Umtauschverhältnis und Unternehmensbewertung bei der Verschmelzung: Eine Untersuchung zum deutschen und österreichischen Aktienrecht 9783504385385

Nirgends ist die Verzahnung betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden mit rechtlichen Vorgaben so intensiv und vielfäl

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Umtauschverhältnis und Unternehmensbewertung bei der Verschmelzung: Eine Untersuchung zum deutschen und österreichischen Aktienrecht
 9783504385385

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Grundlagen der Verschmelzung von Aktiengesellschaften
III. Das angemessene Umtauschverhältnis
IV. Parallelfragen
V. Gerichtliche Überprüfung des Umtauschverhältnisses
VI. Bewertungsverfahren: Zweckadäquanz und lex artis
VII. Bewertungsparameter im Ertragswert- und DCF- Verfahren
VIII. Zusammenfassung der Ergebnisse
IX. Verzeichnisse

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Mollnhuber Umtauschverhältnis und Unternehmensbewertung bei der Verschmelzung Eine Untersuchung zum deutschen und österreichischen Aktienrecht

Rechtsfragen der Handelsgesellschaften

Band 127

Umtauschverhältnis und Unternehmensbewertung bei der Verschmelzung Eine Untersuchung zum deutschen und österreichischen Aktienrecht

von

Dr. Thomas Mollnhuber MSc MIM LL.B.

2017

Zugleich Dissertation, Universität Wien, 2016 Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr; eine Haftung des Autors sowie des Verlages ist ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64681-3 (Otto Schmidt) ISBN 978-3-214-01270-0 (MANZ) ©2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany

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Vorwort Die vorliegende Arbeit beruht auf meiner im August 2015 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien eingereichten und im März 2016 approbierten Dissertation. Sie wurde mit dem Wolf Theiss Award und mit dem Forschungspreis Wirtschaftsprüfung des IWP ausgezeichnet. Für die Veröffentlichung konnten neue Rechtsprechung und Literatur aus Deutschland und Österreich bis Mitte August 2016 (Datum der Datenbankabfrage) berücksichtigt werden. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater RA Univ.-Prof. Dr. Hanns F. Hügel. Ihm habe ich nicht nur die Idee zum Thema der Arbeit zu verdanken, sondern auch fruchtbare fachliche Diskussionen, wertvolle Hinweise zum Manuskript, die Förderung der Publikation und nicht zuletzt die stetige Versorgung mit den neuesten Beiträgen aus Rechtsprechung und Schrifttum. Darüber hinaus danke ich meinem akademischen Lehrer und Gutachter, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Torggler LL.M. (Cornell). Er gab mir während ­meiner Zeit am Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht der Universität Wien das notwendige wissenschaftliche Rüstzeug mit und ermöglichte jenen zeitlichen Freiraum, den die Erstellung einer solchen Arbeit erfordert. Dank gebührt auch Univ.-Prof. Dr. Martin Winner für die zügige Erstellung seines Gutachtens und die darin enthaltenen, wertvollen fachlichen Anregungen. Für hilfreiche Hinweise zu den betriebswirtschaftlichen Fragestellungen danke ich Univ.-Prof. Dr. Ewald Aschauer. Mag. Jan Suesserott, Bakk. danke ich für die kritische Durchsicht des Manuskripts und seine stetige Diskussionsbereitschaft zu Fragen jeder Art. Dank gilt schließlich dem Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln und dem Manz Verlag, Wien für die Aufnahme in die Schriftenreihe sowie der Heinrich Graf Hardegg’schen Stiftung und dem Verein der Freunde der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien für die großzügige Förderung der Erstellung und der Publikation dieser Arbeit. Meiner Familie, insbesondere meinen Eltern, und meiner Partnerin danke ich für ihren steten Rückhalt und ihre bedingungslose Unterstützung in jeder Hinsicht, ohne die dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre. Wien, im Oktober 2016

Thomas Mollnhuber

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Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

I. Einleitung A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 C. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 D. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 E. Benutzungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften A. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 B. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 C. Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 D. Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Verschmelzungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Prüfungs- und Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Verschmelzungsbeschluss, Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . 25 4. Anmeldung, Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

III.  Das angemessene Umtauschverhältnis A. Definition und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Historie und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Einheitliches Angemessenheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Angemessenheitsgebot in der Verschmelzungsrichtlinie . . . . . 33 4. Angemessenheitsgebot bei der Überprüfung a posteriori . . . . . 38 C. Gebot der Wertäquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 VII

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Inhaltsübersicht 

2. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Zweckadäquanz der Bewertung und Typisierung des ­Bewertungssubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4. Bewertungsstichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5. Berücksichtigung und Aufteilung von positiven ­Synergieeffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 D. Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze? . . . . . . 86 1. Entwicklung und Meinungsstand bis 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. DAT/Altana: „Wahrer Wert“, Verkehrswert und Börsenkurs . 90 3. Übertragbarkeit auf die Verschmelzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 E. Berechnung des Umtauschverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Stückaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Nennbetragsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5. Unterschiedliche Aktiengattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6. Bare Zuzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

IV. Parallelfragen A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B. Das unangemessene Umtauschverhältnis als Mangel einzelner ­Komponenten der Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Kapitalerhöhungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Verschmelzungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Verschmelzungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 C. Sonstige Bewertungsanlässe im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . 193 1. Verschmelzungsähnliche Strukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . 193 2. Verschmelzung anderer Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Angemessene Barabfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

V.  Gerichtliche Überprüfung des Umtauschverhältnisses A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 B. Spruch- und Überprüfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 C. Materielle Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Prüfungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 VIII

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  Inhaltsübersicht

2. Prüfungsmaßstab: Abgestufte Ergebnisprüfung . . . . . . . . . . . . 246 3. Prüfung der Deinvestitionswertrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 4. Vorerwerbe, Paralleltransaktionen und selektive Zahlungen . 331 5. Erheblichkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 D. Verhandlungsmodell: Bloße Prozessprüfung? . . . . . . . . . . . . . . . . 344 1. Entwicklung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 E. Annex: Übertragbarkeit auf die Verschmelzungsprüfung . . . . . . 374 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376

VI. Bewertungsverfahren: Zweckadäquanz und lex artis A. Überblick und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 B. Einzelbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 2. Liquidationswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 3. Reproduktionswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 4. Buchwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 C. Gesamtbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 2. Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 3. Discounted-Cashflow-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 D. Mischverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 2. Mittelwertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 3. Übergewinnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 E. Marktorientierte Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 1. Börsenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 2. Multiplikatorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

VII.  Bewertungsparameter im Ertragswert- und DCF- ­Verfahren A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 B. Erwartete Überschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 1. Vergangenheits- und Gegenwartsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 IX

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Inhaltsübersicht 

2. Zukunftsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 3. Nominal- oder Realplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 4. Phasenmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 5. Wachstumsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 C. Berücksichtigung von Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 1. Ertragsteuern des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 2. Ertragsteuern der Unternehmenseigner (persönliche Steuern) 454 3. Integration persönlicher Ertragsteuern ins Bewertungskalkül . 460 D. Diskontierungszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 2. Eigenkapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 3. Zu- und Abschläge zum/vom Zinssatz oder Wert . . . . . . . . . . 541 4. Fremdkapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 E. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 1. Definition, Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 3. Überprüfung der Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565

VIII.  Zusammenfassung der Ergebnisse IX. Verzeichnisse A. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 B. Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 C. Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 D. Abgekürzt zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 E. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 1. Zeitschriftenartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 2. Entscheidungsanmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 3. Beiträge in Sammelwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 4. Monographien und Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 5. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 F. Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 3. Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691 G. Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692

X

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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

I. Einleitung A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 C. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 D. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 E. Benutzungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften A. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 B. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 a) ADHGB, Novelle 1884 und HGB 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Aktiengesetz 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 c) Aktiengesetz 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 d) Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 e) Umwandlungsgesetz 1995 und nachfolgende Entwicklungen 14 2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 a) AHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 b) Aktiengesetz 1937/38 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 c) Aktiengesetz 1965 und GesRÄG 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 d) EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 17 e) Entwicklungen nach dem EU-GesRÄG . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 C. Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 D. Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Verschmelzungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Prüfungs- und Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 a) Bericht des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 XI

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Inhaltsverzeichnis 

b) Verschmelzungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 c) Bericht des Aufsichtsrats (Österreich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 d) Offenlegung der Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 e) Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Verschmelzungsbeschluss, Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . 25 4. Anmeldung, Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

III.  Das angemessene Umtauschverhältnis A. Definition und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Historie und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Einheitliches Angemessenheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Angemessenheitsgebot in der Verschmelzungsrichtlinie . . . . . 33 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Entwurfsfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Endgültige Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 d) Normzweck und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4. Angemessenheitsgebot bei der Überprüfung a posteriori . . . . . 38 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Genesis der Überprüfung a posteriori . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 c) Normzweck und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 C. Gebot der Wertäquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Entwicklung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (1) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (2) Fachgerichtliche Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (3) Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (1) Geschütztes Aktionärsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (2) Gefährdung des Aktionärsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (3) Indifferenzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (4) Zweiseitiges Angemessenheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (5) Operationalisierung des Aktionärsschutzes . . . . . . . . . . . 52 (6) Abweichende Beurteilung bei der Konzentrations­ verschmelzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Zweckadäquanz der Bewertung und Typisierung des ­Bewertungssubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 XII

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  Inhaltsverzeichnis

b) Zweckadäquanz der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 c) Typisiertes Bewertungssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4. Bewertungsstichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Definition und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5. Berücksichtigung und Aufteilung von positiven ­Synergieeffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Definition und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (1) Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (2) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (1) Zwingende Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (a) Synergieeffekte als Wertkomponenten . . . . . . . . . . . . 79 (b) Unechte Synergieeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (c) Echte Synergieeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (i) Echte Synergieeffekte als zentrale Treiber der ­Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (ii) Gesonderter Ansatz unnötig? . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (iii) Vergleich mit sonstigen Bewertungsanlässen . . . . 81 (2) Zuordnung echter (nicht realisierter) Synergieeffekte . . . 82 (a) Zurechnungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (b) Konzentrationsverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (c) Konzernverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 D. Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze? . . . . . . 86 1. Entwicklung und Meinungsstand bis 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Ablehnung des Börsenkurses als Maßstab des Anteilswerts 86 b) Kritik an der älteren Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) BayObLG März/EKU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. DAT/Altana: „Wahrer Wert“, Verkehrswert und Börsenkurs . 90 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Vorentscheidungen LG Köln und OLG Düsseldorf . . . . . . . . 91 d) Kernaussagen des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (1) Deinvestitionswertschutz zusätzlich zum Unter­ nehmenswertschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (2) Ermittlung des relevanten Börsenkurses . . . . . . . . . . . . . 95 e) Konkretisierung durch die Zivilgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (1) OLG Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (2) BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 XIII

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Inhaltsverzeichnis 

(3) LG Köln/OLG Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 f) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (1) Deinvestitionswertschutz zusätzlich zum Wert­ äquivalenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (2) Unmittelbare Rezeption in der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Auswirkungen auf die Judikatur des VfGH . . . . . . . . . . . 103 3. Übertragbarkeit auf die Verschmelzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Stand der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (a) DAB/Hansa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (b) Wüstenrot und Württembergische AG . . . . . . . . . . . . 106 (c) Kuka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (d) Deutsche Telekom AG/T-Online International AG . . 108 (e) DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG . . . . . . . . . . . 109 (f) Roma locuta, causa finita? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (2) Fachgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (1) Deinvestitionswertschutz und Umtauschverhältnis . . . . 115 (a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (b) Wertkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (c) Deinvestitionswertschutz beim Anteilstausch . . . . . . 119 (d) Zielgröße: wirtschaftlich volle Entschädigung . . . . . . 121 (e) Unmöglichkeit symmetrischer Meistbegünstigung . . 122 (f) Kein Deinvestitionswertschutz bei der Verschmelzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Erfordernis des Deinvestitionswertschutzes bei der ­Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (a) Rechtfertigung nach DAT/Altana . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (b) Konzernverschmelzung erfüllt Voraussetzungen des ­Deinvestitionswertschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (c) Grundrechtskollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (d) Abhängige Gesellschaft ≠ übertragende Gesellschaft . 131 (e) Deinvestitionswertschutz bei der abhängigen ­übernehmenden Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (3) Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (a) Vergleichbarkeit des Eigentumseingriffs? . . . . . . . . . . 133 (b) Deinvestitionswertschutz ohne Deinvestition? . . . . . 135 (c) Frage des Schutzgegenstands? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (d) Börsenkurs und Wert des eingebrachten Vermögens? 137 (e) Verstoß gegen den Grundsatz der Methodengleichheit? 138 XIV

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(4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (5) Deinvestitionswertschutz bei Verschmelzungen nach dem öAktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Umsetzung des Deinvestitionswertschutzes . . . . . . . . . . . . 140 (1) Anteilsverwässerung bei abhängiger Gesellschaft auch auf Unternehmenswertbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (b) Einseitig fehlender Deinvestitionswert . . . . . . . . . . . . 144 (c) Teleologische Reduktion des Deinvestitionswertschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 E. Berechnung des Umtauschverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Stückaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Nennbetragsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5. Unterschiedliche Aktiengattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Kontinuität der Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (1) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (2) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (b) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (c) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 d) Exkurs: Ausgleich einer Fehlbewertung von Vorzugsaktien 162 6. Bare Zuzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Zweck, Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Selbstfinanzierungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (1) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Vermögenseffekt bei Verwendung zweier Wertmaßstäbe . . . 171

XV

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IV. Parallelfragen A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B. Das unangemessene Umtauschverhältnis als Mangel einzelner ­Komponenten der Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Kapitalerhöhungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Anfechtbarkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses . . . . . . . . 175 (1) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (1) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (2) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (a) Irrelevanz des Ausgabebetrags für die Anteils­ verwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Verschmelzungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Verschmelzungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (1) Laesio enormis (Österreich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (2) Sittenwidrigkeit, Wucher und wucherähnliches Geschäft 188 (3) Irrtum und (Arg-)List . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (4) Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 C. Sonstige Bewertungsanlässe im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . 193 1. Verschmelzungsähnliche Strukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . 193 a) Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Fusionsähnliche Einbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Ausgliederung zur Aufnahme (§ 123 Abs 3 Z 1 dUmwG) . . 196 2. Verschmelzung anderer Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (1) Rechtsformspezifische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (2) Grenzüberschreitende Verschmelzungen . . . . . . . . . . . . . 198 (3) GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (4) SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (5) Sonstige Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 XVI

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  Inhaltsverzeichnis

b) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (1) Rechtsformübergreifende Regelung im dUmwG . . . . . . . 201 (2) SE, SCE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Angemessene Barabfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Bewertungsanlässe und Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . 203 (1) Parallelregelungen im deutschen und österreichischen ­Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (2) Spezifische Regelungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 206 (a) Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge . . . . 206 (b) Sonstige Strukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (3) Spezifische Regelungen in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . 210 (4) Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (a) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (b) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Vergleichbarkeit von Barabfindung und Umtauschverhältnis 214 (1) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (2) Art der Gegenleistung und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . 215 (3) Gleichlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (4) Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Exkurs: Übertragbarkeit des Maßstabs für die Abfindung des ausscheidenden Personengesellschafters . . . . . . . . . . . . . 219 (1) Problemstellung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

V.  Gerichtliche Überprüfung des Umtauschverhältnisses A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 B. Spruch- und Überprüfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Anfechtungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Überprüfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (2) Gremialverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (3) Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 c) Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 d) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Anfechtungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 XVII

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Inhaltsverzeichnis 

c) Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 d) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 e) Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 C. Materielle Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Prüfungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Prüfungsmaßstab: Abgestufte Ergebnisprüfung . . . . . . . . . . . . 246 a) Problemstellung: Bewertungsimmanente Unschärfen . . . . . 246 b) Grundsatz: Keine absolute Richtigkeitsprüfung . . . . . . . . . . 249 c) Rechtliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (1) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 d) Abgrenzung von Rechts- und Tatfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (1) Zum Charakter von Rechts- und Tatfragen . . . . . . . . . . . 252 (2) Abgrenzung bei der rechtsgeprägten Unternehmens­ bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 e) Daten der Vergangenheit und Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . 261 (1) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 f) Planungen und Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (1) Vertretbarkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (b) Zulässigkeit der richterlichen Vertretbarkeitsprüfung 267 (i) Spruchverfahren (Deutschland) . . . . . . . . . . . . . . . 267 (α) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (β) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (ii) Überprüfungs- und Gremialverfahren (Österreich) 273 (iii) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (2) Stichtagsprinzip, Wurzeltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 g) Betriebswirtschaftliche Erfahrungssätze (Verfahren) . . . . . . 281 (1) Prüfungstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (2) Methodengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (a) Problemstellung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . 289 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (3) Nachträgliche Änderung der Expertenauffassung . . . . . . 292 (a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (b) Bisheriger Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (i) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (ii) Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 XVIII

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  Inhaltsverzeichnis

(c) Beschluss des BGH zu II ZB 23/14 . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 h) Abgestufte Ergebnisprüfung bei Konzernverschmelzungen . 309 (1) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (2) Planungen und Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (3) Betriebswirtschaftliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (4) Zur Gesamtschau des Wertermittlungsprozesses . . . . . . 311 3. Prüfung der Deinvestitionswertrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 a) Tauglichkeit des Börsenkurses als Deinvestitionswert . . . . 312 (1) Veräußerungschance des durchschnittlichen Aktienpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (2) Marktliquidität, Marktenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 b) Maßgeblicher Kurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (1) DAT/Altana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (a) Vorgaben des BVerfG und des BGH . . . . . . . . . . . . . . . 316 (b) Rezeption und Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (2) Judikaturwende durch den Stollwerck-Beschluss . . . . . . 319 (a) Erste Divergenzvorlage durch das OLG Stuttgart . . . . 319 (b) Erneute Divergenzvorlagen und Stollwerck-Beschluss des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (c) Rezeption und offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (i) Umsetzung durch die Fachgerichte . . . . . . . . . . . . 321 (ii) „Bekanntgabe“ oder „Bekanntwerden“? . . . . . . . . 322 (iii) Hochrechnung bei einem längeren Zeitraum ­zwischen Bekanntgabe und Beschlussfassung . . . 325 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (a) Stichtag, Hochrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (b) Referenzzeitraum oder Stichtagskurs? . . . . . . . . . . . . 329 4. Vorerwerbe, Paralleltransaktionen und selektive Zahlungen . 331 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (1) Vorerwerbe und Paralleltransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 336 (2) Selektive Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 5. Erheblichkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 D. Verhandlungsmodell: Bloße Prozessprüfung? . . . . . . . . . . . . . . . . 344 1. Entwicklung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (1) Konzeption nach Hügel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 XIX

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Inhaltsverzeichnis 

(2) Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 (3) Rezeption bis 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 b) Praktische Verankerung durch Stilz und das OLG Stuttgart 348 (1) Eberhard Stilz: Prozess- statt Ergebnisprüfung . . . . . . . . 348 (2) OLG Stuttgart (Wüstenrot und Württembergische AG): ­Abgestufte  Ergebnisprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 (3) Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 c) Daimler Benz AG/Daimler Chrysler AG: Verfassungs­ rechtliche Unzulässigkeit der bloßen Prozessprüfung? . . . . 354 (1) Verfahren und Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (2) Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 (1) Wertäquivalenz der Anteile ohne materielle Ergebnis­ prüfung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 (2) Modellansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 b) Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . 360 (1) Konzentrationsverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (b) Konzernverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (c) Gesellschaftsexterner Interessenausgleich bei der ­Konzentrationsverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 (2) Sorgfältiges Handeln der Vorstände . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 (a) Principal-Agent-Problem bei der Verschmelzung . . . . 365 (b) Indizwirkung sorgfältiger Verhandlungen . . . . . . . . . . 366 (3) Qualifiziertes Konsensquorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 (a) Erfordernis einer zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 (b) Aussagekraft der Zustimmung zum Verschmelzungs­ beschluss für die Angemessenheit des Umtausch­ verhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 (i) Parallele zu § 7 Abs 3 GesAusG, § 39a Abs 3 WpÜG – Anwesendes oder ausgegebenes Grund­ kapital? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 (ii) Streubesitzgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 (iii) Gesellschaften mit Kernaktionär . . . . . . . . . . . . . 370 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 E. Annex: Übertragbarkeit auf die Verschmelzungsprüfung . . . . . . 374 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 XX

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VI. Bewertungsverfahren: Zweckadäquanz und lex artis A. Überblick und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 B. Einzelbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 2. Liquidationswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 a) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 3. Reproduktionswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 4. Buchwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 C. Gesamtbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 2. Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 a) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 b) Vergleichbarkeit mit den DCF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 393 c) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 (1) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 395 (2) Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 (3) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 3. Discounted-Cashflow-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 a) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 (1) Grundlagen, Einteilung der Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 402 (2) WACC-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 (3) APV-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 (4) Equity-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 D. Mischverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 2. Mittelwertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 a) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 3. Übergewinnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 a) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 E. Marktorientierte Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 1. Börsenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 XXI

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Inhaltsverzeichnis 

a) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 (1) Börsenwert als Unternehmenswert . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 (2) Effizienter Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 (3) Reale Marktverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 (1) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 419 (2) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 (1) Tauglichkeit als Bewertungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . 421 (2) Relevanter Börsenkurs – Durchschnittsbildung . . . . . . . 424 2. Multiplikatorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 a) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 (1) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 429 (2) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430

VII.  Bewertungsparameter im Ertragswert- und DCF- ­Verfahren A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 B. Erwartete Überschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 1. Vergangenheits- und Gegenwartsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 2. Zukunftsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 3. Nominal- oder Realplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 4. Phasenmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 5. Wachstumsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 C. Berücksichtigung von Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 1. Ertragsteuern des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 2. Ertragsteuern der Unternehmenseigner (persönliche Steuern) 454 a) Steuersätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 b) Meinungstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 (1) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 455 (2) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 3. Integration persönlicher Ertragsteuern ins Bewertungskalkül . 460 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 b) Einperiodenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 c) Mehrperiodenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 XXII

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  Inhaltsverzeichnis

(1) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 (a) Verminderter Effektivsteuersatz auf thesaurierte Gewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 (b) Ausschüttungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 (i) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 (ii) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 (iii) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 (c) Veranlagung thesaurierter Beträge . . . . . . . . . . . . . . . . 467 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 D. Diskontierungszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 a) Zweck und Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 b) Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 c) Maßgeblichkeit in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 2. Eigenkapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 b) Risikoloser Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 (1) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 (2) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 475 (3) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 c) Risikozuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (1) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (a) Pauschaler Risikozuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (b) Das CAPM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 (i) Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 (ii) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 (iii) Empirische Überprüfung und Alternativmodelle 491 (c) Das Tax-CAPM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 (i) Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 (ii) Einperiodenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 (iii) Mehrperiodenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 (iv) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 (2) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 495 (3) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 d) Marktrisikoprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 (1) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 (a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 (b) Implizite Schätzung und Expertenschätzung . . . . . . . 506 XXIII

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Inhaltsverzeichnis 

(c) Historische Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 (i) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 (ii) Beobachtungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 (iii) Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 (iv) Durchschnittsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 (2) Ausgewählte empirische Untersuchungen zur Höhe der ­Marktrisikoprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 (b) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 (c) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 (3) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 516 (4) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 (5) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 e) Betafaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 (1) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 (a) Inhalt und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 (b) Historische Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 (i) Datenauswahl und -verarbeitung . . . . . . . . . . . . . 523 (ii) Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 (iii) Peer group Betas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 (c) Zukunftsgerichtete Ansätze und Korrekturfaktoren . 527 (d) Anpassung an die Finanzierungsstruktur . . . . . . . . . . 528 (2) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 531 (3) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 (a) Leitsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 (b) Rechtliche Qualität des Betafaktors . . . . . . . . . . . . . . 534 (c) Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 (d) Peer groups . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 (e) Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 3. Zu- und Abschläge zum/vom Zinssatz oder Wert . . . . . . . . . . 541 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 b) Fungibilitätszuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 (1) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 (2) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 542 (3) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 c) Kontrollprämie/Minderheitsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 (1) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 (2) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 548 (3) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 XXIV

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  Inhaltsverzeichnis

d) Größenabhängige Zu- oder Abschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 (1) Methodik und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 (a) Size premium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 (b) Zuschlag wegen fehlender Diversifikation, total beta 551 (c) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 (a) Size premium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 (b) Zuschlag wegen fehlender Diversifikation, total beta 554 e) Insolvenzrisikozuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 (1) Methodik und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 f) Länderrisikozuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 (1) Methodik und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 4. Fremdkapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 b) Bemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 c) Debt Beta Adjustment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 (1) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 (2) Fachgutachten der Organisationen der Wirtschaftsprüfer 560 E. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 1. Definition, Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 3. Überprüfung der Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566

VIII.  Zusammenfassung der Ergebnisse

IX. Verzeichnisse A. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 B. Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 C. Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 D. Abgekürzt zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603

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Inhaltsverzeichnis 

E. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 1. Zeitschriftenartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 2. Entscheidungsanmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 3. Beiträge in Sammelwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 4. Monographien und Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 5. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 F. Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 a) BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 b) BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 c) Land- und Oberlandesgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678 (1) Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678 (2) Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678 (3) Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 (4) Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 (5) Karlsruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684 (6) Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684 (7) München (mit BayObLG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684 (8) Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686 (9) Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688 2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 a) VfGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 b) VwGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 c) OGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 d) OLG Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 e) Übernahmekommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 3. Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691 G. Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692

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I. Einleitung A. Problemstellung Bei der Verschmelzung wird das Vermögen einer oder mehrerer Ge­ sellschaften im Wege der Gesamtrechtsnachfolge1 auf eine andere ­Gesellschaft übertragen.2 Die übertragende(n) Gesellschaft(en) erlischt (erlöschen) ohne Liquidation.3 Die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft(en) erhalten im Gegenzug Aktien der übernehmenden Gesellschaft.4 Das Umtauschverhältnis drückt aus, wie viele Aktien an der übernehmenden Gesellschaft (gegebenenfalls plus bare Zuzahlungen) pro Aktie der übertragenden Gesellschaft gewährt werden.5 Es definiert die Höhe der Gegenleistung für die Übertragung des Gesellschaftsvermögens.6 Das Gesetz enthält eine – negativ formulierte – Zielbestimmung: Ist das Umtauschverhältnis nicht angemessen (§ 225c Abs 1 öAktG) bzw zu niedrig (§ 15 Abs 1 dUmwG), besteht ein Anspruch auf bare Zuzahlungen (im Folgenden: „Ausgleichszuzahlungen“7).8 Das Umtauschverhältnis hat also „angemessen“ zu sein. Zum Inhalt des Angemessenheitsgebots schweigen sich sowohl das öAktG als auch das dUmwG weitgehend aus. Nach gesicherter Auffassung kommt es hierfür im Kern auf das Wertverhältnis der Unternehmen der verschmolzenen Gesellschaften an.9 In aller Regel ist also eine Unter1 Dazu Hügel in FS Koppensteiner (2001) 91 (insb 99 ff); Hügel, Gesamtrechtsnachfolge und Strukturverbesserungsgesetz (1982) 22 f. 2 S die Nachweise gleich in FN 4. 3 S die Nachweise gleich in FN 4. 4 § 219 öAktG; § 2 dUmwG; Art 3 Abs 1 VerschmelzungsRL; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 28 f; U. Torggler, GesR I Rz 463; Kalss in Kalss, VSU2 § 219 AktG, Rz 4 ff; Simon in Kölner Komm UmwG § 2 Rz 31 ff; Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 § 2 Rz 34; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 2 Rz 3; Drygala in Lutter, UmwG5 § 2 Rz 28 ff; vgl Grünwald in Helbich/Wiesner/Bruckner, Umgründungen, Art I Verschmelzung Rz 3; zu den abweichenden, historisch zwingenden Definitionsmerkmalen der sogenannten „Fusion“ s bei FN 59. 5 Kalss in Kalss, VSU2 § 220 AktG Rz 19; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220 Rz 8; Schröer in Semler/Stengel, UmwG3 § 5 Rz 25 f. 6 Schröer in Semler/Stengel, UmwG3 § 5 Rz 25; Kalss in Kalss, VSU2 § 220 AktG Rz 19 mwN. 7 Hügel, Verschmelzung und Einbringung 189. 8 § 225c Abs 1 öAktG; § 15 Abs 1 dUmwG. 9 Ausführlich unten Kapitel III.C [40].

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I. Einleitung

nehmensbewertung erforderlich. Der Grundsatz mag einfach erscheinen; im Detail ist jedoch vieles unklar. Die Konkretisierung der rechtlichen Maßgaben impliziert eine Vielzahl heikler Probleme. Dazu gehören zB die Typisierung des Bewertungssubjekts, die Festlegung des Bewertungsstichtags, die Aufteilung von Synergieeffekten oder die Relevanz des Börsenkurses. Fraglich ist auch, inwieweit die Grundsätze auf die Bewertungsprüfung bei sonstigen gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen übertragbar sind, und vice versa. Von herausragender praktischer Bedeutung ist die Frage des Prüfungsmaßstabs bei der gerichtlichen Überprüfung des Umtauschverhältnisses. Komplexe Fragen stellen sich auch auf Tatsachenebene. Der Unternehmensbewertung sind Unschärfen systemimmanent, weil der Wert eines Unternehmens zentral von den zukünftigen Zahlungsüberschüssen abhängt. Sie lassen sich nicht exakt vorhersehen, sondern nur schätzen. Fraglich ist, welche Anforderungen an diese Schätzung zu stellen sind. Bislang nicht abschließend geklärt ist zudem, welche betriebswirtschaftlichen Methoden zur Bewertung bei der Verschmelzung geeignet sind. Darüber hinaus stellen sich bei der Anwendung der gebräuchlichen Ertragswert- und DCF-Verfahren eine Reihe methodischer Einzelfragen (insbesondere bei der Bestimmung des Diskontierungszinssatzes10), die in Spruch- und Überprüfungsverfahren oftmals heftig umstritten sind. Angesichts der Vielzahl offener Fragestellungen verwundert Martens’ Vergleich der Unternehmensbewertung mit dem Hexen-Einmaleins aus Goethes Faust oder mit einem „Buch mit sieben Siegeln“ nicht.11 Ebenso wenig überrascht es, wenn zB der Delaware Supreme Court den Ausspruch „Valuation is an art rather than a science“ des primary expert der Shell Oil Company übernimmt.12 Selbst der regelmäßig zu Bewertungsfragen publizierende Betriebswirt Löffler vermutet, dass die „Frage, welcher ökonomischen Theorie man sich bei der Suche […] nach einem ‚fairen‘ Unternehmenswert anschließen sollte, […] der Albtraum eines jeden sein dürfte, der […] gezwungen ist, Aussagen zu ‚dem‘ Unternehmenswert zu treffen.“13

10 Winner in Kalss/Fleischer/Vogt, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2013, 109 (119). 11 So Martens in FS Röhricht (2005) 987 (987); darauf Bezug nehmend Stilz in FS Mailänder (2006) 423 (423); ähnlich Emmerich in FS Stilz (2014) 135 (136): Unternehmensbewertung als „Geheimwissenschaft“. 12 Delaware Supreme Court 26.05.1992, 607 A.2d 1213 (1992), Shell Oil Company, Pkt IV. 13 Löffler, WPg 2007, 808 (810).

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B. Untersuchungsgegenstand

Dass die Bewertung „eine rein wirtschaftliche Frage“ sei, bei der der „­Jurist wenig mitzusprechen“ habe,14 trifft dennoch nicht zu. Die Rechtswissenschaft kann sich nicht darauf zurückziehen, dass sie die Be­wertung nichts angehe.15 „Bewertungsprobleme sind, wo immer sie Rechtsfolgen auslösen, auch Rechtsprobleme“.16 Durch die Konkretisierung rechtlicher Wertungen lassen sich Vorgaben ableiten, innerhalb derer sich die Bewertung für den konkreten Anlass zu bewegen hat.17 Zur Aufklärung dieser Fragen sowie zum Dialog von Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre soll diese Arbeit einen Beitrag leisten.

B. Untersuchungsgegenstand In der vorliegenden Arbeit ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen das Umtauschverhältnis „angemessen“ ist und welche Anforderungen an die erforderlichen Unternehmensbewertungen zu stellen sind. Die Untersuchung bezieht sich primär auf die Verschmelzung von Aktiengesellschaften nach deutschem und österreichischem Recht. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Verschmelzungen sonstiger Rechtsträger und ähnliche Bewertungsanlässe wird gesondert behandelt.18 Der Untersuchungsgegenstand betrifft sowohl Fragen der Rechtswissenschaft als auch der Betriebswirtschaftslehre. Die vorliegende Arbeit soll eine interdisziplinäre Brücke schlagen und das gegenseitige Verständnis von Juristen und Bewertern fördern. Betriebswirtschaftliche Probleme der Unternehmensbewertung kann und soll diese – primär juristische – Arbeit nicht lösen. Sie bilden nur insoweit einen Gegenstand der Untersuchung, als sie zum Verständnis der lex artis der Bewertungslehre und der verbundenen juristischen Herausforderungen erforderlich sind. Ebenso wenig behandelt werden Probleme der Bewertung bei grenzüberschreiten-

14 So zur bilanziellen Bewertung Pinner, Vortrag des Berichterstatters. Erste Sitzung der vierten Abteilung (für Wirtschafts- und Steuerrecht) vom 13.09.1926, in Schriftführer-Amt der ständigen Deputation des Deutschen Juristentags (Hrsg), Verhandlungen des Vierunddreißigsten Deutschen Juristentags zu Köln vom 12. bis 15. September 1926, Band II – Stenographischer Bericht (1927) 615 (674); kritisch dazu Luttermann, ZIP 1999, 45 (46). 15 Zutreffend Heintzen in FS Kruschwitz (2008) 21 (25): „Ein Grundsatz ‚Judex non calculat‘, der etwa verhindert, in Bewertungsfragen finanzmathematische Überlegungen einfließen zu lassen, existiert schlicht nicht.“ 16 Fleischer, GmbHR 1999, 752 (758); ders, ZGR 1997, 368 (375); vgl Welf Müller in FS G. Bezzenberger (2000) 705 (706). 17 Vgl Mertens, AG 1992, 321 (327). 18 Kapitel IV.C.1 [193] und Kapitel IV.C.2 [197].

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I. Einleitung

den Verschmelzungen, bei denen auch kollisionsrechtliche Fragen zu lösen sind.19

C. Methodik Die Arbeit verfolgt einen interdisziplinären Ansatz.20 Denn „[w]ider alle ökonomische Vernunft kann auf Dauer kein Gesetzgeber dekretieren und kein Gericht judizieren“.21 Die Erkenntnisse aus der juristischen Analyse sollen mit dem state of the art der Betriebswirtschaftslehre zur Unternehmensbewertung verbunden werden. Wie kaum eine andere Rechtsmaterie zeichnet sich die Unternehmensbewertung (immerhin in Deutschland) durch eine reichhaltige und detaillierte Rechtsprechung aus. Integraler Bestandteil der Arbeit ist daher eine empirische Untersuchung der deutschen und österreichischen Judikatur zur Unternehmensbewertung im gesellschaftsrechtlichen Kontext. Relevante Gerichtsentscheidungen wurden entsprechend ihres Bewertungsanlasses klassifiziert und einer standardisierten Analyse im Hinblick auf die Lösung einer Anzahl von Bewertungsfragen unterzogen. Abgedeckt sind – soweit ersichtlich – ab 1999 alle veröffentlichten, einschlägigen Judikate, für die Jahre davor die wesentliche Leitjudikatur.22 Stand der Daten ist der 15.08.2016.23 Analysiert wurden mehr als 320 Beschlüsse und Urteile, von denen etwa 80 % aus 1999 oder später datieren. Beinahe 90 % der Rechtsprechung stammt aus Deutschland, der Rest aus Österreich. Die im Vergleich geringe Anzahl an Judikaten aus Österreich ist einerseits mit der geringeren Anzahl der Fälle zu erklären,24 andererseits mit der fehlenden Veröffentlichung der Bewertungsur19 S hierzu zB Adolff, ZHR 173 (2009) 67 (67 ff); Kiem, ZGR 2007, 542 (542 ff). 20 Zu Recht spricht Großfeld von der Unternehmensbewertung als „Begegnungsfach“: Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 3; vgl Piltz, Unternehmensbewertung3 2 ff. 21 Fleischer, ZGR 2001, 1 (32). 22 Für eine umfassende Aufarbeitung der älteren Rechtsprechung bis Mitte 1997 s Lausterer, Unternehmensbewertung 75 ff; bis Mitte 1993: Piltz, Unternehmensbewertung3 65 ff. 23 Datum der Abfrage in den einschlägigen Datenbanken (nicht: Datum der Entscheidungen). 24 So verzeichnet Moschner (ÖBA 2014, 320 [322]) in Österreich im Jahr 2013 nur 18 „echte Fusionen“ im Sinne „neubildender Verschmelzungen“; demgegenüber erfassten zB Bayer/Schmidt/Hoffmann (Der Konzern 2012, 225 [227]) alleine im Zeitraum 25.04.2007 bis 31.12.2009 (dh ca 2,66 Jahre) deutschlandweit 568 Verschmelzungen unter Beteiligung deutscher AG, KGaA und SE (dh ca 214 Verschmelzungen pro Jahr); reine GmbH-Verschmelzungen sind in dieser Zahl gar nicht enthalten (Bayer/Schmidt/Hoffmann, Der Konzern 2012, 225 [227]).

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D.  Aufbau der Arbeit

teile in Österreich, die überwiegend in erster Instanz durch Vergleich abgeschlossen werden.25 Aus der deutschen Judikatur betreffen etwa 90 Beschlüsse die Überprüfung eines Umtauschverhältnisses oder ähnliche Szenarien,26 davon ca 50 direkt die Verschmelzung. Die übrigen Judikate beziehen sich überwiegend auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit Barabfindung und Squeeze-outs, in geringer Anzahl auch auf Kapitalerhöhungen gegen Sacheinbringung und Abfindungen ausgeschiedener Gesellschafter.27

D. Aufbau der Arbeit Die Arbeit gliedert sich in sechs wesentliche Teile. Der Schwerpunkt liegt zu Beginn bei den rechtlichen Fragestellungen und verlagert sich mit Fortschreiten der Analyse hin zur Betriebswirtschaftslehre. Zunächst werden im Teil „Grundlagen der Verschmelzung von Aktiengesellschaften“ (Teil II, Seite 9 ff) Definition,28 historische Entwicklung,29 Varianten30 und Ablauf der Verschmelzung31 im deutschen und österreichischen Recht skizziert. Der folgende Teil der Arbeit (Teil III, Seite 29 ff) dient der Präzisierung des Begriffs „angemessenes Umtauschverhältnis“, wobei neben dem grundsätzlichen Gebot der Wertäquivalenz32 auch rechtliche Einzelfragen wie die Aktionärstypisierung,33 der Bewertungsstichtag,34 die Berücksichtigung von Synergieeffekten,35 die Rolle des Deinvestitionswerts (Börsenkurs)36 und die Berechnung des Umtauschverhältnisses und der baren Zuzahlungen37 behandelt werden. Anschließend werden unter dem Titel „Parallelfragen“ (Teil IV, Seite 173 ff) der Maßstab zur Prüfung des Umtauschverhältnisses außerhalb des Spruch- oder Anfechtungsverfahrens38 und die Übertragbarkeit des 25 Kalss in VSU2 § 225e AktG Rz 6. 26 Dazu unten Kapitel IV.C [193]. 27 Zur Vergleichbarkeit dieser Bewertungsanlässe mit der Verschmelzung s unten Kapitel IV.C.3 [203]. 28 Kapitel II.A [9]. 29 Kapitel II.B [9]. 30 Kapitel II.C [20]. 31 Kapitel II.D [21]. 32 Kapitel III.C [40]. 33 Kapitel III.C.3 [55]. 34 Kapitel III.C.4 [63]. 35 Kapitel III.C.5 [70]. 36 Kapitel III.D [86]. 37 Kapitel III.E [148]. 38 Kapitel IV.B [173].

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I. Einleitung

Angemessenheitsmaßstabs auf verschmelzungsähnliche Strukturmaßnahmen bei der AG,39 Verschmelzungen anderer Rechtsträger40 sowie Bar­ abfindungskonstellationen41 und vice versa untersucht. Der folgende Teil (V, Seite 223 ff) ist der gerichtlichen Überprüfung des Umtauschverhältnisses gewidmet. Gegenstand der Analyse sind insbesondere der materielle Überprüfungsmaßstab,42 die Überprüfung der Deinvestitionswert­ relation,43 die Relevanz von Vorerwerben und Paralleltransaktionen,44 das Verhandlungsmodell45 und die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Verschmelzungsprüfung.46 Die beiden letzten Teile sind schwerpunktmäßig den betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Unternehmensbewertung gewidmet und dienen der Verknüpfung der rechtlichen Vorgaben mit der gutachterlichen Bewertungspraxis. In Teil VI („Bewertungsverfahren: Zweckadäquanz und lex artis“, Seite 377 ff) werden die einzelnen Bewertungsverfahren systematisch auf ihre Eignung zur Bewertung bei der Bemessung des Umtauschverhältnisses geprüft. Im letzten Teil (VII, Seite 433 ff) werden die Vorgaben aus Lehre und Rechtsprechung für die im Ertragswert- und DCF-Verfahren erforderlichen Einzelparameter aufgezeigt und kritisch analysiert. Dazu gehören neben der Ertrags- und Wachstumsprognose47 auch die Berücksichtigung von Steuern,48 einzelne Zinssatzkomponenten,49 in der Praxis gebräuchliche Zu- und Abschläge50 sowie Vorgaben für die Abgrenzung und Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.51

E. Benutzungshinweise Die Arbeit behandelt gleichermaßen das deutsche und das österreichische Recht. Länderspezifische Unterschiede werden hervorgehoben. Bei gröberen Abweichungen werden die Fragen in nach der Rechtsordnung 39 Kapitel IV.C.1 [193]. 40 Kapitel IV.C.2 [197]. 41 Kapitel IV.C.3 [203]. 42 Kapitel V.C [242]. 43 Kapitel V.C.3 [312]. 44 Kapitel V.C.4 [331]. 45 Kapitel V.D [344]. 46 Kapitel V.E [374]. 47 Kapitel VII.A [433]. 48 Kapitel VII.C [453]. 49 Kapitel VII.D [470]. 50 Kapitel VII.D.3 [541]. 51 Kapitel VII.E [560].

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E. Benutzungshinweise

getrennten Kapiteln behandelt. Rechtsprechung wird im Text mit Gericht, Datum, Fundstelle, gegebenenfalls Bezeichnung und (soweit vorhanden und erforderlich) juris-Randzahl zitiert. Innerhalb einer Fußnote werden Judikate in der Regel nach Datum absteigend angeführt. Hinweise auf weitere Fundstellen finden sich im Judikaturverzeichnis. Dieses ist nach Gerichten geordnet und innerhalb eines Gerichts absteigend nach dem Entscheidungsdatum gereiht. Artikel aus Zeitschriften werden aus Platzgründen im Text generell ohne Titel und nur mit der Fundstelle zitiert, häufig zitierte sonstige Werke werden abgekürzt. Vollzitate finden sich jeweils im alphabetisch gereihten Literaturverzeichnis. Querverweise auf andere Kapitel haben das Format Kapitel ## [erste Seite]. Bei noch in Kraft stehenden Gesetzen ist jeweils die aktuelle Fassung gemeint, soweit im Text nicht gesondert gekennzeichnet.

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften A. Definition Eine Verschmelzung ist die Übertragung des Vermögens einer oder mehrerer Gesellschaften auf eine andere Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge52 gegen Gewährung von Aktien dieser Gesellschaft unter liquidationslosem Erlöschen der übertragenden Gesellschaft(en).53

B. Historische Entwicklung 1. Deutschland a) ADHGB, Novelle 1884 und HGB 1897 Die positivrechtliche Regelung54 der Verschmelzung geht auf das ­ADHGB55 zurück.56 Art 247 ADHGB ließ die „Auflösung einer Actiengesellschaft 52 Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 356 f; Hügel in FS Koppensteiner (2001) 91 (insb 99 ff); Hügel, Gesamtrechtsnachfolge und Strukturverbesserungsgesetz (1982) 22 f; vgl auch Hügel, Verschmelzung und Einbringung 28 ff, 41 ff. 53 § 219 öAktG; § 2 dUmwG; Art 3 Abs 1 VerschmelzungsRL; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 28 ff; U. Torggler, GesR I Rz 463; Kalss in Kalss, VSU2 § 219 AktG, Rz 4 ff; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 384 f; Simon in Kölner Komm UmwG § 2 Rz 31 ff; Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 § 2 Rz 34; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG7 § 2 Rz 3; Drygala in Lutter, UmwG5 § 2 Rz 28 ff; vgl Grünwald in Helbich/Wiesner/Bruckner, Umgründungen, Art I Verschmelzung Rz 3; zu den abweichenden, historisch zwingenden Definitionsmerkmalen der sogenannten „Fusion“ s bei FN 59. 54 Verschmelzungsähnliche Vorgänge („Fusionen“; zum weiteren Umfang dieses Begriffs im Vergleich zu den im ADHGB normierten Vorgängen Hügel, Verschmelzung und Einbringung 33 f) hatten wohl schon vor der ausdrücklichen gesetzlichen Normierung immer wieder stattgefunden. Dementsprechend wurde in der Kommission zum ADHGB in den Beratungen zu Art 247 (Art 233 Entwurf aus II. Lesung; Art 225 Entwurf der Redaktionskommission nach der I. Lesung; Art 205 Preußischer Entwurf) ADHGB sogar die (Minder-)Meinung vertreten, die „Fusion sei kein selbstständiges rechtliches Institut“ und „Die Bestimmungen hierüber gehörten nicht in das Handelsgesetzbuch, sondern in die Statuten“: s Lutz, Protokolle 369; zum Ganzen ausführlich Hügel, Verschmelzung und Einbringung 34. 55 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch vom 31.5.1861, zitiert nach BGBl des Norddeutschen Bundes 1869/32 (Anlage C), 404 ff; in Österreich als AHGB (Allgemeines Handelsgesetzbuch) in Kraft gesetzt durch das Gesetz vom 17.12.1862 zur Einführung eines Handelsgesetzbuches, öRGBl 1863/1. 56 Semler/Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 Einleitung A, Rz 7; ausführlich J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 9 ff; Hügel, Verschmelzung und

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften

durch Vereinigung derselben mit einer andern Actiengesellschaft“ zu, stellte den Vorgang aber unter den Vorbehalt einer staatlichen Genehmigung.57 Kernmerkmale waren die Übertragung von Vermögen und Schulden58 sowie der Entfall der Liquidation bei gleichzeitiger Anlehnung des Gläubigerschutzsystems an die entsprechenden Bestimmungen.59 Das ADHGB traf zur Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge keine ausdrückliche Anordnung.60 Der historische Gesetzgeber erachtete materiell-rechtliche Vorgaben für das Umtauschverhältnis offenbar nicht für notwendig; denn die Verschmelzung erforderte bei der übertragenden AG dispositiv einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss.61 Bei der übernehmenden AG war kein Gesellschafterbeschluss erforderlich.62 Die erforderliche Beschlussmehrheit wurde mit der Novelle 1884 auf drei Viertel des vertretenen Grundkapitals reduziert.63 Das HGB 189764 regelte die Verschmelzung in §§ 305 f als Sonderfall der Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens.65 Die Technik der Vermögensübertragung durch Gesamtrechtsnachfolge66 und die zwingende Anteilsgewährung wurden klargestellt.67 An der Ausgestaltung des Verschmelzungsverfahrens änderte sich im Vergleich zum ADHGB nur wenig.68

­ inbringung 33 ff; Lutter/Bayer in Lutter, UmwG5 Einleitung I, Rz 5; s auch E K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 342 f. 57 Art 247 S 1 ADHGB; das Konzessionssystem wurde durch die Aktienrechtsnovelle vom 11.06.1870 (BGBl des Norddeutschen Bundes 1870, 375) beseitigt (Habersack in MüKo AktG4 Einleitung Rz 16); s zur abweichenden Entwicklung in Österreich unten bei FN 133. 58 Art 215 Abs 2 ADHGB; die Gewährung von Aktien wurde trotz des eindeutigen Wortlauts von Art 215 Abs 2 ADHGB von der hM zur Zeit der Entstehung des ADHGB nicht als zwingendes Merkmal der Verschmelzung angesehen; eine Fusion gegen Barabfindung wurde überwiegend als zulässig erachtet: Hügel, Verschmelzung und Einbringung 36; Rüffler, Lücken 210 FN 1079; s auch J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 15, 33 ff. 59 Ausführlich Hügel, Verschmelzung und Einbringung 35 f; J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 13 f; vgl Kalss in Kalss, VSU2 Vor § 219 Rz 4 mwN. 60 Hügel, Verschmelzung und Einbringung 36, 41 ff mwN; J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 14; ausführlich auch Rüffler, Lücken 210 FN 1079. 61 Art 215 Abs 2 ADHGB. 62 J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 15. 63 Art 215 Abs 4 ADHGB idF AktRNov 1884. 64 DRGBl 1897/23, 219. 65 Vgl nur Pinner in Staub (Begr), Kommentar zum HGB12/13 (1926) § 305 Einleitung. 66 Hügel, Verschmelzung und Einbringung 45 mwN. 67 Hügel, Verschmelzung und Einbringung 49 mwN; J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 15, 33 ff. 68 Dazu J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 16.

