Umstrukturierung von mitbestimmten Unternehmen nach deutschem Umwandlungsrecht und durch grenzüberschreitende Sitzverlegung [1 ed.] 9783428524501, 9783428124503

Als Ausfluss der im EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten stehen die Wirtschaftsrechtsordnungen der EG-Mitgliedstaaten

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Umstrukturierung von mitbestimmten Unternehmen nach deutschem Umwandlungsrecht und durch grenzüberschreitende Sitzverlegung [1 ed.]
 9783428524501, 9783428124503

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Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 43

Umstrukturierung von mitbestimmten Unternehmen nach deutschem Umwandlungsrecht und durch grenzüberschreitende Sitzverlegung Von

Klaus von der Linden

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS VON DER LINDEN

Umstrukturierung von mitbestimmten Unternehmen nach deutschem Umwandlungsrecht und durch grenzüberschreitende Sitzverlegung

Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Thomas Ackermann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Band 43

Umstrukturierung von mitbestimmten Unternehmen nach deutschem Umwandlungsrecht und durch grenzüberschreitende Sitzverlegung

Von

Klaus von der Linden

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-12450-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort „Das Niederlassungsrecht ist wesentlich für die Verwirklichung der vom EG-Vertrag vorgesehenen Ziele, der unterschiedslos allen Bürgern der Gemeinschaft die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung anhand der vom nationalen Recht gebotenen Instrumente sichern und ihnen die Chance der Marktteilnahme bieten will, gleichgültig, welche Absichten der Begünstigte damit konkret verfolgt. Es geht anders gewendet um den Schutz der Gelegenheit einer wirtschaftlichen Initiative und zugleich der geschäftlichen Freiheit, sich der in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten angebotenen Mittel zu bedienen ... Solange eine Harmonisierung fehlt, muss letztlich der Wettbewerb zwischen den normativen Systemen unbehindert zum Zug kommen, selbst im Recht der Handelsgesellschaften.“ (A. La Pergola, 1998)

Das vorstehende Zitat ist den Schlussanträgen des Generalanwalts beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften La Pergola vom 16. Juli 1998 (Rs. C-212/97, EuGHE I 1999, S. 1461) in der berühmten Rechtssache Centros entnommen. Der Generalanwalt sprach damit die heute weit verbreitete Erkenntnis aus, dass als Ausfluss der Grundfreiheiten die Wirtschaftsrechtsordnungen der EG-Mitgliedstaaten in einem zunehmend heftigen Wettbewerb um die Gunst der Wirtschaftenden miteinander stehen. Einen wirtschaftsrechtlichen Parameter von erheblicher praktischer Bedeutung stellt auch das Recht der Arbeitnehmermitbestimmung in den Organen der großen Kapitalgesellschaften dar. Das vorliegende Werk zur Umstrukturierung von mitbestimmungspflichtigen Unternehmen zeigt die Gestaltungsmöglichkeiten auf, mittels derer ein Unternehmensträger nach dem geltenden deutschen und europäischen Gesellschaftsrecht Einfluss auf seinen mitbestimmungsrechtlichen Status nehmen kann, um im internationalen Vergleich mit konkurrierenden ausländischen Unternehmensverfassungen bestehen zu können. Besondere Beachtung erfahren in diesem Rahmen die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu der aus der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person abgeleiteten Anerkennungspflicht der Mitgliedstaaten gegenüber den nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats ins Leben gerufenen Gesellschaften sowie das Recht der seit Oktober 2004 neu zur Verfügung stehenden Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE). Das Werk wurde im Sommersemester 2005 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen.

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Vorwort

Seine Bearbeitung nahm rund zwei Jahre in Anspruch. Die rechtlichen Grundlagen, auf denen die tragenden Überlegungen aufbauen, waren dabei ständigen Veränderungen ausgesetzt, angefangen bei den durch den Bundesgesetzgeber veranlassten Modifikationen des deutschen Mitbestimmungsrechts durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat über die rasche Folge von neuen Entscheidungen nationaler und europäischer Gerichte in den einschlägigen Bereichen des Gesellschafts- und Europarechts bis hin zu der schieren Flut von Literatur, die sich in Kommentaren, Monographien und Aufsatzveröffentlichungen insbesondere mit dem Thema der grenzüberschreitenden Sitzverlegung von europäischen Kapitalgesellschaften auseinandersetzte. All diese Entwicklungen machten wiederholt eine Überarbeitung längst abgeschlossen geglaubter Teile erforderlich. Das Manuskript wurde im Juli 2005 abgeschlossen. Später erschienene Literatur und Rechtsprechung konnte nicht mehr umfassend berücksichtigt werden. Soweit möglich, wurden die Zitate aus der verwendeten Kommentarliteratur, insbesondere zum Gesellschafts-, Umwandlungs- und Arbeitsrecht, vor der Veröffentlichung noch auf den Stand der mittlerweile erschienenen Neuauflagen gebracht. Außerdem konnten das jüngst ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2005 in der Rechtssache Sevic Systems (Rs. C-411/03, NJW 2006, S. 425 = ZIP 2005, S. 2311) sowie die diesem zugrunde liegenden Schlussanträge des Generalanwalts Tizziano vom 7. Juli 2005 (ZIP 2005, S. 1227) noch kurzfristig in die Bearbeitung Eingang finden. Mit seiner Entscheidung erklärte der EuGH auf eine Vorlage des LG Koblenz vom 16. September 2003 (4 HK.T 1/03, ZIP 2003, S. 2210) hin die in § 1 Abs. 1 UmwG verankerte Selbstbeschränkung des deutschen Umwandlungsrechts auf Rechtsträger mit Sitz im Inland wegen Unvereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person für gemeinschaftsrechtswidrig. Unter Hinweis auf diese Norm konnten sich die deutschen Registergerichte bislang lediglich in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu einer Eintragung von Umwandlungen unter Beteiligung auch ausländischer Rechtsträger durchringen. Als äußerst flexibel erwies sich beispielsweise das AG Düsseldorf bei dem Erlass seiner Verfügungen vom 5. und vom 25. März 2002. Zum Zwecke der umfassenden Neustrukturierung eines weltweit tätigen Konzerns wurden durch sie im Wege eines upstream mergers ein als società a responsabilità limitata (SRL) organisiertes italienisches Tochterunternehmen sowie im Wege eines sidestream mergers eine französische société anonyme (SA) unter Koordinierung der verschiedenen nationalen Umwandlungsrechtsordnungen nahezu zeitgleich auf ihre als GmbH verfasste deutsche Mutter- bzw. Schwestergesellschaft verschmolzen (dazu Dorr/Stukenborg, DB 2003, S. 647). Vor dem Hintergrund der Entscheidung Sevic Systems wird man demgegenüber zukünftig

Vorwort

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eine entsprechende Registereintragung allenfalls noch mit der Begründung verweigern können, die Abstimmung der verschiedenen betroffenen Rechtsordnungen aufeinander bereite im Einzelfall gravierende und geradezu unüberwindliche Schwierigkeiten. Auf diese Weise ist erneut eine vom nationalen Recht aufgestellte Hürde überwunden und ein weiterer entscheidender Schritt hin zur ungehinderten grenzüberschreitenden Umstrukturierbarkeit von Unternehmen im gesamten europäischen Binnenmarkt getan worden. Denn jene strukturellen Änderungsmaßnahmen können von jetzt an unabhängig von der Verschmelzungsrichtlinie 2005/56/EG erfolgen, deren Verabschiedung durch den Rat der Europäischen Gemeinschaften mittlerweile ebenfalls erfolgt ist. Besagte Richtlinie versteht sich deshalb maßgeblich als ein Instrumentarium zur bloßen Erleichterung der Zusammenschlüsse von Unternehmen aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Rechtstechnisch möglich sind derartige Verschmelzungen indessen ebenso wie jedwede andere Form der grenzüberschreitenden Unternehmensumstrukturierung bereits nach dem deutschen Umwandlungsrecht kraft der im EG-Vertrag garantierten Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Ein Aufriss der damit verbundenen Rechtsproblematik findet sich in der Einleitung und Problemstellung (dort unter E. II. 2.). Im Übrigen wurden in der Bearbeitung die Fälle transnationaler Unternehmensverschmelzungen, Unternehmensspaltungen und Rechtsformwechsel weitgehend ausgeblendet zugunsten einer umfassenden Darstellung der Umwandlungsmöglichkeiten von mitbestimmten Unternehmen auf der Ebene des nationalen Rechts in Kapitel 2 (§§ 7 bis 11). Die für das neueste Urteil des EuGH tragenden Argumente zum Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit und den Grenzen europarechtlich zulässiger, weil gerechtfertigter Freiheitsverkürzungen durch das Recht der Mitgliedstaaten finden sich indessen bereits in den vorangegangenen Entscheidungen der Rechtssachen Daily Mail vom 27. September 1988 (Rs. 81/87, EuGHE 1988, S. 5483 = NJW 1989, S. 2186), Centros vom 9. März 1999 (Rs. C-212/97, EuGHE I 1999, S. 1459 = NJW 1999, S. 2027), Überseering vom 5. November 2002 (Rs. C-208/00, EuGHE I 2002, S. 9919 = NJW 2002, S. 3614) und Inspire Art vom 30. September 2003 (Rs. C-167/01, EuGHE I 2003, S. 10155 = NJW 2003, S. 3331). Die aus diesen und weiteren Urteilen abzuleitenden gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsoptionen im Zusammenhang mit der deutschen Unternehmensmitbestimmung werden eingehend in Kapitel 3 (§§ 12 bis 15) des vorliegenden Werkes beleuchtet. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Ulrich Preis vom Forschungsinstitut für Deutsches und Europäisches Sozialrecht der Universität zu Köln, der die Entstehung des Werkes betreut und mir die für die Anfertigung einer Arbeit vom vorliegenden Umfang notwendige akademische Freiheit gewährt hat. Herrn Professor Dr. Martin

Vorwort

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Henssler vom Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht, vom Institut für Anwaltsrecht sowie vom Dokumentationszentrum für europäisches Anwalts- und Notarrecht an der Universität zu Köln danke ich für die zügige Anfertigung des Zweitgutachtens. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich ihm sowie meinem Ausbilder Herrn Notar Professor Dr. Günter Brambring aus Köln, weil sie im Rahmen eines im Sommersemester 2003 durchgeführten Seminars zur Vertragsgestaltung mein Interesse am Umwandlungsrecht geweckt und das Thema der Arbeit angeregt haben. Und schließlich schulde ich meinen Eltern, denen diese Arbeit gewidmet ist, Dank für ihre immerwährende Unterstützung. Köln, im August 2006

Klaus von der Linden

Inhaltsübersicht Einleitung und Problemstellung ...........................................................................

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Kapitel 1 Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene §1 §2 §3 §4 §5 §6

Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen und Betrieb .......................... Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells ................................... Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes .............................................. Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut ................ Unternehmensmitbestimmung nach dem SEBG ............................................ Die mitbestimmungsrelevanten Faktoren im Unternehmen ...........................

67 97 116 145 174 185

Kapitel 2 Beeinflussung des Mitbestimmungsstatuts nach deutschem Umwandlungsrecht §7 §8 §9 § 10 § 11

Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien .......... Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung ................................. Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung ........................................... Umstrukturierung durch Vermögensübertragung .......................................... Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel ................................................

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Kapitel 3 Grenzüberschreitende Umstrukturierung von Unternehmen durch Verlegung des Verwaltungssitzes § 12 Die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften im europäischen Binnenmarkt .................................................................................................. § 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit: Von Daily Mail bis Inspire Art und Lasteyrie du Saillant ............................................... § 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften aus dem räumlichen Geltungsbereich deutschen Mitbestimmungsrechts ....................................... § 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die Bundesrepublik Deutschland ...................................................................................................

431 444 490 505

Zusammenfassung und Ergebnisse ......................................................................

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Literaturverzeichnis ..............................................................................................

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Sachverzeichnis ......................................................................................................

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Inhaltsverzeichnis Einleitung und Problemstellung A. Ausgangspunkt und Ziele der Untersuchung ................................................... B. Rechtsgrundlagen der Unternehmensmitbestimmung ...................................... C. Vor- und Nachteile der Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene ................................................................................................................ I. Denkbare Vorteile ..................................................................................... II. Denkbare Nachteile .................................................................................. III. Beurteilungsmaßstäbe ............................................................................... D. Aktuelle Entwicklungen im Recht der Unternehmensmitbestimmung ............. E. Gang der Darstellung ........................................................................................ I. Umstrukturierung unter Beteiligung ausschließlich inländischer Rechtsträger .............................................................................................. 1. Aufbau und Technik der Darstellung ................................................ 2. Gestaltungsmaßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz .................. a) Umwandlungen außerhalb und innerhalb eines Konzerns ......... b) Rechtsträger mit Sitz im Inland ................................................. 3. Einzelrechtsnachfolge und Anwachsung ........................................... II. Umstrukturierungen mit internationalem Charakter ................................. 1. Grenzüberschreitende Sitzverlegung ................................................. 2. Grenzüberschreitende Umwandlungen .............................................

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Kapitel 1

Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene § 1 Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen und Betrieb A. Grundsätze des dualistischen Mitbestimmungskonzepts .................................. I. Ansätze zur Differenzierung ..................................................................... II. Betrieb und Unternehmen als grundlegende Merkmale ............................ 1. Der Betriebsbegriff ............................................................................ 2. Der Unternehmensbegriff .................................................................. 3. Abgrenzungsprobleme ...................................................................... III. Die Gegenstände betriebs- und unternehmensbezogener Mitbestimmung .................................................................................................. 1. Die Aufgaben des Betriebsrats .......................................................... 2. Der Aufsichtsrat als Mitbestimmungssubstrat ................................... 3. Kompetenzüberschneidungen ........................................................... IV. Die strukturelle Organisation der Arbeitnehmervertretungen in Betriebs- und Unternehmensverfassung ................................................... B. Geltungsbereich der Unternehmensmitbestimmung .........................................

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Inhaltsverzeichnis

14 I.

Rechtsformabhängigkeit ........................................................................... 1. Das Unternehmen als Sozialverband ................................................. 2. Beschränkung auf körperschaftlich strukturierte Gesellschaften ....... 3. Die gegenseitige Modifikation von Gesellschafts- und Mitbestimmungsrecht ................................................................................. II. Abstufung nach der Anzahl der Arbeitnehmer ......................................... 1. Mindestarbeitnehmerzahlen .............................................................. 2. Regelmäßige Beschäftigung .............................................................. III. Der Tätigkeitsbereich des Unternehmens ................................................. 1. Montanmitbestimmung ..................................................................... 2. Tendenzschutzklauseln im MitbestG und DrittelbG ......................... IV. Der Verwaltungssitz des Unternehmens ................................................... C. Arbeitnehmerbeteiligung auch im Vertretungsorgan (Arbeitsdirektor) ............

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§ 2 Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells A. Allgemeines ..................................................................................................... B. Arbeitnehmerbeteiligung nach dem Montanmitbestimmungsgesetz ................ I. Merkmale auf der Tatbestandsseite .......................................................... 1. Der Tätigkeitsbereich des Unternehmens .......................................... 2. Die betroffenen Rechtsformen .......................................................... a) Aktiengesellschaft und GmbH ................................................... b) Bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ............................................................................ 3. Die Mindestanzahl der Arbeitnehmer ............................................... 4. Der Verwaltungssitz des Unternehmens ........................................... II. Rechtsfolgen für die Unternehmensverfassung ........................................ 1. Auswirkungen auf den Aufsichtsrat .................................................. a) Größe und Zusammensetzung ................................................... b) Grundsätze der Aufsichtsratswahl ............................................. 2. Auswirkungen auf das Vertretungsorgan .......................................... C. Arbeitnehmerbeteiligung nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz .......... I. Merkmale auf der Tatbestandsseite .......................................................... 1. Der Unternehmenszweck des beherrschten Konzerns ....................... 2. Die betroffenen Rechtsformen .......................................................... II. Rechtsfolgen für die Unternehmensverfassung ........................................ 1. Rechtslage vor dem Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat .................................. a) Auswirkungen auf den Aufsichtsrat ........................................... aa) Größe und Zusammensetzung ............................................ bb) Grundsätze der Aufsichtsratswahl ...................................... b) Auswirkungen auf das Vertretungsorgan ................................... 2. Rechtslage nach dem Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat ..................................

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§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes A. Merkmale auf der Tatbestandsseite .................................................................. I. Die Mindestanzahl der Arbeitnehmer .......................................................

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Inhaltsverzeichnis II. Die vom Mitbestimmungszwang betroffenen Rechtsformen .................... 1. Die Kapitalgesellschaften .................................................................. 2. Besonderheiten bei der Kapitalgesellschaft & Co. KG ..................... a) Gesellschaftsrechtliche Konstruktion ........................................ b) Arbeitnehmerzurechnung zur Komplementärgesellschaft ......... aa) Mittelbare Mitbestimmung auch in der KG ........................ bb) Wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit den Kapitalgesellschaften .............................................................................. cc) Zurechnung in der einfachen Kapitalgesellschaft & Co. KG ...................................................................................... dd) Zurechnung in der „mehrstöckigen“ Kapitalgesellschaft & Co. KG ........................................................................... c) Verbot des Ausschlusses von der Geschäftsführung .................. III. Keine besondere Zweckausrichtung des Unternehmens ........................... IV. Arbeitnehmerzurechnung im Unternehmensverbund ............................... 1. Die Konzernspitze als Ansatzpunkt der Mitbestimmung .................. 2. Der Konzernbegriff ........................................................................... a) Konzern auf vertraglicher Grundlage ........................................ b) Konzern auf faktischer Grundlage ............................................. B. Rechtsfolgen für die Unternehmensverfassung ................................................ I. Der mitbestimmte Aufsichtsrat ................................................................. 1. Größe und Zusammensetzung ........................................................... 2. Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats ............................................. 3. Grundsätze der Aufsichtsratswahl ..................................................... II. Auswirkungen auf das Vertretungsorgan ..................................................

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§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut A. Die Ablösung der §§ 76 ff. BetrVG 1952 durch das DrittelbG ........................ B. Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem BetrVG 1952 ............................ I. Voraussetzungen des Drittelbeteiligungsstatuts ........................................ 1. Die betroffenen Rechtsformen .......................................................... 2. Die Mindestanzahl der Arbeitnehmer ............................................... a) Aktiengesellschaft und KGaA ................................................... b) GmbH, VVaG und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft ... 3. Tendenzschutz ................................................................................... 4. Arbeitnehmerzurechnung im Konzern .............................................. a) Beherrschungsvertrag ................................................................ b) Aktienrechtliche Eingliederung ................................................. c) Faktischer Konzern .................................................................... d) Keine Zurechnung zur fiktiven Teilkonzernspitze ..................... II. Rechtsfolgen für die Unternehmensverfassung ........................................ 1. Obligatorische Bildung eines Kontrollorgans ................................... 2. Die Größe des Aufsichtsrats .............................................................. 3. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats .......................................... 4. Grundsätze der Aufsichtsratswahl ..................................................... C. Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem DrittelbG ................................... I. Änderungen der Rechtslage auf Tatbestandsseite ..................................... 1. Die betroffenen Rechtsformen .......................................................... 2. Anpassung der Arbeitnehmerschwellenwerte ...................................

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Inhaltsverzeichnis

16 a)

Einheitlicher Mitbestimmungsbeginn bei mehr als 500 Arbeitnehmern ..................................................................................... b) Fehlende Angleichung der Regelung betreffend die Altaktiengesellschaften ............................................................................ 3. Sprachliche Anpassung der Tendenzschutzklausel ........................... 4. Änderung der Arbeitnehmerberechnung in Konzernsachverhalten ... a) Bestimmung der wahlberechtigten Arbeitnehmer ...................... b) Keine Änderung der Zurechnungsgrundlagen ........................... II. Änderungen der Rechtslage auf Rechtsfolgenseite ................................... 1. Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats ...................................... 2. Erweiterung der Rechte des mitbestimmten Aufsichtsrats ................ 3. Grundsätze der Aufsichtsratswahl .....................................................

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§ 5 Unternehmensmitbestimmung nach dem SEBG A. Arbeitnehmermitbestimmung in der supranationalen Rechtsform ................... I. Die Rechtsquellen und ihre Normenhierarchie ......................................... II. Die neue Rechtsform der SE als Anknüpfungspunkt der Mitbestimmung III. Die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Organisationsverfassungen .... B. Die Integration der Arbeitnehmervertreter ....................................................... I. Gestaltungsprinzip und Sicherungsprinzip ............................................... II. Inhalt der Mitbestimmungsvereinbarung ..................................................

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§ 6 Die mitbestimmungsrelevanten Faktoren im Unternehmen A. Das Stufenverhältnis der Mitbestimmungsgesetze ........................................... I. Abstufung in der Reichweite der gewährten Beteiligungsrechte .............. II. Abstufung innerhalb der tatbestandlichen Anforderungen ....................... 1. Erfasste Rechtsformen ...................................................................... 2. Arbeitnehmerzahl .............................................................................. 3. Unternehmenstätigkeit ...................................................................... B. Die Höhe des Gesellschaftskapitals als Parameter der Mitbestimmung ...........

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Kapitel 2

Beeinflussung des Mitbestimmungsstatuts nach deutschem Umwandlungsrecht § 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien A. Systematik des Umwandlungsrechts ................................................................ B. Die einzelnen Umwandlungsarten ................................................................... I. Die Verschmelzung .................................................................................. 1. Verschmelzung zur Aufnahme .......................................................... 2. Verschmelzung zur Neugründung ..................................................... 3. Verschmelzungsfähige Rechtsträger ................................................. 4. Sonderfälle der Verschmelzung: Überblick über die Begrifflichkeiten ...........................................................................................

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Inhaltsverzeichnis Die Verschmelzung von Schwestergesellschaften (sidestream merger) ...................................................................................... aa) Der gesellschaftsrechtliche Sachverhalt ............................. bb) Keine Ausnahme von der Pflicht zur Anteilsgewährung .... b) Die Verschmelzung der Tochter- auf die Muttergesellschaft (upstream merger) ...................................................................... aa) Der konzernrechtliche Sachverhalt ..................................... bb) Das Verbot der Anteilsgewährung und der Kapitalerhöhung ............................................................................ c) Die Verschmelzung der Mutter- auf die Tochtergesellschaft (downstream merger) ................................................................. aa) Der konzernrechtliche Sachverhalt ..................................... bb) Anteilsgewährungspflicht und Kapitalerhöhungswahlrecht ............................................................................ II. Die Spaltung ............................................................................................. 1. Die Varianten der Spaltung ............................................................... a) Die Aufspaltung ......................................................................... b) Die Abspaltung .......................................................................... c) Die Ausgliederung ..................................................................... 2. Spaltung zur Aufnahme und zur Neugründung ................................. 3. Spaltungsfähige Rechtsträger ............................................................ 4. Abgrenzung von Spaltung und Betriebsaufspaltung ......................... III. Die Vermögensübertragung ...................................................................... 1. Abgrenzung zu Verschmelzung und Spaltung .................................. 2. Beteiligung an der Vermögensübertragung ....................................... IV. Der Formwechsel ...................................................................................... 1. Entbehrlichkeit des Vermögenstransfers ........................................... 2. Formwechselfähige Rechtsträger ...................................................... 3. Beachtung des für die neue Rechtsform zwingenden Organisationsrechts ................................................................................................. C. Ziele und Gesetzestechniken des Umwandlungsrechts .................................... I. Ziele der Schaffung des Umwandlungsgesetzes 1994 .............................. II. Gesetzestechniken im Umwandlungsgesetz ............................................. III. Weitere Besonderheiten bei der Anwendung des Umwandlungsgesetzes ..................................................................................................... 1. Die Festlegung der Vermögensgegenstände ...................................... 2. Der Ausschluss des Erwerbs kraft guten Glaubens ........................... D. Der numerus clausus des Umwandlungsrechts ................................................ I. Zwingender Charakter der gesetzlich vorgesehenen Umstrukturierungsmodalitäten ............................................................................................... II. Abgrenzung zu anderen Arten rechtsgeschäftlicher und gesetzlicher Umwandlung ............................................................................................ 1. Umwandlung durch Einzelrechtsnachfolge ....................................... 2. Strategien im System des Personengesellschaftsrechts ..................... a) Formwechsel nach handelsrechtlichem Maßstab ....................... b) Gesamtrechtsnachfolge aufgrund Anwachsung ......................... aa) Einfaches Anwachsungsmodell .......................................... bb) Erweitertes Anwachsungsmodell ....................................... E. Die Durchführung des Umwandlungsverfahrens ............................................. I. Rechtsgeschäftliche Veranlassung der Umwandlung ............................... II. Die Erstellung von Umwandlungsberichten .............................................

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a)

201 201 201 202 202 203 204 204 204 205 206 206 207 208 210 211 211 213 213 214 215 215 217 219 224 224 226 227 227 228 229 229 231 231 232 232 235 238 241 243 243 245

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Inhaltsverzeichnis III. Die Umwandlungsbeschlüsse ................................................................... IV. Die Eintragung in das zuständige Register ............................................... V. Überblick über die Verfahrensschritte der einzelnen Umwandlungsarten .......................................................................................................... 1. Übersicht: Verschmelzung ................................................................ a) Vorüberlegungen ....................................................................... aa) Qualifizierung der Verschmelzungsart ............................... bb) Festlegung der beteiligten Rechtsträger ............................. b) Abschluss des Verschmelzungsvertrags .................................... c) Information der Betriebsräte der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger ............................................................. d) Bekanntmachung des Verschmelzungsvertrags ......................... e) Erstellung und Erstattung von Verschmelzungsberichten .......... f) Prüfung des Verschmelzungsvertrags ........................................ g) Einberufung der Versammlung der Anteilseigner ..................... h) Verschmelzungsbeschluss der Anteilseigner ............................. i) Zustimmung bestimmter einzelner Anteilseigner zum Verschmelzungsbeschluss ......................................................... j) Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das zuständige Register .................................................................... k) Eintragung der Verschmelzung .................................................. 2. Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung ........................................... a) Vorüberlegungen ....................................................................... aa) Qualifizierung der Art der Spaltung ................................... bb) Festlegung der beteiligten Rechtsträger ............................. b) Abschluss des Spaltungs- und Übernahmevertrags oder Aufstellen eines Spaltungsplans ................................................ c) Information der Betriebsräte der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger ............................................................................... d) Bekanntmachung des Spaltungsvertrags bzw. des Spaltungsplans ........................................................................................... e) Erstellung und Erstattung von Spaltungsberichten .................... f) Prüfung des Spaltungsvertrags bzw. des Spaltungsplans ........... g) Einberufung der Versammlung der Anteilseigner ..................... h) Spaltungsbeschluss der Anteilseigner ........................................ i) Zustimmung bestimmter einzelner Anteilseigner zum Spaltungsbeschluss .................................................................... j) Anmeldung der Spaltung zur Eintragung in das zuständige Register ...................................................................................... k) Eintragung der Spaltung ............................................................ 3. Übersicht: Ausgliederung .................................................................. a) Vorüberlegungen ....................................................................... aa) Qualifizierung der Art der Spaltung ................................... bb) Festlegung der beteiligten Rechtsträger ............................. b) Abschluss des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags oder Aufstellen eines Ausgliederungsplans ....................................... c) Information der Betriebsräte der an der Ausgliederung beteiligten Rechtsträger ............................................................. d) Bekanntmachung des Ausgliederungsvertrags bzw. des Ausgliederungsplans .................................................................. e) Erstellung und Erstattung von Ausgliederungsberichten ...........

