. Da der Gesetzgeber mit der Regelung eine Annäherung der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften bzw. Einzelunternehmen beabsichtigte, ist der Steuersatz so festgesetzt, dass er ungefähr demje-

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

nigen der Thesaurierungsbelastung bei Kapitalgesellschaften entspricht (Ziel soll nicht die vollständige Belastungsneutralität sein). Breithecker/Förster/Förster/Klapdor-Breithecker, Unternehmensteuerreformgesetz 2008, § 34a Rn. 1; L. Schmidt-Wacker, EStG, § 34a Rn. 1 – 6.

Zu beachten ist, dass die sog. Thesaurierungsbegünstigung nicht endgültig ist. 747 Vielmehr kommt es gemäß § 34a Abs. 4 EStG grundsätzlich immer dann zu einer Nachversteuerung, wenn der Saldo der Entnahmen eines Wirtschaftsjahres die geleisteten Einlagen und den ermittelten Gewinn übersteigen. Der Steuersatz beträgt 25 % des Nachversteuerungsbetrages, § 34a Abs. 4 Satz 2 EStG. Eine Beispielrechnung findet sich bei Brönner-Bareis, Die Besteuerung der Gesellschaften, Z III Rn. 50.

Die Regelung der Nachversteuerung erweist sich insbesondere in den Krisen- 748 fällen als problematisch, da infolge von Verlusten Überentnahmen vorliegen dürften, sodass es zu Nachversteuerungsbeträgen kommt. Darüber hinaus kommt es in den hier besonders interessierenden Fällen einer 749 Betriebsveräußerung gemäß § 16 Abs. 1 EStG zur Nachversteuerung, § 34a Abs. 6 Nr. 1 EStG. Solche Fälle kommen daher einer Vollausschüttung gleich mit der Folge, dass der Betrag der Nachversteuerung mit eingerechnet werden muss. dd) Veräußerung durch Kapitalgesellschaft Bei Kapitalgesellschaften ist der Gewinn aus dem Verkauf eines Betriebes oder 750 Teilbetriebes im Rahmen eines Asset Deals gewerbe- und körperschaftsteuerpflichtig. Dies gilt gemäß § 7 Satz 2 GewStG auch für die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen. Lediglich bei Gewinnen aus der (Mit-)Veräußerung von Grund und Boden, Gebäuden sowie Binnenschiffen kommt die Vermeidung der steuerlichen Gewinnrealisierung durch Bildung einer Rücklage gemäß § 6b EStG unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht. Gewinne, die bei der Veräußerung im Rahmen eines Asset Deals erzielt werden, 751 können nicht ohne Weiteres mit bestehenden Verlustvorträgen verrechnet werden. Denn die Nutzung steuerlicher Verlustvorträge einer Kapitalgesellschaft richtet sich nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10d EStG und unterliegt mithin der sog. Mindestbesteuerung. Danach sind Verluste oder vielmehr Verlustvorträge grundsätzlich nur bis zu 1 Mio. € vollständig mit laufenden Einkünften ausgleichsfähig. Diesen Betrag übersteigende positive Einkünfte werden nur in Höhe von 60 % durch den verbleibenden Verlustvortrag gemindert. Die Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG kann daher bei einem Asset Deal im Zusammenhang mit der Liquidation der Kapitalgesellschaft zu einer Steuerbelastung trotz entsprechender nomineller Verlustvorträge führen. Unter Umständen sollte der Veräußerungsgewinn daher erst nach dem Liquidationsbeschluss realisiert werden, um im Rahmen der Abwicklungsbe-

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

steuerung gemäß § 11 KStG – verlängerter Besteuerungszeitraum bis zu drei Jahre – den Veräußerungsgewinn mit den nachfolgenden Betriebsausgaben im Rahmen der Abwicklung zu verrechnen. Es sollten insoweit die alternativen Steuerszenarien vor dem Liquidationsbeschluss bzw. Asset Deal verglichen werden. 752 Auch in der Insolvenz kann die Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG zu gravierenden Steuerbelastungen führen, wenn im Rahmen der Abwicklungsbesteuerung gemäß § 11 KStG erhebliche Gewinne – z. B. bei Verwertung originärer immaterieller nicht aktivierungsfähiger Vermögensgegenstände (Patente, Lizenzen, etc.) oder Wegfall von Rückstellungen etc. – entstehen. Vgl. Gilz/Kluth, DStR 2005, 184 f. zur Mindestbesteuerung bei Gewinnen wegen Auflösung von Rückstellungen u. w. Passivposten in der Insolvenz; Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 74 ff.

b) Share Deal 753 Im Rahmen der Besteuerung des Share Deals an einer Kapitalgesellschaft ist vorab zwischen verschiedenen Anteilseignern – natürlichen und juristischen Personen – zu differenzieren. aa) Veräußerer ist eine natürliche Person 754 Anteilsveräußerungen natürlicher Personen unterliegen im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 1 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist (§ 17 EStG) oder Anteilsveräußerungen aus steuerlichem Betriebsvermögen erfolgen, sowie im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalmaßnahmen in allen sonstigen Fällen, wenn die Anschaffung der Anteile vor dem 1. Januar 2009 erfolgte. (1) Einkünfte aus Gewerbebetrieb 755 Für die steuerpflichtigen Anteilsveräußerungen natürlicher Personen nach § 17 EStG gilt gemäß § 3 Nr. 40c i. V. m. § 3c Abs. 2 EStG das sog. Teileinkünfteverfahren, wonach 60 % des Veräußerungsgewinns mit dem persönlichen Steuersatz zu besteuern sind. Veräußerungsverluste sind korrespondierend nur zu 60 % steuerlich verwertbar. Beispiel: X ist zu 100 % an der X-GmbH mit einem Stammkapital in Höhe von 100.000 € beteiligt. Des Weiteren hat X Darlehen mit einem von vornherein vereinbarten Rangrücktritt in Höhe von 1 Mio. € gewährt und sich für das valutierende Kontokorrentdarlehen in Höhe von 200.000 € selbstschuldnerisch verbürgt. Bei Gründung der GmbH waren Beratungs- und Notarkosten in Höhe von 10.000 € bei X entstanden. 172

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

X vereinbart mit dem Erwerber E die Übertragung der Anteile an der X-GmbH für einen Kaufpreis in Höhe von 50.000 € unter der Bedingung, dass X auf seinen Darlehensanspruch unwiderruflich verzichtet und zudem im Wege der Schuldübernahme das Kontokorrentdarlehen übernimmt (Verkauf „Debt Free“). Die Veräußerungskosten trägt der Erwerber. Lösung: X erzielt folgenden Veräußerungsverlust gemäß § 17 Abs. 2 EStG: Veräußerungspreis ./. Anschaffungskosten X-Anteile ./. Anschaffungsnebenkosten

50.000 € 100.000 € 10.000 €

./. Nachträgliche Anschaffungskosten: ./. Krisendarlehen ./. Bürgschaft/Schuldübernahme Veräußerungsverlust

1.000.000 € 200.000 € 1.260.000 €

Nach § 3 Nr. 40c Satz 1 EStG sind lediglich 60 % des Veräußerungsverlusts zu berücksichtigen, sodass vorliegend X gemäß § 17 EStG einen Veräußerungsverlust in Höhe von 756.000 € steuerlich geltend machen kann. Ein Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG ermittelt sich entsprechend 756 § 17 Abs. 2 EStG und ist grundsätzlich in dem Jahr zu erfassen, in dem – bei vorangegangener gesellschaftsrechtlicher Auflösung – mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Bei Insolvenz der Gesellschaft ist insoweit nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens der Auflösungsverlust des Anteilseigners gemäß § 17 Abs. 4 EStG realisiert. Ausnahmsweise kann bereits vor Vollbeendigung der Kapitalgesellschaft der Veräußerungsverlust des Anteilseigners realisiert werden, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes wegen Vermögenslosigkeit (nur noch geringfügiges Aktivvermögen) der Kapitalgesellschaft nicht mehr zu rechnen ist. Eine Überschuldung reicht dagegen nach Auffassung des BFH nicht aus, obwohl hierdurch dokumentiert wird, dass die Gesellschaft per Saldo vermögenslos ist. Vgl. zuletzt BFH, Beschl. v. 3.12.2014 – IX B 90/14, BFH/NV 2015, 493; BFH, Urt. v. 1.7.2014 – IX R 47/13, DStRE 2014, 1230 ff.; BFH, Beschl. v. 8.6.2011 – IX B 157/10, BFH/NV 2011, 1510; BFH, Beschl. v. 29.12.2008 – X B 141/08, BFH/NV 2009, 581; BFH, Beschl. v. 22.11.2005 – VIII B 308/04, BFH/NV 2006, 539 f.; BFH, Urt. v. 21.1.2004 – VIII R 2/02, BStBl. II 2004, 551 ff.; BFH, Urt. v. 25.3.2003 – VIII R 24/02, DStRE 2003, 1025 f.; BFH, Urt. v. 27.11.2001 – VIII R 36/00, BStBl. II 2002, 731 ff.; BFH, Urt. v. 25.1.2000 – VIII R 63/98, BStBl. II 2000,

173

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle 343 ff.; vgl. auch FG Berlin, Urt. v. 8.7.2009 – 7 K 3183/05, EFG 2009, 1644; Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 198.

757 Die vorgenannte Rechtsprechung des BFH ist insbesondere im Zusammenhang mit einem etwaigen Verlustrücktrag gemäß § 10d EStG des Anteilseigners zu berücksichtigen. Die bewusste Realisation eines Veräußerungsverlustes durch Verkauf der Anteile gemäß § 17 EStG kann insoweit steuerlich zwecks Rückerstattung von festgesetzten Einkommensteuern des Vorjahres mittels Verlustrücktrags sinnvoll sein. Zudem ist auf der Ebene des Gesellschafters zu prüfen, ob und in welcher Höhe bei diesem noch nachträgliche Anschaffungs- oder sonstige Aufgabekosten angefallen sind. 758 Hinsichtlich des Gesellschafterdarlehens waren bis zum Inkrafttreten des MoMiG zum 1. November 2008 die Grundsätze zum Eigenkapitalersatzrecht zu berücksichtigen. Danach konnte ein bereits vor der Krise (also vor dem Wertloswerden) gewährtes krisenbestimmtes Darlehen (z. B. aufgrund vorherigen qualifizierten Rangrücktritts) zum Nominalwert als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung berücksichtigt werden. Anderenfalls war von einem steuerrechtlich irrelevanten Vermögenssubstanzverlust auszugehen. Wie der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil nach Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG behandelt wird, ist gegenwärtig noch nicht abschließend geklärt. Die gesetzliche Subordination nach der InsO führt unseres Erachtens nunmehr dazu, dass auch der nicht werthaltige Teil als nachträgliche Anschaffungskosten anzusehen ist. Vgl. Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 221; L. Schmidt-Weber-Grellet, EStG, § 17 Rn. 172; a. A. BMF-Schreiben v. 21.10.2010, BStBl. I 2010, 832 ff., wonach trotz des gesetzlichen Nachrangs aufgrund des MoMiG weiterhin die steuerliche Anknüpfung an den Begriff der Krise beibehalten werden soll.

759 Nach Auffassung des BFH gilt dies jedenfalls für „krisenbestimmte“ und „finanzplanmäßige“ Darlehen. BFH, Urt. v. 25.5.2011 – IX R 54/10, BFH/NV 2011, 2029 ff.; BFH, Beschl. v. 30.4.2013 – IX B 156/12, BFH/NV 2013, 1402 f.; BFH, Urt. v. 6.5.2014 – IX R 44/13, BStBl. II 2014, 781 ff.

760 Nach bisheriger Rechtsprechung sicherte insoweit die rechtzeitige qualifizierte Rangrücktrittserklärung eines Gesellschafters mit relevanter Beteiligung i. S. d. § 17 EStG die Qualifizierung später erlittener Darlehensverluste als nachträgliche Anschaffungskosten der relevanten Beteiligung. Nach der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG dürfte dies sogar für die privilegierten Minderheitsgesellschafter i. S. v. § 39 Abs. 5 InsO gelten. Vgl. BFH, Urt. v. 6.5.2014 – IX R 44/13, BStBl. II 2014, 781 ff. in Abgrenzung zu BFH, Urt. v. 20.8.2013 – IX R 43/12, BFH/NV 2013, 1783 f.

174

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

In der Praxis empfiehlt sich aus steuerlichen Gründen aufgrund der Auffas- 761 sung der Finanzverwaltung, eine vertragliche Krisenbestimmung des Darlehens zu vereinbaren, um steuerlich im Verlustfall den Nominalwert des Darlehens geltend zu machen. (2) Einkünfte aus Kapitalvermögen Erfolgte die Anschaffung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft nach dem 762 31. Dezember 2008 und gehörten die Einkünfte nicht zu solchen aus Gewerbebetrieb, so führen sie zu Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 2 EStG und unterliegen der Abgeltungssteuer in Höhe von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlags. Der Verkauf von vor dem 1. Januar 2009 erworbenen Anteilen ist nach altem Recht nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist steuerfrei. bb) Veräußerer ist eine Kapitalgesellschaft Die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften durch Kapitalgesell- 763 schaften ist grundsätzlich gemäß § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei, sofern nicht zuvor eine steuerwirksame Teilwertabschreibung vorgenommen wurde. Nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG gelten jedoch 5 % des Veräußerungsgewinns als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben, sodass letztlich nur 95 % des Veräußerungsgewinns steuerfrei bleiben. Die tatsächlichen Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Veräußerung bleiben dafür nach § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG voll steuerlich abzugsfähig. Die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen erstreckt sich gemäß § 7 Satz 4 GewStG auch auf die Gewerbesteuer, systematisch korrespondiert wiederum gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG die steuerliche Irrelevanz von Veräußerungsverlusten und Teilwertabschreibungen. Auch dies gilt sogar bei Verlusten innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist des § 8b Abs. 4 KStG, obwohl ein Veräußerungsgewinn steuerpflichtig wäre. Vgl. BMF-Schreiben v. 28.4.2003, DStR 2003, 881, 882 Rn. 13 – 5 2.

Wie bei der Besteuerung von Dividenden wird auch für Veräußerungsgewinne 764 diskutiert, die Steuerfreiheit durch eine Gesetzesänderung an eine Mindestbeteiligung von voraussichtlich 10 % zu knüpfen. 2. Steuerliche Interessen des Erwerbers in der Krise Auch im Rahmen der steuerlichen Erwägungen auf der Erwerberseite ist zwi- 765 schen dem Kauf des Unternehmens im Rahmen eines Asset Deals sowie dem Kauf der Gesellschaftsanteile im Rahmen eines Share Deals grundlegend zu differenzieren. a) Asset Deal Der Erwerber ist steuerlich im Rahmen eines Asset Deals daran interessiert, 766 dass der Erwerb von Einzelwirtschaftsgütern die Transformation des Kauf-

175

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

preises in zukünftig steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben – insbesondere durch planmäßige Abschreibungen – ermöglicht. Der Erwerber hat insoweit den Gesamtkaufpreis auf die einzelnen Wirtschaftsgüter sachgerecht aufzuteilen. Im Allgemeinen richtet sich die Aufteilung nach der vereinbarten Preisabsprache, die jedoch den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechen muss. Entspricht die Aufteilung nicht einem objektiv gerechtfertigten Maßstab, so sind die Anschaffungskosten beim Erwerber grundsätzlich entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Verhältnis der Teilwerte aufzuteilen. 767 Im Einzelnen ist beim Asset Deal auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG unter Anwendung der sog. „Stufentheorie“ beim Erwerber die Aufteilung des Kaufpreises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter in folgenden Stufen vorzunehmen: 1. Aktivierung der übernommenen beim Verkäufer bilanzierten (materiellen und immateriellen) Wirtschaftsgüter bis zu ihrem jeweiligen Teilwert; wenn die Anschaffungskosten kleiner als die Summe der Teilwerte sind, dann gleichmäßige anteilige Aktivierung im Verhältnis der stillen Reserven; 2. Aktivierung der nicht bilanzierten (selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter [als entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter]), wenn der Kaufpreis nicht bereits verteilt ist; 3. Aktivierung des darüber hinaus gezahlten Kaufpreises als Geschäftswert; 4. ausnahmsweise ist, sofern ein Geschäftswert nachweislich nicht existiert, ein dann noch verbleibender Mehrbetrag sofort als Betriebsausgabe abzugsfähig. L. Schmidt-Wacker, EStG, § 16 Rn. 487 ff., 491 m. w. N.

768 Nach der neueren sog. „modifizierten“ Stufentheorie sind die stillen Reserven in Höhe des die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter übersteigenden Gesamtkaufpreises auf alle Wirtschaftsgüter entweder proportional im Verhältnis der stillen Reserven zu verteilen oder es ist der Gesamtkaufpreis im Verhältnis der Teilwerte aller bilanzierungspflichtigen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. BFH, Urt. v. 18.2.1993 – IV R 40/92, BStBl. II 1994, 224 ff.; Förster/Brinkmann, BB 2003, 657, 659; Hörger/Stobbe, DStR 1991, 1230; Siegel, DStR 1991, 1477 f.; L. Schmidt-Wacker, EStG, § 16 Rn. 490 m. w. N.

769 Die Anwendung der modifizierten Stufentheorie führt im Gegensatz zur klassischen Stufentheorie grundsätzlich zu einem früheren Ansatz von immateriellen Wirtschaftsgütern beim Erwerber des Unternehmens. Diese entgeltlich erworbenen immateriellen Wirtschaftsgüter sind regelmäßig deutlich schneller steuerlich abzuschreiben als materielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit längeren Nutzungsdauern (z. B. Gebäude). Andererseits ist

176

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

zu berücksichtigen, dass die vorrangige Aufteilung in dem klassischen Stufenverfahren grundsätzlich zu einer sicheren Beurteilung der Bewertung der Wirtschaftsgüter führt. Insbesondere die isolierte Bewertung des Geschäftswerts ist bei Anwendung der modifizierten Stufentheorie erforderlich, wohingegen sich dieser bei Anwendung der klassischen Stufentheorie ausschließlich als Restgröße (Residualwert) ermittelt. Im Ergebnis entspricht die Anwendung der klassischen Stufentheorie derzeit 770 noch der Auffassung der Finanzverwaltung und ist mithin wie folgt anzuwenden: Beispiel: V überträgt im Wege des Asset Deals seinen Gewerbebetrieb einschließlich der betrieblichen Verbindlichkeiten auf S. S verpflichtet sich gegenüber V zu einer Kaufpreiszahlung in Höhe von 2,5 Mio. €. Die Bilanz des Gewerbebetriebes zum Übertragungszeitpunkt stellt sich wie folgt dar: Buchwert (in €)

(Teilwert) (in €)

Geschäfts- oder Firmenwert



(2 Mio.)

Kapital

Anlagevermögen

4 Mio.

(5 Mio.)

Verbindlichkeiten 7 Mio.

Umlaufvermögen 5 Mio.

(5 Mio.)

Rückstellungen

9 Mio.

12 Mio.

Buchwert (in €) 1 Mio.

1 Mio. 9 Mio.

Lösung: Zum Erwerb des Betriebs wendet S 2,5 Mio. € auf. V erzielt durch die entgeltliche Übertragung seines Betriebs einen nach §§ 16, 34 EStG begünstigten Veräußerungsgewinn in Höhe von 1,5 Mio. € (Veräußerungsentgelt 2,5 Mio. € ./. Betriebsvermögen 1 Mio. €). S hat V neben dem Kapitalkonto von 1 Mio. € auch die bisher nicht aufgedeckten stillen Reserven bezahlt (vgl. BFH, Urt. v. 10.7.1986 – IV R 12/81, BStBl. II 1986, 811 ff.). Für S ergeben sich folgende Wertansätze: Im Anlage- und Umlaufvermögen sind folgende stille Reserven enthalten: Anlagevermögen

1 Mio. €

Umlaufvermögen

0 Mio. € 1 Mio. €

Diese stillen Reserven werden vollständig aufgedeckt. Zu einer Aufdeckung der in dem von V selbst geschaffenen Geschäfts- und Firmenwert enthaltenen stillen Reserven kommt es dagegen nur anteilig in Höhe von 0,5 Mio. €. 177

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Die Eröffnungsbilanz des S lautet: Geschäfts- oder Firmenwert

0,5 Mio. €

Anlagevermögen

5 Mio. €

Umlaufvermögen

5 Mio. €

Kapital

2,5 Mio. €

Verbindlichkeiten

7 Mio. €

Rückstellungen

1 Mio. €

10,5 Mio. €

10,5 Mio. €

771 Im Ergebnis sollte der Erwerber die Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen übernommenen Wirtschaftsgüter sorgfältig dokumentieren (z. B. durch Gutachten eines Sachverständigen oder Einholung von Drittangeboten), um bei späteren Betriebsprüfungen gegenüber der Finanzverwaltung schlüssig und überzeugend argumentieren zu können. 772 Im Rahmen eines Asset Deals aus der Insolvenz ist zudem zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 151 InsO ein Verzeichnis der einzelnen Gegenstände der Insolvenzmasse aufzustellen hat, wobei er für jeden Gegenstand einen Fortführungs- und einen Zerschlagungswert anzugeben hat. Diese Werte werden in der Praxis regelmäßig von Sachverständigen bzw. Verwertungsunternehmen im Auftrag des Insolvenzverwalters ermittelt und können mithin bei Offenlegung gegenüber dem Erwerber im Rahmen der Ermittlung des objektiv gerechtfertigten Aufteilungsmaßstabs der stillen Reserven genutzt werden. Der Insolvenzverwalter kann insoweit auch das notwendige Betriebsvermögen steuerlich zu den Fortführungswerten in eine neue Auffanggesellschaft der Insolvenzmasse einbringen und hierdurch später im Rahmen der Veräußerung der Anteile an der Auffanggesellschaft mittelbar Abschreibungspotential in Höhe der eingebrachten Wirtschaftsgüter mit übertragen. Dies ist insbesondere dann steuerlich optimiert, wenn der Kaufpreis für die Anteile – z. B. wegen Übernahme von Dauerschuldverpflichtungen – niedriger ist als die Summe der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter. 773 In den Fällen, in denen der Kaufpreis für das Unternehmen im Rahmen des unmittelbaren Asset Deals unterhalb der Summe der erworbenen beim Veräußerer bereits bilanzierten Wirtschaftsgüter liegt, führt dies zu einer entsprechenden Abstockung der Bilanzansätze der erworbenen Wirtschaftsgüter. Die Abstockung führt im Ergebnis zu einer niedrigeren Abschreibungsbemessungsgrundlage für die erworbenen Wirtschaftsgüter. Die Bilanzierung eines negativen Firmenwertes statt der anteiligen Abstockung von den Teilwerten der erworbenen Wirtschaftsgüter wird grundsätzlich abgelehnt. BFH, Urt. v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745 ff.; L. Schmidt-Weber-Grellet, EStG, § 5 Rn. 226.

774 Die Abstockung kommt selbstverständlich nicht für Wirtschaftsgüter in Betracht, die kurzfristig liquidierbar sind und denen keine greifbaren Bewer178

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

tungsunsicherheiten innewohnen. Dies gilt neben Bargeldbeständen grundsätzlich auch für Buchgeldforderungen, Kontokorrentguthaben, Termingelder und börsennotierte Wertpapiere (etc.). Der Insolvenzverwalter kann alternativ bereits das notwendige Betriebsver- 775 mögen steuerlich zu den Fortführungswerten in eine neue Auffanggesellschaft der Insolvenzmasse einbringen und hierdurch später im Rahmen der Veräußerung der Anteile an der Auffanggesellschaft mittelbar Abschreibungspotential in Höhe der eingebrachten Wirtschaftsgüter an den Erwerber mit übertragen. Eine Abstockung wie beim direkten Asset Deal ist steuerlich nicht zwingend, wenn der Kaufpreis für die Anteile wegen Übernahme von Dauerschuldverpflichtungen (Arbeitnehmer, sonstige Vertragsverpflichtungen) niedriger ist als die Summe der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter. Dies kann zu einer steuerlichen Optimierung zugunsten des Erwerbers führen. Steuerlich kann der Erwerber im Rahmen des Asset Deals eine Abschrei- 776 bungsbeschleunigung durch eine optimierte Zuordnung der stillen Reserven auf schnell abschreibbare Wirtschaftsgüter bewirken. Der Erwerber sollte insoweit insbesondere prüfen, ob das erworbene Unternehmen über selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter verfügt, da diese Wirtschaftsgüter der zweiten Stufe vielfach eine wesentlich kürzere Nutzungsdauer gegenüber den bereits bilanzierten materiellen Wirtschaftsgütern der ersten Stufe und gegenüber dem Geschäftswert der dritten Stufe aufweisen, da der Geschäftswert gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG planmäßig über 15 Jahre abzuschreiben ist. Folgende Wirtschaftsgüter weisen eine relativ kurze Nutzungsdauer auf und eignen sich insoweit zur Optimierung der Abschreibungsbeschleunigung: x

Geringwertige Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 2 EStG können bereits im Jahr des Erwerbs sofort abgeschrieben werden (gebrauchte selbstständig nutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis zu 410,00 € ohne Umsatzsteuer (seit dem 1. Januar 2010 besteht ein Wahlrecht alternativ gemäß § 6 Abs. 2a EStG einen Sammelposten für Wirtschaftsgüter mit Nettoanschaffungskosten von 150 – 1.000 € zu bilden und auf 5 Jahre mit 20 % pro Jahr abzuschreiben);

x

Schutzrechte (Patente, Markenrechte, Geschmacksmuster, Urheberrechte, etc.) mit einer Nutzungsdauer zwischen fünf bis acht Jahren;

x

Auftragsbestand, der ein eigenständiges Wirtschaftsgut darstellt und mit seiner Abwicklung des jeweiligen Auftrags erfolgswirksam „abgeschrieben“ wird. Die Bewertung kann durch Ansatz einer pauschalen Umsatzrendite auf den übernommenen Auftragsbestand unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte aus der Vergangenheit oder durch konkrete Kalkulation jedes einzelnen Auftrags vorgenommen werden;

179

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

x

Vorratsvermögen, eine hohe Bewertung der Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens kann zu einer „Sofortabschreibung“ innerhalb eines Geschäftsjahres führen, wenn dieses Vorratsvermögen vollständig umgeschlagen werden kann.

777 Im Gegensatz zu den vorgenannten relativ kurzfristig als Aufwand zu berücksichtigenden Wirtschaftsgütern ist die Bewertung von folgenden Wirtschaftsgütern aus Sicht des Erwerbers eher möglichst gering vorzunehmen: x

Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die nur einer eventuellen Teilwertabschreibung unterliegen und zudem bei Kapitalgesellschaften zu keinem steuerlichen Aufwand führen;

x

Grund und Boden, der ebenfalls keiner planmäßigen Abschreibung, sondern nur einer eventuellen Teilwertabschreibung unterliegt;

x

Gebäude, die regelmäßig auf einen Zeitraum von 40 – 50 Jahren abzuschreiben sind;

x

Geschäfts-/Firmenwert, der steuerlich auf 15 Jahre abzuschreiben ist.

778 Zur Präferenz-Liste der Kaufpreisverteilung aus Sicht des Erwerbers vergleiche Vgl. Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 294 ff.

779 Des Weiteren kann im Rahmen der Neufestlegung der Restnutzungsdauern der erworbenen Wirtschaftsgüter ein gewisser Gestaltungsspielraum für den Erwerber genutzt werden. b) Nutzung steuerlicher Verlustvorträge beim Share Deal 780 Die Nutzung steuerlicher Verlustvorträge einer Kapitalgesellschaft richtet sich nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10d EStG. Werden Anteile erworben, so war bis zum 1. Januar 2008 nach § 8 Abs. 4 KStG a. F. die Nutzung des steuerlichen Verlustvortrags eingeschränkt. Danach reichte für die Berechtigung zur Verlustnutzung nicht die rechtliche Identität der Kapitalgesellschaft aus, sondern es war vielmehr zugleich eine wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft erforderlich, die den Verlust erlitten hat. Zum Mantelverkauf vergleiche die Rn. 718 ff. der Vorauflage.

781 Die Regelung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. ist im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 aus dem Körperschaftsteuergesetz gestrichen worden. Der Verlustabzug bei Körperschaften wird nunmehr in § 8c KStG neu geregelt. 782 Der Gesetzgeber ging von der Notwendigkeit der Gesetzesänderung aus, da § 8 Abs. 4 KStG a. F. in der Praxis nur sehr schwierig anzuwenden gewesen war. Wurden mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren übertragen und begann dieser Zeitraum vor dem 1. Januar 2008, so gilt § 8 Abs. 4 KStG a. F. fort, wenn der

180

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Verlust der wirtschaftlichen Identität vor dem 1. Januar 2013 eingetreten ist, § 34 Abs. 6 KStG in der Fassung des Artikels 2 des Unternehmensteuerreformgesetzes vom 14. August 2007. Vgl. BGBl. I 2007, 1912 ff.

aa) Tatbestand des § 8c KStG im Allgemeinen Der Gesetzgeber verfolgte mit der Neuregelung das Ziel, eine einfachere und 783 zielgenauere Neuregelung der Verlustnutzung bei Körperschaften zu schaffen. Aus diesem Grund verzichtete er auf das schwer zu beurteilende Tatbestandsmerkmal einer Missbrauchsregelung. Maßgebliches Kriterium ist nunmehr allein der Anteilseignerwechsel. Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 75.

Die Vorschrift soll einen missbräuchlichen Handel mit Verlusten und Ver- 784 lustvorträgen unterbinden. Dies erfolgt dadurch, dass die Verlustnutzung unmittelbar an die wirtschaftliche Verfügungsgewalt der Anteilseigner geknüpft wird, weswegen der Gesetzgeber in der Regelung des § 8c KStG wohl auch weiterhin eine Vorschrift zur Missbrauchsbekämpfung sieht, wenngleich dies nicht explizit aus der Gesetzesbegründung hervorgeht. Ihre ratio legis passt für einen „Debt-Equity-Swap“ allerdings nicht: Hier erwerben nicht außenstehende Dritte eine Beteiligung an der Gesellschaft, sondern die bisherigen Fremdkapitalgeber verwandeln sich notgedrungen in Gesellschafter – sie wachsen aufgrund des schwindenden Eigenkapitals (der entstandenen Verluste!) in die Rolle von Eigentümern hinein. Für Unternehmenssanierungen im Planverfahren problematisch ist die Rege- 785 lung zum Verlustabzug bei Körperschaften in § 8c Abs. 1 KStG. Werden im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens die Anteilseigner gemäß § 225a InsO in den Plan einbezogen und wird hierdurch ein Wechsel der Anteilsverhältnisse bewirkt, so sind die steuerlichen Auswirkungen eines etwaigen Verlusts des steuerlichen Verlustvortrags zu berücksichtigen. Der Regelung des § 8c KStG liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die wirt- 786 schaftliche Identität einer Kapitalgesellschaft allein durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners oder Anteilseignerkreises ändert. Die Vorschrift unterbindet deshalb die Nutzung aufgelaufener Verluste in dem Umfang, in dem ein Erwerber, eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen oder ihnen nahestehende Personen eine Beteiligung von mehr als 25 % an der steuerpflichtigen Körperschaft übernehmen. Bei einer Beteiligung von mehr als 50 % können die Verluste überhaupt nicht mehr abgezogen werden. In diesem Zusammenhang ist kritisch zu hinterfragen, ob die Regelung wegen 787 der Beschränkung des Verlustabzuges bei Fällen des qualifizierten Anteilseignerwechsels und der damit verbundenen erheblichen Einschränkung der Nutzung von Verlustvorträgen insoweit gegen den Grundsatz der Besteue181

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

rung nach der Leistungsfähigkeit verstößt. Hierin könnte ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich gebotenen allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegen, der das Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das darin umfasste objektive Nettoprinzip im Rahmen der abschnittsübergreifenden Besteuerung umfasst. Vgl. FG Hamburg, Vorlagebeschl. v. 4.4.2011 – 2 K 33/10, EFG 2011, 1460 ff.; hierzu Anmerkung von Ernst, DB 2011, 1259 f.; vgl. auch FG Hamburg, Beschl. v. 9.5.2012 – 6 V 87/12, DStRE 2013, 281 ff.

788 Die Entscheidung des BVerfG über das vom FG Hamburg eingeleitete Normenkontrollverfahren steht noch aus. BVerfG – 2 BvL 6/11.

789 Umstritten und vom BFH dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt, ist zudem die Konstellation, in welcher der Untergang von Verlustvorträgen in Kombination mit der Mindestbesteuerung zu Definitiveffekten führt. BFH, Beschl. v. 26.2.2014 – I R 59/12, BStBl. II 2014, 1016 ff.; siehe dazu bereits Rn. 738 f.

790 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn aufgrund eines Anteilseignerwechsels nach § 8c KStG Verlustvorträge untergehen, die in der Vergangenheit nur aufgrund der Mindestbesteuerung noch nicht und in der Zukunft aufgrund des Anteilseignerwechsels nie mehr ausgenutzt werden können. Im Zusammenhang mit der Besteuerung von Sanierungsgewinnen im Insolvenzpanverfahren sollte diese Konstellation jedoch nicht zum Tragen kommen, da nach dem Sanierungserlass im Zuge der Ermittlung der Steuer auf einen Sanierungsgewinn eine uneingeschränkte Verlustverrechnung ohne Beachtung der Mindestbesteuerung erfolgt. BMF-Schreiben v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, 241 Rn. 8; OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinf. v. 6.2.2015, StEd 2015, 158; Buth/ Hermanns-Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 35 Rn. 92; Sistermann/Brinkmann, DStR 2011, 2230, 2231.

791 Entscheidend ist dabei, dass die Finanzverwaltung davon ausgeht, dass der Sanierungsgewinn in zeitlicher Hinsicht vor einem im Sanierungsplan bestimmten Anteilseignerwechsel eintritt. Vollzieht sich beispielsweise der Anteilseignerwechsel durch eine im gestaltenden Teil des Insolvenzplans festgelegte kombinierte Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung, so ist diese zeitliche Reihenfolge zwingend, da der Anteilseignerwechsel aufgrund der Kapitalmaßnahme nicht bereits mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses, sondern erst mit der daran anschließenden Eintragung der Kapitalmaßnahme im Handelsregister eintritt. Vgl. BVerfG, Urt. v. 18.12.2014 – 2 BvR 1978/13, NJW 2015, 465, 466 Rn. 15 zur Stellung des Gesellschafters beim Formwechsel.

182

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Anders könnte dies zu beurteilen sein, wenn der Anteilseignerwechsel nicht 792 durch einen späteren Vollzugsakt, bspw. des Handelsregisters, sondern bereits mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses eintritt. Schon der Bundesrat – der dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 zwar 793 zugestimmt hat – hatte hervorgehoben, dass die Norm des § 8c KStG geeignet sei, dem Grundanliegen des Körperschaftsteuerrechts zu widersprechen, wenn durch die Norm wirtschaftlich sinnvolle Transaktionen verhindert werden. Vgl. BR-Drucks. 384/07 (B), 3.

Um Sanierungen nicht durch den Untergang von Verlustvorträgen zu er- 794 schweren, wurde § 8c KStG im Jahre 2009 mit Rückwirkung um eine Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) ergänzt. BGBl. I 2009, 1959, 1968 sowie Aufhebung der zeitlichen Befristung durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22. Dezember 2009, BGBl. I 2009, 3950, 3952.

Diese wurde allerdings aufgrund des Beschlusses der Europäischen Kommis- 795 sion vom 26. Januar 2011 im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 AEUV mit Rückwirkung bis einschließlich 2008 vorläufig für nicht mehr anwendbar erklärt (siehe Rn. 821 ff.). Europäische Kommission, Beschl. v. 26.1.2011 – C 7/2010, K(2011) 275 endgültig; hierzu Dörr, NWB 2011, 690 ff.; Drüen, DStR 2011, 289 ff.; zu den Tatbestandsmerkmalen für staatliche Beihilfen im Steuerrecht vgl. Cloer/Vogel, IWB 2010, 439 ff.

Für Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2009 sehen die im Rahmen 796 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes eingefügten Regelungen des § 8c Abs. 1 Satz 5 – 9 KStG eine Konzernklausel sowie eine allgemeine Verschonungsregelung vor, wonach die Verluste in Höhe der im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven der Körperschaft erhalten bleiben. Durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2. November 2015,

797

BGBl. I 2015, 1834 ff.,

wurde die Konzernklausel des § 8c KStG um weitere Sachverhalte erweitert. bb) Tatbestand des § 8c KStG im Einzelnen Im Rahmen von § 8c KStG ist eine zweistufige Prüfung durchzuführen. Die 798 Regelung sieht gemäß § 8c Satz 1 KStG einmal einen anteiligen (quotalen) Untergang des Verlustabzuges bei Anteils- und Stimmrechtsübertragungen von mehr als 25 % bis 50 % vor. Mithin soll nunmehr bereits der Übergang einer Minderheitsbeteiligung in Höhe der Sperrminorität zu einem anteiligen Wegfall des Verlustvortrages führen. Dies könnte verfassungswidrig sein, da insbesondere bei Übertragung von Minderheitsbeteiligungen keine Missbrauchsbekämpfung als Rechtfertigung für den Eingriff in den Grundsatz

183

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips im Rahmen der Besteuerung in Betracht kommt. Vgl. FG Hamburg, Vorlagebeschl. v. 4.4.2011 – 2 K 33/10, DStR 2011, 1172 ff.

799 Hiervon unabhängig kommt es gemäß § 8c Satz 2 KStG zum vollständigen Untergang des Verlustabzuges, wenn mehr als 50 % der Anteile oder Stimmrechte übertragen werden. 800 Der Umfang des untergehenden Verlustes bestimmt sich nach dem Wortlaut des § 8c Satz 1 und 2 KStG, wonach bei einem schädlichen Anteilseignerwechsel eine stichtagsbezogene Einschränkung der Verlustverrechnung normiert wird. Bei einem unterjährigen schädlichen Anteilseignerwechsel bleiben daher die bis zum Stichtag erwirtschafteten Gewinne und Verluste verrechenbar. Diese sind zu dem maßgeblichen Stichtag mittels einer Zwischenbilanz zu ermitteln. Lediglich die Verrechnung von Verlustvorträgen und etwaigen laufenden unterjährigen Verlusten bis zum Stichtag des schädlichen Anteilseignerwechsels mit Gewinnen nach diesem Stichtag ist gemäß § 8c Satz 1 und 2 KStG ausgeschlossen. BFH, Urt. v. 30.11.2011 – I R 14/11, DStR 2012, 458 ff.; Hessisches FG, Beschl. v. 7.10.2010 – 4 V 1489/10, DStRE 2011, 289 ff.; FG Münster, Urt. v. 30.11.2010 – 9 K 1842/10K, NZG 2010, 398, 399 f.; hierzu auch Neyer, DStR 2011, 654 ff.

801 Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, vgl. BMF-Schreiben v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, 739 Rn. 31,

hat der BFH entschieden, dass bei einem schädlichen Beteiligungserwerb während des laufenden Wirtschaftsjahres ein bis zu diesem Zeitpunkt in diesem Wirtschaftsjahr erzielter Gewinn mit dem bisher noch nicht genutzten Verlustvortrag verrechnet werden kann. BFH, Urt. v. 30.11.2011 – I R 14/11, DStR 2012, 458 ff.

802 Offiziell hat das BMF seine Meinung noch nicht geändert. Am 15. April 2014 wurde allerdings der Entwurf eines Schreibens zur Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften veröffentlicht, das einmal das BMF-Schreiben vom 4. Juli 2008 ersetzen und wonach die neue Rechtsprechung des BFH mit Einschränkungen angewendet werden soll. Eine finale Fassung gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Vgl. Entwurf BMF-Schreiben v. 15.4.2014, abrufbar unter www.gmbhr.de/media/BMF_140415_Entwurf_8c_KStG.pdf; dazu Seer, FR 2015, 729 ff.; Bolik/Schönefeldt, SteuK 2014, 353 ff.; umfassend Frotscher/Mass-Frotscher, KStG, § 8c Rn. 78 ff.; Dötsch/Pung/Möhlenbrock-Dötsch, KStG, § 8c Rn. 77 ff.

803 Zusätzlich zum Verlustvortrag erfasst die Neuregelung kraft Verweisung in § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG auch den Zinsvortrag im Rahmen der Zinsschrankenregelung gemäß § 4h Abs. 1 EStG. Außerdem erfasst die Regelung des § 8c KStG den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag, § 10a Satz 10 GewStG. 184

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

cc) Anteilsübertragung und vergleichbare Sachverhalte gemäß § 8c KStG Der schädliche Beteiligungserwerb ist in § 8c Satz 1 und 2 KStG legaldefi- 804 niert. Danach liegt ein schädlicher Beteiligungserwerb vor, wenn 1. innerhalb von fünf (Zeit-)Jahren, mittelbar oder unmittelbar, mehr als 25 % (50 %) des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschafts-, Beteiligungs- oder der Stimmrechte an einer (auch beschränkt steuerpflichtigen) Körperschaft an einen (einzigen) Erwerber oder diesem nahestehenden Personen oder eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen übertragen werden oder 2. ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (Auffangtatbestand). Beispiel: X ist Alleingesellschafter der X-GmbH. Im Jahr 2013 erwirbt Y 50 % der Anteile; in 2016 erwirbt Z die übrigen 50 % der Anteile. Auf den 31. Dezember 2012 wurde ein Verlustvortrag bei der X-GmbH in Höhe von 800.000 € festgestellt. Zum 31. Dezember 2015 beträgt der Verlustvortrag 1.600.000 €. Gemäß § 8c Satz 1 KStG führt der Erwerb in 2013 zunächst zum Untergang des Verlustvortrages in Höhe von 400.000 € (entsprechend 50 % wegen § 8c Satz 1 KStG „insoweit“). Die weitere Übertragung in 2016 bewirkt den Fortfall des gesamten Verlustvortrages in Höhe von 1.600.000 € entsprechend § 8c Satz 2 KStG. Gegenstand einer schädlichen Übertragung sind vornehmlich Beteiligungen 805 am Nenn- oder Stammkapital, gleichsam aber auch „Mitgliedschaftsrechte“, also aus der Anteilseignerstellung erwachsene Rechte, insbesondere Verwaltungsrechte (z. B. Teilnahme an Versammlungen, Stimmrechte, Auskunfts-, Einsichtsrechte) sowie Vermögensrechte (z. B. Teilhabe am Gewinn und Liquidationserlös). Betroffen sind darüber hinaus „Beteiligungsrechte“, um auch Verwaltungs- und Vermögensrechte von Nichtkapitalgesellschaften (z. B. Genossenschaften) erfassen zu können. Die Einbeziehung von Stimmrechten soll eine Umgehung der Verlustabzugsbeschränkung durch Trennung von Mitgliedschaftsrechten vermeiden. Erfasst werden hiervon insbesondere Mehrheitsstimmrechte, also Stimmrechte, die höher sind als der Anteil am gezeichneten Kapital und somit entsprechenden Einfluss auf die Gesellschaft gewährleisten. Beispiel: A hält 26 % des Grundkapitals der X-AG. Die Anteile sind mit einem Mehrstimmrecht versehen, wonach sie 52 % der Stimmrechte vermitteln. A veräußert am 1.1.2015 seine Beteiligung an E. Stille Reserven bestehen nicht.