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B.  Historische Entwicklung

b) Aktiengesetz 1937 Signifikante Weiterentwicklungen des Verschmelzungsrechts brachte das dAktG 1937.69 Der Erste Teil des Dritten Buches (§§ 233 – 252 dAktG 1937) enthielt erstmals umfassende Regelungen zur Verschmelzung, die weit über die rudimentären Bestimmungen des ADHGB hinausgingen. Erstmals wurde die Verschmelzung zur Neugründung geregelt (s § 233 Z 2, § 247 dAktG 1937). Das dAktG 1937 rückte zudem von der unter dem ADHGB begründeten engen Verknüpfung der „Fusion“70 mit der Auflösung ab, die eine Orientierung am Gläubigerschutzmodell in der Liquidation bedingt hatte. An die Stelle der getrennten Verwaltung des Vermögens bis zur Gläubigerbefriedigung einschließlich einer Sperrfrist71 trat der auch im aktuellen Aktienrecht geregelte Anspruch auf Sicherheitsleistung.72 Zweck der Neuregelung war es, den wirtschaftlichen Bedürfnissen durch eine schnellere Durchführung der Verschmelzung besser zu entsprechen.73 Für den Verschmelzungsbeschluss galt ein einseitig zwingendes74 Dreiviertel-Konsensquorum.75 Das dAktG 1937 enthielt jedoch weder eine materiell-rechtliche Zielbestimmung für das Umtauschverhältnis noch Vorschriften zu dessen Überprüfung.76 c) Aktiengesetz 1965 Hauptziel des dAktG 196577 war die Stärkung der Aktionärsrechte.78 Die Verschmelzung war in den §§ 339 ff geregelt.79 Die materiellen Neuerun69 DRGBl I 1937/15, 107; ausführlich J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 44 ff; s auch Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 § 2 Rz 9; zur Inkraftsetzung in Österreich s FN 129. 70 S oben bei FN 59; zum Begriff oben bei FN 54. 71 S noch § 247 Abs 2 Z 1 ADHGB, § 306 Abs 4, § 301 dHGB 1897; Stengel in Semler/ Stengel, UmwG3 § 2 Rz 9; vgl Kalss/Burger/Eckert, Entwicklung 910 f, insb FN a; Hügel in FS Maier-Reimer (2010) 265 (287). 72 § 241 dAktG 1937; nunmehr zum Teil abweichend §§ 22 f dUmwG; § 226 Abs 1 und 2 öAktG idF öBGBl I 2010/58. 73 Das Abgehen von der Sperrfrist diente nach den Materialien der „wirklichen Verschmelzung der Gesellschaften, die allein erst ein gedeihliches Arbeiten auf der Grundlage der Verschmelzung ermöglichte“; Amtl Begr dAktG 1937 vor § 233. 74 So § 234 Abs 2 S 1 Halbsatz 2 dAktG 1937: „die Satzung kann diese Mehrheit durch eine größere Kapitalmehrheit ersetzen und noch andere Erfordernisse aufstellen“. 75 § 234 Abs 2 dAktG 1937; vgl § 234 Abs 2 S 2 dAktG 1937: Die übernehmende Gesellschaft konnte die Verschmelzung gem § 234 Abs 2 S 2 dAktG 1937 auch nach den in der Satzung für die Kapitalerhöhung vorgesehenen Maßgaben beschließen. 76 Die Überprüfungsmöglichkeit im Anfechtungsverfahren (vgl § 246 dAktG 1937) ablehnend Hügel, Verschmelzung und Einbringung 166 ff mwN. 77 DBGBl I 1965/1089. 78 Vgl Habersack in MüKo AktG4 Einleitung Rz 30 f. 79 S für einen Überblick zB Barz, AG 1972, 1.

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften

gen gegenüber dem dAktG 1937 hielten sich in Grenzen.80 Sie betrafen beispielsweise erhöhte Informationsrechte der Aktionäre (zB § 340 Abs 3, 4 dAktG 1965). Im Zuge der Regelung des Konzernrechts wurde das Spruchstellenverfahren zur Überprüfung der Abfindung außenstehender Aktionäre beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag,81 bei der Eingliederung,82 beim Formwechsel83 und bei der übertragenden Umwandlung84 eingeführt.85 Für die Überprüfung des Umtauschverhältnisses bei der Verschmelzung war es noch nicht vorgesehen.86 d) Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz Das Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz wurde 1982 beschlossen und führte zum bis dahin bedeutendsten Umbruch im deutschen Verschmelzungsrecht.87 Zweck war die Umsetzung der VerschmelzungsRL88, die seit 1978 primär zu Aktionärs- und Gläubigerschutzzwecken89 wesentliche Teile des AG-Verschmelzungsrechts90 harmonisiert. Das Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz führte zu umfangreichen Erweiterungen der Offenlegungs- und Prüfungspflichten im Vorfeld der Verschmelzung (a priori-Schutzsystem). Regelungsschwerpunkte sind der Verschmelzungsvertrag,91 der Verschmelzungsbericht92 und die Prüfung durch den Verschmelzungsprüfer.93 § 340d dAktG normierte ausführliche Infor­ 80 Ausführlich Hügel, Verschmelzung und Einbringung 58, insb FN 165; s auch Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 § 2 Rz 10. 81 §§ 305 f dAktG 1965; J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 48; dazu auch Paulsen in MüKo AktG4 § 305 Rz 14. 82 § 320 Abs 5 bis 7 dAktG 1965. 83 § 375 Abs 2 dAktG 1965. 84 § 13 dUmwG 1956 idF 1965; zum strukturellen Vergleich mit der Konzernverschmelzung Hügel, Verschmelzung und Einbringung 536 ff. 85 Zum historischen Ursprung s unten Kapitel III.B [30], insb Kapitel III.B.4.b) [38]. 86 J. W. Flume in Kölner Komm UmwG Einleitung B, Rz 48; dazu ausführlich unten Kapitel III.B.4.b) [38]. 87 DBGBl I 1982/1425; zum Entwurf vgl zB Timm, JZ 1982, 403. 88 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktien­ gesellschaften, ABl L 1978/295, 36; nunmehr Richtlinie 2011/35/EU des Euro­ päischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl L 2011/110, 1. 89 Vgl Erwägungsgründe 4 bis 7 VerschmelzungsRL idF RL 2011/35/EU. 90 Nur auf diese ist die VerschmelzungsRL anwendbar; vgl Art 1 VerschmelzungsRL. 91 § 340 dAktG idF dBGBl I 1982/1425; Art 5 VerschmelzungsRL; § 220 öAktG. 92 § 340a dAktG idF dBGBl I 1982/1425; Art 9 VerschmelzungsRL; § 220a öAktG. 93 § 340b dAktG idF dBGBl I 1982/1425; Art 10 VerschmelzungsRL; § 220b öAktG; für hM und Rechtsprechung zur Prüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses Ende der 1980er s insb Becker, AG 1988, 223 (226 f).

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B.  Historische Entwicklung

mationspflichten zur Vorbereitung der beschlussfassenden Hauptversammlung. Die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses stand im Mittelpunkt der genannten Regelungen.94 Eine Pflicht zur Prüfung der Verschmelzung durch den Aufsichtsrat wurde – anders als in Österreich mit dem EU-GesRÄG95 – mangels Vorgaben in der VerschmelzungsRL nicht eingeführt. Von wesentlicher Bedeutung ist die Überprüfung des Umtauschverhältnisses a posteriori. Sie geht über die Vorgaben der VerschmelzungsRL hinaus und ergänzt das a priori-Schutzsystem.96 Gem § 352c dAktG und § 31a KapErhG idF Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz konnten die Gesellschafter der übertragenden AG oder GmbH den Verschmelzungsbeschluss wegen eines zu niedrigen Umtauschverhältnisses nicht anfechten.97 Die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses konnte stattdessen im Spruchstellenverfahren überprüft werden. Das Verfahren lehnte sich an die bestehenden Regelungen zur Abfindung außenstehender Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen,98 ausscheidender Aktionäre bei Eingliederungen99 und bei der verschmelzenden Umwandlung100 an.101 Bei einem zu niedrigen Umtauschverhältnis war ein Ausgleich durch bare Zuzahlungen anzuordnen.102 Der Ausgleich war – anders als gem § 225i öAktG – nicht allen betroffenen Aktionären, sondern nur den Antragstellern zuzusprechen (keine erga omnes-Wirkung).103 Der Gesetzgeber sah bewusst keinen Ausgleich in Aktien vor.104 Der Anfechtungsausschluss galt nicht für Gesellschafter der überneh-

94 Vgl RegE Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz, BT-Drucks 9/1065, 14. 95 § 220c öAktG. 96 Vgl RegE Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz, BT-Drucks 9/1065, 15. 97 § 31a Abs 1 KapErhG. 98 §§ 305 f dAktG idF AktG 1965. 99 § 320 Abs 5 bis 7 dAktG idF AktG 1965. 100 §§ 12 f, 15, 30 ff dUmwG 1969, dBGBl I 1969/2081. 101 Vgl RegE Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz, BT-Drucks 9/1065, 20; s auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf des Verschmelzungsrichtlinie-Gesetzes, BT-Drucks 9/1785, 24; dazu kritisch Hügel, Verschmelzung und Einbringung 171 f; s auch unten Kapitel III.B.4.b) [38]. 102 § 352 Abs 1 S 2 dAktG 1965 idF Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz; s zum Verfahren und zur Ende der 1980er Jahre erst spärlich vorhandenen Rechtsprechung Heckschen, WM 1990, 377 (386 f), der die zukünftige Bedeutung des Spruchstellenverfahrens bei der Überprüfung des Umtauschverhältnisses unterschätzte. 103 Zur nunmehrigen erga omnes-Wirkung gem § 13 SpruchG s unten Kapitel V.B.2.b) [233]. 104 RegE Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz, BT-Drucks 9/1065, 21; für einen Vorschlag zum Ausgleich in Aktien de lege ferenda ausführlich Block, Umtauschverhältnis 139 ff.

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften

menden Gesellschaft.105 Dies wurde damit begründet, dass bei diesen kein Wechsel der Mitgliedschaft stattfinde und sie keine Leistung erbrächten.106 e) Umwandlungsgesetz 1995 und nachfolgende Entwicklungen Eine Gesamtkodifikation des Umwandlungsrechts war vom deutschen Bundestag schon 1980 in Betracht gezogen worden.107 Wegen der kurzen Frist zur Umsetzung der VerschmelzungsRL blieb es vorerst bei einer Einzelregelung durch das Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz.108 In den Jahren darauf begannen die Vorarbeiten zur Gesamtkodifikation, die 1988 in einen Diskussionsentwurf109 mündeten. Die deutsche Wiedervereinigung und der komplexe Verhandlungsprozess bei der Arbeitnehmermitbestimmung führten zu einer erheblichen Zeitverzögerung.110 Es sollte es bis zum Oktober 1994 dauern, ehe das UmwBerG111 und dadurch das dUmwG in seiner neuen, stark modifizierten Form verabschiedet wurde.112 Das neue dUmwG regelt rechtsformübergreifend Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel.113 Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.1995 wurde auch das Verschmelzungsrecht vereinheitlicht und in die Gesamtkodifikation des dUmwG transferiert. Sedes materiae der Verschmelzung ist das zweite Buch des dUmwG (§§ 2 – 122l dUmwG114). Die Kernbestimmungen des dUmwG (unter anderem §§ 14 f dUmwG) sind rechtsformneutral formuliert. Das dUmwG 105 § 31a Abs 2 KapErhG; zur Kritik s unten Kapitel V.B.2.a) [231] bei FN 1578. 106 RegE Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz, BT-Drucks 9/1065, 20; diese Prämisse ist unzutreffend: s BGH 2.7.1990, II ZB 1/90, BGHZ 112, 9, Rz 14 unter Hinweis auf Timm, JZ 1982, 403 (411); s dazu auch unten Kapitel V.B.2 [231]. 107 Lutter/Bayer in Lutter, UmwG5 Einleitung I, Rz 8 mwN; Semler/Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 Einleitung A Rz 30. 108 Lutter/Bayer in Lutter, UmwG5 Einleitung I Rz 8 mwN. 109 Beilage Nr 214a zum Bundesanzeiger vom 15.11.1988. 110 S die Nachweise in FN 112. 111 Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts, dBGBl I 1994/3210. 112 Vgl zur Historie Lutter/Bayer in Lutter, UmwG5 Einleitung I Rz 8 ff; Semler/Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 Einleitung A Rz 29 ff; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 346 f; vgl überblicksartig zu den Neuregelungen Ossadnik/Maus, DB 1995, 105. 113 Vgl § 1 Abs 1 dUmwG; zum Zweck plastisch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 337: „Das Umwandlungsrecht hat nicht die Aufgabe, Unmögliches zu ermöglichen, sondern es soll Mögliches vereinfachen“. 114 §§ 39 bis 119 dUmwG enthalten rechtsformspezifische Bestimmungen (für AG: §§ 60-76), §§ 120 bis 122 regeln die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf eine natürliche Person (vgl abweichend § 2 öUmwG), §§ 122a bis 122l betreffen die grenzüberschreitende Verschmelzung (vgl für Österreich EU-VerschG; unten bei und in FN 1333).

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B.  Historische Entwicklung

unterscheidet sich insofern deutlich vom österreichischen Verschmelzungsrecht, das die AG-Verschmelzung im öAktG regelt und für Verschmelzungen sonstiger Rechtsträger vielfach auf das öAktG verweist.115 Das dUmwG geht sowohl bei den einbezogenen Rechtsformen116 als auch in Bezug auf Schutzinstrumente und sonstige Umwandlungsformen weit über die europarechtlichen Vorgaben hinaus.117 Parallelen zum öAktG ergeben sich naturgemäß dort, wo die Bestimmungen des dUmwG ihren Ursprung in der VerschmelzungsRL (und der SpaltungsRL118) haben (Verschmelzung und Spaltung von AG). Der Regelungsgehalt von § 352c dAktG, § 31 KapErhG aF findet sich nunmehr leicht modifiziert in § 14 Abs 2, § 15 dUmwG. Seit 1995 kam es zu mehr als 20 Änderungen des Umwandlungsgesetzes.119 Die Regelungen zum Spruchverfahren, die zuvor im dAktG, FGG120 und dUmwG verstreut gewesen waren, wurden 2003 mit dem SpruchG121 in einem neuen Gesetz konzentriert.122 Das Verschmelzungsrecht blieb in seinen materiellen Grundfesten allerdings weitgehend unverändert. Das gilt auch für die Regelungen zur Angemessenheit des Umtauschverhältnisses.

115 S unten Kapitel IV.C.2.a) [197]. 116 Verschmelzungsfähige Rechtsträger sind gem § 3 Abs 1 dUmwG Personenhandelsgesellschaften, Partnerschaftsgesellschaften, Kapitalgesellschaften, eingetragene Genossenschaften, eingetragene Vereine, genossenschaftliche Prüfungsverbände und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. An einer Verschmelzung beteiligt sein können gem § 3 Abs 2 dUmwG auch wirtschaftliche Vereine als übertragende Rechtsträger und natürliche Personen, die als Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft deren Vermögen übernehmen; für einen ausführlichen Überblick über mögliche Verschmelzungsvarianten s Lutter/Bayer in Lutter, UmwG5 Einleitung Rz 53; auch rechtsformübergreifende Verschmelzungen zwischen den genannten Rechtsträgern sind gem § 3 Abs 4 dUmwG zulässig; vgl die Grafik bei Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 § 3 Rz 57. 117 S dazu Lutter/Bayer in Lutter, UmwG5 Einleitung Rz 26. 118 RL 82/891/EWG. 119 Vgl dazu Semler/Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 Einleitung A Rz 42 f; Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht116 § 15 UmwG Rz 46 ff. 120 Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dRGBl 1898/189. 121 Spruchverfahrensneuordnungsgesetz, dBGBl I 2003/838. 122 Vgl Lutter/Bayer in Lutter, UmwG5 Einleitung Rz 21; zur Historie s ausführlich Riegger/Gayk in Kölner Komm AktG3 Einleitung SpruchG Rz 40 ff; Puszkajler in Kölner Komm AktG3 Vorbemerkungen §§ 7-11 SpruchG Rz 2 ff; Volhard in Semler/Stengel, UmwG3 Anh SpruchG Vorbemerkung Rz 1 ff; zum Verfahren s ausführlich unten Kapitel V.B.2 [231].

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften

2. Österreich a) AHGB Die Positivierung der Verschmelzung geht in Österreich (gleich wie im deutschen Recht) auf das Allgemeine Handelsgesetzbuch zurück, das 1863 als AHGB123 eingeführt wurde.124 Insoweit ist auf die entsprechenden Ausführungen oben in Kapitel II.B.1.a) [9] zu verweisen. Die nachfolgende Entwicklung divergierte von jener des deutschen Rechts. Zu den Änderungen, die für die (deutsche) Verschmelzung durch die Novelle 1884 und das dHGB 1897 eingeführt wurden,125 gab es in Österreich kein Äquivalent. Auch das Aktienregulativ 1899126 ließ das Verschmelzungsrecht unangetastet.127 b) Aktiengesetz 1937/38 Das dAktG 1937128 wurde in Österreich im Zuge des Anschlusses 1938 in Kraft gesetzt.129 Für das österreichische Verschmelzungsrecht ergaben sich dadurch die – bis zum EU-GesRÄG im Jahr 1996130 – bedeutendsten Änderungen. Mit dem dAktG 1937 wurden jene Prinzipien eingeführt, die dem heutigen Verschmelzungsrecht zugrunde liegen.131 Für Details sei auf die Ausführungen oben in Kapitel II.B.1.b) [11] verwiesen. Zum zweiten Mal in der rechtsgeschichtlichen Entwicklung kam es zur Konvergenz des deutschen und des österreichischen Verschmelzungsrechts.132 Spezifisch für Österreich relevant war die Abschaffung der öf-

123 Allgemeines Handelsgesetzbuch, in Österreich eingeführt durch öRGBl 1863/1. 124 Vgl Kalss in Kalss, VSU2 Vor § 219 Rz 4; s dort auch zur Genehmigungspflicht; dazu Kalss/Burger/Eckert, Entwicklung 96, jeweils mit unzutreffendem Verweis auf Art 251 Abs 2 AHGB; gemeint sein dürfte Art 215 Abs 2 AHGB, der nicht die Verschmelzung an sich definiert (dazu Art 247 S 1), sondern die dafür notwendige Stimmenmehrheit parallel zur Änderung des Unternehmensgegenstands (Art 215 Abs 1 AHGB) festlegt; korrekt bei Kalss/Burger/Eckert, Entwicklung 263. 125 Dazu oben Kapitel II.B.1.a) [9]. 126 ÖRGBl 1899/175. 127 Vgl dazu Peter Doralt/Diregger in MüKo AktG4 Einleitung Rz 210. 128 DRGBl I 1937/107. 129 Erste Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich vom 11.4.1938 dRGBl I 1938/385; Zweite Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich vom 2.8.1938 dRGBl I 1938/988; dazu ausführlich Hügel, Verschmelzung und Einbringung 56. 130 S gleich unten bei FN 142. 131 Kalss in Kalss, VSU2 Vor § 219 Rz 6. 132 Vorher bereits ADHGB/AHGB.

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B.  Historische Entwicklung

fentlich-rechtlichen Genehmigungspflicht für Verschmelzungen (Wegfall des Konzessionssystems).133 c) Aktiengesetz 1965 und GesRÄG 1993 Mit dem AktG 1965134 erhielt das Verschmelzungsrecht seinen nunmehrigen Platz im Neunten Teil des öAktG (ursprünglich §§ 219 – 234; nunmehr §§ 219 – 234b135).136 Das Vorziehen der Bestimmungen (§§ 219 ff statt § 233 ff AktG 1937) ergab sich durch die Streichung des Teils über die Kommanditgesellschaft auf Aktien.137 §§ 219 ff idF AktG 1965 entsprachen inhaltlich im Wesentlichen ihren Vorgängerbestimmungen.138 Das GesRÄG 1993139 fasste § 224 (Unterbleiben der Gewährung von Aktien) neu.140 d) EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz Das EU-GesRÄG141 brachte 1996 substantielle Änderungen.142 Das Gesetz diente unter anderem der Umsetzung der VerschmelzungsRL143 anlässlich des EU-Beitritts Österreichs.144 Der Schutz der Gesellschafter wurde deutlich erweitert. Die wesentlichen Instrumente des informati133 Kalss in Kalss, VSU2 Vor § 219 Rz 6. 134 ÖBGBl 1965/98. 135 Nunmehr erster Abschnitt: Verschmelzungen von AG; zweiter Abschnitt: Verschmelzungen von AG und GmbH; s dazu unten bei FN 166. 136 Vgl Peter Doralt/Diregger in MüKo AktG4 Einleitung Rz 215: „Austrifizierung“ des dAktG 1937; ebenso Hügel, Verschmelzung und Einbringung 57. 137 Kalss/Burger/Eckert, Entwicklung 872. 138 Kalss in Kalss, VSU2 Vor § 219 Rz 7; s auch Hügel, Verschmelzung und Einbringung 57 (insb FN 161). 139 ÖBGBl 1993/458. 140 Zur Aufhebung von § 228 öAktG zur Anpassung an das Umgründungssteuerrecht s unten bei FN 2617. 141 EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz, öBGBl 1996/304. 142 Ausführlich zum Ganzen Kalss, GesRZ 1995, 240; Hügel, ecolex 1996, 527; Reich-Rohrwig, ecolex 1996, 258; Grünwald in FS Jud (2012) 139 (145); St. Frotz in Aman/St. Frotz/Mühlehner/Wagner/Zöchling, Das EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz (1996) 53 (53 ff). 143 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl L 1978/295, 36; nunmehr Richtlinie 2011/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl L 2011/110, 1. 144 ErlRV 32 BlgNR 20. GP 52 f; zu vorgelagerten Überlegungen s Harrer in Koppensteiner (Hrsg), Österreichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht. Teil 1: Gesellschaftsrecht (1994) 307; M. Huber in P. Doralt/C. Nowotny (Hrsg), Der EG-rechtliche Anpassungsbedarf im österreichischen Gesellschaftsrecht (1993) 105 (106 ff).

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften

onsorientierten a priori-Schutzsystems sind der Verschmelzungsplan,145 der Verschmelzungsbericht146 sowie die Prüfungsberichte des Verschmelzungsprüfers147 und des Aufsichtsrats148.149 In sämtlichen genannten Dokumenten ist gemäß den Vorgaben der VerschmelzungsRL150 auf das Umtauschverhältnis und dessen Ermittlung als zentrale vermögensrechtliche Determinante der Transaktion einzugehen.151 Der Anspruch auf Sicherheitsleistung wurde in Umsetzung von Art 13 VerschmelzungsRL auf die Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft ausgedehnt.152 Das EU-GesRÄG sieht ein umfangreiches System zur Überprüfung a posteriori vor, das über die Anforderungen der VerschmelzungsRL hinausgeht.153 Der Verschmelzungsbeschluss kann gem § 225b öAktG wegen unangemessener Festlegung des Umtauschverhältnisses oder der ­allfälligen baren Zuzahlungen sowie wegen nicht gesetzeskonformer Erläuterungen in der a priori-Berichterstattung154 nicht angefochten werden. Stattdessen normieren §§ 225c ff öAktG ein außerstreitiges, gerichtliches Überprüfungsverfahren.155 Der Anfechtungsausschluss hat § 352c dAktG sowie § 31a KapErhG156 (bzw ab 1.1.1995 § 14 Abs 2 dUmwG) zum Vorbild. Das Überprüfungsverfahren lehnt sich an § 8 Abs 2 öUmwG 1954 an.157 Es kann nach Maßgabe von § 225g Abs 1 durch ein Gremialverfahren ergänzt werden, das sowohl in der VerschmelzungsRL als auch im dUmwG beispiellos ist.158 e) Entwicklungen nach dem EU-GesRÄG Nach dem EU-GesRÄG erfolgten im Hinblick auf den Begriff der An­ gemessenheit und das Verfahren zur Überprüfung des Umtauschverhält145 § 220 öAktG; Art 5 VerschmelzungsRL. 146 § 220a öAktG; Art 9 VerschmelzungsRL. 147 § 220b öAktG; Art 10 VerschmelzungsRL. 148 § 220c öAktG; ohne Vorbild in der VerschmelzungsRL. 149 Vgl ErlRV 32 BlgNR 20. GP 95. 150 Eine Ausnahme ist der Prüfungsbericht des Aufsichtsrats; die VerschmelzungsRL sieht einen solchen Bericht nicht vor und enthält dementsprechend keine diesbezüglichen inhaltlichen Vorgaben. S auch FN 148. 151 S dazu ausführlich unten Kapitel II.D [21] und Kapitel III.B.3 [33]. 152 § 226 öAktG; dazu Kalss, GesRZ 1995, 240 (253); Hügel in FS Maier-Reimer (2010) 265 (287). 153 Vgl auch unten Kapitel V.B.1.b) [225]. 154 S dazu bei FN 145-149. 155 S dazu ausführlich unten Kapitel V.B.1 [223]. 156 DBGBl I 1959/789. 157 ÖBGBl 1954/187; vgl ErlRV 32 BlgNR 20. GP 100; Koppensteiner in FS Semler (1993) 485 (496 f); s auch unten Kapitel III.B.4.b) [38]. 158 S dazu ausführlich unten Kapitel V.B.1.b)(2) [225].

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B.  Historische Entwicklung

nisses keine wesentlichen Änderungen.159 Neu ist aber die Möglichkeit zur Verschmelzung von AG über die Grenze (SE-Verschmelzungsgründung),160 die durch die SE-VO161 und das SE-Gesetz162 geschaffen wurde. Zu erwähnen ist auch das mit dem GesRÄG 2007163 erlassene EU-VerschG. Es setzt die RL 2005/56/EG164 um und regelt die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU und des EWR.165 Die Verschmelzung von AG auf GmbH wurde ebenfalls durch das GesRÄG 2007 ermöglicht.166 Für rechtsformübergreifende ­Verschmelzungen wurden ein Barabfindungsanspruch widersprechender Gesellschafter und ein Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit dieser Barabfindung eingeführt.167 Letzteres entspricht weitgehend jenem zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses. Geringfügige Änderungen des Verschmelzungsrechts ergaben sich durch das URÄG 2008,168 das AktRÄG 2009169 und das Insolvenzrechtsänderungs-Begleitgesetz.170 Sie sind für den hiesigen Untersuchungsgegenstand nicht von Bedeutung. Das GesRÄG 2011171 normierte zur Umsetzung der RL 2009/109/EG172 Änderungen bei Berichts- und Prüfpflichten, aber auch Erleichterungen

159 Vgl dazu Grünwald in FS Jud (2012) 139 (145 ff) mit ausführlicher Darstellung auch redaktioneller Änderungen. 160 S unten Kapitel IV.C.2.a)(4) [199]; ausführlich D. Reiter, Gerichtliche Überprüfung des Umtauschverhältnisses bei der SE-Verschmelzungsgründung (Dissertation, Wien 2012); Kalss/Greda, GesRZ 2004, 91 (91 ff). 161 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl L 2001/294, 1. 162 ÖBGBl I 2004/67. 163 ÖBGBl I 2007/72. 164 Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl L 2005/310, 1. 165 Vgl § 1 Abs 3 EU-VerschG. 166 § 234a öAktG idF GesRÄG 2007; dazu ausführlich Kalss/Eckert, GesRZ 2007, 222 (227 ff). 167 § 234b öAktG idF GesRÄG 2007. 168 ÖBGBl I 2008/70; Die Änderungen betreffen vor allem die Person des Verschmelzungsprüfers und des gemeinsamen Vertreters; dazu ausführlich ErlRV URÄG 2008, 476 BlgNR 23 GP 37. 169 ÖBGBl I 2009/171; dazu ausführlich ErlRV AktRÄG 2009, 208 BlgNR 24. GP 43 f; vgl allgemein zB Reich-Rohrwig, ecolex 2009, 765 (I), 871 (II). 170 ÖBGBl I 2010/58. Erhöhung der Stundensätze des Gremiums (§ 225m Abs 6 öAktG): vgl ErlRV 771 BlgNR 24 GP 8. 171 ÖBGBl I 2011/53. 172 Ausführlich ErlRV GesRÄG 2011, 1252 BlgNR 24. GP 12 ff.

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften

im Zusammenhang mit Konzernverschmelzungen.173 Der VfGH hob ebenfalls 2011 jene Mindestbeteiligungsschwelle von 1 % oder EUR 70.000 am Grundkapital auf,174 die ursprünglich für die Antragsberechtigung zur Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses vorgesehen war.175 Nach dem VfGH war sie ein „unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentum“ und „auch sachlich nicht zu rechtfertigen“.176 Jeder Aktionär kann nunmehr ohne Rücksicht auf die Höhe seiner Beteiligung die Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses beantragen.177

C. Varianten Sowohl das öAktG als auch das dUmwG sehen – entsprechend den Vorgaben der VerschmelzungsRL178 – zwei Varianten der Verschmelzung vor: die Verschmelzung zur Aufnahme (§ 219 Z 1, §§ 220 bis 232 öAktG; § 2 Z 1, §§ 4 bis 35 dUmwG) und die Verschmelzung zur Neugründung (§ 219 Z 2, § 233 öAktG179; § 2 Z 2 dUmwG, §§ 36 bis 38 dUmwG). Beide Gesetze regeln als Grundform die Verschmelzung zur Aufnahme und verweisen bei der Verschmelzung zur Neugründung darauf (s § 233 Abs 1 öAktG;180 § 36 Abs 1 dUmwG).181 Der Generalverweis betrifft auch 173 Vgl ausführlich Potyka/Winner, GesRZ 2011, 209 (209 ff); s insb auch Reich-Rohrwig, ecolex 2011, 822 (823); S. Bydlinski/Potyka, VWT 2011, 142 (143 ff); Schimka/Schörghofer, RWZ 2011, 257 (257 ff); Talos/Arzt, SWK 2011, 85 (88 ff); Grünwald in Helbich/Wiesner/Bruckner, Umgründungen, Art I Verschmelzung Rz 10. 174 ÖBGBl I 2011/98; VfGH 21.09.2011, G 175/10, VfSlg 19.486; bereits 2005 hatte der VfGH den Verweis auf ebendiese Bestimmungen in § 9 Abs 2 SpaltG (nicht verhältniswahrende Spaltung) aufgehoben, weil er „einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum darstellt und auch sachlich nicht zu rechtfertigen ist“ (VfGH 16.06.2005, G 129/04 ua, VfSlg 17.584, Rz 2.8): öBGBl I 2005/75; VfGH 16.06.2005, G 129/04 ua, VfSlg 17.584; vgl dazu Winner, Wert und Preis 385 f; zum Verfahren nach § 9 Abs 2 SpaltG s auch unten Kapitel IV.C.1.a) [193]. 175 § 225c Abs 3, 4 öAktG. 176 VfGH 21.09.2011, G 175/10, VfSlg 19.486, Rz 2.4 (2) aE; ein Eingriff ist nach der Rechtsprechung des VfGH „nur dann verfassungsrechtlich zulässig […], wenn er im öffentlichen Interesse liegt und nicht unverhältnismäßig und nicht unsachlich ist“: VfGH 21.09.2011, G 175/10, VfSlg 19.486, Rz 2.4 (2) mwN, insb VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636. 177 Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 225c Rz 12. 178 Art 2 VerschmelzungsRL. 179 S auch Kalss in Kalss, VSU2 § 219 AktG Rz 10; Stengel in Semler/Stengel, UmwG3 § 2 Rz 22 ff. 180 Zu Unterschieden im Detail s Kalss in Kalss, VSU2 § 233 AktG Rz 4. 181 In der Praxis dürften überwiegend Verschmelzungen zur Aufnahme vorkommen. So fand sich unter den von Bayer/Schmidt/Hoffmann (Der Konzern 2012, 225 [227]) deutschlandweit erfassten 568 Verschmelzungen unter Beteiligung deut-

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D. Ablauf

§§ 225b ff öAktG bzw §§ 14 f dUmwG, sodass sich für die Bewertung ex lege keine Abweichungen von der Verschmelzung zur Aufnahme ergeben.182

D. Ablauf 1. Verschmelzungsvertrag Die Vorstände der beteiligten Gesellschaften haben zur Vorbereitung der Verschmelzung einen Verschmelzungsvertrag abzuschließen (§ 222 öAktG: Notariatsaktspflicht;183 § 6 dUmwG: notarielle Beurkundung) oder einen schriftlichen Entwurf desselben aufzustellen184 (§ 220 Abs 1 öAktG, § 4 dUmwG; vgl Art 5 VerschmelzungsRL). Der zwingende ­Mindestinhalt des Vertrags ergibt sich aus § 220 Abs 2 öAktG bzw § 5 dUmwG. Als essentialium negotium und wichtigsten Punkt185 hat der Vertrag gem § 220 Abs 2 Z 3 öAktG bzw § 5 Abs 1 Z 3 dUmwG das Umtauschverhältnis und gegebenenfalls die Höhe der baren Zuzahlungen, das heißt den „Preis“ der Verschmelzung zu enthalten.186 Materielle Anforderungen an das Umtauschverhältnis stellen § 220 Abs 2 Z 3 öAktG bzw § 5 Abs 1 Z 3 dUmwG nicht auf; diese ergeben sich vielmehr aus § 220b Abs 4 und § 225c Abs 1 öAktG bzw aus § 12 Abs 2 und §§ 14 f dUmwG. Der Vertrag wird im Außenverhältnis erst durch den Beschluss der Hauptversammlung wirksam (vgl § 221 Abs 1 öAktG; § 13 Abs 1 dUmwG).187 scher AG, KGaA und SE im Zeitraum von 25.04.2007 bis 31.12.2009 nur eine einzige Verschmelzung zur Neugründung (Bayer/Schmidt/Hoffmann, Der Konzern 2012, 225 [227]). 182 S aber zur asymmetrischen Antragslegitimation im Spruchverfahren unten Kapitel V.B.2 [231]. 183 Jüngst die hM bestätigend OGH 20.02.2104, 6 Ob 21/14b, RWZ 2014, 191; ausführlich Grünwald in FS Jud (2012) 139 (150 ff mwN). 184 Dazu Grünwald, GesRZ 1997, 172 (173 ff); zum Ablauf der Verschmelzung im Überblick Karollus/Kaindl in Pernsteiner/Mittermair, Handbuch Fusionen 629 (632 ff). 185 Vgl Kalss in Kalss, VSU2 § 220 AktG Rz 20; Priester, DNotZ 1995, 427 (438): die Festlegung des Umtauschverhältnisses sei das „prinzipiell Delikateste“ am Vertragsinhalt; s auch Drygala in Lutter, UmwG5 § 5 Rz 25; Wicke in FS Stilz (2014) 707 (707); Winner, Wert und Preis 403; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 158; Günther, AG 1968, 98 (99): „der wichtigste und zugleich der neuralgische Punkt des Verschmelzungsvertrags“; vgl Schröer in Semler/Stengel, UmwG3 § 5 Rz 25. 186 Vgl Lichtenberger, RWZ 1995, 335 (336 mwN). 187 Kalss in Kalss, VSU2 § 220 AktG Rz 13; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220 Rz 3 f; Drygala in Lutter, UmwG5 § 4 Rz 12; N. Zimmermann in Kallmeyer,

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften

2. Prüfungs- und Berichtspflichten a) Bericht des Vorstands Zur Vorbereitung der Verschmelzung bestehen umfangreiche Informations- und Prüfungspflichten.188 Die Vorstände haben einen „ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstatten“ (§ 220a öAktG;189 § 8 dUmwG; vgl Art 9 VerschmelzungsRL).190 In diesem ist das Umtauschverhältnis „rechtlich und wirtschaftlich“ zu erläutern und zu begründen;191 Gegenstand dieses Verschmelzungsberichts sind auch besondere Bewertungsschwierigkeiten.192 b) Verschmelzungsprüfung Der Verschmelzungsvertrag (bzw der Entwurf des Vertrags; nicht aber der Verschmelzungsbericht) ist jeweils durch einen Verschmelzungsprüfer zu prüfen.193 Der Verschmelzungsprüfer wird in Österreich vom Aufsichtsrat der Gesellschaften,194 in Deutschland durch das Gericht195 beUmwG5 § 13 Rz 2; Gehling in Semler/Stengel, UmwG3 § 13 Rz 12; Stratz in ­ chmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 13 Rz 4. S 188 Zur dogmatischen Einordnung dieser Pflichten ins Privatrecht s bereits Hügel, Verschmelzung und Einbringung 140 ff. 189 Dazu Bachner, Bewertungskontrolle 39 ff. 190 Ein gemeinsamer Bericht der Vorstände aller beteiligten Gesellschaften ist in Deutschland schon nach dem Gesetzeswortlaut (§ 8 Abs 1 S 1 Halbsatz 2 dUmwG), in Österreich nach hM zulässig; ErlRV 32 BlgNR 20. GP 99; Kalss in Kalss, VSU2 § 220a AktG Rz 8; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220a Rz 3. 191 Ausführlich Kalss in Kalss, VSU2 § 220a AktG Rz 15; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220a Rz 7; Bachner, Bewertungskontrolle 39 ff; Drygala in Lutter, UmwG5 § 8 Rz 18 ff; Simon in Kölner Komm UmwG § 8 Rz 25 ff; Gehling in Semler/Stengel, UmwG3 § 8 Rz 22 ff; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG5 § 8 Rz 10 ff; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 8 Rz 19 ff; zum Umfang des Berichts s insb BGH 22.06.1989, II ZR 206/88, BGHZ 107, 296, Kochs-Adler, Rz 13. 192 Zur Integration der Bewertungsgutachten in den Verschmelzungsbericht in der Praxis Bungert in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 20 Rz 8; vgl auch Hügel, Verschmelzung und Einbringung 146 ff. 193 Dazu ausführlich WP Hdb II14 Teil F, Rz 208 ff; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht108 § 9 UmwG Rz 17 ff; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 5 ff; Simon in Kölner Komm UmwG § 9 Rz 10 ff; Kalss in Kalss, VSU2 § 220b AktG Rz 22 ff; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220b Rz 10 ff; Bachl, GesRZ 2000, 6 (I), 81 (II); C. Nowotny in FS Egger (1997) 539 (547 f); Zöchling, RWZ 1997, 154; Bitzer, Prüfung des Umtauschverhältnisses, passim; Schmitz, Verschmelzungsprüfung 191 ff; s auch unten Kapitel V.E [374]. 194 Dazu mE zu Recht kritisch Winner/Oberhofer, GesRZ 2007, 34 (39 f); Kalss in Kalss, VSU2 § 220b Rz 7; Hügel, ecolex 1996, 527 (539); de lege ferenda für die Bestellung durch das Gericht auch Kalss in Kalss/Schauer, Gutachten 16. ÖJT 605. 195 Dazu WP Hdb II14 Teil F, Rz 220 ff.

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D. Ablauf

stellt (§ 220b öAktG; §§ 9 bis 12 iVm § 60 dUmwG; vgl Art 10 VerschmelzungsRL). Der Prüfungsbericht196 ist gem § 220b Abs 4 öAktG bzw § 12 Abs 2 dUmwG „mit einer Erklärung darüber abzuschließen, ob das vorgeschlagene Umtauschverhältnis der Aktien und gegebenenfalls die Höhe der baren Zuzahlungen angemessen ist“. Auch auf die Methoden zur Ermittlung des Umtauschverhältnisses ist einzugehen. Einerseits ist die Angemessenheit ihrer Verwendung darzulegen, andererseits sind bei Anwendung mehrerer Methoden die unterschiedlichen Ergebnisse und deren Gewichtung anzugeben. Wie im Verschmelzungsbericht ist auf besondere Schwierigkeiten hinzuweisen, die bei der Bewertung aufgetreten sind.197 Zum Maßstab der Überprüfung s unten Kapitel V.E [374].198 Die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Verschmelzung ist nicht Gegenstand der Prüfung.199 Bei der upstream-Verschmelzung auf die 100 %-Muttergesellschaft sind mangels festzusetzenden Umtauschverhältnisses200 die Angaben gem § 220 Abs 2 Z 3 und 4 öAktG bzw § 5 Abs 1 Z 2 bis 5 dUmwG, der Verschmelzungsbericht (§ 220a öAktG; § 8 dUmwG) und die Verschmelzungsprüfung (§ 220b öAktG; §§ 9 bis 12 dUmwG) entbehrlich (§ 232 Abs 1 öAktG; §§ 5 Abs 2, 8 Abs 3, 9 Abs 2 dUmwG; vgl Art 24 VerschmelzungsRL).201 c) Bericht des Aufsichtsrats (Österreich) Die Verschmelzung ist gem § 220c öAktG – ohne Vorbild in der VerschmelzungsRL oder im dUmwG202 – durch den Aufsichtsrat der übertragenden Gesellschaft zu prüfen.203 Dabei hat er auch zu prüfen, ob das Umtauschverhältnis angemessen ist.204 Bei der übernehmenden Gesellschaft kann die Prüfung durch den Aufsichtsrat entfallen, wenn für den Erwerb von Unternehmen gem § 95 Abs 5 Z 1 öAktG eine Betragsgrenze

196 Zur alten Rechtslage ausführlich Mertens, AG 1990, 20. 197 Ausführlich WP Hdb II14 Teil F, Rz 253 ff; Dirrigl, WPg 1989, 454 (454 ff). 198 Ausführlich WP Hdb II14 Teil F, Rz 201 ff. 199 WP Hdb II14 Teil F, Rz 214; Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 16; Drygala in Lutter, UmwG5 § 9 Rz 12; Kalss in Kalss, VSU2 § 220b Rz 21; Stratz in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 9 Rz 7; vgl Hügel/Zib, JAP 1996/97, 189 (194); Bachner, Bewertungskontrolle 66; s bereits RegE Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz, BTDrucks 9/1065, 16. 200 Bachl, GesRZ 2000, 6 (7); C. Nowotny in FS Egger (1997) 539 (542). 201 S dazu WP Hdb II14 Teil F, Rz 207. 202 Bachner, Bewertungskontrolle 44 f. 203 Ausnahme: upstream-Verschmelzung auf die 100 %-Mutter: s § 232 Abs 1 öAktG. 204 Kalss in Kalss, VSU2 § 220c AktG Rz 13.

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften

festgesetzt wurde und der Buchwert der übertragenden Gesellschaft diese Betragsgrenze nicht überschreitet (§ 220c S 2 öAktG).205 d) Offenlegung der Unterlagen Der Verschmelzungsvertrag (bzw dessen Entwurf) ist – in Österreich mindestens einen Monat vor dem Termin der Hauptversammlung, in Deutschland vor der Einberufung – bei den Firmenbuch-/Registergerichten der beteiligten Gesellschaften einzureichen (§ 221a Abs 1 öAktG; § 61 dUmwG; Art 6 VerschmelzungsRL). Die Offenlegung ist bekanntzumachen (vgl §§ 18, 221a Abs 1a öAktG; abweichend § 61 dUmwG). Folgende Unterlagen sind im gleichen Zeitraum bei jeder beteiligten Gesellschaft bereitzustellen (§ 221a Abs 2 öAktG bzw § 63 dUmwG; vgl Art 11 VerschmelzungsRL): –– Der Verschmelzungsvertrag bzw dessen Entwurf (§ 220 öAktG, §§ 4 bis 7 dUmwG) –– Die Jahresabschlüsse und Lageberichte aller beteiligten Gesellschaften für die letzten drei Geschäftsjahre (Österreich: gegebenenfalls auch Corporate-Governance-Berichte206) –– gegebenenfalls eine Zwischenbilanz (s im Detail § 221a Abs 2 Z 3, Abs 3 f öAktG; § 63 Abs 1 Z 3 dUmwG) –– die Verschmelzungsberichte (§ 220a öAktG; § 8 dUmwG) –– die Prüfungsberichte (§ 220b öAktG; § 12 iVm § 60 dUmwG) Nur in Österreich sind zusätzlich bereit zu stellen: –– gegebenenfalls die geprüfte Schlussbilanz (s im Detail §§ 220 Abs 3, 221a Abs 2 Z 2 öAktG;207 abweichend § 17 Abs 2 dUmwG) –– die Aufsichtsratsberichte (§ 220c öAktG). Die angeführten Unterlagen sind außerdem in der Hauptversammlung aufzulegen (§ 221a Abs 5 öAktG; § 64 Abs 1 dUmwG). Der Vorstand hat über wesentliche Veränderungen der Vermögens- oder Ertragslage einer beteiligten Gesellschaft zwischen der Aufstellung des Verschmelzungsvertrags und der Beschlussfassung zu berichten (§ 221a Abs 5 öAktG;

205 Dazu Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220c Rz 8. 206 Der dem Corporate-Governance Bericht gem § 243b UGB entsprechende Bericht gem § 289a dHGB ist Teil des Lageberichts; materiell bestehen daher insoweit zwischen deutscher und österreichischer Rechtslage keine Unterschiede. 207 Vgl dazu Hügel, Umgründungsbilanzen. Handelsrecht und Steuerrecht (1997) 21 ff.

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D. Ablauf

§ 63 Abs 1 dUmwG). Allfällige Bewertungsgutachten sind weder vor noch in der Hauptversammlung bereitzustellen.208 e) Verzicht Mit Zustimmung sämtlicher Aktionäre aller beteiligten Gesellschaften kann auf den Verschmelzungsbericht (§ 220a öAktG; § 8 dUmwG), die Verschmelzungsprüfung (§ 220b öAktG; §§ 9 bis 12 iVm § 60 dUmwG) und die Informationspflichten gem § 221a Abs 1 bis 3 öAktG bzw §§ 61, 63 dUmwG sowie in Österreich auch auf den Aufsichtsratsbericht (§ 220c öAktG) verzichtet werden (§ 232 Abs 2 öAktG; § 8 Abs 3, 9 Abs 3, 12 Abs 3 dUmwG209).