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Inhaltsverzeichnis f) g) h)

F.

Einberufung der Versammlung der Anteilseigner ..................... Ausgliederungsbeschluss der Anteilseigner ............................... Zustimmung bestimmter einzelner Anteilseigner zum Ausgliederungsbeschluss ................................................................. i) Anmeldung der Ausgliederung zur Eintragung in das zuständige Register .................................................................... j) Eintragung der Ausgliederung ................................................... 4. Übersicht: Formwechsel .................................................................... a) Vorüberlegung ........................................................................... b) Erstellung eines Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses ......... c) Information des Betriebsrats des formwechselnden Rechtsträgers ........................................................................................ d) Erstellung und Erstattung eines Umwandlungsberichts ............. e) Prüfung des Beschlussentwurfs ................................................. f) Einberufung der Versammlung der Anteilseigner ..................... g) Umwandlungsbeschluss der Anteilseigner ................................ h) Zustimmung bestimmter einzelner Anteilseigner zum Umwandlungsbeschluss ............................................................. i) Anmeldung des Formwechsels zur Eintragung in das zuständige Register .................................................................... j) Eintragung des Formwechsels ................................................... Der Wechsel des Mitbestimmungsstatuts als Anlass der Unternehmensumstrukturierung ..............................................................................................

19 260 261 261 261 262 263 263 263 264 264 264 265 265 265 265 266 267

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung A. Allgemeines ..................................................................................................... B. Rechtsfolgen für den bzw. die übertragenden Rechtsträger ............................. C. Rechtsfolgen für den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger ...................... I. Grundsatz des Mitbestimmungszuwachses ............................................... 1. Erhöhung des Gesellschaftskapitals .................................................. 2. Übergang von Arbeitsverhältnissen .................................................. 3. Änderung des Schwerpunkts der Unternehmenstätigkeit .................. a) Hineinwachsen in die Montanmitbestimmung ........................... b) Herauswachsen aus dem Schutzbereich für Tendenzunternehmen .............................................................................. II. Möglichkeit der Mitbestimmungsneutralität ............................................. 1. Mitbestimmungsfeindliche Rechtsform des Zielrechtsträgers ........... 2. Verwaltungssitz außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Mitbestimmungsgesetze .................................................................... III. Ausnahme: Möglichkeit des Mitbestimmungsverlustes ............................ 1. Besonderheiten im System des Tendenzschutzes und der Montanmitbestimmung .................................................................................. a) Tendenzschutz ........................................................................... b) Montanmitbestimmung .............................................................. 2. Besonderheiten im System der Kapitalgesellschaft & Co. KG ......... a) GmbH & Co. KG ....................................................................... b) AG/KGaA & Co. KG ................................................................ aa) Rechtslage unter der Geltung des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 ......................................................................

269 271 272 272 273 275 277 278 279 282 282 283 284 285 285 286 287 288 291 292

20

Inhaltsverzeichnis

bb) Rechtslage unter der Geltung des Drittelbeteiligungsgesetzes .............................................................................. D. Konzerninterne Verschmelzungsvorgänge ....................................................... I. Besonderheiten im System des sidestream mergers .................................. 1. Berücksichtigung auch der Konzernobergesellschaft ........................ 2. Kein Ausschluss des Nennkapitalzuwachses ..................................... II. Besonderheiten im System des upstream mergers .................................... 1. Arbeitnehmerzurechnung zur Muttergesellschaft .............................. 2. Auswirkungen des Kapitalerhöhungsverbots .................................... III. Rechtslage beim downstream merger ....................................................... 1. Arbeitnehmerzurechnung entgegen der Verschmelzungsrichtung .... 2. Auswirkungen des Kapitalerhöhungswahlrechts ............................... IV. Konzerninterne Zurechnung bei der Enkel-Mutter-Verschmelzung ......... 1. Kapitalgesellschaft als Muttergesellschaft ........................................ a) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft ........................... b) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft .......................... aa) Das Spannungsfeld zwischen Anteilsgewährungspflicht und Vereinfachung der Konzernstruktur ............................ bb) Normative Anknüpfungspunkte ......................................... cc) Die Kollision mit aktienrechtlichen Verbotsgesetzen ........ 2. Personengesamtheit als Muttergesellschaft ....................................... a) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft ........................... b) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft .......................... V. Konzerninterne Zurechnung und Drittelbeteiligungsstatut ....................... E. Strategische Überlegungen zur Gestaltung des Verschmelzungsvertrags ........ I. Beteiligung von Personengesellschaften ................................................... II. Beteiligung von Aktiengesellschaften ...................................................... III. Die formalen Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG ....................... F. Mitbestimmungsfortgeltung im Rahmen einer Unternehmensverschmelzung ................................................................................................. G. Die Einzelrechtsübertragung als Alternative zur Verschmelzung .................... I. Übertragung von Gesellschaftsanteilen (share deal) ................................. 1. Austausch der Konzernspitzengesellschaft ....................................... 2. Austausch des persönlich haftenden Gesellschafters ......................... II. Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände (asset deal) ..............

293 294 294 294 299 300 300 301 302 302 303 304 304 305 305 307 308 309 313 314 314 316 318 318 319 320 321 322 323 323 324 324

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung A. Allgemeines ..................................................................................................... B. Mitbestimmungsrechtliche Auswirkungen der einzelnen Spaltungsvorgänge .. I. Auswirkungen der Aufspaltung ................................................................ 1. Rechtsfolgen für den übertragenden Rechtsträger ............................. 2. Rechtsfolgen für die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger ........ a) Grundsatz des Mitbestimmungszuwachses ................................ aa) Erhöhung des Gesellschaftskapitals ................................... bb) Übergang von Arbeitsverhältnissen ................................... (1) Rechtstechnik der Vertragsübernahme im Verschmelzungsfall .......................................................... (2) Rechtstechnik der Vertragsübernahme im Spaltungsfall ...............................................................................

326 327 327 329 330 330 330 333 334 336

Inhaltsverzeichnis cc) Änderung des Schwerpunkts der Unternehmenstätigkeit ... b) Möglichkeit der Mitbestimmungsneutralität .............................. c) Ausnahme: Möglichkeit des Mitbestimmungsverlustes ............. II. Auswirkungen der Abspaltung ................................................................. 1. Rechtsfolgen für den übertragenden Rechtsträger ............................. a) Grundsatz des Mitbestimmungsverlustes ................................... aa) Verlust von Arbeitnehmern ................................................ bb) Verlust von Gesellschaftskapital ........................................ b) Möglichkeit der Mitbestimmungsneutralität .............................. c) Ausnahme: Möglichkeit des Mitbestimmungszuwachses .......... d) Vorübergehende Mitbestimmungsbeibehaltung gemäß § 325 Abs. 1 UmwG ............................................................................ 2. Rechtsfolgen für den bzw. die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger ...................................................................................... III. Auswirkungen der Ausgliederung ............................................................ 1. Rechtsfolgen für den übertragenden Rechtsträger ............................. a) Grundsätzlicher Parallellauf zur Abspaltungssituation .............. b) Vorübergehende Mitbestimmungsbeibehaltung gemäß § 325 Abs. 1 UmwG ............................................................................ c) Besonderheit der konzerninternen Zurechnung von Arbeitnehmern ..................................................................................... aa) Möglichkeit der Mitbestimmungsneutralität ...................... bb) Möglichkeit des Mitbestimmungszuwachses ..................... 2. Rechtsfolgen für den bzw. die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger ...................................................................................... C. Konzerninterne Spaltungsvorgänge ................................................................. I. Spaltungsvorgänge von der Tochter- auf die Muttergesellschaft (upstream) ................................................................................................. 1. Auf- und Abspaltung upstream ......................................................... a) Abspaltung ................................................................................. aa) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft .................. bb) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft .................... (1) Konzerninterne Arbeitnehmerzurechnung .................. (2) Auswirkungen des Kapitalerhöhungsverbots .............. b) Aufspaltung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft ................ aa) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft .................. bb) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaften ................ 2. Ausgliederung upstream .................................................................... a) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft ........................... b) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft .......................... aa) Wechselseitige Beteiligung als Rechtsgrundlage gegenseitiger Arbeitnehmerzurechnung ...................................... bb) Das aktiengesetzliche Verbot der wechselseitigen Beteiligung ......................................................................... cc) Die Auflösung der geschaffenen Beteiligungsstruktur ....... II. Spaltungsvorgänge von der Mutter- auf die Tochtergesellschaft (downstream) ............................................................................................ 1. Auf- und Abspaltung downstream .................................................... 2. Ausgliederung downstream ............................................................... D. Die formalen Anforderungen des § 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG ........................ E. Die Einzelrechtsübertragung als Alternative zur Spaltung ...............................

21 340 341 341 342 344 344 344 346 348 348 350 350 350 352 352 355 355 356 358 359 360 360 360 360 361 361 362 362 363 364 364 366 368 368 369 369 370 371 372 372 373 373

Inhaltsverzeichnis

22 I.

Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände (asset deal) .............. 1. Die Herauslösung von Geschäftsbereichen aus Konzernstrukturen .. 2. Die Weiterveräußerung erhaltener Gesellschaftsanteile: Steuerrechtliche Behaltensfrist als Vertragshindernis ................................. II. Übertragung von Gesellschaftsanteilen (share deal) .................................

373 377 379 381

§ 10 Umstrukturierung durch Vermögensübertragung A. Allgemeines ..................................................................................................... I. Mitbestimmungsrelevante Rechtsträger .................................................... 1. Kapitalgesellschaften ........................................................................ 2. Die Versicherungsaktiengesellschaft ................................................. 3. Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ................................... II. Rechtsfolgen der Vermögensübertragung ................................................. 1. Die Vermögensvollübertragung als Parallelinstitut zur Verschmelzung .................................................................................. 2. Die Vermögensteilübertragung und ihre Verwandtschaft zur Spaltung ............................................................................................ a) Die aufspaltende Teilübertragung .............................................. b) Die abspaltende Teilübertragung ............................................... c) Die ausgliedernde Teilübertragung ............................................ B. Vermögensübertragung unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften .............. I. Vermögensvollübertragung ...................................................................... II. Vermögensteilübertragung ....................................................................... C. Vermögensübertragung unter Beteiligung einer Versicherungsaktiengesellschaft ....................................................................................................... D. Vermögensübertragung unter Beteiligung eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit ................................................................................................ E. Mitbestimmungsfortgeltung im Rahmen der Vermögensübertragung .............

382 382 382 383 383 384 384 384 385 385 386 386 386 386 388 388 389

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel A. Flucht aus der Mitbestimmung durch Formwechsel ........................................ B. Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft ............................... I. Allgemeines .............................................................................................. II. Kapitalgesellschaft & Co. KG als Rechtsträger neuer Rechtsform ........... C. Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform ....................................................................................................... I. Formwechsel von montanmitbestimmten Unternehmen ........................... II. Formwechsel von Altgesellschaften ......................................................... 1. Der einfache Rechtsformwechsel ...................................................... 2. Die taktische Rückumwandlung in eine aktiengesetzliche Organisationsform ............................................................................. a) Die Wahrung der Identität des formwechselnden Rechtsträgers ........................................................................................ b) Wortlautanalyse: Extensive Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG ......................................................................... c) Der Ansatz des Gestaltungsmissbrauchs .................................... III. Rechtsformabhängigkeit der Organbefugnisse .........................................

390 393 393 395 398 398 398 398 399 400 401 403 407

Inhaltsverzeichnis IV. Amtskontinuität gemäß § 203 Satz 1 UmwG ........................................... D. Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft ............................... E. Umwandlung eines Rechtsträgers im Unternehmensverbund .......................... I. Formwechsel an der Konzernspitze .......................................................... 1. Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft ................................... 2. Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft ................................. 3. Mitbestimmungsstatut der Enkelgesellschaft .................................... II. Formwechsel eines abhängigen Konzernunternehmens ............................ 1. Der Formwechsel als Alternative zum upstream merger ................... a) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft .......................... b) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft ........................... 2. Aufsichtsratskontinuität unter Wechsel der Konzernebene ............... a) Erläuterung ................................................................................ aa) Organisation in der Rechtsform einer GmbH ..................... bb) Die kurzfristige Übernahme von Gesellschaftsanteilen ...... cc) Der Verbleib von Anteilen beim ursprünglichen Alleingesellschafter ...................................................................... b) Grundgedanken der Aufsichtsratsübernahme ............................ aa) Praktikabilität ..................................................................... bb) Die Neuwahl als alternatives Vorgehen ............................. cc) Die Nachfolge in der unternehmerischen Leitungsmacht ... c) Stellungnahme ........................................................................... aa) Der Wandel im Verständnis des Gesamthandsprinzips ...... bb) Rechtsnachfolge und Identitätsgrundsatz ........................... cc) Abgrenzung von Fortbestand und Übernahme des Aufsichtsorgans .................................................................. d) Ergebnis ..................................................................................... F. Die formalen Anforderungen des § 194 Abs. 1 Nr. 7 UmwG ..........................

23 410 412 413 413 415 415 415 415 416 417 417 417 418 419 419 420 421 421 422 423 424 424 425 426 428 429

Kapitel 3

Grenzüberschreitende Umstrukturierung von Unternehmen durch Verlegung des Verwaltungssitzes § 12 Die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften im europäischen Binnenmarkt A. Die Sitzverlegung als Gestaltungsmaßnahme .................................................. I. Primäre und sekundäre Niederlassungsfreiheit ......................................... 1. Primäre Niederlassungsfreiheit ......................................................... 2. Sekundäre Niederlassungsfreiheit ..................................................... II. Das Verhältnis der Niederlassungsfreiheit zum Anerkennungsabkommen im Sinne des Art. 293 EGV .................................................... III. Die Sitztheorie und die Gründungstheorie als Eckpfeiler des Gesellschaftskollisionsrechts .............................................................................. 1. Die Sitztheorie ................................................................................... 2. Die Gründungstheorie ....................................................................... IV. Die Überlagerungstheorie ......................................................................... V. Die modifizierte Version der Überlagerungstheorie ................................. B. Die Definition des Verwaltungssitzes ..............................................................

431 432 432 433 434 435 436 438 438 440 440

24

Inhaltsverzeichnis

I. Ort der tatsächlichen Verwaltung und Leitung des Unternehmens ........... II. Abgrenzung zum satzungsmäßigen Sitz ................................................... C. Denkbare Gestaltungsspielräume mit Blick auf die Unternehmensmitbestimmung ......................................................................................................... I. Der Wegzugsfall ....................................................................................... II. Der Zuzugsfall ..........................................................................................

441 442 442 442 443

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit: Von Daily Mail bis Inspire Art und Lasteyrie du Saillant A. Die Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung für das Gestaltungsinstrument Sitzverlegung ................................................................................................... B. Die Rolle der Grundfreiheiten in den Zuzugsfällen ......................................... I. Die Entscheidung Centros Ltd. (1999) ..................................................... 1. Sachverhalt: Verweigerung der Registereintragung einer Zweigniederlassung ..................................................................................... 2. Entscheidung des EuGH: Kein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit ............................................................................................... a) Reichweite des grundfreiheitlichen Schutzes ............................. aa) Der Inhalt der Freiheitsgarantie .......................................... bb) Die juristische Person als Trägerin der Niederlassungsfreiheit ................................................................................ b) Europarechtliche Rechtfertigung ............................................... aa) Der Aspekt des Rechtsmissbrauchs als Rechtfertigungsgrund .................................................................................. bb) Kollidierende zwingende Gründe des Allgemeinwohls als Rechtfertigungsgrund .................................................... c) Beantwortung der Vorlagefrage ................................................. II. Die Entscheidung Überseering BV (2002) ............................................... 1. Sachverhalt: Maßstab der gesellschaftsrechtlichen Einordnung einer Auslandsgesellschaft ................................................................ 2. Entscheidung des EuGH: Anerkennungspflicht gegenüber Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten ............................................. a) Die Negierung der Niederlassungsfreiheit durch die Sitztheorie .................................................................................. b) Das Verhältnis von Überseering zu Daily Mail ......................... c) Vermittlungsversuch: Der Ansatz des Zweiten Zivilsenats des BGH .................................................................................... d) Beantwortung der Vorlagefrage ................................................. III. Die Entscheidung Inspire Art Ltd. (2003) ................................................ 1. Sachverhalt: Überlagerungsfähigkeit einzelner materieller Bestimmungen des Gründungsstatuts ................................................ 2. Entscheidung des EuGH: Endgültiger Abschied von der Sitztheorie ......................................................................................... a) Differenzierung beim Prüfungsmaßstab .................................... b) Die Ausschlussfunktion der Zweigniederlassungsrichtlinie ...... c) Die Ausführungen zur Niederlassungsfreiheit ........................... d) Beantwortung der Vorlagefrage ................................................. C. Die Europarechtskonformität von Wegzugsbeschränkungen ...........................

444 445 445 446 449 449 449 449 451 451 453 454 455 457 459 459 462 464 469 469 470 472 472 473 474 476 476

Inhaltsverzeichnis I. Die Entscheidung Daily Mail and General Trust PLC (1988) .................. II. Die Entscheidung Lasteyrie du Saillant (2004) ........................................ D. Schlussfolgerungen für die mitbestimmungsrechtliche Frage .......................... I. Art. 43 und 48 EGV als Kollisionsnormen ............................................... II. Anforderungen auf der Rechtfertigungsebene .......................................... 1. Vom EuGH anerkannte Rechtfertigungsgründe ................................ 2. Die Systematik der Schrankenschranken .......................................... a) Rechtssache Kraus ..................................................................... b) Rechtssache Gebhard .................................................................

25 476 479 481 481 482 484 487 488 489

§ 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften aus dem räumlichen Geltungsbereich deutschen Mitbestimmungsrechts A. B. C. D.

E.

Der Sachverhalt eines Wegzugsfalls ................................................................ Die Durchführung des Verlegungsvorhabens ................................................... Das deutsche Sitzrecht als gesellschaftsrechtliches Wegzugshindernis ........... Europarechtskonformität der Wegzugssperre für deutsche Kapitalgesellschaften ............................................................................................................ I. Die gesellschaftsrechtliche Liquidation wegziehender Kapitalgesellschaften ..................................................................................................... II. Die Besteuerung stiller Reserven als Wegzugshindernis .......................... Zusammenfassung ............................................................................................

490 492 494 496 497 502 504

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die Bundesrepublik Deutschland A. Der Sachverhalt eines Zuzugsfalls ................................................................... B. Der gegenwärtige Stand des Schrifttums ......................................................... C. Die Anwendbarkeit deutschen Mitbestimmungsrechts auf zugezogene Auslandsgesellschaften .................................................................................... I. Problemüberblick ...................................................................................... II. Das Wortlautproblem ............................................................................... 1. Gesetzesauslegung: Die gesetzliche Selbstbeschränkung auf Rechtsformen deutschen Gesellschaftsrechts .................................... 2. Mangelnde Analogiefähigkeit ........................................................... a) Die Ausschlussfunktion der gesetzlichen Typenkataloge .......... b) Der Gedanke der Typensubstitution .......................................... aa) Historische Auslegung ....................................................... bb) Paradigmenwechsel von der Sitz- zur Gründungstheorie ... 3. Mitbestimmungsfreiheit ausländischer Gesellschaften nach gegenwärtigem Stand des deutschen Mitbestimmungsrechts ..................... III. Gesetzgeberische Initiative ....................................................................... D. Das europarechtliche bzw. kollisionsrechtliche Problem: Niederlassungsfreiheit gegen Arbeitnehmerschutz .................................................................. I. Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ......................... II. Europarechtliche Rechtfertigung .............................................................. 1. Europarechtliche Rechtfertigungsgründe und deutsches Kollisionsrecht .................................................................................................. 2. Mögliche Ansätze im deutschen Kollisionsrecht ..............................

505 507 509 510 511 511 513 513 515 516 519 523 524 525 525 526 526 528

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Inhaltsverzeichnis a) Art. 6 Satz 1 EGBGB als Erlaubnissatz ..................................... b) Art. 34 EGBGB und die Lehre von den Eingriffsnormen .......... c) Die tatsächliche Rolle des deutschen ordre public ..................... 3. Art. 46 Abs. 1 EGV als Grenze der Niederlassungsfreiheit .............. 4. Der Ansatz des Freiheitsmissbrauchs ................................................ a) Missbrauch und legitimer Gebrauch der Grundfreiheiten .......... b) Der Fall Vierländer Bau Union Ltd. (AG Hamburg) ................. c) Die Kollision von Missbrauchsvorwurf und dem Dogma des effet utile .................................................................................... 5. Der Arbeitnehmerschutz als zwingender Grund des Gemeinwohls .. a) Die Beurteilung des Mitbestimmungsrechts in der Rechtsprechung ................................................................................... aa) Das Mitbestimmungsurteil des Bundesverfassungsgerichts ............................................................................... bb) Die Stellungnahme des Bundesgerichtshofs (Siemens) ...... cc) Die instanzgerichtliche Rechtsprechung ............................ b) Die Kritik am geltenden Mitbestimmungssystem ...................... aa) Kernpunkte der Kritik ........................................................ bb) Interessenkollision am Beispiel des Verbraucherschutzrechts .................................................................................. c) Die Einordnung durch den Gesetzgeber .................................... aa) Schaffung eines zukunftsfähigen Drittelbeteiligungsstatuts ................................................................................. bb) Erweiterung des Geltungsbereichs des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes ............................................................ cc) Berücksichtigung der deutschen Mitbestimmungsstandards in der SE ............................................................. (1) Modalitäten der Gesellschaftsgründung ...................... (2) Bestandsschutz im Fall der Gründung durch Umwandlung .............................................................. (3) Bestandsschutz in den übrigen Gründungsfällen ........ d) Schlussfolgerung für die Zugehörigkeit zum ordre public ......... aa) Nationaler ordre public ....................................................... bb) „Gemeinschaftsrechtlicher ordre public“ ........................... III. Die weitergehenden Anforderungen des EuGH ........................................ 1. Das Diskriminierungsverbot ............................................................. a) Tatbestand .................................................................................. b) Rechtsfolge ................................................................................ aa) Diskriminierende Wirkung des geltenden Rechtsfolgensystems ............................................................................... bb) Berücksichtigung organisatorischer Besonderheiten nach dem Vorbild der Mitbestimmung in der SE ....................... 2. Die Geeignetheit ............................................................................... 3. Die Erforderlichkeit .......................................................................... a) Erforderlichkeit trotz betrieblicher Mitbestimmung .................. b) Erforderlichkeit trotz Unternehmensmitbestimmung im Gründungsrecht ......................................................................... c) Erforderlichkeit im Hinblick auf eine Verhandlungslösung ......

529 531 534 538 539 539 543 545 547 548 549 552 554 556 557 561 563 564 564 566 567 571 574 579 579 580 585 585 588 590 590 595 597 598 598 599 601

Inhaltsverzeichnis

27

Zusammenfassung und Ergebnisse A. Zur Umwandlung mitbestimmter Unternehmen nach nationalem Umwandlungsrecht ......................................................................................................... I. Unternehmensverschmelzung ................................................................... II. Unternehmensspaltung ............................................................................. III. Rechtsformwechsel ................................................................................... B. Zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung als Gestaltungsmaßnahme .............. I. Inlandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Ausland ............................ II. Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland ............................

605 605 608 610 612 612 613

Literaturverzeichnis ..............................................................................................

617

Sachverzeichnis ......................................................................................................

659

Abbildungsverzeichnis Abbildung 3.1: Abbildung 6.1: Abbildung 6.2: Abbildung 6.3: Abbildung 7.1: Abbildung 7.2: Abbildung 7.3: Abbildung 7.4: Abbildung 7.5: Abbildung 7.6: Abbildung 7.7: Abbildung 7.8: Abbildung 7.9: Abbildung 8.1: Abbildung 8.2: Abbildung 8.3: Abbildung 8.4: Abbildung 8.5: Abbildung 8.6: Abbildung 8.7: Abbildung 8.8: Abbildung 8.9: Abbildung 8.10: Abbildung 8.11: Abbildung 8.12: Abbildung 9.1: Abbildung 9.2: Abbildung 9.3: Abbildung 9.4: Abbildung 9.5: Abbildung 9.6: Abbildung 9.7: Abbildung 9.8: Abbildung 9.9: Abbildung 9.10:

Sonderkonstellation mehrerer Komplementärkapitalgesellschaften .................................................................................... Tatbestandsmerkmale der einzelnen Mitbestimmungsstatute ... Rechtsfolgen der einzelnen Mitbestimmungsstatute ................. Auswirkungen der Höhe des Gesellschaftskapitals auf die Gesamtzahl der Mandate .......................................................... Rechtslage vor der Verschmelzung zur Aufnahme ................... Rechtslage nach der Verschmelzung zur Aufnahme ................ Rechtslage vor der Verschmelzung zur Neugründung .............. Rechtslage nach der Verschmelzung zur Neugründung ........... Rechtslage vor der Aufspaltung (zur Aufnahme) ..................... Rechtslage nach der Aufspaltung (zur Aufnahme) ................... Rechtslage vor der Abspaltung (zur Aufnahme) ...................... Rechtslage nach der Abspaltung (zur Aufnahme) .................... Rechtslage nach der Ausgliederung (zur Aufnahme) ............... Rechtslage vor der Verschmelzung .......................................... Rechtslage nach der Verschmelzung ........................................ Rechtslage vor der Verschmelzung .......................................... Rechtslage nach der Verschmelzung ........................................ Rechtslage vor sidestream merger ............................................ Rechtslage nach sidestream merger .......................................... Rechtslage vor upstream merger .............................................. Rechtslage nach upstream merger ............................................ Rechtslage vor downstream merger .......................................... Rechtslage nach downstream merger ....................................... Rechtslage vor der Enkel-Mutter-Verschmelzung .................... Rechtslage nach der Enkel-Mutter-Verschmelzung ................. Rechtslage vor der Aufspaltung (zur Aufnahme) ..................... Rechtslage nach der Aufspaltung (zur Aufnahme) ................... Rechtslage vor der Abspaltung (zur Neugründung) ................. Rechtslage nach der Abspaltung (zur Neugründung) ............... Rechtslage vor der Ausgliederung (zur Neugründung) ............ Rechtslage nach der Ausgliederung (zur Neugründung) .......... Rechtslage vor der Ausgliederung (zur Aufnahme) ................. Rechtslage nach der Ausgliederung (zur Aufnahme) ............... Rechtslage vor der Abspaltung (zur Aufnahme) upstream ....... Rechtslage nach der Abspaltung (zur Aufnahme) upstream .....