185

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Ungeachtet dessen, das nur 26 % des gezeichneten Kapitals übertragen werden, geht der bestehende Verlust vollständig unter, da mehr als 50 % der Stimmrechte auf einen Erwerber übertragen werden. 806 Aus der ausdrücklichen Nennung der Stimmrechte kann gefolgert werden, dass andere Mitgliedschaftsrechte, wie z. B. die Gewinnberechtigung, sofern sie von den Anteilen trennbar sind, unschädlich isoliert übertragen werden können. Würden beispielsweise 25 % der Anteile übertragen, welche gleichsam 30 % Gewinnberechtigung vermitteln, liegt unseres Erachtens kein schädlicher Beteiligungserwerb vor. 807 Neben der Anteilsübertragung erfährt der ohnehin bereits sehr umfassende Anwendungsbereich eine weitere Öffnung, indem auch ein „vergleichbarer Sachverhalt“ zum Untergang des Verlustabzugs gemäß § 8c KStG führen kann. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sollen insbesondere der Erwerb von Genussscheinen, Stimmrechtsvereinbarungen, Stimmrechtsbindungen, Umwandlungen, der Erwerb eigener Anteile – wenn sich hierdurch die Beteiligungsquoten ändern – oder die Kapitalherabsetzung mit Änderung der Beteiligungsquote als vergleichbare Sachverhalte i. S. d. § 8c Satz 1 KStG zu qualifizieren sein. Vgl. BMF-Schreiben v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, 737 Rn. 5 ff.

808 Unseres Erachtens ist dies bezogen auf Genussrechte sowie Stimmrechtsvereinbarungen schon allein aus dem Grunde abzulehnen, da diese auf schuldrechtlicher und nicht auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage eingeräumt werden. Im Hinblick auf die vergleichbaren Sachverhalte ist daher ein Typenvergleich zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen etc. erforderlich. In Zweifelsfällen empfiehlt sich vor Sachverhaltsverwirklichung eine verbindliche Auskunft bei der zuständigen Finanzbehörde einzuholen. 809 Grundsätzlich setzt ein schädlicher Beteiligungserwerb die Übertragung auf einen (einzigen) Erwerber voraus. Wobei jedoch (zusätzliche) Erwerbe nahestehender Personen dem Erwerber zugerechnet werden. Der Begriff der nahestehenden Person ist anhand der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung und nicht i. S. v. § 1 Abs. 2 AStG auszulegen. Der Grundsatz der Übertragung auf einen (einzigen) Erwerber wird durch § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG dahingehend durchbrochen, dass auch die Übertragung auf eine Gruppe von Erwerbern mit „gleichgerichteten Interessen“ einen schädlichen Beteiligungserwerb bewirkt. Der Gesetzgeber will hiermit insbesondere Gestaltungen vermeiden, bei denen z. B. fünf einander nicht nahestehende Erwerber zu gleichen Anteilen von je 20 % eine Verlustgesellschaft erwerben, um die Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG zu umgehen. Ein Indiz für gleichgerichtete Interessen soll nach Ansicht der Finanzverwaltung vorliegen, wenn die Kapitalgesellschaft von den Erwerbern gemeinsam beherrscht wird. Danach sollen folgende Umstände für gleichgerichtete Interessen sprechen: x

186

Zwischen den Erwerbern hat eine Abstimmung stattgefunden, wobei ein Vertrag hierüber nicht vorliegen muss.

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

x

Die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks, wobei dies jedoch nicht notwendigerweise Voraussetzung für ein gleichgerichtetes Interesse sein muss.

x

Mehrere Erwerber wirken zur einheitlichen Willensbildung zusammen.

x

Es besteht eine gemeinsame Beherrschung der Körperschaft. Vgl. BMF-Schreiben v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, 738 Rn. 27.

Ein gemeinsames Interesse der Erwerber allein an der wirtschaftlichen Ent- 810 wicklung der Gesellschaft erfüllt unseres Erachtens den unbestimmten Rechtsbegriff des gemeinsamen Interesses jedenfalls nicht, sonst wären Verlustvorträge börsennotierter Gesellschaften gefährdet. Herrmann/Heuer/Raupach-Suchanek, KStG, § 8c Rn. 39.

Eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichtetem Interesse setzt nach rich- 811 tiger Auffassung voraus, dass mehrere Erwerber im Hinblick auf den Erwerb von Anteilen an der Verlustgesellschaft zusammenwirken, um im Anschluss an den Erwerb durch Stimmbindungsvereinbarungen oder andere verbindliche Abreden einen beherrschenden einheitlichen Einfluss auf die Verlustgesellschaft auszuüben. Vgl. FG Niedersachsen, Urt. v. 26.2.2015 – 6 K 424/13, DStR 2015, 1610 ff.

Die Möglichkeit des Beherrschens reicht dagegen nicht aus, sondern es kommt 812 auf die tatsächliche Beherrschung zum Erwerbszeitpunkt an. Herrmann/Heuer/Raupach-Suchanek, KStG, § 8c Rn. 39.

Eigene Anteile sind bei der Bestimmung der Schädlichkeitsgrenzen heraus- 813 zurechnen. Bei der Erfassung mittelbarer Übertragungen ist die auf die Verlustgesellschaft durchgerechnete Beteiligungsquote maßgebend. Vgl. Beispiel bei Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 131.

Der Fünf-Jahres-Zeitraum des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG beginnt mit dem ersten 814 schädlichen Beteiligungserwerb an der Verlustgesellschaft durch den Erwerber. Maßgebend ist der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums; bei Kapitalerhöhungen der Zeitpunkt der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister. Vgl. BMF-Schreiben v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, 738 Rn. 14.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung muss zu diesem Zeitpunkt noch kein 815 Verlustvortrag vorhanden sein. Vgl. BMF-Schreiben v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, 738 Rn. 17.

Diese Auffassung widerspricht dem Sinn und Zweck des § 8c Abs. KStG und 816 ist demzufolge abzulehnen.

187

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle Zutreffend Gosch-Roser, KStG, § 8c Rn. 83; Meiisel/Bokeloh, BB 2008, 808; Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 132; vgl. auch sinngemäß zum unterjährigen Beteiligungserwerb das FG Hessen, Beschl. v. 7.10.2010 – 4 V 1489/10, DStRE 2011, 289 ff.

817 Der Fünf-Jahres-Zeitraum ist taggenau zu berechnen, wobei die allgemeinen Grundsätze der Fristenberechnung (§ 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 187 ff. BGB) Anwendung finden. Aufeinander folgende Übertragungen werden innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums zusammengerechnet, wobei jede Übertragung wiederum einen neuen Fünf-Jahres-Zeitraum auslöst. Ist die jeweils schädliche Grenze überschritten, so beginnt ein neuer Fünf-Jahres-Zeitraum. Zu beachten ist ferner, dass wegen der auf den Erwerberkreis bezogenen Betrachtung jeweils gesonderte Berechnungen/Überwachungen notwendig sind. 818 Da bei Überschreiten der 25 %-Grenze ein Sanktionsverbrauch hinsichtlich der quotalen Abzugsbeschränkung eintritt, bietet sich unter Umständen ein gestreckter Anteilserwerb bzw. ein zeitgenaues Splitten von Anteilsübertragungen an. Vgl. Beispiel bei Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 133.

819 Erwirbt also ein neuer Gesellschafter zunächst nur 26 % und nach sechs Monaten weitere 24 %, so gehen aufgrund Sanktionsverbrauchs nicht 50 %, sondern lediglich 26 % der Verluste unter. Erfolgt die Übertragung andersherum, also zunächst 24 % und nach sechs Monaten 26 %, so lag bei der ersten Übertragung noch kein Sanktionsverbrauch vor, sodass die Hälfte der Verluste untergeht. 820 Der Ausnutzung des Sanktionsverbrauches will die Finanzverwaltung durch die Annahme eines zugrunde liegenden Gesamtplans hinsichtlich der Mehrzahl von Erwerben entgegenwirken. Ein einheitlicher Erwerb aufgrund eines schädlichen Gesamtplans soll danach widerleglich vermutet werden, wenn die Erwerbe innerhalb eines Jahres erfolgen. Vgl. BMF-Schreiben v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736, 738 Rn. 19.

dd) Sanierungsklausel gemäß § 8c Abs. 1a KStG 821 Die neue Regelung § 8c KStG enthielt zunächst kein Sanierungsprivileg mehr. Der Gesetzgeber hatte seine Auffassung damit begründet, dass eine solche Sanierungsklausel nicht erforderlich sei, da bereits nach geltender Rechtslage ein Sanierungsgewinn vorrangig mit vorhandenen Verlustvorträgen zu verrechnen sei. Vgl. zu dem Gesichtspunkt mangelnder Ausweichgestaltungen, Neumann, GmbH-StB 2007, 249 ff.

188

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Es wurde zudem davon ausgegangen, dass von der Besteuerung eines Sanie- 822 rungsgewinnes auch in Zukunft aufgrund des BMF-Schreibens zur Sanierungsgewinnbesteuerung vom 27. März 2003, BStBl. I 2003, 240 ff.,

abgesehen werden wird. Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 75 f.

Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise sah sich der Gesetzgeber veran- 823 lasst, in § 8c Abs. 1a KStG durch das Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen vom 16. Juli 2009 eine sog. „Sanierungsklausel“ einzufügen (siehe dazu die Rn. 804 ff. der Vorauflage). Diese Sanierungsklausel stellt nach Auffassung der Kommission eine mit dem 824 EU-Binnenmarkt nicht zu vereinbarende rechtswidrige Beihilferegelung i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Europäische Kommission, Beschl. v. 26.1.2011 – C 7/2010, K(2011) 275 endgültig; Dörr, NWB 2011, 690 ff.; Drüen, DStR 2011, 289 ff.; Kahlert/Rühland-Gehrke, Sanierungsund Insolvenzsteuerrecht, Rn. 3.283 ff.; zu den Tatbestandsmerkmalen für staatliche Beihilfen im Steuerrecht vgl. Cloer/Vogel, IWB 2010, 439 ff.

Die Finanzverwaltung hatte bereits mit BMF-Schreiben vom 30. April 2010 825 die Anwendung des § 8c Abs. 1a KStG bis zur Entscheidung der Kommission ausgesetzt, BMF-Schreiben v. 30.4.2010, BStBl. I 2010, 482 ff.,

nachdem die Europäische Kommission am 24. Februar 2010 ein förmliches Beihilfe-Prüfverfahren eröffnet hatte. Europäische Kommission, Schreiben v. 24.2.2010 – 2010/C 90/08, ABl. C 90/8 v. 8.4.2010, S. 8 ff.

Nach § 34 Abs. 6 Satz 2 KStG ist die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG 826 nur anzuwenden, wenn eine rechtskräftige Entscheidung des EuG oder des EuGH den Beschluss der Europäischen Kommission vom 26. Januar 2011 für nichtig erklärt und feststellt, dass es sich bei § 8c Abs. 1a KStG nicht um eine staatliche Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt oder die Voraussetzungen des Art. 2 des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 26. Januar 2011 erfüllt sind und die Steuerfestsetzung davor erfolgt ist. Die deutsche Finanzverwaltung musste die nicht zugelassene Beihilfe von 827 den betroffenen Unternehmen zurückfordern, sodass bei den betroffenen sanierungsbedürftigen Kapitalgesellschaften die steuerlichen Verlust- und Zinsvorträge nachträglich rückwirkend auf den Zeitpunkt des schädlichen Anteilseignerwechsels untergegangen sind. Auch verbindliche Auskünfte der Finanzverwaltung i. S. v. § 89 Abs. 2 AO entfalteten keinen Vertrauensschutz und waren gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 1 Satz 2 AO aufzuheben, 189

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

da dieser hinter das vorrangige Interesse an der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV zurücktritt („effet utile“-Grundsatz). Im Ergebnis mussten gewährte Steuervorteile innerhalb der vorgegebenen Frist von vier Monaten zurückgefordert werden und die Vorschrift des § 8c Abs. 1a KStG durfte nach § 34 Abs. 6 Satz 2 KStG bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des EuG oder des EuGH nicht mehr angewandt werden. 828 Die Bundesregierung hatte am 7. April 2011 gegen die Entscheidung der Kommission eine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gericht (EuG) erhoben. Aus Sicht der Bundesregierung handelte es sich bei der Sanierungsklausel nicht um eine staatliche Beihilfe, die selektiv „Unternehmen in Schwierigkeiten“ begünstige. Diese Nichtigkeitsklage der Bundesrepublik Deutschland wurde mit Beschluss vom 18. Dezember 2012 wegen nicht fristgerechter Klageeinreichung zurückgewiesen. EuG, Beschl. v. 18.12.2012 – T-205/11 Bundesrepublik Deutschland ./. Kommission, DStR 2013, 132 ff.

829 Die dagegen beim EuGH eingelegte Berufung hat dieser zwischenzeitlich zurückgewiesen. EuGH, Urt. v. 3.7.2014 – C-102/13 P Bundesrepublik Deutschland ./. Kommission, BeckRS 2014, 81187.

830 Darüber hinaus haben aber zahlreiche Unternehmen Nichtigkeitsklagen gemäß Art. 263 AEUV vor dem EuG erhoben. EuG, T-287/11; T-585/11; T-586/11; T-610/11; T-612/11; T-613/11; T-614/11; T-619/11; T-620/11; T-621/11; T-626/11; T-627/11; T-628/11; T-629/11; C-102/13.

831 Das EuG hat in zwei Rechtssachen die Klagen abgewiesen und damit die Auffassung der Kommission bestätigt, wonach die Sanierungsklausel als besondere Ausnahme vom Verlustabzugsverbot Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten gegenüber ihren Wettbewerbern begünstigt. EuG, Urt. v. 4.2.2016 – T-620/11, GFKL Financial Services AG ./. Kommission, DStR 2016, 390 ff; EuG, Urt. v. 4.2.2016 – T-287/11, Heitkamp BauHolding ./. Kommission.

832 Es ist zu fordern, dass die Bundesregierung für die Zukunft den § 8c KStG zweifelsfrei europarechtskonform als reine Missbrauchsvorschrift hinsichtlich des Wegfalls des Verlustvortrages ausgestaltet. Hierdurch könnten zugleich die Sanierungsfälle inhaltlich und steuersystematisch zutreffend gelöst werden. Bis dahin bleibt nur die Anwendung der Billigkeitsmaßnahme nach dem Sanierungserlass auf etwaige Sanierungsgewinne (Forderungsverzichte) im Zusammenhang mit dem schädlichen Anteilseignerwechsel, der neben § 8c KStG anwendbar bleibt. Vgl. Kahlert/Rühland-Gehrke, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rn. 3.308 ff. m. w. N.

190

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

ee) Konzernklausel gemäß § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG Für nach dem 31. Dezember 2009 erfolgte Beteiligungserwerbe sieht § 8c 833 Abs. 1 Satz 5 KStG eine Konzernklausel vor, deren Wortlaut durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2. November 2015, BGBl. I 2015, 1834 ff.,

mit Wirkung ab dem 1. Januar 2016 geändert wurde. Danach liegt ein schädlicher Beteiligungserwerb nicht vor, wenn x

an dem übertragenden Rechtsträger der Erwerber

oder x

an dem übernehmenden Rechtsträger der Veräußerer

oder x

an dem übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person

zu 100 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist. Zum einen wurde die Konzernklausel durch die Gesetzesänderung auf Fallgestaltungen ausgeweitet, in denen die Konzernspitze Erwerber oder Veräußerer ist. Zum anderen werden nun ausdrücklich neben natürlichen und juristischen Personen auch die Personenhandelsgesellschaften als Konzernspitze zugelassen. BT-Drucks. 18/4902, 47.

Beispiel: Die M-GmbH mit mehreren Gesellschaftern hält 100 % der Beteiligung an den Tochtergesellschaften T1-GmbH sowie T2-GmbH. Die T1-GmbH hält zudem 100 % an der Enkelgesellschaft E-GmbH, welche über umfangreiche Verlustvorträge verfügt. Die T1-GmbH veräußert ihre Anteile an der E-GmbH im Jahr 2015/2016 an die T2-GmbH. Lösung: An dem übertragenden Rechtsträger (T1-GmbH) und dem übernehmenden Rechtsträger (T2-GmbH) ist mit der M-GmbH dieselbe Person zu 100 % beteiligt, mit der Folge, dass § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG 2015 und 2016 Anwendung findet und damit der Verlustvortrag der E-GmbH erhalten bleibt. Das gleiche Ergebnis ergibt sich auch, wenn die T1-GmbH nur zu 50 % an der E-GmbH beteiligt ist, da § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG die Schädlichkeit einer Anteilsübertragung nach § 8c Abs. 1 Satz 1–4 KStG insgesamt vermeidet und nicht etwa darauf abstellt, ob eine 100 %ige Beteiligung übertragen wird. Treten neue Gesellschafter auch nur geringfügig hinzu oder sind beispiels- 834 weise aus grunderwerbsteuerrechtlichen Gründen konzernfremde Gesellschafter geringfügig beteiligt, findet die Konzernklausel keine Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn der übertragende und der übernehmende Rechts191

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

träger mehrere beteiligungsidentische Gesellschafter haben. Als problematisch für die Anwendung der Konzernklausel können sich auch bloße Verlängerungen einer Beteiligungskette erweisen. Hierbei ist stets darauf zu achten, dass sowohl an dem übertragenden als auch an dem übernehmenden Rechtsträger ein- und dieselbe Person beteiligt ist. Vgl. hierzu kritisch Sistermann/Brinkmann, DStR 2009, 2633 ff.; Beispiele bei Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 140 ff., vgl. auch zur problematischen Verkürzung einer Beteiligungskette Rn. 142.

835 Umstritten war, ob in dem Beispielfall die Übertragung der E-GmbH auf die M-GmbH in 2015 einen schädlichen Anteilseignerwechsel i. S. v. § 8c KStG darstellt. Nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG würde ein schädlicher Anteilseignerwechsel vorliegen, weil eine Beteiligung von 100 % an der T1-GmbH als übertragendem und der M-GmbH als übernehmendem Rechtsträger verlangt wird. Das Gesetz berücksichtigt also nicht Übertragungen auf die oder von der Konzernobergesellschaft als übertragendem oder übernehmendem Rechtsträger. Da nach der Gesetzesbegründung Veräußerungen begünstigt werden sollen, bei welchen eine Übertragung von Verlusten auf Dritte ausgeschlossen ist, lag hier eine Gesetzeslücke vor, die durch eine Analogie geschlossen werden sollte. Bien/Th. Wagner, BB 2009, 2627, 2629; Eisengruber/Schaden, UbG 2010, 73, 78; Franz, BB 2010, 991, 998; Frey/Mückl, GmbHR 2010, 71 ff.; Frotscher/Maas-Frotscher, KStG, § 8c Rn. 107; Neyer, GmbHR 2010, 1132, 1135.

836 Diese Gesetzeslücke wurde für die Übertragung in 2016 durch § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 KStG geschlossen. Von § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG nicht erfasst sind jedoch Übertragungen auf eine beteiligungsidentische Schwestergesellschaft (S-GmbH) der M-GmbH, wenn deren Gesellschafter nicht eine zu 100 % beteiligte natürliche oder juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft ist. Werden die Anteile an der E-GmbH und der S-GmbH je hälftig von A und B gehalten, liegt weiterhin eine Gesetzeslücke vor, die ungeachtet der Neuregelung des § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 1–3 KStG durch eine Analogie zu schließen ist. 837 Werden Körperschaften über Personengesellschaften oder treuhänderisch gehalten, so ist hinsichtlich der notwendigen 100 %igen Beteiligung unseres Erachtens auf das wirtschaftliche Eigentum am Vermögen und nicht – wie im Grunderwerbsteuerrecht – auf die gesamthänderische Mitberechtigung an der Personengesellschaft abzustellen. Nach Auffassung des BFH ist der Treugeber von Geschäftsanteilen einer zivilrechtlich als Treuhand bezeichneten Vereinbarung jedoch nur dann wirtschaftlicher Eigentümer dieser Geschäftsanteile, wenn er „alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögensrechte und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann“.

192

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen BFH, Urt. v. 6.10.2009 – IX R 14/08, BStBl. II 2010, 460 ff.; so auch Plewka/Pott, NJW 2012, 2558, 2560.

ff) Verschonungsregelung bei stillen Reserven gemäß § 8c Abs. 1 Satz 6 – 9 KStG Für Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2009 sehen die im Rahmen 838 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes eingefügten und durch das JStG 2010 angepassten Regelungen des § 8c Abs. 1 Satz 6 – 9 KStG eine allgemeine Verschonungsregelung vor, wonach die Verluste in Höhe der im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven der Körperschaft erhalten bleiben. Die stillen Reserven, welche den Erhalt des Verlustverrechnungspotentials 839 bewirken, ermitteln sich gemäß § 8c Abs. 1 Satz 7 KStG nach Maßgabe des Unterschiedsbetrages zwischen dem (ggf. anteiligen) steuerlichen Eigenkapital und dem auf dieses Eigenkapital entfallenden gemeinen Wert der Anteile an der Körperschaft. Die Bemessung des gemeinen Wertes der Anteile birgt, jedenfalls dann, wenn sich der gemeine Wert der Anteile nicht unzweifelhaft aus dem Kaufpreis ableiten lässt, erhebliches Streitpotential mit der Finanzverwaltung und sollte daher im Vorfeld durch entsprechende Unternehmensbewertungen abgesichert werden. Zu beachten ist, dass die Verschonung nur für diejenigen stillen Reserven gilt, 840 die im Inland steuerpflichtig sind. Dies hat unter anderem zur Folge, dass stille Reserven, welche in den von der Körperschaft gehaltenen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften enthalten sind, nicht verlustrettend berücksichtigt werden können, soweit die Steuerfreiheit des § 8b Abs. 2 KStG greift. Offen ist, ob dies auch für Anteile an Organgesellschaften gelten kann, deren Ergebniszurechnung zum Organträger dessen Verluste mit verursacht haben. Vgl. hierzu Sistermann/Brinkmann, DStR 2009, 2633 ff.

Maßgebend für die Frage, ob die stillen Reserven im Inland steuerpflichtig 841 sind, kann unseres Erachtens jeweils nur der Zeitpunkt der schädlichen Anteilsübertragung sein. Sind Anteile beispielsweise im Anschluss an eine Einbringung unter dem gemeinen Wert gemäß § 22 Abs. 2 UmwStG (zeitlich befristet bis zum Ablauf der siebenjährigen Sperrfrist) steuerverstrickt, so sind nach dem Gesetzeswortlaut auch die stillen Reserven i. S. d. § 8c Abs. 1 Satz 7 KStG als im Inland steuerpflichtig anzusehen. Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 145 f.

Fraglich könnte jedoch sein, ob diese Auffassung dem mutmaßlichen Sinn 842 und Zweck der Regelung des § 8c Abs. 1 Satz 7 KStG entspricht, sodass die Finanzverwaltung möglicherweise eine gegenteilige Ansicht vertreten könnte.

193

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

c) Keine Nutzung steuerlicher Verlustvorträge mehr bei Verschmelzung/Abspaltung 843 Früher war es möglich, statt der Veräußerung der Anteile an einer Verlustkapitalgesellschaft, diese auf eine Gewinnkapitalgesellschaft zu verschmelzen, um den Verlustvortrag durch die aufnehmende Kapitalgesellschaft gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG a. F. zu nutzen. Gleiches galt für zur Aufnahme abgespaltene Gesellschaften gemäß § 15 Abs. 1 UmwStG i. V. m. § 12 Abs. 3 UmwStG a. F. 844 Eingeschränkt wurden die Regelungen durch die Notwendigkeit, dass der verlustverursachende Betrieb bzw. Betriebsteil ab dem Verschmelzungsstichtag mindestens fünf Jahre in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang fortgeführt werden musste. Vgl. BMF-Schreiben v. 16.4.1999, BStBl. I 1999, 455, 458 Rn. 36 ff.; vgl. auch BFH, Urt. v. 29.6.2009 – I R 60/09, BFH/NV 2011, 71 ff.

845 Diese Möglichkeiten der Verlustnutzung wurden durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) abgeschafft. Das Gesetz ist mit Wirkung vom 13. Dezember 2006 in Kraft getreten. Vgl. BGBl. I 2006, 2782 ff.

846 Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG tritt die übernehmende Körperschaft grundsätzlich in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Allerdings führt der Verweis von § 12 Abs. 3 UmwStG auf § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG explizit zum Wegfall verrechenbarer Verluste, verbleibender Verlustvorträge oder von vom übertragenden Rechtsträger nicht ausgeglichener negativer Einkünfte. 847 Ziel der Neuregelung sollte sein, dass Verluste durch Verschmelzungen nicht aus dem Ausland importiert werden können. Umstritten ist allerdings, ob die Möglichkeit eines solchen Verlustimportes überhaupt gegeben war. Vgl. Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2006, 1657 ff.; so wohl auch Blumenberg/Schäfer-Schaflitzl/Widmayer, Das SEStEG, S. 133.

d) Verlustnutzung durch andere Gestaltungen 848 Zur Umgehung der Mantelkaufproblematik von § 8 Abs. 4 KStG a. F. bzw. § 8c KStG und der speziellen Verschmelzungsfolgen gemäß § 12 Abs. 3 UmwStG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG bieten sich zur Verlustnutzung unter Umständen die folgenden Gestaltungen an:

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

aa) Gestaltung einer Organschaft Die Verlustgesellschaft erwirbt die Anteile an der profitablen Gesellschaft 849 und schließt mit dieser einen Gewinnabführungsvertrag. Nachdem steuerlich nunmehr eine Organschaft zwischen den beiden Gesellschaften besteht, verkauft die profitable Organgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb im Rahmen des Asset Deals unter Hebung der stillen Reserven an den Erwerber. Die Organträgergesellschaft verrechnet diesen laufenden Gewinn mit ihrem Verlustvortrag. Vgl. Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 336.

Diese Gestaltung erfährt jedoch Einschränkungen durch die Mindestbesteue- 850 rung und kann daher nur für kleinere Gesellschaften ohne steuerliche Belastungen angewandt werden. bb) Realisation stiller Reserven Die Verlustnutzung kann zudem durch Realisation von stillen Reserven (ins- 851 besondere bei nicht aktivierten immateriellen Wirtschaftsgütern) im Rahmen eines Asset Deals an die übernehmende Gesellschaft im Konzernverbund bewirkt werden. Die übernehmende Gesellschaft erhält insoweit Abschreibungspotential. Bei der Verlustgesellschaft ist allerdings die Grenze der Mindestbesteuerung zu beachten. Auch „Sale-and-Lease-Back-Gestaltungen“ können als Mittel der Verlust- 852 nutzung verwendet werden. Die Aufdeckung der in dem zu übertragenden Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven sollte insoweit im Falle eines Verlustabzugs/-ausgleichs unter Berücksichtigung der Mindestbesteuerung keine Steuerbelastung auslösen. Steht die Verlustnutzung im Vordergrund, ist jedoch zu beachten, dass diese nur dann erreicht werden kann, wenn mit der zivilrechtlichen Eigentumsübertragung auch das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) auf den Leasinggeber übergeht. Zu bedenken ist zudem, dass dies gleichsam die nachteilige Folge einer gewerbesteuerlichen Hinzurechnung der Leasingraten gemäß § 8 Nr. 1 lit. d) oder e) GewStG zur Folge hat. cc) Forderungsverzicht mit Besserungsvereinbarung Unter Umständen kommt bei Gesellschafterdarlehen auch eine Verlustnut- 853 zung durch einen Forderungsverzicht gegen Besserungsvereinbarung in den Grenzen der Mindestbesteuerung in Betracht, um den steuerlichen Verlust vor der schädlichen Anteilsübertragung zu nutzen und durch Gestaltung des Besserungsfalls in spätere Wirtschaftsjahre zu verlagern. Die Finanzverwaltung lehnt diese Gestaltung jedoch ab und will stattdessen den Gewinn des Wirtschaftsjahres der (Wieder-)Einbuchung im Rahmen der Einkommensermittlung um den Aufwandsbetrag erhöhen.

195

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle Vgl. BMF-Schreiben v. 2.12.2003, BStBl. I 2003, 648, 649 unter 2. lit. d) zu § 8 Abs. 4 KStG a. F.

854 Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entsteht die Forderung aufgrund des Bedingungseintritts i. V. m. der Besserungsabrede nach dem Anteilseignerwechsel neu und es handelt sich nicht um das Wiederaufleben der alten Forderung. Vgl. BFH, Urt. v. 29.1.2003 – I R 50/02, DStR 2003, 1291 f.

855 Tritt der Besserungsfall ein, so hat dies eine Wiedereinbuchung der alten Verbindlichkeit sowie Erfüllung der Forderung zur Folge. Dies führt zu Betriebsausgaben, wenn die ursprüngliche Forderung betrieblich veranlasst war. Daher ist die Auffassung der Finanzverwaltung abzulehnen und der Forderungsverzicht mit Besserungsabrede führt nach richtiger Auffassung vor dem schädlichen Anteilseignerwechsel zu einem Verbrauch ansonsten wegen § 8c KStG untergehender Verlustvorträge und der künftige Besserungsaufwand ist steuerlich auch nach dem schädlichen Beteiligungserwerb zu berücksichtigen. BFH, Urt. v. 12.7.2012 – I R 23/11, DStR 2012, 2058 ff.; so zutreffend auch Gosch-Roser, KStG, § 8c Rn. 106; Pohl, DB 2008, 1531 ff.; Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 41 ff.; Kahlert/Rühland-Kahlert, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rn. 2.50.

e) Steuerliche Behandlung von stillen Gesellschaften/Genussrechten 856 Im Rahmen eines Unternehmenskaufs in der Krise werden auch des Öfteren stille Gesellschafter oder Genussrechtsinhaber von Maßnahmen betroffen. Steuerlich ist der sog. typisch stille Gesellschafter mit den Rechten gemäß §§ 230 ff. HGB kein Mitunternehmer, sondern erzielt vielmehr Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Die typische stille Einlage ist in der Bilanz des Kaufmanns als Fremdkapital unter den sonstigen Verbindlichkeiten auszuweisen. Die Gewinnbeteiligung des typisch stillen Gesellschafters ist bei dem Unternehmen als Betriebsausgabe abzugsfähig, umgekehrt führt die Verlustbeteiligung zu einer entsprechenden Betriebseinnahme beim Unternehmen. 857 Trägt der stille Gesellschafter aufgrund durch Gesellschaftsvertrag begründete Rechte und Pflichten – abweichend von den Regelungen der §§ 230 ff. HGB – Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative, so wird er steuerlich als atypisch stiller Gesellschafter behandelt. Die atypisch stille Gesellschaft ist selbst Subjekt im Rahmen der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation. Der atypisch stille Gesellschafter bezieht bei einer gewerblichen Tätigkeit des Unternehmens Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die Einkünfte der atypisch stillen Gesellschaft werden im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung anteilig dem Unternehmen und dem stillen Gesellschafter unmittel-

196

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

bar zugerechnet. Gewinn bzw. Verlust des Unternehmens ist mithin von vornherein um den Anteil des stillen Gesellschafters gemindert bzw. erhöht. Objekt der Gewerbesteuer ist jedoch das Unternehmen selbst und nicht die atypisch stille Gesellschaft; Schuldner der Gewerbesteuer ist der Inhaber des Handelsgewerbes, § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG. Zugewiesene Verluste, die die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters über- 858 steigen, sind gemäß § 15a Abs. 5 i. V. m. § 15 Abs. 1 EStG nicht mit anderen Einkünften ausgleichbar, da insoweit ein negatives „Einlagekonto“ des stillen Gesellschafters entsteht oder sich erhöht. Sie sind auch nicht nach § 10d EStG im Rahmen des allgemeinen Verlustabzugs vor- oder rücktragungsfähig. Diese Verluste sind nur mit zukünftigen Gewinnen aus der stillen Beteiligung verrechenbar. Sie werden deshalb gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festgestellt. Dieser Vorgang ist beim stillen Gesellschafter steuerlich unbeachtlich und damit erfolgsneutral. Gleiches gilt dementsprechend für die spätere Auffüllung durch Gewinnanteile bis zur Höhe des gesondert festgestellten Verlusts, die ebenso erfolgsneutral erfolgt. Bei Genussrechten wird steuerlich zwischen der Gewährung einer Betei- 859 ligung am laufenden Ergebnis (sog. einfache Genussrechte) und der zusätzlichen Beteiligung am Liquidationserlös (Genussrechte mit Beteiligungscharakter) unterschieden. Die einfachen Genussrechte begründen einen schuldrechtlichen Anspruch des Inhabers und sind als Fremdkapital zu passivieren. Vergütungen hierauf sind steuerlich Betriebsausgaben. Auch eine Nachrangvereinbarung auf einfache Genussrechte qualifiziert diese nicht zu Eigenkapital. BFH, Urt. v. 14.6.2005 – VIII R 73/03, DStR 2005, 1847, 1849.

Die Genussrechte mit Beteiligungscharakter haben dagegen wirtschaftlich 860 Eigenkapitalcharakter und Vergütungen hierauf mindern das steuerliche Einkommen nicht. Im Rahmen von Sanierungsgewinnen, z. B. durch den Forderungsverzicht 861 auf ein Darlehen, ist zu beachten, dass dieser Gewinn entsprechend den vertraglichen Regelungen grundsätzlich anteilig den stillen Gesellschaftern oder Genussrechtsinhabern zuzurechnen wäre. Eine abweichende Vereinbarung ist allerdings möglich. 3. Besteuerung von Sanierungsgewinnen Die steuerlichen Auswirkungen des Forderungsverzichts sind im Rahmen 862 von Sanierungen und Insolvenzverfahren zu berücksichtigen und sollten vorab mit der Finanzverwaltung im Rahmen einer verbindlichen Auskunft abgestimmt werden. So kann ein Insolvenzplan regelmäßig nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn der Sanierungsgewinn aufgrund des Forderungsverzichts der Gläubiger nicht unmittelbar zu einer Steuerbelastung des schuldnerischen Unternehmens führt.

197

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

863 Verzichtet neben Drittgläubigern auch ein Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft auf seine Forderung, so führt dies in Höhe des werthaltigen Teils zu einer steuerneutralen (verdeckten) Einlage; der nicht werthaltige Teil führt, wie beim Drittgläubiger, zu einem grundsätzlich steuerpflichtigen Sanierungsgewinn. Großer Senat des BFH, Beschl. v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307 ff.

864 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nachrangige Anteilseignerdarlehen i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO regelmäßig insgesamt nicht werthaltig sind, sofern nicht ausnahmsweise die vorrangigen Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO im konkreten Fall vollständig befriedigt werden. 865 Noch vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999 wurde die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen gemäß § 3 Nr. 66 EStG a. F. mit Wirkung zum 1. Januar 1998 ersatzlos gestrichen. Die Steuerbefreiung hatte bis dahin zur Folge, dass Verlustvorträge trotz Inanspruchnahme der Steuerfreiheit weiterhin genutzt werden konnten und demzufolge die Sanierung zusätzlich gefördert wurde. Die Abschaffung der gesetzlich normierten Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns führte demgegenüber – trotz der besseren insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen für eine Sanierung in der Insolvenz seit dem 1. Januar 1999 – zu einer erheblichen Unsicherheit für die Umsetzung von Sanierungen in der Praxis. Die Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. sollte jedoch lediglich die sog. Doppelbegünstigung durch die Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns sowie die zusätzliche Nutzung der steuerlichen Verlustvorträge gemäß § 10d EStG beseitigen. Eine Besteuerung des Sanierungsgewinns kann seit dem 1. Januar 1998 nur noch durch Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen unter bestimmten Voraussetzungen vermieden werden. Vgl. FG Münster, Urt. v. 27.5.2004 – 2 K 1307/02, EFG 2004, 1572 ff.

866 Die unsicheren Rahmenbedingungen der steuerlichen Behandlung des Sanierungsgewinns führten schließlich zum Erlass eines BMF-Schreibens betreffend die ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen, nämlich durch Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß §§ 163, 222, 227 AO. BMF-Schreiben v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240 ff.; ergänzend BMF-Schreiben v. 22.12.2009, BStBl. I 2010, 18 zur Anwendbarkeit auf das Insolvenzplanverfahren sowie die Restschuldbefreiung.

867 Mit Ausnahme einer modifizierten Verrechnung vorhandener Verlustvorträge und negativer Einkünfte setzt der Sanierungserlass im Ergebnis die Rechtsfolge des früheren § 3 Nr. 66 EStG im Wege der Billigkeit wieder in Kraft. Die von der Rechtsprechung zum früheren § 3 Nr. 66 EStG gefundenen Rechtsgrundsätze wurden im Sanierungserlass in weitem Umfang inhaltlich übernommen. Nach Rn. 13 des Schreibens, BMF-Schreiben v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, 243 Rn. 13,

198

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

ist dieses in allen noch offenen Fällen anzuwenden, für die die Regelung des § 3 Nr. 66 EStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997, BGBl. I 1997, 821 ff.,

nicht mehr gilt, also für alle Sanierungsgewinne, die nach dem 31. Dezember 1997 entstanden sind. Erlass und Stundung sind Billigkeitsmaßnahmen, die als Ermessensentschei- 868 dung der Finanzverwaltung von den Finanzgerichten nur eingeschränkt überprüfbar sind. Die Ermessensausübung der Finanzverwaltung ist gemäß § 102 FGO lediglich daraufhin überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Das Ermessen der Finanzverwaltung kann sich allerdings bei Vorliegen aller im Sanierungserlass geregelten Voraussetzungen für eine steuerliche Sonderbehandlung auf null reduzieren, sodass ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Erlass der Steuer auf den Sanierungsgewinn bestehen kann. BMF-Schreiben, BStBl. I 2003, 240, 243 Rn. 12; vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 25.3.2015 – X R 23/13, DStR 2015, 1443 ff.

Nachdem infolge dieses BMF-Schreibens regelmäßig von der faktischen 869 Nichtbesteuerung von Sanierungsgewinnen nach Verrechnung von Verlustvorträgen ausgegangen werden konnte, hatte zunächst das FG München Kritik an dieser generellen Praxis geäußert. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass das BMF-Schreiben die frühere Rechtsfolge des § 3 Nr. 66 EStG a. F. über den Billigkeitsweg gewährt, eine derartige Verfahrensweise jedoch mit dem geltenden Recht nicht in Einklang zu bringen sei, da der Gesetzgeber durch Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. ausdrücklich zum Ausdruck gebracht habe, dass eine generelle und abstrakte Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen gerade nicht gewollt sei. Allein das Vorliegen der im Billigkeitserlass geforderten Voraussetzungen reiche nicht aus, um in jedem Fall den Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen anzunehmen. Schließlich sei für Billigkeitsentscheidungen in Fällen der Insolvenz nur in völlig außergewöhnlichen Sachverhaltskonstellationen (sachliche Unbilligkeit) Raum. Daneben könne der Steuererlass auch noch aufgrund persönlicher Billigkeitsgründe in Betracht kommen. Dieser Auffassung hat sich auch das FG Sachsen angeschlossen. FG München, Urt. v. 12.12.2007 – 1 K 4487/06, EFG 2008, 615 ff.; FG Sachsen, Urt. v. 24.4.2013 – 1 K 759/12, EFG 2013, 1898 f.

Der 10. Senat des BFH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 nicht 870 tragend die Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses bestätigt. BFH, Urt. v. 14.7.2010 – X R 34/08, BStBl. II 2010, 916 ff.

Im Rahmen einer summarischen Prüfung hielt jedoch der 8. Senat in einer 871 Entscheidung aus dem Jahr 2012 Billigkeitsmaßnahmen auf der Grundlage 199

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

des Sanierungserlasses für zweifelhaft, hat aber auch nicht die Gesetzwidrigkeit des Sanierungserlasses postuliert. BFH, Beschl. v. 28.2.2012 – VIII R 2/08, DStR 2012, 943 ff.

872 In einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 hat der 9. Senat die Frage, ob der Sanierungserlass gesetzwidrig sei und deswegen keine Anwendung finde, ausdrücklich offengelassen. Der 10. Senat des BFH hat nunmehr gemäß Beschluss vom 25. März 2015 die Rechtsfrage, ob der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, dem Großen Senat des BFH als Vorlagefrage vorgelegt. In diesem Beschluss begründet der 10. Senat nochmals seine Auffassung, dass der Sanierungserlass mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vorbehalt des Gesetzes vereinbar ist. BFH, Urt. v. 25.3.2015 – X R 23/13, DStR 2015, 1443 ff.

873 Auch die sog. „Seer-Kommission“ hat sich mit Fragen der Besteuerung von Sanierungsgewinnen befasst und in ihrem Abschlussbericht festgestellt, dass die Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen einer mehr als 80-jährigen Rechtstradition entspricht und sich durch die §§ 163, 222, 227 AO auch gesetzlich fundieren lässt. Die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen stelle auch keine nach Art. 108 AEUV unionsrechtlich unzulässige Beihilfe dar. Seer, Abschlussbericht der Kommission zur Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht, Beil. 2 zu ZIP 42/2014, 1 ff.; vgl. dazu Schmittmann, INDat-Report 8/2014, 34 ff.