3. Verschmelzungsbeschluss, Kapitalerhöhung Der Beschluss der Hauptversammlungen erfordert gem § 221 öAktG210 bzw § 13 iVm § 65 dUmwG (vgl Art 7 VerschmelzungsRL) eine Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals (zu Ausnahmen vom Beschlusserfordernis bei der übernehmenden Gesellschaft im Zusammenhang mit Konzernverschmelzungen und sogenannten „Bagatellfällen“211 s § 231 öAktG, § 62 dUmwG212).213 Ein Stimmverbot der übernehmenden oder der übertragenden Gesellschaft gibt es nach zutreffender hM214 weder bei AG215 noch bei GmbH.216 208 Kalss in Kalss, VSU2 § 221a AktG Rz 31; vgl demgegenüber § 3 Abs 5 Z 3 Ges­ AusG, § 2 Abs 3 Z 5 öUmwG. 209 Die Möglichkeit des Verzichts auf die Informationsbereitstellung gem § 61, 63 dUmwG ist in Deutschland nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, wird von der hM aber unter Bezugnahme auf den gesellschafterschützenden Normzweck bzw analog § 8 Abs 3 dUmwG anerkannt, wobei Uneinigkeit über die Formpflicht eines solchen Verzichts besteht: ausführlich Diekmann in Semler/Stengel, UmwG3 § 61 Rz 17, § 63 Rz 3; Grunewald in Lutter, UmwG5 § 61 Rz 7, § 63 Rz 13. 210 Dazu Bachner, Bewertungskontrolle 21 ff. 211 ErlRV 32 BlgNR 20. GP 106. 212 Dazu zB Freytag, BB 2010, 1611 (1612 f). 213 Zum Spannungsfeld von Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz zB Hügel, Verschmelzung und Einbringung 80 ff. 214 Ausführlich Winner, Wert und Preis 408 f mwN. 215 Für Österreich: Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 221 Rz 9; Szep in Jabornegg/Strasser; AktG5 § 221 Rz 8; vgl § 125 öAktG; dazu insb Schmidt-Pachinger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 125 Rz 5; für Deutschland: s insb Diekmann in Semler/Stengel, UmwG3 § 65 Rz 21 mwN; N. Zimmermann in Kallmeyer, UmwG5 § 65 Rz 13. 216 Für Österreich: Baumgartner/Mollnhuber/U. Torggler in U. Torggler, GmbHG § 39 Rz 33 mwN; Rüffler, Lücken 146 f; Kalss in Kalss, VSU2 § 98 GmbHG Rz 11; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 98 Rz 3; für Deutschland insb Diekmann in

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II.  Grundlagen der Verschmelzung von ­Aktiengesellschaften

Soweit mit der Verschmelzung eine Anteilsgewähr einhergeht (zu Ausnahmen s § 224 öAktG, § 68 dUmwG), müssen diese Anteile unter Umständen erst durch eine Kapitalerhöhung (ordentliche Kapitalerhöhung, bedingte Kapitalerhöhung oder genehmigtes Kapital) geschaffen werden (zur Abfindung mit eigenen Anteilen s § 68 Abs 1 S 2 dUmwG, § 224 Abs 3 öAktG). Die Rahmenbedingungen hierfür regelt § 223 öAktG bzw § 69 dUmwG. Eine Sacheinlageprüfung ist nach deutschem Recht in bestimmen Fällen (§ 69 Abs 1 dUmwG),217 in Österreich seit dem GesRÄG 2011218 ausnahmslos durchzuführen.219 Gegenstand dieser Prüfung ist die Frage, ob der Wert des einzubringenden Unternehmens den Wert des geringsten Ausgabebetrags einschließlich barer Zuzahlungen erreicht.220 Die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses wird nicht überprüft.221 In Deutschland sind die aktienrechtlichen Vorschriften zur Nachgründung (§ 52 dAktG) nach Maßgabe von § 67 dUmwG anwendbar. In Österreich ist nach hM keine Nachgründungsprüfung (§ 45 öAktG) durchzuführen.222

4. Anmeldung, Eintragung Die Verschmelzung ist von den Vorständen jeder beteiligten Gesellschaft zur Eintragung ins jeweilige Firmenbuch bzw Handelsregister anzumel-

Semler/Stengel, UmwG3 § 65 Rz 21 mwN; zur materiellen Beschlusskontrolle s unten bei FN 1177. 217 Bei Verschmelzungen von AG ist gem § 69 dUmwG nur dann eine Sacheinlagenprüfung durchzuführen, „wenn Vermögensgegenstände in der Schlussbilanz eines übertragenden Rechtsträgers höher bewertet wurden als in dessen letzter Jahresbilanz, wenn die in einer Schlussbilanz angesetzten Werte nicht als Anschaffungskosten in den Jahresbilanzen der übernehmenden Gesellschaft angesetzt werden oder wenn das Gericht Zweifel hat, ob der Wert der Sacheinlage den geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien erreicht“; dazu ausführlich WP Hdb II14 Teil F, Rz 303 ff; zum Verzicht auf die Sacheinlageprüfung bei der Kapital­ erhöhung unabhängig von einer Verschmelzung s auch §§ 33a, 183a dAktG und dazu Watrin/Stöver, WPg 2012, 999 (1000 ff). 218 ÖBGBl I 2011/53. 219 Dazu ausführlich Grünwald in FS Jud (2012) 139 (155 ff mwN), vgl Schimka/ Schörghofer, RWZ 2011, 257 (258); Potyka/Winner, GesRZ 2011, 209 (211); vgl Art 31 KapitalRL; unten FN 999. 220 Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 223 AktG Rz 12; Grunewald in Lutter, UmwG5 § 69 Rz 8; Diekmann in Semler/Stengel, UmwG3 § 69 Rz 12. 221 Kalss in Kalss, VSU2 § 223 AktG Rz 10; s auch unten Kapitel IV.B.1.a) [173]. 222 Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 223 Rz 20; s auch Ettel in Doralt/Nowotny/ Kalss, AktG2 § 45 FN 28.

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D. Ablauf

den (§ 225 öAktG; §§ 16 f dUmwG223). Der Kapitalerhöhungsbeschluss sowie die Durchführung der Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft sind ebenfalls anzumelden (§§ 151, 155 iVm §§ 223, 225a Abs 1 S 1 öAktG; §§ 184, 188 dAktG, § 69 Abs 2 dUmwG). Durch die Eintragung (zu Zuständigkeit und Verfahren s § 225a öAktG, § 19 dUmwG) geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über (§ 225a Abs 3 Z 1 öAktG; § 20 Abs 1 Z 1 dUmwG). Die übertragende Gesellschaft erlischt ipso iure (§ 225a Abs 3 Z 2 öAktG; § 20 Abs 1 Z 1 dUmwG). Die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft werden ex lege Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft (§ 225a Abs 3 Z 3 öAktG; § 20 Abs 1 Z 3 dUmwG; zum Aktienumtausch s § 225a Abs 2, 4 öAktG, §§ 71 f dUmwG).224 Durch die Eintragung heilen außerdem Beurkundungsmängel des Verschmelzungsvertrags (§ 225a Abs 3 Z 4 öAktG; § 20 Abs 1 Z 4 dUmwG225). Gläubiger genießen bloß einen der Eintragung der Verschmelzung nachgelagerten Schutz (s dazu § 226 öAktG; § 22 dUmwG). Nach der Eintragung unterliegt die Verschmelzung einem erhöhten Bestandsschutz. Gem § 230 Abs 2 S 1 öAktG bzw § 20 Abs 2 dUmwG (vgl Art 22 VerschmelzungsRL) lassen Mängel der Verschmelzung die Eintragungswirkungen unberührt.226 Statt Anfechtung oder Nichtigkeit des Verschmelzungsbeschlusses kann Schadenersatz begehrt werden (§ 230 Abs 2 S 2 öAktG; vgl §§ 28, 16 Abs 3 dUmwG).

223 Zum Freigabeverfahren im Zusammenhang mit Bewertungsrügen ausführlich J. Vetter in FS Maier-Reimer (2010) 819 (824 ff). 224 Vgl Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 225a Rz 17; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 225a Rz 12 ff; Kübler in Semler/Stengel, UmwG3 § 20 Rz 74; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 20 Rz 96; Grunewald in Lutter, UmwG5 § 20 Rz 61; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG5 § 20 Rz 39. 225 Nach der deutschen Regelung heilt durch die Eintragung ausdrücklich auch das Fehlen gegebenenfalls erforderlicher Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen einzelner Aktionäre. 226 Der Kreis erfasster Mängel ist weit; nach dem Zweck der jeweiligen Norm ist aber zu differenzieren. So wirken zB kartellrechtliche Fusionsverbote dennoch auf die Verschmelzung, weil deren Zweck gerade die Verhinderung bestimmter Zusammenschlüsse erfasst; vgl Kalss in Kalss, VSU2 § 230 AktG Rz 17; ausführlich zum Ganzen Napokoj, GES 2007, 231 (232 ff).

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis A. Definition und Problemstellung Das Umtauschverhältnis (einschließlich allfälliger barer Zuzahlungen227) ist die zentrale Komponente228 der Verschmelzung. Es drückt aus, wie viele Aktien an der übernehmenden Gesellschaft (plus gegebenenfalls bare Zuzahlungen) pro Aktie der übertragenden Gesellschaft gewährt werden.229 Das Umtauschverhältnis hat grundsätzlich230 „angemessen“ zu sein. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen über die Verschmelzungsprüfung (§ 220b Abs 4 öAktG; § 12 Abs 2 dUmwG; Art 10 Abs 2 VerschmelzungsRL), über den Anfechtungsausschluss (§ 225b öAktG; § 14 Abs 2 dUmwG) und über das nachgelagerte Überprüfungsverfahren (§§ 225c ff öAktG; § 15 dUmwG, § 1 Z 4 SpruchG).231 Die verschmelzungsrechtlichen Schutzmechanismen sollen die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses gewährleisten.232 Den Aktionären steht ein Anspruch auf bare Zuzahlungen (im Folgenden: „Ausgleichszuzahlungen“) zu, wenn das Umtauschverhältnis oder die allfälligen baren Zuzahlungen nicht angemessen festgelegt sind (§ 225c Abs 1 öAktG; § 15 Abs 1 dUmwG233). 227 Soweit nicht ausdrücklich angeführt, wird im Folgenden von einem Umtauschverhältnisses im weiteren Sinne ausgegangen, das die a priori festgelegten baren Zuzahlungen mit einschließt. 228 S oben bei FN 185; vgl auch Winner, Wert und Preis 403. 229 Kalss in Kalss, VSU2 § 220 AktG Rz 19; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220 Rz 8; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 95; Schröer in Semler/Stengel, UmwG3 § 5 Rz 25 f. 230 Ein unangemessenes Umtauschverhältnis ist weder schlechthin verboten noch ein Eintragungshindernis (Welf Müller in Kallmeyer, UmwG5 § 5 Rz 18). Stimmen die Aktionäre trotz negativen Angemessenheitstestats des Verschmelzungsprüfers der Verschmelzung zu und stellen sie nicht fristgerecht (§ 225e Abs 2 öAktG: 1 Monat ab Bekanntmachung Eintragung; § 4 Abs 1 Z 4 SpruchG: 3 Monate ab Eintragung) einen Überprüfungsantrag oder – im Fall der Aktionäre der deutschen übernehmenden Gesellschaft – fechten sie den Verschmelzungsbeschluss nicht wegen eines unangemessenen Umtauschverhältnisses an, bleibt es beim unangemessenen Umtauschverhältnis. 231 Vgl die Parallelbestimmungen im schweizerischen Recht: Art 7 Abs 1, Art 105 Abs 1 FusG. 232 S für alle Kalss in Kalss, VSU2 § 219 AktG Rz 7: „Die Kontrolle der ‚Angemessenheit‘ dieser Festlegung (dh des Umtauschverhältnisses) ist das zentrale Anliegen des Verschmelzungsrechts“; vgl Fonk in Semler/Stengel, UmwG3 § 174 Rz 22 mwN: Angemessenheit der Gegenleistung zählt zu den maßgeblichen Grundsätzen des Umwandlungsrechts. 233 S unten Kapitel III.B.4 [38] und Kapitel V.A [223].

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

„Angemessen“234 bedeutet „richtig bemessen“, „adäquat“235.236 Der Wortlaut der Norm ist wenig aufschlussreich. Das Gesetz liefert keine nähere Präzisierung.237 Beim „angemessenen Umtauschverhältnis“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.238 Bereits der Begriffskern239 ist „wertausfüllungsbedürftig“ (Wertbegriff;240 Generalklausel241).242 Er ist durch den Rechtsanwender im Sinne der Wertungen des Gesetzgebers zu konkretisieren.243 Dies soll im Folgenden geschehen.244

B. Historie und Normzweck 1. Einführung Anzusetzen ist bei der Regelungshistorie und beim Gesetzeszweck. Auf die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses wird sowohl bei der Ver234 Zur Angemessenheit in der englischen und französischen Fassung der VerschmelzungsRL s FN 287. 235 Vgl lateinisch „adaeqare“: gleichmachen, gleichstellen; http://de.pons.com/%C3%BCbersetzung?q=adaequare&l=dela&in=&lf=la [21.08.2016]. 236 http://www.duden.de/rechtschreibung/angemessen [21.08.2016]. 237 Vgl Welf Müller in Kallmeyer, UmwG5 § 9 Rz 24, mit der missverständlichen Schlussfolgerung, dass „die an die Angemessenheit anzulegenden Sollvorgaben […] sich nicht aus dem Gesetz, sondern aus den Grundsätzen der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung, soweit sie allgemein anerkannt sind, und aus der Rechtsprechung“ ergäben. Das trifft im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zu; s dazu ausführlich gleich unten und Kapitel V.C.2.d) [252]. 238 Zutreffend zum Angemessenheitsbegriff bei der Eingliederung OLG München 26.07.2007, 31 Wx 99/06, AG 2008, 461, Rz 14: „Die Frage der Angemessenheit ist nicht Tat-, sondern Rechtsfrage; dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt“ unter Verweis auf Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 62 mwN; Wilske in Kölner Komm AktG3 § 12 SpruchG Rz 84; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG Anh § 11 Rz 11; Kollrus, MDR 2012, 66 (66); vgl zur Rechtslage vor dem dUmwG in der geltenden Fassung bereits Möller, Verschmelzungs­beschluss 43; Hommelhoff, JbFSt 1987/1988, 181 (184 f); Ossadnik, DB 1985, 1953 (1953); vgl Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 31. 239 Heck, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz (1914) 173. 240 Kramer, Methodenlehre4 68 mwN; F. Bydlinski, Methodenlehre2 124. 241 Kramer, Methodenlehre4 69 ff (zum Begriff „angemessen“ in anderem Kontext insb 72). 242 Kramer, Methodenlehre4 69 mwN; Larenz, Methodenlehre6 223 f; für den Angemessenheitsbegriff beim Squeeze-out, bei dem es sich ebenfalls um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, hat dies der österreichische Gesetzgeber ausdrücklich in den Materialien festgehalten: Erl­RV GesAusG 1334 BlgNR 22. GP 28. 243 Kramer, Methodenlehre4 69; vgl Larenz, Methodenlehre6 223 f, 288 ff: „ausfüllungsbedürftiger Wertungsmaßstab“; Larenz/Canaris, Methodenlehre3 44 f, 109 ff. 244 Vgl Winner in FS H. Torggler (2013) 1371 (1372).

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B.  Historie und Normzweck

schmelzungsprüfung245 (Teil des a priori-Schutzsystems) als auch im a posteriori-Schutzsystem246 (Anfechtungsausschluss; Spruch- [Deutschland] bzw Überprüfungsverfahren [Österreich])247 abgestellt. Beide Schutzsysteme wurden in Deutschland und in Österreich jeweils gemeinsam mit der Umsetzungsgesetzgebung zur VerschmelzungsRL248 eingeführt.249 Während aber das Angemessenheitsgebot im a priori-Schutzsystem250 direkt auf die VerschmelzungsRL zurückgeht,251 ist die Überprüfung a posteriori ohne Grundlage in der VerschmelzungsRL.252 Daher ist zunächst zu prüfen, ob das Angemessenheitsgebot dennoch einheitlich auszulegen ist. Anschließend sind die historische Entwicklung und der Normzweck zu analysieren.

2. Einheitliches Angemessenheitsgebot Für das österreichische Recht indiziert der übereinstimmende Wortlaut der Zielvorgaben bei der Verschmelzungsprüfung und im Überprüfungsverfahren („angemessen“: § 220b Abs 4 öAktG, § 225b, § 225c Abs 1 öAktG), dass das Gesetz ein einheitliches Angemessenheitsgebot normiert. Die deutschen Parallelbestimmungen zum Anfechtungsausschluss und zum Anspruch auf Ausgleichszuzahlungen (§ 14 Abs 2, § 15 245 § 220b Abs 4 öAktG; § 12 Abs 2 dUmwG; Art 10 Abs 2 VerschmelzungsRL. 246 S oben Kapitel III.A [29] bei FN 231. 247 § 225b öAktG; § 14 Abs 2 dUmwG; §§ 225c ff öAktG; § 15 dUmwG, § 1 Z 4 SpruchG. 248 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl L 1978/295, 36; nunmehr Richtlinie 2011/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl L 2011/110, 1. 249 Deutschland: Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz 1982; Österreich: EU-GesRÄG; ausführlich oben Kapitel II.B.2.d) [17] und II.B.1.d) [12]. 250 Dazu gehören die Pflicht zur Aufstellung und Offenlegung eines schriftlichen Verschmelzungsplans mit bestimmten Mindestangaben (Art 5 f VerschmelzungsRL), das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlungen der beteiligten Gesellschaften (Art 7 f VerschmelzungsRL), die Erstellung eines Verschmelzungsberichts durch die Vorstände (Art 9 VerschmelzungsRL) sowie die Prüfung der Verschmelzung durch unabhängige Verschmelzungsprüfer (Art 10 VerschmelzungsRL). 251 Explizit auf die Angemessenheit abstellend Art 5 Abs 2 lit b, Art 9 Abs 1, Art 10 Abs 2 VerschmelzungsRL. Dass bei der Verschmelzungsprüfung im Gegensatz zur finalen Fassung der VerschmelzungsRL in den Entwürfen (unten FN 266, 277, 281) statt vom „angemessenen“ noch vom „gerechtfertigten“ Umtauschverhältnis die Rede war, ist weniger für den Normzweck, sondern vielmehr im Zusammenhang mit der Hinwendung zur Methodenoffenheit der Bewertung relevant. S dazu unten Kapitel III.B.3.c) [36]. 252 Vgl Adolff, ZHR 173 (2009) 67 (76 f).

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

Abs 1 dUmwG) stellen zwar nicht auf ein „nicht angemessenes“,253 sondern auf ein „zu niedriges“ Umtauschverhältnis ab. Der Maßstab soll nach hM aber weder von der VerschmelzungsRL noch vom österreichischen Verschmelzungsrecht254 abweichen.255 Dies bestätigen die Materialien zum Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz,256 wonach der historische Gesetzgeber mit der Einführung des Spruchverfahrens nichts anderes als – wörtlich – eine „Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses“ bezweckte.257 Bestätigt wird dies durch die Gleichheit der Schutzzwecke258 und den engen systematischen Zusammenhang zwischen vor- und nachgelagerter Überprüfung. Die zeitgleiche Normierung259 der Schutzsysteme a priori und a posteriori unterstreicht den Befund.260 Der in Terminologie („angemessen“) und Verfahren (Spruch- bzw Überprüfungsverfahren) enge Bezug zu §§ 12 f dUmwG 1956, §§ 305 f, § 320 dAktG 1965 bzw § 8 Abs 2 öUmwG steht dem nicht entgegen. Im deutschen und österreichischen Verschmelzungsrecht gilt ein daher einheitliches Gebot des angemessenen Umtauschverhältnisses, das den Prüfungsmaßstab sowohl a priori als auch a posteriori vorgibt. Der Inhalt dieses Angemessenheitsgebots ist aus einer synoptischen Interpretation der beiden Regelungsstränge zu gewinnen, die in den folgenden Abschnitten zu leisten ist. Der herausgearbeitete Gleichlauf von Verschmelzungsprüfung und Überprüfung a posteriori bezieht sich zunächst nur auf das Angemessenheitsgebot als materielle Zielvorgabe. Abweichungen könnten sich aus der unterschiedlichen Rechtsstellung des Verschmelzungsprüfers und des überprüfenden Gerichts ergeben. Sie sind nicht hier, sondern bei der Untersuchung der Prüfungstiefe zu behandeln.261 253 Als direkten Gegensatz zu § 12 Abs 2 dUmwG; Art 10 Abs 2 VerschmelzungsRL; vgl § 220b Abs 4 öAktG. 254 Vgl bereits Becker, AG 1988, 223 (230); s auch unten Kapitel III.E [148]. 255 Zutreffende hM; zB Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht116 § 15 UmwG Rz 60; s auch Junker in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht3 § 15 UmwG Rz 3; zur fehlenden Konsequenz der Formulierung für den Anwendungsbereich des Anwendungsausschlusses s unten Kapitel V.B.2.a) [231] bei FN 1566. 256 BT-Drucks 9/1065, 20. 257 Vgl BT-Drucks 9/1065, 15, 20; vgl zur Problematik auch Dirrigl, WPg 1989, 413 (421) unter Bezugnahme auf §§ 304 f dAktG aF; § 12 Abs 2 dUmwG. 258 Unten Kapitel III.B.3.d) [37] bei FN 290 und Kapitel III.B.4 [38] bei FN 309. 259 Oben Kapitel III.B.1 [30] bei FN 249. 260 Nur im Hinblick auf die Überprüfung, nicht aber betreffend des Maßstabs an sich einschränkend Fleischer/Bong, NZG 2013, 881 (886): aus § 12 dUmwG ließen sich „keine Vorgaben für die gerichtliche Angemessenheitskontrolle gewinnen“. 261 Dazu unten Kapitel V.E [374].

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B.  Historie und Normzweck

3. Angemessenheitsgebot in der Verschmelzungsrichtlinie a) Grundlagen Die Verschmelzungsprüfung ist in Art 10 VerschmelzungsRL geregelt und wurde durch § 9 ff dUmwG,262 § 220b öAktG ins nationale Recht umgesetzt. Sie bildet die zentrale Komponente des a priori Schutzsystems. Das wesentliche Ergebnis der Prüfung besteht gem Art 10 Abs 2 VerschmelzungsRL in einem Testat263 des Verschmelzungsprüfers über die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses.264 Die Verschmelzungsprüfer müssen in ihrem Bericht erklären, ob das Umtauschverhältnis „angemessen“ ist. Zu erklären ist, „a) nach welcher oder welchen Methoden das vorgeschlagene Umtauschverhältnis bestimmt worden ist; b) ob diese Methode oder Methoden im vorliegenden Fall angemessen sind und welche Werte sich bei jeder dieser Methoden ergeben; zugleich ist Stellung zu nehmen, welche relative Bedeutung diesen Methoden bei der Bestimmung des zugrunde gelegten Wertes beigemessen wurde.“265 Art 10 Abs 2 VerschmelzungsRL ist also sedes materiae des europarechtlich determinierten Angemessenheitsgebots. Anhand der Entstehungsgeschichte der VerschmelzungsRL ist nachfolgend zu klären, was danach unter „angemessen“ und „Methoden“ zu verstehen ist. b) Entwurfsfassungen Das „angemessene“ Umtauschverhältnis war nicht Bestandteil des ersten Richt­linienentwurfs266 der Kommission aus 1970. Die Formulierungen zur Erläuterung des Umtauschverhältnisses im – dort noch „Fusions262 Ursprünglich § 340b dAktG idF dBGBl I 1982/1425. 263 Vgl BT-Drucks 9/1065, 17. 264 WP Hdb II14 Teil F, Rz 254; ausführlich oben Kapitel II.D.2.b) [22] und unten Kapitel V.E [374]. Auch im Verschmelzungsbericht ist das Umtauschverhältnis „rechtlich und wirtschaftlich“ zu erläutern und zu begründen; zudem ist „auf besondere Schwierigkeiten hinzuweisen, die bei der Bewertung aufgetreten sind“; dazu oben Kapitel II.D.2.a) [22] bei FN 191. 265 Art 10 Abs 2 VerschmelzungsRL; WP Hdb II14 Teil F, Rz 253 ff. 266 Vorschlag einer dritten Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Schutzbe­ stimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter bei ­Fu­sionen von Aktiengesellschaften vorgeschrieben sind (KOM[1970] 633 Final), ABl C 1970/89, 20; zur Dokumentation der Entstehungsgeschichte: http://ec.europa.eu/prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=de&DosId=129989 [21.08.2016].

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

plan“ genannten – Verschmelzungsplan267 und in den Vorstandsberichten268 entsprachen zwar bereits jener in der nunmehr gültigen VerschmelzungsRL. Die Anforderungen an den Bericht der Verschmelzungsprüfer wichen aber von der endgültig verabschiedeten Version in Formulierung und Inhalt ab.269 Statt des Testats über die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses forderte der Entwurf eine Erklärung der Sachverständigen, „ob das Umtauschverhältnis der Aktien gerechtfertigt ist oder nicht“.270 Anders als die endgültige Version der Richtlinie schrieb der Entwurf zudem drei „Anhaltspunkte“ vor, durch die diese Erklärung zumindest zu begründen war: „a) das Verhältnis des Reinvermögens der Gesellschaften, ermittelt auf Grundlage der wirklichen Werte; b) das Verhältnis der Ertragswerte unter Berücksichtigung der Zukunftsaussichten; c) die Kriterien zur Bewertung des Reinvermögens und der Ertragswerte“.271 Nach dem Entwurf waren bei der Bewertung also zumindest die Substanz-272 und die Ertragswertmethode anzuwenden und die Bewertungskriterien offen zu legen. Die Ausgestaltung der Verschmelzungsprüfung und des Prüferberichts war im Verlauf der weiteren Verhandlungen zur VerschmelzungsRL Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen: Der Wirtschafts- und Sozialausschuss meldete Bedenken gegen die Fähigkeit der sachverständigen Prüfer an, „die Zukunftsaussichten einer Gesellschaft zu beurteilen“.273 Er forderte eine Pflicht der Gutachter beider Gesellschaften, übereinstimmende – wenngleich nicht in der Richtlinie festgelegte – Bewertungsmethoden zu verwenden.274 Auch der Bericht

267 Art 3 Abs 2 lit b KOM(1970) 633 Final. 268 Art 5 Abs 1 KOM(1970) 633 Final. 269 Dazu Gude, Börsenkurs 52 ff. 270 Art 5 Abs 2 KOM(1970) 633 Final. 271 Art 5 Abs 2 KOM(1970) 633 Final. 272 Auf Basis der wirklichen Werte. 273 Art 5 Anhörung des Wirtschaft- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine dritte Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter bei Fusionen von Aktiengesellschaften vorgeschrieben sind, ABl C 1971/88, 18 (19 f). 274 Art 5 Stellungnahme des Wirtschaft- und Sozialausschusses, ABl C 1971/88, 18 (20).

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B.  Historie und Normzweck

des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum Richtlinienentwurf lässt eine entsprechende Präferenz erkennen.275 Das Europäische Parlament forderte, die Erklärung der Prüfer zur Rechtfertigung des Umtauschverhältnisses um eine zwingende Bezugnahme auf den Vorstandsbericht zu ergänzen. Die Prüfer sollten nach der Entschließung des Europäischen Parlaments auch erklären, ob das Umtauschverhältnis in allen Fällen (gemeint waren wohl verschiedene, aus den Vorstandsberichten ersichtliche Szenarien) gerechtfertigt sei.276 Zur Bemessung des Umtauschverhältnisses („Angemessenheit“) oder zur Bewertung an sich enthält die Entschließung keine Angaben. Die Kommission legte 1973 einen geänderten Richtlinienentwurf vor.277 Der Entwurf enthielt im Hinblick auf die materiellen Anforderungen an das Umtauschverhältnis und auf die Berichts- und Prüfungspflichten keine wesentlichen Änderungen. Der Vorschlag des Europäischen Parlaments278 wurde nicht umgesetzt. Die Anpassungen waren überwiegend terminologischer Natur.279 Die Kommission erstellte nach einer weiteren Stellungnahme des Europäischen Parlaments280 einen zweiten geän-

275 Vgl BT-Drucks 6/3071, 2. 276 Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine dritte Richtlinie des Rates zu Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten der Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter bei Fusionen von Aktiengesellschaften vorgeschrieben sind, ABl C 1972/129, 50 (53): „In ihrem Bericht müssen die Sachverständigen in jedem Fall zur Richtigkeit der in dem Bericht des Ver­ waltungsorgans enthaltenen Fakten und zur Angemessenheit seiner Schlussfolgerungen Stellung nehmen und erklären, ob das Umtauschverhältnis in allen Fällen gerechtfertig [sic!] ist. Diese Erklärung ist durch Angaben zumindest zu den folgenden Bewertungskriterien zu begründen [… wie bisher, Anm]“. 277 Geänderter Vorschlag einer Dritten Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter bei Fusionen von Aktiengesellschaften vorgeschrieben sind (KOM[1972] 1688 Final), unveröffentlicht; bezogen über das Archiv der Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/historical_archives/index_de.htm [21.08.2016]. 278 S oben bei FN 276. 279 S Art 5 KOM(1972) 1688 Final. 280 Resolution sur la proposition modifiée de la Commission des Communautés europeennes au Conseil relative à une troisième directive tendant à coordonner les garanties qui sont exigées dans les états membres des sociétés, au sens de l’article 58 paragraphe 2 du traité, pour proteger les interêts, tant des associés, que des tiers, en ce qui concerne les fusions de sociétés anonymes, ABl C 1975/95, 12.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

derten Richtlinienvorschlag.281 Für das Umtauschverhältnis und die Verschmelzungsprüfung ergaben sich dadurch keine materiellen Änderungen. Die „Angemessenheit“ des Umtauschverhältnisses war nach wie vor nicht Gegenstand der Richtlinie. c) Endgültige Fassung Die endgültige Fassung der VerschmelzungsRL282 wurde 1978 vom Rat der Europäischen Gemeinschaften angenommen. Mit ihr erhielt die Verschmelzungsprüfung ihre bis heute gültige Fassung.283 Sie stellt – im ­Gegensatz zu allen vorigen Entwürfen – maßgeblich auf die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses ab und ist völlig methodenoffen gehalten. Zum Abgehen von der Methodenvorgabe dürfte letztlich die Erkenntnis über die laufende Fortentwicklung der Betriebswirtschaftslehre geführt haben.284 Die endgültige Formulierung von Art 10 der VerschmelzungsRL wurde entscheidend durch eine Stellungnahme der Belgischen Delegation beeinflusst. Die Stellungnahme betraf die Parallelbestimmung im Entwurf der Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen. Die Delegation wies auf die fehlende Präzision der Bewertungskonzepte „Reinvermögen“ und „Ertragswert“ hin, die in Art 5 Abs 2 des ersten Kommissionsentwurfs enthalten waren.285 Die nach den beiden Metho281 Zweiter geänderter Vorschlag einer dritten Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter bei Fusionen von Aktiengesellschaften vorgeschrieben sind (KOM[1975] 671 Final), unveröffentlicht; bezogen über das Archiv der Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/historical_archives/index_de.htm [21.08.2016]. 282 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktien­ gesellschaften, ABl L 1978/295, 36; nunmehr Richtlinie 2011/35/EU des Euro­ päischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl L 2011/110, 1; 1978 teilweise Annahme unter Ausklammerung der Regelung über die Spaltung; diese traten erst 1982 mit der SpaltungsRL (FN 118) in Kraft. 283 S oben bei FN 265. 284 Vgl Ganske, DB 1981, 1551 (1553, insb FN 25); ausführlich Schmitz, Verschmelzungsprüfung 61 f; vgl auch Hügel, Verschmelzung und Einbringung 195 mwN; allgemein Koppensteiner in FS Semler (1993) 485 (490): „[…] es sich nicht empfiehlt, Einzelheiten des heute herrschenden Ertragswertverfahrens zu normieren. Denn bei diesem Verfahren handelt es sich um ein Ergebnis der betriebswirtschaftlichen Theorie, deren Fortentwicklung oder Änderung in der Zukunft nicht ausgeschlossen ist und die deshalb nicht gesetzlich vorgeschrieben werden darf.“ 285 S oben Kapitel III.B.3.a) [33] bei FN 271.

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B.  Historie und Normzweck

den ermittelten Unternehmenswerte würden in vielen Fällen voneinander abweichen oder für die Ermittlung des Umtauschverhältnisses überhaupt ungeeignet sein. Das Umtauschverhältnis sei nach Ansicht der Delegation das Resultat einer Wahl zwischen vielen Alternativen, sowohl der Bewertungsmethoden als auch deren Gewichtung. Die Bestimmung sei daher methodenoffen zu gestalten; stattdessen sei Wert auf die Begründung der Verwendung einzelner Methoden und deren Gewichtung zu legen.286 Die Forderung des Wirtschafts- und Sozialausschusses nach einheitlichen Bewertungsmethoden für alle beteiligten Gesellschaften wurde zwar nicht umgesetzt. Daraus lässt sich mE aber nicht e contrario folgern, dass die VerschmelzungsRL uneinheitliche Bewertungsmethoden erlaubt. Der Streichung der Vorgaben zur Bewertungsmethode fiel eben auch die Anordnung einheitlicher Bewertungsmethoden zum Opfer. Der Wechsel von „gerechtfertigt“ zu „angemessen“287 ist mE durch die Methodenoffenheit bedingt. Die terminologische Anpassung unterstreicht die rechtliche Vorsorge für Ambivalenzen, die der Bewertung inhärent sind.288 „Gerechtfertigt“ bezeichnet ein Testat, das an klar definierten Parametern und mit vorgegebenen Bewertungsmethoden zu messen ist. „Angemessen“ deutet dagegen auf die Methodenoffenheit, die Bewertungsunsicherheiten und die resultierende Bandbreite zulässiger Umtauschverhältnisse hin.289 d) Normzweck und Zwischenergebnis Das Angemessenheitsgebot bei der Verschmelzungsprüfung dient dem Aktionärsschutz. Dies ergibt sich aus den Erwägungsgründen und entspricht dem Zweck der VerschmelzungsRL.290 Die Verschmelzungs­ prüfung soll eine solide Informationsgrundlage für die Stimmabgabe beim Verschmelzungsbeschluss schaffen.291 Die Genesis der Verschmel286 Entwurf und Bericht über den Entwurf eines Übereinkommens über die internationale Verschmelzung von Aktiengesellschaften, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften 1973, Supplement 13/73, 122 f; online verfügbar unter http://aei. pitt.edu/5613/1/5613.pdf [21.08.2016]; vgl Gude, Börsenkurs 54. 287 Vgl englische Fassung der Richtlinie: „fair and reasonable“ (fair und angemessen); französische Fassung: „pertinent et raisonnable“ (zutreffend und vernünftig). 288 Vgl Martens in FS Röhricht (2005) 987 (1003). 289 Vgl Heurung, DB 1997, 837 (838); Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 34. 290 Vgl Erwägungsgründe, KOM(1970) 633 Final, ABl C 1970/89, 20 [FN 266] und Erwägungsgründe zur VerschmelzungsRL, insb Abs 4, 5; WP Hdb II14 Teil F, Rz 202; vgl Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 31; Gude, Börsenkurs 55. 291 S auch oben Kapitel II.D.2 [22].

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

zungsRL lässt zweifelsfrei erkennen, dass die Wertrelation der Gesellschaftsvermögen als entscheidende Maßgröße des Umtauschverhältnisses angesehen wird.292 Die VerschmelzungsRL gibt keine bestimmte Wertermittlungsmethode vor.293 Eine Bandbreite verschiedener Umtauschverhältnisse könnte angemessen sein.294

4. Angemessenheitsgebot bei der Überprüfung a posteriori a) Grundlagen Der Verschmelzungsbeschluss kann nicht mit der Begründung angefochten werden, dass das Umtauschverhältnis oder allfällige bare Zuzah­ lungen unangemessen festgelegt wurden (§ 225b öAktG; § 14 Abs 2 dUmwG). Stattdessen steht den Aktionären ein Anspruch auf Ausgleichszuzahlungen zu. Dessen Höhe ist in einem speziellen Verfahren (Deutschland: Spruchverfahren; Österreich: Überprüfungsverfahren) festzustellen (§ 225c Abs 1 öAktG; § 15 Abs 1 dUmwG; sogenannte Überprüfung a posteriori). Die Regelungen sind ohne Vorbild in der VerschmelzungsRL.295 Nachfolgend sind jene Vorgaben für das Angemessenheitsgebot zu analysieren, die sich aus der Genese dieser Überprüfung a posteriori ergeben. Zum Verfahren ausführlich unten Kapitel V.A [223]. b) Genesis der Überprüfung a posteriori Unmittelbares Vorbild der Überprüfung des Umtauschverhältnisses a posteriori waren die Nachfolgegesetze der Durchführungsverordnungen (DVO) zum UmwG 1934.296 Die (erste) DVO297 zum UmwG 1934 ermöglichte die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine offene Handelsgesellschaft durch Mehrheitsbeschluss.298 Jene Aktionäre, die an der offenen Handelsgesellschaft nicht beteiligt waren, hatten einen Anspruch auf „angemessene Abfindung unter Berücksichtigung des Wertes ihrer Aktien“.299 In der Dritten DVO zum UmwG 1934 wurde für die 292 S oben Kapitel III.B.3.b) [33] und Kapitel III.B.3.c) [36], insb bei FN 271, 286. 293 S oben Kapitel III.B.3.c) [36]. 294 S oben Kapitel III.B.3.c) [36]. 295 Oben Kapitel III.B.1 [30] bei FN 252. 296 Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934, dRGBl I 1934/569. 297 DRGBl I 1934/1262. 298 §§ 2 bis 6 Erste DVO zum UmwG 1934. 299 § 5 der 1. DVO zum UmwG 1934; vgl § 6 Abs 1 Dritte DVO zum UmwG 1934, dRGBl I 1936/1003.

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B.  Historie und Normzweck

Umwandlung durch Mehrheitsbeschluss ein gerichtliches „Spruchverfahren“ normiert, das ausscheidenden Aktionären die Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung ermöglichte.300 Die Nachfolgegesetze (§§ 12 f dUmwG 1956;301 öUmwG 1954302) orientierten sich am UmwG 1934 und den DVO.303 Sie übernahmen sowohl den Maßstab der Angemessenheit (§ 12 dUmwG 1956; § 2 Abs 2 öUmwG 1954304) als auch die Überprüfung a posteriori im Spruch- bzw Überprüfungsverfahren (§§ 13, 30 ff dUmwG 1956; § 8 Abs 2 öUmwG 1954305). Der deutsche Gesetz­ geber übernahm den Angemessenheitsbegriff und das Spruchverfahren mit §§ 305 f, § 320 dAktG 1965 in das neue AG-Konzernrecht.306 Das Verfahren zur Überprüfung a posteriori, das für die Verschmelzung 1982 eingeführt wurde, basiert darauf.307 Der österreichische Gesetzgeber orientierte sich bei der Ausgestaltung der Überprüfung a posteriori im EU-GesRÄG sowohl am deutschen Vorbild als auch am öUmwG 1954.308 c) Normzweck und Zwischenergebnis Die Überprüfung a posteriori dient dem Aktionärsschutz. Das ergibt sich aus den Materialien zum Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz und zum EU-GesRÄG.309 Der Normzweck stimmt demnach mit jenem der Prüfung a priori überein.310 Die historischen Wurzeln der nachgelagerten Überprüfung liegen in den DVO zum UmwG 1934 und deren Nachfolgeregelungen.311 Diese nationalen Ursprungsregelungen des Angemessen-

300 §§ 9 ff Dritte DVO zum UmwG 1934; vgl Wasmann in FS Beuthien (2009) 267 (269). 301 DBGBl I 1956/844. 302 Bundesgesetz vom 7. Juli 1954 über die Umwandlung von Handelsgesellschaften, öBGBl 1954/187. 303 Deutschland: vgl insb die Gegenüberstellung UmwG 1934 und DVO zum Entwurf des dUmwG 1956 in BT-Drucks 2/2402, 19; Österreich: vgl Kalss/Burger/Eckert, Entwicklung 351: dem Spruchverfahren aus 1936 nachempfundenes Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit. 304 Umwandlung durch Übertragung des Unternehmens auf den Hauptgesellschafter. 305 Vgl Kalss/Burger/Eckert, Entwicklung 351: dem Spruchverfahren aus 1936 nachempfundenes Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit. 306 Vgl BT-Drucks 4/171, 226. 307 Vgl BT-Drucks 9/1065, 20; s auch oben Kapitel II.B.1.d) [12]. 308 ErlRV 32 BlgNR 20. GP 100; vgl oben Kapitel II.B.2.d) [17]. 309 ErlRV 32 BlgNR 20. GP 95, 100; BT-Drucks 9/1065, 1, 14 f, 20; vgl Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 31; vgl zu § 29 UmwG: BT-Drucks 12/6699, 94. 310 S oben Kapitel III.B.3.d) [37] bei FN 290. 311 S oben Kapitel III.B.4.b) [38[ bei FN 296.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

heitsgebots stellten ähnlich wie die VerschmelzungsRL312 auf den Wert­ erhalt ab.313

C. Gebot der Wertäquivalenz 1. Einführung „Angemessenes Umtauschverhältnis“ bedeutet im deutschen Recht nichts anderes als im österreichischen Recht.314 Bei der Zielvorgabe bestehen auch keine Unterschiede zwischen der Überprüfung a priori und  a posteriori.315 Beide Schutzsysteme dienen dem Aktionärsschutz und zielen auf den Werterhalt ab.316 Diese Vorgaben sind nunmehr im Lichte der hM und der Rechtsprechung näher zu präzisieren. Auszugehen ist von der verfassungsrechtlichen Dimension des Anteilstauschs.317 Hierauf aufbauend sind konkrete Vorgaben für den Schutz des Aktionärs­ interesses,318 für die Typisierung des Schutzsubjekts,319 für den Bewertungsstichtag320 und für die Aufteilung von Synergieeffekten321 zu entwickeln.

2. Grundsatz a) Entwicklung und Meinungsstand (1) Verfassungsrechtliche Vorgaben Das Angemessenheitsgebot ist verfassungsrechtlich determiniert.322 Denn das Aktieneigentum unterliegt als „vermögenswertes Privatrecht“323 („gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum“) dem verfas312 S oben Kapitel III.B.3.d) [37] bei FN 292. 313 S oben Kapitel III.B.4.b) [38], insb bei FN 299. 314 S oben Kapitel III.B.2 [31]. 315 S oben Kapitel III.B.2 [31]. 316 S oben Kapitel III.B.3.d) [37] und Kapitel III.B.4.c) [39]. 317 S gleich unten Kapitel III.C.2.a)(1) [40]. 318 S unten Kapitel III.C.2.b) [49]. 319 S unten Kapitel III.C.3 [55]. 320 S unten Kapitel III.C.4 [63]. 321 S unten Kapitel III.C.5 [70]. 322 Vgl allgemein Hüttemann in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 1 Rz 29 ff; das muss nicht zwingend so sein: s dazu den internationalen Rechtsvergleich von Fleischer in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 31 Rz 37 f; Fleischer/Maugeri, RIW 2013, 24 (26 f). 323 Vgl Korinek in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht: Textsammlung und Kommentar (1999 ff, 5. Lfg 2002) Art 5 StGG Rz 18:

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

sungsrechtlich geschützten Grundrecht auf Eigentum (Art 14 Abs 1 GG324 [Deutschland]; Art 5 StGG325 [Österreich]; Art 1 1. ZPMRK326; Art 17 GRC327).328 Der Schutzbereich von Art 14 Abs 1 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG betroffen, „wenn der Aktionär seine in der Aktie verkörperte Rechtsposition verliert oder diese in der Substanz verändert wird.“ 329 Die Verschmelzung führt nach Ansicht des BVerfG zwar zu einem solchen Grundrechtseingriff; bei den Verschmelzungsnormen handelt es sich aber um zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmun-

„auf einem Privatrechtstitel beruhende vermögenswerte Ansprüche“; für Deutschland: „vermögenswerte Rechtsposition“: Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz-­ Kommentar59 (2010) Art 14 Rz 160 ff. 324 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, dBGBl III 100-1. 325 Staatsgrundgesetz, öRGBl 1867/142. 326 1. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention vom 20.3.1952, Ratifikation: Österreich: öBGBl 1958/210, Verfassungsrang durch öBGBl 1964/59; Deutschland: dBGBl II 1957/226; vgl OGH RS0115439: „Art 1 des 1. ZPMRK gibt eine Garantie auf alle geldwerten Rechtspositionen und schützt das begründete Vertrauen auf die Erhaltung einer solchen Position.“ 327 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl C 2012/326, 391; s auch Art 6 AEUV, Art 52 Abs 3 GRC; weil „Angemessenheit“ auch der VerschmelzungsRL zentral zugrunde liegt und die nationalen Gesetzgeber daher insoweit bei der Verschmelzungsgesetzgebung Unionsrecht durchführen, ist auf den Eigentumsbegriff der GRC Rücksicht zu nehmen. Dass die VerschmelzungsRL nur den ex ante Maßstab regelt, spielt wegen des einheitlichen Angemessenheitsbegriffs keine Rolle: s Kapitel III.B.2 [31]. 328 BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 15; BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 9; BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/ Altana, Rz 42; grundlegend BVerfG 07.08.1962, 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, Feldmühle, Rz 47, 51; zum Ganzen eingehend Schoppe, Aktieneigentum 68 ff; Mülbert in FS Hopt I (2010) 1040 (1044 ff); Klöhn, Abfindungsansprüche 80 ff; Naschke, Börsenkurs 41 ff; Aschauer, Gesellschafterausschluss 133 mwN; Hüffer/ Schmidt-Aßmann in Hüffer ea, Anteilseigentum 1 (42 ff); allgemein Stumpf, NJW 2003, 9 (10 ff); Schön in FS Ulmer (2003) 1359 (1362 ff); Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar59 (2010) Art 14 Rz 195 mwN; Fleischer, DNotZ 2000, 876; für Österreich s zB OGH RS0113323: „Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff wird weit verstanden und umfasst nach ständiger Rechtsprechung der ­Gerichtshöfe öffentlichen Rechts jedes vermögenswerte Privatrecht, wozu auch konkrete vermögenswerte Interessen gehören“; s auch Danninger, Schiedswertermittlung 91 ff. 329 BVerfG 11.07.2012, 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BB 2012, 2010, Rz 52, zum (eingeschränkten) Schutz der Verkehrsfähigkeit Rz 57 ff [reguläres Delisting]; vgl BGH 08.10.2013, II ZB 26/12, WM 2013, 2213, Frosta; vgl BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

gen,330 die im Lichte des Grundrechts auf Eigentum verfassungskonform auszulegen sind331 („mittelbare Drittwirkung“332).333 Das BVerfG hat in seinem grundlegenden Feldmühle-Urteil334 aus 1962, das die Umwandlung auf den Mehrheitsgesellschafter unter Ausschluss der Minderheitsaktionäre betraf, zentrale Leitsätze zu den verfassungsmäßigen Vorgaben für die Entschädigung entwickelt.335 Diese wurden inzwischen durch DAB/Hansa,336 Wüstenrot und Württembergische AG,337 Kuka,338 Deutsche Telekom AG/T-Online International AG339 und DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG340 in ständiger Rechtsprechung 330 BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 25; BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 19 [Nichtannahmebeschluss, § 15 dUmwG]; BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/ Hansa, Rz 12; Mülbert in FS Hopt I (2010) 1040 (1045); vgl allgemein Schoppe, Aktieneigentum 41 ff; Axer in Epping/Hillgruber (Hrsg), Beck’scher Online-Kommentar-GG29 (2015) Art 14 GG Rz 84 ff. 331 Baums, Verschmelzung 34; Baums in GedS Schindhelm (2009) 63 (102); allgemein F. Bydlinski, Methodenlehre2 455 ff; Larenz/Canaris, Methodenlehre3 159 ff. 332 Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar59 (2010) Art 14 GG Rz 220; Korinek in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht: Textsammlung und Kommentar (1999 ff, 5. Lfg 2002) Art 5 StGG Rz 53. 333 Vgl instruktiv BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 52: „Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Aktienrecht sind Sache der Zivilgerichte. Diese müssen dabei aber dem durch die zivilrechtlichen Normen ausgestalteten oder eingeschränkten Grundrecht Rechnung tragen, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt.“; dagegen ist die Ansicht von Gude (Gude, Börsenkurs 177), wonach Art 14 Abs 1 GG aufgrund des europarechtlichen Ursprungs der Umwandlungsnormen auf die Verschmelzung nicht anwendbar sei, in ihrer Allgemeinheit überschießend und im Hinblick auf die nur nationalrechtlich normierte Überprüfung a posteriori unzutreffend. 334 BVerfG 07.08.1962, 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, Feldmühle [Verfassungsmäßigkeit § 15 dUmwG 1956: Umwandlung auf Mehrheitsgesellschafter]: Die Abfindung ausscheidender Aktionäre sei nur dann „angemessen“, wenn sie das erhalten, was ihre „gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist“ (BVerfG aaO Rz 68 unter Verweis auf die hM). 335 Vgl Adolff, Unternehmensbewertung 292 ff, 306 ff. 336 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa [Nichtannahmebeschluss]. 337 BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, Wüstenrot und Württembergische AG [Nichtannahmebeschluss, § 15 dUmwG]. 338 BVerfG 20.12.2010, 1 BvR 2323/07, DB 2011, 289, Kuka [Nichtannahmebeschluss]. 339 BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG [Nichtannahmebeschluss]. 340 BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 23 [Nichtannahmebeschluss]; dazu aus österreichischer Sicht Kalss/Winner, GesRZ 2013, 189 (196 f).