131 190 191 192 197 197 198 199 207 207 208 208 209 274 274 276 276 296 296 300 300 302 302 305 305 331 331 345 345 356 356 359 359 361 361

Abbildungsverzeichnis Abbildung 9.11: Abbildung 9.12: Abbildung 11.1: Abbildung 11.2: Abbildung 11.3:

Rechtslage vor der Ausgliederung (zur Aufnahme) upstream .. Rechtslage nach der Ausgliederung (zur Aufnahme) upstream ................................................................................... Möglichkeiten des Formwechsels für die einzelnen mitbestimmungspflichtigen Rechtsträger .......................................... Rechtslage vor dem Formwechsel der Konzernspitze .............. Rechtslage nach dem Formwechsel der Konzernspitze ............

29 367 367 392 414 414

Abkürzungsverzeichnis a.a.O. Abb. Abs. AcP a.F. AfP AG

AktG AmtsBl. AmtsBl. EG Anh. Anm. AntE AnwKomm AnwKomm Aktienrecht AO AP AR ArbG ArbGG ArbN ArbuR Art. Aufl. AÜG BAG BAGE BArbBl. BayObLG BayObLGZ

am angegebenen Ort Abbildung Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) alte Fassung Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, für deutsches, europäisches und internationales Unternehmensund Kapitalmarktrecht; Amtsgericht Aktiengesetz Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Anhang Anmerkung Anteilseigner Anwaltkommentar (Reihe) Anwaltkommentar Aktienrecht (im Literaturverzeichnis bei Heidel) Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts (Entscheidungssammlung, zitiert nach Vorschrift und laufender Nummer) Aufsichtsrat Arbeitgeber; Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitnehmer Arbeit und Recht (Zeitschrift) Artikel Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) Bundesarbeitsgericht; Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Bundesaufsichtsamtsgesetz) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (zitiert nach Band und Seite) Bundesarbeitsblatt (Zeitschrift) Bayerisches Oberstes Landesgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen

Abkürzungsverzeichnis BB Bd. BDA BDI BeckHandbuch GmbH BeckMandHandbuch Unternehmenskauf BetrVG 1952 BetrVG 1972 BFH BFHE BGB BGBl. I BGBl. II BGBl. III

BGH BGHZ BR BRD BR-Drucks. BReg. BStBl. I

BStBl. II BT BT-Drucks. BV

BVerfG BVerfGE bzw. ca. c.i.c. DB DBA

31

Betriebs-Berater, Zeitschrift für Recht und Wirtschaft Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverband der Deutschen Industrie Beck’sches Handbuch der GmbH (im Literaturverzeichnis bei Müller, W. u.a.) Beck’sches Mandatshandbuch Unternehmenskauf (im Literaturverzeichnis bei Hettler u.a.) Betriebsverfassungsgesetz 1952 Betriebsverfassungsgesetz 1972 Bundesfinanzhof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (zitiert nach Band und Seite) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I Bundesgesetzblatt Teil II Bereinigte Sammlung des Bundesrechts, abgeschlossen am 31. Dezember 1968 (in Nachweisform fortgeführt durch Fundstellennachweis A (Bundesgesetzblatt Teil I, Bundesrecht ohne völkerrechtliche Vereinbarungen) Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite) Bundesrat Bundesrepublik Deutschland Drucksache des Bundesrats Bundesregierung Bundessteuerblatt Teil I: Veröffentlichungen des Bundesministeriums der Finanzen und der obersten Finanzbehörden der Länder, herausgegeben vom Bundesministerium der Finanzen (Zeitschrift) Bundessteuerblatt Teil II: Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, herausgegeben vom Bundesministerium der Finanzen (Zeitschrift) Bundestag Drucksache des Bundestags Beslooten Vennootschap met beperkte aansprakelijkleid (Rechtsform des niederländischen Gesellschaftsrechts, verwandt der Gesellschaft mit beschränkter Haftung des deutschen Gesellschaftsrechts) Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zitiert nach Band und Seite) beziehungsweise circa culpa in contrahendo Der Betrieb, Wochenschrift für Betriebswirtschaft, Steuerrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen (Völkerrechtlicher Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 GG zur Vermeidung der Doppelbesteuerung)

32 DBA-USA 1989

DGB d.h. DIHK DNotZ DrittelbG DStR DZWiR DZWIR EBRG EFTA EFZG e.G. EG EGBGB EGKS EGKSV EGÜbk EGV Einf. Einl. Elfte Richtlinie

ErfKomm EStG EU EuGH EuGHE EuGHE I

Abkürzungsverzeichnis Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (Doppelbesteuerungsabkommen USA 1989) Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Deutscher Industrie- und Handelskammertag Deutsche Notar-Zeitschrift, Verkündungsblatt der Bundesnotarkammer (Zeitschrift) Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz) Deutsches Steuerrecht, Wochenschrift für Steuerrecht, Wirtschaftsrecht und Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, bis einschließlich Jahrgang 1998, spätere Jahrgänge: Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht, vormals: Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische Betriebsrätegesetz) European Free Trade Association Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) eingetragene Genossenschaft Europäische Gemeinschaft(en); Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-Vertrag) Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) Einführung Einleitung Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsform errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (im Literaturverzeichnis bei Dieterich u.a.) Einkommensteuergesetz Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes (der Europäischen Gemeinschaften), bis einschließlich Jahrgang 1989 Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes (der europäischen Gemeinschaften) und des Gerichts erster Instanz, Teil I:

Abkürzungsverzeichnis

EuGHE II EuGRZ EuLF EuR EUV EuZW EWG EWGV EWiR EWR EWS EzA f. FamRZ FAZ ff. FG Fn. FNA Form. G GA GbR GDV GenG GewArch GewMH GG ggf. GK GK-BetrVG

GK-HGB

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Gerichtshof (der Europäischen Gemeinschaften), ab Jahrgang 1990 Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs (der Europäischen Gemeinschaften) und des Gerichts erster Instanz, Teil II: Gericht erster Instanz, ab Jahrgang 1990 Europäische Grundrechte-Zeitschrift The European Legal Forum – Forum iuris communis Europae (Zeitschrift) Europarecht (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung der Europäischen Union (EU-Vertrag) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht, Kurzkommentare (Zeitschrift) Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht, Betriebs-Berater für Europarecht (Zeitschrift) Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht (zitiert nach Vorschrift und laufender Nummer) folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht, Erbrecht, Verfahrensrecht, Öffentlichem Recht Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Finanzgericht Fußnote Bundesgesetzblatt Teil I, Fundstellennachweis A (Bundesrecht ohne völkerrechtliche Vereinbarungen) Formular Gesetz Generalanwalt Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Gesetz betreffen die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltungsrecht Gewerkschaftliche Monatshefte (Zeitschrift) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar (Reihe) Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz in zwei Bänden, Band I: §§ 1-73b mit Wahlordnungen; Band II: §§ 74-132 (im Literaturverzeichnis bei Kraft, A. u.a. (8. Aufl. 2005) bzw. bei Fabricius u.a. (7. Aufl. 2002)) Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch (im Literaturverzeichnis bei Ensthaler)

34 GK-KR GmbH GmbHG GmbHR GrS GVG Halbs. HeidelbergKomm HeidelbergKomm HGB HeidelbergKomm KStG HGB HK HK-BGB Hrsg. IAS insb. InsO IPR IPRax i.S.d. IStR i.S.v. i.V.m. JA Jura JuS JW JZ Kap. KapErhG KfH KG KGaA KölnKomm KölnKomm AktG KonTraG Konzern

Abkürzungsverzeichnis Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften (im Literaturverzeichnis bei Becker u.a.) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz) GmbH-Rundschau, Gesellschafts- und Steuerrecht der GmbH und GmbH & Co. (Zeitschrift) Großer Senat Gerichtsverfassungsgesetz Halbsatz Heidelberger Kommentar (Reihe) Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch (im Literaturverzeichnis bei Glanegger u.a.) Heidelberger Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz (im Literaturverzeichnis bei Erle u.a.) Handelsgesetzbuch Handkommentar Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar (im Literaturverzeichnis bei Schulze u.a.) Herausgeber International Accounting Standard insbesondere Insolvenzordnung Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) im Sinne der / des Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter, Zeitschrift für Studenten und Referendare Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung, Zeitschrift für Studium und praktische Ausbildung Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung Kapitel Kapitalerhöhungsgesetz Kammer für Handelssachen Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommentar (Reihe) Kölner Kommentar zum Aktiengesetz (im Literaturverzeichnis bei Zöllner u.a.) Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Der Konzern, Zeitschrift für Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Bilanzrecht und Rechnungslegung der verbundenen Unternehmen

Abkürzungsverzeichnis KR KSchG KStG LAG LG lit. LM

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Kündigungsrecht Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuergesetz Landesarbeitsgericht Landgericht litera (d.h. Buchstabe) Lindenmaier / Möhring (Hrsg.): Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, (Entscheidungssammlung, zitiert nach Vorschrift und laufender Nummer) Ltd. private limited company bzw. private company limited by shares (Rechtsform des englischen Gesellschaftsrechts, verwandt der Gesellschaft mit beschränkter Haftung des deutschen Gesellschaftsrechts) MDR Monatsschrift für Deutsches Recht, Zeitschrift für die Zivilrechtspraxis MitbestBeiG Gesetz zur Beibehaltung der Mitbestimmung beim Austausch von Anteilen und der Einbringung von Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffen (Mitbestimmungsbeibehaltungsgesetz) MitbestErgG Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Mitbestimmungsergänzungsgesetz) MitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) MittRhNotK Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer, bis Jahrgang 2000, spätere Jahrgänge: Rheinische Notar-Zeitschrift MontanmitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montanmitbestimmungsgesetz) MünchAnwHandbuch Münchener Anwaltshandbuch (Reihe) MünchAnwHandbuch Münchener Anwaltshandbuch Unternehmenssteuerrecht (im LiUnternehmensteraturverzeichnis bei Lüdicke u.a.) steuerrecht MünchAnwHandbuch Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht (im LiteraturverGmbHR zeichnis bei Römermann) MünchHandbuch Münchener Handbuch (Reihe) MünchHandbuch Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht (im Literaturverzeichnis Arbeitsrecht bei Richardi u.a.) MünchHandbuch Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts (im LiteraturverGesellschaftsrecht zeichnis bei Gummert u.a.) MünchKomm Münchener Kommentar (Reihe) MünchKomm AktG Münchener Kommentar zum Aktiengesetz (im Literaturverzeichnis bei Kropff u.a.) MünchKomm BGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (im Literaturverzeichnis bei Rebmann u.a.) MünchKomm HGB Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch (im Literaturverzeichnis bei Schmidt, K.) MuSchG Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz)

36 Nachw. n.F. NJW NJW-RR Nr. NZA NZA-RR NZG oHG OLG OLGZ PartGG pHG PLC R RabelsZ RdA Rdnr(n). RFH RFHE RG RGZ RIW RL

RNotZ Rs. Rspr. RStBl. S. SA SAE

Abkürzungsverzeichnis Nachweis(e) neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Zeitschrift) Nummer(n) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht, Das gesamte Recht der Personen- und Kapitalgesellschaften, Konzernrecht, Umwandlungsrecht, Unternehmenskauf, Steuer- und Bilanzrecht offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (zitiert nach Band und Seite) Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) persönlich haftender Gesellschafter public limited company (Rechtsform des englischen Gesellschaftsrechts, verwandt der Aktiengesellschaft des deutschen Gesellschaftsrechts) Recht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (zitiert nach Band und Seite) Recht der Arbeit, Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts Randnummer(n) Reichsfinanzhof Amtliche Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs (zitiert nach Band und Seite) Reichsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite) Recht der Internationalen Wirtschaft, Betriebs-Berater International (Zeitschrift) Richtlinie im Sinne des Art. 249 Abs. 3 EGV: Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Rheinische Notar-Zeitschrift, vormals: Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt (Zeitschrift) Seite société anonyme (Rechtsform des französischen Gesellschaftsrechts, verwandt der Aktiengesellschaft des deutschen Gesellschaftsrechts) Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen

Abkürzungsverzeichnis SARL SE SEAG SEBG Sec. SEEG SE-Richtlinie SE-Verordnung SGG sog. SprAuG SpruchG SpTrUG StGB TVG Tz. u.a. UmwBerG UmwG UmwStG US USA US-GAAP usw. v. VAG Var. vgl. VO

Vorb. VVaG WFBV

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société à responsabilité limitée (Rechtsform des französischen Gesellschaftsrechts, verwandt der Gesellschaft mit beschränkter Haftung des deutschen Gesellschaftsrechts) Societas Europaea (Europäische (Aktien-)Gesellschaft) Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz) Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz) Section Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SE-Einführungsgesetz) Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer Verordnung EG 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft Sozialgerichtsgesetz so genannt Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (Spruchverfahrensgesetz) Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Strafgesetzbuch Tarifvertragsgesetz Textziffer und andere; unter anderem Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz United States Unites States of America United States – Generally Accepted Accounting Principles und so weiter vom; von Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Variante vergleiche (Rechts-)Verordnung im Sinne des Art. 80 GG; Verordnung im Sinne des Art. 249 Abs. 2 EGV: Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Vorbemerkung Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen (Niederländisches Gesetz über formal ausländische Gesellschaften)

38 WiB WM WpHG WpÜG WSI-Mitt. WuB z.B. ZBB ZfA ZfBR ZG ZGR ZHR ZIP ZPO ZVglRWiss

Abkürzungsverzeichnis Wirtschaftsrechtliche Beratung, Zeitschrift für Wirtschaftsanwälte und Unternehmensjuristen Wertpapiermitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WSI-Mitteilungen, Monatsschrift des Wirtschafts- und Sozialrechtlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes (Zeitschrift) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (Loseblattsammlung) zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, vormals: Zeitschrift für die Insolvenzrechtliche Praxis Zivilprozessordnung Zeitschrift für die vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung und Problemstellung A. Ausgangspunkt und Ziele der Untersuchung In der Bundesrepublik Deutschland sind Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Arbeitnehmermitbestimmung unterworfen. Das deutsche Recht kennt dabei verschiedene Mitbestimmungsstatute, deren jeweiliges Eingreifen sich an der konkreten Ausgestaltung der betroffenen Unternehmen orientiert1. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Frage, welche Umgestaltungen der rechtlichen Unternehmensstruktur unter Einsatz von Gestaltungsinstrumenten des Gesellschaftsrechts eine gezielte Änderung auch des geltenden Mitbestimmungsregimes ermöglichen. Fokussiert werden dabei zum einen das deutsche Recht der Unternehmensumwandlung2, welches vornehmlich geprägt ist durch das Umwandlungsgesetz (UmwG) vom 28. Oktober 1994, und zum anderen die gezielte Beeinflussung des auf das Unternehmen anzuwendende Recht durch die grenzüberschreitende Verlagerung des Verwaltungssitzes innerhalb des Binnenmarktes der Europäischen Gemeinschaften3. Eine Änderung des mitbestimmungsrechtlichen Status eines Unternehmens kann sich dabei denklogisch in zwei Richtungen vollziehen und dementsprechend entweder zum Mitbestimmungsverlust oder zum Mitbestimmungszuwachs führen. Zum einen steht folglich zur Diskussion, auf welche Weise ein derzeit mitbestimmtes Unternehmen sich der Arbeitnehmerbeteiligung vollständig begeben oder aber zumindest im gesetzlichen Stufenmodell4 der verschiedenen deutschen Mitbestimmungsgesetze auf ein weniger einschneidendes Beteiligungsniveau ausweichen kann. Man spricht in diesen Fällen von der Flucht aus der Unternehmensmitbestimmung5. ___________ 1 Vgl. zum Konzept des Rechts der Arbeitnehmermitbestimmung unten Kapitel 1 (§§ 1 bis 6). 2 Vgl. dazu unten Kapitel 2 (§§ 7 bis 11). 3 Vgl. dazu unten Kapitel 3 (§§ 12 bis 15). 4 Vgl. dazu ausführlich unten § 6; außerdem Henssler, ZfA 2000, S. 241 (243); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV 1 f. 5 Vgl. z.B. Fleischer, AcP 204 (2004), S. 502 (535); Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (414); Henssler, ZfA 2000, S. 241 (242); Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (199 f.); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 163; vgl. zu der Flucht von mitbestimmungspflichtigen Unternehmen aus der Unter-

Einleitung und Problemstellung

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Gleichsam spiegelbildlich zur Problematik der Flucht aus der Mitbestimmung ist aber auch von zumindest theoretischem Interesse, ob ein Rechtsträger, für den von vornherein eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer gesetzlich nicht vorgesehen ist, diese aus eigenem Antrieb einführen kann. Dabei ruht das Augenmerk natürlich weniger auf der unbestritten durchführbaren rein tatsächlichen Verteilung von Aufsichtsrats- und gegebenenfalls auch Vorstandsmandaten auf Interessenvertreter der Unternehmensbelegschaft als vielmehr auf der privatautonomen Einführung einer den Unternehmensträger in entsprechender Weise rechtlich bindenden Verpflichtung. Ein ähnliches Problem kann sich dann stellen, wenn ein Unternehmen etwa aus steuer- oder haftungsrechtlichen Gründen umstrukturiert wird und im Zuge dessen die Voraussetzungen der gesetzlich angeordneten Arbeitnehmermitbestimmung als unerwünschter Nebeneffekt wegfallen. Erwägungen zu derartigen Mitbestimmungsvereinbarungen auf freiwilliger Basis haben im Zuge der in den letzten Jahren erheblich in Schwung gekommenen Diskussion um die im internationalen Vergleich konkurrenzfähige Ausgestaltung der Corporate Governance deutscher Unternehmen sowie um die Unternehmensverfassung einer Europäischen Aktiengesellschaft jedoch deutlich an praktischer Bedeutung verloren6. Sie werden daher in der Untersuchung keine Berücksichtigung finden.

B. Rechtsgrundlagen der Unternehmensmitbestimmung Die Rechtsgrundlagen der institutionellen Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene finden sich gleich in einer Vielzahl von Gesetzen. In erster Linie sind die nachstehenden fünf Mitbestimmungs- und Beteiligungsgesetze zu nennen:  das Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz – DrittelbG)7, welches durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat8

___________ nehmensmitbestimmung als ein Globalphänomen Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 1. 6 Allerdings kennt das Recht der Europäischen Aktiengesellschaft die Möglichkeit, unter dem Druck einer gesetzlichen Auffangregelung eine privatautonome Vereinbarung zwischen der Unternehmensführung und einem besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer abzuschließen, vgl. dazu unten § 5 B., ausführlich unten § 15 D. II. 5. c) cc). 7 Vgl. dazu ausführlich unten § 4 C. 8 BGBl. I 2004 S. 974.

Einleitung und Problemstellung



 



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vom 18. Mai 2004 die Unternehmensmitbestimmung zu einem Drittel nach Maßgabe des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 abgelöst hat, das am 1. Juli 2004 außer Kraft getretene Betriebsverfassungsgesetz 1952 (BetrVG 1952)9, da dessen Normen (§§ 76 bis 87a) auch nach dem Außerkrafttreten des Gesetzes gemäß § 15 DrittelbG auf Wahlen und Abberufungen von Arbeitnehmervertretern anwendbar bleiben, die schon vor dem Tag des Inkrafttretens des Drittelbeteiligungsgesetzes und der entsprechenden Wahlordnung eingeleitet worden sind10, das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz – MitbestG)11, das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montanmitbestimmungsgesetz – MontanmitbestG)12 und das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Mitbestimmungsergänzungsgesetz – MitbestErgG)13.

Die Reihenfolge, in der die Mitbestimmungsgesetze vorstehend aufgelistet worden sind, entspricht der ihrem gesetzübergreifenden System immanenten hierarchischen Ordnung. Mit der Rechtsfolge der Mitbestimmung im Aufsichtsrat zu einem Drittel etabliert das Drittelbeteiligungsgesetz als Nachfolger des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 das schwächste dem deutschen Organisationsrecht bekannte Beteiligungsstatut nach der vollständigen Mitbestimmungslosigkeit. Es folgt eine (nahezu) ausgeglichene Verteilung der Machtverhältnis___________ 9 Betriebsverfassungsgesetz vom 11.10.1952 (BGBl. I 1952 S. 681), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2001 (BGBl. I 2001 S. 1852), außer Kraft gesetzt durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18.05.2004 (BGBl. I 2004 S. 974); vgl. dazu ausführlich unten § 4 B. 10 Vgl. ausführlich unten § 4 A. 11 Mitbestimmungsgesetz vom 04.05.1976 (BGBl. I 1976 S. 1153), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 08.06.2005 (BGBl. I 2005 S. 1530); vgl. dazu ausführlich unten § 3. 12 Montanmitbestimmungsgesetz vom 21.05.1951 (BGBl. I 1951 S. 347), zuletzt geändert durch Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18.05.2004 (BGBl. I 2004 S. 974); vgl. dazu ausführlich unten § 2 B. 13 Mitbestimmungsergänzungsgesetz vom 07.08.1956 (BGBl. I 1956 S. 707), zuletzt geändert durch das Erste Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19.04.2006 (BGBl. I 2006 S. 866); vgl. dazu ausführlich unten § 2 C.

Einleitung und Problemstellung

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se im Aufsichtrat zwischen den Vertretern der Anteilsinhaber und den Repräsentanten der Arbeitnehmer unter der Geltung des Mitbestimmungsgesetzes 1976. Daneben hebt sich diese zweite Stufe der Arbeitnehmerbeteiligung an der Unternehmensführung dadurch vom Drittelbeteiligungsstatut ab, dass über die Rechtsfigur des Arbeitsdirektors in einem gewissen Umfang Mitwirkungsrechte nicht nur im Kontroll-, sondern auch im Leitungsorgan (Vorstand, Geschäftsführung) des Unternehmens gewährt werden. Den speziellsten Fall der Unternehmensmitbestimmung schließlich beschreibt das in zwei Gesetzen geregelte Montanstatut, denn zum einen weicht das paritätische Beteiligungsniveau im Aufsichtrat bei genauer Betrachtung noch einmal in einigen Feinheiten von den Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 ab, zum anderen beansprucht das Montanstatut nur Geltung für Unternehmen und Konzerne des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie. Neben diese Fülle von Gesetzen ist jüngst noch das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz – SEBG) getreten. Sein Regelungsgegenstand ist ein spezifisches Sonderrecht mit dem Ziel der Regulierung der Mitbestimmungsbedingungen für die Arbeitnehmer von Unternehmen, die sich der neuen Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft, gegründet in der Bundesrepublik Deutschland, bedienen. Aufgrund dessen lässt es sich dogmatisch nicht ohne weiteres in das gewachsene Stufensystem der herkömmlichen Mitbestimmungsgesetze integrieren, sondern nimmt in vielerlei Hinsicht eine eher exotische Position ein. In dieser Untersuchung wird es vor allem als ein richtungweisendes Projekt der nationalen Gesetzgebung verstanden, welches mit Blick auf seinen europarechtlichen Hintergrund Vorbildfunktion für ein zukunftstaugliches reformiertes deutsches Recht der Unternehmensmitbestimmung haben könnte14. Der für ein konkretes Unternehmen einschlägige Beteiligungsstatus, das heißt also das im Einzelfall auf das Unternehmen anwendbare Mitbestimmungsgesetz, bestimmt sich gemäß den gesetzlichen Vorgaben nach den folgenden Faktoren:  der Rechtsform, in welcher der Unternehmensträger sein Unternehmen betreibt: Mitbestimmungspflichtig können insgesamt nur sein Gesellschaften, die als Aktiengesellschaft15, Kommanditgesellschaft auf Aktien16, Ge-

___________ 14

Vgl. dazu unten § 15 D. III. 1. b) bb). Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG (bzw. § 76 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 6 Sätze 1 und 2) BetrVG 1952), § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG, § 1 MitbestErgG. 16 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 DrittelbG (bzw. § 76 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 6 Satz 3) BetrVG 1952), § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG. 15

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sellschaft mit beschränkter Haftung17, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft18 oder Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit19 verfasst sind, der Anzahl der im Unternehmen in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer20, dem tatsächlichen Verwaltungssitz des Unternehmens im deutschen Inland (völkerrechtliches Territorialitätsprinzip)21, dem schwerpunktmäßigen Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit (Montantätigkeit22 einerseits und besonderer Tendenzschutzbereich23 andererseits) sowie der in der Gesellschaftssatzung oder im Gesellschaftsvertrag niedergelegten Höhe des Nennkapitals des Unternehmensträgers24.

Jene Maßstäbe der Unternehmensmitbestimmung veranschaulichen, dass ein Unternehmen durchaus in der Lage ist, von der Mitbestimmungsfreiheit aus in die Mitbestimmungspflicht hineinzuwachsen und sie auch wieder zu verlassen. Darüber hinaus ist ein Wechsel zwischen den verschiedenen Mitbestimmungsstatuten denkbar. Dies beruht darauf, dass ein Unternehmen niemals als ein statisches Gebilde begriffen werden darf, sondern in Abhängigkeit vom Umfang seiner Teilnahme am Rechts- und Wirtschaftsverkehr sich stets als ein mehr oder weniger dynamischer Prozess erweist. Die Feststellung jener Dynamik gilt zunächst einmal auch völlig losgelöst von etwaigen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen der Umstrukturierung. So kann das aktuelle Mitbestimmungsniveau schon durch rein unternehmensinter___________ 17

Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG (bzw. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952), § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG, § 1 MitbestErgG. 18 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 DrittelbG (bzw. § 77 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG 1952), § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG. 19 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 DrittelbG (bzw. § 77 Abs. 2 BetrVG 1952). 20 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 (jeweils Satz 1) DrittelbG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG. 21 Siehe aus der Rechtsprechung die Entscheidungen OLG Stuttgart 30.03.1995 – 8 W 355/93, ZIP 1995, S. 1004 – Charles Vögele Holding AG; LG Düsseldorf 05.06.1979 – 25 AktE 1/78, DB 1979, S. 1451 – VFW Fokker GmbH; aus der Literatur z.B. Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 3; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 13; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 16 f.; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 7, § 5 Rdnr. 14; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 123; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 33; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 2. 22 Vgl. § 1 Abs. 1 MontanmitbestG, § 1 MitbestErgG. 23 Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 DrittelbG, § 1 Abs. 4 MitbestG. 24 Vgl. § 95 Satz 4 AktG (ggf. i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG oder § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG), § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 MontanmitbestG, § 5 Abs. 1 Satz 3 MitbestErgG.