874 Ob es sich um eine unzulässige Beihilfe handelt, obliegt in letzter Instanz der Entscheidung des EuGH. Auch nach Auffassung des 10. Senats des BFH stellt der Sanierungserlass keine unionswidrige staatliche Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV (ehem. Art 87 EGV) dar, da er nicht spezifisch bzw. selektiv bestimmte Unternehmen begünstige und den Grundprinzipien der Steuerrechtsordnung hinsichtlich der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und dem Übermaßverbot entspreche. BFH, Urt. v. 25.3.2015 – X R 23/13, DStR 2015, 1443, 1449.

875 Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 26. Januar 2011, Europäische Kommission, Beschl. v. 26.1.2011 – C 7/2010, K(2011) 275 endgültig,

hinsichtlich der unzulässigen Beihilfe der Sanierungsklausel gemäß § 8c Abs. 1a KStG, da insoweit im Rahmen der Anwendung des Sanierungserlasses bereits dem Grunde nach keine selektive Maßnahme als unzulässige Beihilfe i. S. d. Art. 107 AEUV gegeben ist. Der Sanierungserlass ist allgemein für alle steuerpflichtigen Unternehmen/Unternehmer anwendbar und dient dem Ausgleich unbilliger Härten im Rahmen der Steuererhebung als Ausfluss des aus dem Rechtstaatsprinzip abzuleitenden Gerechtigkeitsprinzips.

200

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen So auch Gragert, NWB 2011, 1438, 1439; BFH, Urt. v. 25.3.2015 – X R 23/13, DStR 2015, 1443, 1449; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.3.2014 – IX ZR 23/10, NJW-RR 2014, 1015 ff.

Soweit bekannt, ist zurzeit kein Verfahren nach Art. 108 AEUV zur Über- 876 prüfung des Sanierungserlasses anhängig. In einer nicht veröffentlichten Entscheidung im Rahmen einer Einzelfallprüfung soll die Kommission sogar eine Vereinbarkeit des Sanierungserlasses mit dem EU-Beihilferecht angenommen haben. Gragert, NWB 2013, 2141, 2142.

Es ist mithin davon auszugehen, dass die im Sanierungserlass getroffene Bil- 877 ligkeitsregelung nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und mit dem europarechtlichen Beihilferecht vereinbar ist. Im Hinblick auf die Regelungen der §§ 168, 222, 227 AO, die im Grundsatz die Stundung sowie den Erlass von Steuerforderungen aus Billigkeitsgründen vorsehen, kann ein hiervon Begünstigter grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses vertrauen. BFH, Urt. v. 13.3.2014 – IX ZR 23/10, NJW-RR 2014, 1015 ff.

Danach kann die Erhebung von Steuern auf einen nach Verbrauch der er- 878 tragsteuerlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn aus sachlichen Gründen unter den Voraussetzungen des BMFSchreibens unbillig sein. BFH, Urt. v. 14.7.2010 – X R 34/08, BStBl. II 2010, 916 ff.; zuvor bereits FG Köln, Urt. v. 24.4.2008 – 6 K 2488/06, EFG 2008, 1555 ff.

Die Finanzverwaltung wendet auch weiterhin den Sanierungserlass an. Dies 879 folgt beispielsweise daraus, dass der Sanierungserlass unter Nr. 517 der Positivliste des BMF vom 11. März 2016 geführt wird. Gemeinsame Positivliste des BMF (Stand 11.3.2016), abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/ Downloads/BMF_Schreiben.

Die derzeitige Unsicherheit im Bereich der steuerlichen Behandlung von Sa- 880 nierungsgewinnen bis zur Entscheidung des Großen Senats des BFH sowie einer endgültigen Klärung der europarechtlichen Beihilfeproblematik stellt ein signifikantes Investitionshemmnis in Krise und Insolvenz dar, das vom Gesetzgeber kurzfristig beseitigt werden sollte, um den „Insolvenzstandort Deutschland“ zu stärken. Schmittmann, NZI 2015, 84, 85.

Die Finanzverwaltung definiert Sanierung als eine Maßnahme, die darauf ge- 881 richtet ist, ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen („unternehmensbezogene Sanierung“). Die Rechtform des Unternehmens oder des Unternehmensträgers ist dabei unerheblich, sodass die Begünstigung auf juris201

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

tische Personen, Personengesellschaften und natürliche Person anwendbar ist. Eine unternehmensbezogene Sanierung kann auch bei ausländischen Unternehmen vorliegen. 882 Unter den Begriff der Sanierung fallen das gerichtliche Insolvenzverfahren sowie außergerichtliche Sanierungen, bei denen sich die Gesellschafterstruktur des in die Krise geratenen zu sanierenden Unternehmens ändert oder das zu sanierende Unternehmen durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen umstrukturiert wird. Typische Sanierungen sind beispielsweise das Insolvenzplanverfahren. Eine begünstigte Sanierung liegt auch im Fall einer übertragenden Sanierung vor. Die Möglichkeit der übertragenden Sanierung hatte der BFH bereits für § 3 Nr. 66 EStG a. F. anerkannt. BFH, Urt. v. 24.4.1986 – IV R 282/84, BStBl. II 1986, 672 ff.

883 In Fortsetzung und unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung auch den Sanierungserlass auf übertragende Sanierungen ausgedehnt. Eine übertragende Sanierung liegt vor, wenn sich der Sanierungserfolg in einem Nachfolgeunternehmen, z. B. in einer Auffanggesellschaft, niederschlägt. So kann beispielsweise eine Sanierung dadurch erfolgen, dass die bisherigen Gesellschafter bzw. hinzutretende neue Gesellschafter eine Nachfolgegesellschaft gründen, die den Betrieb der notleidenden Gesellschaft übernimmt, während diese das ihr verbliebene Vermögen zur teilweisen Befriedigung der Gläubiger verwendet. Hierbei wird das Unternehmen in seiner neuen rechtlichen Gestalt der Nachfolgegesellschaft von Altschulden entweder völlig oder nach Maßgabe der an die schwindende Gesellschaft zu zahlenden Vergütung teilweise entlastet; ihm werden in der Übernahmegesellschaft auch neue Eigenmittel zugeführt. BFH, Urt. v. 24.4.1986 – IV R 282/84, BStBl. II 1986, 672, 673 zu § 3 Nr. 66 EStG a. F. unter Bezugnahme auf K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 336.

884 Dagegen soll keine begünstigte Sanierung gegeben sein, soweit die Schulden erlassen werden, um dem Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen. BMF-Schreiben v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, 240 Rn. 1 f.; vgl. auch BFH, Urt. v. 17.11.2004 – I R 11/04, BFH/NV 2005, 1027 ff. zur unternehmensbezogenen Sanierung im Rahmen des § 3 Nr. 66 EStG a. F.

885 Da die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung des Sanierungsgewinns auch im Rahmen der Betriebsaufgabe zwecks schuldenfreier Liquidation gegeben sein kann, ist die vorgenannte Auffassung der Finanzverwaltung abzulehnen. Für eine unternehmerbezogene Sanierung im Rahmen des § 3 Nr. 66 EStG a. F. vgl. BFH, Urt. vom 12.10.2005 – X R 20/03 und X R 42/03, BFH/NV 2006, 713 f. und 715 ff.;

202

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen vgl. auch FG Münster, Urt. v. 27.5.2004 – 2 K 1307/02, EFG 2004, 1572 ff.; Janssen, BB 2005, 1026 f.

Sanierungsgewinn ist die Erhöhung des Betriebsvermögens aufgrund eines 886 Forderungsverzichts. Dieser Sanierungsgewinn ist nach Auffassung der Finanzverwaltung begüns- 887 tigt, wenn x

die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens,

x

die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens,

x

die Sanierungseignung des Forderungsverzichts und

x

die Sanierungsabsicht der verzichtenden Gläubiger

gegeben sind. Da der Sanierungserlass die oben genannten Voraussetzungen nicht eigen- 888 ständig definiert, ist hierzu auf die Rechtsprechung zu § 3 Nr. 66 EStG a. F. zurückzugreifen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die vorgenannten Voraussetzungen regelmäßig erfüllt, wenn sie auf einem Sanierungsplan beruhen. Siehe dazu auch BFH, Urt. v. 16.5.2002 – IV R 11/01, BStBl. II 2002, 854 ff.; BFH, Urt. v. 10.4.2003 – IV R 63/01, BStBl. II 2004, 9 f.

Der BFH ging für den Fall der unternehmensbezogenen Sanierung von einer 889 Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens aus, wenn einerseits eine Überschuldung vorlag und andererseits zukünftig aufgrund der wirtschaftlichen Lage nicht mit einer finanziellen Verbesserung gerechnet werden konnte. Sanierungsbedürftigkeit i. S. d. Sanierungserlasses liegt demnach vor, wenn ein Unternehmen ohne den Schuldenerlass nicht in der Lage wäre, seinen aktuellen und zukünftigen Verpflichtungen nachzukommen und daher wirtschaftlich vor dem Zusammenbruch steht. BFH, Urt. v. 12.10.2005 – X R 42/03, BFH/NV 2006, 715 ff.

Für die Sanierungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Unternehmen nach 890 der Sanierung objektiv in der Lage sein wird, einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen. Dies wird im Rahmen eines Insolvenzplans regelmäßig durch die Unternehmensplanung als Anlage des Insolvenzplans dokumentiert. Zur Beurteilung der Sanierungseignung kommt es auf den Zeitpunkt des 891 Schuldenerlasses an. Bezogen auf diesen Zeitpunkt muss das Unternehmen als lebensfähig angesehen werden. Im Gegensatz zur Voraussetzung der Sanierungsfähigkeit kommt es daher für die Sanierungseignung nicht auf eine in die Zukunft gerichtete Ertragsprognose an. Allein die Betrachtung zum Status quo ist für die Beurteilung der Sanierungseignung maßgeblich. Vgl. BFH, Urt. v. 16.5.2002 – IV R 11/01, BStBl. II 2002, 854 ff.

203

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

892 Schließlich ist zusätzlich das Tatbestandsmerkmal Sanierungsabsicht nach dem Sanierungserlass zu beachten. Eine Sanierungsabsicht wird grundsätzlich unterstellt, wenn sich mehrere Gläubiger eines sanierungsbedürftigen Schuldners an einem Schuldenerlass beteiligen. Vgl. BFH, Urt. v. 17.11.2004 – I R 11/04, BFH/NV 2005, 1027 ff.

893 Dies ist im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens durch die gleichmäßige Befriedigung der jeweiligen Gläubigergruppen bereits sichergestellt. Daher geht auch die Finanzverwaltung davon aus, dass die vorgenannten Voraussetzungen regelmäßig erfüllt sind, wenn sie auf einem Insolvenzplan zwecks Sanierung des Unternehmens beruhen. BMF-Schreiben v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, 240 Rn. 4; vgl. dazu auch BFH, Urt. v. 16.5.2002 – IV R 11/01, BStBl. II 2002, 854 ff.; BFH, Urt. v. 10.4.2003 – IV R 63/01, BStBl. II 2004, 9 f.

894 Von dem Sanierungsgewinn sind vorrangig die ertragsteuerrechtlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten ohne Anwendung der ansonsten bestehenden Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen vollständig auszuschöpfen, d. h. die sog. Mindestbesteuerung begrenzt hierbei die Verlustverrechnung nicht. BMF-Schreiben v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, 241 Rn. 8; OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinf. v. 6.2.2015, StEd 2015, 158; Buth/Hermanns-Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 35 Rn. 92; J. Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 4.28; Sistermann/Brinkmann, DStR 2011, 2230, 2231.

895 Die dem Grunde nach auf dem verbleibenden Sanierungsgewinn entstehende Steuer ist dann auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen und nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses gemäß § 227 AO zunächst unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit zu stunden. Im Ergebnis ist mithin im Gegensatz zur früheren Regelung der Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns gemäß § 3 Nr. 66 EStG a. F. nunmehr eine „totale“ Verlustverrechnung Voraussetzung für die abweichende Steuerfestsetzung und den späteren Steuererlass. 896 Auch im Folgejahr entstehende Verluste sollen nach Auffassung der Finanzverwaltung im Wege des Verlustrücktrags den Sanierungsgewinn des Vorjahres mindern und daher nicht mehr mit zukünftigen Gewinnen im Rahmen der Sanierung verrechenbar sein.

204

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Beispiel: X-GmbH erzielt in 01 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von Darin enthalten ist ein Sanierungsgewinn aufgrund eines Forderungsverzichts von

8 Mio. € 10 Mio. €

und ein Verlust aus laufendem Geschäft von

2 Mio. €

Verlustvortrag aus den Vorjahren gemäß § 10d EStG beträgt

5 Mio. €

Nach Verrechnung mit dem Verlustvortrag verbleibt ein zu versteuernder Sanierungsgewinn von

3 Mio. €

Die Steuer auf diesen Sanierungsgewinn ist unter den genannten Voraussetzungen unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit zu stunden. Im Folgejahr 02 erzielt die X-GmbH negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1 Mio. €, sodass nach Auffassung der Finanzverwaltung dieser Verlust vorrangig mit dem im Vorjahr nach Verlustverrechnung versteuerten Sanierungsgewinn im Wege des Verlustrücktrags gemäß § 10d Abs. 1 EStG zu verrechnen ist. Danach ergibt sich folgende Berechnung: Im Vorjahr 01 zu versteuernder (gestundeter) Sanierungsgewinn

3 Mio. €

Verlustrücktrag aus Folgejahr 02

– 1 Mio. €

verbleibender Sanierungsgewinn

2 Mio. €

Die Steuerstundung wäre danach entsprechend anzupassen. Steht dieser Sanierungsgewinn endgültig fest, so wird die Steuer hierauf gemäß § 227 AO bei einer Ermessensreduzierung auf null von der Finanzbehörde erlassen. Verfahrensrechtlich ist zu berücksichtigen, dass die abweichende (niedrigere) 897 Festsetzung der Steuern aus Billigkeitsgründen einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt, welcher für die eigentliche Steuerfestsetzung ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung ist. Vgl. Becker, DStR 2003, 1602, 1603 m. w. N.

Die totale Verlustverrechnung wird in der Literatur teilweise kritisiert, jedoch 898 erscheint sie im Hinblick auf die ursprüngliche Abschaffung der Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns gemäß § 3 Nr. 66 EStG nicht ermessensfehlerhaft. Kritisch dazu Janssen, DStR 2003, 1055, 1058 f.; ders., BB 2005, 1026 f.

Problematisch ist allerdings die im Sanierungserlass enthaltene Vermutung, 899 dass ein Antrag, die Verluste eines Folgejahres nicht mit dem Sanierungsge-

205

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

winn des Vorjahres zu verrechnen, sondern vorzutragen, zugleich eine Rücknahme des Erlassantrages hinsichtlich der Steuer auf den Sanierungsgewinn darstellen soll. Diese Vermutung ist nicht gerechtfertigt und kann durch ausdrücklichen Hinweis auf den aufrechterhaltenden Erlassantrag umgangen werden. In diesem Fall kann eine Antragsrücknahme nicht mehr unterstellt werden. Sofern die vollständige Verlustverrechnung als inhaltliche Voraussetzung für den Steuererlass auf den Sanierungsgewinn angewandt würde, wäre eine vollständige Versagung des Steuererlasses die Rechtsfolge. Die vollständige Versagung des Steuererlasses wäre unseres Erachtens jedoch ermessenfehlerhaft, da der Sanierungserlass selbst ausdrücklich die sachlichen Billigkeitsgründe für den Verzicht auf die Besteuerung des überschießenden Sanierungsgewinns herausstellt. Im Ergebnis müsste insoweit ein Teilerlass der Steuer auf den Sanierungsgewinn verbleiben und lediglich eine Steuer auf den verweigerten Verlustvortrag festgesetzt werden. Beispiel: Im vorgenannten Beispiel würde mithin unseres Erachtens bei Verweigerung der Zustimmung zu dem Verlustrücktrag in Höhe von 1 Mio. € die Stundung und der avisierte Erlass des Sanierungsgewinns auf 2 Mio. € gesenkt werden, sodass rückwirkend ein Sanierungsgewinn in Höhe von 1 Mio. € zu versteuern wäre. Vgl. Becker, DStR 2003, 1602, 1603 f.; Janssen, DStR 2003, 1055, 1058; dens., BB 2005, 1026 f.; Nolte, NWB 2005, 3856, 3867.

900 Stundung und Erlass sind insoweit Billigkeitsvorschriften, die als Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung von den Finanzgerichten nur eingeschränkt überprüfbar sind. Die Ermessensausübung der Finanzverwaltung ist gemäß § 102 FGO lediglich daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Das Ermessen der Finanzverwaltung kann sich allerdings bei Vorliegen aller Voraussetzungen für eine sachliche Unbilligkeit auf null reduzieren, sodass ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Erlass der Steuer auf den Sanierungsgewinn bestehen kann. BFH, Urt. v. 10.2.1988 – VII R 159/84, BStBl. II 1988, 653 f.; zur Ermessensreduzierung auf null vgl. FG Münster, Urteil vom v. 27.5.2004 – 2 K 1307/02, EFG 2004, 1572 ff.

901 Bei Forderungsverzichten gegen Besserungsabrede (siehe Rn. 910 ff.) ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer solange zu stunden, wie Zahlungen auf die Besserungsabrede geleistet werden können. Während dieses Zeitraums darf nach Auffassung der Finanzverwaltung insoweit auch kein Steuererlass ausgesprochen werden. Erst nach abschließender Prüfung und nach Feststellung der endgültigen auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn entfallenden Steuer ist diese nach § 227 AO zu erlassen. Dies gilt auch für ggf. erhobene Stundungszinsen.

206

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Dogmatisch problematisch ist die Auffassung der Finanzverwaltung, dass bei 902 Eintritt des Besserungsfalls der Abzug dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben entsprechend den Rechtsgrundsätzen des § 3c Abs. 1 EStG ausgeschlossen sein sollen. Vgl. BMF-Schreiben v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, 240 Rn. 5.

Die Begründung des Betriebsausgabenabzugsverbots der Finanzverwaltung 903 entsprechend § 3c Abs. 1 EStG ist nicht zu rechtfertigen, da der Sanierungsgewinn gerade nicht steuerfrei ist, sondern lediglich im Billigkeitswege zunächst gestundet und erst später endgültig erlassen werden soll. Stattdessen sollen diese Zahlungen auf die Besserungsabrede zunächst den angesetzten Sanierungsgewinn mindern, sodass die Steuerfestsetzung rückwirkend gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu korrigieren ist. Gerade in solchen Fällen, in denen eine Besserungsabrede existiert, soll nach 904 Auffassung der Finanzverwaltung die Steuer auf den Sanierungsgewinn solange gestundet werden, wie Zahlungen auf den regelmäßig befristeten Besserungsschein erfolgen können. Erst wenn dieser Zeitraum abgelaufen ist, soll die dann endgültig feststehende Steuer auf den Sanierungsgewinn erlassen werden. Vgl. BMF-Schreiben v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, 243 Rn. 11.

Systematischer erscheint daher die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG, wo- 905 nach auflösend bedingt erlassene Verbindlichkeiten bei Wegfall des Erlasses Gewinn mindernd zu berücksichtigen sind. Stattdessen könnte ein entsprechender Teil des Sanierungsgewinns dadurch besteuert werden, dass die nach dem BMF-Schreiben gewährte Stundung der Steuer auf diesen Teil des Sanierungsgewinns widerrufen wird. Es empfiehlt sich, in jedem Fall diese Problematik mit dem jeweils zuständigen Finanzamt abzustimmen. Die Billigkeitsregelungen des Sanierungserlasses hinsichtlich der Steuerstun- 906 dung und des Steuererlasses gelten nicht unmittelbar für die Gewerbesteuer, da für derartige Zwecke die jeweils hebeberechtigte Gemeinde zuständig ist. Die Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags und eines gewerbesteuerlichen Verlustabzugs erfolgen eigenständig. BFH, Urt. v. 25.4.2012 – I R 24/11, DStR 2012, 1544 f.; LfSt Bayern, Vfg. v. 8.8.2006, FR 2006, 900 f.; Nolte, NWB 2005, 3856, 3866 f.

Das Finanzamt teilt der Gemeinde im Rahmen der Erteilung des Gewerbe- 907 steuermessbescheides im Verfahren nach § 184 Abs. 3 AO förmlich die Höhe des Sanierungsgewinns und die Höhe der noch verrechenbaren Verluste, die Grundlagen der abweichenden Festsetzung und die anteilige Verteilung in Zerlegungsfällen mit. Die vom Finanzamt getroffene Qualifizierung als Sanierungsgewinn hat insoweit keine bindende Wirkung im Hinblick auf die Billigkeitsmaßnahme der Gemeinde. Eine Stundung und der Erlass der Ge-

207

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

werbesteuer auf den Sanierungsgewinn sollte daher frühzeitig parallel mit den jeweils zuständigen Gemeinden verhandelt werden. 908 Schließlich hat auch die Neuregelung des § 7 Abs. 8 ErbStG zu der Diskussion geführt, ob durch einen Forderungsverzicht zum Zwecke der Sanierung Schenkungssteuer entstehen könne. Vgl. Viskorf, ZEV 2012, 442 ff.; Maile, DB 2012, 1952 ff.; Kahlert/Arne Schmidt, DStR 2012, 1208.

909 Im Ergebnis ist die vom Wortlaut überschießende Vorschrift nach herrschender Auffassung teleologisch einschränkend auszulegen und nicht auf Forderungsverzichte im Rahmen von Sanierungen inklusive Insolvenzplänen anwendbar. So auch Viskorf, ZEV 2012, 442 ff.; Kahlert/Arne Schmidt, DStR 2012, 1208 ff.

4. Steuerrechtliche Behandlung von Forderungsverzichten mit Besserungsabrede 910 In der Krise von Kapitalgesellschaften werden häufig – insbesondere zwecks Abwendung von etwaigen Insolvenzgründen – Forderungsverzichte mit Besserungsabrede vereinbart. Bei einem Forderungsverzicht mit Besserungsabrede handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Erklärung, wonach die Verbindlichkeit zunächst erlöschen soll, sodass sie gewinnerhöhend ausgebucht wird. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung ist indes aufschiebend bedingt i. S. v. § 158 Abs. 1 BGB für den Fall, dass der Schuldner zu einem späteren Zeitpunkt in der Lage sein wird, die Verbindlichkeit zu begleichen. Die Kriterien, an die der Besserungsfall geknüpft wird, sind insoweit frei vereinbar. In aller Regel wird der Besserungsfall an einen bestimmten zu erzielenden Gewinn geknüpft. Wird dieser Gewinn erreicht, d. h. tritt der Besserungsfall ein, so lebt die Verbindlichkeit wieder auf, der Gläubiger erhält sein Forderungsrecht zurück. Sowohl für den Verkäufer als auch für den Erwerber der Kapitalgesellschaft sind insoweit die steuerlichen Folgen zu berücksichtigen. a) Steuerliche Auswirkungen im Zeitpunkt des Verzichts 911 Nach der Rechtsprechung des BFH steht ein Forderungsverzicht unter einer auflösenden Bedingung (hier: Besserungsabrede) zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung einem unbedingten Forderungsverzicht gleich. Die vom Großen Senat des BFH mit Beschluss vom 9. Juni 1997 aufgestellten Grundsätze der steuerlichen Behandlung eines Forderungsverzichtes dürften somit auch für den Forderungsverzicht eines Gesellschafters gegen Besserungsabrede gelten. Großer Senat des BFH, Beschl. v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307 ff.; BFH, Urt. v. 30.5.1990 – I R 41/87, BStBl. II 1991, 588 ff.; Dörner, INF 2001, 523, 524; Pflüger, GStB 2004, 104; vgl. ebenso BMF-Schreiben v. 2.12.2003, BStBl. I 2003, 648 f.

208

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Nach der vorzitierten Rechtsprechung, der die Finanzverwaltung insoweit 912 folgt, ist danach zu unterscheiden, ob die Forderung, auf die der Gesellschafter verzichtet, werthaltig ist oder nicht. Ist die Forderung zum Zeitpunkt des Verzichts (nur) teilweise werthaltig, so ist die Forderung für die steuerliche Behandlung des Forderungsverzichts aufzuteilen in einen werthaltigen und einen nichtwerthaltigen Teil. Auf Ebene der Gesellschaft ist die Forderung – unabhängig davon, ob Wert- 913 haltigkeit bestand oder nicht – erfolgswirksam aus der Bilanz auszubuchen. Auf Ebene der Gesellschaft entsteht somit in beiden Fällen (zunächst) ein außerordentlicher Ertrag. Betrifft der Verzicht eine werthaltige oder den werthaltigen Teil einer Forderung, so führt dies bei dem Gesellschafter zu einem Vermögenszufluss und bei der Gesellschaft zu einer (verdeckten) Einlage, die den außerordentlichen Ertrag aus der Ausbuchung der Forderung ausgleicht. Der Forderungsverzicht ist somit bei der Gesellschaft insoweit steuerneutral, als die Forderung zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts werthaltig war. Ist die Forderung des Gesellschafters zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts hingegen nicht werthaltig, so ergibt sich insoweit ein – auch steuerlich wirksamer – außerordentlicher Ertrag, dem keine verdeckte Einlage gegenübersteht und der folglich nicht kompensiert wird. Im Hinblick auf den werthaltigen Teil der Forderung des Gesellschafters 914 (Einlage) ist anzumerken, dass die BFH-Rechtsprechung davon ausgeht, dass vom Gesellschafter nur eingelegt werden kann, was zuvor zugeflossen ist, mithin eine logische Sekunde vor der verdeckten Einlage die Rückzahlung des Darlehens (in Höhe des werthaltigen Teils) anzunehmen und somit von einer Fiktion des Hin- und Herzahlens auszugehen ist. Der werthaltige Teil des Darlehens gilt somit zum Zeitpunkt des Verzichts als an den Gesellschafter zurückgezahlt. Eine juristische Sekunde danach tätigt der Gesellschafter eine verdeckte Einlage in die Gesellschaft, die bei dieser grundsätzlich zu Eigenkapital und beim Gesellschafter regelmäßig zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Anteile führt. Vgl. Großer Senat des BFH, Beschl. v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307 ff.; vgl. auch Dörner, INF 2001, 494, 498.

Zu der vorstehend dargestellten Behandlung kommt es auch dann, wenn der 915 Verzicht unter dem Vorbehalt der Besserung steht. BMF-Schreiben v. 2.12.2003, BStBl. I 2003, 648, 648 unter 1.

b) Steuerliche Auswirkungen im Zeitpunkt des Besserungsfalls Der Forderungsverzicht mit Besserungsschein kann durch Erlassvertrag mit 916 auflösender Bedingung oder als unbedingter Forderungsverzicht mit einer vereinbarten Bedingung für das Entstehen einer neuen Forderung gestaltet werden. In beiden Fällen ist der Forderungsverzicht mit Besserungsschein zunächst als echter Verzicht zu berücksichtigen.

209

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

aa) Auswirkungen auf Ebene der Gesellschaft 917 Die bei der Gesellschaft ursprünglich ausgebuchte Forderung ist bei Eintritt des Besserungsfalls wieder als Verbindlichkeit aufwandswirksam einzubuchen. Bei der weitergehenden steuerlichen Behandlung ist abermals danach zu differenzieren, ob die Forderung zum Zeitpunkt des Verzichts werthaltig war oder nicht. War die Forderung zum Zeitpunkt des Verzichts (ggf. teilweise) werthaltig und lag insoweit eine verdeckte Einlage vor, so gilt diese mit Eintritt des Besserungsfalls als zurückgewährt. Vgl. BMF-Schreiben v. 2.12.2003, BStBl. I 2003, 648, 648 unter 2. lit. a).

918 Die Wiedereinbuchung der Verbindlichkeit im Besserungsfall führt auf Ebene der Gesellschaft zu einer Minderung des steuerlichen Gewinns (außerordentlicher Aufwand), soweit im Zeitpunkt des Verzichts nicht eine verdeckte Einlage gegeben war. In Höhe des bei Verzicht werthaltigen Teils der Forderung ist von einer (erfolgsneutralen) Einlagenrückgewähr auszugehen. Vgl. Dötsch/Pung/Möhlenbrock-Dötsch, KStG, § 8 Abs. 4 Rn. 142; Hoffmann, DStR 1998, 196, 197; Berg/Schmich, FR 2004, 520, 521.

bb) Auswirkungen auf Ebene des Gesellschafters 919 Im Hinblick auf die Behandlung des Besserungsfalls auf Ebene der Gesellschaft hat der BFH entschieden, dass die Erfüllung der Forderung nach Eintritt des Besserungsfalls weder eine verdeckte Gewinnausschüttung noch eine andere Ausschüttung, sondern vielmehr eine steuerlich anzuerkennende Form der Kapitalrückzahlung sei, wenn der Forderungsverzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Vgl. BFH, Urt. v. 30.5.1990 – I R 41/87, BStBl. II 1991, 588 ff.

920 Die vorstehend zitierte Entscheidung ist jedoch nicht zur Behandlung auf Ebene des Gesellschafters, sondern vielmehr zur Behandlung auf Ebene der Gesellschaft ergangen. 921 Die steuerrechtliche Beurteilung des Besserungsfalls auf Ebene des Gesellschafters richtet sich zunächst danach, ob auf Ebene der Gesellschaft von einer Einlagerückgewähr auszugehen ist oder nicht. Soweit dies der Fall ist, also bei dem seinerzeitigen Verzicht eine verdeckte Einlage auf Ebene der Gesellschaft angenommen wurde, entsteht auf Ebene einer natürlichen Person als Gesellschafter entweder ein dem Teileinkünfteverfahren nach § 17 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 3 Nr. 40 Satz 1 lit. c) EStG oder ein der Abgeltungssteuer nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 32d Abs. 1 EStG unterliegender (Veräußerungs-)Gewinn in der Höhe, wie die Einlagenrückgewähr die Anschaffungskosten des Gesellschafters übersteigt. Vgl. OFD Frankfurt am Main, Vfg. v. 17.4.2000, DStR 2000, 1093 f.

210

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Ist der Anteilseigner eine Körperschaft, geht die Finanzverwaltung davon 922 aus, dass die Einlagenrückgewähr mit dem Buchwert der Beteiligung zu verrechnen ist (Anschaffungskostenminderung) und, sofern die Rückzahlung den Buchwert überschreitet, ein Veräußerungsgewinn i. S. v. § 8b Abs. 2 KStG vorliegt. Vgl. BMF-Schreiben v. 28.4.2003, BStBl. I 2003, 292, 293 Rn. 6; Demgegenüber wird in der Literatur mehrheitlich die Ansicht vertreten, dass die Einlagenrückgewähr den Bezügen i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG gleichzustellen ist, vgl. Dötsch/Pung/MöhlenbrockDötsch/Pung, KStG, § 8b Rn. 80 m. w. N. Vereinzelt wird aber auch die Ansicht vertreten, dass der die Anschaffungskosten übersteigende Teil der Einlagenrückgewähr voll steuerpflichtig wäre, so Gosch-Gosch, KStG, § 8b Rn. 106.

Im Hinblick auf den zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts nicht werthal- 923 tigen Teil der Forderung kommt eine Einlagenrückgewähr und somit auch ein Veräußerungsgewinn nicht in Betracht. Für im Privatvermögen gehaltene Forderungen hatte dies – bis einschließlich VZ 2008 – eine der privaten Vermögenssphäre zuzurechnende, steuerlich unbeachtliche Kapitalrückzahlung zur Folge, sofern nicht ein Spekulationsgeschäft i. S. d. § 23 EStG vorlag. Da aufgrund der umfassenden Ausdehnung des Besteuerungsumfangs von 924 Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ab VZ 2009 auch Gewinne aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen jeder Art als Kapitalerträge erfasst werden und dies über § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG auch für die Rückzahlung einer Forderung gilt, unterliegen Tilgungsleistungen, die ab 2009 zufließen, grundsätzlich der Abgeltungsteuer. Anstelle der 25 %igen Abgeltungsteuer unterliegen die Rückzahlungen (soweit 925 sie die Anschaffungskosten der Forderung überschreiten) dem individuellen Einkommensteuertarif, wenn die Voraussetzung des § 32d Abs. 2 EStG vorliegen. Letzteres ist der Fall, wenn x

Forderungsinhaber und Schuldner einander nahestehende Personen sind oder

x

die Tilgungen von einer Schuldnerkapitalgesellschaft geleistet werden, an der der Gläubiger oder eine nahestehende Person zu mindestens 10 % beteiligt ist (Gesellschafterfremdfinanzierung) oder

x

eine sog. Back-to-back-Finanzierung gegeben ist, soweit ein Dritter (also weder ein Anteilseigner noch eine diesem nahestehende Person) Forderungsinhaber ist. Vgl. Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 37.

Soweit der Eintritt des Besserungsfalls zu einer Einlagenrückgewähr führt, 926 galt bis einschließlich VZ 2006 unabhängig von der Verwendungsreihenfolge

211

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

des § 27 KStG auch eine verdeckte Einlage an den Gesellschafter als zurückgewährt (sog. Direktzugriff auf das Einlagekonto). Dies galt selbst dann, wenn das Einlagekonto dadurch negativ wurde. Vgl. BMF-Schreiben v. 3.6.2003, BStBl. I 2003, 366, 369 Rn. 29.

927 Fraglich ist, ob ein direkter Zugriff auf das steuerliche Einlagekonto ab dem VZ 2006 noch möglich ist. Teile in der Literatur lehnen dies unter Hinweis auf den Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG ab. In der Folge würde der Rückfluss an den Gesellschafter als (normale) Gewinnausschüttung qualifiziert, soweit sich nach § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG ein ausschüttbarer Gewinn ergibt. So z. B. Ernst & Young-Bott, KStG, § 38 Rn. 44; Gosch-Bauschatz, KStG, § 27 Rn. 53; Winkeljohann/Fuhrmann, DB 2006, 1862 ff.

928 Demgegenüber wird aber auch die Auffassung vertreten, dass bei Wiederaufleben der Forderung im Besserungsfall ein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto nach wie vor gerechtfertigt ist. So Lornsen-Veit/Behrendt, FR 2007, 179 ff.; Pohl, DB 2007, 1553 ff.; Erle/Sauter-Lornsen-Veit/Odenbach, KStG, § 38 Rn. 45.

929 Gegenwärtig ist weiterhin offen, ob in der Erfüllung des Besserungsversprechens eine Leistung i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG zu sehen ist mit der Folge, dass die in § 27 KStG vorgeschriebene Verwendungsreihenfolge eingreift und somit ein Direktzugriff auf das Einlagekonto nicht möglich ist. cc) Behandlung der Darlehenszinsen 930 Wird neben der Verbindlichkeit auch – bedingt – auf Darlehenszinsen während der Krise der Gesellschaft verzichtet, so können nach Bedingungseintritt Zinsen auch für die Dauer der Krise der Gesellschaft nachgezahlt werden. Diese Zinsen sind nach der Rechtsprechung des BFH auf Ebene der Gesellschaft als Betriebsausgabe absetzbar. Vgl. BFH, Urt. v. 30.5.1990 – I R 41/87, BStBl. II 1991, 588 ff.

931 Im Hinblick auf die gewerbesteuerliche Behandlung als Dauerschuld hat der BFH entschieden, dass die ursprünglich ausgebuchte Darlehensverbindlichkeit infolge des Bedingungseintritts nicht wieder auflebt, sondern aufgrund der Besserungsabrede und Eintritt der hier vereinbarten Bedingungen als neue Darlehensverbindlichkeit zu passivieren ist. Vgl. BFH, Urt. v. 29.1.2003 – I R 50/02, BStBl. II 2003, 768 ff.

932 Für Erhebungszeiträume vor 2008 handelte es sich bis zum Eintritt des Besserungsfalls um Eigenkapital und mithin nicht um eine Dauerschuld i. S. d. § 8 Nr. 1 GewStG a. F. mit der Folge, dass für den Zeitpunkt zwischen Forderungsverzicht und Eintritt des Besserungsfalls somit auch nicht von – die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage hälftig erhöhenden – Dauerschuldentgelten ausgegangen werden konnte. Unseres Erachtens gilt dies auch für die mit Wirkung vom Erhebungszeitraum 2008 geänderte Hinzurechnungs212

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

vorschrift des § 8 Nr. 1 lit. a) GewStG, da auch insoweit Entgelte für „Schulden“ Voraussetzung für die (nunmehr) 25 %ige Hinzurechnung sind. Vgl. Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 5 Rn. 39.

Auf Ebene des Gesellschafters, der die Anteile im Privatvermögen hält, sind 933 die für die Zeit der Krise nachgezahlten Zinsen im Zeitpunkt des Zuflusses als Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen und unterliegen der Abgeltungssteuer. Bei im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligungen sind die Betriebseinnahmen 934 in Form von Zinsen zu erfassen und unterliegen der Regelbesteuerung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. c) Besonderheit bei zeitgleicher Abtretung von Forderungen und Geschäftsanteilen Nach Ansicht der Finanzverwaltung gelten die oben dargestellten Rechtsfolgen 935 bei einem Gesellschafterwechsel zwischen Forderungsverzicht gegen Besserungsabrede und Eintritt des Besserungsfalls entsprechend. BMF-Schreiben v. 2.12.2003, BStBl. I 2003, 648, 648 unter 2. lit. c).

Darüber hinaus sollen die Grundsätze des BFH,

936

BFH, Urt. v. 1.2.2001 – IV R 3/00, BStBl. II 2001, 520 ff.,

Anwendung finden, sofern in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Gesellschafterwechsel eine Abtretung der Forderung erfolgte. Nach dem vorgenannten Urteil soll in der zeitgleich mit der Anteilsübertragung erfolgten Forderungsabtretung ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO zu sehen sein, weil es für eine Befreiung der GmbH von Forderungen des Altgesellschafters einer Abtretung an den Neugesellschafter nicht bedurfte. Vielmehr hätte diese in einfacher Weise dadurch erreicht werden können, dass der Altgesellschafter auf seine Forderung gegen die Gesellschaft verzichtet. Nach Ansicht des BFH sei der Steueranspruch daher so entstanden, als hätte der Altgesellschafter auf seine Forderung gegen die Gesellschaft verzichtet. In dem Leitsatz des BFH-Urteils vom 1. Februar 2001 wird allerdings aus- 937 drücklich darauf hingewiesen, dass das Urteil einen Sachverhalt vor Inkrafttreten der Verlustabzugsbeschränkung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. betraf, sodass die Unterstellung eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten auf die Umgehung der später eingeführten Verlustabzugsbeschränkung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. zurückzuführen ist. Ungeachtet dessen geht die Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 2. Dezember 2003 von einer entsprechenden Anwendung aus. BMF-Schreiben v. 2.12.2003, BStBl. I 2003, 648, 648 unter 2. lit. c).

213

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

938 Die BFH-Entscheidung vom 1. Februar 2001 ist in der Literatur – u. a. auch von BFH-Richtern – heftig kritisiert worden und ist nach zutreffender Auffassung auch nicht auf die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG anzuwenden. Vgl. Gosch, StBp 2001, 180 ff.; Hoffmann, GmbHR 2001, 533 ff.; Vogt, DStR 2002, 1432, 1434; zu § 8c KStG vgl. Pohl, DB 2008, 1531 ff.; Gosch-Roser, KStG, § 8c Rn. 106.

939 Aufgrund des Verweises in dem BMF-Schreiben vom 2. Dezember 2003 auf dieses Urteil muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung in Höhe der Rückzahlung verdeckte Gewinnausschüttungen der Gesellschaft an den Gesellschafter annehmen würde. Da die Finanzverwaltung – entgegen der zivilrechtlichen Lage – dabei vom Nichtbestehen der Forderung/Verbindlichkeit ausgeht, wäre es nur konsequent, auch bezüglich nachgezahlter Zinsen von verdeckten Gewinnausschüttungen auszugehen. Bei einer beherrschenden Gesellschafterstellung kommt insoweit darüber hinaus allein bei Fälligkeit der Darlehen der Zufluss einer solchen verdeckten Gewinnausschüttung in Betracht. 940 Bei der von der Finanzverwaltung proklamierten Anwendung des BFH-Urteils vom 1. Februar 2001 wird nicht danach unterschieden, inwieweit die Forderung zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts werthaltig war oder nicht. Die verdeckte Gewinnausschüttung wäre dann gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 lit. d) bzw. lit. c) EStG nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens zu besteuern. 941 Anders als in dem oben beschriebenen „Normalfall“ (ohne Gesellschafterwechsel) käme es mithin nicht lediglich zu einer Besteuerung der die Anschaffungskosten überschreitenden Einlagerückgewähr, sondern zu einer steuerlichen Erfassung sämtlicher Darlehensrückzahlungen. 5. Steuerrechtliche Behandlung des Debt-Equity-Swaps 942 Im Rahmen des „Debt-Equity-Swaps“ tauscht der Gläubiger wirtschaftlich und steuerrechtlich seine bisherige Forderung gegen Gesellschaftsrechte ein. Die Forderung ist dabei mit ihrem gemeinen Wert (werthaltiger Teil) anzusetzen. Der Wegfall der Forderung führt auf Ebene der Gesellschaft zu einem steuerlichen Ertrag in Höhe des Nennwertes der Forderung. Dieser Ertrag wird steuerrechtlich korrigiert durch eine Einlage des neuen Gesellschafters in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung als Anschaffungskosten der Beteiligung, die gleichsam zu einer Erhöhung des Einlagekontos (§ 27 KStG) führt. Auf Ebene der Gesellschaft entsteht somit in Höhe des wertlosen Teils der Forderung ein – auch steuerlich zu berücksichtigender – Gewinn. Auf diesen Sanierungsgewinn muss dann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen der Sanierungserlass des BMF vom 27. März 2003 – wie bei den übrigen Forderungsverzichten – angewendet werden, um eine Steuerbelastung zu vermeiden.