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

auf die Verschmelzung und auch auf andere Strukturmaßnahmen übertragen. Sie lauten wie folgt:341 „Art 14 Abs 1 GG schützt das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum, das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist und sowohl die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs in der Gesellschaft als auch vermögensrechtliche Ansprüche vermittelt.“342 „Verliert der Minderheitsaktionär diese mitgliedschaftliche Stellung oder wird er hierin durch eine Strukturmaßnahme in relevantem Maße eingeschränkt, muss er für den Verlust seiner Rechtsposition und die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden.“343 341 Fettauszeichnungen durch den Verfasser; s zum Ganzen eingehend Mülbert in FS Hopt I (2010) 1040 (1044 ff); Klöhn, Abfindungsansprüche 95 ff; s auch Reichert in FS Stilz (2014) 479 (480 ff). 342 Zur Verschmelzung BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 21; BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 21 f; BVerfG 20.12.2010, 1 BvR 2323/07, DB 2011, 289, Kuka, Rz 8; BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 15; BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 9; zu sonstigen Strukturmaßnahmen BVerfG 05.12.2012, 1 BvR 1577/11, WM 2013, Wella AG I + II, Rz 8 [Nichtannahmebeschluss; B&GaV, Squeeze-out]; vgl BVerfG 11.07.2012, 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BB 2012, 2010, Rz 52 [reguläres Delisting]; BVerfG 16.05.2012, 1 BvR 96/09 ea, ZIP 2012, 1408, Deutsche Hypothekenbank Rz 17 [§§ 39a f WpÜG]; BVerfG 23.08.2000, 1 BvR 68/95, 147/97, AG 2001, 42, Bosch/Moto-Meter AG III [Nichtannahmebeschluss]; BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 42; BVerfG 27.01.1999, 1 BvR 1805/94, WM 1999, 435, SEN/KHS [B&GaV]; grundlegend BVerfG 07.08.1962, 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, Feldmühle, Rz 47, 51; vgl auch BVerfG 07.05.1969, 2 BvL 15/67, BVerfGE 25, 371, Rheinstahl, Rz 117; allgemein Kalss, JBl 1995, 420 (430 ff). 343 Zur Verschmelzung: BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 21, 25; BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 21 f; BVerfG 20.12.2010, 1 BvR 2323/07, DB 2011, 289, Kuka, Rz 8 f; BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 16; BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 9; zu sonstigen Strukturmaßnahmen: BVerfG 05.12.2012, 1 BvR 1577/11, WM 2013, 129, Wella AG I + II, Rz 8; BVerfG 16.05.2012, 1 BvR 96/09 ea, ZIP 2012, 1408, Deutsche Hypothekenbank, Rz 17 [§§ 39a f WpÜG]; vgl BVerfG 29.11.2006, 1 BvR 704/03, WM 2007, 73, Siemens/Nixdorf (SNI AG), Rz 10; BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 50; BVerfG 27.01.1999, 1 BvR 1638/94, AG 1999, 217, Tarkett/Pekulan [B&GaV, bar]; grundlegend BVerfG 07.08.1962, 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, Feldmühle, Rz 65; vgl BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 390/04, AG 2007, 544, Rz 24 [Nichtannahmebeschluss;

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

Angemessen kann nach dem BVerfG also nur ein Umtauschverhältnis sein, das die „wirtschaftliche volle Entschädigung“ gewährleistet. Das BVerfG präzisierte diese Maßgabe aus Feldmühle344 1999 in DAT/Altana und übernahm die hM345 zur „vollen“ Entschädigung:346 „[…] gehen Judikatur und Literatur davon aus, daß die Entschädigung nur dann als „volle“347 bezeichnet werden kann, wenn sie den „wirklichen“348 oder „wahren“ Wert der Unternehmensbeteiligung an dem arbeitenden Unternehmen unter Einschluß der stillen Reserven und des inneren Geschäftswerts widerspiegelt […].“349 Das BVerfG hat obigen Leitsatz inzwischen in ständiger Rechtsprechung auf die Verschmelzung ausgedehnt.350 Verfassungsrechtlich ist daher nur ein solches Umtauschverhältnis angemessen, das den Aktionären den Erhalt des auf ihre Aktien entfallenden, anteiligen Unternehmenswerts

§§ 327a ff dAktG; Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen]: nur „voller Wertersatz“ sei angemessen. 344 BVerfG 07.08.1962, 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, Feldmühle. 345 Ausführlich unten Kapitel III.C.2.a)(3) [48]; s bereits Großfeld, JZ 1981, 769 (770); zur Entwicklung in der älteren Literatur ausführlich Naschke, Börsenkurs 16 f. 346 Fettauszeichnungen durch den Verfasser. 347 Dass auch beim Squeeze-out gem §§ 327a ff dAktG nur ein „voller Wertersatz“ angemessen sei, bestätigte das BVerfG 2007 im Zusammenhang mit einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen: BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 390/04, AG 2007, 544, Rz 24 [Nichtannahmebeschluss; §§ 327a ff dAktG]. 348 Vgl dazu die Rechtsprechung des BGH zu § 738 Abs 1 S 2, Abs 2 BGB in FN 1488; zu den Begriffen „wahrer“ und „wirklicher“ Wert s LG Frankfurt 27.05.2014, 3/5 O 34/13, BeckRS 2014, 12643, Rz 21; Ludewig/Ludewig-Husheer in FS Großfeld (1999) 713 (713 ff); Hüttemann, StbJb 2000/01, 385 (388 f); Piltz, Unternehmensbewertung3 92 f; zu Recht kritisch zur Begriffsbildung Matschke, BFuP 2013, 14 (39). 349 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 56; s auch aaO Rz 47: „Der Ausscheidende muß erhalten, was seine gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist“; vgl zu § 102a Abs 4 BWG: OGH 06.06.2001, 6 Ob 109/01z, ÖBA 2002, 135 (Kalss), Rz 2a); OGH 05.07.2001, 6 Ob 99/01d, ÖBA 2002, 336 (Kalss), Rz a). 350 BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 21; BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 21 f; BVerfG 20.12.2010, 1 BvR 2323/07, DB 2011, 289, Kuka, Rz 9; BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 16; BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 9; zu sonstigen Strukturmaßnahmen BVerfG 05.12.2012, 1 BvR 1577/11, WM 2013, 129, Wella AG I + II, Rz 8; BVerfG 16.05.2012, 1 BvR 96/09 ea, ZIP 2012, 1408, Deutsche Hypothekenbank, Rz 17 [§§ 39a f WpÜG].

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

garantiert.351 Sie dürfen durch die Verschmelzung nicht entreichert werden (Gebot der Wertäquivalenz). Die Rechtsprechung des österreichischen VfGH stimmt damit im Ergebnis überein. Der VfGH sieht einen Grundrechtseingriff, der „einer Rechtfertigung in Bezug auf das öffentliche Interesse, Adäquanz und Verhältnismäßigkeit“352 bedarf, zwar nicht allein im Anteilstausch.353 Zu einem Eingriff in das Aktieneigentum komme es aber durch eine unter Umständen hieraus resultierende Anteilsverwässerung.354 Dies ist nach dem VfGH der Fall, wenn die Beteiligung eines Aktionärskreises dadurch entwertet wird, dass der andere Aktionärskreis eine den Wert seines Unternehmens übersteigende Beteiligung am Stammkapital der übernehmenden Gesellschaft erhält und es dadurch zu einer Vermögensverschiebung zwischen den Aktionären kommt.355 Ausschlaggebend sind also Vermögensverschiebungen zwischen den Aktionärskreisen, die eine Anteilsverwässerung nach sich ziehen.356 Abzustellen ist auf das Verhältnis der Unternehmenswerte und nicht auf das Verhältnis allfälliger Marktpreise der einzelnen Aktien.357 Die verfassungsrechtliche Zielvorgabe betrifft die Aktionärskreise beider Gesellschaften, die jeweils eine dem Wert ihres Unternehmens entsprechende Anteilsquote erhalten müssen.358 351 Bei der Unternehmensbewertung handelt es sich nach Ansicht der BVerfG „in erster Linie um eine Frage, die auf der Ebene des einfachen Rechts zu beantworten ist“: BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 29. 352 VfGH 16.06.2005, G 129/04 ua, VfSlg 17.584, Rz 2.3 zur Beeinträchtigung des Eigentumsrechts durch unfreiwilligen Ausschluss aus der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Mindestbeteiligungsschwelle gem § 9 Abs 2 SpaltG bei der nicht verhältniswahrenden Spaltung; s auch Rüffler in Artmann/Rüffler/U. Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht 43 (48 f), dort auch zur Beschränkung eigentumsrechtlicher Eingriffe durch Art 6 EMRK und den Gleichheitssatz; vgl Aschauer, Gesellschafterausschluss 134 ff. 353 Für Österreich steht eine ausdrückliche Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit der Verschmelzungsregelung als Ganzes bisher zwar aus, s aber VfGH 21.09.2011, G 175/10, VfSlg 19.486; VfGH 16.06.2005, G 129/04 ua, VfSlg 17.584; vgl Winner, Wert und Preis 384 ff. 354 VfGH 21.09.2011, G 175/10, VfSlg 19.486, Rz 2.4 (2) mit Verweis auf VfGH 16.06.2005, G 129/04 ua, VfSlg 17.584. 355 VfGH 21.09.2011, G 175/10, VfSlg 19.486, Rz 2.4 (2) mit Verweis auf VfGH 16.06.2005, G 129/04 ua, VfSlg 17.584. 356 VfGH 21.09.2011, G 175/10, VfSlg 19.486, Rz 2.4 (2) mit Verweis auf VfGH 16.06.2005, G 129/04 ua, VfSlg 17.584. 357 VfGH 21.09.2011, G 175/10, VfSlg 19.486, Rz 2.4 (2) mit Verweis auf VfGH 16.06.2005, G 129/04 ua, VfSlg 17.584. 358 VfGH 21.09.2011, G 175/10, VfSlg 19.486, Rz 2.4 (2) mit Verweis auf VfGH 16.06.2005, G 129/04 ua, VfSlg 17.584; vgl zur Notwendigkeit einer Entschä­ digung im Zusammenhang mit Eigentumseingriffen OGH RS0115438: „Der Euro-

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

(2) Fachgerichtliche Umsetzung Die deutschen359 Fachgerichte judizieren durchwegs nach den soeben dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben. Danach ist das Umtauschverhältnis angemessen, wenn der Wert der Anteile an der untergegangenen übertragenden Gesellschaft dem Wert der neuen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft entspricht360 (wirtschaftliche Identität der Anteilsinhaberschaft361). Überwiegend wird auf eine Übereinstimmung

päische Gerichtshof für Menschenrechte leitet aus Art 1 des 1. ZPMRK ab, dass jeder Eigentumseingriff einen billigen Ausgleich zwischen den Erfordernissen des allgemeinen Interesses der Gemeinschaft und denjenigen des Grundrechtsschutzes des Einzelnen herstellen muss. Entschädigungslose Eigentumseingriffe sind unverhältnismäßig und damit unzulässig“. Nach der Rechtsprechung des VfGH ergibt sich die Verfassungswidrigkeit einer entschädigungslosen Enteignung zwar nicht aus Art 5 StGG, unter Umständen liegt aber ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor; s OGH RS0010823: „Enteignungen ohne Entschädigungen zulässig und nicht verfassungswidrig [sic!].“ OGH RS0010823 T6: „Entschädigungslose Enteignungen werden nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zwar nicht nach Art 5 StGG als verfassungswidrig angesehen, unter Umständen aber wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Sachlich nicht gerechtfertigte Sonderopfer sind verfassungswidrig“; dazu Burger, Börsenkurse und angemessene Abfindung 109 f. 359 Für Österreich liegt – soweit ersichtlich – keine untergerichtliche Rechtsprechung vor; auf den „wahren“ Wert ist bei Bemessung der Abfindung auch nach Auffassung des OGH abzustellen: zu § 102a Abs 4 BWG: OGH 06.06.2001, 6 Ob 109/01z, ÖBA 2002, 135 (Kalss), Rz 2a); OGH 05.07.2001, 6 Ob 99/01d, ÖBA 2002, 336 (Kalss), Rz a); s zum entsprechenden VfGH-Erkenntnis VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636 [Aufhebung § 102a Abs 4 S 2 BWG] s unten Kapitel III.D.2.f)(3) [103]. 360 OLG Frankfurt 15.01.2016, 21 W 22/13, NZG 2016, 865, Rz 55; OLG Frankfurt 20.12.2013, 21 W 40/11, BeckRS 2014, 11112, RWE AG/Lahmeyer AG, Rz 38; LG Düsseldorf 13.12.2011, 33 O 92/07 AktE, juris, Rz 8; OLG Frankfurt 04.03.2011, 21 W 1/11, juris, Rz 11; OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 68; OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG / T-Online AG, Rz 26; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 33/09, ZIP 2010, 729, Eurohypo, Rz 11; OLG Frankfurt 30.3.2009, 20 W 101/04, juris, Rz 16; OLG München 14.05.2007, 31 Wx 87/06, AG 2007, 701, ProSieben AG/Sat 1 GmbH, Rz 13; LG München 08.09.2006, 5 HKO 20128/00, Der Konzern 2007, 137, ProSieben AG/Sat 1 GmbH, Rz 22; OLG Stuttgart 08.03.2006, 20 W 5/05, AG 2006, 420, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 33; BayObLG 18.12.2002, 3Z BR 116/00, AG 2003, 569, Rz 25; vgl BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 13. 361 OLG Düsseldorf 17.11.2008, 26 W 6/08, BeckRS 2009, 05038, Rz 12; OLG Düsseldorf 20.10.2005, 19 W 11/04, AG 2006, 287, Rz 25; OLG Düsseldorf 20.11.2001, 19 W 2/00 AktE, AG 2002, 398, Metro/Kaufhof, Rz 30; vgl OLG Frankfurt 30.03.2009, 20 W 101/04, juris, Rz 16; KG 02.09.1999, 2 W 2341/97, NZG 2003, 644, Rz 14.

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

im Wesentlichen abgestellt.362 Die bisherige Investition soll sich über die Beteiligungsquote am vereinigten Unternehmen im Wesentlichen fortsetzen.363 Zu berücksichtigen sind die Interessen der Anteilseigner des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers.364 Jeder Gesellschafter soll an der Summe der Einbringungswerte seinen bisherigen ­relativen Anteil behalten.365 Das Verhältnis der auf die jeweiligen Betei­ ligungen bezogenen, anteiligen Unternehmenswerte366 (Unternehmenswertrelation367) ist ausschlaggebend, nicht die Relation der Verkehrswerte der Anteile als eigenständiges Wirtschaftsgut.368 Eine Verringerung der

362 OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 64, 66, 68; LG München 08.09.2006, 5 HKO 20128/00, Der Konzern 2007, 137, ProSieben AG/Sat 1 GmbH, Rz 22; BayObLG 18.12.2002, 3Z BR 116/00, AG 2003, 569, Rz 25; vgl OLG Frankfurt 15.01.2016, 21 W 22/13, NZG 2016, 865, Rz 55 und OLG Frankfurt 20.12.2013, 21 W 40/11, BeckRS 2014, 11112, RWE AG/Lahmeyer AG, Rz 38: „annähernde Identität“. 363 LG Stuttgart 30.09.2011, 31 O 190/08 KfH, juris, Rz 30; OLG Frankfurt 04.03.2011, 21 W 1/11, juris, Rz 11; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 33/09, ZIP 2010, 729, ­Eurohypo, Rz 11; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 38/09, BeckRS 2010, 04682, ­Eurohypo, Rz 11; OLG Stuttgart 22.09.2009, 20 W 20/06, AG 2010, 42, Rz 51; OLG Frankfurt 30.03.2009, 20 W 101/04, juris, Rz 16; OLG Düsseldorf 17.11.2008, 26 W 6/08, BeckRS 2009, 05038, Rz 12; OLG Stuttgart 08.03.2006, 20 W 5/05, AG 2006, 420, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 30 f. 364 S die Nachweise soeben in FN 363. 365 OLG München 14.05.2007, 31 Wx 87/06, AG 2007, 701, ProSieben AG/Sat 1 GmbH, Rz 13. 366 OLG Frankfurt 15.01.2016, 21 W 22/13, NZG 2016, 865, Rz 55; OLG Frankfurt 20.12.2013, 21 W 40/11, BeckRS 2014, 11112, RWE AG/Lahmeyer AG, Rz 38; OLG Frankfurt 20.04.2012, 21 W 31/11, AG 2012, 919, Rz 20; OLG Frankfurt 04.03.2011, 21 W 1/11, juris, Rz 11; OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 65; OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/T-Online AG, Rz 27; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 38/09, BeckRS 2010, 04682, Eurohypo, Rz 11; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 33/09, ZIP 2010, 729, Eurohypo, Rz 11; OLG München 14.05.2007, 31 Wx 87/06, AG 2007, 701, ProSieben AG/Sat 1 GmbH, Rz 11; vgl KFS/BW 1 Rz 6; IDW S 1 Rz 13. 367 OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 13. 368 OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 70; OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/T-Online AG, Rz 27; OLG München 14.05.2007, 31 Wx 87/06, AG 2007, 701, ProSieben AG/Sat 1 GmbH, Rz 13; OLG Stuttgart 08.03.2006, 20 W 5/05, AG 2006, 420, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 33; vgl LG Stuttgart 30.09.2011, 31 O 190/08 KfH, juris, Rz 63; LG Köln 24.07.2009, 82 O 10/08, BeckRS 2009, 69439, Rz 204 [Delisting]; s auch Bungert in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 20 Rz 27; Riegger/Gayk in Kölner Komm AktG3 Anh § 11 SpruchG Rz 3; Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 57, 244; zum Squeeze-out Aschauer in FS G. Mandl (2010) 13 (17 ff); zur übereinstimmenden Rechtsprechung des VfGH s oben bei FN 357.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

Beteiligungsquote muss durch den Zuwachs an Gesellschaftsvermögen bzw Ertragsaussichten ausgeglichen werden.369 (3) Lehre Die deutsche und österreichische hL interpretiert die „Angemessenheit“ des Umtauschverhältnisses deckungsgleich mit der Judikatur. Entscheidend sei danach, dass der Wert der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft dem Wert der hingegebenen Anteile an der übertragenden Gesellschaft im Wesentlichen entspricht.370 Kein Gesellschafter solle nach der Verschmelzung vermögensmäßig schlechter gestellt sein als zuvor.371 Das Umtauschverhältnis müsse die „Wertrelation der beteiligten Gesellschaften“ ausdrücken.372 Die Beteiligungsverhältnisse in der übernehmenden Gesellschaft sollten das Wertverhältnis des (der) übertragenen Vermögen(s) zum Gesamtvermögen in der übernehmenden Gesellschaft 369 OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 98. Als nicht zur ständigen Rechtsprechung gewordenes Einzeljudikat ist die Ansicht des KG aus dem Jahr 1999 im Zusammenhang mit einer Verschmelzung zweier durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verbundener AG zu betrachten, wonach das Umtauschverhältnis so zu bemessen sei, dass Aktionäre auch künftig solche Renditen erhalten, die sie erhalten hätten, wenn ein Verschmelzungs­ vertrag nicht abgeschlossen worden wäre; ausschlaggebend sei der Unterneh­ menswert, der Verkehrswert der Aktie bilde die Untergrenze: KG 02.09.1999, 2 W 2341/97, NZG 2003, 644, Rz 14. 370 Kalss in Kalss, VSU2 § 220 AktG Rz 20; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 220 Rz 14; Drygala in Lutter, UmwG5 § 5 Rz 27; Gehling in Semler/Stengel, UmwG3 § 15 Rz 19 f; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 15 Rz 13 ff; Bungert in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 20 Rz 11; Wicke in FS Stilz (2014) 707 (710); Bula/Pernegger in Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen4 § 9 Rz 80; vgl Decher in Lutter, UmwG5 § 15 Rz 4; Kiem, ZGR 2007, 542 (545); s auch Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 150 Rz 76; einschränkend Grünwald in Helbich/Wiesner/Bruckner, Umgründungen, Art I Verschmelzung Rz 32: wegen unterschiedlicher Verhandlungsmacht kein absolutes Gleichwertigkeitsgebot.­ 371 Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 95; Stratz in ­Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 7; Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht116 § 15 UmwG Rz 68; Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 8, § 9 Rz 21; Drygala in Lutter, UmwG5 § 5 Rz 27; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 225c Rz 2; Bertl in Bertl ea (Hrsg), Sonderbilanzen bei Umgründungen. Wiener Bilanzrechtstage 2008 (2008) 43 (54); Lutter in FS Mestmäcker (1996) 943 (949); vgl Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 93; Möller, Verschmelzungs­ beschluss 44. 372 Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220 Rz 8; Heidinger in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht3 § 5 UmwG Rz 11 ff; § 12 UmwG Rz 4; § 15 UmwG Rz 3 ff; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 6; vgl Winner in Kalss/Fleischer/Vogt, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2013, 109 (111); kritisch zur Berechnung des Anteilswerts aus dem quotalen Unternehmenswert Matschke, BFuP 2013, 14 (40).

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

widerspiegeln.373 Die Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlich anerkannten Methoden sei der Ausgangspunkt einer rechtmäßigen Bestimmung des Umtauschverhältnisses.374 Die bisherige Investition solle sich im Wesentlichen fortsetzen (Wertidentität; auch: Wertäqui­ valenz375).376 Überwiegend wird auf den „inneren Wert“ der Anteilsrechte (= anteiliger Unternehmenswert, „wahrer“ Wert) abgestellt.377 Dabei bestehe ein Ermessensspielraum nicht exakt geklärten Umfangs.378 Nach Baums müssen bei der Festlegung eines angemessenen Umtauschverhältnisses „die Interessen beider Parteien ausgewogen berücksichtigt“ werden; Ziel sei die „faire“ Aufteilung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft.379 b) Stellungnahme (1) Geschütztes Aktionärsinteresse Die gesetzliche Zielvorgabe des „angemessenen“ Umtauschverhältnisses und die darauf gerichtete vor- und nachgelagerte Überprüfung dienen dem Aktionärsschutz.380 Der Aktionär soll vor einer Beeinträchtigung seiner „in der Aktie verkörperte[n] Rechtsposition“,381 das heißt seiner „vermögensrechtlichen Stellung“382 geschützt und zum „wahren Wert“383 entschädigt werden. 373 Kalss in Kalss, VSU2 § 220 AktG Rz 26. 374 Dazu Koppensteiner, JBl 2003, 707 (707 ff). 375 Simon in Kölner Komm UmwG § 2 Rz 80 ff, § 9 Rz 21; vgl Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 225c Rz 2. 376 Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht116 § 15 UmwG Rz 60; auf die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung stellen ab: WP Hdb II14 Teil F, Rz 227; Nonnenmacher, AG 1982, 153 (154); Maier-Reimer, ZHR 164 (2000) 563 (564 mwN); zur früheren deutschen Rechtslage Günther, AG 1968, 98 (99) mwN; Wiedemann, ZGR 1978, 477 (490); vgl für Österreich vor dem EU-GesRÄG Fries, Handbuch des Verschmelzungsrechts (1993) 36; Fries, RdW 1992, 136 (138). 377 Wicke in FS Stilz (2014) 707 (710); Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 220 Rz 14. 378 Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 15 Rz 14 f mwN; vgl Mertens, AG 1990, 20 (25 f): „Angemessenheit“ bezeichne einen „Rahmen“; vgl Karollus/­ Kaindl in Pernsteiner/Mittermair, Handbuch Fusionen 629 (634); weitergehend zur alten Rechtslage vor EU-GesRÄG Hügel, nach dem „wohl kein Rechtsgeschäft so wenig einer Angemessenheitskontrolle zugänglich ist wie die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften“: Hügel, RdW 1993, 55 (62); s zum Ganzen ausführlich Kapitel V.C.2 [246]. 379 Baums, Verschmelzung 24; Baums in GedS Schindhelm (2009) 63 (89). 380 Oben Kapitel III.B.3.d) [37] bei FN 290 und Kapitel III.B.4.c) [39] bei FN 309. 381 Oben Kapitel III.C.2.a)(1) [40] bei FN 329. 382 Oben Kapitel III.C.2.a)(1) [40] bei FN 343. 383 Oben Kapitel III.C.2.a)(1) [40] bei FN 349.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

Der Wert einer Beteiligung entspricht nach hM ihrem in Geld bewer­ teten Nutzen.384 Letzterer ergibt sich aus den erwarteten aliquoten ­Zahlungsüberschüssen der Gesellschaft und der Risikopräferenz des Aktionärs.385 Die Zahlungsüberschüsse stammen aus dem Gesellschaftsvermögen, das in der Regel aus einem Unternehmen besteht. Gesucht ist also der Unternehmenswert.386 Hinweise hierauf geben § 8 Abs 1 S 2 dUmwG, § 220a öAktG, die ausdrücklich von der Bewertung der „Rechtsträger“ bzw der „Unternehmen“ sprechen.387 Das geschützte Aktionärsinteresse entspricht daher dem aus der Anteilsquote resultierenden Anteil am Gesamtunternehmenswert.388 Anders als der Wert der Beteiligung ist deren Preis das Ergebnis einer Markttransaktion.389 Für das Angemessenheitsgebot ist der Preis bloß mittelbar390 und im Rahmen des Deinvestitionswertschutzes391 relevant.

384 Vgl OGH RS0010086; BGH 01.07.1982, IX ZR 34/81, NJW 1982, 2441, Rz 8; Bachl in Leitner, Verdeckte Gewinnausschüttung2 263 (265); vgl § 304 S 2 ABGB: „Wenn eine Sache vom Gerichte zu schätzen ist, so muß die Schätzung nach einer bestimmten Summe Geldes geschehen“; allgemein Winner, Wert und Preis 3 ff; WP Hdb II14 Teil A, Rz 5; Hüttemann in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 1 Rz 4; Böcking/Rauschenberg in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 2 Rz 32 f; Böcking/Nowak in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 4 Rz 7; s bereits Helbling, Unternehmensbewertung und Steuern9 (1998) 25 f; Coenenberg, BFuP 1984, 496 (498 ff); Münstermann, Wert und Bewertung der Unternehmung3 (1970) 12 f. 385 WP Hdb II14 Teil A, Rz 34; vgl OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 98, ausführlicher Rechtssatz unten in FN 1458; Welf Müller in FS Röhricht (2005) 1015 (1029 f); Hügel, Verschmelzung und Einbringung 196, 202; OGH RS0010086; allgemein Reicherter, Fusionsentscheidung und Wert der Kreditgenossenschaft (2000) 174 f; vgl allgemein Bachl in Leitner, Verdeckte Gewinnausschüttung2 263 (265); zur gebotenen Typisierung s aber Kapitel III.C.3 [55]. 386 Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 96; Bungert in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 20 Rz 10; Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 11 f; Kalss in Kalss, VSU2 § 220 Rz 21; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 189; Adolff, Unternehmensbewertung 416 f. 387 Baums, Verschmelzung 9; Baums in GedS Schindhelm (2009) 63 (71). 388 S oben bei FN 368. 389 WP Hdb II14 Teil A, Rz 37; Bachl in Leitner, Verdeckte Gewinnausschüttung2 263 (265); Winner, Wert und Preis 6; vgl § 304 S 1 ABGB: „Der bestimmte Wert einer Sache heißt ihr Preis“; zur Unterscheidung von Wert und Preis auch Grbenic/Jansa, RWZ 2009, 343 (343 f); Haberer/Purtscher in Althuber/Schopper, Unternehmenskauf2 163 (189 f); Aschauer/Purtscher, Unternehmensbewertung 95 f; Aschauer, Gesellschafterausschluss 45 ff; IDW S 1 Rz 13. 390 S unten Kapitel V.C.4.c)(1) [336], Kapitel V.D [344], Kapitel VI.E.1 [413] und Kapitel VII.D.3.c) [547]. 391 S unten Kapitel III.D [86].

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

(2) Gefährdung des Aktionärsinteresses Durch die Verschmelzung kommt es zur Zusammenführung zweier oder mehrerer Gesellschaftsvermögen (in der Regel Unternehmen) und der ­dazugehörigen Aktionärskreise.392 Aus dieser Vereinigung resultiert die verschmelzungsbedingte Gefährdung des Aktionärsinteresses.393 Erstens verändert die Verschmelzung die relative Höhe der Beteiligung jedes Aktionärs bzw jedes Aktionärskreises (Kreis der Gesellschafter jeweils einer Gesellschaft) am Grundkapital.394 Zweitens kann die Zusammenführung der Gesellschaftsvermögen per se wertsteigernde oder -mindernde Effekte zur Folge haben.395 Beide Komponenten berühren unmittelbar den anteiligen Unternehmenswert, sohin das geschützte Aktionärsinteresse. (3) Indifferenzhypothese Der typisierte Aktionär396 stimmt einer Verschmelzung nur zu, wenn diese den Wert (dh den geldwerten Nutzen) der Beteiligung ex ante steigert (Präferenz) oder unverändert lässt (Indifferenz).397 Nur ein Umtauschverhältnis (einschließlich barer Zuzahlungen), das die Aktionäre jeder Gesellschaft ex ante gleich gut oder besser (das heißt: nicht schlechter) stellt als ohne Verschmelzung, kann angemessen sein. Dies ist vorbehaltlich barer Zuzahlungen der Fall, wenn der Wert der Beteiligung eines jeden Aktionärs nach der Verschmelzung zumindest gleich hoch ist wie der Beteiligungswert desselben Aktionärs vor der Verschmelzung.398

392 Winner, Wert und Preis 403. 393 Ausführlich zum Ganzen Hügel, Verschmelzung und Einbringung 77 ff. 394 Adolff, Unternehmensbewertung 415. 395 Dazu ausführlich unten Kapitel III.C.5.a) [70]. 396 Dazu unten Kapitel III.C.3.c) [59]. 397 Schön in FS Ulmer (2003) 1359 (1390); dem Vergleich von geldwertem Nutzen liegt die (theoretische) Annahme zugrunde, dass unterschiedliche Individuen den Wert, dh den Nutzen einer Geldeinheit gleich bewerten; davon zu unterscheiden ist das Konzept des Risikonutzens (siehe dazu unten Kapitel III.C.3.c) [59]); vgl zur Wertäquivalenz Matschke, BFuP 1984, 544 (560 f); Hering, BFuP 2004, 148 (150); dens, Unternehmensbewertung2 (2006) 87 ff; vgl ErlRV ÜbRÄG 2006, 1334 BlgNR 22. GP 27 (GesAusG, allgemeiner Teil): Das Interesse des Minderheitsgesellschafters bei der gesetzlich typisierten AG sei vor allem ein Vermögens- und weniger ein Bestandsinteresse. 398 Vgl expressis verbis Art 7 Abs 1 FusG: „Gesellschafterinnen und Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft haben Anspruch auf Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an der übernehmenden Gesellschaft, die unter Berücksichtigung des Vermögens der beteiligten Gesellschaften, der Verteilung der Stimmrechte sowie aller anderen relevanten Umstände ihren bisherigen Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten entsprechen“; sogenannter „Grundsatz der mitgliedschaftlichen Kontinuität“

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

(4) Zweiseitiges Angemessenheitsgebot Zwischen den Aktionären der übertragenden und jenen der übernehmenden Gesellschaft ist mit der Rechtsprechung399 und der hM400 nicht zu differenzieren. Dies ergibt sich aus dem einheitlichen verfassungsrechtlichen Schutz des Aktieneigentums,401 das durch die Verschmelzung bei beiden Aktionärskreisen gleichermaßen gefährdet ist.402 Die symmetrische Antragslegitimation im österreichischen Überprüfungsverfahren dient der Umsetzung dieses Schutzes.403 Aber auch die asymmetrische Antragslegitimation im deutschen Spruchverfahren404 spricht nicht gegen das zweiseitige Angemessenheitsgebot. Denn sie betrifft nach den Gesetzesmaterialien nur die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, nicht aber den Maßstab der Prüfung („Angemessenheit“).405 Das Wertäquivalenzgebot gilt also auch im deutschen Verschmelzungsrecht für die Aktionäre der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft gleichermaßen.406 (5) Operationalisierung des Aktionärsschutzes Die Bedingung der Wertäquivalenz lässt sich einfach operationalisieren. Seien A und B die zu verschmelzenden AG, ergibt sich folgendes Bild für einen Aktionär der Gesellschaft A:

(BGer 20.09.2011, 4A_96/2011, BGE 137 III 577; dazu Trautmann/von der Crone, SZW 2012, 163 [165 ff]). 399 S oben Kapitel III.C.2.a)(2) [46] bei FN 363; ausdrücklich auch der VfGH: s oben Kapitel III.C.2.a)(1) [40] bei und in FN 358. 400 S oben Kapitel III.C.2.a)(3) [48] bei FN 371. 401 S oben Kapitel III.C.2.a)(1) [40]. 402 Adolff, Unternehmensbewertung 423 f. 403 S unten Kapitel V.B.1.a) [223]. 404 S unten Kapitel V.B.2 [231]. 405 Vgl BT-Drucks 9/1065, 20; vgl OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 90, 94 ff; s auch Mertens, AG 1992, 321 (331): „das Angemessenheitserfordernis […] dient vielmehr ebenso dem Interesse der Aktionäre des Übernehmers wie demjenigen der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft.“ Oben Kapitel III.B.2 [31]. 406 Instruktiv OLG Stuttgart 08.03.2006, 20 W 5/05, AG 2006, 420, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 30: „Das Umtauschverhältnis ist dann angemessen, wenn es unter Berücksichtigung der Interessen aller Anteilseigner sowohl des übertragenden als auch des aufnehmenden Rechtsträgers so bemessen ist, dass sich über die Beteiligungsquote aller Anteilseigner am vereinigten Unternehmen die bisherige Investition nach der Verschmelzung im Wesentlichen fortsetzt“; ähnlich OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 90; oben bei FN 363; so besteht auch kein Meistbegünstigungsprinzip zugunsten der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft: s dazu unten Kapitel V.C.2.f)(1) [262].

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

WAktionär

= Wert der Aktien eines Aktionärs

GKAktionär = Gesamter Nennbetrag / gesamte Stückzahl der von einem Aktionär gehaltenen Aktien GK

= Gesamtes Grundkapital / gesamte Stückzahl der ausgegebe nen Stück­aktien der Gesellschaft

W

= Wert des Unternehmens der Gesellschaft

Der Wert der Aktien eines Aktionärs der Gesellschaft A (WAktionär A) entspricht dem Unternehmenswert (WA), multipliziert mit der jeweiligen Anteilsquote.

ܹ஺௞௧௜௢௡¡௥஺ ൌ ܹ஺ ‫כ‬

‫ܭܩ‬஺௞௧௜௢௡¡௥஺  (1) ‫ܭܩ‬஺

Für den Wert der Aktien eines Aktionärs nach der Verschmelzung (­WAktionär A+B) gilt Entsprechendes:

ܹ஺௞௧௜௢௡¡௥஺ା஻ ൌ ܹ஺ା஻ ‫כ‬

‫ܭܩ‬஺௞௧௜௢௡¡௥஺ା஻  (2) ‫ܭܩ‬஺ା஻

Durch die Verschmelzung verringert sich die relative Anteilsquote je Aktionär:

‫ܭܩ‬஺௞௧௜௢௡¡௥஺ ‫ܭܩ‬஺௞௧௜௢௡¡௥஺ା஻ (3) ൏ ‫ܭܩ‬஺ା஻ ‫ܭܩ‬஺

Zur Gewährleistung der Wertäquivalenz muss folgende Bedingung erfüllt sein: ܹ஺௞௧௜௢௡¡௥஺ା஻ ൌ ܹ஺ା஻ ‫כ‬

‫ܭܩ‬஺௞௧௜௢௡¡௥஺ା஻ ‫ܭܩ‬஺௞௧௜௢௡¡௥஺ (4)  ൒ ܹ஺௞௧௜௢௡¡௥஺ ൌ ܹ஺ ‫כ‬ ‫ܭܩ‬஺ା஻ ‫ܭܩ‬஺

Der durch die Verschmelzung zwangsläufig ausgelösten Minderung der relativen Anteilsquote je Aktionär bzw Aktionärskreis muss also eine entsprechende Mehrung des Gesellschaftsvermögens gegenüber stehen.407 Jeder Aktionärskreis ist daher an der verschmolzenen Gesellschaft

407 OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 98 aE; eine ex ante wertvernichtende Verschmelzung (negative Synergieeffekte) hat demnach zwangs-

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

grundsätzlich408 entsprechend dem Wert seines eingebrachten Vermögens (Unternehmens) und daran wiederum jeder Aktionär entsprechend seinem Anteil an der Ausgangsgesellschaft zu beteiligen.409 (6) Abweichende Beurteilung bei der Konzentrationsverschmelzung? Bei der Verschmelzung unverbundener Gesellschaften (merger of equals) wird das Umtauschverhältnis idealtypisch im Verhandlungsweg (Preisbildungsprozess) festgelegt („Konzentrationsverschmelzung“;410 s zu Details und zur Abgrenzung unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]). Das Gebot der Wertäquivalenz gilt aber auch dort.411 Denn das Gesetz differenziert beim materiellen Maßstab der Angemessenheit nicht zwischen unterschiedlichen Verschmelzungskonstellationen.412 Anlass für eine teleologische Reduktion des Angemessenheitsmaßstabs besteht nicht. Die Indifferenzhypothese413 gilt auch für den typisierten Aktionär einer unabhängigen Gesellschaft. Er wird eine ex ante Minderung seines Vermögens durch die Verschmelzung in der Regel nicht hinnehmen. Zudem wird auch ein frei verhandeltes Umtauschverhältnis nicht ohne Bezug zu den Unternehmenswerten festgelegt. Davon zu trennen ist die Frage, ob und wie ein solches Umtauschverhältnis a posteriori geprüft werden muss.414 Eine gesondert zu behandelnde Problemstellung ist auch die gebotene Aufteilung von Synergieeffekten bei der Konzentrationsverschmelzung.415

läufig für einen Aktionärskreis ein unangemessenes Umtauschverhältnis zur Folge; s dazu auch unten Kapitel III.C.5 [70]. 408 Vorbehaltlich barer Zuzahlungen und der Aufteilung von Synergieeffekten. 409 Ausführlich und zu Ausnahmen im Detail: Schröer in Semler/Stengel, UmwG3 § 5 Rz 17 f. 410 Der Begriff geht zurück auf Hügel, Verschmelzung und Einbringung 21 ff. 411 Abweichend wohl Gude, Börsenkurs 354 f. 412 Zutreffend, allerdings mit differenzierender Schlussfolgerung Kalss in Kalss, VSU2 § 220 Rz 20. Zwar lässt sich mangels aussagekräftiger Materialien nicht abschließend feststellen, ob der Gesetzgeber des Verschmelzungsrichtlinie-Gesetzes nur den Konzernkonflikt oder sämtliche Verschmelzungskonstellationen vor Augen hatte (vgl Fleischer/Bong, NZG 2013, 881 [887]). Die literarische Aufarbeitung der Differenzierung von Konzern- und Konzentrationsverschmelzung setzte aber bereits vor Gesetzwerdung des dUmwG und des EU-GesRÄG ein (s insb Hügel, Verschmelzung und Einbringung, passim; ausführlich zum Ganzen unten Kapitel V.D.1.a) [344]). 413 Oben Kapitel III.C.2.b)(3) [51]. 414 Dazu unten Kapitel V [223]. 415 Dazu unten Kapitel III.C.5.c)(2)(b) [83].

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

3. Zweckadäquanz der Bewertung und Typisierung des ­Bewertungssubjekts a) Problemstellung Der subjektive Anteilswert kann wegen individueller Risikonutzenfunktionen,416 Anlagehorizonte, Portfoliostrukturen, Steuersituationen (zB infolge unterschiedlicher Ansässigkeit) und heterogener persönlicher Erwartungen über zukünftige Entwicklungen abweichen.417 Die Bewertungslehre formuliert zutreffend, dass es den einen, objektiven Unternehmenswert nicht gibt.418 Der Unternehmenswert hängt maßgeblich vom jeweiligen Bewertungszweck und der sich daraus ergebenden Typisierung des Bewertungssubjekts ab. Die Bedeutung und die Ausprägung der beiden genannten Parameter bei der Verschmelzung sind nachfolgend zu klären. b) Zweckadäquanz der Bewertung Nach der nunmehr überwiegend vertretenen „Funktionalen Theorie der Unternehmensbewertung“ hängt der Unternehmenswert maßgeblich vom Bewertungszweck ab („Zweckadäquanzprinzip“, „Funktionenleh-

416 Die Risikonutzenfunktion gibt die individuelle Risikoeinstellung (Risikofreude, Risikoneutralität, Risikoaversion) des Bewertungssubjekts wieder; ausführlich Kruschwitz, Investitionsrechnung14 297 ff. 417 Vgl Yagil, The Financial Review 1987, 195 (197); Aschauer, Gesellschafterausschluss 59 ff; Hering, Unternehmensbewertung2 26 f; Bachl in Leitner, Verdeckte Gewinnausschüttung2 263 (265). 418 Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung5 1; Moxter, Unternehmensbewertung2 6; Matschke/Brösel, Unternehmensbewertung4 23; Jonas in Fleischer/ Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 3 Rz 1 f; s auch Hüttemann, ZHR 162 (1998) 563 (574); selbst bei gleichem Bewertungszweck führen abweichende Erwartungen über zukünftige Entwicklungen dazu, dass nicht nur ein einziger Wert als „wahrer“ Unternehmenswert gelten kann, sondern eine Bandbreite von plausiblen Werten existiert; ständige Rechtsprechung: vgl zB OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, Daimler Benz AG/Daimler Chrysler AG, Rz 119; s auch unten Kapitel V.C.2.a) [246] bei und in FN 1683, 1684; zum Wert des Aktieneigentums zB LG Düsseldorf 30.08.2012, 31 O 4/06 AktE, BeckRS 2013, 06395, Rz 23; vgl Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 146; Kraus-Grünewald, BB 1995, 1839 (1844); Aigner/Holzer, DB 1990, 2229 (2229); zur Historie des Unternehmenswertbegriffs Keim/Jeromin in Hölters, Unternehmenskauf8 Teil II Rz 2.14 ff.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

re“419).420 Die funktionale Theorie der Unternehmensbewertung differenziert nach Argumentations-, Beratungs-421 und Vermittlungsfunktion422 der Bewertung.423 Daran angelehnt424 unterscheiden die Fachgutachten

419 „Kölner Funktionenlehre“: Matschke/Brösel, Unternehmensbewertung4 22 ff; Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung5 233; Ruthardt, Abfindungsbemessung 32 ff; Adolff, Unternehmensbewertung 168 ff; Sieben/Schildbach, DStR 1979, 455 (455 ff); vgl Riegler/Lengger, RWZ 2009, 323; vgl allgemein Winner, Wert und Preis 418 f mwN; zu Bewertungszweck und Methodenwahl allgemein Vodrazka, SWK 2011, 63 (65 ff). 420 Moxter, Unternehmensbewertung2 5 ff mwN; WP Hdb II14 Teil A, Rz 45; Hüttemann in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 1 Rz 2; Böcking/Rauschenberg in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 2 Rz 2, 19 ff; Böcking/Nowak in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 4 Rz 6; Ruiz de Vargas in Bürgers/ Körber, AktG3 Anh § 305 Rz 4; Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung5 1 ff; Welf Müller in Kallmeyer, UmwG5 § 9 Rz 32; Keim/Jeromin in Hölters, Unternehmenskauf8 Teil II Rz 2.28; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 105; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB36 Einleitung vor § 1 Rz 35; G. Mandl in Bertl/D. Mandl/G. Mandl/Ruppe (Hrsg), Die Personengesellschaft in Handels- und Steuerrecht (2001) 131 (131); Aschauer/Purtscher, Unternehmensbewertung 101 f; Piltz, Unternehmensbewertung3 15; vgl G. Mandl/Rabel, RWZ 1997, 350 (350); Hügel, Verschmelzung und Einbringung 184 ff. 421 Auch: „Entscheidungsfunktion“; vgl Matschke/Brösel, Unternehmensbewertung4 24 FN 70. 422 Auch: „Schiedsspruchfunktion“, „Arbitriumfunktion“; vgl Matschke/Brösel, Unternehmensbewertung4 24 FN 71; Matschke/Brösel/Karami in FS G. Mandl (2010) 421 (430 ff); dazu Hachmeister/Ruthardt, DB 2014, 1689 (1689 f); s auch unten in FN 443. 423 WP Hdb II14 Teil A, Rz 14; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 105 ff; ausführlich Böcking/Rauschenberg in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 2 Rz 20 ff; Matschke/Brösel, Unternehmensbewertung4 24 (zu Nebenfunktionen s dort 25); Matschke/Brösel/Karami in FS G. Mandl (2010) 421 (428); Coenenberg/Schultze, DBW 2002, 597 (599 mwN); Coenenberg in Börsig/Coenenberg (Hrsg), Bewertung von Unternehmen. Strategie – Markt – Risiko. Kongress-Dokumentation 56. Deutscher Betriebswirtschafter-Tag 2002 (2003) 25 (27); Sieben/Schildbach, DStR 1979, 455 (455 ff); vgl G. Mandl/Rabel, RWZ 1997, 350 (351); Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung2 15 ff: Entscheidungs-, Schieds-, Argumentations-, Bilanz-, Steuerbemessungswerte; Moxter, Unternehmensbewertung2 5: Grenz- und Schiedspreisermittlung; Hayn, DB 2000, 1346 (1346 f); zur Systematisierung von Anlässen der Unternehmensbewertung s auch Hering, ­Unternehmensbewertung2 14 ff; Hannes in Peemöller, Praxishandbuch6 1383 (1385 ff). 424 Für eine vergleichende Darstellung von Kölner Funktionslehre und der Funktionslehre des IDW s Hayn, DB 2000, 1346 (1348 ff); s auch Aschauer, Gesellschafterausschluss 49 f.