Einleitung und Problemstellung

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ne Wachstums- oder Schrumpfungsvorgänge beeinflusst werden, etwa indem infolge zunehmender geschäftlicher Tätigkeit das Stamm- oder Grundkapital des Unternehmens heraufgesetzt wird, zur Bewältigung der anfallenden Aufgaben zusätzliche Arbeitskräfte im Unternehmen beschäftigt werden oder durch die Erschließung neuer und das Verlassen alter Geschäftsbereiche sich der Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit verschiebt. Von Interesse sollen im vorliegenden Zusammenhang allerdings nur solche Vorgänge sein, bei denen die Struktur des Unternehmens sich aufgrund der angesprochenen gesellschaftsrechtlichen Prozeduren ändert. Soweit dabei im Zuge etwa von Unternehmensverschmelzungen oder Unternehmensspaltungen Phänomene wie ein Anstieg der Arbeitnehmerzahl oder des im Unternehmen gebündelten Eigenkapitals zu konstatieren sind, spricht man nicht von internem, sondern von externem Wachstum.

C. Vor- und Nachteile der Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene In der Praxis besteht ein breites Spektrum an Gründen, auf die sich der Wunsch der Unternehmensführung oder der Anteilsinhaber des Unternehmensträgers nach einer Flucht aus der Mitbestimmung zurückführen lässt. Nicht ausgeschlossen ist aber, wie schon erwähnt wurde, auch das diametrale Bestreben, in bisher mitbestimmungsfreien Unternehmen die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern an den unternehmerischen Entscheidungsprozessen gezielt zu provozieren. In der arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur sind aus der Perspektive der Unternehmensleitung sowohl Vor- als auch Nachteile des gesetzlichen Mitbestimmungszwangs erkannt worden. Da sich empirisch weder seine Schädlichkeit noch sein Nutzen belegen lässt25, ist für die Gestaltungsaufgabe der Unternehmensumstrukturierung immer eine Prüfung entscheidend, welche dieser Aspekte im konkreten Einzelfall überwiegen. Die wichtigsten sind im nachfolgenden Überblick zusammengefasst. I. Denkbare Vorteile So wird zum einen betont, dass durch die Vergabe von Aufsichtsratssitzen auch an Vertreter der Arbeitnehmerseite eine weitere Interessengruppe innerhalb der Unternehmensorgane gebildet werde. Dies führe dazu, dass die Unternehmensleitung die Ansichten der Belegschaft bei der Entscheidungsfindung

___________ 25

Henssler, RdA 2005, S. 330.

Einleitung und Problemstellung

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nicht mehr schlicht übergehen könne. Dadurch werde der soziale Frieden innerhalb des Unternehmens gestärkt26. Dies gilt zumindest solange, wie der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des Aufsichtsrats beachtet wird. Unter dieser Prämisse können die Arbeitnehmervertreter neue besondere Sachkenntnis in das Gremium einbringen27 und seine Funktionsfähigkeit damit erheblich fördern. Darüber hinaus ist zu beachten, dass durch die Aufnahme von Arbeitnehmern in das Kontrollorgan des Unternehmens die starren Grenzen zwischen dem Rechtsträger des Unternehmens in seiner Rolle als Arbeitgeber und der Arbeitnehmerseite in gewissem Umfang durchbrochen werden und deshalb das herkömmliche Bild von diesen Parteien als soziale Gegenspieler an Bedeutung verlieren kann28. Das mag im Ergebnis sogar dazu führen, dass die Leistungsbereitschaft der einzelnen Arbeitnehmer und mit ihr die Produktivität des gesamten Unternehmens gesteigert wird29. Schließlich müssen nicht mehr ausschließlich fremdbestimmte Entscheidungen von den Arbeitnehmern umgesetzt werden, sondern die Unternehmensziele sind gerade über deren Vertreter im Aufsichtsrat mitgestaltet worden (interne Akzeptanz30). Dies veranlasste die von der Bertelsmann-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam eingesetzte Kommission Mitbestimmung im Jahre 1998 dazu, dem Institut der Unternehmensmitbestimmung zu bescheinigen, es fördere innerhalb der jeweiligen Unternehmen einen allgemeinen Konsens und wirke allgemein integrierend31. Überdies ist eine stärkere Akzeptanz von Entscheidungen der Unternehmensführung nicht unbedingt nur nach innen auf Seiten der Arbeitnehmer festzustellen. Vielmehr liegt einer der größten Vorteile der Arbeitnehmermitbestimmung darin, dass vom Vorstand bzw. von der Geschäftsführung gegenüber dem Aufsichtsrat durchgesetzte Maßnahmen im Einzelfall durchaus auch nach ___________ 26

Büdenbender, ZIP 2000, S. 385 (387). Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 143 V. 28 Vgl. in diesem Sinne auch Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 44: „Auch gesamtgesellschaftlich überwinde eine solche Beteiligung eine drohende Klassenkämpfermentalität, schaffe sozialen Frieden und stärke die staatliche Demokratie.“ 29 Vgl. in diesem Sinne (allerdings jeweils bezogen auf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf betrieblicher Ebene) v. Hoyningen-Huene in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 297 Rdnr. 18; Wendeling-Schröder, NZA 1999, S. 1065; Wiese in: GKBetrVG Bd. I, Einl. Rdnrn. 70 ff. 30 Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 44. 31 Vgl. den Bericht der Kommission Mitbestimmung der Bertelsmann-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung, Mitbestimmung und neue Unternehmenskulturen – Bilanz und Perspektiven (1998), Kap. 1 Rdnrn. 4 ff., Kap. 10 Rdnrn. 4, 15 ff.; Franzen, RdA 2004, S. 257. 27

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außen hin einen stärkeren Rückhalt erfahren, da sie nicht nur auf ihre Vereinbarkeit mit den Ansichten der Anteilseigner überprüft wurden, sondern ferner in demokratischer Weise mit denen der Belegschaft abgestimmt sind. Demgemäß kann auch gegenüber Dritten darauf hingewiesen werden, dass sämtliche im Unternehmen vertretenen Interessengruppen die Entscheidung gemeinsam getroffen haben, so dass diese gerade wegen des gefundenen Konsenses besonders tragfähig und mithin selbst durch Dritte weniger angreifbar ist. II. Denkbare Nachteile Der starke Rückhalt, den eine vom mitbestimmten Aufsichtsrat abgesegnete Entscheidung erfährt, hat aber seinen Preis. Er beruht gerade darauf, dass ein zahlreiche Positionen berücksichtigender Konsens erzielt wurde, der letztlich von allen im Unternehmen vertretenen Interessengruppen mit getragen wird. Genau dieser Punkt jedoch führt in der Praxis dazu, dass oftmals die Einigkeit im Aufsichtsrat überhaupt nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung erreicht werden kann. Besonders gravierende Konsequenzen wird dies in solchen Fällen haben, in denen zum Beispiel für das Überleben des Unternehmens notwendige Eilentscheidungen zu treffen sind. Hier kann es den Arbeitnehmervertretern bisweilen schwer vermittelbar sein, dass nunmehr ausschließliche wirtschaftliche Interessen des Unternehmens als Ganzes den Ausschlag geben und solche der Belegschaft unberücksichtigt bleiben müssen32. In der Konsequenz kann der dringende Beschluss möglicherweise nur verspätet oder überhaupt nicht gefasst werden33. Gerade vor diesem Hintergrund beklagen die Kritiker des deutschen Mitbestimmungszwangs, die Arbeitnehmerbeteiligung sei dem Gesellschaftsrecht nach traditionellem Verständnis wesensfremd und deshalb unmöglich ohne dogmatische und tatsächliche Einbrüche in dessen gewachsene Strukturen zu integrieren34. Sie sei mit dem Gesellschaftsrecht weniger verschmolzen als ___________ 32 Vgl. zum Verhältnis von Arbeitnehmer-, Anteilseigner- und Unternehmensinteressen BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., AG 1979, S. 95 = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG = BVerfGE 50, S. 290 (374) = NJW 1979, S. 699; v. Hoyningen-Huene in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 297 Rdnr. 27; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 1 III 2; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 24 II 1 c; Koch, Unternehmensinteresse als Verhaltensmaßstab der Aufsichtsratsmitglieder (1983), S. 28 ff., 133 ff. 33 Vgl. Adams, ZBB 1994, S. 77 (82); Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (349); Hoffmann-Becking in: Festschrift Havermann, S. 229; Hopt in: Festschrift Everling Bd. I, S. 475 (480); v. Hoyningen-Huene in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 297 Rdnr. 19; Lutter, AG 1994, S. 176 (177); Zöllner, AG 1994, S. 336 (338). 34 Vgl. zu den weitgehend daraus folgenden strukturellen Fehlern des geltenden Mitbestimmungsrechts Wißmann in: Festschrift Däubler, S. 385 ff.

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diesem vielmehr schlicht übergestülpt worden35. Auf diese Weise werde die Effizienz der Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats geschwächt36. Ein anderes könne lediglich dann gelten, wenn ein solches Vertrauensklima zwischen den im Aufsichtsrat gebildeten Gruppen der Arbeitnehmer- und der Anteilseignervertreter hergestellt werde, das die Ausübung der Mitbestimmungsrechte ohne wesentliche zeitliche Verzögerung erlaube. Dieses sei allerdings in hohem Maße personenabhängig und schon deswegen einer gesetzlichen Absicherung nicht zugänglich37. Demzufolge werde das Ideal des vertrauensvollen Zusammenwirkens in der Praxis regelmäßig durch Interessenkonflikte38 überlagert39. Diese Situation werde entgegen der gesetzgeberischen Intention aber durch das geltende Recht auch geradezu herausgefordert, nachdem ausschlaggebende Prinzipien der Aufsichtsratstätigkeit – in erster Linie die Pflicht zu Neutralität und Verschwiegenheit40 – mit den Anforderungen der Arbeitnehmer und Gewerkschaften an ihre Interessenvertreter schlicht unvereinbar seien41. In gewissem Umfang kann folglich die Doppelrolle42 als Mitglied eines neutralen Unternehmensorgans einerseits und als Repräsentant von Gruppeninteressen andererseits schon als in sich widersprüchlich und geradezu paradox aufgefasst werden. Nicht zuletzt wird die Gefahr gesehen, dass die Arbeitnehmervertreter sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Mitglieder des Kontrollorgans von Erwägungen leiten lassen, die gar keinen Unternehmensbezug aufweisen, sondern allein der betrieblichen Ebene zuzurechnen sind43. Das deutsche Mitbestimmungsrecht beruht zwar auf einem dualistischen System, welches Mitwir___________ 35

Raiser, MitbestG, Einl. Rdnr. 62; Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 180. 36 Sandrock, AG 2004, S. 57 (60); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (490). 37 Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (421). 38 Vgl. dazu auch Sandrock, AG 2004, S. 57 (61); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (492), jeweils mit w. Nachw.; ferner Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 78. 39 Lutter, AG 1994, S. 176 f. 40 Vgl. zum Spannungsfeld von Verschwiegenheitspflicht und Mitbestimmung Hengeler in: Festschrift Schilling, S. 175 ff.; Hueck, RdA 1975, S. 35 ff.; Kittner, ZHR 136 (1972), S. 208 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rdnrn. 249 f.; Raiser, MitbestG, § 25 Rdnr. 125; Theisen, AG 1987, S. 137 (143); vgl. ferner BGH 05.06.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, S. 325 ff.; BGH 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, S. 1629; Gaul, GmbHR 1986, S. 296 ff.; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnrn. 615 f.; Lutter, BB 1980, S. 291 ff.; Säcker, NJW 1986, S. 803 ff.; Ulmer, NJW 1980, S. 1603 ff.; Wais, NJW 1982, S. 1263. 41 Hopt in: Festschrift Everling Bd. I, S. 475 (479); vgl. außerdem AG München 02.05.1985 – HRB 2212, ZIP 1985, S. 1139 ff. 42 Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (419). 43 Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 143 V.

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kungskompetenzen der Arbeitnehmer sowohl im Bereich der unternehmensbezogenen Entscheidungsfindung als auch im betrieblichen Bereich kennt44. Allerdings sind diese Topoi aus gesetzessystematischen wie auch teleologischen Gesichtspunkten heraus streng voneinander zu trennen45. Das maßgebliche Instrument zur Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Betrieb ist der Betriebsrat im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG 1972) vom 15. Januar 1972. Demgegenüber erschöpfen sich etwa in der Aktiengesellschaft die Aufgaben des Aufsichtsrats in der Bestellung und Abberufung von Mitgliedern des Vorstands, der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft gegenüber diesen sowie der Überwachung der Geschäftsführung46, §§ 84, 111 Abs. 1, 112 AktG. Rein betriebsbezogene Erwägungen dürfen nach dem gesetzlichen Konzept bei dieser Tätigkeit keine Rolle spielen. Gleichwohl sind die einzelnen Vertreter der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat sowohl in eigener Person als auch über die sonstige Belegschaft, der sie nun einmal ebenfalls angehören, faktisch stark an betriebliche Interessen gebunden. In der Praxis wird deshalb nicht selten der gesetzlichen Vorgabe zuwider die Zustimmung des Arbeitnehmerquorums im Aufsichtsrat von ausschließlich betriebsbezogenen Zugeständnissen der Unternehmensleitung und damit der Arbeitgeberseite abhängig gemacht47. III. Beurteilungsmaßstäbe Solchen Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften48 oder im sonstigen Ausland ihren Sitz haben, ist das deutsche ___________ 44

Vgl. dazu unten § 1. Vgl. Eisemann in: ErfKomm Arbeitsrecht, BetrVG § 1 Rdnr. 3; Fitting/Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, Vorb. Rdnr. 15; v. Hoyningen-Huene in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 297 Rdnr. 36 mit w. Nachw.; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 1 III 3; Raiser, MitbestG, Einl. Rdnrn. 56 ff., § 25 Rdnrn. 68 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV 1 f mit w. Nachw. 46 Vgl. dazu Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnrn. 608, 610 ff. (insb. 611); v. Hoyningen-Huene in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 297 Rdnr. 28; Hüffer, AktG, § 84 Rdnrn. 12 f., § 111 Rdnrn. 2 ff., § 112 Rdnrn. 1 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rdnrn. 61 ff., 412 ff., 424 ff.; Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.01 Rdnr. 61, Form. 1.02 Rdnr. 3, Form. 8.03 Rdnr. 1; Säcker, NJW 1979, S. 1521; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 IV 2 a bb; Seibt in: Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 34. 47 Weitere Kritikpunkte unten § 15 D. II. 5. b). 48 Außer in Deutschland existiert unternehmensbezogene Arbeitnehmermitbestimmung z.B. auch in den EG-Mitgliedstaaten Frankreich (Art. 432-6 Code du Travail), Österreich (§ 110 Abs. 1 ArbeitsverfassungsG) und den Niederlanden, vgl. Zimmer in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften, S. 363 (366 f.). Allerdings wird das deutsche Beteiligungskonzept allgemein im Vergleich als ausgesprochen intensiv angesehen, 45

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System der Arbeitnehmermitbestimmung in der konkreten Reichweite der Beteilungsrechte regelmäßig zumindest insoweit unbekannt, als es sich um die hier beleuchtete unternehmensbezogene Mitbestimmung handelt49. Aus den zuletzt genannten Erwägungen heraus wird es von dieser Seite auch zumeist als Bremse einer dynamischen Unternehmenspolitik und als gravierender Wettbewerbsnachteil für die betroffenen Unternehmen verstanden50. Dieser Aspekt stellt angesichts der stetig im Wachsen begriffenen wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zwischen Rechtsträgern verschiedener Nationalität bereits für sich betrachtet einen weiteren Gesichtspunkt dar, der gegen die rechtspolitische Stimmigkeit des geltenden deutschen Mitbestimmungsrechts ins Feld geführt werden kann. Seine Einzigartigkeit wird deshalb in der Literatur auch immer wieder als der wesentliche Grund dafür herausgestellt, dass das Vorhaben, auf europäischer Ebene eine supranationale Gesellschaftsform in Gestalt der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE) zur Verfügung zu stellen, wegen der Unstimmigkeiten über die Reichweite der Arbeitnehmerbeteiligung über mehrere Jahrzehnte hinweg nicht umgesetzt werden konnte51, bis ihm schließ___________ vgl. etwa Wißmann in: Festschrift Däubler, S. 385 (389): „deutliches Gefälle“ mit dem deutschen System der Unternehmensmitbestimmung an der Spitze; vgl. auch Baums/Ulmer, Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Recht der EU-Mitgliedstaaten (2004). 49 Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (388); Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 143 V; Wiesner, ZIP 2001, S. 397. 50 Vgl. nur Adams, AG 1990, S. 243 (255); Adams, ZBB 1994, S. 77 (82); Becker, ZHR 165 (2001), S. 280; Franzen, RdA 2004, S. 257; Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (420); Henssler, ZfA 2000, S. 241 (243); Hopt in: Festschrift Everling Bd. I, S. 475 und 478; Horn, ZIP 2000, S. 473 (484); Horn, Europäisches Finanzmarktrecht (2003), S. 135 f.; Horn, NJW 2004, S. 893 (899 f.); Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht Bd. II, § 15 Rdnr. 25; Michalski, AG 1997, S. 152 (156); Paefgen, DB 2003, S. 487 (492); Röhrich, RIW 1993, S. 93 (95); Romano in: Bratton/Mc Caherty/Picciotto/Scott, International Regulatory Competition and Coordination, S. 127 (138); Sandrock, AG 2004, S. 57 (61); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (492); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 122, 163; Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 77 Rdnr. 45; Thüsing, ZIP 2004, S. 381; Ulmer, ZHR 166 (2002), S. 271; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (17); Wiesner, ZIP 2004, S. 243; ferner die Gemeinsame Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitnehmerverbände (BDA), des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), des Bundesverbands deutscher Banken und des Deutschen Aktieninstituts zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 03.05.2004. 51 Hanau, RdA 1998, S. 231; Hasselbach, NZG 1999, S. 291; Heinze, ZGR 2002, S. 66 (69); Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387; Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193; Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424; Hopt in: Festschrift Everling Bd. I, S. 475 und 485; Kolvenbach, NZA 1998, S. 1323; Pluskat, DStR 2001, S. 1483; Schumann in:

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lich zunächst mit der Einigung auf die europarechtlichen Rechtsgrundlagen im Jahre 2001 und dann mit der Fertigstellung der zugehörigen Rechtsvorschriften auf der Ebene der einzelnen EG-Mitgliedstaaten im Jahre 2004 der lange überfällige Erfolg beschert wurde. Eine völlig andere Frage ist aber, ob die faktisch bestehende Abneigung dem deutschen Recht der Mitbestimmung gegenüber tatsächlich gerechtfertigt ist. In Einzelfällen mag dies durchaus zu bejahen sein. Ausschlaggebend ist allerdings, dass sich eine verallgemeinerungsfähige Aussage über die positive oder negative Beeinflussung der Unternehmensführung durch die Arbeitnehmermitbestimmung nicht treffen lässt. Vielmehr ist das Ergebnis der Beurteilung von zahlreichen Einzelfallfaktoren und nicht zuletzt in vielerlei Hinsicht auch von rein subjektiven Empfindungen abhängig52. So mag etwa in einem Unternehmen, welches an einer Fusion mit einem anderen Rechtsträger interessiert ist, die momentane Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat unerwünscht sein, sei es, weil der Aufsichtsrat aufgrund seiner konkreten Besetzung sich entschließt, gegen die anstehende Fusion vorzugehen, sei es, weil der potentielle Fusionspartner die Bedingung stellt, er werde allein mit einem mitbestimmungsfreien Unternehmen verschmelzen, um nicht Gefahr zu laufen, im Ergebnis selbst vom Mitbestimmungszwang erfasst zu werden. Letzteres Problem wird sich insbesondere bei grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenführungen stellen53. Auf der anderen Seite ist es allerdings auch denkbar, dass ein Unternehmen von derartigen Sachverhalten nicht berührt ist und die Unternehmensleitung gerade Wert darauf legt, dass ihre Entscheidungen aufgrund der Existenz von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat in oben beschriebener Weise sowohl gegenüber der Belegschaft als auch nach außen hin eine möglichst starke Legitimation erfahren. Im Grundsatz hat zwar das Bundesverfassungsgericht den gesetzlichen Mitbestimmungszwang im Unternehmen unter anderem54 auch dadurch abgeseg___________ Festschrift Däubler, S. 399; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 51 II 4; vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Blanquet, ZGR 2002, S. 20 (30 ff.). 52 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 163; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 25. 53 Vgl. dazu Heinze, ZGR 1994, S. 47 ff.; Hopt, ZGR 1992, S. 265 (276 ff.); Kallmeyer, ZIP 1996, S. 535 (537); Lutter, ZGR 1992, S. 435 (439 f.); v. Maydell, AG 1990, S. 442; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 128 ff. (sog. Herausverschmelzung eines inländischen Rechtsträgers auf einen solchen mit Sitz im Ausland) und 136 f. (sog. Hereinverschmelzung eines ausländischen Rechtsträgers auf einen solchen mit Sitz im Inland); vgl. auch unten E. II. 2. 54 Vgl. darüber hinaus BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 ff. In dieser als sog. Mitbestimmungsurteil bekannten Entscheidung hat das Gericht die Vereinbarkeit des Mitbestimmungsrechts mit den Grundrechten der Anteilsinhaber

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net, dass es hinsichtlich der Montanmitbestimmung feststellte, sie führe in tatsächlicher Hinsicht weder zu einer bedeutenden Erschwerung der Konsensfindung in der Unternehmensleitung noch zu einer Minderung der Rentabilität. Die faktisch verstärkte Notwendigkeit, Kompromisse einzugehen, Entscheidungen aufzuschieben oder bestimmte Vorhaben wegen des Widerstands der Arbeitnehmervertreter völlig aufzugeben, werde kompensiert durch die bei durchgesetzten Entscheidungen breitere Konsensbasis und die daraus folgende erhöhte Tragfähigkeit der Beschlüsse55. Allerdings rechtfertigen diese Erwägungen nur den Bestand der Mitbestimmungsgesetze in allgemeiner Hinsicht. Sie vermögen indessen nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die theoretisch wohlausgewogenen positiven und negativen Aspekte des Mitbestimmungszwangs im Einzelfall durchaus in oben beschriebener Weise aus dem Gleichgewicht geraten und somit (freilich in der Praxis regelmäßig nur im Zusammenspiel mit weiteren Gründen56) Anlass zu einer entsprechenden Neugliederung des betroffenen Unternehmens geben können.

D. Aktuelle Entwicklungen im Recht der Unternehmensmitbestimmung Unabhängig von der seit jeher bestehenden rechtspolitischen Kontroverse um die Berechtigung des Rechtsinstituts der Unternehmensmitbestimmung im Allgemeinen und seine Ausgestaltung nach dem bestehenden strengen deutschen Maßstab im Besonderen haben verschiedene Projekte der Gesetzgebung in jüngerer Zeit der Thematik der Umstrukturierung von arbeitnehmermitbestimmten Unternehmen wieder zu neuer Aktualität verholfen. Zu nennen sind dabei vor allem verschiedene Entwicklungen im europäischen Gemeinschaftsrecht aber auch gewisse Veränderungen auf der Ebene des deutschen nationalen Rechts. Im Vordergrund stehen dabei die folgenden fünf Faktoren:  die Schaffung gesetzlicher Grundlagen zur Regelung der Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen, die in der neu geschaffenen Rechtsform einer ___________ sowie der juristischen Person als Rechtsträger des Unternehmens und Arbeitgeber aus Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie), Art. 9 Abs. 1 (Vereinigungsfreiheit) und Abs. 3 (Koalitionsfreiheit und Garantie der Tarifautonomie) GG und Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit und allgemeine Handlungsfreiheit als Grundlagen der unternehmerischen Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit, sog. Wirtschaftsgrundrechte) aufgezeigt. Vgl. dazu auch unten § 15 D. II. 5. a) aa). 55

Vgl. dazu BVerfG 02.03.1999 – 1 BvL 2/91, AP Nr. 2 zu § 3 MitbestErgG = BB 1999, S. 598 ff. = BVerfGE 99, S. 367 ff. = DB 1999, S. 1404 ff. = EzA § 3 MitbestErgG Nr. 1 = NJW 1999, S. 1535 ff. = NZA 1999, S. 435 ff. = RdA 1999, S. 389 ff. mit Anm. Raiser = ZIP 1999, S. 410 ff. – Mannesmann. 56

Vgl. dazu unten § 7 F.

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Einleitung und Problemstellung

Europäischen Aktiengesellschaft betrieben werden57. Wie schon erwähnt, findet das deutsche System der Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene in den meisten anderen EG-Mitgliedstaaten kein Äquivalent und stößt schon deshalb bei den dort ansässigen Unternehmen regelmäßig auf Ablehnung. Obgleich diese Einstellung sich in einigen Fällen als ungerechtfertigt erweisen mag, muss die im Ausland überwiegend herrschende Abneigung gegen eine Unternehmensführung und Unternehmenskontrolle unter Beteiligung der eigenen Arbeitnehmer als Faktum akzeptiert werden. Das stellt die zurzeit mitbestimmungspflichtigen deutschen Unternehmen vor die Problematik, dass ihre Arbeitnehmermitbestimmung sich durchaus als Hürde erweisen kann, an der ein zukünftiger Zusammenschluss mit einem ausländischen Unternehmen zu einer Europäischen Aktiengesellschaft scheitert, wollen doch die Fusionskandidaten sich die Mitbestimmung kaum ins eigene Haus holen58.  Hinzu kommt, dass durch das zur Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft erlassene Gemeinschaftsrecht und die entsprechenden nationalen Ausführungs- und Umsetzungsgesetze gesellschafts- und unternehmensrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen wurden, welche das bisher geltende nationale Gründungs- und Umwandlungsrecht nicht kannte. Bezeichnend ist in erster Linie, dass die von der Verordnung EG 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Verordnung) vom 8. Oktober 2001 angebotenen Gründungsmodalitäten stets einen transnationalen Sachverhalt voraussetzen. Mindestens zwei der an einer Fusion ___________ 57 Vgl. zur Problematik z.B. Hanau, RdA 1998, S. 231 ff.; Heinze, ZGR 2002, S. 66 (69 f., 77 ff.); Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 ff.; Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 ff.; Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (634 ff.); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 ff.; Kolvenbach, NZA 1998, S. 1323 ff.; Köstler, ZGR 2003, S. 800 ff.; Lutter, BB 2001, S. 1 (5 f.); Mävers, Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft (2002); Nagel, ArbuR 2001, S. 406 ff.; Pluskat, DStR 2001, S. 1483 ff.; Pluskat, EuZW 2001, S. 524 (527 f.); Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 175; Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 ff.; Teichmann, ZGR 2002, S. 383 (392 ff.); Köstler in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, E; Thoma/Leuering, NJW 2002, S. 1449 (1453 f.); Wiesner, ZIP 2001, S. 397 f.; vgl. zu den Grundsätzen unten § 5 sowie auch ausführlich unten § 15 D. II. 5. c) cc). 58 Gemeinsame Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), des Bundesverbands deutscher Banken und des Deutschen Aktieninstituts zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 03.05.2004; Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 09.07.2004 (BR-Drucks. 438/04); Fleischer, AcP 204 (2004), S. 502 (535 f.); Grobys, NZA 2004, S. 779; Heinze, ZGR 2002, S. 66 (83); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (429); Lutter, BB 2002, S. 1 (5, 6); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (780); Seibt in: Willemsen/ Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 122.