214

IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Führt die Sachkapitalerhöhung im Rahmen des „Debt-Equity-Swaps“ zu einer 943 Übertragung von mehr als 25 % oder mehr als 50 % der Anteile an der Gesellschaft, so sind die Verlustabzugsbeschränkungen des § 8c KStG zu berücksichtigen. Maßgeblich ist, dass der Konfusionsgewinn aus der Umwandlung der Forderung in Eigenkapital zeitgleich mit der Eintragung der Sachkapitalerhöhung im Handelsregister und somit zum Zeitpunkt einer schädlichen Anteilsübertragung i. S. d. § 8c Abs. 1 KStG entsteht. Sind die steuerlichen Verlustvorträge geringer als der Sanierungsgewinn auf- 944 grund des Insolvenzplans, so führt der schädliche Anteilseignerwechsel des § 8c KStG zu keinen negativen Auswirkungen, sofern durch Anwendung des Sanierungserlasses des BMF vom 27. März 2003 im Ergebnis keine Besteuerung des Sanierungsgewinns erfolgt und der steuerliche Verlustvortrag sowieso vorab zu verrechnen ist. Sofern sich die Verlustbeschränkungen des § 8c KStG oder eine Steuerbelas- 945 tung aufgrund der Mindestbesteuerung nicht vermeiden lassen, kommt eine Umwandlung der Forderung in sog. Mezzanine-Kapital in Betracht (sog. „Debt-Mezzanine-Swap“) (siehe Rn. 527 ff.). Vgl. hierzu ausführlich Hofert/Möller, GmbHR 2009, 527 ff., die jedoch zu Recht darauf hinweisen, dass entsprechende Gestaltungen durch verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 2 AO) abgesichert werden sollten; außerdem Rusch/Brocker, ZIP 2012, 2193 ff.

Der entscheidende Vorteil der Gestaltung liegt darin, dass insbesondere Ge- 946 nussrechte als Mezzanine-Kapital handelsrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen als Eigenkapital behandelt werden. Vgl. hierzu IDW Stellungnahme, HFA 1/1994, WPg 1994, 419 ff.

Steuerrechtlich hingegen kann das Genussrecht dann, wenn ein Recht auf 947 Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Gesellschaft nicht besteht grundsätzlich Fremdkapital bleiben, sodass eine gewinnerhöhende Ausbuchung der Verbindlichkeit steuerrechtlich vermieden, gleichzeitig aber in der Handelsbilanz ein Wegfall der Verbindlichkeit zugunsten eines Eigenkapitalausweises und somit eine Verbesserung des Bilanzbildes erreicht werden kann. Vgl. insoweit BMF-Schreiben v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 736 Rn. 7, wonach der Erwerb von Genussscheinen i. S. d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG als ein der Anteilsübertragung vergleichbarer Sachverhalt i. S. d. § 8c Abs. 1 KStG anzusehen ist. Indes wird nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Genussrechte, die die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht erfüllen, einen vergleichbaren Sachverhalt darstellen können.

Anderer Ansicht ist wegen des Maßgeblichkeitsprinzips die Finanzverwal- 948 tung. Vgl. OFD Rheinland, Kurzinf. v. 14.12.2011, DStR 2012, 189.

215

B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

6. Steuerrechtliche Behandlung des Rangrücktritts 949 Regelmäßig wird in Sanierungen für eine Forderung eines Anteilseigners statt eines dinglichen Verzichts eine schuldrechtliche Rangrücktrittsvereinbarung gemäß § 39 Abs. 2 InsO als Schuld- oder Schuldänderungsvertrag vereinbart. Der insolvenzrechtliche Vorteil des Rangrücktritts liegt darin, dass die entsprechende Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner dazu führt, dass die Verbindlichkeit im Rahmen der Prüfung der Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO nicht mehr als Verbindlichkeit zu berücksichtigen ist, obwohl sie handelsrechtlich und bei entsprechender Ausgestaltung auch steuerrechtlich weiter bestehen bleibt. Der BGH verlangt für den Rangrücktritt zwecks Vermeidung einer Überschuldung, dass diese Vereinbarung bereits vor Insolvenzeröffnung eine Auszahlungssperre zugunsten der Gläubiger (§ 328 BGB) begründet, sofern hierdurch die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der schuldnerischen Gesellschaft droht. BGH, Urt. v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff.; vgl. hierzu Berger ZIP 2016, 1 ff;. kritisch zur neuen Dogmatik K. Schmidt, ZIP 2015, 901 ff.

950 Seit der nunmehr unbefristeten Geltung des § 19 Abs. 2 InsO i. d. F. des FMStG ist diese Wirkung nur noch im Falle einer negativen Fortführungsprognose von Interesse, da bei einer positiven Fortführungsprognose qua Gesetz keine Überschuldung vorliegt. Der Rangrücktritt kommt nicht nur für Anteilseigner, sondern auch für jeden anderen Gläubiger in Betracht, insbesondere im Bereich von Mezzanine-Finanzierungen wird bereits regelmäßig von Anfang an ein Rangrücktritt gewährt. Die Rangrücktrittsforderung als solche besteht weiterhin und etwaige akzessorische Sicherungsrechte für die Forderung bleiben dem Grunde nach bestehen. 951 Die Rangrücktrittsforderung ist grundsätzlich weiterhin sowohl handelsbilanziell als auch steuerrechtlich zu passivieren, sofern nicht das steuerliche Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG eingreift. BFH, Urt. v. 30.3.1993 – IV R 57/91, BStBl. II 1993, 502 ff.; BFH, Urt. v. 20.10.2004 – IR 11/03, BStBl. II 2005, 581 ff.; BFH, Urt. v. 10.11.2005 – IV R 13/04, ZIP 2006, 249 ff.; BFH, Urt. v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570 ff.; BFH, Urt. v. 15.4.2015 – I R 44/14, BStBl. II 2015, 769 ff.; L. Schmidt-Weber-Grellet, EStG, § 5 Rn. 550 Stichwort „Gesellschafterfinanzierung“; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 246 Rn. 128 ff.; Uhländer, BB 2005, 70, 72 f.; J. Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 2.207; a. A. Kurth/Delhaes, DB 2000, 2577, 2585; Dötsch/Pung/Möhlenbrock-Lang, KStG, § 8 Abs. 3 Teil D Rn. 1126; Kahlert/Rühland-Kahlert, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rn. 3.74; Carlé, NWB 2010, 2798, 2802.

952 Auch der weitestgehende Rücktritt in den Rang des § 199 Satz 2 InsO führt nach Ansicht der Rechtsprechung nicht zu einem Passivierungsverbot gemäß § 5 Abs. 2a EStG, sofern die Rangrücktrittsforderung nicht nur aus gewinn-

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

abhängigen Einkünften, sondern auch aus sonstigem freien Vermögen zu bedienen ist. Zuletzt BFH, Urt. v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 ff. mit Anm. Kahlert; BFH, Urt. v. 30.11.2011 – I R 100/10, DStR 2012, 450 ff.; BFH, Urt. v. 10.11.2005 – IV R 13/04, ZIP 2006, 249 ff.; a. A. FG München, Urt. v. 22.10.2010 – 7 K 1396/08, BB 2011, 945 mit Anm. Seppelt.

Danach muss der Zusatz „oder aus anderem – freien – Vermögen“ in der Rang- 953 rücktrittsvereinbarung vereinbart werden, um eine gewinnwirksame Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG auf Rangrücktrittsvereinbarungen zu vermeiden. Diese Auffassung hatte die Finanzverwaltung zuletzt mit BMF-Schreiben vom 8. September 2006 für den qualifizierten Rangrücktritt aufgegeben, jedoch beim einfachen Rangrücktritt weiterhin den Zusatz verlangt. Vgl. BMF-Schreiben v. 8.9.2006, ZIP 2006, 2236; zuvor noch abweichend BMF-Schreiben v. 18.8.2004, BStBl. I 2004, 850; vgl. auch Kahlert/Rühland-Kahlert, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rn. 3.74; Carlé, NWB 2010, 2798, 2802.

In der Praxis sollte unabhängig vom vereinbarten Rang im Rahmen eines 954 Rangrücktritts in jedem Fall vereinbart werden, dass die Rückzahlung der zurückgetretenen d. h. subordinierten Forderung auch „aus sonstigem freien Vermögen“ möglich ist, um die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG sicher zu vermeiden. Nach Auffassung des BFH ist § 5 Abs. 2a EStG auch auf einen Rangrücktritt anwendbar, wenn die Tilgung der Forderung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder etwaigen Liquidationsüberschuss verlangt werden kann. Maßgeblich sei insoweit, dass diese Verbindlichkeit noch keine wirtschaftliche Last darstellt und daher dem steuerlichen Passivierungsverbot solange nach dem Grundsatz der Unternehmensfortführung zu bilanzieren ist. BFH, Urt. v. 15.4.2015 – I R 44/14, ZIP 2015, 1386 ff. mit Anm. Kahlert; vgl. auch Kahlert, DStR 2015, 734.

Nur wenn auch das sonstige freie Vermögen inklusive der stillen Reserven im 955 Unternehmen zur Tilgung der Rangrücktrittsforderung zur Verfügung steht, bleibt diese Verbindlichkeit – unabhängig von der Werthaltigkeit der Rangrücktrittsforderung – vollständig in Höhe des Nominalwerts zu passivieren. Nach richtiger Auffassung ist die Rangrücktrittsverbindlichkeit unter Be- 956 rücksichtigung des Vollständigkeitsgrundsatzes gemäß § 246 Abs. 1 HGB auch im Rahmen der Liquidation des Unternehmens mangels Erlass solange auszuweisen, bis sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden muss. Für die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ist hierbei nur auf die Entschlossenheit des Gläubigers abzustellen, seinen Anspruch so weit wie möglich durchzusetzen. Auf die tatsächliche Fähigkeit des Schuldners, den Anspruch aus derzeitigem und künftigem Vermögen zu befriedigen, kommt es dagegen nicht an.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle FG Köln, Urt. v. 6.3.2012 – 13 K 3006/11, EFG 2012, 1421 ff; in der Sache nicht entschieden, aber zweifelnd BFH, Urt. v. 5.2.2014 – I R 34/12, DStR 2014, 1601 ff.

957 Im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens gelten nachträgliche Forderungen gemäß § 225 Abs. 1 InsO als erlassen, sofern nichts anderes im Insolvenzplan bestimmt ist. Der Insolvenzplan kann insoweit eine abweichende Regelung für die Nachranggläubiger bestimmen, die dann auch steuerlich maßgeblich ist. Des Weiteren kann der Insolvenzplan für nicht nachrangige Gläubiger einen Nachrang im gestaltenden Teil bestimmen, der insoweit unter Berücksichtigung der steuerlich geforderten Formulierung einen steuerlichen Verzicht bewirkt. 958 Gehört das Rangrücktrittsdarlehen zum Betriebsvermögen des Gesellschafters, so führt der Rangrücktritt – außerhalb des Anwendungsbereichs von § 17 EStG – nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung. Erst mit dem Verzicht gegenüber der Gesellschaft entstehen nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe des werthaltigen Teils der Darlehensforderung. Da die Darlehensforderung ein selbstständiges Wirtschaftsgut ist, kommt jedoch insoweit eine Teilwertabschreibung aufgrund des Rangrücktritts i. V. m. der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft in Betracht. Vgl. BFH, Urt. v. 10.11.2005 – IV R 13/04, ZIP 2006, 249, 251 ff.

959 In diesem Zusammenhang war bislang streitig, ob es sich bei Teilwertabschreibung auf Rangrücktritts- bzw. kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen bei Kapitalgesellschaften um steuerlich nichtabziehbare Gewinnminderungen gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG handelt. Nach richtiger Auffassung ist die vorgenannte Vorschrift nicht anwendbar, sodass Kapitalgesellschaften als Anteilseigner dem Grunde nach steuerlich abzugsfähige Teilwertabschreibungen auf Rangrücktritts- bzw. kapitalersetzende Darlehen geltend machen können. Vgl. Dötsch/Pung/Möhlenbrock-Pung, KStG, § 8b Rn. 123 m. w. N.; Gosch-Gosch, KStG, § 8b Rn. 276; Schmidt/Hageböke, DStR 2002, 1202 ff.; Rödder/Stangl, DStR 2005, 354 ff.; BFH, Urt. v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674 ff. noch zur alten Rechtslage, der deshalb die Regelergänzung als rechtsbegründend und nicht – wie es in der Gesetzesbegründung heißt – als klarstellend bezeichnet; a. A. Buchna/Sombrowski, DB 2004, 1956 ff. und DB 2005, 1539 ff.

960 Dieser Streit ist durch die Einführung von § 8b Abs. 3 Sätze 4 – 7 KStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 erledigt. Vgl. BGBl. I 2007, 6150 ff.; zur neuen Rechtslage vgl. Fuhrmann/ Strahl, DStR 2008, 125; Crezelius, NZI 2007, 571.

961 Nach dieser Vorschrift wird künftig bei Darlehen, die ein Gesellschafter, der zu mindestens 25 % beteiligt ist, eine nahestehende Person i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG oder ein rückgriffsberechtigter Dritter an die Gesellschaft gibt, von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ausgegangen, sodass mit dem Darlehen

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

in Zusammenhang stehende Gewinnminderungen dem Abzugsverbot nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG unterliegen. Die Gesetzesbegründung verweist ausdrücklich auf den vorhergehenden Streit wegen der Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen und auf die Gestaltungsempfehlungen in der Literatur. Vgl. BT-Drucks. 16/6290, 73, wo beispielhaft auf Gosch-Gosch, KStG, § 8b Rn. 277 verwiesen wird.

Allerdings besteht gemäß § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG die Möglichkeit, die ge- 962 setzliche Vermutung des § 8b Abs. 3 Sätze 4 und 5 KStG zu widerlegen. Danach hat der Darlehensgeber die Möglichkeit nachzuweisen, dass ein fremder Dritter das Darlehen unter sonst gleichen Umständen ebenfalls gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte. Nach der Gesetzesbegründung soll nicht von einer fremdüblichen Darlehensgewährung ausgegangen werden, wenn x

das Darlehen nicht verzinslich ist,

x

zwar eine Verzinsung vereinbart, jedoch keine Sicherheiten bestellt sind,

oder x

zwar eine Verzinsung und Sicherheiten vereinbart sind, jedoch das Darlehen bei Eintritt in die Krise der Gesellschaft nicht zurückgefordert wurde. BT-Drucks. 16/6290, 73 f.

Da der Gesetzgeber den Gegenbeweis bei Krisendarlehen grundsätzlich nicht 963 als geführt ansieht, wird in der Praxis in den hier relevanten Fällen der Berücksichtigung von Gewinnminderungen bei Krise oder Insolvenz immer davon ausgegangen werden müssen, dass das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG eingreift. 7. Umsatzsteuer beim Unternehmenskauf a) Asset Deal Werden bei einem Asset Deal sämtliche Wirtschaftsgüter des Unternehmens 964 oder eines gesondert geführten Betriebsteils veräußert, so ist diese Geschäftsveräußerung grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbar. Diese Regelung vermeidet insbesondere eine Vorfinanzierung beim Erwerber, dem regelmäßig ein entsprechender Anspruch auf Vorsteuerabzug zustehen würde. Eine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG liegt vor, wenn die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebes in der Weise übertragen werden, dass der erwerbende Unternehmer den Betrieb ohne nennenswerte Investitionen fortsetzen kann. Abschnitt 1.5. UStAE, BStBl. I 2013, 1627 ff.

Ob die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens im Rahmen eines As- 965 set Deals übertragen werden, richtet sich nach der Lage des Einzelfalles und hängt insbesondere von der Art der unternehmerischen Tätigkeit ab. In diesem

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigten, dass auch ein einzelner Gegenstand, wie ein Grundstück, Schiff oder Flugzeug, nicht steuerbar im Rahmen einer Geschäftsveräußerung übereignet wird, wenn dieser das ganze Unternehmen oder den gesondert geführten Betrieb des Unternehmens funktional ausmacht. Vgl. BFH, Urt. v. 12.8.2015 – XI R 16/14, DStR 2016, 47, 49 f.; BFH, Urt. v. 30.4.2009 – V R 4/07, BStBl. II 2009, 863 ff.; BFH, Urt. v. 23.8.2007 – V R 14/05, BStBl. II 2008, 165 ff.; BFH, Beschl. v. 1.4.2004 – V B 112/03, BStBl. II 2004, 802 f.; BFH, Urt. v. 21.3.2002 – V R 62/01, BStBl. II 2002, 559 f.; OFD Karlsruhe, Vfg. v. 31.8.1999, DStR 2000, 28.

966 In der Praxis ist insoweit insbesondere die Veräußerung eines vermieteten Grundstücks, dessen Vermietung die einzige unternehmerische Betätigung des Veräußerers ist, eine nicht steuerbare Veräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG. 967 Nach der Geschäftsveräußerung im Ganzen ist der Erwerber an die vom Veräußerer ausgeübten Wahlrechte grundsätzlich nicht gebunden. Der Erwerber kann daher insbesondere gemäß § 9 UStG auf Steuerbefreiungen für die von ihm getätigten Umsätze verzichten. Nach § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers. Im Rahmen der Vorsteuerberichtigung stellt § 15a Abs. 10 Satz 1 UStG sicher, dass durch die Geschäftsveräußerung der für das jeweilige Wirtschaftsgut maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen wird. Der Veräußerer ist insoweit gemäß § 15a Abs. 10 Satz 2 UStG verpflichtet, dem Erwerber für die Durchführung der Berichtigung die erforderlichen Angaben zu machen, damit dieser bei geänderten Verwendungsverhältnissen die entsprechenden Berichtigungen durchführen kann. Der Erwerber muss auch die Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG vornehmen, falls er das Wirtschaftsgut nach der Geschäftsveräußerung für den Vorsteuerabzug anders verwendet. Die Auswirkungen der Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG müssen sowohl vom Erwerber als auch vom Veräußerer im Rahmen der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt werden. Beispiel: Der Insolvenzverwalter I veräußert das gesamte Unternehmensvermögen der Schuldnerin zum 1. Januar 03 an den Erwerber E. Zum Unternehmensvermögen der Schuldnerin gehört ein am 1. Januar 01 für 10 Mio. € zuzüglich 1,9 Mio. € Umsatzsteuer erworbenes Grundstück, welches bisher zu 50 % umsatzsteuerpflichtig und im Übrigen umsatzsteuerfrei vermietet wurde. Der Erwerber hat im Rahmen des Gesamtkaufpreises einen anteiligen Kaufpreis für das Grundstück in Höhe von 3 Mio. € vereinbart und wird das Grundstück zukünftig ausschließlich steuerpflichtig vermieten. Zum Unternehmensvermögen gehört weiterhin ein ungenutztes Grundstück, das zum Zwecke der steuerpflichtigen Vermietung ebenfalls am 1. Januar 01 zum Kaufpreis von 10 Mio. € zzgl. 1,9 Mio. € Umsatzsteuer erworben wurde. Entsprechend der damaligen geplanten steuerpflichtigen Nutzung wurde dem Veräußerer die Vorsteuer erstattet. Auch auf dieses

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Grundstück entfiel ein vereinbarter anteiliger Kaufpreis von 3 Mio. €. Kurz nach Erwerb wurde das Grundstück umsatzsteuerpflichtig an einen anderen Veräußerer verkauft. Lösung: Unter Berücksichtigung der Verwendungsverhältnisse im Jahr 01 betrug der abziehbare Vorsteuerbetrag 0,95 Mio €. (50 % von 1,9 Mio. €), den die Schuldnerin geltend machen konnte. Im Rahmen der Veräußerung kommt eine Option zur Steuerpflicht gemäß § 9 UStG wegen der Anwendung von § 1 Abs. 1a UStG nicht in Betracht. Der Erwerber kann aufgrund der nunmehr ausschließlich steuerpflichtigen Vermietung gemäß § 15a Abs. 5 UStG vom Übertragungsstichtag bis zum 31. Dezember 10 in jedem Kalenderjahr 95.000,00 € abzugsfähige Vorsteuer geltend machen (insgesamt 760.000 €). Der Verkauf des ungenutzten Grundstücks löst keine Vorsteuerberichtigung aus, da keine Verwendungsänderungen eingetreten sind. Abwandlung: Der Erwerber nutzt das Grundstück zukünftig ausschließlich für steuerfreie Umsätze (Wohnungsvermietung). Er muss daher bis zum Ende des zehnjährigen Berichtigungszeitraums (31. Dezember 10) jährlich 95.000 € Vorsteuer gemäß § 15a Abs. 5 UStG berichtigen und an das Finanzamt zahlen. Eine Option zur Umsatzsteuerpflicht des Veräußerers gemäß § 9 UStG kommt bei Anwendbarkeit von § 1 Abs. 1a UStG nicht in Betracht, auch wenn dies wie vorliegend günstiger wäre. Das ungenutzte Grundstück verkauft der Erwerber steuerfrei an eine Privatperson. Unabhängig vom Zeitpunkt des Verkaufs muss der Erwerber die Vorsteuer in der Voranmeldung zum Verkaufszeitpunkt gemäß § 15a Abs. 2 UStG berichtigen und die 1,9 Mio. € an Vorsteuer des Erwerbers wieder zurückzahlen, da keine umsatzsteuerpflichtige Verwendung des ungenutzten Grundstücks stattgefunden hat. Die vorgenannten Auswirkungen des § 15a UStG müssen die Vertragsparteien 968 insbesondere im Rahmen der Kaufpreisermittlung berücksichtigen. Fallen auf Seiten des Erwerbers Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der 969 Geschäftsveräußerung an (Rechtsanwälte, Steuerberater, Gutachter, Notar etc.), so richtet sich der Vorsteuerabzug für diese Eingangsleistungen nach den Umsätzen, die der Erwerber mit den übertragenden Wirtschaftsgütern ausführt bzw. auszuführen beabsichtigt. Die Geschäftsveräußerung selbst als nicht steuerbarer Umsatz i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG ist kein Verwendungsumsatz i. S. d. § 15 Abs. 2 UStG. BFH, Urt. v. 8.3.2001 – V R 24/98, DStR 2001, 700 ff.; EuGH, Urt. v. 22.2.2001 – Rs. C-408/98 Abbey National plc ./. Commissioners of Customs & Excise, UR 2001, 164 ff.

Aufgrund des Risikos, ob im Rahmen des Unternehmenskaufs § 1 Abs. 1a 970 UStG anwendbar ist (insbesondere bei Teilgeschäftsveräußerungen), wird in Unternehmenskaufverträge regelmäßig eine Klausel aufgenommen, wonach

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

der Kaufpreis als Nettosumme zu verstehen ist und sich bei einer etwaigen Umsatzsteuerpflicht des Verkaufs um die geschuldete Umsatzsteuer erhöht. 971 Vertragsklausel: (Umsatzsteuer/Betriebsveräußerung) Die Parteien gehen davon aus, dass der Vollzug dieses Vertrages eine gemäß § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt. Für den Fall, dass die Finanzverwaltung schriftlich durch Steuerbescheid oder sonstigen Verwaltungsakt feststellt, dass der Vollzug dieses Vertrages ein steuerbarer Verkauf ist, gelten ergänzend die Regelungen der folgenden Absätze. Der Veräußerer verzichtet hiermit im Umfang wie aus der Anlage ersichtlich gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 UStG auf die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 9a UStG (Umsatzsteueroption) und verpflichtet sich, diese Umsatzsteueroption nicht zu widerrufen. Der Erwerber schuldet in diesem Fall über den Kaufpreis hinaus die gesetzliche Umsatzsteuer unmittelbar gegenüber dem zuständigen Finanzamt. Der Veräußerer wird in diesem Fall zur USt-Nr. des Veräußerers (Finanzamt […]) und des Erwerbers (Finanzamt […]) mitteilen, dass seitens des Veräußerers zur Umsatzsteuer optiert wurde. Von der Mitteilung wird der Veräußerer dem Erwerber unverzüglich eine Abschrift überlassen. Sollte diese nicht eingehen, ist der Erwerber berechtigt, seinerseits die vorgenannte Mitteilung an die Finanzämter zu machen. Der Veräußerer wird dem Erwerber gemäß § 14 Abs. 4 i. V. m. § 14a Abs. 5 UStG nach Zugang eines Steuerbescheides oder sonstigen Verwaltungsakts (oder einer Kopie davon) beim Veräußerer, mit dem die Finanzverwaltung feststellt, dass der Vollzug dieses Vertrages ein steuerbarer Verkauf ist, und nach Vorliegen der Voraussetzungen für die Bezahlung des Kaufpreises gemäß _____ dieses Vertrages eine Rechnung über den Kaufpreis jedoch ohne Umsatzsteuerausweis ausstellen. In der Rechnung ist auf die Steuerschuldnerschaft des Erwerbers zur Zahlung der Umsatzsteuer hinzuweisen. Die Parteien stellen ausdrücklich klar, dass dieser Vertrag noch keine Rechnung i. S. v. § 14 Abs. 4 UStG ist. Der Notar hat ferner darüber belehrt, dass die Veräußerung des Kaufgegenstandes nur dann der Umsatzsteuer unterliegt, wenn der Veräußerer Unternehmer i. S. v. § 2 UStG ist und er die Veräußerung im Rahmen seines Unternehmens ausführt und keine Geschäftsveräußerung im Ganzen i. S. v. § 1 Abs. 1a UStG vorliegt. Der Notar hat weiterhin darüber belehrt, dass ungeachtet der Voraussetzungen gemäß vorstehendem Absatz ein umsatzsteuerbarer und -pflichtiger Vorgang nur vorliegt, wenn der Veräußerer die Option gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 UStG wirksam in dieser Urkunde ausübt, was wiederum voraussetzt, dass auch der Erwerber Unternehmer i. S. v. § 2 UStG ist und der Erwerb des Kaufgegenstandes für sein Unternehmen erfolgt. Der Erwerber garantiert, dass diese Voraussetzungen vorliegen.

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

Der Veräußerer hat den Erwerber über die durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung im […] sowie das Ergebnis dieser Prüfung sowie den Änderungsbericht zur Umsatzsteuer informiert und ihm diese sowie weitere erforderliche Unterlagen für seine eigene Berechnung des Korrekturbetrages nach § 15a UStG übergeben. Für die Richtigkeit der in den vorstehenden Unterlagen enthaltenen Informationen wird keine Haftung übernommen. Der Veräußerer wird dem Erwerber auch nach Abschluss dieses Vertrages noch von ihm für die Durchführung von Berechnungen der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ggf. benötigte Unterlagen zur Verfügung stellen, soweit sie bei ihm vorhanden sind. Da der Veräußerer über seine nicht steuerbaren Leistungen gemäß § 1 972 Abs. 1a UStG keine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer erteilen darf, schuldet er bei irrtümlichem Ausweis der Umsatzsteuer diesen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag nach § 14c Abs. 1 UStG. Dem Erwerber steht hingegen trotzdem kein Vorsteuerabzug zu, da die Vorsteuerabzugsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG nur für Steuern besteht, die für Umsätze und nicht wegen falschem Rechnungsausweis geschuldet werden. Der Veräußerer kann in vorgenannten Fällen jedoch grundsätzlich die fehlerhafte Rechnung gemäß § 14c Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG nachträglich berichtigen. Allerdings darf die Berichtigung nach § 14c Abs. 2 Sätze 3 – 5 UStG nur erfolgen, sofern die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Danach muss sichergestellt werden, dass der Erwerber als Empfänger der Rechnung den (unberechtigten) Vorsteuerabzug nicht durchgeführt oder die etwaig geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt hat. b) Share Deal Im Rahmen des Share Deals ist der Erwerb von Gesellschaftsrechten als An- 973 teilsveräußerung gemäß § 4 Nr. 8e bzw. 8f UStG umsatzsteuerfrei, sodass ein Vorsteuerabzug aus Aufwendungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Veräußerung (M&A-Berater, Rechtsanwälte etc.) nach § 15 Abs. 2 Satz 1 UStG ausgeschlossen sind. Der veräußernde Unternehmer hat jedoch dem Grunde nach die Möglichkeit, gemäß § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuerpflicht des Vorgangs zu optieren, sofern der Erwerber Unternehmer i. S. d. § 2 UStG ist. 8. Grunderwerbsteuer beim Unternehmenskauf Werden im Rahmen eines Asset Deals Grundstücke veräußert, so entsteht 974 gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG eine Grunderwerbsteuerbelastung in Höhe von mindestens 3,5 % des Wertes der Gegenleistung für die erworbenen Grundstücke. Mit Ausnahme von Bayern und Sachsen haben alle Bundesländer von der durch Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG eingeräumten Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes Gebrauch gemacht und den Betrag auf 4,5 – 6,5 % an-

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

gehoben. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist der Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Hierzu zählt alles, was der Erwerber aufwendet, um das Grundstück zu erhalten (§ 9 GrEStG). Mithin ist für grunderwerbsteuerliche Zwecke der Anteil des Kaufpreises, der auf die Grundstücke entfällt, aus der ertragsteuerlichen Kaufpreisaufteilung abzuleiten. Optiert der Veräußerer nach § 9 UStG zur Umsatzsteuer, gehört die Umsatzsteuer jedoch nicht zur Gegenleistung, sofern der Umsatz nach dem 31. März 2004 ausgeführt wurde und damit die Steuerschuldnerschaft gemäß § 13b UStG auf den Erwerber übergegangen ist. Ist eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, ergibt sich die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer grundsätzlich aus den sog. Bedarfswerten des § 138 Abs. 2 – 4 BewG. Durch Beschluss vom 23. Juni 2015 hat das BVerfG, BVerfG, Beschl. v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871 ff.,

jedoch festgestellt, dass § 8 Abs. 2 GrEStG auf die Bedarfswerte nach dem Bewertungsgesetz nur bis 2008 anwendbar ist und der Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2016 rückwirkend ab 2009 eine Neuregelung zu treffen hat. Fertig, DStR 2015, 2160 ff.; Engers/Schwäbe, BB 2015, 2465 ff.

975 Nach § 13 Nr. 1 GrEStG sind sowohl Erwerber als auch Veräußerer Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer und haften insoweit gesamtschuldnerisch (vgl. § 44 Abs. 1 AO). In der Praxis wird regelmäßig vereinbart, dass der Erwerber die Grunderwerbsteuer zu tragen hat. 976 Werden Anteile an Personengesellschaften veräußert, so führt der Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu einer Grunderwerbsteuerbelastung, wenn hierdurch innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Für nach dem 5. November 2015 verwirklichte Erwerbsvorgänge regelt § 1 Abs. 2a Sätze 2 – 5 GrEStG, dass bei mittelbaren Änderungen im Bestand von Personengesellschaften quotal durchzurechnen ist und bei Kapitalgesellschaften eine volle Zurechnung erfolgt, wenn mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Steuerschuldner ist in diesem Fall gemäß § 13 Nr. 6 GrEStG die Personengesellschaft selbst. 977 Nach § 1 Abs. 3 GrEStG führt der Erwerb von Grundbesitz haltenden Personen- oder Kapitalgesellschaften zu einer Grunderwerbsteuerbelastung, wenn unmittelbar oder mittelbar 95 % der Anteile erworben werden. Steuerschuldner ist in diesem Fall gemäß § 13 Nr. 5 GrEStG der Erwerber und nicht die Kapitalgesellschaft selbst. 978 Nach § 1 Abs. 3a GrEStG gilt als Rechtsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG auch ein Rechtsvorgang, durch welchen ein Rechtsträger eine wirtschaftliche Beteiligung von 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft innehat. Die wirtschaftliche Beteiligung bestimmt sich nach der Beteiligung am Kapital oder Vermögen der Gesellschaft und kann unmittelbar, mittelbar oder teils

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen

unmittelbar und teils mittelbar bestehen. Im Ergebnis werden durch § 1 Abs. 3a GrEStG die Beteiligungen durchgerechnet und dadurch Grunderwerbsteuervermeidungsstrukturen erschwert. Vgl. Behrens, BB 2014, 2647 ff.; Wagner/Mayer, BB 2014, 279 ff.

Bei Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs, dem Rückerwerb oder der 979 Herabsetzung der Gegenleistung innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren besteht nach § 16 GrEStG die Möglichkeit, dass die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, aufgehoben oder geändert wird. Die Anwendung des § 16 GrEStG setzt im Fall des Rückerwerbs stets die Identität der am vorausgegangenen Erwerbsvorgang Beteiligten voraus. Ist der Zwei-Jahres-Zeitraum überschritten, so sind weitergehende Voraussetzungen notwendig, wie beispielsweise ein Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung wegen Nichterfüllung bestimmter Vertragsbedingungen (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). 9. Sonstige steuerliche Haftungsrisiken a) § 75 AO Im Rahmen eines Asset Deals haftet der Käufer eines Unternehmens oder 980 eines gesondert geführten Teilbetriebs gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 AO für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet, und für Steuerabzugsbeträge. Der Käufer muss das Unternehmen bzw. den gesondert geführten Betriebsteil „im Ganzen“, mithin zumindest die wesentlichen Betriebsgrundlagen erwerben. Der Haftungszugriff auf den Erwerber wird mit dem Übergang der wirtschaftlichen Ertragskraft des Unternehmens begründet. Vgl. Klein-Rüsken, AO, § 75 Rn. 1.

Das übertragende Unternehmen muss als lebendes Unternehmen erworben 981 werden. Nach der Rechtsprechung des BFH muss der Erwerber insoweit in der Lage sein, das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortzuführen. BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 11/08, BStBl. II 2011, 477 ff; BFH, Urt. v. 7.11.2002 – VII R 11/01, BStBl. II 2003, 226 ff.; BFH, Urt. v. 11.5.1993 – V R 90/92, BStBl. II 1993, 700 (Ls.); BFH, Urt. v. 22.9.1992 – VII R 73-74/91, BFH/NV 1993, 215 ff.; BFH, Beschl. v. 7.3.1996 – VII B 242/95, BFH/NV 1996, 726 f.

Eine kurzfristige Stilllegung schließt die Haftung grundsätzlich nicht aus, 982 dagegen ist es hoch wahrscheinlich, dass die Haftung bei Stilllegung über zwei Jahre ausgeschlossen ist. BFH, Beschl. v. 12.1.1988 – VII R 44/87, BFH/NV 1988, 615.

Ob ein Teilbetrieb erworben wurde, richtet sich nach dem Gesamtbild der 983 beim Veräußerer im Zeitpunkt des Kaufvertrags vorgefundenen Verhältnisse.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

Es muss eine Untereinheit im Sinne eines selbstständigen Zweigbetriebs veräußert werden, die als eigenes Unternehmen bestehen könnte. BFH, Urt. v. 12.12.2013 – X R 33/11, BFH/NV 2014, 693 ff.; BFH, Urt. v. 9.12.2009 – X R 4/07, BFH/NV 2010, 888 ff.; BFH, Urt. v. 5.6.2003 – IV R 18/02, BStBl. II 2003, 838 ff.; BFH, Urt. v. 13.2.1996 – VIII R 39/92, BStBl. II 1996, 409 ff.; BFH, Urt. v. 15.3.1984 – IV R 189/81, BStBl. II 1984, 486, 486; BFH, Urt. v. 13.2.1980 – I R 14/77, BStBl. II 1980, 498 f.; BFH, Urt. v. 27.3.1969 – IV R 113/68, BStBl. II 1969, 464.

984 Für einen Teilbetrieb sprechen dabei eine getrennte Buchführung, eine selbstständige Geschäftsführung, das eigenständige Auftreten am Markt oder die räumliche Trennung von dem übrigen Unternehmen. Koenig-Intemann, AO, § 75 Rn. 10.

985 Nach der ausdrücklichen Regelung des § 75 Abs. 2 AO ist die Haftung für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und im Vollstreckungsverfahren ausgeschlossen. Auch bei einem Erwerb von Betriebsgegenständen nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse kommt eine Haftung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 AO regelmäßig nicht in Betracht. Dies gilt insbesondere, wenn sich die wesentlichen verwertbaren Betriebsgegenstände im Eigentum Dritter befunden haben. BFH, Urt. v. 8.7.1982 – V R 138/81, BStBl. II 1983, 282 f.

986 Betriebssteuern i. S. d. § 75 Abs. 1 AO sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet. Mithin fallen hierunter insbesondere die Gewerbesteuer, Umsatzsteuer sowie sonstige Verbrauchssteuern, nicht dagegen die Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Veräußerers. Die Haftung erstreckt sich auch nicht auf steuerliche Nebenleistungen. Steuerabzugsbeträge i. S. v. § 75 Abs. 1 Satz 1 AO sind die Lohnsteuer, die Kapitalertragsteuer, die einzubehaltenden Steuern bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50a Abs. 5 EStG) sowie die einzubehaltende Umsatzsteuer bestimmter Lieferungen (§ 13b UStG). Den vorgenannten Steuern stehen auch die Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen gemäß § 75 Abs. 1 Satz 3 AO gleich. Beim Erwerb von gesondert geführten Teilbetrieben beschränkt sich die Haftung auf Steuern und Abzugsbeträge, die diesem übernommenen Teilbetrieb zuzuordnen sind. 987 Zeitlich beschränkt sich die Haftung des Käufers auf die Steuern und Abzugsbeträge, die seit Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sind. Auf die Fälligkeit der Steuern kommt es hingegen nicht an. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Fristberechnung ist der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den übertragenen Vermögensgegenständen, sodass regelmäßig die tatsächliche Verfügungsmacht übergegangen sein muss. Dagegen kommt es auf die Verwirklichung des dinglichen Übereignungstatbestandes – insbesondere bei Grundstücken erst mit Grundbucheintrag – nicht maßgeblich an.

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen Klein-Rüsken, AO, § 75 Rn. 36; Tipke/Kruse-Loose, AO, § 75 Rn. 56.

Erfolgt beispielsweise der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums am 988 31. Dezember 2016, so haftet der Käufer für sämtliche Steuern und Steuerabzugsbeträge, die seit dem 1. Januar 2015 entstanden sind, auch wenn sie erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig waren. Die Beträge, für die gehaftet wird, müssen bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebes durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden. Unter Anmeldung des Betriebes ist die Anzeige des Erwerbers über die Eröffnung des Betriebes bei der Gemeinde nach § 138 Abs. 1 Satz 1 AO zu verstehen. Dies gilt auch für die Fortführung eines Unternehmens oder eines Teilbetriebes. Für den Beginn der Frist wird gemäß § 108 AO i. V. m. § 187 BGB der Tag der Anmeldung nicht mitgerechnet. Ist eine Steuerfestsetzung gegen den Verkäufer nicht möglich, so genügt für die Fristwahrung, dass der Haftungsbescheid innerhalb der Frist gegen den Käufer ergeht. Vgl. Koenig-Intemann, AO, § 75 Rn. 48 f.

Gegenständlich ist die Haftung des Käufers gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 AO 989 auf den Bestand des übernommenen Vermögens beschränkt. Es handelt sich insoweit um eine Einwendung, die der Käufer im Zwangsvollstreckungsverfahren erheben muss. BFH, Urt. v. 18.3.1986 – VII R 146/81, BStBl. II 1986, 589 ff.

Verweigert der Erwerber die Zahlung, so hat er aufgrund der gegenständlich 990 beschränkten Haftung die übernommenen Vermögensgegenstände zum Zwecke der Zwangsvollstreckung herauszugeben. Reicht der Erlös aus der Zwangsvollstreckung nicht aus, so entfällt die Haftung des Erwerbers. Verfahrensrechtlich ist zu berücksichtigen, dass die Finanzbehörde den Erwerber als Haftungsschuldner gemäß § 219 Satz 1 AO nur in Anspruch nehmen darf, wenn die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners (des Verkäufers) ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Im Ergebnis muss der Erwerber bei einem Asset Deal in der Krise – außer- 991 halb eines Insolvenzverfahrens – im Rahmen einer Tax Due Diligence exakt prüfen, ob und welche Steuerverbindlichkeiten bestehen. Zu diesem Zweck kann auch eine Auskunft bei der zuständigen Finanzbehörde eingeholt werden, wodurch zumindest die Kenntnis über tatsächlich erklärte und gezahlte sowie erklärte und offene Steuerbeträge ermittelt werden kann. b) § 13c UStG Werden im Rahmen eines Asset Deals auch die Forderungen des Unterneh- 992 mers an den Erwerber abgetreten, so haftet der Erwerber als Unternehmer

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

gemäß § 13c UStG für nicht entrichtete Umsatzsteuerschulden des abtretenden Unternehmers. Diese Haftung gilt gemäß § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG für alle nach dem 7. November 2003 abgetretenen Forderungen. Vgl. BMF-Schreiben v. 30.1.2006, BStBl. I 2006, 207, 209 unter III.; OFD Hannover, Vfg. v. 27.3.2008 – S 7279a – 1 – StO 183; Marx/Salentin, NZI 2005, 258 ff.; Hahne, DStR 2004, 210 ff.; kritisch dazu Crezelius, NZI 2005, 583, 584 f.

993 Der Erwerber haftet mithin als Zessionar gemäß § 13c UStG, wenn er die Forderung einzieht und die Umsatzsteuerschuld gegen den leistenden Unternehmer festgesetzt, fällig und nicht bzw. nur teilweise bezahlt wurde. c) § 73 AO bei umsatzsteuerlicher Organschaft 994 Werden Tochtergesellschaften eines Konzerns in der Krise oder Insolvenz an Investoren veräußert, dann ist insbesondere die Haftung gemäß § 73 AO für Umsatzsteuern des Organträgers im Rahmen der umsatzsteuerlichen Organschaft zu beachten. Die Organgesellschaft haftet nach § 73 AO für solche Steuern und Steuervergütungen des Organträgers, für welche die Organschaft besteht. Vgl. BFH, Urt. v. 21.2.1986 – VI R 9/80, BStBl. II 1986, 768, 770.

995 Vorliegend wird nur auf die Haftung im Rahmen des umsatzsteuerlichen Organschaftsverhältnisses eingegangen, da diese auch außerhalb des Vertragskonzerns praktische Relevanz hat. Vgl. Ziegenhagen/Thieme, Besteuerung in Krise und Insolvenz, § 4 Rn. 70 ff.

996 § 73 Satz 1 AO behandelt den steuerlichen Organkreis als einheitliches Ganzes. Hieraus resultiert eine Haftung der Organgesellschaft für alle Steuern innerhalb des Organkreises ohne Rücksicht darauf, welcher Teilnehmer an diesem Organkreis diese Steuern verursacht hat. Die Organgesellschaft haftet also nicht nur für Steuern, die in ihrem eigenen Betrieb oder dem des Organträgers verursacht worden sind, sondern auch für die Steuern, die im Betrieb einer anderen Organgesellschaft verursacht worden sind. Klein-Rüsken, AO, § 73 Rn. 7; Tipke/Kruse-Loose, AO, § 73 Rn. 4; Koch/Scholtz-Halaczinsky, AO, § 73 Rn. 4.