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

IDW S 1425 und KFS/BW 1426 für Wirtschaftsprüfer übereinstimmend drei Funktionen: Neutraler Gutachter, Berater einer Partei und Schiedsgutachter/Vermittler.427 Der neutrale Gutachter habe einen „objektivierten“ Unternehmenswert zu ermitteln, der von den subjektiven Vorstellungen der Beteiligten unabhängig ist.428 Der Berater müsse subjektive Entscheidungswerte (Preisober- und Untergrenzen) berechnen.429 Ziel des Schiedsgutachters/Vermittlers sei es, in Konfliktsituationen (wie zB bei Bewertungen im Umwandlungsrecht430) einen „Einigungswert“ (KFS/BW 1: „Schiedswert“; auch: „Arbitriumwert“431) festzustellen oder vorzuschlagen, der die Verhältnisse aller Parteien berücksichtigt.432 Nach dem Gesagten liegt die Frage nahe, welches dieser Wertkonzepte bei der Verschmelzung anzuwenden ist. Der Verschmelzungsprüfer wird nach hA als Schiedsgutachter tätig.433 Bei der Überprüfung a posteriori ist

425 IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertung (IDW S 1), Stand 02.04.2008; dazu aus betriebswirtschaftlicher Perspektive zB Matschke/Brösel, Unternehmensbewertung4 782 ff; s auch Jonas in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 3 Rz 7 ff. 426 Fachgutachten des Fachsenats für Betriebswirtschaft und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zur Unternehmensbewertung idF 26.03.2014. 427 IDW S 1 Rz 12; WP Hdb II14 Teil A Rz 17; KFS/BW 1 Rz 21; vgl dazu Hayn, DB 2000, 1346 (1347 f); mE wäre systematisch betrachtet für die Wirtschaftsprüfertätigkeit im Zusammenhang mit Bewertung nicht von drei, sondern im Grundsatz nur von zwei Funktionen auszugehen: je nach Abhängigkeit von einer bestimmten Partei ist zunächst nach Berater- und Gutachtertätigkeit zu differenzieren. Bei der Gutachtertätigkeit ist sodann weiter zu unterscheiden, ob mit dem Ziel einer Konfliktbeilegung auf die Schnittmenge von Preisober- und Untergrenzen verschiedener Parteien Rücksicht zu nehmen ist (Schiedsgutachter/Vermittler), oder nicht (neutraler Gutachter); in diesem Sinne auch Coenenberg/Schultze, DBW 2002, 597 (599). 428 IDW S 1 Rz 12; WP Hdb II14 Teil A Rz 18 f; KFS/BW 1 Rz 16: typisierende Annahmen; s aber KFS/BW 1 Rz 9: Unternehmen seien „immer aus der Sicht einer oder mehrerer Parteien zu bewerten“; zum Ganzen Wollny, Unternehmenswert2 3 ff, 24 ff; ein solch „objektivierter“ Wert ist im Spruchverfahren gesucht: OLG Düsseldorf 31.10.2013, 26 W 28/12, BeckRS 2014, 22094, Rz 36; ausführlich zum objektivierten Unternehmenswert Burger, Börsenkurse und angemessene Abfindung 213 ff. 429 IDW S 1 Rz 12; WP Hdb II14 Teil A Rz 20 ff; KFS/BW 1 Rz 19; vgl dazu Stöber, RWZ 2001, 102; Böcking/Rauschenberg in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 2 Rz 11 ff. 430 WP Hdb II14 Teil A, Rz 31. 431 S zum Begriff unten in FN 443. 432 IDW S 1 Rz 12; WP Hdb II14 Teil A Rz 26 ff; KFS/BW 1 Rz 20; s auch Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 152. 433 WP Hdb II14 Teil F, Rz 228; Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 43; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 184 f.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

vielfach auch vom „objektivierten Unternehmenswert“ die Rede.434 Das juristische Schrifttum verwendet mitunter beide Wertkonzepte ohne Gegensatz nebeneinander.435 Sie führen nicht zwingend zu unterschiedlichen Unternehmenswerten. Ausschlaggebend ist allein die Charakterisierung des Bewertungssubjekts. Die entscheidenden Parameter sind durch das Wertkonzept bloß programmatisch, nicht aber konkret vorgegeben. So beruht etwa die Kritik am Konzept des „objektivierten“ Unternehmenswerts436 nur zum Teil auf terminologischen Divergenzen,437 vor allem aber auf der Diskussion um die Eigenschaften des maßgeblichen Bewertungssubjekts.438 Letztere lassen sich nicht generell-abstrakt fixieren. Ausschlaggebend ist der Bewertungsanlass.439 Im Folgenden steht 434 S etwa Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 43; Zeidler in Semler/ Stengel, UmwG3 § 9 Rz 45; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 188. 435 Vgl zB Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 43 ff. 436 Vgl Moxter, Unternehmensbewertung2 27 ff; Matschke, BFuP 2013, 14 (42 ff); Matschke/Brösel/Karami in FS G. Mandl (2010) 421 (442); Hüttemann, ZHR 162 (1998) 563 (583 ff); Hayn, DB 2000, 1346 (1353); Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 195 f; Hommelhoff, JbFSt 1987/1988, 181 (182); zur in Österreich aus Anlass von OGH 25.09.2003, 2 Ob 189/01k, ecolex 2004, 112 (Reich-Rohrwig) entbrannten Diskussion s Seicht, SWK 1999, W 6; Bertl/Schiebel, RWZ 2003, 353; Bertl/Schiebel, RWZ 2004, 8; Seicht, RWZ 2004, 161; Bertl/Schiebel, RWZ 2006, 170; Seicht, RWZ 2004, 257; Bertl/Schiebel, RWZ 2004, 268; Beiser, SWK 2004, W 55; Pummerer, SWK 2004, W 71; vgl Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung2 400 f; s auch die weit frühere, inhaltlich mE tiefgehende deutsche Kontroverse: Engel/Giese, WPg 1983, 269; Schildbach, WPg 1983, 493; Engel/Giese, WPg 1983, 496; vgl auch Adolff, Unternehmensbewertung 161 ff. 437 Moxter, Unternehmensbewertung2 26: „Typisierung darf nicht mit Objektivierung verwechselt werden“; die terminologischen Ambivalenzen spielen mE im Sinne eines homogenen Begriffsverständnisses zur Vermeidung von Transaktionskosten eine Rolle; inhaltlich sind sie weniger relevant; vgl dazu Winner, Wert und Preis 421, 423; KFS/BW 1 Rz 16. 438 Vgl Hüttemann, ZHR 162 (1998) 563 (582); s auch Jonas in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 3 Rz 4. 439 Hüttemann in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 1 Rz 7; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 108; für einen Überblick rechtlich determinierter Bewertungsanlässe vgl Hüttemann in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 1 Rz 9 ff; Wollny, Unternehmenswert2 48 f; Haberer/Purtscher in Althuber/Schopper, Unternehmenskauf2 163 (206 f); KFS/BW 1 Rz 14, 22; IDW S 1 Rz 8 ff, 18; zur Systematisierung der Bewertungsanlässe s Keim/Jeromin in Hölters, Unternehmenskauf8 Teil II Rz 2.26; Matschke/Brösel, Unternehmensbewertung4 87 ff; Matschke/Brösel differenzieren Bewertungsanlässe zunächst danach, ob sie mit einer Änderung der Eigentumsverhältnisse am Unternehmen einher gehen; innerhalb der Bewertungsanlässe mit Eigentumsänderung unterscheiden sie fünf Merkmale der Konfliktsituation: Kauf/ Verkauf vs Fusion/Spaltung, jungiert vs disjungiert, eindimensional vs mehrdimensional, dominiert vs nicht dominiert, limitiert vs nicht limitiert: Matschke/ Brösel, Unternehmensbewertung4 88 f; vgl G. Mandl/Rabel, RWZ 1997, 350 (350):

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

daher nicht die Frage nach der anwendbaren Wertkonzeption, sondern die Frage nach dem maßgeblichen Bewertungssubjekt im Mittelpunkt. c) Typisiertes Bewertungssubjekt Der subjektive Unternehmens- und Anteilswert differiert typischerweise von Aktionär zu Aktionär.440 Denn die individuellen Erwartungen und Risikonutzenfunktionen unterscheiden sich in der Regel voneinander.441 Wollte man diesen subjektiven Wert berücksichtigen, ergäbe sich für jeden Aktionär ein anderes Grenzumtauschverhältnis. Was für den einen Aktionär angemessen ist, könnte für den anderen unangemessen sein. Ein für sämtliche Aktionäre angemessenes Umtauschverhältnis lässt sich bei differierenden Bewertungssubjekten kaum realisieren.442 Die Berücksichtigung mehrerer unterschiedlicher, subjektiver Grenzpreise im Sinne einer individuell-arbitriumtheoretischen Betrachtung443 gerät bei der Verschmelzung in Widerspruch zum gesetzlichen Modell, ein einziges, angemessenes Umtauschverhältnis zu ermitteln.444 Dazu kämen unlösbare praktische Probleme. Denn weder individuelle Erwartungen noch Risikonutzenfunktionen lassen sich anlässlich eines Verschmelzungsvorgangs mit vertretbarem Aufwand erheben. Auf den subjektiven Wert kommt es aber schon aus rechtlichen Erwägungen nicht an.445 Die gesetzliche Konzeption der Verschmelzung und differenzierend nach Transaktionsbezogenheit und Dominierung des Bewertungsanlasses; Khinast-Sittenthaler, RWZ 2001, 141 (142); Hering, Unternehmensbewertung2 14 ff; Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung2 13 f. 440 S oben bei FN 417 und Hering, Unternehmensbewertung2 26 f; Adolff, Unternehmensbewertung 1 f; Maul in FS Drukarczyk (2003) 255 (276); Heurung, DB 1997, 837 (839 ff); vgl Ruthardt, Abfindungsbemessung 37. 441 Zum Begriff oben in FN 416. 442 Vgl allgemein Hachmeister/Ruthardt, DB 2014, 1689 (1689 f); Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 14; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 109; Simon/ Leverkus in Simon, SpruchG Anh § 11 Rz 24; Hecker, Regulierung 95; Ruthardt, Abfindungsbemessung 37 ff; Heurung, DB 1997, 837 (839 ff); Hügel, Verschmelzung und Einbringung 188 f. 443 „Arbitrium“ = lateinisch „Schiedsspruch, Gutachten“ http://www.duden.de/ rechtschreibung/Arbitrium [21.08.2016]; zum Ganzen Matschke, BFuP 2013, 14 (32 ff); Karami, Squeeze-out 98 ff; Burger, Börsenkurse und angemessene Abfindung 197 f; Matschke/Brösel/Karami in FS G. Mandl (2010) 421 (430 ff); Adolff, Unternehmensbewertung 173 f; Helbling, Unternehmensbewertung und Steuern9 (1998) 46 f; zum „Grenzpreis“ s zB Piltz, Unternehmensbewertung3 9. 444 Vgl Mertens, AG 1992, 321 (325). 445 Zutreffend OLG Stuttgart 14.02.2008, 20 W 9/06, BeckRS 2008, 04445, Rz 29; vgl Welf Müller in Kallmeyer, UmwG5 § 9 Rz 26; s auch Mertens, AG 1992, 321 (325); WP Hdb II14 Teil F, Rz 242; Möller, Verschmelzungs­beschluss 47; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 108 ff; vgl zur Umwandlung LG Dortmund

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

der Verfahren (a priori- und a posteriori) zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses sehen unterschiedliche Umtauschverhältnisse je nach der individuellen aktionärsspezifischen Disposition nicht vor.446 Die gebotene Typisierung folgt darüber hinaus aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 47a öAktG, § 53a dAktG) sowie aus dem Anspruch auf gleichmäßige Gewinnbeteiligung (§ 53 Abs 1 öAktG; § 60 Abs 1 dAktG).447 Dem gesetzlichen Modell liegt zudem eine Mediatisierung der Interessen des einzelnen Aktionärs zugrunde. Denn der Verschmelzungsvertrag, dessen wesentlicher Inhalt das Umtauschverhältnis ist,448 wird durch die Vorstände der beteiligten Gesellschaften ausgehandelt.449 Für die Unternehmensbewertung bei der Verschmelzung ist also unzweifelhaft von einer typisierten Betrachtungsweise auszugehen.450 Die Typisierung beschränkt sich nicht auf den jeweiligen Aktionärskreis. Eine Typisierung nach Aktionärskreisen wäre nicht nur unpraktisch, weil sich daraus in manchen Konstellationen kein insgesamt angemesse19.03.2007, 18 AktE 5/03, AG 2007, 792, Grohe, Rz 41; Heurung, DB 1997, 888 (889); abweichend Rapp, Der Konzern 2012, 8 (9): bei Squeeze-out Orientierung am höchsten individuellen Grenzpreis, praktische Umsetzung durch Orientierung am größten Minderheitsaktionär. 446 Das Gesetz spricht von dem, dh von einem einzigen Umtauschverhältnis: vgl § 220 Abs 2 Z 3 öAktG, § 220a öAktG, § 220b Abs 4 öAktG, § 225b öAktG, § 225c Abs 1 öAktG; § 5 Abs 1 Z 3 dUmwG, § 8 Abs 1 dUmwG, § 12 Abs 2 dUmwG, § 14 Abs 2 dUmwG, § 15 Abs 1 dUmwG; davon ausgenommen ist die Differenzierung aufgrund von Unterschieden zwischen den ausgegebenen Aktien: zB bei Nennbetragsaktien mit unterschiedlich hohen Nennbeträgen oder Vorzugsaktien; auch dort gilt aber eine einzige Gesamtbeteiligungshöhe. 447 Vgl Winner in Kalss/Fleischer/Vogt, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2013, 109 (113); Winner, Wert und Preis 421 f; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 109; Kalss in Kalss, VSU2 § 220 Rz 31; Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 184 ff; Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung2 398 ff; Seicht, RWZ 2004, 161 (162); Bachl, GesRZ 2000, 81 (82); für Personengesellschaften aA Rüffler in Artmann/Rüffler/U. Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht 43 (51). 448 § 220 Abs 2 Z 3 öAktG; § 5 Abs 1 Z 3 dUmwG. 449 § 220 Abs 1 öAktG; § 4 Abs 1 dUmwG. Der gesetzlichen Konzeption der Mediatisierung der individuellen Aktionärsinteressen entsprechen auch die Einrichtung des gemeinsamen Vertreters (§ 225f öAktG, § 26 dUmwG), § 225i Abs 1 S 3 öAktG (dazu Kapitel V.B.1 [223]) sowie die Tatsache, dass die Verschmelzung durch Mehrheitsbeschluss genehmigt wird. Das gilt ungeachtet der materiellen Beschlusskontrolle des Verschmelzungsbeschlusses, deren Bestand und Ausmaß strittig sind: s unten bei FN 1177. 450 Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 14; Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 45; Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 184 ff; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG Anh § 11 Rz 25; Wollny, Unternehmenswert2 163 ff; Ruiz de Vargas in Bürgers/Körber, AktG3 Anh § 305 Rz 7; OLG Düsseldorf 31.10.2013, 26 W 28/12, BeckRS 2014, 22094, Rz 36: „objektivierter Wert“.

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

nes Umtauschverhältnis ableiten ließe, sondern auch rechtlich unzulässig. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt für sämtliche Aktionäre der aus der Verschmelzung resultierenden („verschmolzenen“) Gesellschaft.451 Aus rechtlicher Perspektive kann es daher nur ein einziges maßgebliches Bewertungssubjekt geben. Das ist der typisierte Aktionär der aus der Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft.452 Ausschließlich auf den Wert der Beteiligung dieses Aktionärs am Bewertungsstichtag453 ist abzustellen.454 Dies gilt ungeachtet der asymmetrischen Antragslegitimation bei der Überprüfung a posteriori455 auch im deutschen Verschmelzungsrecht. Denn das Umtauschverhältnis hat für jeden Ak­ tionär angemessen zu sein (zweiseitiges Angemessenheitsgebot).456 Die Typisierung des Bewertungssubjekts ist bei der Verschmelzung in besonderem Maße rechtlich determiniert.457 ME ist von einem rationalen,458 den Eigennutzen maximierenden,459 marktdurchschnittlich risikoaversen460 und diversifizierten461 Durchschnittsaktionär der verschmolzenen Gesellschaft auszugehen.462 Das deckt sich zunächst mit dem Typus eines rational-apathischen Aktionärs, der der gesetzlichen Konzeption des Aktienrechts im Allgemeinen, aber auch der Verschmelzung im Beson451 OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 93; Lutter in FS Mestmäcker (1996) 943 (949); Kalss in Kalss, VSU2 § 220 Rz 31; Drygala in Lutter, UmwG5 § 5 Rz 27 mwN; ausdrücklich auch Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG5 § 5 Rz 7; vgl Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 69; aA Vetter, ZHR 168 (2004) 8 (27 FN 58). 452 Vgl Ossadnik, DB 1985, 1953 (1954); Winner, Wert und Preis 421 f. 453 Ausführlich unten Kapitel III.C.4 [63] und Kapitel V.C.2.f) [262]; vgl Adolff, Unternehmensbewertung 369 ff. 454 Vgl Winner, Wert und Preis 423 ff. 455 S unten Kapitel V.B.2 [223]. 456 S oben Kapitel III.C.2.b)(4) [52]. 457 Adolff, Unternehmensbewertung 4; vgl Mertens, AG 1992, 321 (325); Welf Müller in Kallmeyer, UmwG5 § 9 Rz 26; Winner, Wert und Preis 422. 458 Vgl Adolff, Unternehmensbewertung 368, 478 f; Keppert, SWK 2010, W 69 (W 73); Karami, Squeeze-out 120 ff; s dazu unten bei und in FN 3266. 459 Vgl Adolff, Unternehmensbewertung 368, 478 f; Winner, Wert und Preis 421 f; Modigliani/Miller, The American Economic Review 1958, 261 (263); Kruschwitz, Investitionsrechnung14 10 ff; unten bei und in FN 3268. 460 OLG Frankfurt 20.12.2013, 21 W 40/11, BeckRS 2014, 11112, RWE AG/Lahmeyer AG, Rz 72; Ruthardt, Abfindungsbemessung 129; zum Begriff s unten in FN 3156. 461 Einschränkend Adolff, Unternehmensbewertung 77, 208, 376 f, 478 f; dass der typisierte Aktionär das Weltportfolio hält, ist mE nicht anzunehmen; vielmehr ist ein länderspezifisches Portfolio zu unterstellen. 462 Vgl Winner, Wert und Preis 422; Keppert, SWK 2010, W 69 (W 73); zur gebotenen Typisierung im rechtlichen Bewertungskontext auch Ballwieser in FS G. Mandl (2010) 63 (76 f); s auch Aschauer, Gesellschafterausschluss 179 f: fiktiver Marktwert; kritisch zur Typisierung Ruthardt/Hachmeister, WPg 2016, 411 (417 ff).

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

deren zugrunde liegt.463 Dass das Handeln realer Aktionäre mitunter von irrationalen Überlegungen bestimmt sein dürfte,464 steht dem nicht entgegen. Denn das Angemessenheitsgebot dient dem Schutz der Aktionäre. Es soll gerade bei suboptimalem Verhalten der Schutzsubjekte zum Tragen kommen. Dies zeigt etwa der weite Kreis der Antragsberechtigten gem § 225c Abs 1 öAktG bzw § 15 Abs 1 dUmwG, der auch jene Aktionäre umfasst, die dem Verschmelzungsbeschluss zugestimmt haben.465 Den Schutzsubjekten durch Typisierung jenes Verhalten zu unterstellen, vor deren Folgen das Angemessenheitsgebot unter anderem schützen soll, hieße also, den Normzweck durch die Hintertür aus den Angeln zu heben. Das kann nicht intendiert sein. Ein Fehlerkalkül für suboptimales Aktionärshandeln ist dem Angemessenheitsgebot vielmehr immanent. Die Annahmen der Risikoaversion und der Diversifikation lassen sich mE durch den Aktionärsschutzzweck des Angemessenheitsgebots466 rechtfertigen.467 Sie decken sich zudem mit den Prämissen der üblichen ökonomischen Modelle.468 Die Annahme der Diversifikation steht zudem mit der Annahme rationalen Handelns in Einklang.469 Für eine ge­ nerelle Typisierung sprechen verfahrensökonomische Überlegungen.470 Der Aufwand zur Erhebung individueller Aktionärsdaten und zu deren Aggregation ist im Durchschnitt zu hoch, als dass er sich aus dem Ak­ tionärsschutzzweck rechtfertigen ließe. Eine solche einzelfallbezogene 463 Hommelhoff in Liber amicorum für Martin Winter (2011) 255 (258): „Gesetzgeberisches Leitbild im deutschen Aktienrecht ist mithin der inaktive Aktionär, der allein mit seiner Einlage zum Zweck und Erfolg der Aktiengesellschaft beiträgt“; vgl U. Torggler, GesR I Rz 8. 464 Zu den gebotenen Einschränkungen des Konzepts vom „homo oeconomicus“ durch Forschungsergebnisse der behavioural economics s nur H. A. Simon, Models of Bounded Rationality, Volume 1 bis 3 (1982, 1982, 1997); Sunstein, The University of Chicago Law Review 1997, 1175 (1179 ff); Jolls/Sunstein/Thaler, Stanford Law Review 1997/98, 1471 (1476 ff); Fleischer/Schmolke/Zimmer in Fleischer/ Zimmer (Hrsg), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht (2011) 9 (12 ff); Altmann/Falk/Marklein in Fleischer/Zimmer (Hrsg), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht (2011) 63 (65 ff); s auch unten bei FN 2826, 2827. 465 Dazu unten Kapitel V.A [233]; s auch Kapitel V.D.2.b)(3) [368]. 466 S oben Kapitel III.B.3.d) [37] und Kapitel III.B.4.c) [39]. 467 Im Ergebnis übereinstimmend Aschauer, Gesellschafterausschluss 174 ff, der diese Typisierung allerdings mit der Relevanz eines fiktiven Marktwerts als norm­ adäquatem Wert begründet. 468 S unten bei FN 3153; zum Begriff unten in FN 3156. 469 S oben bei FN 458. 470 Zur Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit allgemein U. Torggler, JBl 2011, 762 (763 ff).

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

Abwägung läuft letzterem sogar zuwider, wenn die individualisierte Berücksichtigung der Aktionärsdisposition zum Nachteil der Antragsteller ist.

4. Bewertungsstichtag a) Definition und Problemstellung Fraglich ist, auf welchen Tag das Wertverhältnis der Gesellschaftsvermögen bezogen werden soll (rechtlicher Bewertungsstichtag).471 Die Bewertung setzt in der Regel nicht direkt am rechtlichen Bewertungsstichtag, sondern am Beginn einer Planungsperiode (Geschäftsjahr) an (rechnerischer Bewertungsstichtag).472 Der zeitlichen Abweichung wird in der Praxis durch eine Auf- oder Abzinsung des von der periodischen Planung abgeleiteten Bewertungsergebnisses Rechnung getragen.473 Vom rechtlichen und rechnerischen Bewertungsstichtag zu unterscheiden ist jener Zeitpunkt, zu dem die Bewertung tatsächlich vorgenommen wird (technischer Bewertungsstichtag).474 Dieser muss vor dem Zeitpunkt des Ab471 Gliederung und Terminologie orientieren sich mit Ausnahme des „rechnerischen Bewertungsstichtags“ (dazu gleich FN 472) an den Ausführungen von Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 19 ff; den tatsächlichen Zeitpunkt der Bewertung ebenso als Bewertungsstichtag bezeichnend Winner, Wert und Preis 438. 472 OLG Stuttgart 14.09.2011, 20 W 7/08, AG 2012, 135, Rz 130; Simon differenziert zwischen dem „rechtlichen Bewertungsstichtag“ als demjenigen Zeitpunkt, bis zu dem „Umstände und Verhältnisse bei der Ermittlung des Unternehmenswerts zu berücksichtigen sind“ (Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 20) und dem „rechnerischen Bewertungsstichtag“, als dem Zeitpunkt, auf den „die Unternehmenswerte und damit das Umtauschverhältnis“ (Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 28) zu berechnen sind; nach Simon sei der rechnerische Bewertungsstichtag frei wählbar. ME ist das Umtauschverhältnis zwingend auf den rechtlichen Bewertungsstichtag zu beziehen; als „rechnerischer Bewertungsstichtag“ wäre demgegenüber besser jener Stichtag zu bezeichnen, auf den sich die Bewertung zunächst wegen der Periodenorientierung unternehmerischer Planung bezieht (Beginn einer Planungsperiode, zB Geschäftsjahr); weicht der so definierte rechnerische Stichtag vom rechtlichen Stichtag ab, ist entsprechend den Ausführungen in OLG Stuttgart 14.09.2011, 20 W 7/08, AG 2012, 135, Rz 130 auf- oder abzuzinsen. 473 Vgl OLG Stuttgart 14.09.2011, 20 W 7/08, AG 2012, 135, Rz 130; Hüttemann/ Meyer in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 12 Rz 21. 474 Vgl Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 30; Jaspers/Posch in Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht Anhang § 11 SpruchG Rz 37; Hüttemann/ Meyer in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 12 Rz 4; die Bezeichnung „technischer Bewertungsstichtag“ wird zum Teil mit abweichender Bedeutung verwendet; vgl zB Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 131, der mit dem „technischem Bewertungsstichtag“ den nach hier verwendeter Terminologie „rechnerischen Bewertungsstichtag“

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

schlusses des Verschmelzungsvertrags, der Aufstellung des Entwurfs des Verschmelzungsvertrags oder des Verschmelzungsplans (bei der grenz­ überschreitenden Verschmelzung) liegen. Denn diese Dokumente und damit das festgelegte Umtauschverhältnis werden veröffentlicht und liegen den Verschmelzungsbeschlüssen in der veröffentlichten Fassung zugrunde. Anders gewendet: Würde das Umtauschverhältnis und damit das Vertragsdokument aufgrund anderer Unternehmenswerte nach der Veröffentlichung angepasst, müsste das geänderte Dokument veröffentlicht werden. Durch die gesetzlichen Prüfungs-475 und Veröffentlichungspflichten476 ergibt sich also zwingend ein Zeitraum von einigen Monaten zwischen dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags und dem Zeitpunkt der beschlussfassenden Hauptversammlungen, sodass technischer und rechtlicher Bewertungsstichtag notwendigerweise auseinanderfallen.477 Üblich sind Erklärungen der Bewerter zum Zeitpunkt der beschlussfassenden Hauptversammlungen, wonach in der Zwischenzeit keine Änderungen der Bewertungsgrundlagen eingetreten seien (Negativ­ erklärungen478) oder – falls doch Änderungen aufgetreten sind – ein (die veröffentlichten Dokumente unberührt lassender) Nachtragsbericht der Vorstände in der Hauptversammlung (§ 64 Abs 1 S 1 dUmwG, § 221a Abs 5 S 3 öAktG).479 Gegenstand folgenden Analyse ist der rechtliche Bewertungsstichtag, und zwar sowohl in Bezug auf den Verschmelzungsvertrag und das Schutzsystem a priori als auch für die Überprüfung a posteriori.

meint; so wohl auch Ruiz de Vargas in Bürgers/Körber, AktG3 Anh § 305 Rz 9; Karami, Squeeze-out 149. 475 S oben Kapitel II.D.2 [22]. 476 Vgl insb Art 6 VerschmelzungsRL; zur Umsetzung § 61 dUmwG, § 221a öAktG; für Konzernverschmelzungen s § 62 Abs 3 dUmwG (1 Monat vor Tag der Hauptversammlung) und § 231 Abs 2 öAktG. 477 S deshalb zB die Berichtspflicht des Vorstands in der Hauptversammlung über jede wesentliche Veränderung des Gesellschaftsvermögens seit Abschluss des Verschmelzungsvertrags: § 221a Abs 5 S 3 öAktG; § 64 Abs 1 S 1 dUmwG; dazu Marsch-Barner in FS Maier-Reimer (2010) 425 (426 ff). 478 Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 131; vgl Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 26. 479 Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG5 § 8 Rz 21; Drygala in Lutter, UmwG5 § 5 Rz 32; zur nachträglichen Anpassung des Umtauschverhältnisses s Marsch-Barner in FS Maier-Reimer (2010) 425 (433 ff); vgl zur Barabfindung H. Schmidt in Liber amicorum für Martin Winter (2011) 583 (587 ff).

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

b) Meinungsstand Ausdrückliche gesetzliche Vorgaben für den rechtlichen Bewertungsstichtag fehlen.480 Der Stichtag muss für alle beteiligten Gesellschaften der gleiche sein, weil es um die Festlegung eines Wertverhältnisses geht.481 Die Lehre differenziert zum Teil danach, ob es sich um den Stichtag für das Umtauschverhältnis im Verschmelzungsvertrag oder für die Überprüfung a posteriori handelt. Nach überwiegender Ansicht zum österreichischen Verschmelzungsrecht ist für den Bewertungsstichtag im Vertrag analog § 2 GesAusG der Tag der Beschlussfassung maßgebend.482 Für die gerichtliche Überprüfung a posteriori dürfte jedenfalls bei Verschmelzungen verbundener Gesellschaften („Konzernverschmelzungen“; s zur Abgrenzung unten Kapitel V.D.2.b)(1)(b) [360]) unstrittig das Gleiche gelten;483 für Konzen­ trationsverschmelzungen („merger of equals“; s zur Abgrenzung unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]) vertritt Winner die freie Festlegbarkeit im Verhandlungswege.484 Die deutsche Lehre zum maßgeblichen Stichtag für die a priori-Bewertung ist uneinheitlich.485 Vertreten werden die freie Wahl des Zeitpunkts,486 der Zeitpunkt des Verschmelzungsbeschlusses der übertragen480 Vgl Hüttemann/Meyer in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 12 Rz 33 f; Bungert in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 20 Rz 28. 481 WP Hdb II14 Teil F, Rz 231; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 131; Drygala in Lutter, UmwG5 § 5 Rz 32; Kalss in Doralt/Nowotny/ Kalss, AktG2 § 220 Rz 16; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220 Rz 10. 482 Kalss in Kalss, VSU2 § 220 Rz 23; ebenso Winner, Wert und Preis 438 (nur für die Konzernverschmelzung, nicht a posteriori und a priori differenzierend, und nicht direkt auf die Analogie zu § 2 GesAusG abstellend); aA Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220 Rz 10: Stichtag sei beliebig wählbar, Regelfall sei der Tag vor oder nach der beschlussfassenden Hauptversammlung (unter Bezugnahme auf die Vorauflage von Kalss, VSU2); offen Mühlehner in Kranebitter, Unternehmensbewertung2 49 (65): Ausgangspunkt seien die letzten Jahresabschlüsse, danach eingetretene, außerordentliche Entwicklungen seien zu berücksichtigen; offen bleibt nach den Ausführungen Mühlehners insbesondere, bis wann außerordentliche Entwicklungen einzubeziehen wären, und welche Entwicklungen „außerordentlich“ sein sollen. 483 Kalss in Kalss, VSU2 § 220 Rz 23; Winner, Wert und Preis 438. 484 Winner, Wert und Preis 437. 485 S für einen Überblick über den Meinungsstand WP Hdb II14 Teil F, Rz 232 f. 486 Heidinger in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht3 § 5 UmwG Rz 15 f; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG5 § 8 Rz 21: Zeitpunkt der Beschlussfassung der übertragenden Gesellschaft könne entsprechend § 30 Abs 1 dUmwG herangezogen werden, mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung seien frühere Zeitpunkte zulässig;

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

den Gesellschaft,487 der erste Verschmelzungsbeschluss bei einer der beteiligten Gesellschaften,488 der Abschluss des Verschmelzungsvertrags oder der Verschmelzungsstichtag.489 Ein variabler Stichtag (zB für den Fall einer Verzögerung der Eintragung der Verschmelzung) wird mit der Rechtsprechung des BGH als unzulässig angesehen.490 Der maßgebliche Bewertungsstichtag für die Überprüfung a posteriori ist nach überwiegender Ansicht der Zeitpunkt der Beschlussfassung des übertragenden Rechtsträgers.491 Drygala in Lutter, UmwG5 § 5 Rz 32: in Betracht komme der Tag der Schlussbilanzen, der Bewertungsstichtag müsse vor dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung liegen, weil sonst die gesicherte Entscheidungsbasis fehle; letzteres Argument geht mE ins Leere, weil jeder Bewertung der risikobehaftete Blick in die Zukunft inhärent ist. 487 WP Hdb II14 Teil F, Rz 234; Wicke in FS Stilz (2014) 707 (719); Bungert in Fleischer/ Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 20 Rz 28; Hüttemann/ Meyer in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 12 Rz 34; Schröer in Semler/Stengel, UmwG3 § 5 Rz 59 unter Bezugnahme auf § 30 Abs 1 S 2 dUmwG und § 305 Abs 3 S 2 dAktG; mit ähnlicher Begründung Riegger/ Gayk in Kölner Komm AktG3 Anh § 11 SpruchG Rz 7; Adolff, Unternehmensbewertung 421; vgl bereits Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, WM 1993, 1 (7); s auch Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 131: jedenfalls dann, wenn aktuelle Unternehmensbewertung (3 Monate vor Hauptversammlung) möglich ist; im Einzelfall sei bei besonderen Bewertungsschwierigkeiten ein früherer Bewertungsstichtag denkbar; dann erscheine aber nur der Verschmelzungsstichtag als praktisch; von dort sei auf den Tag der Beschlussfassung in der Hauptversammlung aufzuzinsen; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG Anh § 11 Rz 32; zur alten Rechtslage Bayer, AG 1988, 323 (329); Hoffmann-Becking in FS Fleck (1988) 105 (115 ff); Priester, BB 1992, 1594 (1595 f): analog § 305 Abs 2 S 2 dAktG; den Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses als Bewertungsstichtag ablehnend, weil es (mindestens) zweier Hauptversammlungsbeschlüsse bedürfe und daher zwei Zeitpunkte in Frage kämen und die Bewertung bei der Hauptversammlung schon vorliegen müsse Stratz in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 28; offenlassend WP Hdb II14 Teil A, Rz 514. 488 Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 20 ff (zwingend); vgl für die Bemessung des Ausgleichs gem § 304 Abs 2 S 1 dAktG BGH 21.07.2003, II ZB 17/01, BGHZ 156, 57, Ytong AG, Rz 13: „Zeitpunkt […], in dem der Beherrschungsvertrag aufgrund der Genehmigung durch die Hauptversammlung des beherrschten Unternehmens […] wirksam geworden ist“. 489 Offen, entweder den Abschluss des Verschmelzungsvertrags oder den Verschmelzungsstichtag empfehlend Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 29; auf den Verschmelzungsstichtag abstellend Möller, Verschmelzungs­beschluss 70. 490 BGH 04.12.2012, II ZR 17/12, NZG 2013, 233, T.O.I. AG, Rz 27; Stratz in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 28. 491 Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG5 § 15 Rz 2; Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht116 § 15 UmwG Rz 63; Gehling in Semler/Stengel, UmwG3 § 15 Rz 19; vgl Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 15 Rz 21; ebenso OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/T-Online AG, Rz 165 (unter Verweis auf § 30 dUmwG und Ablehnung des Zeitpunkts der

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

c) Stellungnahme Ein beliebig wählbarer Bewertungsstichtag würde eine erhebliche Ma­ nipulationsgefahr zur Folge haben. Dies wäre mit dem Schutzzweck des Angemessenheitsgebots nicht vereinbar.492 Überdies müssen mE die rechtlichen Vorgaben a priori und a posteriori in jedem Fall überein­ stimmen.493 Das folgt aus dem einheitlichen Angemessenheitsgebot.494 Andernfalls bestünde trotz eines im Verschmelzungsvertrag korrekt festgelegten Umtauschverhältnisses womöglich ein Anspruch auf Ausgleichszuzahlungen.495 Dies wäre verfahrensökonomisch bedenklich. Fraglich ist somit, welcher (einheitliche) Stichtag für die Überprüfung a priori und a posteriori maßgeblich ist. Nahe liegend mag es auf den ersten Blick erscheinen, die Äquivalenzprüfung auf den Leistungszeitpunkt, also auf den mit Eintragung vollzogenen Aktientausch zu beziehen.496 Dieser Zeitpunkt ist aber ex ante nicht eindeutig bestimmbar, weil die Eintragung im Handelsregister bzw im Firmenbuch nicht allein durch die beteiligten Gesellschaften gesteuert werden kann. Zudem würde die ohnehin erhebliche Zeitspanne zwischen dem technischen und dem rechtlichen Bewertungsstichtag dadurch noch weiter verlängert werden. Den Zeitpunkt der Eintragung als Bewertungsstichtag heranzuziehen, unterläge daher erheblichen praktischen Schwierigkeiten.497 Dies wäre aber auch rechtlich systemwidrig, wird doch bei vergleichbaren Instrumenten der Äquivalenzprüfung stets auf das Wertverhältnis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgestellt.498

Eintragung der Verschmelzung als zwingenden Referenzpunkt der Prüfung); offenlassend Drygala in Lutter, UmwG5 § 5 Rz 32. 492 Hüttemann/Meyer in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 12 Rz 34; vgl Winner, Wert und Preis 437 f. 493 Insoweit trifft es mE nicht zu, wenn Kalss meint, es wären zwei unterschiedliche Fragen, welcher Stichtag der Bewertung nach dem Vertrag, und welcher Stichtag der gerichtlichen Überprüfung zugrunde liegt (Kalss in Kalss, VSU2 § 220 Rz 23). 494 Oben Kapitel III.B.2 [31]. 495 Zutreffend Simon in Kölner Komm UmwG § 15 Rz 8. 496 So bereits Hoffmann-Becking zur alten Rechtslage: „müßte es strenggenommen auf die in diesem Zeitpunkt [Anm: Eintragung der Verschmelzung] gegebene Wert­ relation ankommen.“, freilich sogleich relativierend, weil das Umtauschverhältnis beim Vertragsabschluss festgelegt werden muss Hoffmann-Becking in FS Fleck (1988) 105 (115); vgl Seetzen, WM 1994, 45 (46): Tag, auf den die Verschmelzung nach dem Vertrag vorgenommen werden soll. 497 Vgl OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/ T-Online AG, Rz 165. 498 Vgl unten Kapitel IV.B.3.b) [187].

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

ME ist der Zeitpunkt der rechtlichen Bindung ausschlaggebend. Sobald die Hauptversammlung zugestimmt hat, kann das Umtauschverhältnis nicht mehr ohne neuerlichen Beschluss verändert werden.499 Auf diesen Zeitpunkt abzustellen, ist sachgerecht. Die Richtigkeit dieser Lösung indizieren § 64 Abs 1 S 2 dUmwG, § 221a Abs 5 S 3 öAktG. Sie steht darüber hinaus in Einklang mit § 30 Abs 1 dUmwG (Barabfindung bei rechtsformübergreifender Verschmelzung bzw Verschmelzung mit Delisting) und § 2 Abs 1 GesAusG (Squeeze-out), die ein Teil der Lehre – mit indirekter Deckung durch die Materialien zum GesAusG500 – analog auf die Verschmelzung anwendet.501 Anders als bei § 30 Abs 1 dUmwG (vgl § 243b öAktG), § 2 Abs 1 Ges­ AusG, die Barabfindungskonstellationen regeln,502 geht es bei der Verschmelzung aber nicht um die Bewertung einer, sondern mindestens zweier Gesellschaften. Damit stellt sich die Frage, welcher der Hauptversammlungsbeschlüsse der beteiligten Gesellschaften ausschlaggebend sein soll. Aus § 30 Abs 1 S 1 dUmwG („Die Barabfindung muß die Verhältnisse des übertragenden Rechtsträgers im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Verschmelzung berücksichtigen“) lässt sich dazu nichts gewinnen, weil sich das Problem einer Relationalbewertung im dort geregelten Fall gar nicht stellt. § 2 Abs 1 GesAusG und die österreichische Parallelregelung zu § 30 dUmwG, § 243b öAktG, enthalten keine entsprechende Festlegung. Dass die wohl überwiegende deutsche Ansicht auf den Beschluss bei der übertragenden Gesellschaft abstellt,503 ist wohl vor dem Hintergrund der asymmetrischen Antragslegitimation im Spruchverfahren zu erklären.504 Rechtlich kann dies freilich nicht relevant sein, weil das Umtauschverhältnis auch für Aktionäre der übernehmenden AG angemessen sein muss.505 Soweit wegen des Konzernkonflikts auf den Beschluss bei der übertragenden Gesellschaft abgestellt werden sollte, so trifft auch das nicht das Richtige. Denn die übertragen499 Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 23 f; vgl BGH 04.12.2012, II ZR 17/12, NZG 2013, 233, T.O.I. AG, Rz 27. 500 S ErlRV zu § 2 GesAusG 1334 BlgNR 22. GP 28: „[…] der Stichtag für die Angemessenheit wird wie in Deutschland und wie nach der derzeit herrschenden Praxis im Überprüfungsverfahren nach §§ 225b ff AktG festgelegt“. 501 Oben bei und in FN 482, 486, 487, 491; zum – fehlenden – Charakter von § 30 Abs 1 dUmwG als Kollisionsnorm bei mehreren Beschlüssen und daher mehreren in Frage kommenden Stichtagen zu Recht kritisch Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 22. 502 Unten Kapitel IV.C.3.a)(1) [203]. 503 Oben Kapitel III.C.4.b) [65] bei FN 487. 504 Unten Kapitel V.B.2.a) [231]. 505 Oben Kapitel III.C.2.b)(4) [52].

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

de Gesellschaft muss nicht zwingend die abhängige Gesellschaft sein.506 Insgesamt spricht also nichts für die Relevanz des Tags des Hauptversammlungsbeschlusses bei der übertragenden Gesellschaft. Wie ausgeführt, ist der Zeitpunkt der rechtlichen Bindung entscheidend. ME ist daher auf jenen Zeitpunkt abzustellen, zu dem in der ersten beteiligten AG ein Verschmelzungsbeschluss gefasst wird.507 Das gilt auch, wenn die übertragende Gesellschaft bereits lange zuvor faktisch beherrscht war.508 Den Bewertungsstichtag vermögen auch Wertveränderungen zwischen der Beschlussfassung und der Eintragung nicht zu verändern.509 Bis zur Hauptversammlung aufgetretene Änderungen wertbildender Faktoren sind aber zu berücksichtigen. Die genannte Festlegung des Bewertungsstichtags gilt mE sowohl bei Konzern- als auch bei Konzentrationsverschmelzungen (zum Begriff und zur Abgrenzung unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]).510 Denn einerseits garantiert die Unverbundenheit der Verschmelzungspartner nicht zwangs­ läufig einen Verhandlungsprozess mit einer angemessenen Festlegung von Bewertungsstichtag und Umtauschverhältnis.511 Andererseits ist der Berücksichtigung des Verhandlungsprozesses bei Konzentrationsverschmelzungen 512 mE durch das weiterentwickelte Verhandlungsmodell ausreichend Rechnung getragen.513

506 Unten Kapitel III.D.3.c)(2)(d) [131]. 507 Zutreffend Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 23 f; vgl zur Angemessenheitsprüfung bei der Sacheinlage Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 150 Rz 87: ausschlaggebend ist der Zeitpunkt des Beschlusses. 508 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 13; ob, wie Winner ausführt, in diesem Fall die Konzernierungseffekte bei der Bewertung auszugleichen sind (Winner, Wert und Preis 438 f) hängt mE davon ab, ob bei Abschluss des Konzernvertrags ein entsprechender Ausgleich (zB gem § 304 f dAktG) geleistet wurde oder nicht; vgl dazu Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht8 § 305 AktG Rz 61. 509 Bungert in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 20 Rz 31; ausführlich Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 43 ff (auch zu einem nur in Ausnahmefällen zu bejahenden Rücktrittsrecht gem § 313 BGB). 510 Dazu unten Kapitel V.C [242]. 511 Dazu unten Kapitel V.C [242]. 512 Dazu Winner, Wert und Preis 437 f. 513 S unten Kapitel V.D [344].