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im Sinne des Art. 2 Abs. 1 SE-Verordnung beteiligten Rechtsträger müssen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Gleiches gilt für diejenigen Rechtsträger die gemäß Art. 2 Abs. 2 und 3 SE-Verordnung die Gründung einer Holding- oder Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft anstreben, wobei in diesen Fällen der Auslandsbezug alternativ dadurch hergestellt werden kann, dass wenigstens zwei der Rechtsträger seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, Art. 2 Abs. 2 lit. b, 3 lit. b SE-Verordnung. Über die seit mindestens zwei Jahren in einem dritten Mitgliedstaat bestehende Tochtergesellschaft wird auch die für eine Umwandlung (im Sinne eines Rechtsformwechsels) in eine SE erforderliche internationale Beziehung hergestellt. Unter einer Verschmelzung versteht die SE-Verordnung angesichts ihrer Art. 17 Abs. 2 sowie 29 Abs. 1 und 2 das gleiche rechtstechnische Instrument wie das deutsche Umwandlungsrecht in den §§ 2 ff. UmwG. Gerade durch die Besonderheit, dass ein internationaler Sachverhalt nach dem Recht der Europäischen Gesellschaft für die Verschmelzung nicht nur möglich, sondern sogar notwendig ist, geht allerdings das europäische Verschmelzungsrecht über den sachlichen Anwendungsbereich des nationalen Rechts hinaus. Das Umwandlungsgesetz verbietet zwar grenzüberschreitende Umwandlungen nicht allgemein59, beschränkt seine eigene Anwendbarkeit in § 1 Abs. 1 UmwG aber gerade auf die Rechtsverhältnisse zwischen Rechtsträgern mit Sitz im Inland60. Eine weiter reichende Anwendung wurde mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut der Norm lange Zeit als unmöglich angesehen mit der Folge, dass seitens der Gestaltungspraxis in der Vergangenheit rechtstechnisch geradezu abenteuerliche Wege beschritten werden mussten, um mit der rechtsgeschäftlich veranlassten Gesamtrechtsnachfolge den entscheidenden Vorteil übertragender Umwandlungen auch in den zunehmenden Fällen transnationaler Unternehmensfusionen und -spaltungen nutzen zu können61. Zumindest mit Blick auf die Gründung einer Euro___________ 59 Anderer Ansicht noch Dehmer, UmwG/UmwStG, UmwG § 1 Rdnr. 3; Kallmeyer, ZIP 1994, S. 1746 (1752); Lutter, ZGR 1994, S. 87 (91). 60 Vgl. BT-Drucks. 12/6699, S. 80; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rdnrn. 10 ff.; Kallmeyer, ZIP 1996, S. 535 ff.; Kronke, ZGR 1994, S. 26 (35 f.); Lutter in: Lutter/ Winter, UmwG Bd. I, Einl. Rdnr. 34; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 1 Rdnrn. 5 ff.; Neye, ZIP 1994, S. 917 (920); Neye in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage (1995), S. 1 (7); vgl. zur derzeit heftig diskutierten Unvereinbarkeit dieser Selbstbeschränkung mit der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person nach den Art. 43, 48 EGV unten E. II. 2. 61 Vgl. nur die Darstellung der praktischen Fälle bei Dorr/Stukenborg, DB 2003, S. 647 ff.

Einleitung und Problemstellung

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päischen Gesellschaft ist daher der Kreis der nach nationalem Recht möglichen Vorgehensweisen deutlich erweitert worden62. Des Weiteren ist das deutsche Umwandlungsrecht noch in anderer Hinsicht enger gefasst als das Verschmelzungsrecht der SE-Verordnung. So hat zum Beispiel die Verschmelzung zur Aufnahme gemäß § 2 Nr. 1 UmwG keinerlei Auswirkungen auf die Rechtsform des übernehmenden Rechtsträgers. Ihre Eintragung in das Handelsregister bewirkt vornehmlich den erwünschten Übergang des Gesellschaftsvermögens von der Ausgangs- auf die Zielgesellschaft, das Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers ohne Liquidationsverfahren und schließlich die Neuverteilung der Anteile oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger zwischen seinen originären Anteilseignern und denen des nunmehr erloschenen Ausgangsrechtsträgers63. Demgegenüber ordnet Art. 29 Abs. 1 lit. d SE-Verordnung für die Verschmelzung zur Aufnahme nach Art. 2 Abs. 1, 17 Abs. 2 lit. a SE-Verordnung in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 78/855/EWG64 vom 9. Oktober 1978 die zusätzliche Rechtsfolge an, dass der Zielrechtsträger automatisch die Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft annimmt. Anders als nach nationalem Recht stellt die Verschmelzung zur Aufnahme im Sinne der Verordnung also der ratio legis entsprechend ein Mischinstrument zwischen einer vermögensübertragenden Umwandlung und einem identitätswahrenden Rechtsformwechsel dar, ein Ergebnis, welches nach der Dogmatik des Umwandlungsgesetzes nur über eine bewusste Kombination der entsprechenden Rechtsinstitute zu erreichen wäre. ___________ 62 In steuerrechtlicher Hinsicht führt dies zu der Besonderheit, dass der deutsche Gesetzgeber erst im Zuge der Schaffung des Rechts für die Europäische Aktiengesellschaft dazu angehalten war, die Richtlinie vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, auch hinsichtlich der transnationalen Verschmelzung von Aktiengesellschaften in nationales Recht umzusetzen. Da nach deutschem Recht bisher die grenzüberschreitende Verschmelzung gerade ausgeschlossen war, bestand für eine entsprechende Umsetzung kein Bedürfnis. Angesichts der Regelung der Art. 2 Abs. 1, 17 ff. SE-Verordnung musste die entstehende Lücke im Steuerrechtssystem nunmehr geschlossen werden, vgl. Kallmeyer, AG 2003, S. 197. 63 Vgl. zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen sowohl der Verschmelzung als auch der anderen Umwandlungsarten im Sinne des UmwG ausführlich unten § 7 B. I., § 8 A. (Verschmelzung) sowie die Übersicht: Verschmelzung unten § 7 E. V. 1.; unten § 7 B. II., § 9 B. I., II., III. (Spaltung) sowie die Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung unten § 7 E. V. 2. und die Übersicht: Ausgliederung unten § 7 E. V. 3.; unten § 7 B. III., § 10 A. II. (Vermögensübertragung) und unten § 7 B. IV., § 11 A. (Formwechsel) sowie die Übersicht: Formwechsel unten § 7 E. V. 4. 64 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 09.10.1978 gemäß Art. 54 Abs. 3 lit. g des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (AmtsBl. EG Nr. L 295 vom 20.10.1978, S. 36), zuletzt geändert durch die Beitrittsakte von 1994.

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Eine dem deutschen Recht bisher ebenfalls unbekannte Strukturmaßnahme ist die in Art. 2 Abs. 2 lit. a, 32 ff. SE-Verordnung vorgesehene Gründung einer Holdinggesellschaft65,  die auf Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach einer langen Entwicklungsphase nun endgültig vom Ministerrat verabschiedeten Regelungen über die Arbeitnehmermitbestimmung im Rahmen der neuen Richtlinie 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (Verschmelzungsrichtlinie) 66 vom 26. Oktober 2005,  die in jüngerer Zeit vor allem mit den Entscheidungen in den Rechtssachen Überseering BV67 vom 5. November 2002 und Inspire Art Ltd.68 vom 30. September 2003 weiter entwickelte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Niederlassungsfreiheit von juristischen Personen in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, durch die für die Gestaltungspraxis sowohl Rechtsklarheit als auch neue Gestaltungsanreize geschaffen wurden. Seit jeher herrscht Streit betreffend die Frage, ob eine Gesellschaft, die nach ihrer wirksamen Gründung den Sitz ihrer tatsächlichen Verwaltung in einen anderen Staat verlegt, sich nunmehr an den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen messen lassen muss, welche die Rechtsordnung des neuen Sitzstaates an sie stellen (so genannte Sitztheorie), oder ob das Recht des ursprünglichen Gründungsstaates dem Wegzug der Gesellschaft zum Trotz weiterhin den Ausschlag geben muss (so genannte Gründungstheorie). In der Vergangenheit mussten die juristischen Berater dieser Gesellschaften behutsam prüfen, ob nach dem Recht des zukünftigen Sitzstaates wohl die ___________ 65

Thoma/Leuering, NJW 2002, S. 1449 (1452 f.). AmtsBl. EG Nr. L 310 vom 25.11.2005, S. 1; vgl. dazu z.B. Drinhausen/Keinath, RIW 2006, S. 81 ff.; Koberski in: Festschrift Wißmann, S. 474 ff.; Neye, ZIP 2005, S. 1893 ff.; Oechsler, NZG 2006, S. 161 ff. 67 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00, AG 2003, S. 37 ff. = BB 2002, S. 2402 ff. = EuGHE I 2002, S. 9919 ff. = EuLF 2002, S. 331 ff. = EWS 2002, S. 569 ff. = GmbHR 2002, S. 1137 ff. = IPRax 2003, S. 65 ff. = NJW 2002, S. 3614 ff. = RIW 2002, S. 945 ff. = WM 2002, S. 2372 ff. = ZIP 2002, S. 2037 ff. – Überseering; Schlussanträge des GA Colomer vom 04.12.2001 – Rs. C-208/00, ZIP 2002, S. 75 ff. mit Anm. Eidenmüller – Überseering; vgl. zum Entscheidungsinhalt mit umfangreichen Nachw. aus dem Schrifttum ausführlich unten § 13 B. II. 68 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01, AG 2003, S. 680 ff. = BB 2003, S. 2195 ff. = DB 2003, S. 2219 ff. = EuGHE I 2003, S. 10155 ff. = EuZW 2003, S. 687 ff. = EWS 2003, S. 513 ff. mit Anm. Hirte = GmbHR 2003, S. 1260 ff. mit Anm. Meilicke = IPRax 2004, S. 46 ff. = JZ 2004, S. 37 ff. = NJW 2003, S. 3331 ff. = RIW 2003, S. 957 ff. = WM 2003, S. 2042 ff. = ZIP 2003, S. 1885 ff. – Inspire Art; Schlussanträge des GA Alber vom 30.01.2003 – Rs. C-167/01, DB 2003, S. 377 ff. – Inspire Art; vgl. zum Entscheidungsinhalt mit umfangreichen Nachw. aus dem Schrifttum ausführlich unten § 13 B. III. 66

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Rechts- und Prozessfähigkeit der umziehenden Kapitalgesellschaft anerkannt werden konnte. Genügte die Gesellschaft etwa nicht den Anforderungen an die körperschaftliche Verfassung oder die Mindestkapitaleinlage des entsprechenden ausländischen Kapitalgesellschaftsrechts, so lief sie Gefahr, als Folge der Sitzverlegung nach Personengesellschaftsrecht beurteilt zu werden. Daraus resultierte dann unter Umständen die Einbuße der eigenen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft, so dass die Mitbestimmungsfreiheit gleichsam mit der persönlichen Haftung der Gesellschafter nach ausländischem Maßstab teuer erkauft wurde. Nach Ansicht des EuGH ist die einmal nach dem Recht des Gründungsstaates wirksam errichtete Gesellschaft gemäß den Art. 43, 48 EGV frei in der Entscheidung, ihren Sitz jederzeit in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften zu verlegen. Dieser Staat müsse dann aber zwingend die Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft anerkennen, soweit diese nach dem Recht des Gründungsstaates besteht. Eine abweichende Behandlung schränke die Gesellschaft in ihrer als europarechtliche Grundfreiheit geschützten Niederlassungsfreiheit ein. Über die bloße Akzeptanz einer Gesellschaft als ein rechtlich relevantes Gebilde nach dem Recht des Gründungsstaats hinaus gebietet die gegenseitige Anerkennungspflicht der Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des EuGH aber noch einen wesentlich umfassenderen Respekt vor dem Gründungsstatut der anderer Mitgliedstaaten. Das hat zur Konsequenz, dass nicht nur Entstehung, Fortbestand und Beendigung einer juristischen Person zwingend immer nach dem Recht des Herkunftslands zu beurteilen sind, sondern sämtliche gesellschaftsrechtliche Fragen angefangen bei der Haftungsverfassung bis hin zu den Details der inneren Gesellschaftsstruktur. Will derjenige Mitgliedstaat, in dem die Gesellschaft mit ihrem Verwaltungssitz mittlerweile Fuß gefasst hat, ausnahmsweise die Rechtssätze des Herkunftslandes durch eigene Normen überlagern, so sieht er sich einem enormen europarechtlichen Rechtfertigungszwang ausgesetzt. Zwar sind die Rahmenbedingungen dieser Rechtfertigung mittlerweile dem Grunde nach durch den EuGH in ständiger Rechtsprechung geklärt worden. Die Anwendung auf zahlreiche einzelne Fragestellungen (zum Beispiel Gesellschafterhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs69, Haftung we___________ 69

Vgl. allgemein BGH 17.09.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, S. 10 ff. = GmbHR 2001, S. 1036 ff. = ZIP 2001, S. 1874 ff. – Bremer Vulkan; BGH 25.02.2002 – II ZR 196/00, NJW 2002, S. 1803 ff. = ZIP 2002, S. 848 ff.; BGH 24.06.2002 – II ZR 300/00, GmbHR 2002, S. 902 mit Anm. Schröder = JZ 2002, S. 1047 ff. mit Anm. Ulmer = ZIP 2002, S. 1578 ff. – KBV; LAG Köln 20.06.2003 – 4 Sa 128/03, ZIP 2003, S. 1893 ff. mit Anm. Hölzle; aus der Literatur Altmeppen, ZIP 2001, S. 1837 ff.; Altmeppen, NJW 2002, S. 321 ff.; Altmeppen, ZIP 2002, S. 961 ff.; Altmeppen, ZIP 2002, S. 1553 ff.; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rdnrn. 72 ff.; Benecke, BB 2003,

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gen Insolvenzverschleppung70) bereitet allerdings nach wie vor erhebliche juristische Schwierigkeiten. Vor diesem Hintergrund brachten die genannten Entscheidungen des Gerichtshofs nicht nur die lang ersehnte Klarstellung der Rechtslage für die Praxis mit sich, sondern erwiesen sich daneben als ein bemerkenswerter Ansporn der wissenschaftlichen Diskussion in noch ungeklärten Randbereichen, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit dem deutschen Recht der Unternehmensmitbestimmung, dessen Anwendbarkeit auf ausländische Rechtsträger mit Verwaltungssitz im deutschen Inland inzwischen heftig umstritten ist71,  die Überführung der bisher im Betriebsverfassungsgesetz 1952 verankerten Regelungen über die Drittelbeteiligung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat in das neu geschaffene Drittelbeteiligungsgesetz sowie die Änderung des sachlichen Geltungsbereichs des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes durch ___________ S. 1190 ff.; Bitter, WM 2001, S. 2133 ff.; Drygala, GmbHR 2003, S. 729 ff.; Goette, DStR 2002, S. 1010 ff.; Haas, WM 2003, S. 1929 ff.; Henze, NZG 2003, S. 649 (656 f.); Hoffmann, NZG 2002, S. 68 ff.; Hölzle, ZIP 2004, S. 1729 ff.; Keßler, GmbHR 2001, S. 1095 ff.; Keßler, GmbHR 2002, S. 945 ff.; Koppensteiner in: Festschrift Honsell, S. 607 ff.; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402 ff.; Lutter/Banerjea, ZIP 2003, S. 2177 ff.; Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rdnrn. 15 ff.; Mödl, JuS 2003, S. 14 ff.; Nassall, ZIP 2003, S. 969 ff.; Röhricht in: Festschrift BGH, S. 83 ff.; Römermann/Schröder, GmbHR 2001, S. 1015 ff.; Roth, NZG 2003, S. 1081 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, S. 3577 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268 ff.; Schröder, GmbHR 2002, S. 904 ff.; Ulmer, ZIP 2001, S. 2021 ff.; Vetter, ZIP 2003, S. 601 ff.; Westermann, NZG 2002, S. 1129 ff.; Wiedemann, ZGR 2003, S. 283 ff.; Wilhelm, NJW 2003, S. 175 ff.; Wilhelmi, DZWIR 2003, S. 45 ff.; Wilken, DB 2001, S. 2383 ff. 70 Vgl. allgemein BGH 09.07.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, S. 96 ff. = NJW 1979, S. 1823 ff. – Herstatt I; BGH 09.07.1979 – II ZR 211/76, NJW 1979, S. 1829 ff. – Herstatt II; BGH 06.06.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, S. 181 ff. = NJW 1994, S. 2220 ff.; BGH 30.03.1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, S. 211 ff.; BGH 07.07.2003 – II ZR 241/02, ZIP 2003, S. 1713 mit Anm. K. Schmidt. 71 Vgl. nur die Beiträge von Bayer, BB 2003, S. 2357 (2365); Bayer, BB 2004, S. 1 (4); Bayer, AG 2004, S. 534 ff.; Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2236 f., 2242); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (28 f.); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (184 f.); Franzen, RdA 2004, S. 257 ff.; Großerichter, DStR 2003, S. 159 (168 f.); v. Halen, WM 2003, S. 571 (577); Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 ff.; Horn, NJW 2004, S. 893 (899 f.); Kallmeyer, DB 2004, S. 636 (638); Kamp, BB 2004, S. 1496 ff.; Kindler, NJW 2003, S. 1073 (1079); Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 19; Maul/C. Schmidt, BB 2003, S. 2297 (2300); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (805); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 ff.; Paefgen, DB 2003, S. 487 (491 f.); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 1 ff.; Roth, IPRax 2003, S. 117 (125); Roth in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 709 ff.; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (486 ff.); Sandrock, AG 2004, S. 57 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (35 f.); Schulz/Sester, EWS 2002, S. 545 (551); Schwark, AG 2004, S. 173 ff.; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnrn. 8 f.; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 126 ff.; Thüsing, ZIP 2004, S. 381 ff.; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 ff.; Wachter, GmbHR 2004, S. 88 (92); Zimmer, NJW 2003, S. 3585 (3590 f.).

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das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18. Mai 2004.

E. Gang der Darstellung Nach einer Einführung in das Recht der deutschen Unternehmensmitbestimmung sowie in die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft wird zunächst betrachtet, welche Gestaltungsmittel das deutsche Recht dem Rechtsanwender überhaupt zum Zwecke der Unternehmensumstrukturierung zur Verfügung stellt. Zusammengefasst werden in diesem Überblick die Rechtsinstrumente des Umwandlungsgesetzes vom 28. Oktober 1994 sowie alternative Vorgehensweisen nach allgemeinem bürgerlichem Recht und Gesellschaftsrecht72. Alsdann soll die Aufmerksamkeit auf die Frage gelenkt werden, auf welche Weise die soeben vorgestellten Gestaltungsmaßnahmen Auswirkungen auf die aktuelle Mitbestimmungssituation im Unternehmen zeitigen können. Um jedoch in der Fülle der einem mitbestimmungspflichtigen Unternehmen praktisch und theoretisch zur Verfügung stehenden Gestaltungsinstrumente nicht den Überblick zu verlieren und das Thema zugleich nicht auf die gesamte Bandbreite des Wirtschaftsrechts – also insbesondere auch das Arbeitsrecht – zu erstrecken, sollen die folgenden Abgrenzungsüberlegungen den Untersuchungsgegenstand zum einen eingrenzen und zum anderen inhaltlich ordnen. Streng voneinander zu trennen sind zunächst diejenigen Gestaltungsmaßnahmen, die dem Bereich des Gesellschaftsrechts im weitesten Sinne (Gesellschaftsorganisationsrecht, Umwandlungsrecht, Recht der Sitzverlegung einschließlich der jeweiligen europarechtlichen Vorgaben) zuzuordnen sind, und solche Gestaltungsinstrumente, die die Rechtsordnung auf dem Gebiet des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts zur Verfügung stellt (zum Beispiel Massenkündigungen usw.). Diese arbeitsrechtlichen Überlegungen werden in die Untersuchung keinen Eingang finden. Aber schon allein innerhalb der Masse der im Gesellschaftsrecht fußenden Gestaltungsinstrumente ist das Angebot an den rechtlichen Berater eines reformbedürftigen Unternehmens gegenwärtig kaum mehr überschaubar. Aus diesem Grunde ist eine strenge Untergliederung der vorstellbaren Gestaltungsinstrumente nicht nur hilfreich, sondern für eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit der Materie geradezu unumgänglich. Umgesetzt wird dieser Gedanke hier zunächst dadurch, dass solche Maßnahmen der Unternehmensumstrukturierung, an denen ausschließlich der deutschen Rechtsordnung unterliegende Rechtsträger beteiligt sind, von denjenigen Prozessen geschieden wer___________ 72

Vgl. unten § 7.

Einleitung und Problemstellung

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den, denen ein grenzüberschreitender Sachverhalt zugrunde liegt. Zu letzterer Fallgruppe zählen all jene Konstellationen, in denen entweder ein Rechtsträger sich und sein Unternehmen für die Zukunft einer anderen Rechtsordnung unterwirft oder in denen mehrere Rechtsträger als Teilnehmer an einem einheitlichen Umwandlungsvorgang auftreten, von welchen wiederum mindestens zwei den Gesellschaftsrechtsordnungen verschiedener Staaten zuzuordnen sind. I. Umstrukturierung unter Beteiligung ausschließlich inländischer Rechtsträger 1. Aufbau und Technik der Darstellung Sämtliche Akte der Vermögensverschiebung zwischen Gesellschaften aber auch andere Umwandlungsmethoden (insbesondere der Rechtsformwechsel) lassen sich im Grundsatz heranziehen, um wenigstens auf einen einzigen für den gegenwärtigen Mitbestimmungsstatus erheblichen Parameter Einfluss auszuüben. Getrennt wird im Folgenden vor allem zwischen Unternehmensumwandlungen im rechtstechnischen Sinne des Umwandlungsgesetzes und den sich alternativ anbietenden Umwandlungsarten im untechnischen Sinne, d.h. Übertragung von Unternehmensgegenständen (assets)73 oder Anteilen bzw. Mitgliedschaften am Rechtsträger des Unternehmens (shares)74 durch Einzelrechtsnachfolge oder personengesellschaftsrechtliche Anwachsung. Vorausgeschickt werden sollen ferner noch einige Worte zur Darstellungstechnik: Im Rahmen der Untersuchung wird sich erweisen, dass sämtliche Instrumente sowohl einen Aufstieg als auch einen Absturz der betroffenen Unternehmen im Stufenmodell der verschiedenen Mitbestimmungsgesetze auslösen können. Das zu erreichende Ergebnis ist in hohem Maße einzelfallabhängig, so dass eine Untergliederung in solche Gestaltungsmaßnahmen, die sich zu einer Flucht aus der Mitbestimmung eignen, und solche Strategien, die eher einen Mitbestimmungszuwachs im umzuwandelnden Unternehmen bewirken, kaum einen Sinn ergibt. Denn schon leichte Nuancen im Sachverhalt sind bereits dazu in der Lage, vermeintlich aufgedeckte Tendenzen eines bestimmten Rechtsinstruments zum Mitbestimmungszuwachs oder zum Mitbestimmungsverlust in ihr genaues Gegenteil zu verkehren. Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass sich allzu abstrakte Aussagen über die Neigung etwa der Verschmelzung oder Spaltung, den Beteiligungsstatus der beteiligten Rechtsträger in einer bestimmten Weise zu beeinflussen, strikt verbieten. Stattdessen stößt man im Rahmen der Analyse der ___________ 73 74

Vgl. dazu unten § 9 E. I. Vgl. dazu unten § 8 G. I.

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verschiedenen Umwandlungsarten und ihrer Auswirkungen auf die Unternehmensmitbestimmung der beteiligten Rechtsträger auf eine Fülle immer wiederkehrender Einzelprobleme, die sich untereinander nur schwierig oder gar nicht in systematische Zusammenhänge einstellen lassen. Die vorliegende Untersuchung greift hier die wichtigsten Gesichtspunkte heraus, übt, soweit geboten, Kritik an den bislang bestehenden Lösungsansätzen und versucht, eigene Lösungsstrategien zu entwickeln. Zwar finden sich in der einschlägigen Literatur immer wieder Versuche, die Auswirkungen einzelner Gestaltungsinstrumente auf die Mitbestimmung in den sich ihrer bedienenden Unternehmen in vermeintlich allgemeingültige Schemata zu pressen. Derartige Unterfangen sind jedoch, wie sich noch zeigen wird, allenfalls von einem gewissen ökonomisch-statistischen Interesse. Ihr rechtssystematischer Aussagegehalt ist aber daran gemessen verschwindend gering. Vor diesem Hintergrund wird in erster Linie bei der Betrachtung der vermögensübertragenden Umwandlungsmethoden im Folgenden immer wieder auf konkrete Beispielsfälle zurückgegriffen sein, um auf diese Weise den zugegebenermaßen in fast allen Rechtsgebieten immer wieder hervorgehobenen, hier allerdings besonders deutlich um sich greifenden Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen zu können. 2. Gestaltungsmaßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz Im Rahmen der Umwandlungen im rechtstechnischen Sinne werden betrachtet die möglichen Auswirkungen von    

Verschmelzungen75, Spaltungen76, Vermögensübertragungen77 und Rechtsformwechseln78.