997 Die Haftung kann insbesondere nicht schon im Wege systematischer und teleologischer Auslegung der Norm auf solche Beträge beschränkt werden, die ohne steuerliche Anerkennung des Organschaftsverhältnisses von der Organgesellschaft zu entrichten wären, also wirtschaftlich von ihrer Tätigkeit verursacht sind. So Begründung der Bundesregierung zu § 73 AO, BT-Drucks. VI/1982, 120; BFH, Urt. v. 5.10.2004 – VII R 76/03, DStRE 2005, 51 ff.; Koenig-Intemann, AO, § 71 Rn. 13; Klein-Ruske, AO, § 73 Rn. 7; für eine Beschränkung bereits auf Tatbestandsebene Lüdicke, FS Herzig, S. 259, 274; Rau/Dürrwächter-Stadie,

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen UStG, § 18 Anhang 1 Rn. 63 ff.; Reiß/Kraeusel/Langer/WägerReiß, UStG, § 2 Rn. 104, § 13a Rn. 32; Tipke/Kruse-Loose, AO, § 73 Rn. 6.

Vor allem im Hinblick auf die zunehmend drohende Entstehung von Vor- 998 steuerberichtigungsansprüchen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG bei dem insolventen Organträger wegen Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts für eine in Anspruch genommene steuerpflichtige Lieferung oder Leistung ist daher in den Insolvenzfällen eine Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft durch Beseitigung der Tatbestandsvoraussetzungen dringend zu empfehlen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Vorsteuerrückforderungsanspruch des Finanzamtes mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes entsteht, in dem die Uneinbringlichkeit eingetreten ist. Der Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Wird über das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, werden die gegen ihn gerichteten Forderungen spätestens in diesem Zeitpunkt unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich. BFH, Beschl. v. 6.6.2002 – V B 110/01, BFH/NV 2002, 1267 f.; Abschnitt 17.1. Abs. 16 UStAE.

Da § 73 AO insoweit das Steuerausfallrisiko teilweise auf die Organgesell- 999 schaft überwälzt, kann gegen die Inanspruchnahme der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers nur dann eine fehlerhafte Ermessensausübung geltend gemacht werden, wenn die angeforderten Steuern eindeutig aus dem anderen Organkreisbereich stammen und die Organgesellschaft keine wirtschaftlichen Vorteile aus der Gestaltung gezogen hat. Vgl. Koch/Scholtz-Halaczinsky, AO, § 73 Rn. 4; FG Nürnberg, Urt. v. 11.12.1990 – II 238/86, EFG 1991, 437 ff.

Eine Haftung der Organgesellschaft für die in den anderen Bereichen verur- 1000 sachten Steuern ist nur gerechtfertigt, wenn der Organträger oder die anderen Organgesellschaften so erhebliche Vermögenswerte auf die der Haftung ausgesetzte Organgesellschaft übertragen haben, dass die Haftung nur für den Steueranteil in einem Missverhältnis zu den haftenden Vermögenswerten stehen würde. FG Nürnberg, Urt. v. 11.12.1990 – II 238/86, EFG 1991, 437 ff.

Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor, 1001 wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Hierbei ist nicht erforderlich, dass alle Eingliederungsmerkmale gleichermaßen feststellbar sind, maßgeblich ist insoweit das Gesamtbild der Verhältnisse. Vgl. BFH, Urt. v. 7.7.2011 – V R 53/10, ZIP 2011, 2196 ff.; BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 14/08, DStR 2010, 323, 324 ff.; FG Köln, Beschl. v. 13.7.2010 – 8 V 887/10, EFG 2010, 1974 ff.

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B. Ausgewählte Problemstellungen und Sonderfälle

1002 Eine Tochtergesellschaft ist finanziell in das Unternehmen der Muttergesellschaft eingegliedert, wenn sie alleinige bzw. Mehrheitsgesellschafterin mit entsprechenden Stimmrechten ist. 1003 Voraussetzung für die wirtschaftliche Eingliederung ist, dass die Organgesellschaft gemäß dem Willen des Organträgers im Rahmen des Gesamtunternehmens, und zwar in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem, wirtschaftlich tätig ist. Abschnitt 2.8. Abs. 6 Satz 1 UStAE; vgl. BFH, Urt. v. 22.6.1967 – V R 89/66, BStBl. III 1967, 715 f.

1004 Sie kann bei entsprechend deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung bereits dann vorliegen, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft auf Grund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen, insbesondere braucht dann die Organgesellschaft nicht vom Organträger abhängig zu sein. Treten die Konzernunternehmen nach außen für den Markt erkennbar einheitlich als Unternehmensgruppe auf, ist eine solche gegenseitige Förderung und Ergänzung regelmäßig gegeben. 1005 Die organisatorische Eingliederung resultiert in der Praxis regelmäßig aus der Tatsache, dass eine (teilweise) Identität der Geschäftsführungsorgane bei der Mutter- und Tochtergesellschaft besteht. 1006 Um die Haftung der Organgesellschaft für Umsatzsteuer der Organträgerin für die Zukunft zu vermeiden, sollte daher vor Veräußerung der Tochtergesellschaft in der Krise bzw. bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren des Organträgers die umsatzsteuerliche Organschaft beendet werden. 1007 Nach neuer Auffassung des BFH soll bereits das Insolvenzeröffnungsverfahren für die Muttergesellschaft in ihrer Eigenschaft als Organträgerin Zweifel an der Zulässigkeit der umsatzsteuerlichen Organschaft wecken. Dabei kommt es für die Beendigung der Organschaft nicht darauf an, ob Eigenverwaltung angeordnet wurde oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt wurde. BFH, Beschl. v. 19.3.2014 – V B 14/14, DStR 2014, 793 ff.

1008 Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz spreche gegen den Fortbestand der Organschaft. Dabei sei es unerheblich, ob auch über das Vermögen der Organgesellschaft ein Insolvenzeröffnungs- oder Insolvenzverfahren bestehe und ob für Organträger und Organgesellschaft der gleiche Insolvenzverwalter bestellt wurde oder das Insolvenzgericht unterschiedliche Insolvenzverwalter bestellt hat. 1009 Wird für die Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und ordnet das Insolvenzgericht zugleich gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO an, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, enden nach Auffassung des BFH die organisatorische Eingliederung und damit die umsatzsteuerliche Organschaft.

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IX. Ausgewählte steuerliche Sachverhalte bei Unternehmenstransaktionen BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, DStR 2013, 1883, 1884 f.; vgl. BMF-Schreiben v. 5.5.2014, DStR 2014, 955 f.

Durch eine Veräußerung der Anteile an der Tochtergesellschaft wird die fi- 1010 nanzielle Eingliederung ebenso beendet wie bei Umwandlung in eine Personengesellschaft. Im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens kommen diese Beendigungsmöglichkeiten durch den vorläufigen Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht in Betracht. Das Insolvenzantragsverfahren der Muttergesellschaft als Organträgerin stellt 1011 sich regelmäßig als negativer Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung der Tochtergesellschaft dar. Um die Assoziation des Marktes mit der Insolvenz der Muttergesellschaft zu vermeiden, tritt die Tochtergesellschaft nunmehr häufig selbstständig gegenüber Kunden und Lieferanten auf. Leistungsbeziehungen zur Muttergesellschaft können u. U. auf nur noch unwesentlichen Umfang reduziert werden, z. B. durch Auflösung von Einkaufsgemeinschaften etc. Die bislang vorliegende wirtschaftliche Eingliederung der Tochtergesellschaft in das Unternehmen der im Insolvenzeröffnungsverfahren befindlichen Muttergesellschaft könnte durch vorgenannte Maßnahmen zunehmend aufgelöst werden. Die organisatorische Eingliederung basiert im Wesentlichen auf der Perso- 1012 nalunion der Geschäftsleitung in der Mutter- und Tochtergesellschaft. Mit Aufgabe eines oder beider Ämter kann folglich die organisatorische Einbindung der Tochtergesellschaft beendet werden. Vgl. Abschnitt 2.8. Abs. 8 UStAE; BMF-Schreiben v. 5.5.2014, DStR 2014, 955 f.

Eine Einflussnahme der Muttergesellschaft wäre danach nur im Wege der ge- 1013 sellschaftsrechtlichen Möglichkeiten gegeben. Zur Sicherstellung der Beendigung der Organschaft kann mithin eine Aufhebung der organisatorischen Eingliederung vorgenommen werden. Dies erfordert die sofortige Beseitigung der Personenidentität der Geschäftsführungsorgane bei den betroffenen Gesellschaften durch entsprechende Abberufung oder Niederlegung. Zusammen mit der fortschreitenden Auflösung der wirtschaftlichen Eingliederung im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens der Muttergesellschaft wäre eine Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft in diesem Zeitpunkt gegeben. Im Ergebnis sollte zur Vermeidung einer Ausweitung des Haftungsumfangs 1014 gemäß § 73 AO die umsatzsteuerliche Organschaft durch Aufhebung der organisatorischen Eingliederung unverzüglich beendet werden, sofern die Organgesellschaft allein wegen der steuerlichen Haftung insolvenzgefährdet wäre und im Übrigen wirtschaftlich „gesund“ ist.

231

C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz I. Aufgabenspektrum des Insolvenzverwalters Der Funktionswandel des Insolvenzrechts vom Vollstreckungsverfahren 1015 zum Wirtschaftsrecht wird in der Person des Insolvenzverwalters besonders augenfällig: Seine Aufgabe ist nicht mehr primär, das schuldnerische Vermögen zu liquidieren und zu verteilen, sondern dessen Betrieb nach Möglichkeiten zu sanieren und in seiner Gesamtheit zu erhalten. Der Insolvenzverwalter handelt dabei – abgesehen von der Mitwirkung der Gläubigerorgane – wirtschaftlich selbstständig und kann durch das Insolvenzgericht insoweit nicht beeinflusst werden. Beck/Depré-Holzer, Praxis der Insolvenz, § 3 Rn. 23

Trotzdem ist die Sanierung kein vorrangiges Verfahrensziel.

1016

Uhlenbruck-Pape, InsO, § 1 Rn. 1.

Ähnlich verhält es sich im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung und der 1017 Bestellung eines (vorläufigen) Sachwalters. Hier erfolgt die Wahrnehmung der Aufgaben größtenteils durch die Organe des Schuldners selbst. Der Sachwalter ist lediglich mit der Überwachung und Prüfung dieser Tätigkeiten beauftragt. Dennoch soll auch hier das verortete Ziel die Erhaltung des in die Krise geratenen Betriebes sein, um eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung zu realisieren. Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 270b Rn. 13 f.

Unabhängig von der Intention der Sanierung dient das Insolvenzverfahren 1018 gemäß § 1 Satz 1 InsO in erster Linie jedoch dazu, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Anders als die Konkursordnung sieht die Insolvenzordnung keine Zerschlagungsautomatik vor, sondern strebt eine ökonomisch vernünftige Haftungsverwirklichung an. Der Erhalt des Unternehmens bzw. die Sanierung desselben ist daher nur gerechtfertigt, wenn sie die für die Gläubiger günstigere Alternative bietet. Die bestmögliche Gläubigerbefriedigung und die Sanierung stehen dabei zuweilen in einem Spannungsverhältnis, dessen Lösung Aufgabe des Insolvenzverwalters bzw. Eigenverwalters ist. MüKo-Kern, InsO, § 270b Rn. 34

Die Insolvenz- und Eigenverwalter sind für das Schicksal der Insolvenzmasse 1019 und damit im Ergebnis für die Quotenerwartungen der Insolvenzgläubiger entscheidend verantwortlich. Er wird dabei durch die Selbstverwaltungsorgane der Gläubiger – Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss – und das Insolvenzgericht und im Falle der Eigenverwaltung zusätzlich durch den Sachwalter beaufsichtigt. Auf den Insolvenzverwalter geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 1020 über (§ 80 InsO). Entsprechendes gilt gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO für den sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter. 233

C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

1021 Nur noch wenige originäre Rechte verbleiben in der Regelinsolvenz bei den Organen der Schuldnerin. 1022 Im Falle der Eigenverwaltung stellt sich die Situation gegenteilig dar. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verbleibt bei den eigenverwaltenden Organen der Schuldnerin. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO. Die Kompetenz dieser wird jedoch durch die Aufsicht und Prüfung des Sachwalters und der Zustimmung des Gläubigerausschusses zu gewissen Handlungen limitiert. Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1815

1023 Im Fall der Regelinsolvenz einer börsennotierten AG ist auf die Entscheidung des BVerwG vom 13. April 2005, BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 – 6 C 4.04, ZIP 2005, 1145 ff.,

hinzuweisen. Danach obliegen die wertpapierhandelsrechtlichen Veröffentlichungspflichten, die im Interesse der Transparenz des Kapitalmarktes bestehen, dem trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Amt bleibenden Vorstand. 1024 Das Schicksal des Unternehmens der Schuldnerin und damit auch das Schicksal der Quotenaussichten für die Gläubiger werden in erster Linie natürlich durch die leistungs- und finanzwirtschaftlichen Umstände bei der Schuldnerin bestimmt. Je nachdem, welche Situation bei Stellung des Insolvenzantrages gegeben ist, ist es die Aufgabe des Insolvenzverwalters – gemeinsam mit dem Management der Schuldnerin – bzw. die Aufgabe des Managements der Schuldnerin selbst, aus der Situation „das Beste“ zu machen. Tatsächlich sind bei Betriebsfortführungen die ersten Wochen, wenn nicht sogar Tage, entscheidend für das Schicksal und die Zukunft des schuldnerischen Unternehmens und der dort vorhandenen Vermögenswerte und Arbeitsplätze. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein Regel- oder Eigenverwaltungsverfahren handelt. 1025 Der (vorläufige) Insolvenzverwalter bzw. Eigenverwalter trifft die mit der Insolvenzmasse zusammenhängenden wirtschaftlichen Entscheidungen über Betriebsfortführung, Ausproduktion, Zerschlagung, übertragende Sanierung oder Eigensanierung. Er ist deshalb die Zentralfigur und der wirtschaftliche Mittelpunkt des Insolvenzverfahrens. Seine Entscheidungen sind für das Wohl der Insolvenzmasse inklusive des in dieser Masse vorhandenen Unternehmens von ausschlaggebender Bedeutung, wobei im Rahmen der Eigenverwaltung zu berücksichtigen ist, dass diese ausweislich des Wortlautes des § 270b InsO und der Antragsvoraussetzung der nicht offensichtlichen Aussichtslosigkeit der Sanierung primär auf eine solche ausgerichtet ist. 1026 Eine Sanierung, gleich ob als übertragende Sanierung oder als Eigensanierung, hat nur Erfolgsaussichten, wenn es gelingt, den Betrieb ohne längere Unterbrechungen weiterzuführen. Die Sanierung setzt in aller Regel die Betriebsfortführung voraus. Diese findet im Insolvenz(-antrags-)verfahren in einem

234

I. Aufgabenspektrum des Insolvenzverwalters

besonders schwierigen Umfeld statt. Liquidität ist meist nicht mehr vorhanden, das Vertrauensverhältnis zu Lieferanten und Kunden ist stark belastet, die Belegschaft ist verunsichert und hat Angst vor drohender Arbeitslosigkeit. Für den (vorläufigen) Insolvenzverwalter bzw. Eigenverwalter ist es eine besondere Herausforderung, wenn er den Betrieb aufrechterhalten möchte bzw. muss. Vgl. Wellensiek, FS Uhlenbruck, S. 199 ff.

Infolgedessen kann die Auswahl des Insolvenzverwalters die „Schicksalsfrage“ 1027 des gesamten Insolvenzverfahrens sein. Im Rahmen der Eigenverwaltung gilt selbiges, wobei hier nur bedingt von einer Auswahl gesprochen werden kann, da die eigenverwaltenden Organe der Schuldnerin im Amt verbleiben. Die Frage danach, wer Insolvenzverwalter wird, ist deshalb eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft des Unternehmens und die Befriedigung der Forderung jedes einzelnen Gläubigers. Die Eigenverwaltung kann auf sichere Füße gestellt werden, wenn bereits vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung ein Sanierungsgeschäftsführer eingesetzt wurde, der sich mit der Situation der Schuldnerin vorab vertraut machte und daher im Zeitpunkt des Insolvenzantrages sofort reagieren kann. Über den Erfolg des Insolvenzverfahrens wird allerdings in den meisten Fällen 1028 bereits viel früher entschieden, weit vor Insolvenzantragstellung und vor der Entscheidung über die Person des vorläufigen Insolvenzverwalters/Sachwalters, und zwar durch Unterlassung eines rechtzeitigen Insolvenzantrags, der professionell vorbereitet ist. Zur professionellen Vorbereitung des Insolvenzantrages gehört die Antizipation der Bedürfnisse des Verfahrens: x

Die frei verfügbare Liquidität im schuldnerischen Unternehmen ist deutlich größer als null.

x

Unternehmen und Berater berücksichtigen in Sanierungskonzepten das Sanierungsszenario „Insolvenz“ inklusive einer Liquiditätsplanung für das Insolvenzverfahren.

x

Aufbereitung diverser Unterlagen, wie: –

Aufstellung des Auftragsbestandes inklusive der Kalkulationen und der Kundenstruktur,



Durchführung einer Inventur im schuldnerischen Unternehmen am Tag der Insolvenzantragstellung inklusive Aufbereitung der Drittrechte,



Vorbereitung der Öffentlichkeitsarbeit,



Aufbereitung im- bzw. exportfähiger Dateien mit Kunden-, Lieferantenund Versorgerdaten.

Die beiden schicksals- und verfahrensentscheidenden Faktoren sind daher 1029 die rechtzeitige, d. h. frühzeitige Insolvenzantragstellung samt professioneller Vorbereitung des Insolvenzantrags wie auch die Person des vorläufigen 235

C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

Insolvenzverwalters und faktisch auch des Eigenverwalters. Nur ein gut vorbereitetes Regelinsolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahren garantiert gute Sanierungschancen. 1030 Die Betriebsfortführung im Insolvenz(-antrags-)verfahren ist allerdings kein Selbstzweck. Der Betrieb ist einzustellen, wenn die Fortführung nur zu weiteren Verlusten und damit zu einer Verminderung der Aktiva führt (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Im Rahmen der Eigenverwaltung hat der Sachwalter dies zu überwachen. Vor allem im Insolvenzantragsverfahren neigen vorläufige Insolvenzverwalter vereinzelt dazu, den Betrieb ohne betriebswirtschaftliche Prüfung und Steuerungsinstrumente, insbesondere ohne Liquiditätsplanung nebst Soll-Ist-Abgleich fortzuführen. Die irrtümliche Annahme, die Liquiditätsvorteile der Insolvenzgeldvorfinanzierung und bei schwacher vorläufiger Verwaltung der Nichtbezahlung der Umsatzsteuerzahllast würden schon zu einem positiven Cashflow führen, verleitet leider immer noch zu häufig dazu, dass vorläufige Insolvenzverwalter Unternehmen ohne ausreichende betriebswirtschaftliche Analyse fortführen. Die Entscheidungen zur Haftung des Insolvenzverwalters belegen dieses. Vgl. z. B. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, NZI 2004, 435 ff.; OLG Celle, Urt. v. 13.7.2004 – 16 U 11/04, NZI 2004, 630 (Ls.); OLG Schleswig, Urt. v. 31.10.2003 – 1 U 42/03, NZI 2004, 92 f.; BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 321/11, NZI 2013, 284 ff.

1031 Soweit die Insolvenzverwalter den Anforderungen unter Ziff. 2 der „Hamburger Leitlinien zum Insolvenzeröffnungsverfahren“ nachkommen und aus der von ihnen erstellten Liquiditätsplanung die richtigen Schlüsse ziehen, dürfte eine Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters für Zahlungszusagen jedenfalls nahezu ausgeschlossen sein. Hamburger Leitlinien zum Insolvenzeröffnungsverfahren, NZI 2004, 133 f.; dazu auch Rauscher, ZInsO 2009, 1847 f.

1032 Dieses setzt jedoch voraus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter im Rahmen der Regelinsolvenz und der Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung nicht nur den Mut hat, den Betrieb fortzuführen, sondern – je nach Einzelfall – auch den Mut hat, den Betrieb stillzulegen, auch wenn sich damit etwaige Chancen, das Unternehmen als Ganzes zu veräußern, verringern. 1033 Spätestens nachdem die Frage der weiteren Betriebsfortführung geklärt ist und damit zunächst im schuldnerischen Unternehmen zumindest ein wenig „Ruhe“ eingekehrt ist, muss der (vorläufige) Insolvenzverwalter mit der Suche nach einer mittel- bis langfristigen Lösung beginnen, er muss eine „ExitStrategie“ entwickeln. Da in der überwiegenden Anzahl der Unternehmensinsolvenzverfahren mit Betriebsfortführung im Insolvenzantragsverfahren eine langfristige Betriebsfortführung nach Verfahrenseröffnung wegen der zumeist dramatischen wirtschaftlichen Situation nicht in Betracht kommt, ist die Suche nach Betriebsübernehmern dringend notwendig. Häufig melden

236

I. Aufgabenspektrum des Insolvenzverwalters

sich nach Insolvenzantragstellung Konkurrenten des schuldnerischen Unternehmens mit der Interessensbekundung, den gesamten oder zumindest einen Teilbetrieb des schuldnerischen Unternehmens erwerben zu wollen. Das bloße Warten auf Interessenten ist regelmäßig jedoch nicht ausreichend. 1034 Der Insolvenzverwalter und der Eigenverwalter müssen agieren und nicht reagieren. Er muss selbst einen Vermarktungsprozess für das schuldnerische Unternehmen in die Wege leiten. Mittel hierfür kann zum einen die Schaltung von Anzeigen in der Tages- und Fachpresse, die Identifikation von potenziellen Betriebsübernehmern gemeinsam mit der Geschäftsführung des insolventen Unternehmens, aber auch – branchenabhängig – bereits in kleineren und mittleren Fällen die Einschaltung von Unternehmensberatungsgesellschaften mit Erfahrungen im M&A sein. Die Beauftragung von M&ABeratern hat sich in Insolvenzsituationen etabliert. Vgl. Fröhlich/Köchling, ZInsO 2005, 1121 ff.; Schröder/Hiort, Corporate Finance Law 2010, 109, 112; Frind, ZInsO 2015, 2309 ff.

Sowohl Insolvenzverwalter als auch Eigenverwalter dürfen einen M&A- 1035 Berater – auch auf Kosten der Insolvenzmasse – beauftragen. Dies ergibt sich daraus, dass ein solch komplexes Bieterverfahren eine Aufgabe darstellt, deren alleinige Bewältigung nicht erwartet werden kann und daher keine Regelaufgabe darstellt. Vgl. Bork, ZIP 2009, 1747, 1750 mit Verweis auf BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 234/06, ZIP 2007, 2323 ff.

Über die Frage der Zulässigkeit der Einschaltung eines externen Experten 1036 hinaus stellt sich die Frage, ob die Einschaltung bei komplexen Verfahren nicht sogar zwingend erfolgen muss, da sie mittlerweile – zumindest beim lebenden Unternehmen – zum Stand der Technik gehört. Gerade die Gründe, die die Einschaltung eines solchen Experten rechtfertigen, gebieten auf der anderen Seite deren Einschaltung i. S. d. Insolvenzmasse. Denn nur der professionelle M&A-Berater verfügt über das notwendige Fachwissen, die Marktkenntnis und die Kontakte, um einen solch komplexen Vorgang wie das Bieterverfahren innerhalb der zur Verfügung stehenden, extrem kurzen Zeitspanne erfolgreich durchzuführen. Dabei wird allerdings auf die Handvoll solcher M&A-Berater zurückzugreifen sein, die nicht erst im Zuge der jetzigen Krise auf den rollenden Zug aufgesprungen sind, sondern seit Jahren als auf den Verkauf aus der Insolvenz und den damit verbundenen Besonderheiten vertrauten Spezialisten den Insolvenzverwaltern zur Seite stehen. Nur dann werden der Insolvenzverwalter und insbesondere der Eigenverwalter, der auf solch kompetente Hilfe angewiesen sein dürfte, im Zweifel die Weichen dafür gestellt haben, um einen optimalen Verwertungserlös für die Insolvenzmasse zu erzielen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Verpflichtung des Insol- 1037 venzverwalters, die Verwertung der Masse und die verfahrenswichtigen Ge-

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C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

spräche, insbesondere bei Betriebsfortführungen, höchstpersönlich zu führen, vgl. HambKo-Frind, InsO, § 56 Rn. 16d; MüKo-Graeber, InsO, § 56 Rn. 77; K. Schmidt, InsO, § 56 Rn. 29,

wozu auch die Gespräche mit Interessenten gehören. Übliche Herangehensweise der M&A-Berater ist es, dass die ersten Gespräche zwischen Interessenten und M&A-Beratern ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters geführt werden. Dieser wird auch in größeren Unternehmensinsolvenzen mit der großen Vielzahl derjenigen, die zunächst ein Interesse haben oder vorgeben zu haben, nicht jeweils persönliche Gespräche führen können. Es muss ein „Vorsortieren“ durch den M&A-Berater stattfinden. Dies gilt für die Eigenverwaltung gleichermaßen. Die sich konkretisierenden Gespräche, insbesondere die Kaufvertragsverhandlungen muss der Insolvenzverwalter bzw. Eigenverwalter unter Aufsicht des Sachwalters selbst führen. Hierbei kann er sich rechtlich und wirtschaftlich beraten lassen. 1038 Die Insolvenz- oder Eigenverwaltung wird in der ersten Phase des Bieterverfahrens/M&A-Prozesses gemeinsam mit dem M&A-Berater ein Informationsmemorandum (sog. „Teaser“) erstellen, in dem die wesentlichen Eckdaten des Schuldnerunternehmens dargestellt werden. Der M&A-Berater wird in Abstimmung mit der Insolvenz- oder Eigenverwaltung potenziell interessierte strategische Investoren oder Finanzinvestoren ansprechen. Interessierte Investoren wird die Insolvenz- oder Eigenverwaltung auffordern, eine Absichts- und Verschwiegenheitserklärung abzugeben, um ihnen daraufhin weitere – auch vertrauliche – Informationen zum Schuldnerunternehmen zur Verfügung zu stellen. 1039 Nach einer etwaigen Betriebsbesichtigung werden die Kaufinteressenten auf Grundlage dieser Informationen ein indikatives, also vorläufiges und unverbindliches Angebot abgeben. Der Insolvenzverwalter sollte in diesem Zusammenhang in der Regel darauf bestehen, dass den indikativen Kaufpreisgeboten bereits ein Finanzierungsnachweis beigefügt wird. Auf Grundlage der indikativen Gebote entscheidet die Insolvenzverwaltung, welche Kaufinteressenten in die nächste, intensivere Verhandlungsrunde einbezogen werden. Im Rahmen der Eigenverwaltung ist die Dokumentation besonders wichtig, da diese letztlich die Grundlage der Prüfung des (vorläufigen) Sachwalters und des (vorläufigen) Gläubigerausschusses sein wird. Diesen Kaufinteressenten wird Zugang zum Datenraum zwecks Durchführung der Due Diligence gewährt. Gespräche mit Mitgliedern des Managements des schuldnerischen Unternehmens werden üblicherweise zu diesem Zeitpunkt geführt. Nach der Due Diligence geben die Kaufinteressenten bindende Angebote ab. Der Insolvenzverwalter wird mit den präferierten Kaufinteressenten regelmäßig auf Grundlage des von ihm vorgegebenen Kaufvertragsentwurfes in die Vertragsverhandlung einsteigen, um schlussendlich den Kaufvertrag mit dem Kaufinteressenten mit dem besten Angebot zu schließen.

238

I. Aufgabenspektrum des Insolvenzverwalters

Fokussiert auf das Thema Unternehmensverkauf in bzw. aus der Insolvenz 1040 ergibt sich demnach folgendes Aufgabenspektrum des Insolvenzverwalters: a) Höchste Priorität des Handelns hat die bestmögliche Gläubigerbefriedigung. b) Bezogen auf einen Verkauf des Unternehmens eines insolventen Schuldners sind erfahrungsgemäß höhere Werte realisierbar, wenn sich die Insolvenzverwaltung in der Lage sieht, ein lebendes Unternehmen inklusive des eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetriebs zu veräußern. Um dieses Ziel erreichen zu können, muss der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. Eigenverwalter unverzüglich die Betriebsfortführung in die Wege leiten, soweit diese betriebswirtschaftlich sinnvoll oder wenigstens vertretbar ist. Die Betriebsfortführung ist kein Selbstzweck. Sie kann nur dann durchgeführt werden, wenn Werte durch die Betriebsfortführung erhalten oder geschaffen werden und ein positiver Cashflow erwirtschaftet wird. c) Sobald im schuldnerischen Unternehmen „Ruhe“ eingekehrt ist, muss die wirtschaftliche Entscheidung der Zukunft des Unternehmens der Schuldnerin vorbereitet und geprüft werden, ob eine Eigensanierung, eine übertragende Sanierung oder aber nur eine Zerschlagung nach einer etwaigen Ausproduktion in Betracht kommt. Die weiteren Aufgaben des Insolvenz-/Sachverwalters, die ausnahmslos das 1041 Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung mit sich bringen, wie z. B. die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen, die Teil einer vollständigen und bestmöglichen Masseverwertung ist, werden an dieser Stelle nicht näher betrachtet. Im Zuge der Internationalisierung der Finanzierungsstrukturen ist vermehrt 1042 mit Insolvenzen von Unternehmen zu rechnen, die durch „Private-EquityFonds“ erworben und deren Erwerb durch ein in der Regel international besetztes Bankenkonsortium fremdfinanziert wurde. Auf den Insolvenzverwalter kommt in diesen Fällen die Herausforderung zu, mit dem Bankenkonsortium über die Freigabekonditionen und Verwertung der Vermögensgegenstände zu verhandeln, die als Sicherheit gewährt wurden. In diesem Zusammenhang wird sich ein Insolvenzverwalter auch dem Ansinnen ausgesetzt sehen, die Zustimmung der gesicherten Gläubiger, also insbesondere der Banken, zum Abschluss des Kaufvertrags nur gegen Verzicht auf Anfechtung der gestellten Sicherheiten zu erhalten. Der Insolvenzverwalter wird in der Regel zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrags mangels eingehender Prüfung noch nicht wissen, ob bestehende Sicherheiten einzelner Gläubiger anfechtbar sind und wie es um die Beweislage und damit die Prozessaussichten bestellt ist. Ein Verzicht auf eine Anfechtung zu einem solchen Zeitpunkt wäre damit insolvenzzweckwidrig. Vgl. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, NZI 2002, 375 ff.; MüKo-Hefermehl, InsO, § 55 Rn. 26 f.

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C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

II. Interessenlage des Insolvenzverwalters 1043 Interessenlage aller Beteiligten, egal ob Insolvenzverwalter, Sachwalter oder Eigenverwalter, ist in aller Kürze die best- und schnellstmögliche Abwicklung des Insolvenzverfahrens. Diese ist dann gegeben, wenn die Insolvenzmasse möglichst schnell und bestmöglich verwertet wird. 1044 Bei Unternehmensfortführungen ist dieses dann der Fall, wenn – bei Außerachtlassung des Insolvenzplanverfahrens – das Unternehmen zum höchsten Preis veräußert wird und der Unternehmenserwerber möglichst viele Arbeitnehmer übernimmt. Bezogen auf den Arbeitsplatzerhalt gehen soziale Verantwortung und der Versuch, das Entstehen aufoktroyierter Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, die im Ergebnis die zu verteilende Masse schmälern, Hand in Hand. Je mehr Arbeitnehmer der Insolvenzverwalter an den Unternehmenserwerber „abgeben“ kann, desto weniger Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO entstehen im Regelfall. Der Eigenverwalter bedarf hier entweder erheblicher Erfahrung, mithin einer Sanierungsgeschäftsführereigenschaft oder erheblicher Unterstützung durch den M&A-Berater bzw. Sachwalter. Andernfalls drohen in diesem Verfahrensabschnitt Haftungsrisiken und das mindestens partielle Scheitern der Sanierung. 1045 Wenn der Insolvenzverwalter dieses Ziel im Regelinsolvenzverfahren erreicht, sind auch seine eigenen Interessen bestmöglich gewahrt. Eine hohe Berechnungsgrundlage i. S. d. § 1 InsVV liegt genauso im Interesse des Insolvenzverwalters als eigener Unternehmer wie auch der regelmäßig mit weniger Folgearbeit im Vergleich zu einer Unternehmenszerschlagung verbundene Verkauf des Unternehmens im Ganzen. Die Vergütung des Sachwalters bemisst sich gemäß § 274 Abs. 1 InsO entsprechend den Vorschriften der §§ 63 – 65 InsO. Der Sachwalter erhält i. d. R. gemäß § 12 Abs. 1 InsVV „nur“ 60 % der für den Insolvenzverwalter bestimmten Vergütung. Dafür ist sein Tätigkeitsumfang gegenüber der Regelverwaltung erheblich reduziert. 1046 Der Erfolg von Unternehmensfortführung und Unternehmensveräußerung inklusive Arbeitsplatzerhalt kann sich schließlich positiv auf die zukünftige Auftragsvergabe durch die Insolvenzgerichte auswirken. Insolvenzrichterinnen und Insolvenzrichter nehmen den Erfolg einer Betriebsfortführung und einer Betriebsveräußerung wohl eher zur Kenntnis als die durch ggf. jahrelange Anfechtungs- und Werklohnprozesse vom Insolvenzverwalter erwirtschaftete Insolvenzmasse bzw. Quote für die betroffenen Insolvenzgläubiger. Dieses mag zum einen daran liegen, dass Insolvenzrichter und Insolvenzrichterinnen regelmäßig (nur) für das Insolvenzantragsverfahren bis einschließlich zum Eröffnungsbeschluss zuständig sind. Zum anderen sind Meldungen über Betriebsfortführungen und Betriebsveräußerungen aus der Insolvenz öffentlichkeitswirksamer als Mitteilungen über die Quotenerwartungen für Insolvenzgläubiger.

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II. Interessenlage des Insolvenzverwalters

Weiteres wesentliches Interesse des Insolvenzverwalters und des Sachwalters 1047 ist die Minimierung persönlicher Risiken, insbesondere in Anbetracht der teils ausufernden, oben bereits erwähnten obergerichtlichen Rechtsprechung zur Haftung des Insolvenzverwalters gemäß der §§ 60, 61 InsO. Aus diesem Grunde wird insbesondere der Insolvenzverwalter nach wie vor regelmäßig versuchen, die Betriebsveräußerung zeitnah nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchzuführen. Eine Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren ist insbesondere deswegen mit höheren Risiken verbunden, als das schuldnerische Unternehmen nach der Verfahrenseröffnung auf „Vollkostenbasis“ fortgeführt werden muss. Positive Liquiditätseffekte, wie die Ausnutzung des Insolvenzgeldes, die ggf. nicht erfolgte Zahlung der Umsatzsteuerzahllast oder aber auch die teils übliche unentgeltliche Nutzung von Gegenständen eines Miet-, Pacht- oder Leasingvertrages im Insolvenzantragsverfahren entfallen. Gleiche Herausforderungen stellen sich in der Eigenverwaltung, sodass auch hier Eile geboten ist. Auch unabhängig davon sind Unternehmensfortführungen nach Eröffnung 1048 des Insolvenzverfahrens eher nur in wenigen Fällen möglich. Die Betriebsfortführung im Insolvenzantragsverfahren ist häufig wirtschaftlich nur vertretbar, da die besonderen, oben dargestellten Liquiditätseffekte einen positiven Cashflow bewirken. Das schuldnerische Unternehmen ist nicht ohne Grund in Insolvenz und daher unter Vollkosten kaum fortführungswürdig. Im Übrigen drängen Vertragspartner häufig auf die Abgabe einer Erklärung nach § 103 InsO. Zu einer langfristigen Bindung kann und wird der jeweilige Insolvenzverwalter kaum bereit sein; aus diesem Grunde ist man auf die Zustimmung der Vertragspartner zu übergangsweisen Lösungen angewiesen. Schlussendlich ist das Phänomen der „Leerproduktion“ nicht selten festzustellen. Der bei Insolvenzantragstellung vorhandene Auftragsbestand dezimiert sich wegen und während der Betriebsfortführung im Insolvenzantragsverfahren. Da neue Aufträge insolventen Unternehmen aus Gewährleistungsgründen jedoch zumindest in der Vielzahl der Insolvenzverfahren eher selten erteilt werden, ist der Auftragsbestand im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens häufig überschaubar. Die Gründung einer „Vertriebsgesellschaft“ durch die Insolvenzmasse, die neue Aufträge akquiriert, mag in Einzelfällen eine Lösung sein, ein Patentrezept ist sie jedoch nicht. Unter Berücksichtigung dieser praktischen Erfahrungen, die zumindest für 1049 das Gros der kleineren und mittleren Insolvenzverfahren gilt, bei denen eine Betriebsfortführung im Insolvenzantragsverfahren noch in Betracht kommt, scheint die nach wie vor grundsätzlich bestehende Verpflichtung des Insolvenzverwalters, das Unternehmen im Regelinsolvenzverfahren bis zum Berichtstermin fortzuführen, ein wenig praxisfern. Praxisnähe hat die InsO allerdings durch die seit 1. Juli 2007 geltende Ergänzung des § 158 InsO erfahren, nach dessen Inhalt nun auch ausdrücklich die Option des Unternehmensverkaufes nach Eröffnung und vor dem Berichtstermin gegeben ist.

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C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

1050 Die Verpflichtung zur Betriebsfortführung ergibt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO, der die Fortführungsverpflichtung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters beinhaltet, die ohne eine weitere Fortführungspflicht des Insolvenzverwalters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum Berichtstermin sinnlos wäre. Eine Betriebsstilllegung wäre regelmäßig irreversibel, sodass in diesem Fall der Gläubigerversammlung die ihr nach § 157 InsO eingeräumte Wahlmöglichkeit über die Betriebsfortführung oder -stilllegung genommen werden würde. Wellensiek, FS Uhlenbruck, S. 210.

1051 Die Regelungen der §§ 156 ff. InsO sind insbesondere im Hinblick auf die Veräußerung des Unternehmens unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Praxis angepasst worden. 1052 Die Betriebsveräußerung erfolgt in der wohl überwiegenden Mehrzahl der Fälle unmittelbar nach Verfahrenseröffnung. Aus diesem Grunde kommt es in der Praxis häufig vor, dass ein Unternehmenskaufvertrag bereits im Eröffnungsverfahren zwischen dem Erwerbsinteressenten und dem vorläufigen Insolvenzverwalter/Eigenverwalter durch Unterstützung eines M&A-Beraters ausgehandelt wird, der dann (unmittelbar) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses unterzeichnet wird. Menke, BB 2003, 1133, 1138; HambKo-Decker, InsO, § 158 InsO Rn. 5 f.

1053 Unabhängig von den wirtschaftlichen „Nöten“, die die Verwaltung häufig dazu zwingen, das Unternehmen unmittelbar nach Eröffnung zu veräußern, wird ein ernsthafter Kaufinteressent in vielen Fällen nicht abwarten können und nicht weitere wertvolle Wochen, innerhalb derer das insolvente Unternehmen nicht mehr am Markt tätig ist und möglicherweise die wichtigsten Arbeitnehmer den Betrieb in Anbetracht der ungewissen Zukunft bereits verlassen haben, verstreichen lassen. Vallender, GmbHR 2004, 543 ff. und GmbHR 2004, 642, 644.

1054 Vor diesem Hintergrund ist der Verkauf unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oftmals die einzige Möglichkeit, die höchsten Werte zu realisieren und die meisten Arbeitsplätze zu erhalten. 1055 Ergänzend wird auf die obigen Ausführungen den richtigen Zeitpunkt für den Unternehmenserwerb betreffend und die Ergänzung des § 158 InsO verwiesen, der nun den Gepflogenheiten der Praxis Rechnung trägt. Sternal, NJW 2007, 1909, 1913.

1056 Etwaige Kaufinteressenten dürfen und müssen demnach davon ausgehen, dass der Insolvenzverwalter regelmäßig nur wenig Zeit hat, um das schuldnerische Unternehmen als lebende Einheit zu veräußern. Er ist daher an einer erfolgreichen und schnellen Abwicklung des (teilweisen) Unternehmensverkaufes 242

III. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

interessiert. Sind mehrere Interessenten vorhanden, so kann sich der Erwerbsinteressent, der die kurzfristigste Übernahme nach Verfahrenseröffnung anbietet, gegenüber zögerlicheren Erwerbsinteressenten einen nicht unerheblichen Vorteil verschaffen. Der an einer schnellen und erfolgreichen Lösung interessierte Verwalter wird 1057 im Übrigen flexibel in Abstimmung mit dem Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch vor Ablauf des dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraumes empfehlen, die das Insolvenzgericht sodann regelmäßig auch beschließen wird. Wenn es demnach sachliche Gründe gibt, den Insolvenzgeldzeitraum nicht auszuschöpfen und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens „vorzuziehen“, werden Eigenverwalter, vorläufiger Sachwalter und insbesondere der vorläufige Insolvenzverwalter sowie das Insolvenzgericht dem nicht im Wege stehen. III. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz: Grundkonstellationen aus Sicht des Insolvenzverwalters und Sachwalters Der Erwerb eines Unternehmens aus der Insolvenz setzt bereits begrifflich 1058 voraus, dass der Unternehmenskaufvertrag und die Übertragung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen. 1. Übertragende Sanierung Die am häufigsten durchgeführte Gestaltung des Unternehmensverkaufes 1059 aus der Insolvenz ist die übertragende Sanierung unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als sog. Asset Deal. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein Regel- oder Eigenverwaltungsverfahren handelt. Sie ist das wesentliche Instrument der Sanierung von Unternehmen und Unternehmensteilen im Insolvenzverfahren, ist letztlich allerdings nichts anderes als ein Liquidationsakt in der „Mogelpackung“ einer Sanierung. Uhlenbruck, BB-Special 4/2004, 2, 7.

Die übertragende Sanierung, oder besser gesagt „sanierende Übertragung“, 1060 ist die „klassische“ und in der Regel richtige Variante für den Unternehmenserwerb aus der Insolvenz, da x

keine Übernahme der Verbindlichkeiten erfolgt,

x

keine Haftungsrisiken für Verbindlichkeiten des insolventen Unternehmens bestehen und

x

auf der Aktivseite des insolventen Unternehmens ein „Cherry Picking“ möglich ist.