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

5. Berücksichtigung und Aufteilung von positiven ­Synergieeffekten a) Definition und Problemstellung Synergieeffekte514 (auch: Verbundeffekte) sind Vor- oder Nachteile, die durch Kooperationen oder Zusammenschlüsse entstehen.515 Synergie­ effekte führen zu einer Abweichung des Werts des verschmolzenen Unternehmens von der Summe der einzelnen Unternehmenswerte.516 Die Einteilung der Synergieeffekte in der Literatur ist uneinheitlich.517 Beispiele sind (kostenbezogene) Leistungssynergien518 (economies of scale,519

514 Griechisch „syn“ (= zusammen), „ergon“ (= wirken); vgl Weiland, Synergieeffekte 26; Lechner/Meyer, M&A Review 2003, 367 (367). 515 „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ (Aristoteles); Ansoff, Corporate Strategy 79: „This effect which can produce a combined return on the firm’s resources greater than the sum of its parts is frequently referred to as ‚2 +2 = 5.’ [sic!] We shall call this effect synergy“; s auch Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie8 (2013) 332 ff; Ossadnik, Aufteilung von Synergieeffekten 5; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 70; Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 326; Decher in FS Hommelhoff (2012) 115 (116); Fleischer, ZGR 1997, 368 (376 mwN); Hügel, Verschmelzung und Einbringung 202; Werner in FS Steindorff (1990) 303 (305); IDW S 1 Rz 33; WP Hdb II14 Teil A Rz 89; KFS/BW 1 Rz 87; vgl OLG Stuttgart 03.04.2012, 20 W 6/09, Der Konzern 2012, 275, Rz 202: „unter ‚Synergieeffekt‘ ist die Wirkung der gemeinsamen Nutzung von materiellen und immateriellen Faktoren zu verstehen, welche gemessen an der Veränderung der zukünftigen finanziellen Überschüsse positiver oder negativer Art sein kann“; vgl IDW S 1 Rz 33: „Unter Synergieeffekten versteht man die Veränderung der finanziellen Überschüsse, die durch den wirtschaftlichen Verbund zweier oder mehrerer Unternehmen entstehen und von der Summe der isoliert entstehenden Überschüsse abweichen“; allgemein zB Zwirner, DB 2013, 2874 (2875). 516 Vgl Hügel, Verschmelzung und Einbringung 26, 202 ff; Küting, BFuP 1981, 175 (176). 517 Zu verschiedenen Arten der Systematisierung s zB Angermayer-Michler/Oser in Peemöller, Praxishandbuch6 1363 (1366 f); Wollny, Unternehmenswert2 178 ff; Weiland, Synergieeffekte 28 ff; Ossadnik, Aufteilung von Synergieeffekten 7 ff; Ansoff, Corporate Strategy 80; zur Einteilung nach betrieblichen Funktionsbereichen s zB Wala/Krump, RWZ 2007, 171 (171). 518 Leistungssynergien haben ihre Ursache in der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen (zB Produktion, aber auch immaterielle Vermögenswerte, Verlustvorträge, Zugang zu Finanzierung); vgl Khinast-Sittenthaler, RWZ 2001, 141 (142 ff); Hügel in FS Koppensteiner (2007) 11 (40). 519 Auch: Skalen- oder Größenvorteile; positive Skaleneffekte liegen vor, wenn bei einer Steigerung der eingesetzten Produktionsfaktoren die Produktionsmenge überproportional steigt, dh eine größere Produktionsmenge führt zu geringeren Durchschnittskosten pro Stück (zB durch bessere Auslastung); vgl Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie8 (2013) 329 ff; Porter, Competitive Advantage 70 ff; s zur Integration der Theorie der economies of scope in finanzmarkttheoretische Mo-

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

economies of scope520) oder (umsatzbezogene) Marktsynergien521.522 In der Praxis werden Synergieeffekte zB durch die Zusammenlegung von Supportabteilungen, gebündelten Einkauf oder gemeinsames Marketing erzielt.523 Das Fachgutachten IDW S 1 und mit ihm die rechtsgeprägte Bewertungslehre unterscheiden zwischen echten und unechten Synergieeffekten.524 Echte Verbundeffekte sind nur mit dem konkreten Partner realisierbar.525 Als unechter Verbundeffekt wird jenes latente Wertsteigerungspotential angesehen, „das sich im Unternehmen selbst oder durch Kooperation mit (fast) beliebigen Partnern realisieren ließe.“526 Zu den unechten Verbundeffekten gehören zB Verlustvorträge oder Größeneffekte.527 Die Neufassung des österreichischen Bewertungsfachgutachtens KFS/ BW 1 vom 26.03.2014 differenziert nach „realisierten“528 und „nicht readelle, insbesondere in das CAPM Chang, The Journal of Financial Research 1988, 255 (255 ff). 520 Auch: Verbundeffekte im engeren Sinn; positive Verbundeffekte im engeren Sinn liegen vor, wenn mehrere verschiedene Produkte gemeinsam zu geringeren Durchschnittskosten als einzeln produziert werden können (zB durch gemeinsames Marketing); vgl Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie8 (2013) 332 ff; Porter, Competitive Advantage 328. 521 Erhöhte Umsätze durch Kooperation/Zusammenschluss, zB aufgrund höherer Marktmacht, Zugang zu neuen Märkten, cross-selling; vgl Khinast-Sittenthaler, RWZ 2001, 141 (142 ff). 522 Vgl Küting, BFuP 1981, 175 (179 f); Haeseler/Hörmann/Kros, Unternehmensbewertung2 (2007) 34: kosten- und absatzbezogene Synergien; vgl Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung2 163 ff; Weiland, Synergieeffekte 29 ff; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 26, 202. 523 Vgl Angermayer-Michler/Oser in Peemöller, Praxishandbuch6 1363 (1367). 524 IDW S 1 Rz 34, 50; WP Hdb II14 Teil A Rz 89 ff; Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 47 f; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 31; Kalss in MüKo AktG4 § 2 GesAusG Rz 11. 525 IDW S 1 Rz 50; WP Hdb II14 Teil A Rz 89; Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 48; Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 330; zur Abgrenzung echter und unechter Synergieeffekte ausführlich Decher in FS Hommelhoff (2012) 115 (130 ff). 526 IDW S 1 Rz 34; WP Hdb II14 Teil A Rz 89; Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 47; Land/Hennings, AG 2005, 380 (386); Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 361; zB steuerliche Verlustvorträge; vgl Angermayer-Michler/Oser in Peemöller, Praxishandbuch6 1363 (1366); zur Bewertung steuerlicher Verlustvorträge s Kupke/Nestler, BB 2003, 2279 (2279 ff); mE zu Recht kritisch zur weiten Definition („mit [fast] beliebigen Partnern“) unechter Synergieeffekte OLG Frankfurt 28.03.2014, 21 W 15/11, AG 2014, 822, Wella AG, Rz 145. 527 Winner in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 14 Rz 3. 528 Als „realisiert“ gelten jene Synergieeffekte, „deren Realisierung zum Bewertungsstichtag bereits eingeleitet oder im Unternehmenskonzept dokumentiert“ ist: KFS/BW 1 Rz 88; vgl WP Hdb II14 Teil A Rz 91; IDW S 1 Rz 34.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

lisierten“529 Synergieeffekten.530 Dadurch ergeben sich im Vergleich zu KFS/BW 1 keine nennenswerten Unterschiede.531 Fraglich ist, inwieweit Synergieeffekte bei der Unternehmensbewertung zur Bemessung des angemessenen Umtauschverhältnisses zu berücksichtigen und gegebenenfalls aufzuteilen sind.532 b) Meinungsstand (1) Lehre Weitgehend unstrittig ist, dass unechte Synergieeffekte berücksichtigt werden müssen.533 Sie sind bereits im stand-alone Wert enthalten und werden nicht aufgeteilt.534 Echte Synergieeffekte müssen dagegen nach mehrheitlicher Ansicht nicht berücksichtigt werden. Ausreichend ist somit die Zuteilung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft mit einem Wert, der jenem der Anteile an der übertragenden Gesellschaft entspricht. Der Wert der zuerst genannten übernehmenden Gesellschaft wird aus der Summe der Unternehmenswerte abgeleitet, somit ohne Hinzurechnung von Synergieeffekten (stand-alone Betrachtung).535 Die stand-alone Betrachtung 529 „Nicht realisiert“ sind jene Synergieeffekte, „die sich nur bei Umsetzung der konkreten, den Bewertungsanlass bildenden Unternehmenskombination realisieren lassen“: KFS/BW 1 Rz 88. 530 KFS/BW 1 Rz 88, 94; dazu G. Mandl in Artmann/Rüffler/U. Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht 27 (31). 531 S dazu Aschauer/Purtscher, ecolex 2014, 791 (794) und die Stellungnahme von Purtscher im Rahmen der Diskussion zur Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung Österreichs 2014: Mollnhuber in Artmann/Rüffler/U. Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht 39 (39). 532 Zu Zweckadäquanz und Typisierung s oben Kapitel III.C.3 [55]. 533 Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 47; Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 15; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 107; Hüffer/Koch, AktG12 § 305 Rz 33; Paulsen in MüKo AktG4 § 305 Rz 135 ff; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG Anh § 11 Rz 27; IDW S 1 Rz 34: Berücksichtigung im Rahmen der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts, sofern „Maßnahmen bereits eingeleitet oder im Unternehmenskonzept dokumentiert“; ähnlich WP Hdb II14 Teil A Rz 91; Großfeld/Frantzmann in FS Beuthien (2009) 155 (162 f); Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 361 mwN; s für einen Literaturüberblick auch Winner in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 14 Rz 7 ff. 534 Winner in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 14 Rz 3, 56 ff; s auch die Nachweise soeben in FN 533. 535 Ausführlich Mertens, AG 1992, 321 (331 f): stand-alone Betrachtung gelte uneingeschränkt; Mertens räumt aber ein, dass die Synergieeffekte auf diese Art und Weise ohnehin unternehmenswertanteilig zum Tragen kämen (aaO 331); s auch

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

wird mit Quantifizierungs- und Zuordnungsproblemen begründet.536 Die Berücksichtigung subjektiver Komponenten sei zudem mit dem Konzept des objektivierten Unternehmenswerts nicht vereinbar.537 Die Nichtberücksichtigung führe ohnehin zur Aufteilung im Verhältnis der Unternehmenswerte.538 Nach anderer Ansicht seien auch echte Synergieeffekte bei der Bewertung miteinzubeziehen.539 Ob das „angemessene Umtauschverhältnis“ Seetzen, WM 1999, 565 (572 f), insbesondere unter Bezugnahme auf die schwierige Prognostizierbarkeit von Synergieeffekten; Wicke in FS Stilz (2014) 707 (718); Bungert in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 20 Rz 34; Riegger/Gayk in Kölner Komm AktG3 Anh § 11 SpruchG Rz 11; Simon in Kölner Komm UmwG § 5 Rz 16; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG5 § 8 Rz 17; Drygala in Lutter, UmwG5 § 5 Rz 55; Drygala in Lutter, UmwG5 § 8 Rz 23; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 220 Rz 12; Frotz in Frotz/Kaufmann (Hrsg), Grenz­ überschreitende Verschmelzungen – Praxiskommentar2 (2013) § 5 EU-VerschG Rz 10c; Hüffer/Koch, AktG12 § 305 Rz 33; Koppensteiner in Kölner Komm AktG3 § 305 Rz 65; Decher in FS Hommelhoff (2012) 115 (126 f); Riegger/Wasmann in FS Goette (2011) 433 (435); Loosen, Reformbedarf 128 f; Land/Hennings, AG 2005, 380 (386); Beisel in Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf7 § 6 Rz 65; für den Ansatz von Synergieeffekten nur bei der Barabfindung, nicht beim Umtauschverhältnis: Bayer, ZIP 1997, 1613 (1617 f). 536 S die Nachweise soeben in FN 535. 537 WP Hdb II14 Teil A Rz 90, 484; Zöchling, RWZ 1997, 154 (155); Mertens, AG 1992, 321 (331); vgl KFS/BW 1 Rz 88; aA mit ausführlicher Begründung Busse von Colbe, ZGR 1994, 595 (599 ff); Rabel, wonach dann eben „typisierende Annahmen“ zu treffen seien (Rabel, persaldo 2006, H 3, 10 [12]); nach G. Tichy seien Synergien zwar einerseits treibende Komponenten des subjektiven Preises (G.  Tichy, SWK 1992, C 1); sie stellten aber einen „Teilbereich der Wertermittlung“ dar (G. Tichy, SWK 1991, C 15); s zur Verschmelzungsprüfung WP Hdb II14 Teil F Rz 243 f: bei der Errechnung von Schiedswerten (wie bei der Verschmelzungsprüfung) seien echte und unechte Synergieeffekte zu berücksichtigen. 538 Wicke in FS Stilz (2014) 707 (718); Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 47; vgl Fleischer, ZGR 1997, 368 (387), ausdrücklich zur Verschmelzung; Seetzen, WM 1994, 45 (49). 539 Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 32; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 108; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 86; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8 § 305 AktG Rz 71; Krieger in MüHdb GesR IV4 § 71 Rz 135; Paulsen in MüKo AktG4 § 305 Rz 138; Hannes in Peemöller, Praxishandbuch6 1383 (1399); Hüttemann, WPg 2007, 812 (815); Hügel in Kalss/Hügel, SE § 18 SEG Rz 8; Maul in FS Drukarczyk (2003) 255 (267 f); Ullrich, Abfindung und Börsenkurs 137 ff; Fleischer, ZGR 2001, 1 (27); Ossadnik, Aufteilung von Synergieeffekten 30 ff; Möller, Verschmelzungs­beschluss 65 ff; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 203 f; Dirrigl, WPg 1989, 454 (462); für Berücksichtigung, ohne Differenzierung zwischen unechten und echten Synergieeffekten Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 107 f; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB36 Einleitung vor § 1 Rz 37; für Berücksichtigung in (dominierten) Abfindungskonstellationen, allerdings auf das Fehlen eines bestimmten Aufteilungsschlüssels hinweisend Bus-

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

einen bestimmten Aufteilungsschlüssel erfordert, wird unterschiedlich beurteilt.540 Nach verbreiteter Auffassung besteht bei der Zuordnung positiver Verbundeffekte im Falle unbeeinflusster Verhandlungen ein (begrenzter) Spielraum.541 Winner und Adolff differenzieren explizit zwischen Konzern- und Konzentrationsverschmelzungen (zum Begriff und zur Abgrenzung unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]). Während bei ersteren die besseren Gründe für eine unternehmenswertanteilige Aufteilung (stand-alone Betrachtung) sprächen, sei die Aufteilung zwischen gleichberechtigten Partnern ausschließlich Verhandlungssache.542 Hingegen plädiert Hüttemann im Spruchverfahren für eine einzelfallbezogene Schätzung, die das Ergebnis unbeeinflusster Verhandlungen nachvollziehen solle.543 Gegen jeden zwingenden Aufteilungsmaßstab spricht sich Moxter aus: „Es gibt keinen zwingenden Maßstab für eine gerechte Beteiligung von se von Colbe, ZGR 1994, 595 (607); einschränkend auf Berücksichtigung bei Grenzpreisermittlung G. Mandl, SWK 1991, A I 376; für Berücksichtigung (nur) bei der Ermittlung des subjektiven Unternehmenswerts IDW S 1 Rz 50; ebenso KFS/BW 1 Rz 19, 94; zum Squeeze-out zB Burger, Börsenkurse und angemessene Abfindung 278 ff; Aschauer, Gesellschafterausschluss 195 f; Kalss in MüKo AktG4 § 2 GesAusG Rz 11; Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out, Rz 227; ohne Bezug auf einen bestimmten Bewertungsanlass Großfeld/Frantzmann in FS Beuthien (2009) 155 (162); vgl zum Steuerrecht Neumeister, ÖStZ 2004, 215 (215 ff). 540 Offen mit drei Vorschlägen (hälftige Teilung, Teilung im Verhältnis der Unternehmenswerte, Teilung im Verhältnis der Unternehmenswertzuwächse): Eisenführ, zfbf 1971, 467 (475 ff); die Teilung im Verhältnis der Unternehmenswertzuwächse setzt die – unmögliche (s unten Kapitel III.C.5.c)(2)(a) [83]) – kausale Zuordnung der Synergieeffekte voraus und ist daher schon denklogisch abzulehnen; zu den Aufteilungsvarianten auch Mittermair/Brunbauer in Pernsteiner/Mittermair, Handbuch Fusionen 351 (372 f); Ruthardt, Abfindungsbemessung 160 (Squeeze-out). 541 Fleischer, ZGR 1997, 368 (386 f): ausdrücklich zur Verschmelzung; vgl Hügel, Verschmelzung und Einbringung 203 ff. 542 Winner in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 14 Rz 53 ff, 61 ff; Winner in Artmann/Rüffler/U. Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht 57 (74); Winner in Kalss/Fleischer/Vogt, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2013, 109 (117); Winner in FS H. Torggler (2013) 1371 (1373 f); Winner, Wert und Preis 455 f; zur Einbringung ebenso Winner in Doralt/No­wotny/ Kalss, AktG2 § 150 Rz 79 ff; Adolff, Unternehmensbewertung 488 ff; ähnlich ­Haberer/Purtscher in Althuber/Schopper, Unternehmenskauf2 163 (207); Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 220 Rz 16; Kalss in Kalss, VSU2 § 220 Rz 24: freie Aufteilung bei der Verschmelzung unabhängiger Gesellschaften, aber – nicht näher spezifiziertes – Gebot zur Aufteilung bei der Verschmelzung im Konzern oder bei anderen Interessenkonflikten; vgl zur Berücksichtigung von Synergieeffekten beim Squeeze-out Winner, JBl 2007, 434 (443). 543 Hüttemann, ZHR 162 (1998) 563 (591); ähnlich für Barabfindungsfälle Hachmeister/Ruthardt/Gebhardt, Der Konzern 2011, 600 (612); vgl Ossadnik, Aufteilung von Synergieeffekten 30 ff; Ossadnik, DB 1985, 1953 (1956).

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

abzufindenden Minderheiten am Verbundeffekt. Jede Aufteilung ist willkürlich: Was erst durch das Zusammenwirken von Unternehmen an Mehrerträgen entsteht, kann dem einzelnen Verbundglied nicht zugerechnet werden; es ist gerade nicht durch das Verbundglied (allein) ver­ ursacht, sondern durch den Verbund.“544 Danach wäre jede Aufteilung innerhalb des Einigungsbereichs, das heißt innerhalb der Grenz-Umtauschverhältnisse der Parteien zulässig.545 Auch nach Reich-Rohrwig bilden Synergien Bestandteile des Preises bzw Umtauschverhältnisses, die nur durch Verhandlungen aufteilbar und bei der gerichtlichen Überprüfung keiner logisch zwingenden Verteilung zugänglich seien.546 Nach Hügel sind aber Umtauschverhältnisse, die die Aktionäre einer Gesellschaft gänzlich von der Teilhabe an den Synergieeffekten ausschließen, „in aller Regel unangemessen“.547 Die Lehre stellt zum Teil auf eine Zuordnung im Verhältnis der stand-alone Unternehmenswerte ab.548 Eine abweichende Zuordnung bedarf nach Angermayer-Michler und Oser einer besonderen Begründung.549 Die hälftige Aufteilung wird nur vereinzelt vertreten.550 Dirrigl zufolge ist die beliebige Aufteilung innerhalb der Grenzumtauschverhältnisse „laissez-faire“551 und „Willkür“.552 Angemessen sei nur eine Aufteilung zwischen der unternehmenswertanteiligen und der hälftigen Zurechnung.553

544 Moxter, Unternehmensbewertung2 92; ähnlich Nonnenmacher, AG 1982, 153 (157); in diesem Sinne Küting, BFuP 1981, 175 (189), der deshalb eine Klarstellung und Wertungsentscheidung durch den Gesetzgeber fordert und hierfür die Normierung einer hälftigen Aufteilung präferiert. 545 Vgl Heurung, DStR 1997, 1302 (1308); Yagil, The Financial Review 1987, 195 (199 ff); Matschke, Der Entscheidungswert der Unternehmung (1975) 327 ff. 546 Reich-Rohrwig, ecolex 1996, 258 (258 ff). 547 Hügel in Kalss/Hügel, SE § 18 SEG Rz 8. 548 Großfeld, Unternehmensbewertung7 Rz 341; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 89; Möller, Verschmelzungs­beschluss 69; wohl auch Watrin/Stöver, WPg 2012, 999 (1003); vgl auch die Nachweise in FN 535. 549 Angermayer-Michler/Oser in Peemöller, Praxishandbuch6 1363 (1380). 550 Meinert, DB 2011, 2397 (2401); Böcking in FS Moxter (1994) 1407 (1427); vgl referierend Paulsen in MüKo AktG4 § 305 Rz 137; für hälftige Aufteilung beim Squeeze-­ out Ruthardt, Abfindungsbemessung 166 f; Kalss in MüKo AktG4 § 2 GesAusG Rz 11. 551 Dirrigl, DB 1990, 185 (189). 552 Dirrigl, DB 1990, 185 (191). 553 Dirrigl, DB 1990, 185 (191).

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

(2) Rechtsprechung Die Fachgerichte554 gehen bei der Verschmelzung555 in gefestigter Judikatur (ebenso wie für das Umtauschverhältnis bei der Eingliederung556) von einer stand-alone Betrachtung aus. Nur unechte Synergieeffekte seien zu berücksichtigen. Dies deckt sich mit der ständigen Rechtsprechung zu Abfindungskonstellationen zB anlässlich eines Squeeze-out557 oder beim 554 Die im Folgenden angeführten Judikate stammen zur Gänze aus Deutschland, in Österreich existiert – soweit ersichtlich – keine direkt einschlägige Judikatur. Zwar hat das OLG Wien in der Vergangenheit festgehalten, dass Synergieeffekte bei der sidestream-Verschmelzung zu einem positiven Verkehrswert der übertragenden Gesellschaft führen können (OLG Wien 15.11.2004, 28 R 111/04f, 28 R 112/04b, NZ 2005/75; OLG Wien 30.05.2007, 28 R 16/07i, 16 R 15/07t, GesRZ 2007, 425 [Piringer/Hochedlinger]); entscheidungsgegenständlich waren allerdings Kapitalaufbringungsbestimmungen, die primär dem Gläubigerschutz (statt vieler U. Torggler in U. Torggler, GmbHG § 6 Rz 1) und nicht – wie die Überprüfung des Umtauschverhältnisses – dem Gesellschafterschutz (dazu oben Kapitel III.B [30]) dienen; zum Teilwert einer Beteiligung gem § 6 Abs 2 lit a EStG entschied der VwGH, dass erwartete Synergieeffekte zu berücksichtigen seien (VwGH 06.07.2006, 2006/15/0186, FJ 2006, 433; VwGH 25.06.2007, 2005/14/0121, ecolex 2007/409 [Prillinger]); wegen des abweichenden Normzwecks ist mE die steuerbzw bilanzrechtliche Beurteilung auf die Bemessung des angemessenen Umtauschverhältnisses bei der Verschmelzung nicht direkt übertragbar. 555 OLG Stuttgart 22.09.2009, 20 W 20/06, AG 2010, 42, Rz 70; OLG Frankfurt 30.03.2009, 20 W 101/04, juris, Rz 34; OLG Düsseldorf 17.11.2008, 26 W 6/08, BeckRS 2009, 05038, Rz 12; OLG Düsseldorf 20.10.2005, 19 W 11/04 AktE, AG 2006, 287, Rz 25; OLG Düsseldorf 14.01.2004, 19 W 1/03 AktE, AG 2004, 614, Rz 18; OLG Düsseldorf 20.11.2001, 19 W 2/00 AktE, AG 2002, 398, Metro/Kaufhof, Rz 30; LG Frankfurt 08.08.2001, 3/8 O 69/97, AG 2002, 357; OLG Karlsruhe 04.02.1998, 15 W 25/97, AG 1998, 288, SEN/KHS, Rz 13. 556 OLG Düsseldorf 31.03.2006, I‑26 W 5/06 AktE, juris, Rz 23; OLG Düsseldorf 31.01.2003, 19 W 9/00 AktE, AG 2003, 329, SNI AG, Rz 21; LG Frankfurt 06.02.2002, 3/3 O 150/94, AG 2002, 358; OLG Düsseldorf 11.04.1988, 19 W 32/86, DB 1988, 1109; vgl BayObLG 20.03.2000, 3Z BR 124/99, AG 2001, 138, Rz 18: keine Berücksichtigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags bei der Bewertung des Zukunftsertrags. 557 LG Hamburg 23.04.2014, 417 HKO 111/12, BeckRS 2014, 22521, Procon Multimedia AG, Rz 143; LG Stuttgart 05.11.2012, 31 O 173/09, juris, Rz 103; OLG Stuttgart 14.09.2011, 20 W 7/08, AG 2012, 135, Rz 81; OLG Stuttgart 19.01.2011, 20 W 2/07, AG 2011, 420, Rz 117; OLG Frankfurt 17.06.2010, 5 W 39/09, AG 2011, 717, Faurecia, Rz 24; OLG Düsseldorf 09.09.2009, 26 W 13/06 AktE, AG 2010, 35, Stollwerck, Rz 63; OLG München 02.04.2008, 31 Wx 85/06, BB 2008, 1056, Rz 23; OLG München 26.10.2006, 31 Wx 12/06, ZIP 2007, 375, Rz 27; LG Frankfurt 04.07.2006, 3‑5 O 52/05, BeckRS 2007, 19363; LG Frankfurt 02.05.2006, 3‑5 O 153/04, AG 2007, 42, Rz 80; LG Hamburg 02.03.2006, 417 O 165/04, juris, Vereins- und Westbank AG, Rz 71; vgl OLG Frankfurt 29.04.2011, 21 W 13/11, Der Konzern 2011, 427, Rz 50: die in concreto 45:55 aufgeteilten „Verbundeffekte“ betrafen vor dem Bewertungsstichtag wurzelnde Vorteile aus der Kooperation der Gesellschaften.

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

Abschluss von Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträgen558 (einschließlich Abfindung in Aktien nach der Verschmelzungswertrela­ tion559).560 Bei der Verschmelzung lassen nur das LG und OLG Stuttgart eine etwas offenere Haltung zur Berücksichtigung von Synergieeffekten erkennen.561 Bis auf die Entscheidung Wüstenrot/Württembergische AG betraf aber keiner der genannten Fälle echte Synergieeffekte bei der Unternehmenswertermittlung.562 Zudem liegen gegenteilige563 und offenere

558 Ausführlich OLG Frankfurt 28.03.2014, 21 W 15/11, AG 2014, 822, Wella AG, Rz 145 f; OLG Stuttgart 04.02.2000, 4 W 15/98, DB 2000, 709 (Drüke), Rz 21 ff; OLG Düsseldorf 19.10.1999, 19 W 1/96 AktE, DB 2000, 81, Rz 38; OLG Celle 31.07.1998, 9 W 128/97, AG 1999, 128, Wolters AG/Gilde AG, Rz 27; BGH 04.03.1998, II ZB 5/97, BGHZ 138, 136, Asea/BBC II, Rz 11; BayObLG 11.12.1995, 3Z BR 36/91, AG 1996, 176, Brauerei, Rz 39; BayObLG 19.10.1995, 3Z BR 17/90, DB 1995, 2590, Paulaner, Rz 49; LG Dortmund 31.10.1980, 18 AktE 2/79, AG 1981, 236 (239) Rheinstahl/Thyssen; OLG Hamburg 17.08.1979, 11 W 2/79, AG 1980, 163, Hamburger Verkehrsbetriebe; vgl LG München I 31.07.2015, 5 HKO 16371/13, AG 2016, 51, MAN, Rz 219; OLG Düsseldorf 06.04.2011, I‑26 W 2/06 AktE, juris; OLG Düsseldorf 17.02.1984, 19 W 1/81, AG 1984, 216, ATH/Rheinstahl I. 559 ZB LG Köln 17.01.2008, 82 O 77/03, BeckRS 2009, 22201, Rz 64; vgl OLG Frankfurt 24.01.1989, 20 W 477/86, AG 1989, 442 (443), Hartmann und Braun/Mannesmann: Synergieeffekte könnten unberücksichtigt bleiben, weil sie im Zweifel beide Gesellschaften träfen, sodass die entscheidende Wertrelation gleich bliebe; s auch die Nachweise in FN 558. 560 Für einen ausführlichen Überblick über die Rechtsprechung von 2000 bis 2011 s Hachmeister/Ruthardt/Gebhardt, Der Konzern 2011, 600 (607 ff); ebenso für den Formwechsel: OLG Düsseldorf 27.02.2004, 19 W 3/00 AktE, AG 2004, 324, Rz 51. 561 OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 48: die hälftige Aufteilung (entsprach in concreto nicht einer Aufteilung im Verhältnis der stand-alone Unternehmenswerte) von Verbundeffekten sei nicht unangemessen; mehr als eine hälftige Aufteilung verlange ein objektiver Maßstab keinesfalls; im gegenständlichen Fall handelte es sich wohl um einen unechten Synergieeffekt, der aus der schnelleren Nutzung eines Verlustvortrags in der verschmolzenen Gesellschaft resultierte; LG Stuttgart 04.08.2006, 32 AktE 3/99 KfH, AG 2007, 52, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 56: „Theoretisch hält es die Kammer für richtig, bei dem Wertvergleich D B – DC [sic!] auch die Synergien zu berücksichtigen, die sich im Wert der DC Aktien niederschlagen“; OLG Stuttgart 08.03.2006, 20 W 5/05, AG 2006, 420, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 137: eine feste Regel zur Aufteilung gebe es nicht; stand-alone Betrachtung und damit implizit unternehmenswertanteilige Zuordnung sei angemessen, ebenso wie eine hälftige oder an „detaillierten betriebswirtschaftlichen Modellen“ orientierte Aufteilung; beide Seiten müssten von den Synergieeffekten profitieren. 562 S oben FN 561. 563 S oben FN 555.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

Aussagen564 des OLG Stuttgart aus jüngerer Zeit vor. Von einer abweichenden Judikaturlinie kann mE daher nicht gesprochen werden.565 Aus der Rechtsprechung des BGH zu DAT/Altana566 folgt nichts anderes. Zwar dürfen Verbundeffekte, die im Börsenkurs eingepreist sind, nach dem BGH berücksichtigt werden,567 weil ihr Einfluss auf den Börsenkurs nicht von anderen preisbildenden Faktoren abgegrenzt werden könne.568 Das OLG Stuttgart schloss daraus für den Squeeze-out, dass die frühere Rechtsprechung zur Nichtberücksichtigung echter Synergieeffekte zweifelhaft geworden sei.569 Die Abgrenzungsproblematik kann in ähnlicher Weise bei Verschmelzungen auftreten.570 ME stellt sich die Frage aber seit dem Stollwerck-Beschluss 2010 nur mehr in stark verringerter Schärfe.571 Denn weil die Referenzperiode nunmehr mit dem Zeitpunkt der Be564 OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 366 f. 565 Dies bestätigend OLG Stuttgart 03.04.2012, 20 W 6/09, Der Konzern 2012, 275, Rz 204: „Da nach alledem keine messbaren Synergieeffekte zu verzeichnen sind, muss der Senat die Rechtsfrage, ob und in welchem Umfang Synergieeffekte in die Unternehmensbewertung einfließen müssen, auch hier nicht abschließend entscheiden“; vgl OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 45. 566 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana. 567 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 28. 568 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 28; vgl aber OLG Stuttgart 18.12.2009, 20 W 2/08, AG 2010, 513, Kässbohrer Geländefahrzeug AG, Rz 106: „[…] die Entwicklung von Kurs und Handelsvolumen nach der Bekanntgabe einer Abfindungsansprüche begründenden Maßnahme [beruht] nicht mehr nur auf Erwartungen in Bezug auf die – durch Synergieeffekte beeinflussten – künftigen Unternehmenserträge […], sondern wesentlich auf der Erwartung, im Zuge der Umsetzung [dieser] Maßnahme eine Abfindung zu erhalten.“ OLG Frankfurt 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664, Rz 44: „[…] führt ein Durchschnittskurs, der auf Daten nach der Bekanntgabe der unternehmerischen Maßnahme beruht, dazu, dass sogenannte echte Verbundvorteile in den Kurs einfließen, ohne wieder herausgerechnet werden zu können. Damit müssten sie – um konsistent zu bleiben – auch zwingend bei der Ertragswertermittlung Berücksichtigung finden. Gerade dies ist in der Literatur heftig umstritten […] und wird überwiegend abgelehnt.“; s auch OLG Düsseldorf 08.07.2003, 19 W 6/00 AktE, AG 2003, 688, Rz 97; OLG Stuttgart 14.02.2008, 20 W 9/06, BeckRS 2008, 04445, Rz 45: in den Börsenkurs eingepreiste Synergieeffekte und Abfindungserwartungen nach Bekanntgabe der Maßnahme müssten unberücksichtigt bleiben; ebenso LG Frankfurt 14.09.2009, 3/5 O 203/07, NZG 2010, 666, Rz 47. 569 OLG Stuttgart 26.10.2006, 20 W 14/05, AG 2007, 128, Rz 62 [Squeeze-out]; weitergehend LG Köln 24.07.2009, 82 O 10/08, BeckRS 2009, 69439, Rz 161 [Delisting]: Berücksichtigung echter Synergieeffekte bei der Bestimmung des Verkehrswerts des Unternehmens anhand von Marktpreisen. 570 Vgl BGH 19.07.2010, II ZB 18/09, BGHZ 186, 229, Stollwerck, Rz 24. 571 BGH 19.07.2010, II ZB 18/09, BGHZ 186, 229, Stollwerck; dazu ausführlich unten Kapitel V.C.3.b)(2)(b) [320].

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

kanntgabe endet, werden echte Synergieeffekte kaum je Eingang in den maßgeblichen Kurs finden. Zudem sind die Aussagen des BGH aus DAT/ Altana unmittelbar mit der Bestimmung des maßgeblichen Börsenkurses verknüpft. Für die fundamentalanalytische Bewertung lässt sich hieraus wenig ableiten. c) Stellungnahme (1) Zwingende Berücksichtigung (a) Synergieeffekte als Wertkomponenten Echte wie unechte (nicht realisierte und realisierte) Synergieeffekte unterscheiden sich nicht von anderen wertbildenden Vermögensbestand­ teilen eines Unternehmens.572 Sie sind letztlich nichts anderes als erwartete Einzahlungen (positive Synergieeffekte) oder Auszahlungen (negative Synergieeffekte), die sich bei der üblicherweise zahlungsstrombasierten Unternehmensbewertung573 auf den Unternehmenswert auswirken. Zwar mögen sie noch schwieriger zu prognostizieren sein als die stand-alone Zahlungsüberschüsse.574 Ihre schwierige Quantifizierbarkeit575 rechtfertigt es aber nicht, sie bei der Schätzung auszuklammern.576 Dass die Chance auf die Realisierung von Synergieeffekten unter der Bedingung eines Zusammenschlusses mit einem anderen Unternehmen steht, ändert daran nichts. Die Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts ist bei der Bewertung einzupreisen. (b) Unechte Synergieeffekte Die notwendige Berücksichtigung unechter (realisierter) Synergieeffekte folgt aus dem Wertäquivalenzprinzip. Danach ergibt sich die Preisunter572 Wollny, Unternehmenswert2 180 f; Winner, Wert und Preis 443 f; vgl Ruthardt, Abfindungsbemessung 107; Adolff, Unternehmensbewertung 402 f. 573 Ausführlich unten Kapitel VI [377]. 574 Ausführlich Weiland, Synergieeffekte 35 ff; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 208 f. Empirische Studien zeigen, dass positive Synergieeffekte meist überschätzt werden und Schwierigkeiten bei ihrer Realisierung auftreten; die Mehrheit der M&A-Transaktionen generiert demnach keinen Mehrwert; s dazu ausführlich mit Nachweisen Fleischer, ZHR (2008) 538 (539 f); monographisch Sirower, The Synergy trap: how companies lose the acquisition game (1997); pointiert Sirower, aaO 18: „Acquiring firms destroy value. This is a plain fact.“ 575 Dazu OLG Düsseldorf 11.08.2006, I‑15 W 110/05, AG 2007, 363, Rz 27. 576 Winner, Wert und Preis 443 f; Hachmeister/Ruthardt/Gebhardt, Der Konzern 2011, 600 (612); Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 83; Paulsen in MüKo AktG4 § 305 Rz 138; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-­ Konzernrecht8 § 305 AktG Rz 71; aA große Teile der Lehre; s die Nachweise oben in FN 535.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

grenze jeder Verhandlungspartei aus einer stand-alone Betrachtung.577 Der stand-alone Wert wird aber zwangsläufig durch solche Einsparungsoder Wachstumspotentiale bestimmt, die in der Gesellschaft bereits angelegt sind.578 Dazu gehören auch unechte (nicht realisierte) Synergieeffekte. Die unechten (nicht realisierten) Synergieeffekte sind daher mit der zutreffenden hM579 schon bei der Festlegung des wertäquivalenten Umtauschverhältnisses (dh beim stand-alone Wert) zu berücksichtigen und nicht aufzuteilen.580 (c) Echte Synergieeffekte (i) Echte Synergieeffekte als zentrale Treiber der Verschmelzung Echte (nicht realisierte) Synergieeffekte sind ein wesentlicher Faktor für das Zustandekommen einer Verschmelzung.581 Sind sie insgesamt negativ, führt die Verschmelzung also zur Wertvernichtung, so gibt es kein angemessenes Umtauschverhältnis, das die Wertäquivalenz für sämtliche Aktionäre sicherstellt.582 Ohne erwartete echte (nicht realisierte) Synergieeffekte existiert genau ein Umtauschverhältnis (Einigungspreis), das für alle beteiligten Aktionäre angemessen ist.583 Sind positive echte (nicht realisierte) Synergieeffekte zu erwarten, entsteht statt eines Einigungspreises ein Einigungsbereich.584 Er fällt umso größer aus, je höher die antizipierten Synergieeffekte sind.585 Erst positive, echte (nicht realisierte) Synergieeffekte schaffen jenen Verhandlungsspielraum für die Parteien, der eine flexible Festlegung des Umtauschverhältnisses bei gleich-

577 S oben Kapitel III.C [40]; vgl WP Hdb II14 Teil F Rz 247 ff. 578 Zutreffend Winner, Wert und Preis 447. 579 S die Nachweise oben in FN 533, zur Rechtsprechung insb FN 555, 556, 557, 558, 559, 560. 580 S auch oben bei FN 534. 581 Winner in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 14 Rz 4, 53; vgl Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht136 § 5 UmwG Rz 108; Piltz, Unternehmensbewertung3 100; Nonnenmacher, AG 1982, 153 (156 f); Busse von Colbe, ZGR 1994, 595 (603 ff); WP Hdb II14 Teil F, Rz 244; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 70. 582 Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4§ 305 Rz 72 f; Nonnenmacher, AG 1982, 153 (156 f); Heurung, DB 1997, 837 (841 f). 583 Vgl Matschke, BFuP 1984, 544 (562). 584 Wollny, Unternehmenswert2 183; vgl referierend Hügel, Verschmelzung und Einbringung 203. 585 Eisenführ, zfbf 1971, 467 (475); WP Hdb II14 Teil F Rz 247; vgl Piltz, Unter­ nehmensbewertung3 100; allgemein zu den wirtschaftlichen Beweggründen von Fusionen Kuhner/Maltry, Unternehmensbewertung (2006) 14 ff; Gude, Börsenkurs 349 f.

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

zeitiger Wertäquivalenz ermöglicht.586 Der durch positive, echte (nicht realisierte) Synergieeffekte erzeugte Wert steht als verteilungsfähige Verhandlungsmasse zur Verfügung.587 Sie können mE angesichts ihrer zen­ tralen Funktion nicht außer Acht gelassen werden. Bei der Verschmelzung sind also sowohl unechte als auch echte (nicht realisierte und realisierte) Synergieeffekte zu berücksichtigen.588 (ii) Gesonderter Ansatz unnötig? Die Berücksichtigung von echten (nicht realisierten) Synergieeffekten kann nicht deshalb unterbleiben, weil sie so ohnehin im Verhältnis der stand-alone Unternehmenswerte zugerechnet würden.589 Denn diese scheinbare Nichtberücksichtigung führt erst recht zu einer wertungsmäßigen Zuweisung.590 Sie lässt sich mE nur für Konzernverschmelzungen rechtfertigen.591 Jedenfalls für die Berechnung der Höhe der baren Zuzahlungen (a priori und a posteriori gleichermaßen) müssen auch die echten (nicht realisierten) Synergieeffekte quantifiziert werden. Denn die baren Zuzahlungen richten sich nach dem absoluten Unternehmenswert.592 (iii) Vergleich mit sonstigen Bewertungsanlässen Dass die Rechtsprechung für Barabfindungsfälle einhellig die Berücksichtigung echter (nicht realisierter) Synergieeffekte ablehnt,593 steht mE einer abweichenden Beurteilung bei der Verschmelzung nicht entgegen. Anders als bei der Barabfindung von Minderheitsaktionären zB beim Squeeze-out594 scheiden die betroffenen Aktionäre bei der Verschmel586 Vgl dazu Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 85. 587 Vgl Lechner/Meyer, M&A Review 2003, 367 (367). 588 Ausführlich insb Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 80 ff (ausschlaggebend sei letztlich der Gleichbehandlungsgrundsatz); s auch die Nachweise oben in FN 539; die Berücksichtigung echter Synergieeffekte ablehnend die hM (oben FN 535) und die Rechtsprechung (oben FN 555, 556). 589 So aber zB OLG Stuttgart 08.03.2006, 20 W 5/05, AG 2006, 420, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 137; OLG Frankfurt 24.01.1989, 20 W 477/86, AG 1989, 442, Hartmann und Braun/Mannesmann; Zeidler in Semler/Stengel, UmwG3 § 9 Rz 47; ausdrücklich zur Verschmelzung; Seetzen, WM 1994, 45 (49); vgl Mertens, AG 1992, 321 (331). 590 Fleischer, ZGR 1997, 368 (387); vgl Adolff, Unternehmensbewertung 480; Busse von Colbe, ZGR 1994, 595 (605). 591 Dazu unten Kapitel III.C.5.c)(2) [82]. 592 S unten Kapitel III.E.6.a) [163]; dies übersehend offenbar Mühlehner in Kranebitter, Unternehmensbewertung2 49 (60). 593 Oben FN 557, 558, 559; zu Barabfindungskonstellationen mit ausführlicher Begründung auch Weiland, Synergieeffekte 308 ff. 594 Dazu unten Kapitel IV.C.3.a)(1) [203].

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

zung nicht aus der Gesellschaft aus.595 Das wirtschaftliche Resultat der Verschmelzung liegt gerade in der gemeinsamen Partizipation der Aktionärskreise am Erfolg der vereinigten Gesellschaft.596 Bei der Verschmelzung geht es um die faire Aufteilung des gemeinsam erzielten Erfolgs, nicht um die Vergütung für ein erzwungenes Ausscheiden aus der Gesellschaft. Darüber hinaus fehlen im Verschmelzungsrecht gesetzliche Bestimmungen,597 die wie bei Barabfindungskonstellationen eine Orientierung am stand-alone Wert indizieren würden.598 Die Lehre zur Bewertung bei Barabfindungen lässt sich insoweit nicht unmittelbar auf die Verschmelzung übertragen. (2) Zuordnung echter (nicht realisierter) Synergieeffekte (a) Zurechnungsproblematik Steht fest, dass unechte (realisierte) und echte (nicht realisierte) Synergieeffekte zu berücksichtigen sind, so stellt sich das Problem der Zuordnung. Für die unechten (realisierten) Synergieeffekte wurde dargelegt, dass sie mit der hM im stand-alone Wert zu berücksichtigen und nicht aufzuteilen sind.599 Echte (nicht realisierte) Synergieeffekte lassen sich aber definitionsgemäß nur durch Kooperation der an der Verschmelzung beteiligten Partner erzielen.600 Sie entziehen sich einer exklusiven kausalen Zurechnung.601 Betriebswirtschaftliche Aufteilungsschlüssel602 oder 595 S dazu auch unten Kapitel III.D.3.c)(3)(b) [135] und Kapitel IV.C.3.b)(2) [215]. 596 So bereits Hügel, Verschmelzung und Einbringung 203; zutreffend Stratz in Schmitt/­ Hörtnagl/Stratz, UmwG7 § 5 Rz 32. 597 Ausführlich Hügel, Verschmelzung und Einbringung 203. 598 ZB sind gem § 305 Abs 3 S 2, § 327b Abs 1 S 1 dAktG bei der angemessenen Barabfindung ausdrücklich „die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung“ zu berücksichtigen. 599 Oben Kapitel III.C.5.c)(1)(b) [79]; vgl Hügel, Verschmelzung und Einbringung 205 f. 600 Sogenannte „summierte Einwirkungen“ (Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1302 Rz 67) oder „addierte Kausalität“ (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1302 Rz 13a), nicht kumulative Kausalität; vgl § 830 Abs 1 S 2 BGB, für dessen Anwendbarkeit nach hA aber Gesamtkausalitätseignung des einzelnen Beitrags erforderlich ist; dazu im Detail Wagner in MüKo BGB6 § 830 Rz 58. 601 Zutreffend Nonnenmacher, AG 1982, 153 (157); Reuter, DB 2001, 2483 (2488, 2490); Weiland, Synergieeffekte 219; Adolff, Unternehmensbewertung 404 ff; dazu auch Fleischer, ZGR 1997, 368 (381 f); Busse von Colbe, ZGR 1994, 595 (607 f); vgl Hügel, Verschmelzung und Einbringung 205; OLG Frankfurt 28.03.2014, 21 W 15/11, AG 2014, 822, Wella AG, Rz 147; die bei Hügel, Verschmelzung und Einbringung 205 f angeführten Beispiele, in denen eine Zuordnung möglich sei, betreffen durchwegs unechte (realisierte) Synergieeffekte. 602 S zB Ossadnik, Aufteilung von Synergieeffekten 36 ff; Eisenführ, zfbf 1971, 467 (475 ff).

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

Modelle603 können hier nur eingeschränkt Abhilfe schaffen.604 Das Recht muss selbst die Kriterien und Rahmenbedingungen der Zuordnung vorgeben. Nicht nur die Frage nach der Berücksichtigung von Synergieeffekten,605 sondern auch deren angemessene Zuordnung ist eine Rechts- und keine Tatsachenfrage.606 (b) Konzentrationsverschmelzung Bei Verhandlungen zwischen unabhängigen Partnern607 werden erwartete, positive echte (nicht realisierte) Synergieeffekte nach der jeweiligen Verhandlungsmacht aufgeteilt. Eine bestimmte Aufteilung ist aus Aktionärsschutzzwecken nicht zwingend erforderlich. Vielmehr ist mit Winner jedes Umtauschverhältnis innerhalb des Einigungsbereichs angemessen.608 Ausreichende Untergrenze des angemessenen Umtauschverhältnisses ist die Aufrechterhaltung des Beteiligungswerts der beiden Aktionärskreise (Wertäquivalenz).609 Denn trotz des Aktionärsschutzzwecks der Überprüfung a posteriori kann dem Gesetzgeber mE nicht unterstellt werden, bei echten Verhandlungen einen Eingriff in das Ergebnis privatautonomer Preisfindung zu intendieren, der über die Wertäquivalenz als Mindestvoraussetzung hinausgeht. Das stimmt auch mit dem Bild des typisierten Investors überein, das nach der gesetzlichen Wertung der Überprüfung der Verschmelzung zugrunde zu legen ist.610 Ein durchschnittlicher, rational 603 ZB Ossadnik, Aufteilung von Synergieeffekten 36 ff; Ossadnik, DB 1997, 885 (886 f). 604 Ossadnik stellt selbst klar, dass eine „theoretisch exakte Synergiezurechnung nicht möglich ist, sich das auch beweisen läßt und man sich mit Ersatzlösungen begnügen muß“ (Ossadnik, Aufteilung von Synergieeffekten, Vorwort). 605 OLG Stuttgart 08.03.2006, 20 W 5/05, AG 2006, 420 (423) Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 63. 606 Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 83 ff; Adolff, Unternehmensbewertung 406 ff; Reuter, DB 2001, 2483 (2488); ausführlich unten Kapitel V.C.2.d)(2) [254]. 607 Zur Abgrenzung der Konzentrations- von der Konzernverschmelzung s unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]. 608 Winner in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 14 Rz 61 ff; Winner in Artmann/Rüffler/U. Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht 57 (74); Winner in Kalss/Fleischer/Vogt, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2013, 109 (117); Winner, Wert und Preis 455 f; Adolff, Unternehmensbewertung 488 ff; Kalss in Kalss, VSU2 § 220 Rz 24; ähnlich Fleischer, ZGR 1997, 368 (386 f); s auch die Nachweise oben in FN 542; vgl Yagil, The Financial Review 1987, 195 (199 ff); gleicher Ansicht für Sachkapitalerhöhung Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 150 Rz 81 mwN; aA Hügel, Verschmelzung und Einbringung 203 ff. 609 Winner, Wert und Preis 456; dazu auch oben Kapitel III.C.2 [40]. 610 S dazu oben Kapitel III.C.3.c) [59].

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

handelnder Investor wäre nämlich (schon) gegenüber einem Szenario bloßer Wertäquivalenz indifferent. (c) Konzernverschmelzung Anders sind Konstellationen zu behandeln, in denen sich nicht unabhängige, sondern konzernmäßig verbundene Gesellschaften als Verschmelzungspartner gegenüber stehen. Zwar gibt es auch bei Konzernverschmelzungen (nur) bei positiven, echten (nicht realisierten) Synergien mehrere Umtauschverhältnisse, die die Wertäquivalenz für beide Aktionärskreise sicherstellen. Dennoch kann in diesen Fällen nicht jede beliebige Aufteilung der Synergieeffekte als angemessen gelten. Im Unterschied zu Verschmelzungen unverbundener Partner liegt dem solcherart festgelegten Umtauschverhältnis nämlich in der Regel keine echte Verhandlungssituation, sohin keine schützenswerte und von (je Gesellschaft) homogenen, gleichgerichteten Aktionärsinteressen getragene, privatautonome Entscheidung zugrunde.611 Gleichgerichtet sind vielmehr die Interessen der jeweiligen Aktionärsmehrheit der beteiligten Gesellschaften. Von einem Interessenausgleich im Wege freier Verhandlungen kann keine Rede sein. Dies gebietet eine stärkere rechtliche Eingrenzung angemessener Ergebnisse.612 Das Grundproblem der unmöglichen kausalen Zuordnung613 von echten (nicht realisierten) Synergieeffekten besteht auch bei Konzernverschmelzungen.614 Die näherungsweise Zuordnung der echten (nicht realisierten) Synergieeffekte nach ihrer im Einzelfall überwiegenden Entstehung ist problematisch.615 Zudem dürfte eine derartige Zuordnung einen noch einmal deutlich gesteigerten gutachterlichen Aufwand verursachen. Die drohenden, einzelfallbezogenen Detailerwägungen dürften vor dem Hintergrund ohnehin überlanger Spruchverfahren616 nicht im Sinne der Prozessökonomie sein.617 ME bleibt es bei der Notwendigkeit einer rechtlich 611 Vgl Winner, Wert und Preis 457. 612 Vgl Winner, Wert und Preis 457; Adolff, Unternehmensbewertung 492 ff. 613 S oben Kapitel III.C.5.c)(2)(a) [82]. 614 Vgl Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 89. 615 Vgl Hügel, Verschmelzung und Einbringung 206 mit dem zutreffenden Hinweis, dass „zur Bewertung von Synergiebeiträgen […] bloß äußerst vage – topische – Gesichtspunkte zur Verfügung“ stehen. 616 S unten Kapitel V.B.2.d) [238]; vgl Bilda, NZG 2000, 296 (296 mwN): rechtskräftiger Abschluss in zweiter Instanz „in nicht wenigen Fällen erst nach mehr als zehn Jahren“; Stilz in FS Goette (2011) 529 (530). 617 Vgl Winner, Wert und Preis 457: „Eine wertende Zurechnung nach den Umständen des Einzelfalls […] würde das Gremium im Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses wohl überfordern; klare Maßstäbe sind festzusetzen.“

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C.  Gebot der Wertäquivalenz

determinierten, wertungsmäßigen Zuteilung, die nicht von Kausalitäts-, sondern von Fairness- und Praktikabilitätsüberlegungen getragen ist. Unter den üblicherweise herangezogenen Aufteilungsvarianten (unternehmenswertanteilig, hälftig618) ist prima facie keine fairer als die andere.619 Während die unternehmenswertanteilige Zurechnung die „größere“, das heißt wertvollere Gesellschaft bevorzugt, kommt die hälftige Teilung der „kleineren“ Gesellschaft zugute. Jede der Varianten kann abhängig von den Verhältnissen im Einzelfall die herrschende oder die abhängige Gesellschaft bevorteilen. Der Aufteilung im Verhältnis der stand-alone Unternehmenswerte wird aus Praktikabilitätsgründen häufig der Vorzug gegeben.620 Denn dadurch kann die gesonderte Quantifizierung der echten (nicht realisierten) Synergieeffekte in der Regel (sofern keine baren Zuzahlungen geleistet werden621) entfallen.622 Bei Nichtberücksichtigung der echten (nicht realisierten) Synergieeffekte richtet sich die Teilhabe der Aktionärskreise an den echten (nicht realisierten) Synergieeffekten in der verbundenen Gesellschaft automatisch nach dem Verhältnis der stand-alone Unternehmenswerte.623 Der geringere Aufwand der Zuordnung im Verhältnis der stand-alone Unternehmenswerte gibt aus verfahrensökonomischen Gründen auch rechtlich den Ausschlag.624 Eine für die Aktionäre der abhängigen Gesellschaft günstigere Aufteilung ist mE ebenso zulässig, aber nicht zwingend geboten.625 618 Vgl Eisenführ, oben in FN 540; vgl Weiland, Synergieeffekte 108 ff; Ossadnik, Aufteilung von Synergieeffekten 54 ff; Heurung, DB 1997, 837 (841); OLG Frankfurt 28.03.2014, 21 W 15/11, AG 2014, 822, Wella AG, Rz 147; zum Squeeze-out zB Karami, Squeeze-out 109. 619 Vgl Hügel, Verschmelzung und Einbringung 205. 620 Weiland, Synergieeffekte 218 ff; Adolff, Unternehmensbewertung 492 ff; Möller, Verschmelzungs­beschluss 69; aA Hügel, Verschmelzung und Einbringung 204. 621 Zutreffend Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 99; s oben Kapitel III.C.5.c) (1)(c)(ii) [81] bei FN 592 und unten Kapitel III.E.6 [163]. 622 Winner, Wert und Preis 458; Weiland, Synergieeffekte 218 ff. 623 Insoweit zutreffend Mühlehner in Kranebitter, Unternehmensbewertung2 49 (59). Präzise gesagt ist es daher gar nicht möglich, Verbundeffekte bei der Festlegung des Umtauschverhältnisses unberücksichtigt zu lassen; vgl Winner, Wert und Preis 454; insoweit unzutreffend Bachl, GesRZ 2000, 6 (11): Stand-alone Ansatz ignoriere die geplante Verschmelzung. 624 Vgl im Ergebnis Adolff, Unternehmensbewertung 492 ff; Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 89; ähnlich Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht8 § 305 AktG Rz 71: unternehmenswertanteilige oder notfalls hälftige Aufteilung; für die unternehmenswertanteilige Aufteilung spricht auch der Rechtssicherheitsgedanke, dem im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht zu Recht ein gesteigerter Stellenwert beigemessen wird; vgl U. Torggler, JBl 2011, 762 (763 ff). 625 So wohl noch Winner, Wert und Preis 457 f; nur auf die Zurechnung im Verhältnis der stand-alone Unternehmenswerte abstellend nunmehr Winner in FS H. Torggler

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

D. Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze? 1. Entwicklung und Meinungsstand bis 1998 a) Ablehnung des Börsenkurses als Maßstab des Anteilswerts Der Börsenkurs wurde Anfang der 1960er Jahre in einzelnen fachgerichtlichen Judikaten als Maßstab der wirtschaftlich vollen Entschädigung626 anerkannt.627 Hervorzuheben ist ein Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahr 1963.628 Darin nahm das Gericht für die Abfindung bei der Mehrheitsumwandlung jene Überlegungen zum Deinvestitionswertschutz vorweg, die später der DAT/Altana-Entscheidung629 zugrunde liegen sollten.630 Danach gebe der Börsenkurs die „Mindesthöhe der Entschädigung“ vor. Denn ohne Mehrheitsumwandlung hätte der Hauptgesellschafter die Aktien von der Minderheit zum Börsenkurs kaufen müssen.631 Zur Ausschaltung von „Zufälligkeiten und spekulative[n] Einflüsse[n] [sei] ein Normalkurs [heranzuziehen], der sich aus der Entwicklung eines längeren Zeitraums abzeichnet“.632 Bis zum Judikat des BayObLG zu März/EKU633 sollte dies die letzte Entscheidung bleiben, die den Börsenkurs als Abfindungsgrundlage maßgeblich erachtete. Denn der BGH sprach sich 1967 gegen den Börsen- oder Marktwert als Maßstab der Ab(2013) 1371 (1374); Winner in Artmann/Rüffler/U. Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht 57 (74); Winner in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 14 Rz 65 f. 626 BVerfG 07.08.1962, 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, Feldmühle, Rz 65 (Umwandlung auf den Mehrheitsgesellschafter unter Ausschluss der Minderheitsaktionäre); ausführliche Nachweise oben in FN 343. 627 Offen OLG Hamm 30.04.1960, 8 AR 1/58, BB 1961, 65 (66): „[…] ist grundlegend davon auszugehen, daß für die Feststellung der Abfindung sowohl der Börsenkurs als auch der Ertragswert des Gesamtunternehmens und sein Substanzwert in Betracht kommen“; dazu Lausterer, Unternehmensbewertung 94 f; Piltz, Unternehmensbewertung3 224 f; zur historischen Entwicklung auch Ullrich, Abfindung und Börsenkurs 68 ff. 628 OLG Hamm 23.01.1963, 8 AR 1/60, AG 1963, 218 [§ 12 dUmwG 1956]. 629 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana; ausführlich unten Kapitel III.D.2 [90]. 630 OLG Hamm 23.01.1963, 8 AR 1/60, AG 1963, 218 [§ 12 dUmwG 1956]; dazu Naschke, Börsenkurs 12 f; s auch OLG Hamm 15.05.1963, 8 AR 2/60, AG 1964, 41 [§ 12 dUmwG 1956]; zum Ganzen Lausterer, Unternehmensbewertung 95 f; Piltz, Unternehmensbewertung3 224 f. 631 OLG Hamm 23.01.1963, 8 AR 1/60, AG 1963, 218 (218 f); OLG Hamm 15.05.1963, 8 AR 2/60, AG 1964, 41 (41 f). 632 OLG Hamm 23.01.1963, 8 AR 1/60, AG 1963, 218 (218 f); OLG Hamm 15.05.1963, 8 AR 2/60, AG 1964, 41 (41 f). 633 BayObLG 29.09.1998, 3Z BR 159/94, AG 1999, 43, März/EKU; dazu gleich Kapitel III.D.1.c) [89].