___________ 75 Vgl. hinsichtlich der Verschmelzung allgemein unten § 7 B. I. und die Übersicht: Verschmelzung unten § 7 E. V. 1. sowie zu den spezifischen Auswirkungen der Verschmelzung auf den Mitbestimmungsstatus der betroffenen Unternehmen unten § 8. 76 Vgl. hinsichtlich der Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung) allgemein unten § 7 B. II., die Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung unten § 7 E. V. 2. und die Übersicht: Ausgliederung unten § 7 E. V. 3. sowie zu den spezifischen Auswirkungen der Spaltung auf den Mitbestimmungsstatus der betroffenen Unternehmen unten § 9. 77 Vgl. hinsichtlich der Vermögensübertragung allgemein unten § 7 B. III. sowie zu den spezifischen Auswirkungen der Vermögensübertragung auf den Mitbestimmungsstatus der betroffenen Unternehmen unten § 10. 78 Vgl. hinsichtlich des Formwechsels allgemein unten § 7 B. IV. und die Übersicht: Formwechsel unten § 7 E. V. 4. sowie zu den spezifischen Auswirkungen des Rechts-

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a) Umwandlungen außerhalb und innerhalb eines Konzerns Eine weitere Untergliederung wird die durchgeführte Betrachtung insofern erfahren, als in einem ersten Schritt jeweils die Umwandlung gesellschaftsrechtlich isoliert stehender Unternehmen in den Blick genommen wird. Sind damit erst einmal gewisse Grundprinzipien und Eigenarten des konkreten Umwandlungsvorgangs analysiert worden, wird in einem zweiten Schritt die ungleich vielschichtigere Frage aufgeworfen, in welcher Weise die bislang erkannten Prinzipien auch Geltung beanspruchen können, wenn von der Maßnahme der Umstrukturierung konzernrechtlich miteinander verwobene Unternehmen betroffen sind79. An dieser Stelle werden regelmäßig die Schwerpunkte der Untersuchung zu finden sein. b) Rechtsträger mit Sitz im Inland Es sei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das Umwandlungsgesetz in seinem § 1 Abs. 1 seinen eigenen Anwendungsbereich auf Umwandlungsmaßnahmen unter Beteiligung ausschließlich von Rechtsträgern mit Sitz im Inland beschränkt. Dabei handelt es sich also um eine sachrechtliche und nicht um eine kollisionsrechtliche Aussage80. In letzter Zeit erhob sich die Frage, ob diese gesetzliche Selbsteinschränkung im Falle grenzüberschreitender Umwandlungen unter Beteiligung von Rechtsträgern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften diskriminierende Wirkung entfalten kann und deshalb gegen die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften gemäß den Art. 43, 48 EGV verstößt. In diesem Sinne hat inzwischen auch der EuGH eine Entscheidung getroffen81. Ausgelöst wurde die Debatte gleichsam als Annex ___________ formwechsels auf den Mitbestimmungsstatus des formwechselnden Unternehmens unten § 11. 79 Vgl. zu den konzernrechtlich eingebetteten Fragestellungen in Verschmelzungskonstellationen: sidestream merger unten § 8 D. I., upstream merger unten § 8 D. II., downstream merger unten § 8 D. III., Enkel-Mutter-Verschmelzung unten § 8 D. IV.; in Spaltungskonstellationen: Aufspaltungen und Abspaltungen upstream unten § 9 C. I. 1., Ausgliederungen upstream unten § 9 C. I. 2., Spaltungen downstream unten § 9 C. II.; in Formwechselkonstellationen: Formwechsel der Konzernspitzengesellschaft unten § 11 E. I., Anwachsungsphänomene und die Frage nach der Aufsichtsratskontinuität unter Wechsel des Organs zu einer anderen Konzernebene beim Formwechsel abhängiger Konzernunternehmen unten § 11 E. II. 80 Dorr/Stukenborg, DB 2003, S. 647; Engert in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 4 Rdnrn. 67, 73; Kronke, ZGR 1994, S. 26 (34 f.); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 840; Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung (2001), S. 54 ff.; Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 (464 f.). 81 EuGH 13.12.2005 – Rs. C-411/03, NJW 2006, S. 425 f. = ZIP 2005, S. 2311 ff. – Sevic; Schlussanträge des GA Tizziano vom 07.07.2005 – Rs. C-411/03, ZIP 2005,

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durch die vorherrschende europa- und kollisionsrechtliche Diskussion um die Freiheit von Gesellschaften, ihren Verwaltungssitz ohne Änderung ihres gesellschaftsrechtlichen Statuts in einen anderen EG-Mitgliedstaat zu verlagern, wenn sie nur einmal nach dem Recht eines Mitgliedstaates wirksam gegründet wurden. Wegweisend waren insofern die Urteile des Europäischen Gerichtshofs in den Rechtssachen     

Daily Mail and General Trust PLC82, Centros Ltd.83, Überseering BV84, Inspire Art Ltd.85 und zuletzt auch Hughes de Lasteyrie du Saillant86.

Nachdem allerdings die Umwandlungsmethoden nach dem Umwandlungsgesetz beschränkt auf nationale Sachverhalte unter der ausschließlichen Anwendung nationaler Rechtsvorschriften untersucht werden, wird eine Beleuchtung der Problematik grenzüberschreitender Umwandlungen und ihres Spannungsfeldes zur gesetzlichen Selbstbeschränkung des § 1 Abs. 1 UmwG allein im Rahmen dieser Einleitung stattfinden. 3. Einzelrechtsnachfolge und Anwachsung Im Anschluss wird jeweils dargelegt, inwiefern die Verwirklichung der gleichen wirtschaftlichen Ziele durch Vermögensübertragungen im Zuge der Einzelrechtsnachfolge (Singularsukzession) oder einer Anwachsung Vorteile gegenüber den umwandlungsrechtlichen Gestaltungsinstrumenten bieten87. ___________ S. 1227 – Sevic; Vorlagebeschluss des LG Koblenz 16.09.2003 – 4 HK.T 1/03, ZIP 2003, S. 2210 – Sevic. 82 EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87, DB 1989, S. 269 ff. = EuGHE 1988, S. 5483 ff. = IPRax 1989, S. 381 ff. = JZ 1989, S. 384 ff. = NJW 1989, S. 2186 ff. = RIW 1989, S. 249 ff. – Daily Mail. 83 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97, AG 1999, S. 226 ff. = BB 1999, S. 809 ff. = DB 1999, S. 625 ff. = EuGHE I 1999, S. 1459 ff. = EuGRZ 1999, S. 469 ff. = EuR 1999, S. 274 ff. = EuZW 1999, S. 216 ff. = EWS 1999, S. 140 ff. = GewArch 1999, S. 375 ff. = GmbHR 1999, S. 474 ff. = IPRax 1999, S. 361 ff. = IStR 1999, S. 253 ff. = JZ 1999, S. 669 ff. = NJW 1999, S. 2027 ff. = NZG 1999, S. 298 ff. = RIW 1999, S. 447 ff. = ZIP 1999, S. 438 ff. – Centros. 84 Siehe die Nachw. oben in Fn. 67. 85 Siehe die Nachw. oben in Fn. 68. 86 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02, EuGHE I 2004, S. 2409 ff. = EuLF 2004, S. 148 ff. = EuZW 2004, S. 273 ff. = NJW 2004, S. 2439 ff. = RIW 2004, S. 392 ff. – Lasteyrie du Saillant. 87 Vgl. dazu vor allem unten § 8 G., § 9 E.

Einleitung und Problemstellung

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II. Umstrukturierungen mit internationalem Charakter 1. Grenzüberschreitende Sitzverlegung Als Gestaltungsmaßnahme im weiteren Sinne wird alsdann auch die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes in das Ausland und damit aus dem räumlichen Geltungsbereich88 des deutschen Mitbestimmungsrechts heraus von Interesse sein (so genannter Wegzugsfall)89. Umgekehrt stellt sich aber auch und vor allem die Frage, ob es ratsam sein kann, eine Gesellschaft im EG-Ausland nach Maßgabe des dort geltenden Gesellschaftsrechts zu gründen und den tatsächlichen Verwaltungssitz des formell im Ausland ansässigen Rechtsträgers nunmehr in das deutsche Inland zu verlegen, auf dass er hier als unmittelbarer Träger eines deutschen Unternehmens, als Konzernspitzengesellschaft oder auch als persönlich haftender Gesellschafter einer operativ tätigen Personengesellschaft eingesetzt werden kann (so genannter Zuzugsfall)90. Möglicherweise kann auch in dieser Konstellation die Anwendbarkeit deutschen Mitbestimmungsrechts ausgeschaltet werden. Die rechtliche Einstufung von EG-Auslandsgesellschaften wird dabei immer wieder am Beispiel einiger konkreter Rechtsformen erörtert werden. Abgestellt wird dabei vor allem auf das englische und das französische Kapitalgesellschaftsrecht, namentlich auf die Gesellschaftsformen der private company limited by shares bzw. private limited company (Limited – Ltd.) des englischen Rechts, der société à responsabilité limitée (SARL) des französischen Rechts, der public limited company (PLC) des englischen Rechts und der société anonyme (SA) des französischen Rechts. Schon an dieser Stelle sei zur Einführung in die Begrifflichkeiten erwähnt, dass die beiden zuerst genannten Gesellschaftstypen Körperschaften des privaten Rechts darstellen und dem Grunde nach auf einen überschaubaren Gesellschafterkreis angelegt sind. Da außerdem im Grundsatz den Gesellschaftsgläubigern als Haftungsmasse nur das Gesellschaftsvermögen selbst zur Verfügung steht, nicht aber das Privatvermögen der Gesellschafter, entsprechen die private limited company und die société à responsabilité limitée im Wesentlichen der ___________ 88 Siehe zum sog. Territorialitätsprinzip die Entscheidungen OLG Stuttgart 30.03. 1995 – 8 W 355/93, ZIP 1995, S. 1004 – Charles Vögele Holding AG; LG Düsseldorf 05.06.1979 – 25 AktE 1/78, DB 1979, S. 1451 – VFW Fokker GmbH; aus der Literatur Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 3; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 13; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 16 f.; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 7; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 123; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 33; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 2. 89 Vgl. dazu unten § 14. 90 Vgl. dazu unten § 15.

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GmbH im Sinne des deutschen GmbH-Gesetzes. Die public limited company sowie die société anonyme sind zwar ebenfalls körperschaftlich verfasst, strukturell aber eher als kapitalmarktorientierte Publikumsgesellschaften konzipiert. Als solche erweisen sie sich als das Parallelinstitut zur deutschen Aktiengesellschaft. 2. Grenzüberschreitende Umwandlungen Hat man diese Ergebnisse im Hinterkopf, so stellen sich ausländische Kapitalgesellschaften möglicherweise in Zukunft als eine gleichwertige Alternative zu den deutschen Rechtsformen dar, wenn es darum geht, im Stadium der Unternehmensgründung einen adäquaten Unternehmensträger auszuwählen. Nicht zuletzt sollte dabei eben auch der Gedanke der Mitbestimmungspflichtigkeit oder eben der Mitbestimmungsfreiheit jenes Unternehmensträgers in die Entscheidungsfindung einfließen. Die Neugründung eines deutschen Unternehmens unter Einsatz eines einer fremden Gesellschaftsrechtsordnung entspringenden Rechtsträgers ist aber nur eine Möglichkeit der Nutzbarmachung der ausländischen Rechtsformen. Ist nämlich erst einmal die Brücke zu internationalen Sachverhalten geschlagen, so stellt sich in einem zweiten Schritt unweigerlich die Frage, ob und auf welche Weise ein schon bestehendes deutsches Unternehmen von seinem deutschen Rechtsträger gelöst und auf einen ausländischen Unternehmensträger überführt werden kann. Dieses Problemfeld wird nicht mehr zum Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gehören, soll aber wegen seiner engen Verwandtschaft zu den hier behandelten Fragestellungen zumindest im Rahmen dieser Einführung der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Angezeigt zur Übertragung eines vollständigen bestehenden Unternehmens erscheint in erster Linie wiederum der Einsatz der Gestaltungsinstrumente Verschmelzung und Spaltung als Akte der Vermögensübertragung. Auch ist es methodisch nahe liegend, dass ein zum Beispiel als deutsche Kapitalgesellschaft verfasster Rechtsträger diese seine Rechtsform ablegt und unter Beibehaltung seiner rechtlichen Identität gegen eine solche etwa des englischen Gesellschaftsrechts austauscht. Verwendet werden in diesem Zusammenhang üblicherweise die Begrifflichkeiten der Hereinverschmelzung bzw. der Hereinspaltung, der Herausverschmelzung bzw. der Herausspaltung und des Rechtsgrenzen überschreitenden Formwechsels. In diesem Zusammenhang gilt es zu erforschen, ob eine Unternehmensumwandlung nach dem deutschen Umwandlungsgesetz unter Beteiligung von Rechtsträgern, die dem Gesellschaftsstatut eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaften unterworfen sind, überhaupt zulässig ist. Auf der Ebene des nationalen Rechts erschien die Antwort bis vor kurzer Zeit zunächst

Einleitung und Problemstellung

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eindeutig. Eine Unternehmensumwandlung unter Beteiligung eines ausländischen Rechtsträgers ist nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 UmwG schon deswegen ausgeschlossen, weil dieser Umwandlungen im Sinne des Gesetzes nur Rechtsträgern mit Sitz im Inland gestattet. Zum anderen enthalten die abschließenden Aufzählungen der umwandlungsfähigen Rechtsträger in den gesetzlichen Katalogen der §§ 3, 124 und 191 UmwG keinen Hinweis darauf, dass neben den ausschließlich genannten Rechtsformen des deutschen Gesellschaftsrechts auch Parallelinstitute ausländischer Gesellschaftsrechtsordnungen zugelassen werden können. Jene Schranken des nationalen Rechts können aber deshalb überwunden werden, weil die systemeigenen Beschränkungen des Umwandlungsgesetzes auf inländische Rechtsträger im Widerspruch zu den Geboten der Grundfreiheiten des EG-Vertrags, namentlich der Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Kapitalverkehrs, stehen. So lautet das Urteil91 des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in dem unter dem Schlagwort Sevic Systems AG bekannt gewordenen Vorabentscheidungsverfahren, das am 13. Dezember 2005 auf eine Vorlage der Vierten Kammer für Handelssachen des LG Koblenz92 vom 16. September 2003 gefällt wurde. Eine europarechtskonforme Auslegung der deutschen Norm führt dazu, dass das Merkmal „mit Sitz im Inland“ aus § 1 Abs. 1 UmwG in Zukunft vernachlässigt werden kann und somit auch die umwandlungsgesetzlichen Rechtsformkataloge den Instrumenten der Auslegung, der Analogie oder der gesellschaftsrechtlichen Substitution zum Zwecke der Einbeziehung entsprechender Rechtsträger anderer EG-Mitgliedstaaten offen stehen93. In seiner Entscheidungsbegründung argumentierte der Gerichtshof, zum Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit seien alle Maßnahmen zu zählen, die auf die Schaffung der Teilnahme von Wirtschaftsbeteiligten in einem Mitgliedstaat zu gleichen Bedingungen abzielten, unabhängig von der Herkunft innerhalb des EG-Binnenmarktes. Dabei seien grenzüberschreitende Verschmelzungen und allgemein grenzüberschreitende Umwandlungen für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes besonders wichtige Modalitäten des Wirtschaftslebens, hinsichtlich derer die Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit unbedingt zu beachten hätten94. In diesem Zusammenhang beanstandete er, dass nach deutschem Umwandlungsrecht den an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten Rechtsträgern die Eintragung ihrer ___________ 91 EuGH 13.12.2005 – Rs. C-411/03, NJW 2006, S. 425 f. = ZIP 2005, S. 2311 ff. – Sevic. 92 LG Koblenz 16.09.2003 – 4 HK.T 1/03, GmbHR 2003, S. 1213 f. – Sevic. 93 Vgl. Engert in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 4 Rdnrn. 55 bis 131; Horn, ZIP 2000, S. 473 (477); Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 ff. 94 EuGH 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – Tz. 19, ZIP 2005, S. 2311 (2312) – Sevic.

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Einleitung und Problemstellung

Umstrukturierung in das deutsche Handelsregister generell verwehrt sei. Dadurch seien grenzüberschreitende Verschmelzungen auch dann ausgeschlossen, wenn im konkreten Fall gegenläufige Interessen wie der Gläubiger-, Minderheiten- oder Arbeitnehmerschutz nicht oder nur unerheblich berührt seien. Ohne den genannten Gegengründen allgemein ihre Eignung als eingriffsrechtfertigendes Allgemeininteresse abzusprechen, konnte der EuGH somit feststellen, dass die allgemeine gesetzliche Beschränkung zu weit gegriffen und deshalb zum Schutze der besagten Interessen nicht erforderlich sei95.

___________ 95 EuGH 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – Tz. 30, ZIP 2005, S. 2311 (2313) – Sevic im Anschluss an die Schlussanträge des GA Tizziano vom 07.07.2005 – Rs. C-411/03, ZIP 2005, S. 1227 – Sevic; kritisch gegenüber diesem Ansatz, da er bis zum Erlass der Verschmelzungsrichtlinie zu Rechtsunsicherheit führe, die Anm. von Geyrhalter/Weber, NZG 2005, S. 837 (838).

Kapitel 1

Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene § 1 Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen und Betrieb A. Grundsätze des dualistischen Mitbestimmungskonzepts Einleitend wurde bereits angemerkt, dass der gesetzliche Grundgedanke von der Beteiligung der Arbeitnehmer an den sie betreffenden Entscheidungen nicht auf die Mitbestimmung in den Organen des Unternehmens beschränkt ist, sondern über das Betriebsverfassungsgesetz 1972 sich ebenfalls auf die betriebliche Ebene erstreckt. Nachdem die Modalitäten der Arbeitnehmermitbestimmung einmal an die organisatorische Einheit des Betriebs und einmal an die des Unternehmens anknüpfen, bestehen in den von beiden Beteiligungsformen betroffenen Rechtsträgern zwei völlig unterschiedliche Schutzmechanismen mit ebenso abweichenden Schutzzwecken1. Im vorliegenden Zusammenhang wird allein die Mitbestimmung auf Unternehmensebene von Belang sein. Daher muss zwischen den Regelungsgegenständen des Betriebsverfassungsgesetzes 19722 einerseits sowie denen des Drittelbeteiligungsgesetzes, des Mitbestimmungsgesetzes 1976, des Montanmodells und des SE-Beteiligungsgesetzes andererseits differenziert werden3. Legt man den Begriff der Mitbestimmung denkbar weit aus und versteht unter ihm allgemein jegliche Einwirkung der Arbeitnehmerseite auf die Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, so ist zusätzlich zu den genann___________ 1 v. Hoyningen-Huene in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 297 Rdnr. 33; Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 6; Köstler/Kittner/ Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 10. 2 Hinsichtlich der Interessenvertretung der leitenden Angestellten auf betrieblicher Ebene gilt das Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz – SprAuG) vom 20.12.1988 (BGBl. I 1988 S. 2312), zuletzt geändert durch Verordnung vom 25.11.2003 (BGBl. I 2003 S. 2304). Für innerhalb der Europäischen Gemeinschaft grenzüberschreitend tätige Unternehmen und Unternehmensgruppen gilt zudem das Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische Betriebsrätegesetz – EBRG) vom 28.10.1996 (BGBl. I 1996 S. 1548), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.12.2000 (BGBl. I 2000 S. 1983). 3 Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 211 Rdnr. 1; Weiss/Weyand, BetrVG, Vorb. Rdnr. 11.

Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

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ten Erscheinungsformen der Mitbestimmung sogar noch eine dritte Kategorie zu bilden: Mitbestimmung im weitesten Sinne findet dann auch – grundsätzlich losgelöst von betrieblichen und unternehmerischen Strukturen – durch die Koalitionen in Gestalt der Gewerkschaften statt, wenn diese ihren Aufgaben im Rahmen der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie nachkommen4. Beispiele für Mitbestimmung im weitesten Sinne durch die Gewerkschaften sind  die Setzung von Rechtsnormen durch den Abschluss von Tarifverträgen gemäß §§ 2 Abs. 1 Var. 1, 1 Abs. 1 TVG,  die Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen,  die Mitwirkung von Vertretern der Arbeitnehmerspitzenorganisationen als Ausschussmitglieder bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gemäß § 5 Abs. 1 TVG bzw. bei der Aufhebung der Erklärung gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 TVG,  die Mitwirkung bei der Auswahl der ehrenamtlichen Richter der Arbeitsund Sozialgerichtsbarkeit gemäß §§ 20 ff., 37, 43 ArbGG, 14 Abs. 2 SGG,  die Besetzung von Sitzen im Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 7 Abs. 2 Var. 2, 257 ff. EGV auch mit Vertretern der Gewerkschaften. I. Ansätze zur Differenzierung Die betriebsbezogene Mitbestimmung unterscheidet sich von der unternehmensbezogenen zumindest vordergründig gleich in mehrfacher Hinsicht. Insgesamt drängen sich drei Abgrenzungskriterien auf:  die unterschiedlichen Bezugspunkte Betrieb und Unternehmen, an denen das Gesetz die jeweils einschlägige Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft ausrichtet5,  der Typus der gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer im Betrieb und auf Unternehmensebene6 sowie  die Art und Weise, in der die Arbeitnehmervertreter in den Aufbau der Betriebs- und Unternehmensverfassung eingefügt werden7. ___________ 4

Wiese in: GK-BetrVG Bd. I, Einl. Rdnr. 39. Vgl. dazu unten II. 6 Vgl. dazu unten III. 7 Vgl. dazu unten IV. 5

§ 1 Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen und Betrieb

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II. Betrieb und Unternehmen als grundlegende Merkmale Dass sich die einschlägigen Gesetze mit Betrieb und Unternehmen an zwei wesensverschiedenen Anknüpfungspunkten orientieren, ist dabei sicherlich bereits ein markanter Unterschied8. Eine völlig andere Frage ist jedoch, ob er durchgängig eine sichere und zutreffende Abgrenzung ermöglicht. Um dies zu klären, bedarf es zunächst einer näheren Bestimmung der Begrifflichkeiten. 1. Der Betriebsbegriff Das Betriebsverfassungsgesetz 1972 selbst legt den Betriebsbegriff entgegen anders lautenden Reformvorschlägen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)9 nicht fest10, obgleich es seine Regelungen sämtlich auf diese Einheit fokussiert11. Eine für lange Zeit als allgemeingültig anerkannte Definition des Betriebs als Kernbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 hat in den letzten Jahren zunehmend Kritik seitens der Wissenschaft erfahren12. Herkömmlich verstand man unter Betrieb eine organisatorische Zusammenfassung von sachlichen und immateriellen Arbeitsmitteln, die dem Unternehmer zur fortgesetzten Verfolgung eines arbeitstechnischen Zweckes – allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern – dient13. Diese Wendung wurde entscheidend bereits ___________ 8

v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 1 III 3; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 44 II 2. 9 Dazu Fischer, NZA 2000, S. 167 (169). 10 Breitfeld in: Jaeger/Röder/Heckelmann, Praxishandbuch Betriebsverfassungsrecht, Kap. 1 Rdnr. 5; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 58; Gaul in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG § 1 Rdnr. 9; Hess in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG, § 1 Rdnr. 2; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 3 II 1; Preis, RdA 2000, S. 257 (258); Richardi in: Richardi, BetrVG, § 1 Rdnr. 15 i.V.m. Einl. Rdnr. 37; Richardi in: Festschrift Wiedemann, S. 493 (518); Trümner in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, § 1 Rdnr. 31; vgl. auch BT-Drucks. 14/5741, S. 26; vgl. zum Gesetzgebungsverfahren Reichold, Beilage zu NZA 16/2001, S. 2. 11 Vgl. Fitting u.a., BetrVG, Einl. Rdnr. 9. 12 Vgl. grundlegend Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht (1988), S. 233 ff. 13 Siehe zum Betriebsbegriff in der ständigen Rechtsprechung des BAG die Entscheidungen BAG 03.12.1954 – 1 ABR 7/54, AP Nr. 1 zu § 88 BetrVG 1952 = BAGE 1, S. 175 (178); BAG 13.07.1955 – 1 ABR 20/54, AP Nr. 1 zu § 81 BetrVG 1952 = BAGE 2, S. 91 (93) = NJW 1955, S. 1574; BAG 17.02.1981 – 1 ABR 101/78, AP Nr. 9 zu § 111 BetrVG 1972; BAG 23.09.1982 – 6 ABR 42/81, AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972 = BAGE 40, S. 163 (165) = EzA § 1 BetrVG 1972 Nr. 3; BAG 07.08.1986 – 6 ABR 57/85, AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972 = BAGE 52, S. 325 (329); BAG 25.09.1986 – 6 ABR 68/84, AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972 = BAGE 53, S. 119 (127); BAG 14.09.1988 – 7 ABR 10/87, AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972 = BAGE 59, S. 319 (324); BAG 18.01.1990 – 2 AZR 355/89, AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969; BAG 29.05.1991 – 7 ABR 54/90, AP Nr. 5 zu § 4 BetrVG 1972 = BAGE 68, S. 67 (71); BAG 14.12.1994 – 7 ABR

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

zu Beginn des letzten Jahrhunderts geprägt14. Sie entsprach den tatsächlichen Verhältnissen und Bedürfnissen dieser Zeit, nachdem faktisch jedes Unternehmen sich in derartige Einheiten untergliedern ließ bzw. zumindest einen derartigen Betrieb aufwies. Dies wiederum folgte aus der insbesondere an räumlichen Kriterien15 ausgerichteten Arbeitspolitik und Verkehrsanschauung. Waren Arbeitnehmer und Produktionseinheiten erst einmal an einem Ort zusammengefasst worden, so blieb diese Einheit in der Regel langfristig erhalten. Somit wurde an der entsprechenden Stelle auch eine mit Personalvollmachten ausgestattete Betriebsleitung eingerichtet. Die Errichtung ebenfalls des Betriebsrats an gerade dieser Stelle war dann ein Gebot der Logik. Angesichts jener Umstände wurde die genannte Definition von den Gerichten übernommen und sah sich auch in der arbeitsrechtlichen Literatur zunächst keiner nennenswerten Kritik ausgesetzt. Inzwischen wird die Annahme eines dem Betriebsverfassungsrecht vorgelagerten, allgemeingültigen Betriebsbegriffs16 zunehmend in Zweifel gezogen17. Dies erklärt sich aus dem Umstand, dass die Anforderungen, welche eine moderne Wirtschafts- und Unternehmenspolitik an die Organisation der Arbeitsund Produktionseinheiten stellt, kaum mehr mit denen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts vergleichbar sind. Das Bestreben, personelle und gegenständliche Arbeitsmittel dauerhaft an einem bestimmten Ort zu fixieren, ist vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Einsatzes moderner Verkehrs- und Fernkommunikationstechniken gravierend zurückgegangen und kann schon kaum mehr als Regelfall angesehen werden. Die Folgen erschöpfen sich dabei nicht in einer allgemeinen Dezentralisierung der Arbeitskräfte, die Unternehmen insgesamt zur Verfügung stehen. Vielmehr sind darüber hinaus fortlaufende Änderungen ___________ 26/94, AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972; BAG 27.06.1995 – 1 ABR 62/94, AP Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972; aus der Literatur Breitfeld in: Jaeger/Röder/Heckelmann, Praxishandbuch Betriebsverfassungsrecht, Kap. 1 Rdnr. 5; Eisemann in: ErfKomm Arbeitsrecht, BetrVG § 1 Rdnr. 7; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, Rdnr. 1; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 63; Gnade u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 1; Hanau, ZfA 1990, S. 115 (117); v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 3 II 1; Koch in: Schaub/Koch/Linck, ArbeitsrechtsHandbuch (10. Aufl.), § 214 Rdnr. 2a; A. Kraft/Franzen in: GK-BetrVG Bd. I, § 1 Rdnr. 28; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 147 IV 3 a aa; Preis, RdA 2000, S. 257 (258); Reichold, NZA 1999, S. 561 (567); Richardi in: Festschrift Wiedemann, S. 493 (498 f.); Stege/ Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 1 Rdnr. 5; Weiss/Weyand, BetrVG, § 1 Rdnr. 3; Wildschütz in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch Arbeitsrecht, I Rdnr. 77. 14 Vgl. Jacobi in: Festschrift Ehrenberg, S. 1 (9). 15 Vgl. zu diesem Faktor die allgemeine Kritik von A. Kraft/Franzen in: GK-BetrVG Bd. I, § 1 Rdnrn. 29, 40; anderer Ansicht Gamillscheg, ZfA 1975, S. 357 (399); Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 232 ff., 241 ff. (insb. 265). 16 BAG 14.09.1988 – 7 ABR 10/87, AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972 = BAGE 59, S. 319 (324). 17 Vgl. schon Gamillscheg, ZfA 1975, S. 357 (398).