Nicht selten sehen potenzielle Unternehmenserwerber nach Durchführung 1061 einer umfassenden Due Diligence davon ab, ein Angebot für einen Unternehmenskauf vor bzw. außerhalb einer Insolvenz abzugeben, da sie im Rahmen

243

C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

der Unternehmensprüfung die tatsächliche Krisensituation des Targets/Kaufgegenstandes festgestellt haben und sie – ihrem anwaltlichen Rat oder ihrer Erfahrung folgend – wegen der bestehenden Anfechtungs- und Haftungsrisiken einen insolvenzfesten Unternehmenskauf aus der Insolvenz bevorzugen. 1062 Dieses Vorgehen hat nichts mit „Leichenfledderei“ oder mit „Schnäppchenjagd“ zu tun, sondern ist häufig, wenn der Unternehmensgegenstand und insbesondere die Kunden- und Lieferantenbeziehungen des Targets eine Insolvenz „(v)ertragen“ können, die kaufmännisch und juristisch sinnvollste Lösung. 1063 Größte Schwierigkeit bei der übertragenden Sanierung ist die Gestaltung der Übernahme der gewünschten Mitarbeiter und der Verbleib der nichtgewünschten Mitarbeiter im insolventen Unternehmen. Im Rahmen der Eigenverwaltung bleibt dieses nicht immer leicht zu händelnde Thema dem Eigenverwalter vorbehalten, der hier ohne die nötige Erfahrung und die Unterstützung des vorläufigen Sachwalters gerade bei Unternehmen mit einer Vielzahl an Arbeitnehmern schnell Fehler machen kann, die die übertragende Sanierung Zeit und damit den „Kopf kosten“ können. 1064 Darüber hinaus stellt sich die Übernahme bzw. Überleitung bestimmter, vom Erwerber gewünschter Dauerschuldverhältnisse als problematisch dar, soweit sie nicht von § 613a BGB, § 571 BGB und §§ 69, 151 Abs. 2 VVG erfasst sind. Die Vertragspartner können nicht dazu „gezwungen“ werden, einer Überleitung des sie betreffenden Vertrages auf den Unternehmenserwerber zuzustimmen. Auf eine Freihalteerklärung des Unternehmenserwerbers für den Fall, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Dauerschuldverhältnisses wählt bzw. keine Kündigung ausspricht, wird sich der Insolvenzverwalter wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken und auch wegen einer etwaigen möglichen Verfahrensverzögerung nur selten einlassen. Praktisch sind viele Vertragspartner im Grunde gar nicht abgeneigt, den Erwerber als neuen Partner zu akzeptieren, allerdings braucht diese Akzeptanz in der Regel Zeit – Zeit, die das Unternehmen meist nicht hat. 1065 Soweit daher bestimmte vertragliche Beziehungen oder öffentlich-rechtliche Genehmigungen für das Unternehmen von derart grundlegender Bedeutung sind, ist die übertragende Sanierung ein weniger taugliches Instrument zur Sanierung. Dieses betrifft insbesondere die Fälle, in denen die Vertragspartner nicht oder nur zu wesentlich schlechteren Konditionen einer Vertragsüberleitung zustimmen oder aber ein ggf. zeitaufwendiges und kostenintensives behördliches Genehmigungsverfahren für den Unternehmenserwerber ansteht. Jedenfalls in diesen Konstellationen bietet sich ein Unternehmenserwerb nach oder bei gleichzeitiger Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens an (siehe dazu Rn. 1074 ff.). 1066 Auf Käuferseite hat die übertragende Sanierung im Übrigen den Vorteil, dass zumindest im Hinblick auf Verbindlichkeiten, Gewährleistungsrisiken und steuerrechtliche Risiken keine umfassende Due Diligence notwendig ist. Der 244

III. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

Schwerpunkt liegt für die Juristen im Arbeitsrecht und ggf. im Umweltrecht. Tendenziell können daher schnelle Verhandlungsergebnisse erzielt werden. Üblicherweise übernimmt sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Eigenverwalter kaum bis gar keine Garantien und es wird ein umfassender Sachund Rechtsmängelgewährleistungsausschluss seitens des Verkäufers verlangt. Gleiches gilt, wenn es sich bei den zu veräußernden Assets um Gesellschafts- 1067 anteile handelt. Hier sind im Wesentlichen zwei Konstellationen vorstellbar: Zum einen sind Holding-Insolvenzen durch zunehmende Insolvenzen von 1068 Beteiligungsgesellschaften und durch die Groß- oder Konzerninsolvenzen der vergangenen Jahre häufiger geworden. In der Regel veräußert der Insolvenz- oder Eigenverwalter die nicht insolventen Beteiligungen, da sie die Assets der Holding darstellen. Entsprechende Fälle verlangen insbesondere vom vorläufigen Insolvenzverwalter schnelles Agieren, um – soweit wie möglich – weitere Insolvenzen von Konzerntöchtern zu vermeiden und damit die „Assets“ der Holding zu erhalten. So kann z. B. die kurzfristige Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft auf Betreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters die drohende Insolvenz der Tochtergesellschaft verhindern (siehe Rn. 994 ff.), allerdings ist der vorläufige Insolvenzverwalter auch darauf angewiesen, dass der anwaltliche Berater des schuldnerischen Unternehmens den Zeitpunkt für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens richtig „wählt“. Auch beim Verkauf von Tochtergesellschaften wird man im Zweifel keine wie auch immer gearteten Garantien vom Insolvenzverwalter erhalten. Vielmehr werden auch hier umfassende Haftungsausschlüsse vom Insolvenzverwalter gefordert werden. Zum anderen kommt eine Veräußerung von Gesellschaftsanteilen in Betracht, 1069 wenn der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Unternehmen des Schuldners in eine Auffanggesellschaft übertragen hat, deren Geschäftsanteile von der Insolvenzschuldnerin gehalten werden. Im Idealfall ist diese Übertragung bereits mit den notwendigen arbeitsrechtlichen Gestaltungs- und sonstigen leistungswirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen verbunden gewesen. Aus Sicht des Insolvenzverwalters gibt es jedoch keinen Grund, eine Veräuße- 1070 rung der Geschäftsanteile an der Auffanggesellschaft anders zu bewerten als die Veräußerung des Unternehmens im Rahmen einer übertragenden Sanierung, sodass er nicht bereit ist bzw. sein wird, Garantien zu geben. Auch hier wird er einen umfassenden Haftungsausschluss für Sach- und Rechtsmängel fordern. Auf Käuferseite indes verlangt der Erwerb einer Tochtergesellschaft – unab- 1071 hängig davon, ob diese im Rahmen einer Holding-Insolvenz oder aber als Erwerb einer vom Insolvenzverwalter gegründeten Auffanggesellschaft erfolgt – in der Regel eine umfassendere Due Diligence als eine übertragende Sanierung.

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C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

1072 Insbesondere bei Holding-Insolvenzen können nicht unbeträchtliche steuerrechtliche Risiken sowie Risiken aus etwaigen Mithaftungserklärungen und Schuldbeitritten bestehen. Im Übrigen müssen die vorhandenen Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen „genettet“ werden. 2. Unternehmenserwerb auf Grundlage eines Insolvenzplans 1073 Die Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens auf der Grundlage eines Insolvenzplans ist in zwei Konstellationen vorstellbar. a) Übertragende Sanierung auf Grundlage eines Insolvenzplans 1074 Eine übertragende Sanierung kann auch auf Grundlage eines Insolvenzplans erfolgen. 1075 Sie bietet sich an, wenn in Absonderungsrechte eingegriffen werden muss, eine Zustimmung der Absonderungsberechtigten aber entweder teilweise nicht zu erlangen ist oder aus sonstigen Gründen nicht sicher ist. Vallender, GmbHR 2004, 642, 646.

1076 Dieses wohl eher selten praktizierte Verfahren soll darüber hinaus den weiteren Vorteil einer differenzierteren, dem Einzelfall angemessenen Gestaltung haben. So soll z. B. eine Stundung des Kaufpreises möglich sein, um diesen von künftigen Entwicklungen, etwa dem Erreichen bestimmter Bilanzkennzahlen, abhängig zu machen. Vallender, GmbHR 2004, 642, 646; Picot/Aleth, Unternehmenskrise und Insolvenz, Rn. 794.

1077 Soweit sich eine Mehrheit der Gläubiger auf ein entsprechendes Procedere einlässt, wird sich die Insolvenzverwaltung, und sei es unter dem Druck der Gläubigermehrheit, auch im Rahmen einer übertragenden Sanierung auf entsprechende vertragliche Regelungen einlassen. Ob daher die übertragende Sanierung im Gewand des Insolvenzplans eine erhebliche Praxisrelevanz erhält, ist eine Frage des Einzelfalls. 1078 Sie bietet sich allerdings immer dann an, wenn der insolvente Unternehmensinhaber eine natürliche Person ist, dem durch den Insolvenzplan die (vorzeitige) Restschuldbefreiung ermöglicht wird oder § 227 Abs. 2 InsO für persönlich haftende Gesellschafter Anwendung findet. 1079 Vorstellbar ist eine übertragende Sanierung bei gleichzeitiger Durchführung eines Insolvenzplans schließlich dann, wenn der Insolvenzverwalter die gesunden Unternehmensteile der Schuldnerin oder aber ggf. nicht insolvente, operativ tätige Tochtergesellschaften in einer Auffanggesellschaft in Absprache und mit Unterstützung der Großgläubiger bündelt und der Insolvenzplan ein Angebot enthält, sämtliche oder einzelne Gläubigergruppen durch Geschäftsanteile an der Auffanggesellschaft abzufinden. Vallender, GmbHR 2004, 642, 646.

246

III. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

Entsprechende Gestaltungen können besonders im Hinblick auf die wach- 1080 sende Präsenz angloamerikanischer Investmentbanken im deutschen Markt Bedeutung erlangen. Da diese jedoch nur bei erheblichen Volumina aktiv werden, dürfte es sich insoweit auch um Einzelfälle handeln. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass angloamerikanische Investmentbanken und Fonds den deutschen „Distressed-Debt-Markt“ bereits vor einiger Zeit entdeckt haben und diese eher bereit sind, sich bei einer vorhandenen ExitPerspektive auch unternehmerisch zu engagieren, sind „Debt-Equity-Swaps“ im Gewand eines Insolvenzplans durchaus vorstellbar, insbesondere in Anbetracht der Novellierung durch das ESUG und der damit eingeführten Regelungen zum Debt-Equity-Swap (siehe Rn. 12 ff. sowie Rn. 513 ff.). Entsprechende Gestaltungsversuche werden im Regelfall jedoch wohl zunächst als freie, außergerichtliche Sanierungen unternommen. In der Praxis hat jedenfalls die Sanierung der Deutsche Nickel AG, deren 1081 Holding in Insolvenz geriet, für Aufsehen gesorgt. Der Sitz der Holding wurde nach deren Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft durch Anwachsung nach England „verlegt“. Dort wurde sodann ein Insolvenzplanverfahren nach englischem Recht („Company Voluntary Arrangement“ [CVA]) durchgeführt. Abschließend sei erwähnt, dass auch sog. verfahrensleitende Insolvenzpläne 1082 möglich sind. Durch eine Änderung von § 217 Satz 1 InsO ist durch den Gesetzgeber verdeutlicht worden, dass auch „verfahrensleitende“ bzw. „verfahrensbegleitende“ (Teil-)Insolvenzpläne zulässig sind, sofern diese das Regelinsolvenzverfahren in Verfahrensfragen ergänzen, aber dennoch nicht ersetzen. Vgl. BT-Drucks. 17/7511, 35; Heinrich, NZI 2012, 235, 237.

Regelungsgehalt kann beispielsweise die Verwertung des schuldnerischen 1083 Vermögens sein. HambKo-Thies, InsO, Vor. §§ 217 ff. Rn. 7a.

b) Eigensanierung und Insolvenzplan Weitere Konstellation für einen Unternehmens(-ver-)kauf aus der Insolvenz 1084 ist der Share Deal, gepaart mit einem Insolvenzplanverfahren, mit dem Ziel der leistungs- und finanzwirtschaftlichen Eigensanierung des schuldnerischen Unternehmens. Auf die Besonderheiten des Insolvenzplanverfahrens als Mittel der Eigensanierung soll auch an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden. Eine Eigensanierung im Insolvenzplanverfahren (durchaus auch im Rahmen 1085 der Eigenverwaltung) kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn der Schuldner über wirtschaftlich bedeutende und nicht ohne Weiteres im Rahmen einer übertragenden Sanierung übertragbare Rechte verfügt. Hierbei kann es sich sowohl um Verträge als auch um öffentlich-rechtliche Genehmigungen handeln, die einen Erhalt des Unternehmens samt Unternehmens247

C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

träger attraktiv machen. Denkbar ist dieses z. B. bei Unternehmen mit einer zumindest teilweise interessanten angemieteten Filialstruktur, bei dem das Filialnetz ohne Neuabschluss von Mietverträgen aber unter Ausnutzung der insolvenzrechtlichen Sonderkündigungsrechte restrukturiert werden soll (so z. B. durchgeführt bei diversen Einzelhandelsfilialisten). 1086 Nachfolgend sollen die wesentlichen Einzelprobleme in entsprechend gelagerten Fällen, bei denen nicht nur die Eigensanierung, sondern auch der Unternehmensverkauf das Ziel ist, kurz dargestellt werden. 1087 Der Insolvenzverwalter selbst kann die Geschäftsanteile an dem von ihm verwalteten insolventen Unternehmen regelmäßig nicht veräußern, da diese Anteile nicht Gesellschafts-, sondern Gesellschaftervermögen sind. 1088 Die Gesellschafter können aber im Rahmen eines Insolvenzplans auf Grundlage der Regelung des § 225a Abs. 3 InsO durch eine entsprechende Zustimmung der Gläubiger zum Insolvenzplan ihrer Gesellschaftsanteile verlustig werden, sei es durch eine Anteilsübertragung oder durch eine (vereinfachte) Kapitalherabsetzung und -erhöhung. Aufgrund der durch das ESUG neu in die Insolvenzordnung eingeführten Regelung des § 225a Abs. 2 InsO ist in einem Insolvenzplan im Übrigen im Rahmen eines „Debt-Equity-Swaps“ ein Eingriff in Gesellschafterrechte möglich (siehe Rn. 12 ff., 155 sowie Rn. 513 ff.). 1089 Soweit dieses beabsichtigt ist, ist bei der Vorlage eines Insolvenzplans allerdings die Entscheidung des BGH vom 3. März 2005, BGH, Beschl. v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, ZIP 2005, 719 ff.,

im Hinblick auf die unlautere Herbeiführung der Annahme eines Insolvenzplans beim Kauf von Forderungen anderer Insolvenzgläubiger zu einem die Quote übersteigenden Preis zu beachten. 1090 Hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten etwaig bestehender Verlustvorträge wird an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen zum Steuerrecht verwiesen (siehe Rn. 737 ff.). 1091 Die Eigenverwaltung ist in der Regel mit weniger Problemen im Zusammenhang mit Gesellschafterrechten konfrontiert, da sie mit der Zustimmung der Gesellschafter aktiv werden. Das Blockadepotential ist hier geringer, dafür kämpft die Eigenverwaltung unter Umständen mit Struktur- und Kompetenzproblemen (siehe Rn. 108 ff., 227 ff. sowie 313 ff.). IV. Leitlinien für Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter, Sachwalter und Eigenverwalter bei Kaufinteresse 1. Timing 1092 Von besonderer Bedeutung ist das richtige Timing. Wie bereits ausgeführt, wird die Veräußerung unmittelbar nach der Eröffnung des Insolvenzverfah-

248

IV. Leitlinien für Verhandlungen

rens am häufigsten praktiziert. Entweder wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein zwischen den Vertragsparteien bereits während des Insolvenzantragsverfahrens in weiten Punkten verhandelter Vertrag geschlossen. Oder es wird das sog. „Reißverschlussverfahren“ praktiziert, bei dem sich der Insolvenzverwalter noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein bindendes Angebot übergeben lässt, das nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nach Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses angenommen wird. Dieses Procedere ist sowohl im Regel- als auch im Eigenverwaltungsverfahren praktikabel. Eine solche Veräußerung ist insbesondere nach der Novellierung der Insol- 1093 venzordnung zulässig, da die Mehrheit der insolventen Unternehmen wegen der dramatischen Verlustsituation nicht nach Verfahrenseröffnung bei Vollkosten über einen Zeitraum von mehreren Wochen fortgeführt werden kann und bei einer Veräußerung nach dem Berichtstermin ein erheblicher Vermögensverzehr droht. Im Rahmen der Eigenverwaltung wird dieses Problem häufig nicht ernst genug genommen, sodass im Zweifel wertvolle Zeit verstreicht. Ist bereits vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Sanierungsgeschäftsführer eingesetzt, erfolgt idealerweise parallel bzw. vor dem Antrag bereits eine auf die übertragende Sanierung ausgerichtete Unternehmensstrukturierung. Nur so funktioniert moderne und effektive Eigenverwaltung. Der Insolvenzverwalter hat und die Eigenverwaltung sollte demnach das Inte- 1094 resse haben, das Unternehmen alsbald nach Verfahrenseröffnung zu veräußern. In den Fällen, in denen sich die Erwerbsinteressenten noch nicht bis zum 1095 Ende des dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraumes entscheiden können, ein bindendes Angebot abzugeben oder aber unverzüglich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Kaufvertrag zu schließen, ein ernsthaftes Erwerbsinteresse allerdings nach wie vor besteht und die Prüfung des insolventen Unternehmens durch den Erwerbsinteressenten oder aber die Finanzierung des Unternehmenserwerbs auf Käuferseite noch nicht abgeschlossen ist, kann es aus Sicht der Insolvenzverwaltung sinnvoll sein, eine revolvierende Insolvenzgeldvorfinanzierung vorzunehmen. Dieses setzt voraus, dass das Insolvenzgericht, im Rahmen der Eigenverwaltung auch Sachwalter und (vorläufiger) Gläubigerausschuss, mit diesem Procedere einverstanden ist. Die Ausschöpfung des dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraumes ist ein aner- 1096 kanntes Mittel zum Erhalt von Sanierungschancen. Vgl. Hamburger Leitlinien zum Insolvenzeröffnungsverfahren, NZI 2004, 133, 134.

Die revolvierende Insolvenzgeldvorfinanzierung ist eine Ausnahmekonstella- 1097 tion und wird daher nur verhältnismäßig selten praktiziert. Bei der revolvierenden Insolvenzgeldvorfinanzierung „füllt“ das schuldneri- 1098 sche Unternehmen mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters

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C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

(bei schwacher vorläufiger Verwaltung) bzw. des Sachwalters (bei Eigenverwaltung) oder aber der vorläufige Insolvenzverwalter selber (bei starker vorläufiger Insolvenzverwaltung) das debitorisch geführte Insolvenzgeldvorfinanzierungskonto in Höhe des Insolvenzgeldvolumens des ersten Monats vom laufenden Verfahrensanderkonto auf. Hierbei wird er ggf. die Kaufinteressenten beteiligen, in dem er von ihnen einen „verlorenen Zuschuss“ für die revolvierende Insolvenzgeldvorfinanzierung als Beleg für das ernsthafte Interesse des oder der Interessenten einfordert. Er verschafft sich somit „Luft“, einen vierten Insolvenzgeldmonat, der wirtschaftlich betrachtet der dritte Insolvenzgeldmonat ist, zu nutzen und kann dabei das schuldnerische Unternehmen im Insolvenzantragsverfahren unter Ausnutzung der übrigen Vorteile des Insolvenzantragsverfahrens fortführen. 1099 Dieses Procedere ist mit der zuständigen Agentur für Arbeit abzustimmen. BSG, Urt. v. 18.3.2004 – B 11 AL 57/03 R, NZS 2005, 385 ff.; Schaub-Koch, Arbeitsrechts-Handbuch, § 94 Rn. 18.

1100 Den Weg der revolvierenden Insolvenzgeldvorfinanzierung wird die Insolvenzverwaltung jedoch nur in Ausnahmefällen und dann auch nicht unbegrenzt gehen, um Sanierungs- und Veräußerungschancen zu erhalten. 1101 Demnach sollten Erwerbsinteressenten möglichst früh Kontakt mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter oder Eigenverwalter aufnehmen, damit die Kaufvertragsverhandlungen frühzeitig und ergebnisorientiert aufgenommen werden können. 2. Kaufpreisfindung 1102 Entgegen den Gepflogenheiten bei der Kaufpreisfindung für Unternehmen bei deren Veräußerung außerhalb der Insolvenz, orientiert sich der Kaufpreis an der Gesamtsumme der Werte der zu veräußernden einzelnen Vermögensgegenstände. 1103 Im Rahmen der Veräußerung ist es daher ratsam und auch gängige Praxis, ein Taxat über die vorhandenen Wirtschaftsgüter erstellen zu lassen. Das Taxat enthält üblicherweise zwei Werte, den Liquidationswert, der in der Regel bei einer Zerschlagung und Einzelversteigerung der Vermögensgegenstände erzielt wird, und den Fortführungswert (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO a. F.). Für immaterielle Vermögenswerte, insbesondere gewerbliche Schutzrechte erfolgt ggf. eine gesonderte Bewertung. Die Offenlegung dieser unabhängig ermittelten Werte gegenüber dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss ist verpflichtend, aber auch ratsam, um die Akzeptanz für den dann später eingeschlagenen Weg (übertragende Sanierung, Sanierung, Liquidation o. Ä.) zu erhöhen. 1104 Erwerbsinteressenten erhalten erfahrungsgemäß im Rahmen der Vertragsverhandlungen eine Aufstellung sämtlicher veräußerbaren Vermögensgegenstände inklusive des Fortführungswertes. Auskünfte über Liquidationswerte 250

IV. Leitlinien für Verhandlungen

sollten jedoch nicht gegeben werden, da die Kenntnis dieser Werte das Risiko einer Minderbewertung des zu erwerbenden Unternehmens durch den Käufer in sich birgt. Die Liquidationswerte stellen die „untere Schmerzgrenze“ in den Kaufpreis- 1105 verhandlungen dar. Allerdings ist ein Unterschreiten in einem Maße vorstellbar, in dem die Insolvenzmasse durch die Unternehmensveräußerung von ansonsten aufoktroyierten Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 2 Nr. 2 InsO entlastet wird. Grenzen findet diese Kalkulation bei den Gegenständen, die mit Rechten 1106 Dritter belastet sind. Zwar wird die Insolvenzmasse regelmäßig gemäß §§ 166, 170 f. InsO oder aber aufgrund höherer ausgehandelter Massekostenbeiträge an den Verwertungserlösen beteiligt. Eine vollständige Anrechnung der Masseverbindlichkeiten, um die die Insolvenzmasse bei einer Unternehmensveräußerung im Ganzen entlastet wird, ist im Hinblick auf diese Gegenstände jedoch ausgeschlossen. Ohnehin wird der Insolvenzverwalter wegen der Entlastung der Insolvenz- 1107 masse nur zu anteiligen Zugeständnissen bereit sein. Soll hingegen der Unternehmensverkauf bei gleichzeitiger Durchführung ar- 1108 beitsrechtlicher Maßnahmen stattfinden, in deren Durchführung der Insolvenzverwalter zwangsläufig eingebunden ist, so wird er hierfür eine entsprechende Kaufpreiserhöhung verlangen. Kaufgegenstand sind häufig auch nicht bilanzierte Vermögensgegenstände, 1109 wie das Know-how, der eingerichtete und ausgeübte Geschäftsbetrieb, selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte, insbesondere Patente oder aber der Kundenstamm sowie ggf. die Firma sein. Diese Kaufgegenstände sind häufig nicht mit Rechten Dritter belastet, sodass der darauf entfallende Kaufpreisanteil vollständig als freie Insolvenzmasse zur Verfügung steht. 3. Vertragsverhandlung und -gestaltung In den Vertragsverhandlungen mit Insolvenzverwaltern werden regelmäßig 1110 die essentialia des Kaufvertrages erörtert, d. h. Kaufgegenstand, ggf. Auftragsbestand, Kaufpreis, ggf. Zahlungsmodalitäten und die Frage des Betriebsüberganges bzw. der diesbezüglichen arbeitsrechtlichen Gestaltung. Soweit diesbezüglich ein Konsens zustande gekommen ist, wird der Insol- 1111 venz- oder Eigenverwalter – zumindest bei übertragenden Sanierungen mittelständischer Unternehmen – den Vertragsentwurf erstellen, der im Detail kaum noch verhandelbar ist. Derart stellt sich zumindest die Situation in Insolvenzverfahren mittelständi- 1112 scher Unternehmen mit bis zu vierstelligen Belegschaften dar. Dass sich bei Groß- oder Konzerninsolvenzen die Situation anders darstellen kann, versteht sich von selbst.

251

C. Unternehmensverkauf aus der Insolvenz

1113 Üblicherweise sind Unternehmenskaufverträge im Hinblick auf eine übertragende Sanierung (Asset Deal) nach dem folgenden schlichten, aber vollkommen ausreichenden Schema aufgebaut: x

Kaufgegenstand inklusive Auftragsbestand;

x

Kaufpreis inklusive etwaiger Regelung zur Umsatzsteuer;

x

Kaufpreiszahlung inklusive Verzugsregelung und Verzicht auf Aufrechnung, Minderungs- oder Zurückbehaltungsrechte;

x

Gewährleistungsausschluss, soweit möglich;

x

Eigentumsübergang/Eigentumsvorbehalt/Abtretung von Rechten;

x

weitere Mitwirkungspflichten des Insolvenzverwalters, insbesondere bei der Übertragung von IP;

x

Betriebsübergang/arbeitsrechtliche Gestaltung;

x

Übergabestichtag/Abgrenzung von Rechtsverhältnissen/Übernahme sonstiger Dauerschuldverhältnisse und vom Insolvenzverwalter ausgelöster Bestellungen;

x

Rücktritts-/Rückabwicklungsregelungen bei Zahlungsverzug;

x

Haftungsbeschränkung, Verjährung;

x

Mitwirkungspflichten des Käufers bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens, insbesondere Zurverfügungstellung von Personal zu Selbstkosten, unentgeltliche Akteneinlagerung mit Zutrittsrecht;

x

Kosten des Vertrages;

x

Schlussbestimmungen, insbesondere anwendbares Recht und Gerichtsstand.

1114 Die vorstehende Auflistung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit; insbesondere müssen bei Massezugehörigkeit etwaiger Betriebsimmobilien ein oder mehrere Mietverträge verhandelt werden. Soweit Betriebsimmobilien mitveräußert werden, muss der gesamte Unternehmenskaufvertrag notariell beurkundet werden. Vallender, GmbHR 2004, 642, 648.

1115 Gleiches kann – je nach Rechtsform – gelten, wenn parallel nicht insolvente Konzerngesellschaften vom Insolvenzverwalter veräußert werden. 1116 Ergänzend sei angemerkt, dass die von Insolvenzverwaltern im Regelverfahren genutzten Vertragsmuster weitreichende Einredeverzichte des Käufers enthalten. Dieses ist insoweit legitim, als der Insolvenzverwalter als Verkäufer das Unternehmen und den Kaufgegenstand meist nur kurze Zeit und in gleichem Maße wie der Erwerber kennt, sodass er nicht nur keine Sach- und Rechtsmängelhaftung übernehmen kann, sondern weitreichende Sicherheit

252

IV. Leitlinien für Verhandlungen

erzielen muss, dass der Kaufpreis vereinbarungsgemäß gezahlt wird. Wie bereits dargestellt, ist der Eigenverwalter hier auf Grundlage seiner erweiterten Unternehmenskenntnisse unter Umständen kompromissbereiter. Ein Insolvenzverwalter wird von diesen Klauseln jedoch nicht Abstand nehmen, 1117 sodass in der Vertragsgestaltung mit Insolvenzverwaltern regelmäßig kein Spielraum für juristische Spitzfindigkeiten auf Käuferveranlassung hin besteht. Trotzdem empfiehlt es sich für den Unternehmenserwerber, einen erfahrenen 1118 Berater hinzuzuziehen, der zum einen den Unternehmenskauf auf Seiten und zugunsten seines Mandanten verhandeln kann, und zum anderen die oftmals für nicht mit der Materie vertraute Personen extremen Positionen des Insolvenzverwalters nachvollziehen und dem Mandanten vermitteln kann, damit keine unnötigen Zeit- und Reibungsverluste auftreten.

253

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten im Rahmen des Unternehmenskaufs in der Krise I. Vorbemerkung Regelmäßig werden im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen in der Krise 1119 bereits Sanierungskonzepte erstellt worden sein, die dem potenziellen Erwerber erhebliche Erkenntnisse über das Unternehmen und deren Organisation und insbesondere relevante Informationen für seine eigene durchzuführende Unternehmensbewertung zwecks optimaler Kaufpreisverhandlung liefern können. Solche Sanierungskonzepte werden regelmäßig von den finanzierenden Banken zur Entscheidungsfindung über die Verlängerung bestehender Kredite oder Gewährung von Sanierungskrediten eingefordert. Im Folgenden werden daher die Grundsätze für die Erstellung von Sanierungskonzepten unter Berücksichtigung der Anforderungen gemäß dem Standard IDW S 6 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) dargestellt. Der IDW S 6 beschreibt die Anforderungen an die Erstellung von Sanie- 1120 rungskonzepten gemäß der Berufsauffassung von Wirtschaftsprüfern als Mitglieder des IDW. Der Standard wurde vom Fachausschuss Sanierung und Insolvenz (FAS) am 20. August 2009 mit billigender Kenntnisnahme durch den Hauptfachausschuss (HFA) verabschiedet. Er ersetzt damit die Verlautbarung des Fachausschusses Recht aus dem Jahre 1991 zu Anforderungen an Sanierungskonzepte (FAR 1/1991). Bis dato war FAR 1/1991 gängige Grundlage für die Erstellung und Beurteilung von Sanierungsgutachten und -konzepten. In der Sanierungspraxis zeigte sich jedoch, dass FAR 1/1991 als Vollkonzept 1121 oftmals nur lückenhaft umgesetzt wurde. Eine Ursache hierfür war der Zeitpunkt der Auftragsvergabe von Sanierungskonzepten. Denn damals wie heute wird oftmals erst nach Eintritt akuter Liquiditätsschwierigkeiten ein Sanierungskonzept angefordert. Das dadurch entstehende „Time Lag“ hat zur Folge, dass die zur nachhaltigen Krisenbewältigung notwendige strategische Planung und die zahlenmäßige Aufbereitung in einer integrierten Unternehmensplanung unberücksichtigt bleiben. Mit dem IDW S 6 soll dieser Sachverhalt antizipiert werden, sodass sich ein 1122 vollwertiges Sanierungskonzept aus mehreren Teilkonzepten zusammensetzt. Das hat den Vorteil, dass sich in einem ersten Schritt die Erstellung oder Beurteilung eines Sanierungskonzeptes ausschließlich auf notwendige Sofortmaßnahmen zur Liquiditätssicherung und Ertragsverbesserung beschränken kann. Gleichzeitig ermöglicht ein modulares Vorgehen bei der Erstellung von Sanierungskonzepten den Einsatz mehrerer Beraterteams mit entsprechenden Kompetenzen. Mittlerweile hat der FAS mit billigender Kenntnisnahme durch den HFA eine Neufassung des IDW S 6 mit Stand vom 20. August 2012 verabschiedet, die einen deutlicheren Bezug zur Rechtsprechung des BGH herstellt. 255

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2009, 578 ff.; IDW S 6, FN-IDW 2012, 719 ff.; IDW Stellungnahme FAR 1/1991, FN-IDW 1991, 319 ff.; weiterführend Prütting, ZIP 2013, 203 ff.; Becker/Martin/Müller/ Wobbe, DStR 2012, 981 ff.; Eisolt, BB 2010, 427 ff.; Buth/Hermanns, DStR 2010, 288 ff.; Groß, WPg 2009, 231 ff.; ders., WPg Sonderheft 2003, 128 ff.

II. Grundlagen des Sanierungskonzepts i. S. d. IDW S 6 1123 Auf dem Weg zur erfolgreichen Sanierung eines in die Krise geratenen Unternehmens müssen zwei zeitlich aufeinanderfolgende Zwischenstufen erreicht werden. Auf der ersten Stufe ist zunächst die Fortführungsfähigkeit i. S. d. Annahme der Unternehmensfortführung gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB („Going Concern“) sicherzustellen. Anschließend sind in einem zeitlich längerfristigen Korridor die Wettbewerbsfähigkeit und die Renditefähigkeit wiederzuerlangen. 1124 Um eine entsprechende Aussage zur Sanierungsfähigkeit treffen zu können, müssen nach IDW S 6 sämtliche Bestandteile eines Sanierungskonzeptes umgesetzt werden. Dennoch liegt der praxisnahe Vorteil vom IDW S 6 darin, dass mit den einzelnen Bestandteilen stufenweise eine Unternehmenskrise bewältigt werden kann. 1125 Sanierungskonzepte nach IDW S 6 setzen sich wie folgt zusammen: x

Beschreibung von Auftragsgegenstand und -umfang;

x

Sammeln von Basisinformationen über die wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage des Unternehmens in seinem Umfeld, einschließlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage;

x

Analyse von Krisenstadium und -ursachen, einschließlich der Analyse, ob eine Insolvenzgefährdung vorliegt;

x

Darstellung des Leitbildes mit dem Geschäftsmodell des sanierten Unternehmens;

x

Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise und Abwendung einer Insolvenzgefahr;

x

integrierter Unternehmensplan;

x

zusammenfassende Einschätzung der Sanierungsfähigkeit. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 721 Rn. 8.

1126 In Abhängigkeit vom Krisenstadium bestimmen sich die Inhalte und der jeweils gebotene Detaillierungsgrad eines Sanierungskonzeptes. Ausgeprägte Arten von Krisen lassen sich wie folgt unterscheiden: x

Stakeholderkrise;

x

Strategiekrise;

256

II. Grundlagen des Sanierungskonzepts i. S. d. IDW S 6

x

Produkt- und Absatzkrise;

x

Erfolgskrise;

x

Liquiditätskrise;

x

Insolvenzreife.

Dabei sind die Krisenarten nicht unabhängig, sondern i. d. R. als aufeinander 1127 aufbauend zu begreifen. Jedoch können sie auch parallel, singulär oder überlappend auftreten. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 723 Rn. 20 f.

Bei der Erstellung eines Sanierungskonzeptes zur Beurteilung der Sanie- 1128 rungsfähigkeit eines Unternehmens können nur objektive oder objektivierbare Kriterien zugrunde gelegt werden. Wird in einer ersten Beurteilung eine akute Illiquiditäts- oder Überschuldungslage festgestellt, sind gemäß IDW S 6 innerhalb von längstens drei Wochen Sofortmaßnahmen zu deren Beseitigung zu konkretisieren und umzusetzen. Ein längerer Zeitraum ist schon von Gesetzes wegen nach § 15a InsO nicht erlaubt. Geeignete Sofortmaßnahmen sind regelmäßig Überbrückungsfinanzierungen zur Liquiditätssicherung oder die Erteilung eines Rangrücktritts zur Überschuldungsabwendung. Im Falle der Insolvenzgefahr beinhaltet das Sanierungskonzept nach IDW 1129 S 6 zunächst einmal für das laufende und nachfolgende Jahr geeignete Maßnahmen für eine positive Fortführungsprognose. Im Rahmen der liquiditätsorientierten Fortbestehensprognose im Planungszeitraum ist der IDW S 11 als maßgeblicher Standard für die Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen zugrunde zu legen. Vgl. IDW S 11, FN-IDW 2015, 202 ff. Rn. 60 zum Prognosezeitraum; IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 722 Rn. 12 ff.; IDW Positionspapier: Zusammenwirken von handelsrechtlicher Fortführungsannahme und insolvenzrechtlicher Fortbestehensprognose (Stand: 13.8.2012), Rn. 17.

In einem zweiten Schritt ist die Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit 1130 des Krisenunternehmens darzustellen (nachhaltige Fortführungsfähigkeit). Großen Einfluss darauf besitzt das Mitarbeiterpotenzial, also die fachliche Fähigkeit, die Loyalität und die Motivation des Managements und der Belegschaft, einen Mehrwert für den Kunden durch marktfähige Produkte und Leistungen zu schaffen. Das setzt wiederum voraus, dass eine nachhaltige Renditefähigkeit realisiert werden kann, die das Unternehmen für Kapitalgeber attraktiv macht. Der Planungszeitraum ist auf dieser Stufe entsprechend auszuweiten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Prognoseurteil zu den Erfolgsaussichten einer Sanierung mittels nachhaltiger Fortführungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Renditefähigkeit durch Defizite in der Umsetzung oder Unwägbarkeiten des Marktgeschehens hinfällig werden kann. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 722 Rn. 14 f.

257

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

III. Bestimmung von Auftragsinhalt und Verantwortlichkeiten im Rahmen der Erstellung von Sanierungskonzepten 1131 Die typischen Ersteller von Sanierungskonzepten sind Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Unternehmensberater, wobei Hauptadressat des IDW S 6 die Wirtschaftsprüfer sind. Deshalb wird in Rn. 31 des IDW S 6 darauf hingewiesen, dass die Erstellung eines Sanierungskonzeptes und die gleichzeitige Durchführung der Abschlussprüfung für dieselbe Gesellschaft unvereinbar sind. Denn im Rahmen der Abschlussprüfung ist die Voraussetzung der Unternehmensfortführung i. S. d. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zu beurteilen. Aus dem berufsüblichen Grundsatz der Unbefangenheit und dem hierdurch begründeten Verbot der Selbstprüfung des Abschlussprüfers ergibt sich, dass ein Abschlussprüfer nicht eine von ihm selbst erstellte Unterlage zum Prüfungsgegenstand machen darf. Die Beurteilung eines bereits vorliegenden Sanierungskonzeptes kann dagegen auch der Abschlussprüfer vornehmen, wenn er nicht an deren Erstellung mitgewirkt hat. 1132 Die Festlegung des Auftragsinhalts und der Verantwortlichkeiten bestimmen sich nach der Zielsetzung der Auftraggeber. Die Auftraggeber sind in der Regel die gesetzlichen Vertreter der sich in der Krise befindlichen Gesellschaft. Soll dann unter Beteiligung der Kapitalgeber (Eigen- wie auch Fremdkapitalgeber) eine gegenwärtige Insolvenzbedrohung beseitigt werden und dient das Konzept auch oder explizit zur Entscheidungsfindung für die Kapitalgeber, kann sich daraus eine Haftungserweiterung (Dritthaftung) über den Auftraggeber hinaus ergeben. Deshalb muss mit Festlegung des Auftragsgegenstandes sowohl für das beauftragende Unternehmen als auch für die Kapitalgeber und andere Dritte erkennbar werden, welche Aufgaben der Konzeptersteller übernimmt und welchem Zweck das Arbeitsergebnis dienen soll. 1133 Hierfür hat sich der Konzeptersteller bereits vor endgültiger Vertragsvereinbarung ein Bild von der Unternehmenslage und den erforderlichen Aufgaben zu machen. Maßgeblich ist die Feststellung des Krisenstadiums, um einen ersten Überblick über die notwendigen Maßnahmen zur Krisenüberwindung ableiten zu können. Gleichzeitig muss sich der Ersteller des Sanierungskonzeptes durch eine Vollständigkeitserklärung des Auftraggebers deren Mitwirkungspflichten und den Zugang zu allen notwendigen Geschäftsunterlagen sichern. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 724 Rn. 25 ff.

1134 Über die Durchführung des Auftrags zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes nach IDW S 6 ist schriftlich zu berichten. Bedingt durch den Auftragsumfang folgen Gliederung und Inhalt der Berichterstattung den im IDW S 6 dargelegten Grundsätzen. Die zu erstellende zusammenfassende Schlussbemerkung, die die wesentlichen Ergebnisse zusammenfasst, ist nur im Zusammenhang mit dem Erstellungsbericht an Dritte weiterzugeben. Sind Gegenstand des Auftrags nur einzelne Teilbereiche eines umfassenden Sanierungskonzeptes, folgt daraus eine entsprechende Beschränkung der Bericht258

IV. Darstellung und Analyse des Unternehmens

erstattung und einer zusammenfassenden Schlussbemerkung, wobei darauf hinzuweisen ist, dass es sich nicht um ein vollständiges Sanierungskonzept nach IDW S 6 handelt. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 739 Rn. 151 ff.

IV. Darstellung und Analyse des Unternehmens 1. Anforderungen an die Qualität der Informationen Grundlage für die Erstellung eines Sanierungskonzeptes ist die vollständige 1135 und systematische Erfassung der für die Unternehmensentwicklung wesentlichen Daten. Die Datenerfassung erfolgt mittels Umfeldanalyse, Branchenanalyse und Analyse der internen Unternehmensverhältnisse. Der Fokus der Unternehmensanalyse ist vor allem darauf ausgerichtet, Chancen und Risiken des Unternehmens im Markt (externe Faktoren) sowie die eigenen Stärken und Schwächen im Unternehmen (interne Faktoren) zu identifizieren. Die Ergebnisse der Analyse bilden die Grundlage zur Bestimmung des notwendigen Handlungsrahmens und der zu dessen Umsetzung erforderlichen Sanierungsmaßnahmen. Dabei sind regelmäßig die geringe Zeit und die begrenzten Mittel zu berücksichtigen, die im Rahmen der Unternehmenssanierung zur Verfügung stehen. Nachfolgend sind die vom IDW S 6 beispielhaft genannten Methoden und Techniken zur Unternehmensanalyse aufgeführt. Welches Verfahren im Einzelfall anzuwenden ist, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Konzepterstellers: x

Kompetenzanalyse;

x

Portfoliomethode;

x

Stärken-Schwächen-Analyse;

x

Szenarioanalyse;

x

Wertanalyse;

x

Wettbewerberanalyse.

2. Basisinformationen über das Unternehmen Ein erfolgreiches Sanierungskonzept setzt voraus, dass die wesentlichen In- 1136 formationen eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung und Analyse des Unternehmens gewährleisten. Entsprechend fordert der IDW S 6 vom Konzeptersteller, kritisch abzuwägen, ob und inwieweit er Daten und Informationen anderer Prüfer oder Berater unter Berücksichtigung deren beruflicher Qualifikation und fachlicher Kompetenz verwenden kann. Bei Unschlüssigkeit der Datengrundlage fordert der IDW S 6 eine hinreichende Prüfung oder prüferische Durchsicht (Plausibilitätsbeurteilung) der zur Verfügung gestellten Unterlagen. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 33 ff.