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

findung aus.634 Das richtungsweisende Judikat betraf die Abfindung bei der Mehrheitsumwandlung gem § 12 dUmwG 1956. Der BGH begründete seine Ansicht ausführlich:635 „Der Börsenkurs kann sich mit dem wahren Wert der Aktien decken, er kann aber auch niedriger oder höher sein. Er ergibt sich aus dem im Augenblick der Kursbildung vorhandenen Verhältnis von Angebot und Nachfrage, das von der Größe oder Enge des Marktes, von zufallsbedingten Umsätzen, von spekulativen Einflüssen und sonstigen nicht wertbezogenen Faktoren wie politischen Ereignissen, Gerüchten, Informationen, psychologischen Momenten oder einer allgemeinen Tendenz abhängt. Außerdem unterliegt der Börsenkurs unberechenbaren Schwankungen und Entwicklungen, wie die Ak­ tienkurse der letzten Jahre besonders deutlich gemacht haben. Das schließt es aus, der Berechnung der angemessenen Abfindung den Börsenkurs zugrunde zu legen.“ 636 Darauf gestützt etablierte sich in der hM und der Rechtsprechung das Dogma des anteiligen Unternehmenswerts als alleinigem Maßstab der angemessenen Abfindung. Der Börsenkurs spielte im Spruchverfahren637 jahrzehntelang weder als Maßstab des Unternehmenswerts noch als Deinvestitionswert eine Rolle.638 Nach einem bis 1999 üblichen Rechtssatz werde der Börsenkurs von verschiedenen Faktoren beeinflusst, gebe den Unternehmenswert nicht zuverlässig wieder und sei daher nicht

634 BGH 30.03.1967, II ZR 141/64, AG 1967, 264, Rz 11; dazu Adolff, Unternehmensbewertung 309 ff. 635 Fettauszeichnungen durch den Verfasser. 636 BGH 30.03.1967, II ZR 141/64, AG 1967, 264, Rz 11; aA bereits Drukarczyk, AG 1973, 357 (361 ff mit Hinweisen auf die den Börsenkurs als Maßstab mehrheitlich ablehnende Literatur). 637 Anders als bei sonstigen Bewertungsanlässen; zB BGH 20.03.1995, II ZR 205/94, BGHZ 129, 136 (164), Girmes (Schadenersatz nach Treuepflichtverletzung); BGH 10.10.1979, IV ZR 79/78, BGHZ 75, 195 (Unternehmen im Aufteilungsvermögen bei Scheidung); OGH RS0010080 (Schätzung von Liegenschaften im Erbverfahren: stärkere Berücksichtigung des Verkehrs- gegenüber des Ertragswerts in Zeiten starken Liegenschaftshandels). 638 BayObLG 11.12.1995, 3Z BR 36/91, AG 1996, 176, Brauerei, Rz 38; BayObLG 19.10.1995, 3Z BR 17/90, DB 1995, 2590, Paulaner, Rz 48; BayObLG 31.05.1995, 3Z BR 67/89, DB 1995, 1703, Rz 44; OLG Düsseldorf 17.02.1984, 19 W 1/81, AG 1984, 216, ATH/Rheinstahl I; BGH 13.03.1978, II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, Kali und Salz AG, Rz 27; s für einen historischen Überblick Adolff in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 16 Rz 17 ff; Lausterer, Unternehmensbewertung 96 f; vgl Münstermann, Wert und Bewertung der Unternehmung3 (1970) 136 ff; Dielmann/König, AG 1984, 57 (65 f).

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

maßgeblich.639 Auch der OGH äußerte sich im Zusammenhang mit der Bewertung von Kapitalanlagen kritisch zur Bestimmung des Unternehmenswerts mittels Börsenkursen.640 b) Kritik an der älteren Rechtsprechung Literaturstimmen, die den für die Abfindung relevanten Wert im Börsenkurs zutreffend widergespiegelt sahen, mehrten sich spätestens Mitte der

639 OLG Celle 31.07.1998, 9 W 128/97, AG 1999, 128, Wolters AG/Gilde AG, Rz 20; BayObLG 11.12.1995, 3Z BR 36/91, AG 1996, 176, Brauerei, Rz 38; BayObLG 19.10.1995, 3Z BR 17/90, DB 1995, 2590, Paulaner, Rz 48; BayObLG 31.05.1995, 3Z BR 67/89, DB 1995, 1703, Rz 44; LG Frankfurt 16.05.1984, 3/3 AktE 144/80, AG 1985, 310, Triumph-Adler AG/Adlerwerke vorm H. Kleyer AG; OLG Düsseldorf 17.02.1984, 19 W 1/81, AG 1984, 216, ATH/Rheinstahl I; LG Frankfurt 08.12.1982, 3/3 AktE 104/79, AG 1983, 136, Gutehoffnungshütte AG/Roland Druckmaschinen AG; LG Dortmund 31.10.1980, 18 AktE 2/79, AG 1981, 236 (239), Rheinstahl/Thyssen; BGH 13.03.1978, II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, Kali und Salz AG, Rz 27; OLG Düsseldorf 29.10.1976, 19 W 6/73, AG 1977, 168, Metallgesellschaft AG/Stolberger Zink AG für Bergbau und Hüttenbetriebe; vgl für einen am Börsenkurs orientierten Ausgleich des Wertverlusts durch eine bevorstehende Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss bei der Kapitalerhöhung der Obergesellschaft für die bei einer Mehrheitseingliederung in Aktien abzufindenden Aktionäre der eingegliederten Gesellschaft BGH 27.05.1974, II ZR 109/72, WM 1974, 713, BASF/Wintershall. 640 OGH 09.03.1999, 4 Ob 353/98k, ÖBA 1999, 733 (Fettauszeichnungen durch den Verfasser): „Als längerfristige Anlageform verspricht die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft eine Rendite, für die zwei Faktoren maßgeblich sind: der Kursgewinn und die Dividende. Während sich die Dividende als jährliche Gewinnausschüttung nach dem auf Vorschlag des Vorstandes zu fassenden Hauptversammlungsbeschluß richtet, sind für die Kursentwicklung einer Aktie nicht nur der generelle Börsentrend, die allgemeine Wirtschaftslage und die Zinsentwicklung sowie die konkreten anläßlich der Veröffentlichung der Jahresabschlüsse bekanntgewordenen Daten der Gesellschaft, insbesondere deren Buchwert, sondern auch andere rationale und irrationale Gründe (so auch wie auch immer verbreitete Gerüchte) maßgeblich. Welche dieser Faktoren für die Kursentwicklung im Einzelfall maßgeblich sind, kann der einzelne – nicht professionelle – Anleger nie genau überblicken. Die Kursentwicklung läßt daher auch keine sicheren Schlüsse des einzelnen Anlegers auf Unternehmenswert und objektiven Wert seiner Beteiligung zu.“; ähnlich auch aus jüngerer Zeit OGH 20.01.2009, 4 Ob 188/08p, SZ 2009/6, Meinl European Land, 4.1.2. (b): „Sowohl der Kauf als auch der (‚jederzeit mögliche‘) Verkauf erfolgen zum Börsenkurs; dieser muss nicht dem tatsächlichen Wert des Unternehmens bzw der von diesem gehaltenen Immobilien entsprechen, sondern kann auch durch andere Faktoren beeinflusst werden. Dazu gehören etwa die allgemeine Einschätzung der Wirtschaftslage, irrationales Vertrauen oder Misstrauen in ein bestimmtes Unternehmen oder einen Geschäftszweig oder gezielte Beeinflussung der Kurse durch einzelne Investoren oder (wie anscheinend hier) durch die Gesellschaft selbst.“

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

90er-Jahre.641 Die Wertermittlung anhand der Ertragswertmethode sei von „erheblicher Unsicherheit geprägt“.642 Sie verursache lange Ver­ fahrensdauern.643 Oftmals sei an der Objektivität von Gutachtern zu zweifeln.644 Wenn die Entschädigung hinter dem Verkehrswert der Aktie zurückbleibt, würde dem Aktionär ein Vermögenswert entzogen.645 Luttermann erinnerte mit Nachdruck an die Defizite der fundamentalanalytischen Bewertung und plädierte für den durchschnittlichen Börsenkurs als „das Maß“ der Barabfindung.646 Die AG sei der „Inbegriff marktwirtschaftlicher Veranstaltungen überhaupt“.647 Daher müsse außer bei totalem Marktversagen auf den Marktpreis abgestellt werden.648 Der Börsenkurs sei zumindest dann ein zuverlässigerer Bewertungsmaßstab als ein Sachverständigengutachten, wenn ein liquider, informationseffizienter Markt vorliegt.649 Nach Rodloff würde sich bei einer Abfindung zum Allzeithoch des Börsenkurses überhaupt „die Durchführung eines Spruchstellenverfahrens […] von vornherein erübrigen“.650 c) BayObLG  März/EKU Das BayObLG akzeptierte im Jahr 1998 zum ersten Mal den Börsenkurs als Bemessungsgrundlage der Barabfindung gem § 305 dAktG.651 Der Börsenkurs kann nach dem BayObLG herangezogen werden, wenn „ein für 641 So zB Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht (1998) § 305 Rz 35; Welf Müller in FS G. Bezzenberger (2000) 705 (710); zur Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss Martens in FS G. Bezzenberger (2000) 267 (279 ff). 642 S die Nachweise gleich in FN 644. 643 S die Nachweise gleich in FN 644. 644 Steinhauer, AG 1999, 299 (301); ähnlich Luttermann, ZIP 1999, 45 (52); Götz, DB 1996, 259 (260 f); s auch die Anmerkung zu BayObLG 3Z BR 159/94 von Zeidler, NZG 1998, 949 (949); so nunmehr auch BVerfG 16.05.2012, 1 BvR 96/09 ea, ZIP 2012, 1408, Deutsche Hypothekenbank, Rz 26: „Die Anwendung der Ertragswertmethode erhöht wegen der besonders komplexen Bewertungsfragen die Gefahr von überlangen Verfahrenslaufzeiten“. 645 Rodloff, DB 1999, 1149 (1151). 646 Luttermann, ZIP 1999, 45 (52); dazu aus österreichischer Sicht kritisch G. Tichy, RWZ 2000, 168 (168 ff). 647 Luttermann, ZIP 1999, 45 (46). 648 Luttermann, ZIP 1999, 45 (47, zum Vergleich mit dem Steuerrecht insb 49 f); ähnlich Götz, DB 1996, 259 (260 f). 649 Steinhauer, AG 1999, 299 (306 f) unter Bezugnahme auf die Hypothese effizienter Kapitalmärkte (efficient capital market hypothesis; dazu unten Kapitel VI.E.1.a)(2) [414]), die freilich in der Praxis nicht vollständig gegeben sei (Steinhauer, aaO 304 ff); ähnlich Luttermann, ZIP 1999, 45 (51); Ammon, FGPrax 1998, 121 (122); Aha, AG 1997, 26 (27 f). 650 Rodloff, DB 1999, 1149 (1152). 651 BayObLG 29.09.1998, 3Z BR 159/94, AG 1999, 43, März/EKU, Leitsatz 1.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

die Bemessung der Barabfindung tragfähiges Bewertungsgutachten nicht vor[liegt] und […] es auch nicht erholt [sic!] werden [kann]“ und der Börsenkurs „den Marktwert des Unternehmens nicht offensichtlich unrichtig wiedergibt“.652 Nach Ansicht des BayObLG gibt der Börsenkurs „der auch aussagekräftig ist, weil er nicht von einem zu engen Markt oder von Manipulationen beeinflußt wird […], in der Regel den ‚Verkehrswert‘ mindestens ebenso zutreffend“ an „wie eine langwierige Berechnung des Unternehmenswertes durch Sachverständige nach der Ertragswertmethode.“653 Das BayObLG verwies in seiner Begründung auf die sprunghafte Zunahme des Umsatzes mit Aktien.654 Zudem nehme ein Aktienkäufer das spekulative Element und die den Börsenkurs beeinflussenden Zufälligkeiten bewusst in Kauf.655 Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob der Börsenkurs allgemein die Untergrenze der angemessenen Barabfindung bildet.656

2. DAT/Altana: „Wahrer Wert“, Verkehrswert und Börsenkurs a) Einführung Das BVerfG läutete im Jahr 1999 – nur ein halbes Jahr nach dem Beschluss des BayObLG zu März/EKU657  – einen grundlegenden Paradigmenwechsel bei der Bemessung der angemessenen Abfindung ein. Mit seinem Beschluss in der Sache DAT/Altana658 begründete das BVerfG die Relevanz des Börsenkurses im Spruchverfahren. Danach bildet der Börsenkurs beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und bei der Eingliederung in der Regel die Untergrenze der angemessenen Abfindung.659 652 BayObLG 29.09.1998, 3Z BR 159/94, AG 1999, 43, März/EKU, Leitsatz 1; zustimmend Zeidler, Anmerkung zu BayObLG 3Z BR 159/94, NZG 1998, 949 (949); ­ähnlich LG Nürnberg-Fürth 22.04.1999, 1 HK 6730/89, AG 2000, 89, Philips: Börsenkurs als Maßstab für die Abfindung dann, wenn die Einholung eines Wertgutachtens nicht möglich ist (zB weil keine Vereinbarung über die Vergütung der Sachverständigen zustande kommt). 653 BayObLG 29.09.1998, 3Z BR 159/94, AG 1999, 43, März/EKU, Rz 32; zustimmend Welf Müller in FS G. Bezzenberger (2000) 705 (711). 654 BayObLG 29.09.1998, 3Z BR 159/94, AG 1999, 43, März/EKU, Rz 32. 655 BayObLG 29.09.1998, 3Z BR 159/94, AG 1999, 43, März/EKU, Rz 32. 656 BayObLG 29.09.1998, 3Z BR 159/94, AG 1999, 43, März/EKU, Leitsatz 2. 657 BayObLG 29.09.1998, 3Z BR 159/94, AG 1999, 43, März/EKU; oben Kapitel III.D.1.c) [89]. 658 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana [angemessener Ausgleich und Abfindung gem §§ 304 f, 320b dAktG]. 659 Unten Kapitel III.D.2.d) [92]; ausführlich zum Ganzen Riegger/Gayk in Kölner Komm AktG3 Anh § 11 SpruchG Rz 65 ff; Adolff, Unternehmensbewertung 298 ff.

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

b) Sachverhalt Dem Beschluss des BVerfG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Altana AG (Altana) hatte im Jahr 1988 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Deutsch-Atlantischen Telegraphen-Aktiengesellschaft (DAT) abgeschlossen.660 Die Altana bot den außenstehenden Aktionären der DAT im Vertrag einen variablen Ausgleich (§ 304 Abs 2 S 2 dAktG) an, der mittels Verschmelzungswertrelation (zu den rechtlichen Grundlagen ausführlich unten Kapitel IV.C.3.a)(2)(a) [206]) zu ermitteln war. Alternativ dazu waren eine Abfindung in Aktien der Altana oder eine Barabfindung (§ 305 Abs 2 dAktG) vorgesehen.661 Etwa zwei Jahre nach Abschluss des Vertrags wurde die DAT durch Mehrheitsbeschluss in die Altana eingegliedert (§ 320 dAktG).662 Den ausscheidenden Aktionären der DAT bot die Altana eine Abfindung in Aktien der Altana oder eine Barabfindung an.663 c) Vorentscheidungen LG Köln und OLG Düsseldorf Die beschriebenen Angebote wurden in zwei Spruchverfahren (je eines für den Beherrschungsvertrag und die Eingliederung) überprüft. Die Antragsteller rügten insbesondere die mangelnde Berücksichtigung des Börsenkurses.664 Sowohl das LG Köln als auch das OLG Düsseldorf lehnten eine Erhöhung des Ausgleichs und der Abfindung ab.665 In ihrer Begründung stützten sie sich im Kern auf die mangelnde Relevanz des Börsenkurses für die Verschmelzungswertrelation.666 Der Börsenkurs ist nach dem OLG Düsseldorf „von einer Vielzahl nicht wertbezogener Außen­ einflüsse abhängig, wie politischen Ereignissen, der allgemeinen Börsen660 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 12; ausführlich zum Ganzen Naschke, Börsenkurs 5 ff. 661 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 12. 662 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 14. 663 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 14. 664 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 13 f. 665 LG Köln 16.12.1992, 91 O 204/88, DB 1993, 217, DAT/Altana [B&GaV]; LG Köln 13.10.1993, 91 O 211/90 (unveröffentlicht); OLG Düsseldorf 02.08.1994, 19 W 1/93, AG 1995, 85, DAT/Altana, Rz 47, 51 [B&GaV]; OLG Düsseldorf 02.08.1994, 19 W 5/93 AktE, AG 1995, 84, DAT/Altana, Rz 32, 35 [Eingliederung]; lediglich zum Ausgleich von Spitzenbeträgen wurde mangels Regelung im Vertrag bzw im Eingliederungsbeschluss eine Ausgleichszuzahlung festgesetzt (OLG Düsseldorf 02.08.1994, 19 W 1/93, AG 1995, 85, DAT/Altana, Rz 101 ff; OLG Düsseldorf 02.08.1994, 19 W 5/93 AktE, AG 1995, 84, DAT/Altana, Rz 77). 666 LG Köln 16.12.1992, 91 O 204/88, DB 1993, 217, DAT/Altana [B&GaV]; LG Köln 13.10.1993, 91 O 211/90 (unveröffentlicht); OLG Düsseldorf 02.08.1994, 19 W 1/93, AG 1995, 85, DAT/Altana, Rz 47, 51 [B&GaV]; OLG Düsseldorf 02.08.1994, 19 W 5/93 AktE, AG 1995, 84, DAT/Altana, Rz 32, 35 [Eingliederung].

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

tendenz sowie psychologischen Momenten; er wird zudem von der Größe oder Enge des Marktes beeinflußt und ermöglicht keine Aussage über den wahren Wert der Aktien, sondern kann höher oder niedriger als der wahre Wert sein oder sich zufällig mit ihm decken“.667 Gegen die Beschlüsse wurde eine Verfassungsbeschwerde eingebracht, die unter anderem die Verletzung des Grundrechts auf Eigentum gem Art 14 Abs 1 GG zum Inhalt hatte. d) Kernaussagen des BVerfG (1) Deinvestitionswertschutz zusätzlich zum Unternehmenswertschutz Die Beschlüsse der Vorinstanzen verletzten nach der Auffassung des BVerfG das Grundrecht auf Eigentum gem Art 14 Abs 1 GG.668 Das Aktieneigentum zeichne sich durch zwei Kerncharakteristika aus (Doppelnatur des Aktieneigentums669). Zum einen vermittle es „mitgliedschaftliche Herrschafts- und Vermögensrechte“.670 Bei Kleinaktionären stehe vielfach die Vermögenskomponente im Vordergrund.671 Zum anderen würden sich Aktien, insbesondere jene von börsennotierten AG, von anderen Unternehmensbeteiligungen durch ihre gesteigerte Verkehrsfähigkeit unterscheiden.672 So ermöglichten sie dem Aktionär „eine Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Sicht“.673 Diese dürfe bei der Bemessung der Abfindung „nicht außer Betracht bleiben.“674 Das BVerfG konkretisierte daraufhin seine Feldmühle-Judikatur675 und legte bei börsennotierten AG eine zweifache Grenze der „vollen Entschädigung“ fest:676 „Dementsprechend gehen Judikatur und Literatur davon aus, daß die Entschädigung nur dann als ‚volle‘677 bezeichnet werden kann, 667 OLG Düsseldorf 02.08.1994, 19 W 1/93, AG 1995, 85, DAT/Altana, Rz 51 [B&GaV]; OLG Düsseldorf 02.08.1994, 19 W 5/93 AktE, AG 1995, 84, DAT/Altana, Rz 35 [Eingliederung]. 668 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Tenor. 669 Zum Begriff OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 61; Adolff, Unternehmensbewertung 301, 324; s auch die Nachweise unten in FN 727. 670 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 55. 671 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 55. 672 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 55. 673 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 55. 674 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 56; s zum eingeschränkten Schutz des Ausmaßes der Verkehrsfähigkeit unten Kapitel IV.C.3.a)(2)(b) [207] bei und in FN 1413. 675 Oben Kapitel III.C.2.a)(1) [40]. 676 Fettauszeichnungen durch den Verfasser. 677 Dass auch für den Squeeze-out gem §§ 327a ff dAktG nur ein „voller Wertersatz“ angemessen ist, bestätigte das BVerfG 2007 im Zusammenhang mit einer Prüfung

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

wenn sie den ‚wirklichen‘678 oder ‚wahren‘ Wert der Unternehmensbeteiligung an dem arbeitenden Unternehmen unter Einschluß der stillen Reserven und des inneren Geschäftswerts widerspiegelt […].“679 „Darüber hinaus muß die Abfindung so bemessen sein, daß die Minderheitsaktionäre jedenfalls nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrags oder der Eingliederung erlangt hätten. Eine geringere Abfindung würde der Dispositionsfreiheit über den Eigentumsgegenstand nicht hinreichend Rechnung tragen.“680 Art 14 Abs 1 GG schreibe zwar „für die Wertermittlung von Unternehmensbeteiligungen“ keine bestimmte Methode vor.681 Die Ertragswertmethode sei zur Ermittlung des „wahren“ Unternehmenswerts verfassungsrechtlich unbedenklich.682 Der Kurswert der Aktie dürfe aufgrund ihrer gesteigerten Verkehrsfähigkeit aber nicht außer Betracht bleiben:683 „Der Vermögensverlust, den der Minderheitsaktionär durch den Unternehmensvertrag oder die Eingliederung erleidet, stellt sich für ihn als Verlust des Verkehrswerts der Aktie dar. Dieser ist mit dem ­Börsenkurs der Aktie regelmäßig identisch. Da der Verkehrswert der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen: BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 390/04, AG 2007, Rz 24 [Nichtannahmebeschluss; §§ 327a ff dAktG]. 678 Vgl dazu die Rechtsprechung des BGH zu § 738 Abs 1 S 2, Abs 2 BGB in FN 1488. 679 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 56, s auch BVerfG aaO Rz 47: „Der Ausscheidende muß erhalten, was seine gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist“; zur Verschmelzung BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 21; BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 21 f; BVerfG 20.12.2010, 1 BvR 2323/07, DB 2011, 289, Kuka, Rz 9; BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 16; BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 9; zu sonstigen Strukturmaßnahmen BVerfG 05.12.2012, 1 BvR 1577/11, WM 2013, 129, Wella AG I + II, Rz 8; BVerfG 16.05.2012, 1 BvR 96/09 ea, ZIP 2012, 1408, Deutsche Hypothekenbank, Rz 17 [§§ 39a f WpÜG]. 680 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 56; ebenso BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 16; BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 21 f; BVerfG 16.05.2012, 1 BvR 96/09 ea, ZIP 2012, 1408, Deutsche Hypothekenbank, Rz 20 [§§ 39a f WpÜG]. 681 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 61. 682 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 61. 683 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 62; Fett­ auszeichnungen durch den Verfasser.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

aber die Untergrenze der „wirtschaftlich vollen Entschädigung“ bildet,684 die Art. 14 Abs. 1 GG für die Entwertung oder Aufgabe der Anteilsrechte fordert, steht es mit diesem Grundrecht grundsätzlich nicht in Einklang, im aktienrechtlichen Spruchstellenverfahren eine Barabfindung festzusetzen, die niedriger ist als der Börsenkurs. Sonst erhielten die Minderheitsaktionäre für ihre Aktien weniger, als sie ohne die zur Entschädigung verpflichtende Intervention des Mehrheitsaktionärs bei einem Verkauf erlöst hätten.“685 Das BVerfG verwies zudem auf börsenkursorientierte Wertbemessungsnormen des Zivil-, Handels- und Steuerrechts686 sowie auf § 186 Abs 3 S 4 dAktG.687 Der Börsenkurs sei in der Regel die Untergrenze der Abfindung.688 Die Überschreitung des Börsenkurses sei verfassungsrechtlich unbedenklich.689 Die Unterschreitung des Börsenkurses komme „in Betracht, wenn [dieser] ausnahmsweise nicht den Verkehrswert der Aktie widerspiegelt“.690 Dies könne zB bei Marktenge der Fall sein.691 Die Beweislast liege bei der abfindungsverpflichteten Gesellschaft.692 Bei der Berechnung der Verschmelzungswertrelation zur Abfindung in Aktien gem § 320b Abs 1 dAktG, § 305 Abs 2 dAktG und des variablen Ausgleichs gem § 304 Abs 2 S 2 dAktG gelte nichts anderes als bei der Barabfindung.693 Der Börsenkurs sei als Untergrenze der Bewertung der abhängigen Gesellschaft anzusetzen.694 Bei der Bewertung des herrschenden Unternehmens gelte der Börsenkurs nicht als Höchstgrenze.695 Zum Umtauschverhältnis bei der Verschmelzung (§§ 2 ff dUmwG) bezog das BVerfG in DAT/Altana nicht expressis verbis Stellung.

684 Ebenso BVerfG 16.05.2012, 1 BvR 96/09 ea, ZIP 2012, 1408, Deutsche Hypothekenbank, Rz 18 [§§ 39a f WpÜG]. 685 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 63. 686 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 64: §§ 385, 1221, 1235 Abs 2, § 1295 BGB, § 376 Abs 2, 3 dHGB, § 11 Abs 1 dBewG, Zugewinn- und Pflichtteilsansprüche (vgl dazu BGH 24.10.1990, XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547). 687 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 64. 688 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 63. 689 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 66. 690 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 66. 691 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 67. 692 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 67. 693 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 70. 694 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 70 f. 695 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 70.

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

(2) Ermittlung des relevanten Börsenkurses Die Verfassung gebe den Stichtag für den Börsenkurs nicht vor.696 Der Börsenkurs zum Stichtag der Hauptversammlung (Bewertungsstichtag gem § 305 Abs 3 S 2 dAktG) müsse nicht die Grundlage der Bemessung bilden.697 Denn dieser Kurs könnte durch die Bekanntgabe der Maßnahme auf Kosten des Mehrheitsaktionärs in die Höhe getrieben werden.698 Einem Missbrauch beider Seiten sei vorzubeugen, unter Umständen auch durch Heranziehung eines Durchschnittskurses.699 Das BVerfG bestätigte die genannten Grund­sätze nur wenige Monate später im Verfahren Hartmann und Braun/Mannesmann.700 e) Konkretisierung durch die Zivilgerichte (1) OLG Düsseldorf Das OLG Düsseldorf blieb betreffend die Eingliederung im Ergebnis beim Inhalt des Beschlusses aus 1994. Zwar setzte es eine bare Zuzahlung zum Ausgleich von Spitzenbeträgen fest.701 Im Übrigen wies das OLG die Anträge aber zurück.702 Denn nach Ansicht des Senats konnte nicht festgestellt werden, ob die Veräußerung der Aktie an der Börse zum Zeitpunkt des Eingliederungsbeschluss überhaupt möglich gewesen wäre.703 Dagegen beabsichtigte das OLG, für den Ausgleich und die Abfindung beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine bare Zuzahlung auf Basis des Börsenkurses festzusetzen.704 Der Senat stellte auf den Börsen696 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 69. 697 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 68. 698 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 68. 699 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 69. 700 BVerfG 08.09.1999, 1 BvR 301/89, AG 2000, 40, Hartmann und Braun/Mannesmann, insb Rz 26 [Nichtannahmebeschluss]; dazu ausführlich Vetter, ZIP 2000, 561; Spindler/Klöhn, Der Konzern 2003, 511, zur Frage der Gleichwertigkeit von Abfindung und Ausgleich (die Gleichwertigkeit mit ausführlicher Begründung ablehnend Klöhn, Abfindungsansprüche 108 ff); vgl BVerfG 29.11.2006, 1 BvR 704/03, WM 2007, 73, Siemens/Nixdorf (SNI AG) Rz 10; zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Bemessung des Börsenkurses s unten Kapitel V.C.3.b) [316]. 701 OLG Düsseldorf 25.05.2000, 19 W 5/93 AktE, AG 2000, 421, DAT/Altana, Rz 30. 702 OLG Düsseldorf 25.05.2000, 19 W 5/93 AktE, AG 2000, 421, DAT/Altana, Rz 26 ff. 703 OLG Düsseldorf 25.05.2000, 19 W 5/93 AktE, AG 2000, 421, DAT/Altana, Rz 26 ff; die Antragsteller hatten trotz Hinweises durch das Gericht bewusst nicht zur Handelbarkeit der Aktie vorgetragen (Rz 29 aE). Wie aus der Begründung hervorgeht, dürfte sich deshalb die Bereitschaft des Senats zur Festsetzung einer baren Zuzahlung anhand des Börsenkurses in Grenzen gehalten haben. 704 OLG Düsseldorf 25.05.2000, 19 W 1/93 AktE, AG 2000, 422, DAT/Altana, Rz 21.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

kurs am Tag der Beschlussfassung der Hauptversammlung ab.705 Damit wich er von der bisherigen Rechtsprechung des OLG Stuttgart ab, das einen Durchschnittskurs bis zum Abschluss des Unternehmensvertrags herangezogen hatte.706 Das OLG Düsseldorf legte die Beschwerden der Antragsteller daher gem § 28 FGG dem BGH vor (Divergenzvorlage707).708 (2) BGH Der BGH entschied, dass auf einen Durchschnittskurs innerhalb der letzten drei Monate vor Beschlussfassung abzustellen sei.709 Der BGH stellte sich damit gegen die Ansicht des OLG Düsseldorf und begründete dies mit Rechtssicherheitsüberlegungen.710 Der Verkehrswert der Aktie sei in der Regel mit dem Börsenkurs identisch.711 Der Börsenkurs bilde daher grundsätzlich die Untergrenze der Barabfindung.712 Ist der quotal auf die Aktie bezogene Unternehmenswert („Schätzwert“) höher als der Börsenwert, sei ersterer maßgeblich.713 Auch bei der Abfindung in Aktien sei zur Ermittlung der Verschmelzungswertrelation die Summe der Verkehrswerte der Aktien heranzuziehen.714 Der Börsenkurs sei auch für die Wertbestimmung beim herrschenden Unternehmen maßgeblich, sofern er dessen Verkehrswert entspricht.715 Dies diene dazu, um möglichst gleiche Voraussetzungen für die Bestimmung der Wertrelation zu gewährleisten.716 Der Börsenkurs könne vom Verkehrswert des herrschenden Unternehmens abweichen.717 Ein abweichendes Ertragswertgutachten („Schätzwert“) sei als Beweis hierfür aber nicht ausreichend; vielmehr bedürfe es sonstiger Umstände, wie etwa einer schlechten Verfassung der

705 Dazu noch vor Entscheidung des BGH kritisch zB Wilm, NZG 2000, 1070 (1071 ff): maßgeblich sei der Durchschnittskurs. 706 OLG Stuttgart 04.02.2000, 4 W 15/98, DB 2000, 709 (Drüke), Rz 13 [B&GaV, Barabfindung]. 707 Unten bei FN 1605. 708 OLG Düsseldorf 25.05.2000, 19 W 1/93 AktE, AG 2000, 422, DAT/Altana, Rz 21 ff. 709 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 24; dazu ausführlich unten Kapitel V.C.3.b) [316]. 710 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 24; dazu ausführlich unten Kapitel V.C.3.b) [316]. 711 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 17. 712 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 17. 713 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Leitsatz 2. 714 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 18. 715 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Leitsatz 4, Rz 30 ff. 716 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Leitsatz 4, Rz 30 ff. 717 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 32.

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

Kapitalmärkte.718 Der BGH verwies das Verfahren zur Feststellung der Börsenwerte im Referenzzeitraum an das LG Köln zurück.719 (3) LG Köln/OLG Düsseldorf DAT und Altana brachten gegen die Entscheidung des LG Köln720 eine sofortige Beschwerde ein. Der Börsenkurs habe im maßgeblichen Zeitraum nicht den Verkehrswert der Gesellschaften repräsentiert, weil die Kapitalmärkte in einer schlechten Verfassung gewesen seien.721 Das OLG Düsseldorf lehnte die Einwände ab, weil der BGH eine bindende Aussage zur Verfassung der Kapitalmärkte getroffen habe.722 Die unwesentlichen Abänderungen des Beschlusses durch das OLG betrafen durchwegs technische Fragen.723 f) Analyse (1) Deinvestitionswertschutz zusätzlich zum Wertäquivalenzgebot Das BVerfG etablierte durch DAT/Altana einen doppelten Schutz der Minderheitsaktionäre. Die „volle Entschädigung“ muss zum einen den „wahren“ Wert des Anteils widerspiegeln.724 Der „wahre“ Wert des Anteils ergibt sich aus dem quotalen Unternehmenswert.725 Zusätzlich ist die „volle Entschädigung“ bei börsennotierten AG nach unten mit dem Verkehrswert der Aktie begrenzt, weil den Aktien eine besondere Verkehrsfähigkeit zukommt. Der Verkehrswert der Aktie entspricht nach Ansicht des BVerfG in der Regel dem Börsenkurs.726 Das BVerfG anerkennt somit die „Doppelnatur des Aktieneigentums“.727 Sie besteht dar718 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 32; kritisch zur Ungleichbehandlung von Aktionären der Unter- und der Obergesellschaft: Reuter, DB 2001, 2483 (2485); Vetter, DB 2001, 1347 (1352 f); Paschos, ZIP 2003, 1017 (1021). 719 BGH 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, DAT/Altana, Rz 39. 720 LG Köln 20.01.2003, Aktenzeichen unbekannt. 721 OLG Düsseldorf 04.06.2003, 19 W 3/03 AktE, AG 2003, 507, DAT/Altana, Rz 19 ff. 722 OLG Düsseldorf 04.06.2003, 19 W 3/03 AktE, AG 2003, 507, DAT/Altana, Rz 37. 723 OLG Düsseldorf 04.06.2003, 19 W 3/03 AktE, AG 2003, 507, DAT/Altana, Rz 47 ff: Klarstellung Barspitzenausgleich, Ausweis der Barabfindung gem § 305 Abs 2 dAktG als Barbetrag, Verzinsung der Barabfindung. 724 Oben bei und in FN 679. 725 Oben bei und in FN 679. 726 Oben bei und in FN 680, 685. 727 Vgl BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 55; zum Begriff OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 61; vgl bereits OLG Hamm 23.01.1963, 8 AR 1/60, AG 1963, 218 (218); s auch Winner in

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

in, „dass die Aktie nicht nur eine mittelbare Beteiligung am Unternehmen der Gesellschaft vermittelt, […] sondern dass sie auch ein selbständig verkehrsfähiger, der unmittelbaren Verfügung des Aktionärs unterliegender Vermögenswert ist.“728 Sowohl der Verkehrs- oder Deinvestitionswert729 (= selbständige Verkaufsgelegenheit) als auch der durch die Aktie vermittelte Anteil am Gesellschaftsvermögen sind verfassungsrechtlich geschützt.730 Der Börsenkurs bildet daher die Untergrenze der angemessenen Abfindung, wenn er den Verkehrswert der Aktie widerspiegelt. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung bei Beherrschungs- und Gewinn­ abführungsverträgen, bei Eingliederungen, bei Squeeze-outs und bei ­Umwandlungen.731 Der Deinvestitionswert ist eine selbständige Größe, Artmann/Rüffler/U. Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht 57 (62); Adolff, Unternehmensbewertung 301, 324. 728 OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 61; s auch die Nachweise soeben in FN 727. 729 Zum Deinvestitionswert von Aktien allgemein Adolff, Unternehmensbewertung 334 ff. 730 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 55; Adolff in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 16 Rz 37 ff; Reichert in FS Stilz (2014) 479 (487 f); Tonner in FS K. Schmidt (2009) 1581 (1588); Reuter, DB 2001, 2483 (2485); Hüttemann, ZGR 2001, 454 (460 ff, 466 ff); den Deinvestitionsaspekt ebenfalls betonend BVerfG 23.08.2000, 1 BvR 68/95, 147/97, AG 2001, 42, Bosch/Moto-Meter AG III, Rz 17 ff; vgl OLG Stuttgart 14.02.2008, 20 W 9/06, BeckRS 2008, 04445, Rz 34; aA offenbar Baums, Verschmelzung 11; Baums in GedS Schindhelm (2009) 63 (73 f); Mülbert in FS Hopt I (2010) 1040 (1068 ff). 731 OLG München 05.05.2015, 31 Wx 366/13, AG 2015, 508, Hypo Real Estate Holding AG, Rz 19 ff [Squeeze-out]; OLG Frankfurt 26.01.2015, 21 W 26/13, AG 2015, 504, Rz 21 ff [B&GaV, Barabfindung]; OLG Frankfurt 17.12.2012, 21 W 39/11, AG 2013, 566, DBV-Winterthur Holding AG, Rz 26 [Squeeze-out]; OLG Karlsruhe 15.11.2012, 12 W 66/06, AG 2013, 353, Rz 31 ff [Squeeze-out]; OLG Frankfurt 30.08.2012, 21 W 14/11, NZG 2012, 1382, Rz 19 [Squeeze-out]; OLG Stuttgart 17.10.2011, 20 W 7/11, NZG 2011, 1346, Kässbohrer Geländefahrzeug AG, Rz 178, 481 [B&GaV, Barabfindung]; OLG Frankfurt 07.06.2011, 21 W 2/11, Der Konzern 2011, 497, Rz 21 [Squeeze-out]; OLG Frankfurt 02.05.2011, 21 W 3/11, AG 2011, 828, Rz 21 [Squeeze-out]; OLG Frankfurt 29.04.2011, 21 W 13/11, Der Konzern 2011, 427, Rz 13 [B&GaV, Barabfindung]; OLG Düsseldorf 06.04.2011, I‑26 W 2/06 AktE, juris, Rz 98 [B&GaV, Barabfindung]; OLG Frankfurt 29.03.2011, 21 W 12/11, AG 2011, 629, Rz 12 [Squeeze-out]; OLG Frankfurt 20.12.2010, 5 W 51/09, BeckRS 2011, 16035, Rz 22 [Squeeze-out]; OLG Frankfurt 21.09.2010, 5 W 40/09, juris, Rz 17 [Squeeze-out]; OLG Frankfurt 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664, Orientierungssatz 2 [Squeeze-out]; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 33/09, ZIP 2010, 729, Eurohypo, Rz 12 [Verschmelzung; Börsenkurs konkret nicht relevant, weil jeweils unter dem Ertragswert und wegen Marktenge nicht aussagekräftig]; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 38/09, BeckRS 2010, 04682, Eurohypo, Rz 12 [Verschmelzung; Börsenkurs konkret nicht relevant, weil jeweils unter dem Ertragswert und wegen Marktenge nicht aussagekräftig]; OLG Stuttgart

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

die  zusätzlich zum „wahren“ Wert als Untergrenze der Abfindung zu berücksichtigen ist.732 Zwar löste DAT/Altana auch eine literarische 18.12.2009, 20 W 2/08, AG 2010, 513, Kässbohrer Geländefahrzeug AG, Rz 95 [B&GaV, Barabfindung]; OLG Düsseldorf 25.03.2009, I‑26 W 5/08 AktE, AG 2009, 873, Aachener und Münchener Lebensversicherung, Rz 27 [B&GaV, UTVH]; OLG Düsseldorf 09.09.2009, I‑26 W 13/06 AktE, AG 2010, 35, Stollwerck, Rz 44 [Squeeze-out]; OLG München 14.07.2009, 31 Wx 121/06, BeckRS 2009, 21658, Rz 8 [Squeeze-out]; OLG Düsseldorf 10.06.2009, I‑26 W 1/07 AktE, AG 2009, 907, Rz 86 f [B&GaV, Barabfindung]; OLG Düsseldorf 27.05.2009, I‑26 W 5/07 AktE, BeckRS 2009, 26638, Grohe, Rz 105 [formwechselnde Umwandlung]; OLG Frankfurt 30.03.2009, 20 W 101/04, juris, Rz 34 [Verschmelzung; konkret keine Relevanz des Börsenkurses wegen fehlender Handelbarkeit der Aktien]; OLG Stuttgart 19.03.2008, 20 W 3/06, AG 2008, 510, Rz 123 [Barabfindung bei Umwandlung]; LG Frankfurt 13.11.2007, 3‑5 O 174/04, BeckRS 2008, 19899 [Squeeze-out]; OLG Frankfurt 06.03.2007, 20 W 494/06, AG 2007, 448, Rz 15 [Verschmelzung; konkret Ertragswert höher]; BVerfG 29.11.2006, 1 BvR 704/03, WM 2007, 73, Siemens/Nixdorf (SNI AG), Rz 10 [Nichtannahmebeschluss, Eingliederung gem §§ 319 ff dAktG]; OLG Stuttgart 26.10.2006, 20 W 14/05, AG 2007, 128, Rz 29 [Squeeze-out]; OLG Karlsruhe 05.05.2004, 12 W 12/01, AG 2005, 45, SEN/KHS [B&GaV, Barabfindung]; OLG München 26.10.2006, 31 Wx 12/06, ZIP 2007, 375, N-Energie, Rz 15 [Squeeze-out]; LG Hamburg 15.07.2005, 414 O 99/01, AG 2005, 822, Rz 11 [B&GaV, Barabfindung]; OLG Düsseldorf 08.07.2003, 19 W 6/00 AktE, AG 2003, 688, Rz 94 ff [Eingliederung, UTVH]; OLG Frankfurt 09.01.2003, 20 W 434/93, 20 W 425/93, AG 2003, 581, Henninger Bräu/Erste Kulmbacher, Henninger Bräu/Gebr. März AG, Orientierungssatz 2 [B&GaV, Barabfindung]; OLG Hamburg 07.08.2002, 11 W 14/94, AG 2003, 583, Deutsche Texaco/RWEDEA AG für Mineralöl und Chemie [B&GaV, Barabfindung]; LG Bremen 18.02.2002, 13 O 458/96, AG 2003, 214, Gestra/Foxboro [B&GaV, Barabfindung]; LG Frankfurt 06.02.2002, 3/3 O 150/94, AG 2002, 358 [Eingliederung, Aktien]; BayObLG 11.09.2001, 3Z BR 101/99, DB 2002, 36, Ytong AG, Rz 33; LG Frankfurt 08.08.2001, 3/8 O 69/97, AG 2002, 357 [Verschmelzung; konkret Ertragswert höher als Börsenkurs]; OLG Hamburg 31.07.2001, 11 W 29/94, AG 2002, 406, Bavaria und St. Pauli Brauerei (Jever)/März, Rz 44 [B&GaV, Barabfindung]; OLG Frankfurt 30.07.2001, 20 W 4/96, AG 2002, 404, Nestlé, Rz 44 [B&GaV, Barabfindung]; LG Dortmund 18.11.2000, 20 AktE 8/94, AG 2001, 544, SNI‑AG [Eingliederung, Abfindung in Aktien]; OLG Stuttgart 04.02.2000, 4 W 15/98, DB 2000, 709 (Drüke), Rz 12 [B&GaV, Barabfindung]; s aber LG Düsseldorf 09.09.2005, 40 O 295/03 AktE, AG 2005, 929, Rz 16 ff [Squeeze-out]: Börsenkurs ist nicht Untergrenze der Abfindung bei Unternehmen in Abwicklung; vgl Ruthardt/Hachmeister, WM 2014, 725 (730). 732 Die Frage lautet nicht „Entsprach der Börsenkurs zum Stichtag dem anteiligen Unternehmenswert?“, sondern vielmehr: „Hätte der typisierte Aktionär seine Aktien am Stichtag zum Börsenkurs verkaufen können?“; vgl Maier-Reimer/Kolb in FS Welf Müller (2001) 93 (101); kritisch zu dieser Unterscheidung der Wertkategorien Ruthardt/Hachmeister, NZG 2014, 885 (886); nach Stilz sei bei der angemessenen Entschädigung generell nach dem Verkehrswert des Anteils zu suchen; es gebe keinen Gegensatz zwischen „Verkehrswert“ und dem „Schätzwert“. Denn sowohl der Börsenwert als auch der nach fundamentalanalytischen Methoden ermittelte Unternehmenswert seien Schätzwerte: Stilz, ZGR 2001, 875 (882 ff); vgl

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

Kontroverse darüber aus, ob der Börsenkurs zur Unternehmensbewertung geeignet ist. Gegenstand der DAT/Altana-Rechtsprechung war dies aber nicht. Die diesbezügliche Diskussion im Schrifttum erweist sich prima facie als juristisches Scheingefecht.733 Die Frage, ob der Börsenkurs den Verkehrswert der Aktie widerspiegelt, ist eine andere als jene, ob der Börsenkurs zur Unternehmensbewertung taugt.734 (2) Unmittelbare Rezeption in der Lehre Die paradigmatischen Beschlüsse des BVerfG und des BGH führten zur Öffnung der sprichwörtlichen Büchse der Pandora in Bezug auf den Börsenkurs. Sie lösten eine Unzahl an literarischen Stellungnahmen aus.735 Die Berücksichtigung des Börsenkurses als Untergrenze wurde überwiegend begrüßt, weil dies zu einem höheren Schutzniveau für Minderheitsund Kleinaktionäre führe.736 Reuter zufolge sind nach DAT/Altana sowohl der Wert der fortgesetzten Beteiligung als auch der Wert der Veräußerungsgelegenheit verfassungsrechtlich geschützt (Schutz der abstrakten Dispositionsfreiheit).737 Daher müsse bei der Unternehmensbewertung generell der höhere Wert, entweder der Ertrags- oder der Börsenwert, den Ausschlag geben.738

auch Hommel/Braun, BB-Beilage 6/2002, 10 (16); Ullrich, Abfindung und Börsenkurs 109 ff. 733 Vgl zutreffend Hüttemann, ZGR 2001, 454 (460). 734 Zutreffend OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 46; Hüttemann, ZGR 2001, 454 (460); Schulte/Köller/Luksch, WPg 2012, 380 (383); Winner in Artmann/Rüffler/U. ­Torggler, Unternehmensbewertung und Gesellschaftsrecht 57 (61 f); Adolff in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung § 16 Rz 67. 735 S im Detail gleich nachfolgend; vgl zur Anwendbarkeit auf den Squeeze-out zB Eisolt, DStR 2002, 1145 (1150 ff); aus österreichischer Perspektive zB Winner, Wert und Preis 460 f; zum BGH (Durchschnittskurs) aus betriebswirtschaftlicher Perspektive kritisch zB Ruhnke in Heintzen/Kruschwitz (Hrsg), Unternehmen bewerten. Ringvorlesung der Fachbereiche Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Berlin im Sommersemester 2002 (2003) 75 (89 ff). 736 Angesichts der Ausführungen in Luttermann, ZIP 1999, 45 (52) nur konsequent Luttermann, JZ 1999, 945 (946 f); Luttermann, AG 2000, 459 (461 f); Welf Müller in FS G. Bezzenberger (2000) 705 (711 ff); Vetter, AG 1999, 569 (572); Busse von Colbe in FS Lutter (2000) 1053 (1057 ff); Hirte/Hasselbach in GroßK AktG4 § 305 Rz 153; Schoppe, Aktieneigentum 407 ff; vgl Wilken, ZIP 1999, 1443 (1443); Veil in Spindler/Stilz, AktG3 § 305 Rz 54 ff; kritisch Koppensteiner in Kölner Komm AktG3 § 305 Rz 99 f. 737 Reuter, DB 2001, 2483 (2484). 738 Reuter, DB 2001, 2483 (2485); vgl zur Rechtslage beim Squeeze-out für Österreich Winner, JBl 2007, 434 (438 ff): Börsenkurs bei Squeeze-out Untergrenze, nicht alleine ausschlaggebender Maßstab; unklar Maier, ecolex 2011, 131 (133 f).