§ 1 Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen und Betrieb

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sowohl der Unternehmens-18 als auch der Betriebsstruktur19 charakteristisch für den Wirtschaftsstandort Deutschland. In mannigfacher Weise motivierte Betriebsaufspaltungen und -zusammenführungen, Betriebsschließungen aufgrund zukünftiger Fremdvergabe oder Veräußerungen ganzer Geschäftsbereiche, die dann vom Übernehmer seinen Bedürfnissen entsprechend neu organisiert werden20, seien nur beispielhaft genannt. Aufgrund dieser Erkenntnis schlussfolgern die Vertreter eines teleologisch gebildeten Betriebsbegriffs nun, dass bisweilen schon ein konkreter Ort, an dem gemeinschaftlich wirkende Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung erbringen, nicht mehr feststellbar sei21. Sollte dies gleichwohl der Fall sein, so fehle es an eben diesem Ort zunehmend an einer Personalleitung, welche sich einheitlich und ausschließlich auf die dort zusammengefassten Arbeitnehmer beziehe. Nach dem Sinn und Zweck des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 sei es indessen nicht nur erforderlich, den Betriebsrat als Ansprechpartner der Belegschaft in der (nicht ausschließlich räumlich22 verstandenen) Nähe zu den repräsentierten Arbeitnehmern einzurichten23. Vielmehr müsse insbesondere auch der Informationsfluss zwischen dem Betriebsrat und dem für die vertretene Arbeitnehmergruppe zuständigen Entscheidungszentrum im Unternehmen gewährleistet sein, wenn nicht dass betriebsbezogene Mitbestimmungsrecht letztlich weitgehend leer laufen solle24. Den Kriterien der Arbeitnehmernähe und der Entscheidungsnähe komme mithin die maßgebliche Bedeutung für die Einordnung der Betriebsräte in die Arbeitsorganisation eines Unternehmens zu25. Es müsse stets die Frage gestellt werden, von welcher Position aus sowohl der Kontakt zur vertretenen Belegschaft als auch zu der für diese zuständigen Personalleitung optimal hergestellt wird26. Einzig auf diese Weise könne die organisatorische Einheit Betrieb zutreffend festgelegt werden. Der tradierte Betriebsbegriff hingegen berücksichti___________ 18

Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 156; Henssler, ZfA 2000, S. 241 (242). Vgl. Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 147 IV 3 a aa; Preis, RdA 2000, S. 257; Reichold, NZA 1999, S. 561; Wendeling-Schröder, NZA 1999, S. 1065 ff. 20 Vgl. Hensche, ArbuR 1996, S. 331; Henssler, NZA 1994, S. 294; Hromadka, DB 1996, S. 1872; Kania, DB 1995, S. 625. 21 Vgl. dazu etwa Däubler in: Festschrift Dieterich, S. 63 (68); vgl. allgemein zum Kriterium der räumlichen Zuordnung Preis, RdA 2000, S. 257 (269) mit w. Nachw. 22 Vgl. aber einen Definitionsversuch mit dem Schwerpunkt auf dem Merkmal der räumlichen Verbundenheit bei Breitfeld in: Jaeger/Röder/Heckelmann, Praxishandbuch Betriebsverfassungsrecht, Kap. 1 Rdnr. 16. 23 Richardi in: Festschrift Wiedemann, S. 493 (503). 24 Däubler in: Festschrift Dieterich, S. 63 (69). 25 Preis, RdA 2000, S. 257 (267 f.). 26 Wendeling-Schröder, NZA 1999, S. 1065. 19

Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

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ge diese Umstände nicht ausreichend, da er gerade das Zusammenfallen von organisatorisch zusammengehörenden Arbeitnehmern einerseits und zuständiger Personalleitung andererseits voraussetze. Wenn man dieser Vorstellung der Realität zuwider weiterhin folge, so führe dies unausweichlich dazu, dass die Betriebsräte verstärkt an völlig ungeeigneter – weil ihren Aufgaben hinderlicher – Stelle im Organisationsgefüge des Unternehmens untergebracht würden. Also wurde der Versuch einer flexibleren Definition unternommen, welche eher die geschilderten Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigen kann. Danach ist Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 die organisierte Untergliederung des Tätigkeitsbereichs eines Unternehmens (oder mehrerer Unternehmen), in dem die personelle oder technische oder organisatorische Umsetzung einer unternehmerischen Zielsetzung unter einheitlicher personeller Leitung erfolgt27. Im vorliegenden Zusammenhang muss auf diesen Streitpunkt jedoch nicht näher eingegangen werden. Der herkömmliche und der teleologisch hergeleitete Betriebsbegriff stimmen dahingehend überein, dass der Betrieb keinerlei rechtliche Konturen aufweist, sondern lediglich eine tatsächlich zu diagnostizierende Einheit darstellt. Diese Feststellung mag zur Bewältigung der vorliegenden Abgrenzungsaufgabe bereits ausreichen. 2. Der Unternehmensbegriff Auch eine Definition des Unternehmens ist weder im Betriebsverfassungsgesetz 1972 noch in den unternehmensbezogenen Mitbestimmungsgesetzen aufzufinden28. Überdies existiert kein für die gesamte Rechtsordnung allgemeingültiger Unternehmensbegriff. Stattdessen muss er jeweils nach Sinn und Zweck der einschlägigen Rechtsmaterie bestimmt werden29. Konsens besteht aber dahingehend, dass das Unternehmen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne diejenige organisatorische Einheit beschreibt, mit welcher der Unternehmer seine wirtschaftlichen oder im Einzelfall auch ideellen Zwecke verfolgt30. ___________ 27

Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 147 IV 3 a bb; Preis, RdA 2000, S. 257 (279). Vgl. BAG 05.12.1975 – 1 ABR 8/74, AP Nr. 1 zu § 47 BetrVG 1972 mit Anm. Wiedemann/Strohn = EzA § 47 BetrVG 1972 Nr. 1. 29 BAG 29.11.1989 – 7 ABR 64/87, AP Nr. 3 zu § 10 ArbGG 1979. 30 BAG 07.08.1986 – 6 ABR 57/85, AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972; BAG 05.03.1987 – 2 AZR 623/85, AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969; Breitfeld in: Jaeger/Röder/Heckelmann, Praxishandbuch Betriebsverfassungsrecht, Kap. 1 Rdnr. 2; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, Rdnr. 23; Etzel in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 9.1. Rdnr. 19; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 145; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 3 II 3; A. Kraft/Franzen in: GK-BetrVG Bd. I, § 1 Rdnr. 30; Weiss/Weyand, BetrVG, § 1 Rdnr. 4. 28

§ 1 Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen und Betrieb

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Damit ist die Institution Unternehmen indessen noch nicht hinreichend erfasst. Charakteristisch ist nicht allein die vom Unternehmer determinierte Zweckrichtung der Einheit, vielmehr ist das Unternehmen anders als der Betrieb nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich feststellbar. Hinter ihm verbirgt sich gerade der Rechtsträger31, also das Zuordnungsobjekt aller mit der unternehmerischen Tätigkeit einhergehenden Rechte und Pflichten. Dieser Rechtsträger seinerseits kann in unterschiedlichster Form im Rechtsverkehr auftreten. Er hat die Freiheit der Wahl zwischen den vom Gesetz angebotenen Organisationsformen32, vom Einzelkaufmann über die Personengesellschaften bis hin zu den Kapitalgesellschaften gleich welcher konkreten Ausprägung33. 3. Abgrenzungsprobleme Damit ist bereits eine wesentliche Diskrepanz zwischen unternehmensbezogener und betrieblicher Mitbestimmung aufgezeigt worden. Die Unternehmensmitbestimmung findet eben auf der Ebene und betreffend die Angelegenheiten des Rechtsträgers statt, dessen bloße Arbeitsorganisation zu einem Betrieb zusammengefasst ist oder sich in mehrere Betriebe unterteilen lässt34. Allerdings wird diese Trennung vom Betriebsverfassungsgesetz 1972 nicht konsequent durchgehalten. Der Grundsatz der isolierten Betrachtung von Betrieb und Unternehmen wird in vielfältiger Hinsicht durchbrochen. Weist beispielsweise ein Unternehmen mehrere Betriebe auf und wurde in mindestens zwei dieser Betriebe ein Betriebsrat errichtet, so ordnet § 47 Abs. 1 BetrVG 1972 die obligatorische Bildung eines Gesamtbetriebsrats an35. Dieser ist dann auf einer den einzelnen Betrieben hierarchisch übergeordneten Stufe des Organisationsgefüges, also beim Rechtsträger und deshalb auf Unternehmensebene angesiedelt36. Ebenfalls dort findet sich der gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ___________ 31 Vgl. Hanau, ZfA 1990, S. 115 (126); Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, D Rdnr. 4; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 3 II 3; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 208 ff.; Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 210 Rdnr. 3; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 147 IV 1; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, Vor § 322 Rdnr. 20. 32 Lutter in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, Einl. Rdnr. 1. 33 Vgl. Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 210 Rdnr. 3. 34 Richardi in: Richardi, BetrVG, § 1 Rdnr. 11. 35 Darüber hinaus sieht § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972 für Konzerne im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG die fakultative Bildung eines Konzernbetriebsrats durch Beschlüsse der einzelnen Gesamtbetriebsräte vor. Außerdem muss nach Maßgabe des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (EBRG) in transnational tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen ein Europäischer Betriebsrat bestehen. 36 Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 144; Wiese in: GK-BetrVG Bd. I, Einl. Rdnrn. 40, 108.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

1972 in Unternehmen mit mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern zwingend zu bildende Wirtschaftsausschuss37. Vor dem Hintergrund, dass diese Einrichtungen dem Regelungsgehalt des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 entsprechend grundsätzlich keinerlei inhaltlichen Bezug zur unternehmerischen Mitbestimmung aufweisen, mithin allein betriebliche Sachverhalte betreffen, dem zum Trotze aber auf der Stufe der unternehmerischen Leitungsmacht aufzufinden sind, ist eine scharfe Differenzierung zwischen betrieblicher und unternehmensbezogener Mitbestimmung allein über die Bezugspunkte Betrieb und Unternehmen nicht denkbar38. In gleicher Weise scheitert die Abgrenzung in folgender Konstellation: Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass bei kleineren Unternehmen deren Arbeitsorganisation sich nicht unbedingt in mehrere Einheiten und damit Betriebe zerlegen lassen muss. Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass die Kategorien Unternehmen und Betrieb bisweilen faktisch deckungsgleich sind39. Auch dann kann nicht sinnvoll mit der strukturellen Position der Interessenvertretung argumentiert werden. III. Die Gegenstände betriebsund unternehmensbezogener Mitbestimmung 1. Die Aufgaben des Betriebsrats Der Betriebsrat ist die kollektive Interessenvertretung der betrieblich zusammengehörigen Arbeitnehmerschaft40. Vertretung in diesem Sinne meint dabei keine Stellvertretung im Sinne der §§ 164 ff. BGB. Dies ist schon deswegen ausgeschlossen, weil die repräsentierte Belegschaft als solche keine eigene Rechtspersönlichkeit hat und deshalb nicht Träger von Rechten und Pflichten ___________ 37 Vgl. dazu v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 1 III 3, der schlussfolgert, dass Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat und Wirtschaftsausschuss eher zum Unternehmen als zum Betrieb gehören und ihre Regelung im BetrVG 1972 daher unter rechtssystematischen Gesichtspunkten verfehlt ist. 38 Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht Bd. 2, § 15 Rdnr. 6. 39 Vgl. BAG 05.03.1974 – 1 ABR 19/73, BAGE 26, S. 36 (52) = EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 7; BAG 09.12.1975 – 1 ABR 80/73, AP Nr. 11 zu § 5 BetrVG 1972 = BAGE 27, S. 374 (383) = EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 22; BAG 23.09.1982 – 6 ABR 42/81, AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972 = BAGE 40, S. 163 (165) = EzA § 1 BetrVG 1972 Nr. 3; Hanau, ZfA 1990, S. 115 (118); A. Kraft/Franzen in: GK-BetrVG Bd. I, § 1 Rdnr. 32; Richardi in: Richardi, BetrVG, § 1 Rdnr. 11: Betrieb als „arbeitstechnisches Spiegelbild des Unternehmens“. 40 BAG 02.07.1980 – 5 AZR 56/79, AP Nr. 5 zu § 101 BetrVG 1972; Bächle in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. II, Teil III Rdnr. 18.1; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 188.

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im rechtsgeschäftlichen Sinne des bürgerlichen Vertretungsrechts sein kann41. Demgemäß darf auch die gängige Bezeichnung des Betriebsrats als Organ der Betriebsverfassung42 nicht dahingehend missverstanden werden, dass von organschaftlicher Vertretung wie sie das Gesellschaftsrecht kennt die Rede sei. Weder der Betrieb als solcher noch die Belegschaft ist körperschaftlich strukturiert43. Dies wäre aber zwingende Voraussetzung für die Existenz eines Organs im engeren Sinne. Gleichwohl ergeben sich die Aufgaben des Betriebsrats aus organisatorischen Rechtssätzen des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 (und anderer Gesetze)44, so dass zumindest insoweit eine systematische Parallele zum gesellschaftsrechtlichen Organisationsrecht besteht45. Die allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben des Betriebsrats sind dem Katalog des § 80 Abs. 1 BetrVG 1972 zu entnehmen46. Besondere Bedeutung kommt dabei seiner Kontrollfunktion nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972 zu:  Der Betriebsrat wacht darüber, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden formellen Gesetze und sonstigen Rechtsnormen (Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Normen aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen) tatsächlich durchgeführt werden (Nr. 1),  er beantragt beim Arbeitgeber solche Maßnahmen, die dem Betrieb und seiner Belegschaft dienen (Nr. 2),  er fördert die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Begründung, Gestaltung und Durchführung von Arbeitsverhältnissen (Nr. 2a),  er fördert die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit (Nr. 2b),  er nimmt Anregungen seitens der Arbeitnehmer sowie der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegen und führt gegebenenfalls diesbezügliche Verhandlungen mit dem Arbeitgeber durch (Nr. 3), ___________ 41

Hess in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG, Vorb. vor § 1 Rdnr. 19. BAG 06.07.1955 – 1 AZR 510/54, AP Nr. 1 zu § 20 BetrVG 1952; BAG 03.04.1957 – 1 AZR 289/55, AP Nr. 46 zu § 2 ArbGG 1953 mit Anm. Franke; BAG 06.11.1959 – 1 AZR 329/58, AP Nr. 15 zu § 13 KSchG mit Anm. Dietz; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 193; Galperin, RdA 1959, S. 321; Kunze in: Festschrift Schilling, S. 333 (340). 43 Hess in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG, Vorb. vor § 1 Rdnr. 23. 44 Hess in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG, Vorb. vor § 1 Rdnr. 23. 45 Vgl. ausführlich zur Rechtsstellung des Betriebsrats und den verschiedenen Ansätzen der Charakterisierung A. Kraft/Franzen in: GK-BetrVG Bd. I, § 1 Rdnrn. 61 ff. (insb. 62 f.). 46 Vgl. dazu ausführlich Wildschütz in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch Arbeitsrecht, Rdnrn. 1243 ff. 42

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

 er fördert die Eingliederung Schwerbehinderter und sonstiger schutzbedürftiger Personen (Nr. 4),  er bereitet die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vor, führt die Wahl durch und arbeitet mit der gewählten Vertretung zur Förderung der Belange der in § 60 Abs. 1 BetrVG 1972 genannten Vertreter eng zusammen (Nr. 5),  er fördert die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb (Nr. 6),  er fördert die Integration ausländischer Arbeitnehmer in den Betrieb sowie das Verständnis zwischen ihnen und den inländischen Arbeitnehmern (Nr. 7),  er fördert und sichert die Beschäftigung im Betrieb (Nr. 8),  er fördert Maßnahmen des Arbeits- und betrieblichen Umweltschutzes (Nr. 9). Zur Durchführung dieser allgemeinen Aufgaben stehen dem Betriebsrat unterschiedliche Beteiligungsrechte mit Blick auf die Maßnahmen der Arbeitgeberseite zu. Insgesamt lassen sich diese Rechte des Betriebsrats untergliedern in  Informationsrechte (etwa §§ 90 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 99 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 102 Abs. 1 Satz 2, 105, 108 Abs. 5 BetrVG 1972),  Anhörungs- und Vorschlagsrechte (etwa §§ 92 Abs. 2, 92a Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972),  Beratungsrechte (etwa §§ 90 Abs. 2 Satz 1, 92a Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1972) sowie  echte Beteiligungsrechte in Gestalt von Zustimmungserfordernissen (§ 87 Abs. 1 BetrVG 1972) und Zustimmungsverweigerungsrechten (§ 99 Abs. 2 BetrVG 1972)47. Der sachlichen Gliederung des Gesetzes entsprechend stehen derartige Rechte dem Betriebsrat zu  in sozialen Angelegenheiten gemäß §§ 87 ff. BetrVG 197248,  bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung gemäß §§ 90 f. BetrVG 197249, ___________ 47 A. Kraft/Franzen in: GK-BetrVG Bd. I, § 1 Rdnr. 67; v. Hoyningen-Huene in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 300 Rdnrn. 37 ff. 48 Vgl. dazu ausführlich Kania in: ErfKomm Arbeitsrecht, BetrVG §§ 87 ff.; Fitting u.a., BetrVG, §§ 87 ff.; Klebe u.a. in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, §§ 87 ff.; Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, §§ 235 f.; Matthes in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, §§ 332 ff.; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 153; Wiese in: GKBetrVG Bd. II, Einf. vor § 87, §§ 87 ff. (jeweils mit w. Nachw.). 49 Vgl. dazu ausführlich Kania in: ErfKomm Arbeitsrecht, BetrVG §§ 90 f.; Fitting u.a., BetrVG, §§ 90 f.; Klebe in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, §§ 90 f.; Koch in:

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 in personellen Angelegenheiten gemäß §§ 92 ff. BetrVG 197250 und  in wirtschaftlichen Angelegenheiten gemäß §§ 106 ff. BetrVG 197251. 2. Der Aufsichtsrat als Mitbestimmungssubstrat Anders als auf betrieblicher Ebene sind die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmerrepräsentanten bei der unternehmensbezogenen Mitbestimmung nicht direkt gesetzlich normiert. Sie ergeben sich vielmehr aus der Natur der Sache. Die Vertreter der Belegschaft erhalten Sitze im Kontrollorgan des Unternehmens, dem Aufsichtsrat. Dieser wird damit zur Grundlage ihrer Mitbestimmungsrechte. Auch die Arbeitnehmervertreter sind genauso wie die Repräsentanten der Anteilseigner vollwertige Mitglieder des Aufsichtsrats52. Die Grenzen des Mitwirkungsrechts werden also nicht in erster Linie durch die Mitbestimmungsgesetze selbst festgelegt, sondern sind weitgehend den allgemein für den Aufsichtsrat und seine Mitglieder geltenden gesellschaftsrechtlichen Kompetenznormen zu entnehmen53. Die Einflussmöglichkeiten der Arbeitnehmervertreter auf die Leitung des Unternehmens reichen jeweils soweit, wie das für die jeweilige Gesellschaftsform einschlägige Organisationsrecht dem Kontrollorgan Befugnisse gibt54. Die ___________ Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 237; Matthes in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, §§ 343 ff.; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 154; Wiese/Weber in: GKBetrVG Bd. II, Einf. vor § 90, §§ 90 f. (jeweils mit w. Nachw.). 50 Vgl. dazu ausführlich Kania in: ErfKomm Arbeitsrecht, BetrVG §§ 92 ff.; Fitting u.a., BetrVG, §§ 92 ff.; Schneider u.a. in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, §§ 92 ff.; Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, §§ 238 ff.; A. Kraft/Raab in: GK-BetrVG Bd. II, Einf. vor § 92, §§ 92 ff.; Matthes in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, §§ 346 ff.; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 155 (jeweils mit w. Nachw.). 51 Vgl. dazu ausführlich Däubler in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, §§ 106 ff.; Kania in: ErfKomm Arbeitsrecht, BetrVG §§ 106 ff.; Oetker in: GK-BetrVG Bd. II, Einf. vor § 106, §§ 106 ff.; Fitting u.a., BetrVG, §§ 106 ff.; Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, §§ 243 f.; Matthes in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, §§ 360 ff.; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 156 (jeweils mit w. Nachw.). 52 Vgl. zur Rechtsstellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds Säcker, NJW 1979, S. 1521 ff. 53 Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 9. 54 Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 167; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 13; vgl. zu den Befugnissen im Einzelnen auch den Deutschen Corporate Governance Kodex vom 26.02.2002 in der Fassung vom 21.05.2003, 5.1.1 und 5.1.2, abgedruckt z.B. bei Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Anh. 2 und Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Anh. (S. 387 ff.); vgl. zum Regelungsgegenstand sowie Sinn und Zweck des Kodexes etwa Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001); Köstler/Kittner/Zachert/Müller, a.a.O., Rdnrn. 93 f.; Lutter/Krieger, a.a.O., Rdnr. 6; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex (2003); Seibert, BB 2002, S. 581 ff.; Vetter,

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Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats und all seiner Mitglieder sind also rechtsformspezifisch ausgestaltet55. Insbesondere werden Beteiligungsrechte vom Gesetz nicht etwa auf solche Gegenstände der Aufsichtsratstätigkeit beschränkt, die einen mehr oder weniger unmittelbaren Bezug zur rechtlichen und tatsächlichen Stellung der Arbeitnehmerschaft im Unternehmen aufweisen. Stattdessen geht das Gesetz davon aus, dass grundsätzlich sämtliche Angelegenheiten, mit denen der Aufsichtsrat sich zu befassen hat, geeignet sind, zumindest mittelbar auch die Interessen der Belegschaft zu berühren56. 3. Kompetenzüberschneidungen Während also auf betrieblicher Ebene maßgeblich soziale, personelle und wirtschaftliche Angelegenheiten beteiligungspflichtig sind, ist bei der Unternehmensmitbestimmung jegliche Entscheidung, die in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fällt, vom Mitbestimmungszwang erfasst57. Deshalb erscheint zunächst eine Abgrenzung von Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung dahingehend denkbar, dass erstere allein arbeitstechnisch-organisatorische Aspekte betrifft, letztere hingegen wirtschaftliche Gesichtspunkte mit Relevanz für das Unternehmen als Ganzes. Auch diese Feststellung erfährt indessen (zum Teil erhebliche) Durchbrechungen und muss daher als Differenzierungskriterium verworfen werden58: Zum einen machen die §§ 106 ff., 111 ff. BetrVG 1972 mit den Vorschriften über die Informationspflichten des Unternehmers gegenüber dem Wirtschaftsausschuss in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens und die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Falle einer Betriebsänderung deutlich, dass sich arbeitstechnische Belange auf betrieblicher Stufe nicht immer sinnvoll von wirtschaftlichen Entscheidungen der Unternehmensleitung trennen lassen59. Teilweise wird im arbeitsrechtlichen Schrifttum ergänzend hervorgehoben, die Auswirkungen einer Einflussnahme des Betriebrats auf soziale und ___________ DNotZ 2003, S. 748 ff.; vgl. auch Berrar, Die Entwicklung der Corporate Governance in Deutschland im internationalen Vergleich (2001). 55 Seibt, NZA 2004, S. 767 (771); vgl. zu den Kompetenzen des Aufsichtsrats im Einzelnen Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 34 für die AG, § 76 Rdnr. 35 für die KGaA, § 77 Rdnrn. 12 ff. für die GmbH. 56 Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 12. 57 Däubler in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, Einl. Rdnr. 59; Eisemann in: ErfKomm Arbeitsrecht, BetrVG § 1 Rdnr. 3; Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 1.1 Rdnr. 9; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 12. 58 Anderer Ansicht Auffarth, RdA 1976, S. 2 (3 ff.). 59 Wiese in: GK-BetrVG Bd. I, Einl. Rdnr. 40.

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personelle Entscheidungen seien nicht notwendig auf die betriebliche Sphäre beschränkt, nachdem sie im Einzelfall zumindest indirekt auch das Unternehmen als Ganzes betreffen könnten60. Zum anderen ist auch die Behauptung, die unternehmensbezogene Arbeitnehmermitwirkung sei aufgrund ihrer Ausrichtung am Kontrollorgan des Unternehmens allein wirtschaftlicher Natur, in dieser Pauschalität nicht korrekt. Zwar ist nach deutscher Corporate Governance – anders als in zahlreichen anderen Rechtsordnungen61 – jedenfalls für die Aktiengesellschaft neben dem Vertretungsorgan ein selbständiges Kontrollorgan in Gestalt des Aufsichtsrats vorgesehen62 (so genanntes two-board-System63 bzw. dualistische Unternehmensverfassung64), dessen Aufgabenbereich den arbeitstechnisch-organisatorischen Bereich eigentlich nicht erfasst. Allerdings beschränkt sich die Mehrheit der Mitbestimmungsgesetze nicht auf die Integration von Repräsentanten der Belegschaft in den Aufsichtsrat, sondern ordnet darüber hinaus die Existenz eines Arbeitsdirektors als Element des allgemeinen Vertretungsorgans, also als Mitglied des Vorstands oder als zusätzlicher Geschäftsführer, an65. Auf diese Weise erlangt ein Vertreter der Arbeitnehmerseite auch die Möglichkeit, auf jegliche und damit auch die Arbeitsorganisation betreffende Entscheidungen der Unternehmensleitung einzuwirken66.