259

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

3. Analyse der Unternehmenslage 1137 Im Rahmen der Umfeldanalyse ist der kurz- bis mittelfristige Konjunkturverlauf zu analysieren. Durch die gesamtwirtschaftliche Analyse im Allgemeinen und entsprechende Analyse der Branchentrends im Speziellen werden externe Chancen und Risiken bestimmt, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung haben, jedoch nicht unmittelbar beeinflusst werden können. Im Verlauf der Krisenbewältigung ist die weitere Vorgehensweise diesbezüglich immer wieder zu überprüfen und ggf. anzupassen. Maßgeblich für die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind gemäß IDW S 6 demographische, technologische, politische und gesellschaftliche Trends. Als Informationsquellen werden Gutachten des Sachverständigenrates sowie Marktstudien von Verbänden, Banken und anderen Institutionen genannt. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 726 Rn. 51 f.

1138 Die Branchenanalyse identifiziert die Einflussfaktoren, die starken Bezug zur Geschäftstätigkeit haben und für die erfolgreiche Restrukturierung wesentlich sind. Kurzfristige Änderungen in der Branche, bedingt z. B. durch eine Rezession, sind vom langfristigen Branchentrend zu abstrahieren. Wesentlich sind die Chancen und Risiken, die sich aus der Wettbewerbssituation der Branche ergeben. Der IDW S 6 benennt hier: x

aktuelle und potenzielle Kunden;

x

aktuelle und potenzielle Lieferanten;

x

Anzahl und Stärke der Wettbewerber;

x

neue Wettbewerber;

x

neue Geschäftsmodelle;

x

Substitutionsprodukte und neue Technologien;

x

Veränderungen in Nachbarbranchen;

x

Verhaltensänderungen der Kapitalmärkte gegenüber der Branche. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 726 Rn. 53 ff.

1139 Im Rahmen der Analyse der internen Unternehmensverhältnisse ist die bisherige strategische Ausrichtung (Leitbild) des Unternehmens zu beurteilen. Dafür ist zunächst die Ergebnis-, Finanz- und Vermögenslage des Unternehmens zu erfassen und deren Weiterentwicklung ohne Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen abzuschätzen. Im Fokus steht die Entwicklung der Umsätze, Kosten und Deckungsbeiträge der Produktgruppen und Geschäftsbereiche. Hier verweist der IDW S 6 auf die „Break-Even-Analyse“, um die erforderlichen Absatzveränderungen und Kostensenkungen zu bestimmen. Mögliche Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen in einzelnen Funktionsbereichen der Wertschöpfungskette sind entsprechend abzu260

V. Feststellung des Krisenstadiums

leiten. Ansatzpunkte zur Verbesserung der Ergebnis-, Finanz- und Vermögenslage bilden Verhältnisse gesellschaftlicher, zivilrechtlicher, steuerrechtlicher sowie arbeitsrechtlicher Art. Die Analyse der internen Verhältnisse im Unternehmen bezieht sich auch 1140 auf die Stärken und Schwächen der Unternehmenspotenziale bis hin zur Wettbewerbsstrategie und den vorhandenen Kernkompetenzen. Die Strategie des Unternehmens ist dabei immer im Verhältnis zur Unternehmensumwelt zu analysieren. Der Fokus liegt auf den möglichen Kernaufträgen bzw. Kerngeschäften und deren Rentabilität. Die Identifizierung der wichtigsten Ergebnisträger kann über die sog. „Walkurve“ dargestellt werden. Aus dieser Darstellung lässt sich ableiten, wie viel ein Produkt oder eine Leistung zu einem Leistungsparameter (z. B. Rohertrag, EBITDA, EBIT, etc.) beiträgt. Als Faustformel gilt, dass mit 20 % der Produkte 80 % vom Ergebnis erwirtschaftet werden. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 727 Rn. 56 ff.; Kaplan/Cooper, Cost & Effect, S. 162.

Des Weiteren sind auch die wettbewerbsrelevanten Ressourcen zu beurteilen. 1141 Hier zählt insbesondere die Qualität und Nutzbarkeit vorhandener Potenziale in den Bereichen Management, Belegschaft, Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Technologie, Innovation und Finanzierung. Wichtige interne Informationsquellen für die Unternehmensanalyse sind das Rechnungswesen, die Mitarbeiter und die Führungskräfte. Extern können die Einschätzungen von Geschäftspartnern und das externe Berichtswesen von Wettbewerbern herangezogen werden. Der IDW S 6 verlangt, dass die Mitglieder aller Führungsebenen – in einer sinnvollen Relation zwischen „Top-down“ zu „Bottom-up“ – in die Analyse einbezogen werden. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 727 Rn. 59 ff.

V. Feststellung des Krisenstadiums Die Beurteilung des eingetretenen Krisenstadiums ist nach IDW S 6 fester 1142 Bestandteil der Lagebeurteilung zum Unternehmen. Damit folgt der IDW S 6 der Erfahrung, dass eine Unternehmenskrise bis hin zur drohenden Insolvenz zumeist das Resultat mehrstufiger Ursachen-Wirkungs-Ketten ist. Zudem wirken nicht identifizierte und behobene Krisenursachen weiter. Das kann dazu führen, dass eine offensichtliche Liquiditätskrise oder drohende Überschuldung nur vorübergehend überwunden wird. Häufig lösen Defizite in der Personalentwicklung und Personalführung eine Krise aus. Hierfür benennt der IDW S 6 nachfolgende Indikatoren: x

fehlende oder unzureichende Kommunikation der Unternehmensvision;

x

nicht mehr markt- und zeitgemäßer Wissensstand der Belegschaft;

x

fehlende Strategie zur Personalentwicklung;

261

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

x

ungünstiges Arbeitsumfeld für die Belegschaft;

x

mangelnde Motivation der Mitarbeiter;

x

geringe Identifikation der Belegschaft mit ihrer Aufgabe und den Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens;

x

geringe Mitarbeiterbindung. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 728 Rn. 62 ff.

1. Feststellungen zur Stakeholderkrise 1143 Die mit Führungsdefiziten verbundenen Krisen führen regelmäßig zu Deformationen der Unternehmenskultur. Solche Entwicklungen wirken zunächst auf die Stakeholderbeziehungen. Erste Konflikte innerhalb der Corporate Governance strahlen auf das Unternehmen ab. Eine Stakeholderkrise, d. h. Konflikte zwischen den verschiedenen Parteien, hat das Unternehmen erfasst. Von der Leitungs- und Überwachungsebene über die Belegschaft bis hin zu den Gesellschaftern entstehen Blockaden und Reibungsverluste, oft als Ergebnis einer fehlenden Erkenntnis, Akzeptanz und Kommunikation der erforderlichen Neuausrichtung des Unternehmens. Weitere negative Folgen wie Nachlässigkeit, Täuschungen und Vermögensschädigungen können auftreten. Mögliche Ursachen hierfür können sein: x

bewusste Behinderung der Aktivitäten des Controllings und der internen Revision;

x

Billigung falscher Bereichsergebnisse;

x

Unstimmigkeiten in den Potenzialen, die u. a. dadurch eintreten, dass Schwächen in der Produktqualität durch erhöhte Marketing-Aktivitäten kompensiert werden.

1144 Gleichzeitig kommt zur Stakeholderkrise häufig eine Vertrauenskrise hinzu, da die Stakeholder zunehmend daran zweifeln, ob die Organe noch den kommenden Aufgaben gewachsen sind. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 728 Rn. 65 ff.; weiterführend IDW, WP Handbuch 2014, Bd. II, Kapitel L Rn. 97.

2. Feststellungen zur Strategiekrise 1145 Infolge mangelnder Reaktions- und Anpassungsfähigkeit bedingt durch die Stakeholderkrise ergibt sich häufig eine Strategiekrise. Die Gefahr, dass vermehrt Leistungsträger wegen zunehmender Frustration das Unternehmen verlassen, nimmt zu. Wichtiges Know-how geht verloren. Die Folgen sind unangemessene oder ineffektive Innovationen und Investitionen. Dies wiederum verursacht strukturelle Defizite bis hin zu einer strategischen Lücke im Produktprogramm. Der dadurch induzierte Verlust von Marktanteilen

262

V. Feststellung des Krisenstadiums

verursacht wiederum einen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit. Die möglichen Ursachen einer Strategiekrise können sein: x

Schwächen im Personalmanagement;

x

unzureichende Kundenorientierung;

x

nachhaltige Fehleinschätzung der Wettbewerbsbedingungen und der Branchenstruktur;

x

fehlende strategische Ausrichtung bezüglich des angestrebten Wettbewerbsvorteils. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 729 Rn. 69 ff.

3. Feststellungen zur Produkt- und Absatzkrise Aus der Strategiekrise kann sich eine Produkt- und Absatzkrise entwickeln. 1146 Die Nachfrage nach den Hauptumsatz- und -erfolgsträgern bleibt nachhaltig unter den Erwartungen. Die Lagerumschlagshäufigkeit nimmt ab und steigende Vorratsbestände führen zu einer Zunahme der Kapitalbindung. Im Ergebnis sinkt der Auslastungsgrad, die Produktivität fällt und die Umsatzerlöse sind rückläufig. Oftmals werden im betroffenen Unternehmen als erste Gegenmaßnahmen Überstunden abgebaut und Kostensenkungsprogramme umgesetzt. Die eigentlichen Ursachen der Produkt- und Absatzkrise werden dadurch nicht behoben. Beispielhaft nennt der IDW S 6 hierfür: x

ein qualitativ nicht ausreichendes Marketing- und Vertriebskonzept;

x

Sortimentsschwächen;

x

Qualitätsprobleme bei Produkten, Dienstleistungen oder Service;

x

Fehler in der Preispolitik;

x

Schwächen in der Lieferkette;

x

fehlerhafte Vertriebssteuerung bzw. falsches Anreizsystem im Vertrieb. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 729 Rn. 73.

4. Feststellungen zur Erfolgskrise Ohne wirksames Gegensteuern verursachen die Auswirkungen der vorge- 1147 lagerten Krisenstadien zwangsläufig eine Erfolgskrise. Der Rückgang der Rentabilität drückt sich darin aus, dass zunächst die Eigenkapitalkosten nicht mehr verdient werden. Der anhaltende Gewinnrückgang und eintretende Verluste können den vollständigen Verzehr des Eigenkapitals zur Folge haben. Die Kreditwürdigkeit des Unternehmens nimmt ab. Durch effizientes „Cash Management“ kann zwar die Zahlungsfähigkeit noch eine Zeit lang aufrechterhalten werden, aber regelmäßig lässt sich in diesem fortgeschrittenen Krisenstadium eine nachhaltige Sanierung ohne Kapitalzuführung – ggf. auch

263

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

unter Änderung der bisherigen Gesellschafterstruktur – nicht mehr erreichen. Die Erstellung eines Sanierungskonzeptes wird dann unumgänglich. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 729 Rn. 74 ff.

5. Feststellungen zur Liquiditätskrise 1148 Mit Eintritt der Liquiditätskrise wird ein erhöhtes Insolvenzrisiko indiziert. Eine krisenverschärfende Finanzierungsstruktur wird offensichtlich. Ursachen hierfür können sein: x

fehlende Übereinstimmung zwischen Geschäftsmodell und Eigenkapitalsituation;

x

komplexe Finanzierungsstruktur aufgrund einer Vielzahl bilateraler Beziehungen zu Finanzgebern mit differierenden Interessenlagen;

x

falsche Zusammensetzung der Finanzierung mit Eigenkapital, Fremdkapital und hybriden Finanzierungsformen;

x

mangelnde Fristenkongruenz zwischen Kapitalbindung und Kapitalbereitstellung;

x

Klumpenrisiken in der Fälligkeitsstruktur von Finanzierungen;

x

unzureichendes „Working-Capital-Management“. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 730 Rn. 77 f.

VI. Aussagen zur Unternehmensfortführung 1149 Mit der Analyse der Unternehmenslage und Bestimmung des jeweiligen Krisenstadiums und deren Ursachen können Aussagen zur Unternehmensfortführung getroffen werden. FAR 1/1991 forderte als Kriterium der Sanierungsfähigkeit die Feststellung eines positiven Einnahmeüberschusses auf der Grundlage des Sanierungskonzeptes. Der IDW S 6 gibt hierfür ein mehrstufiges Kriteriensystem vor. 1150 Hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO sind zunächst stichtagsbezogen die verfügbaren Finanzmittel zu den fälligen Verbindlichkeiten zu prüfen. Soweit nur eine sog. Zahlungsstockung festgestellt wird, ist zu beurteilen, ob die Gesellschaft entsprechend ihrer Planung in der Lage ist, in einem kurzfristigen Zeitraum die Zahlungsstockung zu beseitigen. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 731 Rn. 77; weiterführend IDW S 11, FN-IDW 2015, 202 ff.

1151 Liegt eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder eine Zahlungsstockung vor, ist auch immer eine Überschuldungsprüfung geboten. Aufgrund der Entfristung des § 19 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 InsO ist die rechtliche Überschuldung weiterhin im Ergebnis von der Fortbestehensprognose abhängig. Alleiniges Kriterium der Fortbestehensprognose ist die voraussichtliche Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit während des Prognosezeitraums. 264

VII. Ausrichtung am Leitbild des sanierten Unternehmens

In eine darüber hinausgehende Fortführungsprognose sind die tatsächlichen 1152 Gegebenheiten i. S. v. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zu prüfen. Die Ersteller eines Sanierungskonzeptes nach IDW S 6 haben dementsprechend objektiv zu beurteilen, ob rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten vorliegen, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen. Eine positive Fortführungsprognose ist Grundlage für die Sanierungsfähigkeit im Sinne einer nachhaltigen Wettbewerbs- und Renditefähigkeit. Dass die eingetretene Bestandsgefährdung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit überwunden wird, ist nach IDW S 6 im Sanierungskonzept anhand der integrierten Unternehmensplanung glaubhaft zu vermitteln. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 731 Rn. 85 ff.

VII. Ausrichtung am Leitbild des sanierten Unternehmens Eine nachhaltige Sanierung eines in die Krise geratenen Unternehmens ist 1153 mit tiefgreifenden Veränderungen verbunden. Misstrauen, Blockadehaltung und Angst um die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse prägen das Umfeld, in dem die Stakeholder miteinander kooperieren müssen. Es wird daher vom IDW S 6 zwingend gefordert, im Sanierungskonzept ein Leitbild aufzunehmen, das ein überzeugendes Bild davon zeichnet, wie das Unternehmen mindestens eine nachhaltige durchschnittliche branchenübliche Rendite und angemessene Eigenkapitalausstattung erwirtschaften soll. Es dient zur Identifizierung geeigneter Sanierungsmaßnahmen, um wieder attraktiv für Eigen- und Fremdkapitalgeber zu werden. Das Leitbild soll eine Vision des zukünftigen Unternehmens vermitteln und ist Kernbestandteil des Sanierungskonzepts. Für potenzielle Erwerber im Rahmen des Unternehmenskaufs in der Krise sollte die Plausibilisierung dieses Abschnitts des Sanierungskonzepts ein Schwerpunkt der Financial Due Diligence sein. Der Weg zu den notwendigen Strukturveränderungen für ein zukunftsfähiges 1154 Geschäftsmodell ist transparent darzustellen. Alle Stakeholder sind mit einzubeziehen. Das wirkt integrierend sowie motivierend. Zudem trägt es unterstützend dazu bei, den Handlungsspielraum für die Sanierungsmaßnahmen zu erweitern. Zu den wesentlichen Eckdaten eines zukunftsfähigen Geschäftsmodells nach IDW S 6 zählen: x

Angaben zu den wesentlichen Geschäftsfeldern des Unternehmens mit –

ihren Produkt- und Marktkombinationen sowie



der zugehörigen Umsatz- und Kostenstruktur und



den hierfür erforderlichen Prozessen und Systemen;

x

Aussagen zu der angestrebten Wettbewerbsposition und durch welche Wettbewerbsvorteile dies erreicht werden soll;

x

Bestimmung der dafür erforderlichen Ressourcen und Fähigkeiten;

265

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

x

Festlegung der langfristigen Zielvorstellungen und Grundstrategien;

x

Implementierung einer Corporate Governance, die in ihrer Gesamtheit den Kern der Unternehmenskultur bildet und das interne Miteinander sowie das Auftreten nach außen maßgeblich prägt.

1155 Die einzelnen Bestandteile des Leitbildes sind nach dem Kriterium der Stimmigkeit zu analysieren und auszurichten. Folgerichtig ist zusammen mit den Stakeholdern im Laufe der Konzepterstellung das Leitbild anhand der gewonnenen Erkenntnisse weiterzuentwickeln. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 731 Rn. 90 ff.

1156 Das Leitbild benennt die Ziele der Unternehmensentwicklung. Es bestimmt die Unternehmensstruktur und dessen Potenzial unter Effektivitäts- und Stimmigkeitsaspekten. Funktion, Aufgabe und Beitrag zur Wertschöpfung sollten entlang einer ggf. neu zu bestimmenden Prozessstruktur für jeden einzelnen Teilbereich erfasst werden. Zu den wesentlichen Bestandteilen der Unternehmensstruktur nach IDW S 6 zählen: x

Produktions- und Absatzprogramm;

x

Forschung und Entwicklung;

x

Finanzierung;

x

Einkauf und Beschaffung;

x

Marketing und Vertrieb;

x

Leitung und Personal;

x

Organisation;

x

Unterstützungssysteme;

x

Nachhaltigkeit.

1157 Das Leitbild lässt sich mit Kennzahlen konkretisieren. Für die Steuerung und Kontrolle der im Leitbild dargestellten Sanierungsmaßnahmen bietet sich die „Balanced Scorecard“ an. Deren Tiefen- und Breitendarstellung qualitativer und quantitativer Kennzahlen ermöglicht die Analyse von Interdependenzen zwischen den einzelnen Sanierungsmaßnahmen. Gleichzeitig ist die „Balanced Scorecard“ auf einzelne zu sanierende Teilbereiche anwendbar. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 732 Rn. 95 f.; zur „Balanced Scorecard“ siehe Niven, Balanced Scorecard, S. 52 ff.

VIII. Beschreibung von Wettbewerbsvorteilen und Wettbewerbsstrategien 1158 Die Wettbewerbsfähigkeit und mithin eine attraktive Eigenkapitalrentabilität für Eigen- und Fremdkapitalgeber wird das Krisenunternehmen nur erreichen, wenn es nachhaltig durch echte Wettbewerbsvorteile seine Marktposition

266

VIII. Beschreibung von Wettbewerbsvorteilen und Wettbewerbsstrategien

festigt oder gar ausbauen kann. Einfache Wettbewerbsvorteile werden über Differenzierungsmerkmale gegenüber den Wettbewerbern erreicht. Beispielhaft benennt der IDW S 6 Ansatzpunkte für solche Merkmale im Bereich: x

Produktion;

x

Preispolitik;

x

Kundenbindung;

x

Kundennähe;

x

Markenimage;

x

Service.

Einen echten Wettbewerbsvorteil definiert der IDW S 6 nach der in der Un- 1159 ternehmensberaterpraxis entwickelten und heute allgemein akzeptierten Definition. Voraussetzung ist ein Alleinstellungsmerkmal, das im Vergleich zu anderen Wettbewerbern als relevante Besonderheit der Unternehmung vom Kunden x

wahrgenommen und

x

besonders honoriert wird sowie

x

dauerhaft und nur schwer imitierbar ist.

Des Weiteren fordert der IDW S 6, dass die entsprechende Strategie zur Rea- 1160 lisierung von Wettbewerbsvorteilen im Leitbild des Unternehmens darzustellen ist. Hierfür müssen die verschiedenen strategischen Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens unter dem Kriterium der Stimmigkeit so ausgewählt und zum Einsatz gebracht werden, dass daraus die verfolgten Wettbewerbsvorteile entstehen. Eine entsprechende strategische Positionierung kann dabei abzielen auf: x

Kosten-/Preisführerschaft (Nutzung von Skaleneffekten, Erfahrungskurveneffekte, Kostenminimierung);

x

Differenzierungsstrategie (gute Qualität, Ausstattung, Design, Marke, Service);

x

Responsestrategie (schnelle Einführungs-, Produktions-, Liefer-, Servicezeiten);

x

Innovations-/Technologieführerschaft (hohe Innovationskraft, schnelle Produktentwicklung, Kenntnisse über Kundenbedürfnisse);

x

Strategie der besten Wertschöpfungsarchitektur (Bildung von Kernkompetenzen, Ausbau von Netzwerken, Outsourcing auf Spezialisten). Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 732 Rn. 97 ff.

267

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

IX. Stadiengerechte Bewältigung der Unternehmenskrise 1161 Dringlichkeit und Komplexität in Abhängigkeit des jeweiligen Krisenstadiums bestimmen Inhalte und Maßnahmen des Sanierungskonzeptes. Der IDW S 6 empfiehlt daher, gegenläufig zur Entwicklung der Krisenstadien zu handeln: x

kurzfristig: Beseitigung von Insolvenzgründen (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung);

x

mittelfristig: Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramme zum Erreichen der Gewinnzone;

x

langfristig: strategische Neuausrichtung für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 733 Rn. 100.

1162 Zudem sind im Sanierungskonzept für die einzelnen Maßnahmen die zeitlichen und finanziellen Erfordernisse sowie die Verantwortlichen zu nennen. Ein Sanierungskonzept nach IDW S 6 soll zudem sicherstellen, dass bei der Erledigung der Teilaufgaben nicht der Weg zu einer zielführenden strategischen Erneuerung verbaut wird. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 733 Rn. 102.

1. Sanierung in der Insolvenz 1163 Die Sanierung in der Insolvenz kann im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens nach §§ 217 ff. InsO erfolgen. Der IDW S 6 nennt hier beispielhaft das Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO oder die Einbeziehung der Gesellschafterebene in den Insolvenzplan. Ansonsten wird lediglich allgemein auf die Insolvenzordnung und den IDW S 2 verwiesen. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 733 Rn. 105; weiterführend IDW S 2, FN-IDW 2000, 81 ff.

2. Vermeidung der Insolvenz 1164 Mit Feststellung eines Insolvenzgrundes bleibt gemäß § 15a InsO höchstens eine Frist von drei Wochen, um durch geeignete Restrukturierungsmaßnahmen die Einleitung des Insolvenzverfahrens abzuwenden. Dazu zählen die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit und die vermögensmäßige Schuldendeckung bzw. Wiederherstellung der positiven Fortführungsprognose. Die Sicherung der Zahlungsfähigkeit ist gegeben, wenn für den Prognosezeitraum die jeweils fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht beglichen werden können. Die Fremdkapitalgeber sollten mit einbezogen werden, u. a. durch: x

Verlängerung des Zahlungsziels;

x

Stundung und/oder Verzicht von Verbindlichkeiten;

x

Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital.

268

IX. Stadiengerechte Bewältigung der Unternehmenskrise

Weitere Maßnahmen zur Vermeidung einer Zahlungsunfähigkeit sind u. a.: x

Leasing statt Kauf;

x

Beschleunigte Rechnungsstellung;

x

Bestandsabbau;

x

Verschiebung von Großreparaturen;

x

Abbau freiwilliger Leistungen;

x

Verkauf von Grundstücken (inklusive „Sale-and-Lease-Back“);

x

Verkauf von Beteiligungen.

1165

Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 733 Rn. 106 ff.; IDW, WP Handbuch 2014, Bd. II, Kapitel L Rn. 226.

Die Abwendung einer Überschuldung kann über nachfolgende, nicht ab- 1166 schließend genannte Wege erfolgen: x

Eigenkapitalzuführung durch die Altgesellschafter oder Aufnahme neuer Gesellschafter;

x

Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital;

x

Gesellschafterdarlehen oder Drittdarlehen mit Rangrücktritt;

x

Aufnahme von nachrangigem Mezzanine-Kapital;

x

harte interne Patronatserklärung mit Regressverzicht;

x

Freistellung/Bürgschaft mit Regressverzicht;

x

Beiträge der Gläubiger und der Belegschaft (Sanierungstarifvertrag etc.).

Die Insolvenzvermeidung eines Unternehmens hängt auch davon ab, ob es 1167 bei der Umsetzung des Sanierungskonzeptes gelingt, durch die Nutzung bestehender und den Aufbau neuer Unternehmenspotenziale den Sanierungsspielraum zu erweitern. Dazu müssen sog. „Realoptionen“, also zugesagte sowie ernsthaft in Aussicht gestellte Absicherungen und Beiträge der Stakeholder, auf ihre Gültigkeit geprüft werden. Der IDW S 6 verweist explizit darauf, dass nur abstrakt mögliche Handlungsalternativen keine Aussagen zur Fortführungsfähigkeit erlauben. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 722 Rn. 12 sowie 733 Rn. 106 ff.

3. Überwindung der Liquiditätskrise Zur Überwindung einer Liquiditätskrise empfiehlt der IDW S 6, vorhandene 1168 Liquiditätsreserven zu mobilisieren. Verbleibende Liquiditätslücken sind extern durch Zuführung liquider Mittel oder Zahlungsmoratorien zu schließen. Ziel all dieser Maßnahmen ist die Wiedererlangung einer hinreichenden Kre269

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

ditwürdigkeit. Ansatzpunkte zur Erschließung vorhandener Liquiditätspotenziale sind nach IDW S 6 z. B.: x

Optimierung der Lagerhaltung;

x

Reduzierung der Forderungslaufzeiten;

x

Factoring von Forderungen;

x

Outsourcing von Randfunktionen/-geschäften;

x

„Sale-and-Lease-Back“ von Anlagegütern. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 734 Rn. 110 ff.

4. Überwindung der Erfolgskrise 1169 Um eine Erfolgskrise nachhaltig zu überwinden, ist das Minimalziel eine branchenübliche Rendite. Ansatzpunkte hierfür sind der Rückzug aus defizitären Geschäftsfeldern und die Konzentration auf wichtige Kerngeschäfte. Eine Aufgabe einzelner Geschäfte kann erfolgen durch: x

Stilllegung von Tochterunternehmen, Standorten oder Produktlinien;

x

Verkauf von Geschäftsbereichen;

x

Outsourcing von Funktionsbereichen und Fremdvergabe der betroffenen Aktivitäten.

1170 Der IDW S 6 empfiehlt zur Konzentration auf das Kerngeschäft die Straffung des Leistungssortiments und die Reduzierung der Fertigungstiefe. In der Wertschöpfung sind die Bündelung von Funktionen und Prozessen sowie die Verwendung von Gleichteilen in der Fertigung zu überprüfen. 1171 Ein weiterer Ansatzpunkt zur Überwindung der Erfolgskrise ist die Verbesserung der Kostenstruktur und die Steigerung der Umsatzerlöse. Der IDW S 6 nennt verschiedene Ansatzpunkte zur Verbesserung der Kostenstruktur: x

Senkung der Bezugspreise;

x

Verbesserung der Ressourceneffizienz bzw. Optimierung der Verbrauchsmengen;

x

Verminderung der Ausschussquote;

x

Senkung der Lagerkosten und der Kapitalbindungskosten;

x

Reduktion und Bereinigung der Artikelvielfalt;

x

Veränderungen der Vergütungsstruktur im Personalbereich;

x

Personalabbau;

x

Senkung/Flexibilisierung der Fixkosten;

x

Abbau von Leerkosten durch bessere Kapazitätsauslastung.

270

IX. Stadiengerechte Bewältigung der Unternehmenskrise

Nachfolgende Maßnahmen zur Steigerung der Umsatzerlöse finden sich im 1172 IDW S 6 wieder: x

Verbesserung der Wertschöpfungsprozesse;

x

Verbesserung des Liefer- und Leistungsprogramms;

x

stärkerer Fokus auf die Kundenbedürfnisse;

x

Marketing- und Vertriebsmaßnahmen zur Erzielung von Mengen- und/ oder Preiserhöhungen. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 734 Rn. 113 ff.

5. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise Bei der Überwindung einer Produkt- und Absatzkrise ist nach IDW S 6 zu- 1173 nächst zu differenzieren, ob die Krise durch externe Schocks nur vorübergehend ist oder langfristig das Unternehmen belastet. Ist die Produkt- und Absatzkrise offensichtlich nur von kurzer Dauer, empfiehlt der IDW S 6 bestandswahrende Maßnahmen zur Sicherung des Know-hows und ein striktes Kostenmanagement zur Überbrückung der Ertragseinbußen. Kann die Produkt- und Absatzkrise nicht durch kurzfristige Überbrückungs- 1174 maßnahmen überwunden werden, muss weitere Ursachenforschung erfolgen. Stellt sich heraus, dass die Produkte oder Dienstleistungen nur noch bedingt marktfähig sind, ist das zukünftige Absatzpotenzial zu bestimmen. Wird dabei eine Nachfrageverschiebung festgestellt, sind die Möglichkeiten für eine grundsätzliche Neuausrichtung auszuloten. Entsprechend sind die Kapazitäten strukturell anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Neben den Modifikationen im eigentlichen Leistungsprozess sind auch die Unterstützungsprozesse im Unternehmen anzupassen. Dazu zählen insbesondere die bisherigen Marketing- und Vertriebsmaßnahmen. Die zusätzlichen Anpassungskosten können dazu führen, dass vorübergehend weitere Rendite- oder Gewinneinbußen anfallen. Liegen die Probleme der Produkt- und Absatzkrise auf der Ebene der Leis- 1175 tungserbringung, müssen Maßnahmen definiert werden, mit denen die relevanten Funktionen und Prozesse verbessert werden. Dazu zählen gemäß IDW S 6: x

Einführung von Produktinnovationen oder Neuprodukten;

x

Beseitigung von Qualitäts- und Belieferungsmängeln;

x

Behebung von Ertragsnachteilen. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 734 Rn. 116 ff.

Ein nützliches Instrument zur Identifizierung unerkannter Verbesserungs- 1176 potenziale in der Leistungserstellung sind „Benchmarking-Verfahren“. Im

271

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

Vergleich zu den Besten einer Branche („Best Practices“) oder zu Branchen mit ähnlichen Prozessabläufen können Referenzen zur Leistungsoptimierung abgeleitet werden. Vgl. Siebert/Kempf, Benchmarking, S. 14 ff.

6. Überwindung der Strategiekrise 1177 Gilt es, eine Strategiekrise zu überwinden, ist nach IDW S 6 die Wiedererlangung einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit wesentlich. Dafür kann es in einem ersten Schritt erforderlich sein, sich auf die strategischen Optionen zu konzentrieren, bei denen die Ressourceneinsätze höchstmögliche Effektivität versprechen. Eine positive Liquiditäts- und Erfolgsprognose als Ergebnis der integrierten Unternehmensplanung ist dafür nicht ausreichend. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 735 Rn. 120 ff.

1178 Eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit kann aber langfristig nur durch Alleinstellungsmerkmale in Form von echten Wettbewerbsvorteilen gehalten werden. Entsprechend erfolgt eine strategische Neuausrichtung auch immer an den Bedürfnissen der Kunden. Dabei müssen alle Maßnahmen zur strategischen Neuausrichtung den Anforderungen der Effektivität, Nachhaltigkeit und Stimmigkeit entsprechen. Durch Kombination materieller, immaterieller, personeller und finanzieller Ressourcen werden organische Fähigkeiten geschaffen, die interne Wettbewerbsvorteile sichern. Mögliche Ansatzpunkte werden im IDW S 6 genannt: x

x

x

Beherrschung einzelner Technologien oder wichtiger Prozesse: –

Produktentwicklung;



Absatzentwicklung.

Besondere Stärken in einzelnen Funktionen: –

Kundenakquisition;



Produktion;



Montage;



Service.

Effizientere Systeme: –

Aufbauorganisation;



Ablauforganisation;



Controlling- und Reportingsystem. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 735 Rn. 127 f.

1179 Zur Überwindung der Strategiekrise kann die strategische Neuausrichtung weiter differenziert werden. So unterscheidet der IDW S 6 zwischen geeigneten

272

IX. Stadiengerechte Bewältigung der Unternehmenskrise

Produkt-Markt-Strategien und Ressourcen-Strategien. Die zur Strategieoptimierung umzusetzenden Maßnahmen bewegen sich dabei im Spannungsfeld von Qualität, Kosten und Zeit. Die Zielerreichung der im Leitbild des Unternehmens festgelegten mittel- und 1180 langfristigen Ziele wird in der strategischen Unternehmensplanung beschrieben. In einer Aufzählung benennt der IDW S 6 kurz und übersichtlich Maßnahmenpakete zur/m: x

x

Stärkung des Kerngeschäfts: –

Identifikation und Ausbau der Stärken und Eliminierung von Schwachstellen;



Definition der Zielgruppe;



Förderung der Markenbildung und der Produktposition.

Ausweitung des Kerngeschäfts: –

x

x

x

Cross-Selling-Aktivitäten durch integrierte Produktlösungen und komplementäre Produkte und Dienstleistungen.

Transfer bestehender Produkte, Marken, Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen auf neue: –

Anwendungsfelder;



Kunden;



Regionen;



Geschäftsfelder.

Entwicklung neuer Erfolgspotenziale: –

Produkt- und Prozessinnovationen;



Aufbau von Kernkompetenzen;



Öffnung für strategische Partnerschaften, Kooperationen und Allianzen im Bereich Forschung und Entwicklung.

Reduzierung des Risikos, etwa durch: –

Ausstieg aus besonders risikoreichen Geschäftsfeldern;



Begrenzung und Reduzierung operativer Risiken;



Transfer von Risiken auf Dritte (Versicherungsunternehmen, Kapitalmarkt);



Stärkung des Risikopuffers (z. B. durch höhere Eigenkapitalausstattung oder Ausweitung des verfügbaren Liquiditätsrahmens). Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 735 Rn. 123 ff.

273

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

7. Überwindung der Stakeholderkrise 1181 Im Rahmen der Stakeholderkrise gilt es, das verlorengegangene Vertrauen in die Unternehmensleitung oder die Aufsichtsorgane zurückzugewinnen. Die Problematik liegt oftmals darin, dass nicht selten die Auftraggeber eines Sanierungskonzeptes die eigentlichen Verursacher der Stakeholderkrise sind. Die unausweichlichen Diskussionen zwischen Konzeptersteller und Auftraggeber zur Überwindung der Stakeholderkrise müssen daher versachlicht werden. Ein wichtiger Ansatzpunkt hierfür sind die Grundsätze des Deutschen Corporate Governance Kodex. Der Inhalt des Kodex adressiert wesentliche Kritikpunkte bei mangelhafter Ausrichtung auf Aktionärs(/Gesellschafter-)interessen und mangelnde Transparenz in der Unternehmensführung. Entsprechend wird im IDW S 6 an verschiedenen Stellen eine entsprechende Corporate Governance im Krisenunternehmen gefordert. Der IDW S 6 bestimmt noch einmal explizit die notwendigen Fähigkeiten im Unternehmen zur Überwindung der Stakeholderkrise. Hierfür muss das Unternehmen in der Lage sein: x

das erforderliche Vertrauen seiner internen und externen Stakeholder zu gewinnen;

x

durch Vorbild und Vorleben eine starke Unternehmenskultur zu prägen;

x

die ständigen Wandlungsanforderungen des Unternehmens zu bewältigen;

x

angemessene Zielvorgaben abzuleiten und der Belegschaft vorzugeben;

x

das Unternehmensleitbild entsprechend den Markt- und Wettbewerbsanforderungen zu präzisieren und weiterzuentwickeln;

x

die Strukturen für eine angemessene innerbetriebliche Kommunikation zu schaffen. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 736 Rn. 129 f.

X. Integrierte Sanierungsplanung 1182 Das Sanierungskonzept beschreibt qualitativ und quantitativ den Sanierungsablauf. Ausgehend von der Ist-Situation und den identifizierten Problemund Verlustbereichen werden die Maßnahmeneffekte quantifiziert und in eine integrierte Unternehmensplanung zusammengeführt. Mit der integrierten Sanierungsplanung erfolgt die rechnerische Verprobung der Finanzierbarkeit aller beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen. Mit der Verwendung geeigneter Kennzahlen kann die Tragfähigkeit und Stimmigkeit des Sanierungskonzeptes weiter plausibilisiert werden. Etwaige Kennzahlen sind regelmäßig auch im Rahmen von Covenants in Finanzierungsverträgen vertraglich vereinbart. Nach IDW S 6 können hierfür insbesondere in Betracht kommen:

274

X. Integrierte Sanierungsplanung

x

x

x

Liquiditätskennzahlen: –

Liquiditätsgrade I – III;



Cashflow in Prozent vom Umsatz;



Schuldentilgungsdauer in Jahren;



Kapitaldienstdeckungsfähigkeit.

Ertragskennzahlen: –

Gesamtkapitalrentabilität;



Eigenkapitalrentabilität;



Umsatzrentabilität;



Material-/Fremdleistungsquote;



Personalaufwandsquote;



EBITDA in Prozent vom Umsatz.

Vermögenskennzahlen: –

Eigenmittelquote;



Verschuldungsgrad;



Anlagendeckung;



Working Capital;



Laufzeit der Kreditoren und Debitoren in Tagen;



Vorratsreichweite in Tagen. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 736 Rn. 131 f. sowie 738 Rn. 146 f.

Für die Darstellung der Problem- und Verlustbereiche empfiehlt der IDW S 6 1183 eine entsprechende Gliederung nach z. B. Geschäftsfeldern, Produktbereichen, Produktionsstandorten, Absatzgebieten etc. Zudem sind für jeden kritischen Bereich in zusammengefasster Form die Restrukturierungserfordernisse anzugeben. Der Schwerpunkt dieser Zusammenfassung liegt in der Abschätzung der zukünftigen Entwicklung ohne Berücksichtigung der Sanierungsmaßnahmen. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 737 Rn. 133 f.

Bei der Darstellung der Maßnahmeneffekte sind deren Auswirkungen auf die 1184 künftige Ergebnis-, Finanz- und Vermögenslage zu erläutern. Zu Beginn der Sanierung ist eine strikte Ergebniskontrolle der geplanten Auswirkungen erforderlich, da in akuten Krisensituationen nur ein stark eingeengter Handlungsspielraum zur Verfügung steht. Entsprechend sind alle Aktivitäten re-

275

D. Grundlagen für den Umgang mit Sanierungskonzepten

gelmäßig auf ihre Effektivität und Effizienz hin zu überprüfen und ggf. anzupassen. Der IDW S 6 fordert daher für das laufende und das folgende Jahr eine möglichst monatliche Beschreibung und Quantifizierung der Maßnahmeneffekte. Dabei ist auch anzugeben, welche Maßnahmen bereits eingeleitet und mit welchem Grad diese bereits realisiert wurden. Für die Folgejahre sind viertel- bzw. halbjährliche Planangaben ausreichend. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 737 Rn. 135 f.

1185 Für den Sanierungsplan wesentliche Annahmen sind besonders hervorzuheben. Mögliche Determinanten sind z. B.: x

Entwicklung von Rohstoffpreisen;

x

Wachstum von Auslandsmärkten;

x

Wechselkursstabilität;

x

Preisentwicklung auf der Nachfrageseite;

x

Wettbewerbsentwicklung;

x

rechtliche und politische Stabilität;

x

Kontinuität in den Vertragsbeziehungen zu Großkunden und wichtigen Lieferanten.

1186 Um Planungsunsicherheit zu berücksichtigen, ist es sachmäßig, verschiedene Szenarien i. S. v. Sensitivitäts- oder Alternativrechnungen durchzurechnen. Daneben empfiehlt der IDW S 6, alternativ mit einer quantitativen Risikoeinschätzung (z. B. „Monte-Carlo-Simulation“) die Aufrechterhaltung von Liquidität oder Einhaltung von Covenants in Finanzierungsvereinbarungen abzuschätzen. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 737 Rn. 141 ff.

1187 Der Erfolg eines Sanierungsplans kann nur dann optimal realisiert werden, wenn das Maßnahmenbündel in seiner Gesamtheit betrachtet wird. Zielinterdependenzen sind wegen der Querbeziehungen einzelner Krisenursachen unvermeidlich. Notwendige Bedingung für den Erfolg der Sanierung ist somit die Stimmigkeit der einzelnen Maßnahmen zueinander. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 737 Rn. 139.

1188 Der Aufbau eines Sanierungsplans im Sanierungskonzept ist als integrierter Ergebnis-, Finanz- und Vermögensplan darzustellen. Ausgehend von auf die jeweiligen Problem- und Verlustbereiche erarbeiteten Teilplänen wird eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung und darauf aufbauend ein Finanzplan und eine Plan-Bilanz entwickelt. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 737 Rn. 140.

276

X. Integrierte Sanierungsplanung

Nach IDW S 6 sind die Analyse der Planabweichungen sowie die Planfort- 1189 schreibung nicht Bestandteil des Sanierungskonzeptes. Dennoch verweist der Standard regelmäßig auf die Notwendigkeit, Planabweichungen zu identifizieren und ggf. gegenzusteuern. Des Weiteren empfiehlt der IDW S 6 eine fortgesetzte Beratung während der gesamten Sanierungsphase. Vgl. IDW S 6, FN-IDW 2012, 719, 738 Rn. 145.

Für einen potenziellen Erwerber empfiehlt sich daher neben den Manage- 1190 mentgesprächen zusätzlich ein Informationstreffen mit den Sanierungsberatern zu verlangen, um hierdurch ergänzende Informationen zu dem Sanierungskonzept und zu dessen aktuellem Umsetzungsgrad zu erlangen. Insbesondere die integrierte Sanierungsplanung kann insoweit als Grundlage bzw. Ausgangspunkt für die eigene Unternehmensbewertung aus Sicht des potenziellen Erwerbers dienen.