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

Einige literarische Stellungnahmen bezogen sich zugleich auf den Börsenkurs als Methode der Unternehmensbewertung. Die Wertermittlung durch traditionelle Bewertungsmethoden sei wegen der „prognostischen Elemente […] nicht mehr nachvollziehbar“.739 Die langen Verfahrensdauern im Spruchverfahren grenzten „an eine Rechtsverweigerung“.740 Eine Unternehmensbewertung könne nunmehr unterbleiben, wenn „es offensichtliche Indizien gibt, dass der Börsekurs den betriebswirtschaftlichen Wert übersteigt“.741 Luttermann sprach gar von einem „Primat des Börsenkurses“.742 Gegen die Relevanz des Börsenkurses regte sich auch Kritik. Nach Riegger hat eine Kurssteigerung, die durch Aktienaufkäufe des herrschenden Großaktionärs vor der Konzernierungsmaßnahme ausgelöst wurde, mit dem „wahren Wert“ des Aktieneigentums des Minderheitsaktionärs nichts zu tun.743 Der Minderheitsaktionär habe zudem den Börsenkurs bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung bewusst nicht realisiert; er sei insofern nicht schutzwürdig.744 Die zukünftige Veräußerungsmöglichkeit der Aktie zu einem Preis, der über dem anteiligen Unternehmenswert liegt, werde durch Art 14 Abs 1 GG nicht geschützt.745 Der Börsenkurs leide zudem unter Informationsasymmetrien, Spekulationen, nicht unternehmensbezogenen Einflüssen und Zufälligkeiten.746 Der vom BVerfG herangezogene Vergleich mit anderen Vorschriften, nach denen der Börsenkurs relevant ist, sei im Einzelnen nicht tragfähig.747 Die Verfahren werden nach Vetter nicht kürzer und einfacher, sondern eher noch komplexer, weil nunmehr eine zweifache Wert­ ermittlung notwendig sei.748 Außerdem hätten bei einem Großteil der konzernverbundenen Unternehmen dominierende Großaktionäre mit einem Anteil von über 95 % des Kapitals das Sagen.749 Bei der Mehrzahl der Gesellschaften sei also realistischerweise kein tauglicher Börsenkurs 739 Wilken, ZIP 1999, 1443 (1443); vgl Welf Müller in FS G. Bezzenberger (2000) 705 (711 ff). 740 Wilken, ZIP 1999, 1443 (1443). 741 C. Nowotny, RdW 1999, 761 (762). 742 Luttermann, AG 2000, 459 (462); vgl Busse von Colbe in FS Lutter (2000) 1053 (1064 ff); Stilz, ZGR 2001, 875 (886); Vorrang marktbezogener Methoden. 743 Riegger, DB 1999, 1889 (1889). 744 Riegger, DB 1999, 1889 (1889). 745 Riegger, DB 1999, 1889 (1889). 746 Riegger, DB 1999, 1889 (1890). 747 Riegger, DB 1999, 1889 (1890). 748 Vetter, AG 1999, 569 (572); ähnlich Bilda, NZG 2000, 296; vgl Hüffer in FS Hadding (2004) 461 (473); zurückhaltender Piltz, ZGR 2001, 185 (197); aA Neye, EWiR 1999, 751 (752); Bauer, NZG 2001, 1148. 749 Vetter, AG 1999, 569 (571).

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

vorhanden.750 G. Tichy äußerte sich kritisch dazu, dass der Börsenkurs als alleiniger Bewertungsmaßstab herangezogen werden könnte: „Die Fiktion des allwissenden und unfehlbaren Sachverständigen ist eine Illusion, sie aber mit der Kursbildung an der Börse auf der Grundlage eines ‚freien Marktmodells‘ zu ersetzen, nicht minder, also im besten Fall ein Paradigmenwechsel der Illusionen.“751 Großfeld kommentierte die Aussagen des BVerfG ähnlich.752 Die Hypothese des effizienten Kapitalmarkts sei kritisch zu sehen.753 Sachverständigengutachten seien trotz „unvollkommener Methoden“ nicht „in Grund und Boden zu verdammen“.754 Der Börsenkurs sei kein „deus ex machina“.755 Sowohl die Ertragswertmethode als auch der Börsenkurs hätten ihre Grenzen.756 Beide seien nach Maßgabe des Einzelfalls heranzuziehen.757 Die Untergrenzenfunktion des Börsenkurses sei diskussionsbedürftig, weil er zB durch Übernahmespekulationen beeinflusst werden könne.758 DAT/Altana ändert Bachl zufolge nichts am Primat der Ertragswertmethode.759 Die Anwendung der Börsenkursjudikatur auf die Verschmelzungswertrelation bei der Abfindung in Aktien (§ 320b Abs 1 dAktG, § 305 Abs 2 dAktG) und beim variablen Ausgleich (§ 304 Abs 2 S 2 dAktG) wurde skeptisch gesehen. Dies führe zu neuen Problemen und Schwierigkeiten.760 So könnten aus der unterschiedlichen Bewertung Streitigkeiten entstehen, je nachdem, ob bei der Ober- und Untergesellschaft auf den Börsenkurs oder den Unternehmenswert abgestellt wird.761 Zwar ist dem Grundsatz der Methodengleichheit762 Reuter zufolge ausreichend Rechnung getragen, wenn beiderseits stets der höhere Ertrags- oder Börsenwert herangezogen wird.763 Denn auf diese Art und Weise seien „möglichst gleiche Ausgangsvoraussetzungen“ im Sinne der Rechtsprechung

750 Vetter, AG 1999, 569 (571); aA Behnke, NZG 1999, 934 (934). 751 G. Tichy, RWZ 2000, 168 (168 ff). 752 Großfeld, BB 2000, 261 (264 ff). 753 Großfeld, BB 2000, 261 (264). 754 Großfeld, BB 2000, 261 (265). 755 Großfeld, BB 2000, 261 (266). 756 Großfeld, BB 2000, 261 (265). 757 Großfeld, BB 2000, 261 (265). 758 Großfeld, BB 2000, 261 (266). 759 Bachl, wbl 2000, 293 (293 ff). 760 Vetter, AG 1999, 569 (572); Behnke, NZG 1999, 934 (934); Busse von Colbe in FS Lutter (2000) 1053 (1055 ff). 761 Vetter, AG 1999, 569 (572); vgl auch Henze in FS Lutter (2000) 1101 (1110); Piltz, ZGR 2001, 185, (203 f). 762 S unten Kapitel III.D.3.c)(3)(e) [138]. 763 Reuter, DB 2001, 2483 (2487).

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

des BGH gegeben.764 Manchen erschien der Schutz der Minderheitsaktionäre der Unter­gesellschaft durch Ansatz des jeweils höheren Börsen- oder Unternehmenswerts (Meistbegünstigung) dieser Gesellschaft aber nicht ausreichend. Denn nach der Rechtsprechung des BGH könnte bei der herrschenden Gesellschaft auf den höheren Unternehmenswert abgestellt werden.765 Dadurch könne sich ebenso eine Benachteiligung der Aktionäre der abhängigen Gesellschaft ergeben.766 Immerhin kann es Luttermann zufolge beim Wert der Obergesellschaft nach den Umständen des Einzelfalls Abweichungen nach unten und nach oben geben.767 Piltz sprach sich dagegen von vorneherein gegen die Meistbegünstigung der Aktionäre der Untergesellschaft aus.768 (3) Auswirkungen auf die Judikatur des VfGH Die DAT/Altana-Rechtsprechung des BVerfG beeinflusste auch die Judikatur des österreichischen VfGH. Der VfGH nahm anlässlich seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Abfindungsregelung bei der Einziehung von Partizipationskapital769 zur Relevanz des Börsenkurses Stellung.770 Das Erkenntnis betraf § 102a Abs 4 BWG.771 Die Bestimmung sah für die zwangsweise Einziehung von Partizipationskapital bei Kredit­ instituten unterschiedliche Bemessungsgrundlagen der Abfindung vor. Bei Börsennotierung des Partizipationskapitals war die Abfindung mit dem „durchschnittlichen Börsekurs der Partizipationsscheine an den der Beschlußfassung über die Einziehung vorausgehenden zwanzig Börsetagen – aufgerundet auf 0,1 Euro […]“772 fixiert. Mangels Börsennotierung war eine „angemessene Barabfindung“773 zu gewähren. Über Verweis auf

764 Reuter, DB 2001, 2483 (2487). 765 Behnke, NZG 1999, 934 (934); W. Müller, EWiR 2000, 751 (752); ähnlich Busse von Colbe in FS Lutter (2000) 1053 (1066 f); die Ansicht des BGH insoweit ablehnend Vetter, DB 2001, 1347 (1352 f); zum Beschluss des BVerfG noch offener, allerdings auf die Problematik hinweisend Vetter, ZIP 2000, 561 (566). 766 Behnke, NZG 1999, 934 (934); dies einräumend Vetter, ZIP 2000, 561 (566); vgl Vetter, DB 2001, 1347 (1352 f). 767 Luttermann, JZ 1999, 945 (946); aA Busse von Colbe in FS Lutter (2000) 1053 (1064 f). 768 Piltz, ZGR 2001, 185 (196). 769 VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636 [Aufhebung § 102a Abs 4 S 2 BWG]; ausführlich dazu Koppensteiner, JBl 2003, 707. 770 Vgl Winner, Wert und Preis 384 f; Burger, Börsenkurse und angemessene Abfindung 110 ff. 771 Bankwesengesetz, öBGBl 1993/532. 772 § 102a Abs 4 S 2 BWG. 773 § 102a Abs 4 S 3 BWG.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

§ 2 Abs 3 öUmwG774 waren das verschmelzungsrechtliche a priori- und a posteriori-Überprüfungsregime sinngemäß anzuwenden. Die Inhaber des Partizipationskapitals begehrten im Anlassfall die Durchführung eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens gem §§ 225c ff öAktG, obwohl ihre Partizipationsscheine börsennotiert waren. Der VfGH setzte sich (ebenso wie der OGH in seinen Vorlageentscheidungen775) mit der Tauglichkeit des Börsenkurses zur Bewertung auseinander. Das Gericht nahm Bezug auf die kurz zuvor ergangene DAT/Altana-Rechtsprechung des BVerfG.776 Der VfGH stellte fest, dass „beide Methoden der Wertermittlung [Anm: Marktbewertung und Fundamentalbewertung durch Sachverständige] ihre Anwendungsbereiche, aber auch ihre Schwächen haben und daß je nach Bewertungsziel und Bewertungssituation die Heranziehung der einen oder anderen Methode gerechtfertigt, geboten oder auch ausgeschlossen sein kann.“777 Der Gesetzgeber dürfe durchaus auf den Börsenkurs abstellen, weil dieser „jedenfalls aus der Sicht des Partizipanten ein Indiz für den Verkehrswert seiner Beteiligung – und damit für eine angemessene Abfindung“ darstelle.778 Die Regelung des § 102a Abs 4 S 2 BWG kann nach Ansicht des VfGH dazu führen, dass den Inhabern eine deutlich geringere als die „auf Basis einer Unternehmensbewertung als angemessen“ anzusehende Ab­ findung gewährt werde.779 Denn die Norm berücksichtige nur den Börsenkurs der letzten 20 Tage. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Einziehung des Partizipationskapitals werde von den Organen des Kredit­ instituts getroffen. Der Gesetzgeber müsse aus Gründen der Gleichbehandlung auch den Inhabern börsennotierter Partizipationsscheine die Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung der Barabfindung einräumen.780 Der VfGH hob die (bloß) börsenkursbasierte Abfindungsregelung auf. Im Ergebnis war für sämtliche Partizipationsscheine – ob börsen­ notiert oder nicht – eine „angemessene Barabfindung“ zu gewähren. Für deren Bemessung könnte nach dem VfGH auf den Börsenkurs abgestellt werden.781 Somit kam es nach dem Erkenntnis des VfGH für die gericht-

774 Dazu unten Kapitel IV.C.3.a)(3) [210] bei FN 1422. 775 OGH 06.06.2001, 6 Ob 109/01z, ÖBA 2002, 135 (Kalss) Rz 2a); OGH 05.07.2001, 6 Ob 99/01d, ÖBA 2002, 336 (Kalss) Rz a), dazu oben in FN 359. 776 S oben Kapitel III.D.2.d) [92]. 777 VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636, Rz 2.6. 778 VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636, Rz 2.7. 779 VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636, Rz 2.7. 780 VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636, Rz 2.7. 781 VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636, Rz 2.8.

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

liche Angemessenheitsprüfung nicht mehr darauf an, ob die Partizipa­ tionsscheine börsennotiert waren oder nicht.

3. Übertragbarkeit auf die Verschmelzung? a) Einführung Die DAT/Altana-Rechtsprechung zum Börsenkurs bezog sich expressis verbis auch auf die Berechnung der Verschmelzungswertrelation gem § 320b Abs 1 dAktG, § 305 Abs 2 dAktG, § 304 Abs 2 S 2, 3 dAktG (zu den rechtlichen Grundlagen unten Kapitel IV.C.3.a)(2)(a) [206]).782 Nach den genannten Bestimmungen ist die Abfindung in Aktien angemessen, „wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der Hauptgesellschaft zu gewähren wären“.783 Daher liegt die Frage auf der Hand, ob der Börsenkurs auch Untergrenze des angemessenen Umtauschverhältnisses bei der Verschmelzung ist.784 Die Lehre ist diesbezüglich uneins.785 Die folgende Analyse betrifft zunächst das deutsche Verschmelzungsrecht. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Verschmelzungen nach dem öAktG wird gesondert in Kapitel III.D.3.c)(5) [139] geprüft.

782 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 70 f. 783 § 320b Abs 1 S 2, § 305 Abs 3 dAktG; nur in der Formulierung abweichend § 304 Abs 2 S 3 dAktG. 784 Ausführlich Adolff, Unternehmensbewertung 451 ff. Die Frage, ob es sich um einen Parallel- oder Wiederholungsfall gem § 31 Abs 1 BVerfGG handle, verneinend Baums, Verschmelzung 33 f; Baums in GedS Schindhelm (2009) 63 (102). 785 Für die Anwendung der DAT/Altana-Rechtsprechung auf die Verschmelzung zB Erb, DB 2001, 523 (523 f); Piltz, ZGR 2001, 185 (205 ff); Vetter, ZIP 2000, 561 (566 f); Behnke, NZG 1999, 934 (934); Vetter, AG 1999, 569 (572); vgl Lutter/Bezzenberger, AG 2000, 433 (438); aA Bungert, BB 2001, 1163 (1166); Hüttemann, ZGR 2001, 454 (465); Bungert/Eckert, BB 2000, 1845 (1845); Wilm, NZG 2000, 234 (235 ff); Riegger, DB 1999, 1889 (1890); Adolff, Unternehmensbewertung 450; offen nunmehr Bungert/Wettich, ZIP 2012, 449 (453 f); Schwark in FS Lutter (2000) 1529 (1543 ff); für einen instruktiven Überblick der Pro- und Contra-Argumente Wilsing/Kruse, DStR 2001, 991 (992 ff); ausführlich zu den Argumenten und zur rezenten Literatur unten Kapitel III.D.3.c) [115] und Adolff, Unternehmensbewertung 457 ff; s auch die Nachweise unten in FN 916.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

b) Stand der Rechtsprechung (1) BVerfG (a) DAB/Hansa Das BVerfG wiederholte in DAB/Hansa786 erstmals im Zusammenhang mit einer Konzernverschmelzung die aus Feldmühle787 und DAT/Altana788 bekannten Grundsätze zum Schutz des Anteilseigentums789 und zur „wirtschaftlich vollen“ Entschädigung790 zum „‚wirklichen‘ oder ‚wahren‘ Wert“.791 Die Verschmelzung dürfe nicht zu einer „Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Stellung der Aktionäre“792 führen.793 Dazu müsse der Gesamtwert der Leistungen an die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft (gewährte Aktien und allfällige baren Zuzahlungen) dem Gegenwert der Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft entsprechen.794 (b) Wüstenrot und Württembergische AG Wüstenrot und Württembergische AG795 betraf anders als DAB/Hansa796 einen merger of equals (Konzentrationsverschmelzung; zum Begriff und zur Abgrenzung unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]). Das BVerfG wiederholte in einem obiter dictum seinen DAT/Altana-Rechtssatz, wonach die Minderheitsaktionäre jedenfalls nicht weniger erhalten dürften, „als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der unter-

786 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa [Nichtannahmebeschluss]. 787 Oben Kapitel III.C.2.a)(1) [40]. 788 Oben bei FN 342, 343, 349. 789 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 9; ausführlich oben bei FN 342, dort auch zu übrigen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 790 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 9; ausführlich oben bei FN 343, dort auch zu übrigen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 791 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 9; ausführlich oben bei FN 679, dort auch zu übrigen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 792 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 12 f. 793 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 13. 794 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa, Rz 13. 795 BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG [Nichtannahmebeschluss, § 15 dUmwG]. 796 S soeben Kapitel III.D.3.b)(1)(a) [106].

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

nehmensrechtlichen Maßnahme erhalten hätten“.797 Ein „existierender Börsenkurs“ dürfe „nicht unberücksichtigt bleiben“.798 Insoweit ging Wüstenrot und Württembergische AG zwar über DAB/Hansa799 hinaus. Das BVerfG konnte die Übertragbarkeit der DAT/Altana-Grundsätze800 auf die Verschmelzung aber offen lassen. Denn unter Heranziehung der Börsenkursrelation hätte sich für die Antragsteller kein besseres ­Umtauschverhältnis ergeben.801 Bestätigt wurde lediglich, dass die aus DAT/Altana bekannte Methode der Börsenkursermittlung802 für die Verschmelzung verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Dazu verwies das BVerfG auf seine SNI-Rechtsprechung803 (dazu unten bei FN 2155).804 (c) Kuka Die Entscheidung Kuka805 aus 2010 betraf eine upstream-Verschmelzung. Zur Relevanz des Börsenkurses bei Verschmelzungen findet sich darin keine dezidierte Aussage, weil der Börsenkurs der übertragenden Gesellschaft nicht über deren Unternehmenswert lag.806 Immerhin lässt Kuka Rückschlüsse auf die Bewertung des herrschenden Unternehmens bei der Verschmelzung zu. Das BVerfG löst die Frage in Anlehnung an DAT/Altana.807 Danach darf für das herrschende Unternehmen zB bei einer schlechten Verfassung der Kapitalmärkte ein höherer Wert als der Börsenwert angesetzt werden.808

797 BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 16; BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 56, 62 f, oben bei und in FN 680, 683, 685. 798 BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 16; BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 56, 62 f, oben bei und in FN 680, 683, 685. 799 S soeben Kapitel III.D.3.b)(1)(a) [106]. 800 Oben bei FN 688. 801 BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 22. 802 Oben Kapitel III.D.2.d)(2) [95] und Kapitel III.D.2.e)(2) [96]. 803 BVerfG 29.11.2006, 1 BvR 704/03, WM 2007, 73, Siemens/Nixdorf (SNI AG) [Nichtannahmebeschluss, Eingliederung gem §§ 319 ff dAktG]. 804 BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 22. 805 BVerfG 20.12.2010, 1 BvR 2323/07, DB 2011, 289, Kuka, Rz 11 [Nichtannahmebeschluss]. 806 Bungert, BB 2011, 461 (462). 807 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 70; s oben FN 695. 808 BVerfG 20.12.2010, 1 BvR 2323/07, DB 2011, 289, Kuka, Rz 13.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

(d) Deutsche Telekom AG/T-Online International AG In Deutsche Telekom AG/T-Online International AG809 (Konzernverschmelzung) befasste sich das BVerfG erstmals konkret (nicht nur obiter) mit der Rolle von Börsenkursen bei der (Konzern-)­Verschmelzung. Die Unterinstanzen810 hatten das Umtauschverhältnis anhand der Börsenwerte811 festgesetzt. Den Aktionären der übertragenden AG wurden Ausgleichszuzahlungen zugesprochen. Bei beiden Gesellschaften war der herangezogene Börsenwert niedriger als der Ertragswert. Die Aktionäre der übertragenden AG verlangten eine Meistbegünstigung insoweit, als bei der übertragenden Gesellschaft auf den höheren Ertragswert abzustellen sei. Das BVerfG nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an.812 Das BVerfG hielt fest, dass sich die Leitsätze, die es in Feldmühle813 und DAT/Altana814 zum verfassungsrechtlichen Schutz des Anteilseigentums entwickelt hatte („Schutz des Anteilseigentums“815, „wirtschaftlich volle Entschädigung“816 zum „wahren Wert“817 sowie „jedenfalls nicht weniger als bei freier Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der Maßnahme“818, „Berücksichtigung des Börsenkurses“819), auf die Verschmelzung durch Aufnahme übertragen lassen.820 Die Aussagen sind 809 BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG [Nichtannahmebeschluss]; dazu ausführlich Puszkajler, ZIP 2010, 2275 (2275 ff). 810 LG Frankfurt 13.03.2009, 3‑5 O 57/06, AG 2009, 749; OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG. 811 Umsatzgewichteter Durchschnittskurs innerhalb der letzten drei Monate vor Bekanntgabe der Verschmelzung; vgl BGH 19.07.2010, II ZB 18/09, BGHZ 186, 229, Stollwerck, Rz 10. 812 BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 14. 813 Oben Kapitel III.C.2.a)(1) [40]. 814 Oben FN 349. 815 Oben bei FN 342, dort auch zu weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BVerfG. 816 Oben bei FN 343, dort auch zu weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BVerfG. 817 Oben bei FN 679, dort auch zu weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BVerfG. 818 Oben bei FN 680, dort auch zu weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BVerfG. 819 Oben bei FN 683. 820 BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 22; mit Ausnahme der Grundsätze zum Börsenkurs (wegen mangelnder konkreter Relevanz) bestätigt durch BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 21 ff; die Abgrenzung durch das BVerfG ist einerseits zu eng, andererseits zu weit. Denn maß-

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

deutlicher als in DAB/Hansa,821 in Wüstenrot und Württembergische AG822 und in Kuka823. Verfassungsrechtlich sei keine bestimmte Bewertungsmethode geboten (siehe bereits DAT/Altana;824 für die Verschmelzung: Wüstenrot und Württembergische AG825).826 Weder seien „stets sämtliche denkbaren Methoden heranzuziehen“, noch sei „bei der Bestimmung des Umtausch­ verhältnisses im Zuge einer Verschmelzung durch Aufnahme die den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers günstigste zugrunde zu legen“.827 Die Schätzung der Unternehmenswerte anhand der Börsenwerte sei „bei Einhaltung bestimmter Mindeststandards“ verfassungsrechtlich zulässig.828 (e) DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG betraf eine Konzentrationsverschmelzung (zum Begriff und zur Abgrenzung unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]). Das BVerfG musste trotz der Börsennotierung beider Gesellschaften zur Relevanz des Börsenkurses nicht näher Stellung nehmen. Denn der Börsenkurs war in der Verfassungsbeschwerde nicht Thema. Dessen Berücksichtigung hätte für die Beschwerdeführer nicht zu einem günsti-

geblich ist der Minderheitenschutz im Konzern; die Maßgaben gelten daher für Verschmelzungen zur Aufnahme und zur Neugründung gleichermaßen, allerdings nur im Konzern; s ausführlich unten Kapitel III.D.3.c)(2) [126] und Kapitel III.D.3.c) (3) [133]. 821 Oben Kapitel III.D.3.b)(1)(a) [106]. 822 Oben Kapitel III.D.3.b)(1)(b) [106]. 823 Oben Kapitel III.D.3.b)(1)(c) [107]. 824 BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 61; oben Kapitel III.D.2.d)(1) [92] bei FN 681. 825 BVerfG 30.05.2007, 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06, AG 2007, 697, Wüstenrot und Württembergische AG. 826 BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 23; vgl bereits BVerfG 27.04.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, DAT/Altana, Rz 61; oben Kapitel III.D.2.d)(1) [92] bei FN 681. 827 BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 24; ebenso BVerfG 16.05.2012, 1 BvR 96/09 ea, ZIP 2012, 1408, Deutsche Hypothekenbank, Rz 18 [§§ 39a f WpÜG] mit dem Zusatz, verfassungsrechtlich seien „nur die Auswahl einer im gegebenen Fall geeigneten, aussagekräftigen Methode und die gerichtliche Überprüfbarkeit ihrer Anwendung“ geboten. 828 BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 23; vgl auch BVerfG 20.12.2010, 1 BvR 2323/07, DB 2011, 289, Kuka, Rz 13 [Nichtannahmebeschluss].

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

geren Umtauschverhältnis geführt.829 Das BVerfG hielt klarstellend fest, dass allein maßgeblich sei, ob das Verhandlungsergebnis einen „vollen wirtschaftlichen Wertausgleich“ schaffe.830 (f) Roma locuta, causa finita? Aus der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zur Verschmelzung lässt sich nicht zweifelsfrei ableiten, inwieweit der Deinvestitionswertschutz auf die Verschmelzung zu übertragen ist.831 Mit DAT/Altana unmittelbar vergleichbar sind Konzernverschmelzungen, bei denen der Deinvesti­ tionswert der Aktien der übertragenden Gesellschaft deren anteiligen Unternehmenswert übersteigt.832 Eine solche Konstellation hatte das BVerfG bislang nicht zu entscheiden. Seit DAB/Hansa833 ist allerdings klar, dass die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG auch bei der Verschmelzung den „Schutz des Anteilseigentums“834 durch eine „wirtschaftlich volle Entschädigung“835 zum „wahren Wert“836 erfordert. Deutsche Telekom AG/T-Online International AG bestätigte zwar, dass die Minderheitsaktionäre bei der Verschmelzung zur Aufnahme „jedenfalls nicht weniger […] als […] bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der Maßnahme“837 erhalten dürfen und der Börsen-

829 BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 29. 830 BVerfG 24.05.2012, 1 BvR 3221/10, AG 2012, 674, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 27. 831 AA offenbar Hüffer/Koch, AktG12 § 305 Rz 49, der aus BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG eine zwingende Berücksichtigung des Börsenkurses bei der Verschmelzung zur Aufnahme ableitet; offen bleiben die damit verbundenen Probleme, wie etwa die Unmöglichkeit symmetrischen Schutzes beider Aktionärskreise (unten Kapitel III.D.3.c)(1)(e) [122]) und die Differenzierung zwischen den Funktionen des Börsenkurses (unten Kapitel V.C.3.a) [312] und Kapitel VI.E.1 [413]). 832 Dazu ausführlich unten Kapitel III.D.3.c)(2) [126], Kapitel V.D.1.a)(1) [344], Kapitel V.D.1.a)(2) [346]. 833 BVerfG 25.07.2003, 1 BvR 234/01, WM 2003, 1813, DAB/Hansa [Nichtannahmebeschluss]. 834 Oben bei FN 342, dort auch zu weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BVerfG. 835 Oben bei FN 343, dort auch zu weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BVerfG. 836 Oben bei FN 679, dort auch zu weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BVerfG. 837 Oben bei FN 680, dort auch zu weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BVerfG.

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

kurs dabei zu berücksichtigen ist.838 Entgegen dem ersten Anschein bleiben aber zahlreiche Fragen offen.839 Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Börsenkurs in Deutsche Telekom AG/T-Online International AG – anders als in DAT/Altana – ausdrücklich nicht als gesonderter Maßstab für den Deinvestitionswert, sondern als Methode der Unternehmensbewertung verwendet und vom BVerfG auch als solche beurteilt wurde.840 Aus dem Beschluss lässt sich zunächst also nur ableiten, dass das BVerfG den Börsenkurs unter bestimmten Voraussetzungen als verfassungsrechtlich zulässige Bewertungsmethode ansieht. Die Frage nach Unter- oder Obergrenze stellt sich insoweit nicht. Denn der Börsenkurs diente hier nur als Schätzgrundlage des Unternehmenswerts. Die Aussage des BVerfG zum Deinvestitionswertschutz in Deutsche Telekom AG/T-Online International AG erweist sich als obiter dictum. Zwar ist die Tendenz des BVerfG zum Deinvestitionswertschutz bei der Verschmelzung evident. Eine höchstgerichtliche Festlegung steht aber nach wie vor aus.841 (2) Fachgerichte Die fachgerichtliche Rechtsprechung ist uneinheitlich. Sie lässt aber neuerdings eine Tendenz zum Deinvestitionswertschutz bei der Konzernverschmelzung erkennen. Bei Konzentrationsverschmelzungen (zum Begriff und zur Abgrenzung unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]; merger of equals) lehnt die Rechtsprechung den Deinvestitionswertschutz durchwegs ab. Nach der Entscheidung des BayObLG zu Hypobank/Vereinsbank aus 2002842 müsse beim merger of equals843 nicht auf das Verhältnis der Börsenwerte abgestellt 838 Oben bei FN 683. 839 Zutreffend Bungert, BB 2011, 1521 (1522) zu BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG; aA offenbar Klöhn/Verse, AG 2013, 2 (9), die darin eine Entscheidung des BVerfG zum Deinvestitionswertschutz bei der Konzernverschmelzung erkennen wollen. 840 BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 23 f. 841 Vgl OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 401; Bungert, BB 2011, 1521 (1522) zu BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG; aA für Konzernverschmelzung Klöhn/Verse, AG 2013, 2 (9): Vorgabe durch Deutsche Telekom AG/T-Online International AG. 842 BayObLG 18.12.2002, 3Z BR 116/00, AG 2003, 569, Hypobank/Vereinsbank. 843 Dh dann, wenn keine der beteiligten Gesellschaften einen beherrschenden Einfluss auf die andere Gesellschaft ausüben kann (vgl BayObLG 18.12.2002, 3Z BR 116/00, AG 2003, 569, Hypobank/Vereinsbank, Orientierungssatz 1).

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

werden, weil ein mit der DAT/Altana-Konstellation vergleichbarer Interessengegensatz zwischen Groß- und Minderheitsaktionären nicht vorliege.844 In diesem Fall seien die Interessen der Minderheitsaktionäre der übernehmenden Gesellschaft ebenso schutzwürdig wie jene der Minderheitsaktionäre der übertragenden Gesellschaft.845 Das OLG Stuttgart bestätigte diese Wertung obiter in Wüstenrot und Württembergische AG846 und ergänzte noch, dass die Verschmelzung nicht auf eine erzwungene Deinvestition abziele.847 Bei Konzernverschmelzungen ist die Judikatur differenzierter. Das OLG München räumte in einem obiter dictum zu ProSieben AG/Sat 1 GmbH ein, dass Konzernverschmelzungen im Hinblick auf den Dein­ vestitionswertschutz anders gelagert seien könnten als der merger of equals.848 Für erstgenannte Konstellationen werde in der Literatur vertreten, dass der Börsenkurs die Untergrenze der Bewertung der übertragenden Gesellschaft bilde, was jedenfalls nur unter Beachtung des Grundsatzes der Methodengleichheit zutreffend sein könne.849 Das OLG Frankfurt zog den Börsenkurs jüngst bei einer Verschmelzung aus Gründen des Minderheitenschutzes als Wertuntergrenze für die übertragende Gesellschaft heran.850 Dagegen sprach sich das OLG Stuttgart in Kuka (obiter; Konzernverschmelzung) gegen die Berücksichtigung der Börsenwertrelation als Untergrenze aus.851 Dies gebiete der gleiche Schutz des Anteilseigentums beider Aktionärskreise; das Umtauschverhältnis sei für sämtliche Aktionäre aller beteiligten Gesellschaften eigentumsrelevant und müsse daher in beide Richtungen angemessen sein.852 844 BayObLG 18.12.2002, 3Z BR 116/00, AG 2003, 569, Hypobank/Vereinsbank, Rz 31 ff; zustimmend Wilhelm/Dreier, EWiR 2003, 583; Bungert, BB 2003, 699; ablehnend Weiler/Meyer, NZG 2003, 669 (669 ff); differenzierend Paschos, ZIP 2003, 1017; vgl die Vorinstanz LG München I 27.03.2000, 5 HKO 19156/98, AG 2001, Hypobank/Vereinsbank. 845 BayObLG 18.12.2002, 3Z BR 116/00, AG 2003, 569, Hypobank/Vereinsbank, Rz 39 ff. 846 OLG Stuttgart 20 W 5/05, AG 2006, 420, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 141. 847 OLG Stuttgart 20 W 5/05, AG 2006, 420, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 141. 848 OLG München 14.05.2007, 31 Wx 87/06, AG 2007, 701, ProSieben AG/Sat 1 GmbH, Rz 34. 849 OLG München 14.05.2007, 31 Wx 87/06, AG 2007, 701, ProSieben AG/Sat 1 GmbH, Rz 34. 850 OLG Frankfurt 15.01.2016, 21 W 22/13, NZG 2016, 865, Rz 79. 851 OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 81, 88. 852 OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 88 ff; s ausführlich für die Konzentrationsverschmelzung OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 403 ff.

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

Freilich betrifft nicht jede Entscheidung zur Relevanz des Börsenkurses den Deinvestitionswertschutz. So lehnte das OLG Frankfurt in RWE AG/Lahmeyer AG zwar Ausgleichzuzahlungen auf Basis der für die Aktionäre der übertragenden (Konzern-)Gesellschaft vorteilhafteren Börsenkursrelation ab.853 Die Entscheidung ist aber für die Frage des Deinvestitionswertschutzes nicht einschlägig. Denn in RWE/Lahmeyer AG diente der Börsenkurs zur Schätzung der Unternehmenswerte.854 Konsequenterweise verneinte das OLG Frankfurt die Berücksichtigung der Börsenkursrelation mit der Begründung, dass es kein methodenbezogenes Meistbegünstigungsprinzip gebe.855 Ähnliches gilt auch für die Entscheidung Deutsche Telekom AG/T-Online International AG des LG/OLG Frankfurt,856 die ebenfalls eine Konzernverschmelzung betraf. Das LG/OLG Frankfurt verbesserte das Umtauschverhältnis mit Billigung des BVerfG auf Grundlage einer gegenüber der Unternehmenswertrelation vorteilhafteren Börsenkursrelation.857 Auch in dieser Rechtssache diente der Börsenwert als Schätzgröße des Unternehmens-, nicht des Deinvesti­ tionswerts.858 Das OLG Frankfurt ließ die Frage nach der Übertragbarkeit des Deinvestitionswertschutzes auf die Verschmelzung denn auch ausdrücklich offen.859 Aufschlussreich ist hingegen die Entscheidung des OLG Stuttgart zu DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG.860 Das Gericht lehnte den De­ investitionswertschutz für eine Konzentrationsverschmelzung (zum ­Begriff und zur Abgrenzung unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]) – erneut obi-

853 OLG Frankfurt 20.12.2013, 21 W 40/11, BeckRS 2014, 11112, RWE AG/Lahmeyer AG, Rz 50. 854 OLG Frankfurt 20.12.2013, 21 W 40/11, BeckRS 2014, 11112, RWE AG/Lahmeyer AG, Rz 50. 855 OLG Frankfurt 20.12.2013, 21 W 40/11, BeckRS 2014, 11112, RWE AG/Lahmeyer AG, Rz 50. 856 OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/­ T- Online International AG; LG Frankfurt 13.03.2009, 3‑5 O 57/06, AG 2009, 749, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG. 857 OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/ T- Online International AG; LG Frankfurt 13.03.2009, 3‑5 O 57/06, AG 2009, 749, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG. 858 Ausdrücklich OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 52; vgl auch OLG Frankfurt 15.01.2016, 21 W 22/13, NZG 2016, 865, Rz 55. 859 OLG Frankfurt 03.09.2010, 5 W 57/09, AG 2010, 751, Deutsche Telekom AG/ T- Online International AG, Rz 42. 860 OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 402 ff.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

ter – ausdrücklich ab.861 Dabei wies es auf den gesellschaftsinternen Interessengleichlauf und den gleichrangigen Schutz des Aktieneigentums beider Aktionärskreise hin.862 Eine andere Beurteilung könne – wohl entgegen des obiter dictums in Kuka – bei besonderer Schutz­bedürftigkeit der Minderheit, zB wegen eines gesellschaftsinternen Interessengegensatzes, geboten sein.863 Gemeint dürften Fälle sein, in denen zB ein ­Kernaktionär Drittinteressen verfolgt, sodass sich die die Interessen der Aktionärskreise selbst bei der Konzentrationsverschmelzung nicht diametral gegenüber stehen. Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob es beim Schutz der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft auf den günstigeren absoluten Börsenkurs oder die bessere Börsenkursrelation ankommen sollte.864 Die teils instruktiven Erörterungen der Fachgerichte ergingen allerdings durchwegs als obiter dicta. Die Nagelprobe scheiterte an unterschiedlichen Besonderheiten des jeweiligen Falls: entweder an einem bei der übertragenden Gesellschaft höheren Unternehmenswert,865 an einer gegenüber der Unternehmenswert- nachteiligeren Börsenwertrelation,866 an einem nicht existenten oder nicht aussagekräftigen Börsenkurs867 oder am Grundsatz der Methodengleichheit.868 Eine Ausnahme bildet ein rezentes Judikat des OLG München zur up­ stream-Verschmelzung im Konzern. Das OLG München nahm auf die Aussage des BVerfG in Deutsche Telekom AG/T-Online International 861 OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 402 ff. 862 OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 402 ff. 863 OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 408. 864 OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 414 ff. 865 OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 38/09, BeckRS 2010, 04682, Eurohypo, Rz 12; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 33/09, ZIP 2010, 729, Eurohypo, Rz 12; OLG Stuttgart 22.09.2009, 20 W 20/06, AG 2010, 42, Rz 140 f; OLG Frankfurt 06.03.2007, 20 W 494/06, AG 2007, 448, Rz 15 f (obiter). 866 LG Stuttgart 30.09.2011, 31 O 190/08 KfH, juris, Rz 78; LG Frankfurt 08.08.2001, 3/8 O 69/97, NZG 2002, 395. 867 OLG Frankfurt 04.03.2011, 21 W 1/11, juris, Rz 32; OLG Stuttgart 14.10.2010, 20 W 16/06, AG 2011, 49, DaimlerBenz AG/DaimlerChrysler AG, Rz 420; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 38/09, BeckRS 2010, 04682, Eurohypo, Rz 12; OLG Frankfurt 09.02.2010, 5 W 33/09, ZIP 2010, 729, Eurohypo, Rz 12; OLG Stuttgart 06.07.2007, 20 W 5/06, AG 2007, 705, Kuka, Rz 54; OLG München 14.05.2007, 31 Wx 87/06, AG 2007, 701, ProSieben AG/Sat 1 GmbH, Rz 34. 868 OLG Frankfurt 04.03.2011, 21 W 1/11, juris, Rz 32; OLG Stuttgart 08.03.2006, 20 W 5/05, AG 2006, 420, Wüstenrot und Württembergische AG, Rz 142.

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D.  Deinvestitionswert (= Börsenkurs) als Wertuntergrenze?

AG Bezug, wonach der Deinvestitionswertschutz im Sinne von DAT/ Altana auf Verschmelzungen zur Aufnahme übertragbar sei.869 Darauf gestützt setzte das Gericht bei der übertragenden Gesellschaft statt des Ertrags- den höheren Börsenwert an.870 Hingegen sei die Übertragung dieser Grundsätze auf die Konzentrationsverschmelzung (zum Begriff ausführlich unten Kapitel V.D.2.b)(1) [360]) eher abzulehnen, weil es bei dieser an einem gesellschaftsinternen Interessenkonflikt fehle; die Frage könne aber offen bleiben.871 Der Börsenkurs war nach Ansicht des Gerichts auch bei der übernehmenden Gesellschaft heranzuziehen, um dem Grundsatz der Methodengleichheit Genüge zu tun.872 Zur Untermauerung führte das OLG aus, dass der Börsenkurs der übernehmenden Gesellschaft konkret eine bessere Schätzgrundlage des Unternehmenswerts als die Bewertung nach der Ertragswertmethode biete.873 Der Börsenkurs lag bei der übertragenden Gesellschaft über, bei der übernehmenden Gesellschaft unter dem quotalen Unternehmenswert.874 Der Senat korrigierte daher das Umtauschverhältnis zugunsten der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft anhand der für die Antragsteller günstigeren Börsenkursrelation.875 c) Analyse (1) Deinvestitionswertschutz und Umtauschverhältnis (a) Einführung Die Frage nach dem Deinvestitionswertschutz stellt sich nur, wenn es einen vom Unternehmenswert abweichenden Deinvestitionswert gibt. Dann aber liegen zwei verschiedene Maßstäbe für den Aktienwert jeder Gesellschaft vor.876 Beide Maßstäbe können in unterschiedlicher Ordnung zueinander stehen und bei der Festlegung des Umtauschverhältnis869 OLG München 26.07.2012, 31 Wx 250/11, AG 2012, 749, Rz 26 f; BVerfG 26.04.2011, 1 BvR 2658/10, AG 2011, 511, Deutsche Telekom AG/T-Online International AG, Rz 22; dazu oben Kapitel III.D.3.b)(1)(d) [108] bei und in FN 820. 870 OLG München 26.07.2012, 31 Wx 250/11, AG 2012, 749, Rz 26 f. 871 OLG München 26.07.2012, 31 Wx 250/11, AG 2012, 749, Rz 27. 872 OLG München 26.07.2012, 31 Wx 250/11, AG 2012, 749, Rz 37. 873 OLG München 26.07.2012, 31 Wx 250/11, AG 2012, 749, Rz 37 ff. 874 OLG München 26.07.2012, 31 Wx 250/11, AG 2012, 749, Rz 4, 31, 36. 875 OLG München 26.07.2012, 31 Wx 250/11, AG 2012, 749, Rz 43. 876 Nur in Bezug auf Tauglichkeit des Börsenkurses als Maßgröße des Unternehmenswerts zutreffend Spindler/Klöhn, Der Konzern 2003, 511 (521): danach müsse – wenn der Börsenkurs aussagekräftig ist – generell sowohl bei der Unter- als auch bei der Obergesellschaft auf den Börsenkurs als Ober- und Untergrenze abgestellt werden; einen anderen Unternehmenswert gebe es nicht.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

ses verschieden kombiniert werden. Konsistente rechtliche Wertungsentscheidungen erfordern zu allererst einen Überblick darüber, wie sich die Wertungen in den denkbaren Konstellationen auswirken. Die Konstellationen und deren Vorteilhaftigkeit für jeden Aktionärskreis sollen daher zunächst dargestellt werden, ohne der Lösung der Rechtsfrage vorzugreifen. Die nachfolgende Analyse orientiert sich terminologisch an der Verschmelzung. Sie gilt aber gleichermaßen für die Bemessung der Verschmelzungswertrelation gem § 305 Abs 3, § 320b Abs 1 S 4 dAktG. Die DAT/Altana-Problematik ist somit ebenfalls umfasst. (b) Wertkonstellationen Ausgangspunkt ist die Verschmelzung der Gesellschaften 1 und 2. Vorausgesetzt wird, dass bei jeder Gesellschaft ein vom Unternehmenswert (U) abweichender Deinvestitions-, das heißt Börsenwert (B) existiert. Der Börsenwert kann jeweils höher (>) oder niedriger ( U1 und B2 > U2). 2. Der Börsenwert liegt bei beiden Gesellschaften unter dem Unternehmenswert (B1  U2), ergibt die Variante U1 : B2 für einen Aktionär der Gesellschaft 1 das nachteiligste Umtauschverhältnis (oberer Pfeil, erste vertikale Linie links). Hingegen führt die Variante B1 : U2 für einen Aktionär der Gesellschaft 1 zum vorteilhaftesten Umtauschverhältnis (oberer Pfeil, vertikale Linie ganz rechts). Die Varianten U1 : U2 und B1 : B2 führen für einen Aktionär der Gesellschaft 1 zu „mittleren“ Umtauschverhältnissen, die weder besonders vorteilhaft noch besonders nachteilig sind (oberer Pfeil, zwei und dritte vertikale Linie). Ob aus U1 : U2 oder aus B1 : B2 ein besseres Umtauschverhältnis folgt, kann nicht allgemein bestimmt werden, sondern ergibt sich aus den Verhältnis der Unternehmens- zu den Börsenwerten im Einzelfall. In jedem Fall ist die Reihung der Varianten für einen Aktionär der Gesellschaft 2 genau spiegelverkehrt zur Reihung der Varianten für einen Aktionär der Gesellschaft 1: %!8XQG%!8        9RUWHLO   $NWLRQlU       8%

  

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Abbildung 1: Vorteilhaftigkeit der Wertrelationen (B1 > U1 und B2 > U2) 877 Ein Aktionärskreis wäre zwischen beiden Varianten nur dann indifferent, wenn die Relation der beiden höheren Wertmaßstäbe jener der beiden niedrigeren Wertmaßstäbe entspricht.

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III.  Das angemessene Umtauschverhältnis

Umgekehrt stellt sich die Lage dar, wenn der Börsenwert (B) in beiden Gesellschaften unter dem Unternehmenswert (U) liegt (B1