277

E. Grundlagen der Unternehmensbewertung I. Theoretische Grundlagen 1. Allgemeines Im Rahmen von Unternehmenskäufen in der Krise werden häufig – insbe- 1191 sondere bei übertragenden Sanierungen aus der Insolvenz – nur die erworbenen Vermögensgegenstände als „Assets“ einfach summarisch mit dem jeweiligen Fortführungswert bewertet. Ausgangspunkt ist insoweit regelmäßig das Vermögensverzeichnis gemäß § 153 InsO i. V. m. dem Verzeichnis der Massegegenstände gemäß § 151 InsO, wonach der Insolvenzverwalter für jeden Vermögensgegenstand jeweils den Zerschlagungs- und Fortführungswert anzugeben hat. Bei größeren Unternehmenskäufen oder beim Erwerb von Tochtergesell- 1192 schaften werden dagegen regelmäßig betriebswirtschaftlich anerkannte Unternehmensbewertungsverfahren angewandt. Den Wert eines Unternehmens zu bestimmen heißt, dieses Unternehmen mit Investitionsalternativen zu vergleichen, die einem Investor offenstehen. Unter dieser Zielstellung bestimmt sich der Wert eines Unternehmens ausschließlich anhand finanzieller Ziele durch den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unternehmen einhergehenden Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner. Durch die Anwendung des Barwertkalküls wird mit der Diskontierung dieser Nettozuflüsse zum Alternativzinssatz implizit ein Vergleich mit der diesen Zins reflektierenden Geldanlagemöglichkeit vorgenommen. Die Bewertung von Unternehmen ist eng mit der Finanzierungstheorie ver- 1193 bunden, die sich ständig weiterentwickelt. Um diese Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, veröffentlicht das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) sog. IDW Standards zur Unternehmensbewertung, die die in der Theorie, Praxis und Rechtsprechung entwickelten Standpunkte als Grundsätze darstellen, nach denen Wirtschaftsprüfer Unternehmen bewerten. Am 18. Oktober 2005 wurde ein neuer Standard zu den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1) verabschiedet. Die Unternehmenssteuerreform 2008 veranlasste den Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW am 2. April 2008 eine Neufassung des IDW S 1 zu verabschieden. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271 ff.

Der IDW S 1 unterscheidet zwischen dem subjektiven Entscheidungswert 1194 und einem objektivierten Unternehmenswert. Der subjektive Entscheidungswert dient der individuellen Wertfindung eines (potenziellen) Eigentümers, wobei dessen persönliches Entscheidungsfeld, also seine Möglichkeiten, Verhältnisse und Planungen zugrunde zu legen sind. Bei dem objektivierten Unternehmenswert handelt es sich hingegen um einen von einem neutralen Gutachter ermittelten typisierten Zukunftserfolgswert, der mit nachvollziehbarer

279

E. Grundlagen der Unternehmensbewertung

Methodik ohne die individuellen Wertvorstellungen der betroffenen Parteien zustande kommt. Dieser Wert findet vor allem im Schiedsstellenverfahren und insbesondere für im Aktien- oder Umwandlungsgesetz geregelte Bewertungsanlässe seine Anwendung. In der Praxis lassen auch Verkäufer/Insolvenzverwalter vorab einen objektivieren Unternehmenswert ermitteln, um z. B. im Rahmen eines Bieterverfahrens einen strukturierten Verkaufsprozess einzuleiten und die Angemessenheit der ersten indikativen Gebote zu plausibilisieren. Hierbei kann insbesondere auf ein bereits vorliegendes Sanierungskonzept i. S. d. IDW S 6 aufgebaut werden, in welchem das Leitbild des Unternehmens bei Überwindung der Krise dargestellt wird. 1195 Hinsichtlich der Bewertung ist das zu bewertende Unternehmen in das für den Betrieb notwendige und in das nicht betriebsnotwendige Vermögen zu trennen. Die Abgrenzung erfolgt funktional, denn alle Vermögensteile, die frei veräußert werden können, ohne dass davon das eigentliche Ziel des Unternehmens berührt wird, gehören zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen. 1196 Für die Fortführung des Unternehmens auf Basis des betriebsnotwendigen Vermögens wird der eigentliche Unternehmenswert bestimmt. Diesem ist der gesondert bestimmte Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zuzurechnen. Sofern der Liquidationswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens unter Beachtung der Besteuerungswirkungen einen eventuellen Fortführungswert übersteigt, stellt die Liquidation die vorteilhafte Alternative und damit die Grundlage zur Bewertung dar. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 279 Rn. 59 ff.

1197 Der eigentliche Unternehmenswert stellt einen Gesamtwert dar. Er bestimmt sich nicht aus der Summe der Werte der Vermögensgegenstände („Assets“) abzüglich der Schulden, sondern ergibt sich regelmäßig als Barwert künftiger finanzieller Überschüsse (Zukunftserfolgswert), wobei von der Fortführung des Unternehmens unter gleichzeitiger Annahme der zeitnahen Veräußerung nichtbetriebsnotwendigen Vermögens ausgegangen wird. Da beim Erwerb aus der Insolvenz nur die betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände erworben werden, sind auch nur deren künftigen finanziellen Überschüsse im Rahmen der Bewertung für den Erwerber zu berücksichtigen. Im Rahmen der betriebswirtschaftlich anerkannten Unternehmenswertermittlung kommt dem Substanzwert keine eigenständige Bedeutung zu. 1198 Durch die Unternehmensbewertung auf Basis standardisierter Verfahren ist die Vergleichbarkeit verschiedener Investitionsmöglichkeiten gegeben, wobei im Falle des hier relevanten subjektiven Entscheidungswerts durch den Einfluss subjektiver Elemente eine beträchtliche Wertbeeinflussung möglich ist. Insofern sind die Bewertungsanlässe im Rahmen des Ertragswertverfahren und des „Discounted-Cashflow-Verfahren“ (DCF-Verfahren) jeweils zu berücksichtigen, da als neutraler Gutachter ein objektivierter Unternehmenswert unter Berücksichtigung einer Kapitalmarktbewertung und als Berater

280

I. Theoretische Grundlagen

des Käufers dagegen der subjektive Unternehmenswert abhängig von dessen individuellem Entscheidungsfeld zu ermitteln ist. 2. Prognose der künftigen finanziellen Überschüsse Da der Unternehmenswert als Barwertsumme künftiger finanzieller Über- 1199 schüsse bestimmt wird, sind die jährlich zufließenden Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner zu ermitteln. Diese ergeben sich aufgrund von geplanten Ausschüttungen bzw. Entnahmen abzüglich eventueller Einlagen nach Abzug persönlicher Einkommensteuern. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 277 Rn. 35 ff.

Die Ermittlung finanzieller Überschüsse erfordert eine Prognose für die Zu- 1200 kunft und kann daher nur mittels Schätzung der künftigen Zahlungsströme erfolgen. Dennoch sind alle für die Prognose verfügbaren unternehmensund marktorientierten zukunftsbezogenen Informationen erforderlich. Vergangenheitsbezogene Daten sind nur als Schätzgrundlage für die Zukunftsdaten von Bedeutung. Zuerst ist im Rahmen der Vergangenheitsanalyse auf die in der vorangegangenen Zeit stattgefundene Entwicklung abzustellen und in diesem Rahmen sind Erfolgsursachen zu ermitteln. Weiterhin sind für eine Prognose künftiger Zahlungsüberschüsse, die nur aus dem betriebsnotwendigen Vermögen stattfinden sollen, die Vergangenheitsdaten dementsprechend zu bereinigen, d. h. Aufwendungen/Erträge des nicht betriebsnotwendigen Vermögens sind für die Vergangenheitsrechnungen, von denen ausgegangen werden soll, zu eliminieren. Aufbauend auf der Vergangenheitsanalyse sind künftige finanzielle Über- 1201 schüsse unter Berücksichtigung von Markt-, Branchen- und Umweltentwicklungen zu prognostizieren. Dazu ist das zum Bewertungsstichtag zugrunde liegende Unternehmenskonzept samt eingeleiteter oder hinreichend konkretisierter Maßnahmen auf Veränderungen der Ertragskraft zu würdigen. Auch unechte, d. h. durch Zusammenschluss mit fast jedem anderen Unternehmen erzielbare Synergieeffekte (Verschlankung der Verwaltung etc.) sind stets zu berücksichtigen. Im Rahmen der Ermittlung subjektiver Unternehmenswerte sind darüber hinaus auch geplante oder bereits erkannte und als sinnvoll beurteilte realisierbare Veränderungen und echte Synergieeffekte, d. h. durch Zusammenschluss mit einem dem Erwerber gehörenden Unternehmen, zusätzliche Synergien mit ihren Auswirkungen abzubilden. Für die Ermittlung subjektiver Unternehmenswerte ist weiterhin von der Ri- 1202 sikoeinstellung des Erwerbers auszugehen, die sich u. U. unternehmenswertverändernd in einer geänderten zukünftigen Kapitalstruktur (Verschuldungsgrad) ausdrückt. Der Standard IDW S 1 sieht eine zeitliche Aufteilung der Bewertung in ver- 1203 schiedene Phasen vor, deren Vorhersagbarkeit anfänglich höher ist und mit fortschreitendem Zukunftsbezug abnimmt. In den meisten Fällen erfolgt die

281

E. Grundlagen der Unternehmensbewertung

Bewertung in einem Zwei-Phasen-Modell, bei dem in der ersten Phase eine Detailplanung erfolgt und sich daran eine Phase anschließt, in der gleichbleibende Bedingungen oder ein gleichbleibendes Wachstum angenommen werden. 1204 In der ersten, näheren Detailplanungsphase, die einen Zeitraum von ca. drei bis fünf Jahren erfasst, werden Planungsrechnungen ausgehend von der Einnahmen- oder Ertragsüberschussrechnung aufgestellt. Bei einer Ertragsüberschussrechnung ist zudem noch auf die jährlichen ausschüttbaren Einnahmenüberschüsse überzuleiten. Da diese Rechenwerke sich jeweils gegenseitig beeinflussen, denn z. B. dient der Ertragsüberschuss als Grundlage der Bemessung der Steuerzahlungen, sind für eine Zukunftssimulation integrierte Planungsrechnungen aufzustellen (Zahlungsplanung mittels Planinvestitions- und -finanzierungsrechnungen, Planbilanzen, Plangewinn- und Verlustrechnungen sowie steuerliche Gewinnermittlungen). 1205 Die fernere zweite Phase baut auf den Ergebnissen der Detailplanung der ersten Phase auf. Für diese zweite Phase, die regelmäßig als bis in alle Zukunft andauernd geplant wird, ist eine Entscheidung zu treffen, ob sich das Unternehmen in einem Beharrungs- oder in einem Wachstumszustand befinden soll und ob damit die finanziellen Überschüsse im Rahmen einer konstanten oder einer wachsenden ewigen Rente anzunehmen sind. Aufgrund der Totalperiodengleichheit von Zahlungs- und Ertragsüberschüssen können in dieser Phase die jährlichen Gewinne als Surrogat für die Zahlungen verwendet werden. Wegen des starken Gewichts der Zahlungsströme der zweiten Phase auf den Unternehmenswert kommt den hier getroffenen Annahmen eine besondere Bedeutung zu. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 280 Rn. 75 ff.

1206 Bei der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts ist insoweit von der Ausschüttung der finanziellen Überschüsse unter Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen auszugehen. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 277 Rn. 35.

1207 Der Standard IDW S 1 empfiehlt aufgrund der Fülle von Einflussfaktoren mehrwertige Planungen zu erstellen, um das Ausmaß künftiger Unsicherheiten der Zahlungsüberschüsse darzulegen und dem Erwerber bzw. Veräußerer mögliche Szenarien zu verdeutlichen. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 281 Rn. 80.

3. Kapitalisierung der künftigen Überschüsse 1208 Der Unternehmenswert i. S. d. Zukunftserfolgswerts wird durch Diskontierung der künftigen finanziellen Zahlungsüberschüsse auf den Bewertungsstichtag ermittelt, wobei die Barwerte für das betriebsnotwendige und das nicht betriebsnotwendige Vermögen getrennt ermittelt werden.

282

I. Theoretische Grundlagen

Da das Unternehmen mit einer Alternativinvestition, die einem Investor offen 1209 steht, implizit durch den verwendeten Kalkulationszinsfuß im Barwertkalkül verglichen wird, kommt diesem Zinsfuß eine stark wertbeeinflussende Wirkung zu. Der Kalkulationszinsfuß sollte die beste künftige Alternativverwendung der Geldmittel in Höhe des Kaufpreises abbilden und deshalb stets von den mit dem Unternehmen vergleichbaren Risikoprämissen ausgehen. In Theorie und Praxis wird einstimmig davon ausgegangen, dass Wirtschafts- 1210 subjekte künftige Risiken höher bewerten als die künftigen Chancen, also risikoavers sind. Zur Verarbeitung dieser Risikoaversion bieten sich zwei Vorgehensweisen an: Zum einen die Zinszuschlagsmethode und zum anderen die sog. Sicherheitsäquivalenzmethode. Im Rahmen der Risikozuschlagsmethode wird unterstellt, dass ein Subjekt ungewisse Zahlungen mit einem höheren Zinssatz diskontiert und somit ein Zuschlag zu dem sicheren Basiszinssatz seine Anwendung findet. Das Risiko wird ausschließlich im Kalkulationszinsfuß berücksichtigt. Anders geht die Sicherheitsäquivalenzmethode vor. Bei dieser wird gefragt, wie hoch eine sichere Zahlung sein müsste, damit sie der Käufer bzw. Veräußerer als gleichwertig zu der ungewissen mehrwertigen Zahlungsverteilung ansieht, von der jede Ausprägung mit jeweils unterschiedlichem Risiko eintreten wird. Im Rahmen der Sicherheitsäquivalenzmethode werden stets sichere Zahlungen dargestellt, die risikoäquivalent ebenfalls mit einem, dem Basiszinssatz entsprechenden, Kalkulationszinsfuß abzuzinsen sind. Hier findet eine ausschließliche Risikoberücksichtigung in den Zahlungsströmen statt. Der Zinszuschlagsmethode ist der Vorzug einzuräumen, da sie sich auf empirisches Verhalten stützt. Sie bietet zudem die Möglichkeit – gerade in Anwendung der DCF-Verfahren – die Risikozuschläge marktorientiert zu bestimmen. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 282 Rn. 88 ff.

Die konkrete Höhe des Risikozuschlags kann in der Praxis nur mithilfe von 1211 Typisierungen und vereinfachenden Annahmen festgelegt werden. Dazu sind regelmäßig am Markt beobachtete Risikoprämien den Besonderheiten des Bewertungsfalls anzugleichen, da jedes Unternehmen spezifischen Risiken und Chancen unterliegt und die Risikoprämien an künftige Erwartungen anzupassen sind. Alle größeren Wirtschaftsprüfungs- und Bewertungsgesellschaften führen dazu umfangreiche Datenbanken. Eine Risikozuschlagsbestimmung zur Marktwertbestimmung kann insbe- 1212 sondere auf der Basis des „Capital Asset Pricing Model“ (CAPM) und nunmehr mit Verabschiedung des neuen Standards auf Basis des Tax-CAPM marktgestützt vorgenommen werden. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 282 Rn. 100 ff.

Neben der Risikosituation ist ebenfalls die steuerliche Situation sachgerecht 1213 abzubilden. Da nachsteuerliche Zahlungen diskontiert werden, sind auch die Zuwächse der Alternativanlage und damit ein nachsteuerlicher Kalkulations-

283

E. Grundlagen der Unternehmensbewertung

zinsfuß anzuwenden. Der Kapitalisierungszinssatz ist also um die Steuerbelastung zu mindern, die auf die Alternativanlage entfällt. Nach der Unternehmenssteuerreform 2008 ist der Kapitalisierungszinssatz um die Steuerbelastung zu mindern, die sich ab dem Jahr 2009 aufgrund der Abgeltungssteuer zuzüglich Solidaritätszuschlags ergibt. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 283 Rn. 93; weiterführend Wagner/Saur/Willershausen, WPg 2008, 731 ff.; Wiese, WPg 2007, 368 ff.; Ballwieser/Kruschwitz/Löffler, WPg 2007, 765 ff.

1214 Neben der risikoadjustierten und steuerlichen Anpassung des Kalkulationszinsfußes findet ein unendliches Wachstum der finanziellen Überschüsse mit der gleichen Rate, wie es ggf. in der zweiten Phase angenommen wird, im Diskontierungssatz über den Abzug eines Wachstumsfaktors seinen Niederschlag. In der Detailplanungsphase wird das Wachstum hingegen in den finanziellen Überschüssen abgebildet. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 283 Rn. 94 ff.

4. Ertragswert- und „Discounted-Cashflow-Verfahren“ 1215 Sowohl das Ertragswertverfahren als auch die „Discounted-Cashflow-Verfahren“ (DCF-Verfahren) beruhen auf den gleichen konzeptionellen Grundlagen der Barwertbildung mithilfe eines, die Alternativanlage darstellenden Kalkulationszinsfußes. Die verschiedenen zugrunde liegenden Methoden lassen sich bei gleichen Annahmen ineinander überführen und errechnen somit stets den gleichen Unternehmenswert. Werden dennoch unterschiedliche Unternehmenswerte ermittelt, so liegt das an den unterschiedlichen zugrunde gelegten Annahmen. Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 284 Rn. 101

a) Ertragswertverfahren 1216 Im Ertragswertverfahren bestimmt sich der Wert eines Unternehmens, indem die künftigen den Eigentümern zufließenden finanziellen Überschüsse (Ausschüttungen oder Dividenden) in geeigneter Weise kapitalisiert werden. Die obigen Ausführungen zur Prognose künftiger Überschüsse und zum Kalkulationszinsfuß gelten entsprechend. Besonders sind Risiken, die aus der Kapitalstruktur und deren Fristigkeit und etwaiger Veränderung herrühren, gebührend im Kalkulationszinsfuß zu berücksichtigen. Bei der Ertragswertbestimmung im Rahmen des sog. objektivierten Unternehmenswerts ist von vielen, intersubjektiv nachvollziehbaren, Annahmen auszugehen. Vgl. weiterführend zu den anzuwendenden Prämissen IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 285 Rn. 114 ff.; IDW, WP Handbuch 2014, Band II, Kapitel A Rn. 171 ff.

284

I. Theoretische Grundlagen

Zur Ermittlung subjektiver Entscheidungswerte richtet sich die Bestimmung 1217 des Kapitalisierungszinssatzes nach den individuellen Verhältnissen des Investors.

Ertragswertverfahren I Bewertungsstichtag 1. Januar 03

Ertragsüberschuss

01 IST

02 IST

03 PLAN

04 PLAN

05 PLAN

06 ff. PLAN

100

120

80

120

130

150

Diskontierung

II. Phase „fernere“

I. Phase „nähere“

Vergangenheit Besonderheiten: – Reinvestitionsrate – Aufwendungen für Altersversorgung

ewige/endliche Rente nominale Werte

reale Werte

Ertragswertverfahren II Bewertungsstichtag 03 PLAN 1. Januar 03

04 PLAN

05 PLAN

06 ff. PLAN

120

130

150

80

( 1 )

72,7 ( ) 99,2 2

( 3 )

97,7 ( ) 1.252,2 1.521,8

(4)

1.666,7

5

( 1 )

Kapitalisierungszinsfuß

Barwert = 1.1.03

( 2 )

Barwert = 1.1.03

1. Phase 10 % 2. Phase 9 %

( 3 )

Barwert = 1.1.03

80 (1 + 10 %)1 120 (1 + 10 %)2 130 (1 + 10 %)3

= vorschüssige Rente

= 72,7 ( 4 )

= 99,2 = 97,7

Barwert = 1.1.06

( 5 )

Barwert = 1.1.03

150

= 1.666,7

9% 1.666,7 (1 + 10 %)3

= 1.252,2

285

E. Grundlagen der Unternehmensbewertung

Praxisbeispiel Muster GmbH Entwicklung des Kapitalisierungszinssatzes

Basiszinssatz vor Einkommensteuer typ. Einkommensteuer (Abgeltungssteuer)

Plan

Plan

Plan

ab

03

04

05

06

TEUR

TEUR

TEUR

TEUR

5,00 %

5,00 %

5,00 %

5,00 %

–1,32 %

–1,32 %

–1,32 %

–1,32 %

Basiszinssatz nach Einkommensteuer

3,68 %

3,68 %

3,68 %

3,68 %

Marktrisikoprämie nach Einkommensteuer

5,50%

5,50 %

5,50 %

5,50 %

Betafaktor unverschuldet Barwerte jeweils zum 01.01.

0,5548

0,5548

0,5548

0,5548

49.188,8

49.380,5

49.647,7

49.752,1 2.561

verzinsliches Fremdkapital jeweils zum 01.01.

1.212

577

2.420

Verschuldungsgrad

0,025

0,012

0,049

0,051

0,5685

0,5613

0,5818

0,5834

Betafaktor verschuldet Risikozuschlag

3,13 %

3,09 %

3,20 %

3,21 %

Wachstumsrate

0,00 %

0,00 %

0,00 %

–0,50 %

Kapitalisierungszinssatz

6,81 %

6,77 %

6,88 %

6,39 %

Ermittlung der Nettozuflüsse

Plan 03 TEUR

Plan 04 TEUR

Plan 05 TEUR

ab 06 TEUR

Ergebnis vor Ertragsteuern

6.148

5.990

6.460

6.199

• Gewerbeertragsteuer

–887

–865

–939

–900

• Körperschaftsteuer/Solidaritätszuschlag

–973

–948

–1.023

–981

Jahresüberschuss/-fehlbetrag

4.288

4.177

4.498

4.318

0

0

0

0

• Bilanzgewinn/-verlust (vor Ausschüttung)

4.288

4.177

4.498

4.318

davon Ausschüttung

4.288

4.177

4.498

4.318

• Bemessungsgrundlage Einkommensteuer

4.288

4.177

4.498

4.318

Einkommensteuer/Solidaritätszuschlag

1.131

1.102

1.186

1.139

• Ergebnis nach Est/SolZ

3.157

3.075

3.312

3.179

Kapitalisierungsgröße (Nettozuflüsse)

3.157

3.075

3.312

3.179

Praxisbeispiel Muster GmbH

• HB-Gewinn-/Verlustvortrag

286

I. Theoretische Grundlagen

Praxisbeispiel Muster GmbH Ermittlung des Unternehmenswerts

Nettozuflüsse

Plan 03 TEUR

Plan 04 TEUR

Plan 05 TEUR

ab 06 TEUR 3.179

3.157

3.075

3.312

Barwerte jeweils zum 31.12.

49.380

49.648

49.752

Zwischensumme Kapitalisierung

52.537

52.723

53.064

3.179

periodenspezifischer Kapitalisierungszinssatz

6,81 %

6,77 %

6,88 %

6,39 %

Barwertfaktor für das jeweilige Jahr

0,9363

0,9366

0,9356

15,6502

Barwerte jeweils zum 01.01.

49.189

49.380

49.648

49.752

Zukunftserfolgswert per 31.12.02

49.189

Aufzinsungsfaktor auf den 31.10.03

1,0564

Zukunftserfolgswert per 31.10.03

51.962

b) Die „Discounted-Cashflow-Verfahren“ Die DCF-Verfahren unterteilen sich in drei relevante Verfahren zur marktmä- 1218 ßigen Unternehmensbewertung. Zu trennen sind in diesem Zusammenhang die „Entity-„ und die „Equity-Verfahren“, wobei bei ersteren ein Unternehmensgesamtwert für alle Kapitalgeber und bei letzteren nur der Unternehmenswert der Eigenkapitalgeber bestimmt wird. Im Rahmen der „EntityVerfahren“ sind das Verfahren des „Weighted Average Cost of Capital“ (WACC) und der Ansatz des „Adjusted Present Value“ (APV) relevant. Beiden Verfahren ist immanent, dass sie einen Gesamtunternehmenswert ermitteln, wobei im WACC-Ansatz von einer relativen Verschuldung ausgegangen wird, die sich anhand eines Anteils am gerade zu ermittelnden marktmäßigen Gesamtunternehmenswert bestimmt. Das „Adjusted-Present-Value-Verfahren“ geht hingegen von einer fest vorgegebenen, d. h. in absoluten Werten bestehenden Verschuldung aus. Abgesehen von den Steuereinflüssen bestimmen beide Verfahren den Gesamtwert der Investition, also unabhängig von der Finanzierung den Wert eines unverschuldeten Unternehmens. Als finanzielle Überschüsse werden sowohl im WACC- als auch im APV- 1219 Verfahren die sog. „Free Cashflows“, also eine Größe verwendet, die allen Kapitalgebern zugutekommende Ansprüche enthält: Handelsrechtliches Jahresergebnis +

Fremdkapitalzinsen



Tax Shield (Steuerersparnis durch den Fremdkapitalzinsabzug auf Unternehmensebene)

+

Nicht zahlungswirksame Aufwendungen (vor allem Abschreibungen)

287

E. Grundlagen der Unternehmensbewertung



Zahlungsunwirksame Erträge



Investitionsauszahlungen

+/– Veränderungen der Höhe des Umlaufvermögens =

„Free Cashflows“

1220 Diskontiert wird, wie der Name es bereits sagt, im WACC-Verfahren mit dem gewogenen Kapitalkostensatz. Diese gewogenen Kapitalkosten hängen von der Höhe der Fremd- und der Eigenkapitalkosten und dem unterstellten Verhältnis zwischen den Marktwerten des Fremd- und des Eigenkapitals ab. Als dritte Einflussgröße verbleibt ein aus einer nicht finanzierungsneutral wirkenden Besteuerung gegebener Besteuerungseinfluss.

DCF-Verfahren WACC = Weighted Average Cost of Capital Ergebnisplanung

Gesamtkapitalwert

Bilanz Umsätze Vermögen Eigenkapital Fremdkapital

Aufwendung EBIT Finanzergebnis Ergebnis vor Steuern Ertragsteuern Ergebnis nach Steuern

Bruttokapitalisierung:

Kapitalisierungszinsfuß:

Marktwert des Eigenkapitals Marktwert des Fremdkapitals

⇒ Cashflow der sowohl den EK-Geber als auch den FK-Geber zusteht ⇒ Barwert dieses Cashflows = Gesamtkapitalwert ⇒ Abzug der Marktwerte des Fremdkapitals vom Gesamtkapitalwert = Wert des Eigenkapitals (Unternehmenswert)

WACC = rEK rEk = iFk = Ek = Fk = Gk =

Ek Fk + i Fk Gk Gk

Eigenkapitalkostensatz Fremdkapitalkostensatz Eigenkapital Fremdkapital Gesamtkapital

1221 Im Rahmen des APV-Verfahrens wird ebenfalls der „Free Cashflow“ ermittelt, also jener Wert, den ein unverschuldetes Unternehmen als finanzielle Überschüsse hätte. Die Diskontierung erfolgt jedoch mit dem Kapitalkostensatz eines unverschuldeten Unternehmens. Der aufgrund einer Fremdfinanzierung bestehende absolute Wertbeitrag durch die nichtfinanzierungsneutrale steuerliche Behandlung der Fremdkapitalzinsen wird extra und zwar regelmäßig mit dem Fremdkapitalzinssatz diskontiert. Die Summe beider Werte ergibt den Wert des Gesamtkapitals, also den Unternehmenswert für alle Kapitalgeber.

288

II. Multiplikatorverfahren

Der Wert des Eigenkapitals, also der Unternehmenswert der Eigentümer, be- 1222 stimmt sich bei diesen beiden Verfahren nur indirekt, indem vom ermittelten Unternehmensgesamtwert der Wert des jeweiligen Fremdkapitals abgezogen wird, der im WACC-Verfahren relativ am Gesamtunternehmenswert definiert und im APV-Verfahren direkt vorgegeben ist und damit ohne weitere Berechnungen abgezogen werden kann. Zu den „Entity-Verfahren“ vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 286 Rn. 125 ff.

Neben den beschriebenen „Entity-Verfahren“ existiert das „Equity-Verfahren“, 1223 das von seiner Methodik dem herkömmlichen Ertragswertverfahren entspricht. Mit anderen Worten: Unter den gleichen Annahmen hinsichtlich der Einflussfaktoren (gleiche finanzielle Überschüsse, gleiche Basiszins-, Risiko-, Fristigkeits- und Steuerannahmen) gelangen sowohl das „Equity-Verfahren“ als auch das „Entity-Verfahren“ stets zum gleichen Ergebnis. Zu den „Equity-Verfahren“ vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 288 Rn. 138.

II. Multiplikatorverfahren Im Rahmen der vereinfachten Preisfindung werden gerade bei der Bestimmung 1224 des Unternehmenswerts kleiner und mittlerer Unternehmen sowie in bestimmten Branchen sog. Multiplikatormethoden angewandt. Diese können auch bei Unternehmensverkäufen in der Krise Orientierung für die konkrete Bewertung bieten. Je nach unterstellter Einflussgröße sind dazu ergebnis-, umsatz- und produkt- 1225 mengenorientierte Multiplikatoren anzutreffen: Bei der Anwendung der Ergebnismultiplikatoren ergibt sich der Unterneh- 1226 menswert als Schätzung, indem ein Produkt aus dem Multiplikator und eines entsprechend definierten Ergebnisses, z. B. EBIT oder EBITDA, gebildet wird. Dieses Verfahren ist damit in letzter Konsequenz nichts anderes als die Anwendung der Ertragswertmethode für den Fall einer ewigen Rente. Deshalb lässt sich als Kritik hier anbringen, dass eine Planung in einem Zweistufenmodell nicht möglich ist. Der Faktor spiegelt die Barwertbildung mit einem Kalkulationszinsfuß wider. Er ist branchen- und unternehmensspezifisch, da sich in ihm die aktuellen Kapitalkosten der Branche, die Risikoneigung des Investors und das Risiko des Unternehmens sowie eventuelle Wachstumsfaktoren des Unternehmens wiederfinden. Ähnlich verhält es sich mit den umsatz- und produktmengenorientierten 1227 Multiplikatoren, da hier insoweit ein Zusammenhang zwischen dem Umsatz und den entziehbaren Zahlungsüberschüssen bzw. der Produktionsmenge und damit dem Umsatz und letztlich über eine zweite Annahme mit den entziehbaren Zahlungsüberschüssen hergestellt wird. Es ist offensichtlich, dass dieses Verfahren durch die Unterstellung vieler zugrunde liegender Zu-

289

E. Grundlagen der Unternehmensbewertung

sammenhänge äußerst anfällig gegen fehlerhafte Unternehmenswertschätzungen ist. Außerdem besteht keine unmittelbare Verbindung zwischen Zukunftserfolgswerten und den zugrunde liegenden Multiplikatoren. Dennoch wird dieses Verfahren in der Praxis insbesondere zur Ermittlung von Marktpreisen für Unternehmen herangezogen. Vgl. IDW, WP Handbuch 2014, Band II, Kapitel A Rn. 206 ff.; IDW S 1, FN-IDW 2008, 271, 290 Rn. 164 ff.

290

Stichwortverzeichnis

Abfindungstarifvertrag

713 ff. Abfindungsvereinbarung 654 Abschreibungsbeschleunigung 776 Absonderungsberechtigte 39, 135, 138, 143, 146, 149, 173, 206, 219, 252, 265, 286, 290, 329 ff., 346, 726, 728, 1075 Abtretung 334, 369, 935 ff. Abzugsverbot 961 Adjusted Present Value (APV) 1218 ff. Altersversorgung 82, 543, 717 ff. Altlasten 410 ff. Anteilseignerwechsel 537 ff., 783 ff., 800, 827, 831, 835, 854, 944 Anteilsübertragung 131, 136, 140, 155, 804 ff., 841, 853, 936, 943, 947, 1088 Anwachsung 479 ff., 1081 Arbeitnehmer 80, 291 ff., 365, 380 f., 560 f., 588 ff., 613 ff., 717 ff. Arbeitnehmer – Kündigung 380, 588, 592, 603, 625 ff., 639, 655 ff., 703 ff. Arbeitsverhältnis 80, 141, 381, 543 ff., 597, 602, 614 ff., 653 f., 657, 686 ff., 717 Asset Deal 4 f., 27 ff., 70, 130 ff., 192 f., 319 ff., 539, 719 f., 732 ff., 766 ff., 964 ff., 974, 980, 991 f., 1059 ff. Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarung 654 Auffanggesellschaft 94, 175, 244, 433, 614, 622, 629 ff., 772, 654, 1069 ff., 1079 Auflösungsverlust 756 Ausgliederung 469 ff., 671

BaFin

534 ff. Beihilfen 430 ff., 824 ff.

Berichtstermin 22, 99, 117 ff., 277 f., 282, 287, 1049 f. Beschwerde 162 ff. Besserungsabrede 853 ff., 901 ff., 910 f., 916 ff. Besteuerung von Sanierungsgewinnen 790 f., 821 f., 830, 862 ff., 942 ff. BetrAVG 546, 716 ff. Betriebliche Renten 546, 716 ff. Betriebsfortführung 341, 685 f., 1024 ff., 1030, 1033, 1040, 1046 ff. Betriebsübergang 80 ff., 539 ff. Beschäftigungsgesellschaft/BQG 613 ff., 711 Bieterverfahren 434 ff., 1035 f., 1038 Börsennotierte AG 532 ff., 1023

Capital Asset Pricing Model 1212 Checkliste 408 f. Contractual Trust Arrangement 726 Darlehenszinsen 930 ff. Debt-Equity-Swap 12 ff., 155, 168, 513 ff., 784, 942 ff., 1080 Debt-Mezzanine-Swap 527 ff., 945 f., 950 Differenzhaftung 520 ff., 526 Discounted-Cashflow-Verfahren 1215, 1218 ff. Dörries-Scharmann-Entscheidung 628 ff. Due Diligence 24, 38, 40, 111, 408 f., 436, 716, 991, 1039, 1061, 1066, 1071, 1153 EBIT 1140, 1226 EBITDA 1140, 1226 Eigensanierung 456, 460, 1084 ff. Eigenverwaltung 108 ff., 130, 227 ff., 313 ff., 393, 456, 460, 1015 ff., 1063, 1084 ff., 1092 ff. Einlagenrückgewähr 918, 921 ff. 291

Stichwortverzeichnis

Erfüllungsablehnung 32 f. Erstattungsanspruch 50 ff. Ertragswertverfahren 1198, 1215 f., 1223 Erwerberinteressen 765 ff. Erwerberkonzept 655 ff., 706, 711 Europarechtswidrigkeit der Sanierungsklausel 824 ff.

Haftung – § 75 AO 72 ff., 980 ff. Haftung – § 73 AO 994 ff. Haftung – § 25 HGB 76 ff. Haftung – § 613a BGB 80 ff. Haftung des Insolvenzverwalters 1030 f. Haftung für Altlasten 410 ff. Haftung für Beihilfen 430 ff.

Firma 9, 76 ff., 132, 347 ff. Firmenfortführung 9, 76 ff., 132, 347 ff. Finanzdienstleistungsaufsicht 534 ff. Forderungsmanagement 371 ff. Forderungsverzicht 493 f., 523, 853 ff., 886 f., 908 f., 910 ff. Freistellungsanspruch 74 Fusionskontrolle 442 ff.

IDW Standard S 1 1193 ff. IDW Standard S 6 1119 ff. Immaterialgüterrechte 221, 334, 356 ff. Insolvenzanfechtung 18, 34 ff., 62 ff., 100 ff., 262, 1041 f. Insolvenzgeld 21, 587, 650, 1057, 1095 ff. Insolvenzgericht 20, 164, 185 f., 226, 229, 268 f., 273 f., 289 f. Insolvenzplanverfahren 16, 112 f., 131, 134 ff., 202 f., 207 f., 526, 785, 957, 1073 ff. Insolvenzsicherung 721 ff. Insolvenzverwalter – Interessenlage 1043 ff. Integrierte Sanierungsplanung 1182 ff.

Garantie

388 ff., 403 ff., 1066 ff. Genussrechte 527, 530 f., 808, 856 ff., 946 f. Geschäftsveräußerung – Umsatzsteuer 964 ff. Gesellschafterdarlehen 439, 484 ff., 758, 853 f., 959 ff. Gesellschaftsvertragliche Veräußerungsbeschränkungen 369 f. Gewährleistungsausschluss 395 ff., 1066 Gewerbesteuer 736, 741 f., 763, 803, 852, 857, 906 f., 931 f. Gewinnabführungsvertrag 849 Gewinnausschüttung 809, 919, 927, 939 f., 1199 Gläubigerausschuss 109, 113 f., 118 ff., 209, 233, 235, 255, 266 ff., 332, 1019, 1022, 1052 Gläubigerbenachteiligung 34 f., 38 ff., 46 f. Gläubigerversammlung 14, 117 f., 124 ff., 140, 185, 226, 235, 252, 264 ff., 277, 284 ff., 332, 440, 1019, 1050 Grunderwerbsteuer 974 ff.

292

Kartellrecht 441 ff. Kaufpreisbemessung 375 ff., 967, 1102 ff., 1191 ff. Kalkulationszinsfuß 1209 ff., 1226 Kapitalherabsetzung 136, 499 ff., 791, 807, 1088 Kapitalisierung 1208 ff. Kapitalmaßnahmen 143, 482 ff., 754 Kapitalschnitt 515 Konzernklausel 796 f., 833 ff. Krisenstadium 1125 f., 1133, 1142 ff. Kunden 297 ff. Kündigung – Arbeitnehmer 380, 588, 592, 603, 625 ff., 639, 655 ff., 703 ff.

Stichwortverzeichnis

Leitbild des sanierten Unternehmens 1153 ff. Leitlinien für Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter 1092 ff. Lemgoer Modell 625, 630 Lieferanten 297 ff. Liquiditätsmaßnahmen 143, 482 ff., 754 Lizenzvertrag 311, 360

M&A-Berater

317, 436, 1034 ff. M&A-Verfahren 1034 ff. Masseunzulänglichkeit 397, 402, 650, 653 Mezzanine-Finanzierung 527 ff., 945 f., 950 Mindestbesteuerung 737 ff., 751 f., 789 f., 850 ff., 894, 945 Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer 84 Mitunternehmeranteile 742 ff. MoMiG 489 ff. Multiplikatorverfahren 1224 ff. Musteranschreiben 652 f.

Nachversteuerung

747 ff.

Obstruktionsverbot

138, 152 f., 525 Organgesellschaft 840, 849 f., 994 ff.

Pachtverhältnis

563 ff. Pension 716 ff. Pensions-Sicherungs-Verein 546, 721 ff. Personalstruktur 595, 693 ff. Prepacked-Deal 204, 281, 304 f. Progressionsmilderung 736

Rangrücktritt

486 ff., 949 ff., 1128 Rationalisierung 687 Remanenzkosten 619

Sacheinlage 13 f., 505, 517 f. Sachwalter 108 ff., 228 ff., 313 ff., 401, 1017 ff., 1030, 1032, 1037, 1039, 1043 ff., 1058 ff., 1092 ff. Sanierende Übertragung 138, 189 ff., 244, 278 ff., 309, 319 ff., 408 ff., 430, 539, 712, 883, 1059 ff., 1074 ff., 1113 Sanierungsbefreiung 534 ff. Sanierungsgewinn 790 f., 821 f., 830, 862 ff., 942 ff. Sanierungskonzept 535 ff., 661 ff., 1119 ff. Sanierungsplan 199, 420, 888, 1182 ff. Sanierungsprivileg 821 Sanierungsklausel 794 f., 821 ff., 875 Schädliche Anteilsübertragung 943 Schuldverschreibungen 14 f. Schutzschirmverfahren 112, 256, 459, 1163 Schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter 87 f., 102 ff., 236, 303, 1030, 1098 Share Deal 6 ff., 23, 25 f., 131, 134, 718, 753 ff., 780 ff., 973, 1084 Sicherungsanordnungen 86 ff. Sonderbetriebsvermögen 743 Sonderkündigungsschutz 688 Sozialplan 380, 616, 646, 714 Steuerausfallrisiko 999 Steuerliche Interessen des Erwerbers 765 ff. Steuerliche Interessen des Veräußerers 731 ff. Starker vorläufiger Insolvenzverwalter 20 f., 89 ff., 100, 103, 236, 1020, 1050, 1098 Stiller Gesellschafter 507 ff., 856 ff. Stille Reserven 733 f., 767 ff., 838 ff., 849 ff. Stufentheorie 767 ff. Summenmehrheit 150 ff.

293

Stichwortverzeichnis

Tax-CAPM 1212 Teilwertabschreibungen 763, 777, 957 ff. Thesaurierung 746 ff. Transfergesellschaft 613 ff., 646, 709 ff. Überschuldung

486, 489 ff., 515 f., 530, 949 f., 1128, 1142, 1151, 1166 Übertragende Sanierung 138, 189 ff., 244, 278 ff., 309, 319 ff., 408 ff., 430, 539, 712, 883, 1059 ff., 1074 ff., 1113 Umsatzsteuer 964 ff., 992 ff. Umsatzsteuerliche Organschaft 994 ff. Unbedenklichkeitsbescheinigung 73 Unternehmensbewertung 378, 839, 1119, 1191 ff., 1218 Unternehmensplanung 890, 1152, 1180, 1182 ff. Unternehmensteuerreformgesetz 746, 782, 793 Unterrichtungspflicht 125, 638 f. Urlaubsanspruch 548 f.

Veräußererkündigung

658 ff. Veräußerungsbeschränkungen 369 f. Veräußerungsgewinn 735 f., 742 ff., 751, 755, 763 f., 922 f. Veräußerungsverlust 731, 737, 755 ff., 763

294

Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters 20, 89 ff., 182, 209 ff., 403, 1020 Verlustnutzung 740, 780, 783 f., 845, 848 ff. Verlustvortrag 737, 741 f., 751, 780 ff., 843 ff., 849, 899, 944 Vermieterpfandrecht 564 Verschmelzung 463 ff., 843 ff. Verschonungsregelung 796, 838 ff. Versorgungsanwartschaften 546, 718, 730 Versorgungsfall 730 Versorgungsverpflichtungen 716 ff. Verwertungsrechte des Insolvenzverwalters 107, 209 ff., 329 ff. Vollzugsverbot 451 ff. Vorläufiger Insolvenzverwalter 20 f., 86 ff., 100, 102 ff., 236, 269 ff., 281, 303 ff., 313 ff., 1007, 1009 f., 1020, 1025 ff., 1050, 1098 Vorsatzanfechtung 18 f., 37 f., 67 Vorsteuerberichtigung 967 f., 998

Weighted Average Cost of Capital (WACC) 1218 ff. Wettbewerbsfähigkeit 1123, 1130, 1145, 1158 ff., 1177 f. Wiedereinstellungsanspruch 681 ff. WpÜG 532 ff.

Zurechnungskatalog 533 Zustimmungsvorbehalt 87 f., 108 Zwei-Phasen-Modell 1203 ff.