___________ 60

Wiese in: GK-BetrVG Bd. I, Einl. Rdnr. 40. Geht eine Rechtsordnung nur von einem nicht durch ein eigenständiges Gremium kontrollierten Vertretungsorgan aus, so spricht man von einem (one-)board-System bzw. einer monistischen Unternehmensverfassung: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rdnr. 3; Theisen in: Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rdnrn. 81 ff.; Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 77 Rdnr. 44. Für die Europäische Aktiengesellschaft wurde ein Wahlrecht zwischen dualistischer (Art. 38 lit. b Var. 1, 39 ff., 46 ff. SE-Verordnung) und monistischer (Art. 38 lit. b Var. 2, 43 ff., 46 ff. SE-Verordnung) Unternehmensverfassung konzipiert, vgl. dazu Hanau, RdA 1998, S. 231 (232); Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (200 ff.); Hirte, NZG 2002, S. 1 (6 ff.); Hommelhoff, AG 2001, S. 279 (282 ff.); Hopt, EuZW 2002, S. 1; Raiser in: Festschrift Semler, S. 277 (289 ff.); Schindler, Die Europäische Aktiengesellschaft, 3.6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 I 4 c; Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 383; Schwarz, ZIP 2001, S. 1847 (1854 ff.). 62 So schon die Präambel zum Deutschen Corporate Governance Kodex. 63 Hommelhoff in: Festschrift Lutter, S. 95 (106). 64 Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (200); Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 77 Rdnr. 41. 65 Vgl. dazu unten C. sowie unten § 6 A. I. 66 Wiese in: GK-BetrVG Bd. I, Einl. Rdnr. 41. 61

Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

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IV. Die strukturelle Organisation der Arbeitnehmervertretungen in Betriebs- und Unternehmensverfassung Dass die Mitwirkungsrechte hinsichtlich des Betriebs und des Unternehmens aber zumindest im Grundsatz divergieren, erklärt sich in erster Linie aus dem Umstand, dass das Gesetz mit dem Betriebsrat (bzw. dem Sprecherausschuss) eine eigenständige Institution im Rahmen der Betriebsverfassung schafft, die ausschließlich mit der kollektiven Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen betraut ist. Völlig anders verhält es sich demgegenüber bei den unternehmensorientierten Mitbestimmungsgesetzen, welche die Repräsentanten der Arbeitnehmerschaft in die ohnehin vorhandenen und deswegen originär anderen Aufgaben dienenden Unternehmensorgane eingliedern67. Da also im Betrieb dem Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Einrichtung zur Seite gestellt wird, die er an seiner Entscheidungsfindung zu beteiligen hat, kann man nicht nur im Verhältnis von betrieblicher zur am Unternehmen ausgerichteten Mitbestimmung, sondern eben wegen des Nebeneinanders von Arbeitgeber und Betriebsrat auch betriebsintern von einem dualistischen Modell68 sprechen69. Im Rahmen der Unternehmensverfassung hingegen sind keinerlei neue, allein einer Interessenrepräsentation der Arbeitnehmer dienende Organe zu bilden, so dass hier die Terminologie Einheits-70 oder Integrationsprinzip71 gebräuchlich ist. Einzig diese beiden abweichenden strukturellen Ansätze des Gesetzes kennzeichnen daher zuverlässig die Grenze zwischen der Mitbestimmung im Unternehmen einerseits und derjenigen im Betrieb andererseits72. Die Einheiten Betrieb und Unternehmen selbst können demgegenüber ebenso wie die Gegenstände der Beteiligungsrechte bestenfalls ergänzend als Indizien herangezogen werden. Jegliche Form von Interessenvertretung durch den Betriebrat oder andere eigenständige Einrichtungen der Betriebsverfassung werden für die folgende Untersuchung nicht mehr von Belang sein. Wenn zukünftig daher von Mitbestimmung die Rede ist, wird damit ausschließlich solche Arbeitnehmerbe___________ 67

Richardi in: Richardi, BetrVG, § 1 Rdnr. 7. Vgl. außerdem Däubler in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, Einl. Rdnr. 50 i.V.m. § 2 Rdnrn. 49 ff., der ein weiteres dualistisches bzw. duales Modell dahingehend erkennt, dass Arbeitnehmerinteressen auf betrieblicher Ebene nicht allein durch den Betriebsrat, sondern daneben auch durch die Gewerkschaft (in erster Linie gewerkschaftliche Vertrauensleute) umgesetzt werden können. 69 Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 154; Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 19 („Gegenmachtmodell“); Richardi in: Richardi, BetrVG, § 1 Rdnr. 6. 70 Richardi in: Richardi, BetrVG, § 1 Rdnr. 6. 71 Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 154; Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 10; Wiese in: GK-BetrVG Bd. I, Einl. Rdnr. 43. 72 Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht Bd. 2, § 15 Rdnr. 6. 68

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teiligung bezeichnet, wie sie durch die in die Unternehmensorgane integrierten Interessenvertreter praktiziert wird.

B. Geltungsbereich der Unternehmensmitbestimmung Das deutsche Mitbestimmungsrecht knüpft das Eingreifen des Mitbestimmungszwangs an bestimmte Merkmale der betroffenen Unternehmen. Insofern kann festgestellt werden, dass die Mitbestimmung gleich in doppelter Hinsicht Bezug auf das Unternehmen nimmt, zum einen insofern, als sie, wie gezeigt, die Unternehmensorgane zur Grundlage der Beteiligungsrechte der Belegschaft macht, zum anderen dahingehend, dass ihre Voraussetzungen ausschließlich auf die konkrete Ausgestaltung der betroffenen Unternehmen abstellen73. Folglich kommt dem Unternehmen auf der Tatbestands- wie auf der Rechtsfolgenseite der Mitbestimmungsgesetze gleichermaßen ausschlaggebende Bedeutung zu. Bevor nun auf die Vorschriften der verschiedenen Mitbestimmungssysteme im Einzelnen eingegangen wird, soll eine knappe Darstellung der verallgemeinerungsfähigen Merkmale erfolgen74. I. Rechtsformabhängigkeit 1. Das Unternehmen als Sozialverband Zunächst werden nur Unternehmen bestimmter Gesellschaftsformen vom Mitbestimmungszwang erfasst. Präziser: Mitbestimmung findet nur in bestimmten als privatrechtliche Körperschaft ausgestalteten Unternehmen statt. Unangetastet bleiben demnach jedenfalls Personengesellschaften gleich welcher Art75. Dass die Vorschrift des § 4 Abs. 1 MitbestG Bezug auf die Kapitalgesellschaft & Co. KG nimmt, stellt keine Ausnahme zu diesem Dogma dar. Unmittelbar mitbestimmtes Unternehmen im Sinne der Norm ist gerade nicht jenes, das in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft betrieben wird. Vielmehr stellt das Gesetz auf die als persönlich haftende Gesellschafterin fungierende Kapitalgesellschaft ab, die ohnehin aufgrund ihrer Rechtsform potentiell vom gesetzlichen Mitbestimmungszwang erfasst werden kann. Die Funktion des § 4 Abs. 1 MitbestG erschöpft sich deswegen in einer Arbeitnehmerzurech___________ 73

Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 2. Vgl. zu den mitbestimmungsrelevanten Faktoren im Unternehmen ausführlich unten § 6. 75 Bartodziej, ZIP 1994, S. 580 (581, 582); Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 119; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 55; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 10. 74

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nung von der unternehmenstragenden Personenhandelsgesellschaft hin zu der regelmäßig allein einer Haftungsabschottung dienenden Kapitalgesellschaft76. Das Rechtsinstitut der Unternehmensmitbestimmung beruht maßgeblich auf dem Gedanken, dass ein Unternehmen als Verband nicht allein durch sein Kapital und seine geschäftliche Tätigkeit gekennzeichnet wird, sondern daneben auch sämtliche im Unternehmen zusammengefassten Personen einen Sozialverband bilden77. Wenngleich hinsichtlich des Kapitals als solches eigentlich kein Grund ersichtlich ist, der Arbeitnehmerschaft als Element des Unternehmens ein Mitspracherecht einzuräumen, rechtfertigt sich ihre Beteiligung an der Unternehmensführung doch durch den Umstand, dass zumindest potentiell und mittelbar jedwede unternehmerische Entscheidung Auswirkungen auch auf das soziale Gerüst des Unternehmens zeitigt. 2. Beschränkung auf körperschaftlich strukturierte Gesellschaften Dieser Gedanke trifft im Ansatz gleichermaßen auf Körperschaften wie auf die Gesamthandsgemeinschaften als Unternehmensträger zu. Dass das Gesetz dennoch mitbestimmungsrechtlich zwischen ihnen differenziert, ist vorrangig durch die das Personengesellschaftsrecht kennzeichnende Haftungsverfassung zu erklären. Hier gilt der Grundsatz der persönlichen akzessorischen Haftung wenigstens eines Teils der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten, was sich für die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft aus § 128 Satz 1 (gegebenenfalls in Verbindung mit § 161 Abs. 2) HGB und für die Partnerschaftsgesellschaft aus § 8 Abs. 1 bis 3 PartGG entnehmen lässt. Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung und der mittlerweile deutlich überwiegenden Auffassung in der Literatur78 gilt dieses Prinzip nunmehr auch für den Grundtypus aller Personengesellschaften, die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne der §§ 705 ff. BGB. Deren Quasirechtsfä___________ 76

Vgl. zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Kapitalgesellschaft & Co. KG ausführlich unten § 3 A. II. 2. 77 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV 1 b. 78 Vgl. Baumann, JZ 2001, S. 895 ff.; Dauner-Lieb, DStR 2001, S. 356 ff.; Habersack, BB 2001, S. 477 ff.; Hadding, ZGR 2001, S. 712 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, S. 993 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 60 II 1 a; Ulmer, ZIP 2001, S. 585 ff.; Wertenbruch, NJW 2002, S. 324 ff.; Westermann, NZG 2001, S. 289 ff.; anderer Ansicht noch Berndt/Boin, NJW 1998, S. 2854 (2857); Cordes, JZ 1998, S. 545 (549); Hueck in: Festschrift Zöllner Bd. I, S. 275 (280 ff.); A Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, B VI 4 a; Ulmer, AcP 198 (1998), S. 113 (119 ff.); Wiedemann, ZGR 1996, S. 286 (289 f.); Zöllner in: Festschrift Claussen, S. 423 (429 ff.); vgl. aber zudem Canaris, ZGR 2004, S. 69 ff.

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higkeit hat der Bundesgerichtshof mit seinem Grundsatzurteil79 vom 29. Januar 2001 inzwischen anerkannt und vertritt eine analoge Anwendung des § 128 Satz 1 HGB im Verhältnis der Gesamthand zu den einzelnen Gesellschaftern80. Mit jener strengen persönlichen und akzessorischen Haftung ist es nach einhelliger Auffassung nicht vereinbar, die Entscheidungsmacht den Gesellschaftern auch nur partiell zu entziehen und in die Hand von nicht in die persönliche Haftung einbezogenen Arbeitnehmerrepräsentanten zu legen81. (Vor diesem Hintergrund wurde bereits vorgeschlagen, Großunternehmen und Konzernspitzengesellschaften ab einer bestimmten Größenordnung des Unternehmens bzw. des Gesamtkonzerns über einen gesetzlichen Rechtsformzwang in den Status einer Kapitalgesellschaft zu drängen, um die Anwendbarkeit eines Mitbestimmungsgesetzes auf diese sicherzustellen. Entsprechende Forderungen wurden insbesondere durch den Deutschen Gewerkschaftsbund (DBG) gestellt82.) Das im Personengesellschaftsrecht herrschende Prinzip der Selbstorganschaft wäre demgegenüber nicht betroffen. Dieses trifft zwei elementare Aussagen über die infrastrukturelle Verfassung einer Personengesellschaft in Abgrenzung zu einem körperschaftlich strukturierten Verband83. Nach der ersten Aussage müssen in der Personengesellschaft, anders als in der Körperschaft, die Gesellschaftsorgane nicht erst in einem besonderen Bestellungsakt gebildet werden. Vielmehr stehen sie im Zeitpunkt der Entstehung der Gesamthand dieser in Gestalt der persönlich haftenden Gesellschafter automatisch kraft Gesetzes zur Verfügung. Abgesichert wird dieses Prinzip durch die zweite Aussage zur Selbstorganschaft, nach welcher es verboten ist, sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter von der Geschäftsführung und organschaftlichen Vertretung der Personengesamtheit im Sinne der §§ 709 Abs. 1, 714 BGB so___________ 79 BGH 29.01.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, S. 341 ff. = NJW 2001, S. 1056 ff. – ARGE Weißes Ross; ferner BGH 24.02.2003 – II ZR 385/99, BGHZ 154, S. 88 ff. = NJW 2003, S. 1445 ff.; BGH 07.04.2003 – II ZR 56/02, BGHZ 153, S. 370 ff. = NJW 2003, S. 1803 ff. 80 Vgl. auch den alternativen Ansatz von Huber in: Festschrift Lutter, S. 107 (116 ff., 138), der die persönliche Gesellschafterhaftung auf die allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen der §§ 427, 431 BGB stützt; vgl. außerdem Canaris, ZGR 2004, S. 69 (84, 94, 100, 107 f.). 81 Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 163; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 4; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 55; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (16); Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 10. 82 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Großunternehmen und Großkonzernen (1982), erschienen in der DGB-Schriftenreihe Mitbestimmung sowie in RdA 1983, S. 41; vgl. Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 73; Schwark, AG 1983, S. 303 ff.; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 10. 83 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 d, § 14 II 2 a; K. Schmidt in: Schlegelberger, HGB Bd. III/1, § 125 Rdnr. 6; K. Schmidt in: MünchKomm HGB Bd. 2, § 125 Rdnr. 6.

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wie der §§ 114 Abs. 1, 125 Abs. 1 (gegebenenfalls in Verbindung mit § 161 Abs. 2) HGB auszuschließen und ihnen auf diesem Wege notwendig die Kompetenz der letzten Entscheidung zu entziehen84. Man spricht vom Verbot der Fremdorganschaft. Eine Übertragung der institutionellen Arbeitnehmermitbestimmung auch auf die Personengesellschaften hätte einen Verstoß gegen dieses Verbot schon deshalb nicht zur Konsequenz, weil die entscheidende Grundlage der Unternehmensmitbestimmung ein von den Vertretungsorganen streng zu unterscheidendes Kontrollgremium (Aufsichtsrat) ist. 3. Die gegenseitige Modifikation von Gesellschafts- und Mitbestimmungsrecht Die Rechtsformabhängigkeit der Unternehmensmitbestimmung führt noch zu weiteren Besonderheiten. Wie bereits dargelegt wurde, bestimmen sich die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmervertreter im Kontrollgremium des Unternehmens aufgrund des Integrationsprinzips nach dem für die konkrete Gesellschaftsform einschlägigen Organisations- und Kompetenzrecht. Das bedeutet, dass die Reichweite der Arbeitnehmerbeteiligung innerhalb desselben Mitbestimmungsstatuts je nach Rechtsform der betroffenen Körperschaft unterschiedlich sein kann85. In der Aktiengesellschaft beispielsweise liegt eine herausra___________ 84 Vgl. dazu BGH 11.07.1960 – II ZR 260/59, BGHZ 33, S. 105 (108) = NJW 1960, S. 1997; BGH 22.01.1962 – II ZR 11/61, BGHZ 36, S. 292 (294) = LM § 114 HGB Nr. 1 mit Anm. Fischer = NJW 1962, S. 738; BGH 09.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, S. 198 (200); BGH 05.10.1981 – II ZR 203/80, LM § 114 HGB Nr. 7 = NJW 1982, S. 1817 = ZIP 1982, S. 578 (581); BGH 16.11.1981 – II ZR 213/80, LM § 709 BGB Nr. 9 = NJW 1982, S. 877 (878) = ZIP 1982, S. 54 f.; BGH 22.03.1982 – II ZR 74/81, LM § 712 BGB Nr. 1 = NJW 1982, S. 2495 = ZIP 1982, S. 692; BGH 25.11.1985 – II ZR 115/85, WM 1986, S. 315 (316); BGH 20.09.1993 – II ZR 204/92, NJW-RR 1994, S. 98; aus der Literatur Arlt, NZG 2002, S. 407; v. Ditfurth in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 1, § 54 Rdnrn. 12 ff.; Ensthaler in: GK-HGB, § 114 Rdnrn. 9 ff.; Enzinger in: MünchKomm HGB Bd. 2, § 109 Rdnr. 19; v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 109 Rdnr. 5, § 114 Rdnr. 3, § 125 Rdnr. 1; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. Teil A Rdnrn. 41 ff., B Rdnrn. 17, 21; Helm/Wagner, BB 1979, S. 225 ff.; Hillmann in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 125 Rdnr. 3; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 125 Rdnrn. 5, 12; Koller in: Koller/Roth/Mork, HGB, § 125 Rdnr. 2; A. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, D II 1 c cc; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 6 III 1; Löffler, NJW 1983, S. 2920; Mayen in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 114 Rdnr. 2; Riegger/Götze in: MünchVertragshandbuch Bd. 1, Form. III.1 Anm. 8; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 1 c bb, § 14 II 2, IV 1; K. Schmidt in: Schlegelberger, HGB Bd. III/1, § 125 Rdnrn. 5 ff.; K. Schmidt in: MünchKomm HGB Bd. 2, § 125 Rdnrn. 5 ff.; Stuhlfehlner in: HeidelbergKomm HGB, § 114 Rdnr. 7, § 125 Rdnr. 2; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 6 IV 1 a; Wirth in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 9 Rdnr. 13. 85 Seibt, NZA 2004, S. 767 (771); Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 14, § 384 Rdnrn. 1 ff.

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gende Aufgabe des Aufsichtsrats in der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder86, § 84 AktG. Selbstverständlich sind an der entsprechenden Beschlussfassung auch die Repräsentanten der Arbeitnehmerseite zu beteiligen. Ihnen kommen stets die gleichen Rechte und Pflichten zu wie den einzelnen Anteilseignervertretern, ihre Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ist nicht etwa eine solche nur zweiter Güte87. Das ergibt sich zum einen daraus, dass der allgemeine aktienrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder für die den Mitbestimmungsgesetzen unterliegenden Aktiengesellschaften in Bezug genommen wird. Im Bereich des Mitbestimmungsgesetzes 1976 etwa ist insofern die Generalverweisung des § 25 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG einschlägig. Zum anderen kommt dieser Grundsatz aber auch im Aktiengesetz selbst zum Ausdruck. In erster Linie zu nennen ist hier § 96 Abs. 1 AktG, welcher die verschiedenen Modelle eines mitbestimmten Aufsichtsrats gleichberechtigt neben das herkömmliche aktienrechtliche Aufsichtsratsmodell treten lässt, in dem die Anteilsinhaber allein über die Zusammensetzung des Kontrollorgans entscheiden88. Anders ist es um den Zuständigkeitsbereich des Gremiums als Ganzes aber bereits dann bestellt, wenn das gleiche Unternehmen nicht als Aktiengesellschaft, sondern als Kommanditgesellschaft auf Aktien betrieben wird. Zwar kann auch diese dem gleichen Mitbestimmungszwang wie die Aktiengesellschaft unterliegen. Nach ihrem Organisationsrecht indessen obliegt dem Aufsichtsrat gerade nicht die Bildung des Leitungsorgans89. § 31 Abs. 1 Satz 2 MitbestG stellt noch einmal gesondert klar, dass eine derartige Zuständigkeit mit den Grundsätzen des Rechts der Kommanditgesellschaft auf Aktien unvereinbar wäre90. Anstelle eines Vorstandes sind vielmehr zwingend die Komplementäre zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft berufen gemäß § 278 Abs. 2 AktG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 125 Abs. 1 HGB91. Daraus muss folgender Schluss gezogen werden: Sind in einer ___________ 86

Vgl. schon oben Einleitung C. II. mit Nachw. Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 24 II 1 c; Bächle in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. II, Teil III Rdnr. 37; Theisen in: Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rdnr. 793. 88 OLG Karlsruhe 20.06.1980 – 15 U 171/79, NJW 1980, S. 2137 (2138). 89 Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rdnr. 811; Hüffer, AktG, § 278 Rdnr. 15; Kallmeyer, ZGR 1983, S. 57 (66); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 35. 90 Zumindest missverständlich insofern Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255), der feststellt, dass die Bestellung des vertretungsberechtigten Organs durch den Aufsichtsrat im Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes 1976 nicht nur in der Aktiengesellschaft, sondern in allen unter das Gesetz fallenden Unternehmen stattfindet. Die Besonderheiten der KGaA werden dabei gerade verschwiegen. 91 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 32 III 2 b. 87

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mitbestimmten Gesellschaftsform die Kompetenzen des Aufsichtsrats gemessen an einer vom gleichen Mitbestimmungsstatut betroffenen anderen Gesellschaftsform enger gefasst, so ist damit zugleich einem diesbezüglichen Mitspracherecht der Arbeitnehmerseite jegliche Grundlage entzogen92. Die Feststellung, dass das Gesellschaftsorganisationsrecht die Tragweite des Mitbestimmungsrechts beeinflusst, gilt aber auch umgekehrt. Der soeben aufgestellte Grundsatz kann selbstverständlich dann nicht durchgehalten werden, wenn das Mitbestimmungsrecht seinerseits die originäre gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung ausdrücklich modifiziert. So verhält es sich etwa in Unternehmen, die als GmbH ausgestaltet sind. Das GmbH-Recht trifft zwar anders als das Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien keine zwingenden gesetzlichen Anordnungen dahingehend, dass die Posten der Geschäftsführer ausschließlich mit bestimmten Personen zu besetzen sind. Zugleich besteht aber auch ein elementarer Unterschied zur Rechtslage in der Aktiengesellschaft. Die Auswahl der Geschäftsführer steht nämlich nicht dem Aufsichtsrat der GmbH zu93. Diese Aufgabe fällt nach § 46 Abs. 5 GmbHG vielmehr in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter94. Diese gesellschaftsorganisationsrechtliche Vorgabe muss indessen anders als im Recht der KGaA hinter den speziellen Normen der Mitbestimmungsgesetze zurücktreten. Die §§ 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, 12 MontanmitbestG erklären jeweils auch für die einschlägig mitbestimmte GmbH die maßgeblichen Vorschriften des Aktienrechts, insbesondere § 84 AktG, für anwendbar. In der Konsequenz ist unter diesen Voraussetzungen den Gesellschaftern die Zuständigkeit zur Bestellung des Geschäftsführers entzogen und wird auf den Aufsichtsrat übergeleitet95. Unter dem Mitbestimmungsstatut des Drittelbeteiligungsgesetzes hingegen fehlt wie auch schon unter der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 eine entsprechende Regelung, da § 84 AktG in den Verweisungen der §§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG, 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952 gerade nicht erwähnt wird96. In diesem Fall bleibt es also bei der herkömmlichen Verteilung der Personalhoheit zwischen Gesellschaftern einerseits und Aufsichtsrat andererseits97. ___________ 92

Vgl. ausführlich Raiser, MitbestG, § 25 Rdnrn. 68 ff. Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 61. 94 Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 102. 95 Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 31 Rdnr. 7 mit w. Nachw.; Henssler, GmbHR 2004, S. 321 (322); Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 31 Rdnr. 4; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, §§ 167, 173; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 31 Rdnrn. 1, 3. 96 Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 170. 97 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 31 Rdnr. 4. 93

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Während in dem gerade geschilderten Beispiel die verschiedenen Mitbestimmungsgesetze unterschiedliche Wege gehen, finden sich in anderen Fällen einvernehmliche Lösungen. Bestimmte Freiheiten, die das Gesellschaftsrecht gewährt, sind mit dem Mitbestimmungszwang gerade in jeder Hinsicht inkompatibel und müssen daher gesetzlich modifiziert werden. Signifikant ist auch dies am Beispiel der mitbestimmten GmbH darzustellen: Grundsätzlich sind als obligatorische Organe der GmbH lediglich ein oder mehrere Geschäftsführer zu bestellen, um die Gesellschaft handlungsfähig zu machen, §§ 6, 35 Abs. 1 GmbHG. Daneben ist gemäß § 48 Abs. 1 GmbHG zwingend die Gesellschafterversammlung (genauer: die in der Gesellschafterversammlung zusammengefasste Gesamtheit der Gesellschafter98) als Willensbildungsorgan vorgesehen. Zur Disposition der Gesellschaftsgründer steht allerdings infolge des § 52 GmbHG, ob sie zudem ein Kontrollgremium in Gestalt eines Aufsichtsrats in ihrer Gesellschaft etablieren wollen. Diese Wahlfreiheit steht nun ihrerseits mit der zwingenden Anordnung der Arbeitnehmermitbestimmung für Gesellschaften mit beschränkter Haftung ab einer gewissen Größe (Arbeitnehmerquorum) in Widerspruch. Wesentliche Grundlage der Mitwirkungsrechte ist gerade der Aufsichtsrat99, aus dem je nach einschlägigem Beteiligungsstatut unterschiedlich intensiv Vertreter der Anteilseignerseite zugunsten solcher der Arbeitnehmerschaft verdrängt werden. Konsequent bewirken die Mitbestimmungsgesetze, dass in der mitbestimmten GmbH die Einrichtung eines Kontrollorgans nicht länger Gegenstand einer freien Ermessensentscheidung ist100. Stattdessen wird der Aufsichtsrat ebenso wie Geschäftsführer und Gesellschafterversammlung notwendiges und unabdingbares Glied der Gesellschaftsstruktur101. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 1 DrittelbG bzw. § 77 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BetrVG 1952, § 6 Abs. 1 MitbestG und den §§ 2, 3 Abs. 1 MontanmitbestG. ___________ 98

Zur genauen dogmatischen Einordnung Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 45 Rdnr. 1; Römermann in: Michalski, GmbHG Bd. 2, § 48 Rdnr. 8 i.V.m. § 45 Rdnr. 11; K. Schmidt in: Scholz, GmbHG Bd. II, § 48 Rdnr. 1 i.V.m. § 45 Rdnr. 5; anderer Ansicht Hüffer in: Festschrift 100 Jahre GmbHG, S. 521 (524). 99 Vgl. oben A. III. 2. 100 Remme/Theile, GmbHR 1998, S. 909 (914). 101 Vgl. Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdnrn. 36 ff.; Meister/Klöcker in: MünchVertragshandbuch Bd. 1, Form. IV.23, IV.24 Anm. 22; Henssler, GmbHR 2004, S. 321 (321, 322); Heyder in: Michalski, GmbHG Bd. 2, § 52 Rdnrn. 21 ff.; Koppensteiner in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 52 Rdnrn. 1, 3 ff., 22 ff.; Lutter/ Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdnrn. 21 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rdnrn. 7, 891 ff.; Marsch-Barner/Diekmann in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 3, § 48 Rdnrn. 3, 92 ff., 140 ff.; Müller in: BeckHandbuch GmbH, § 6 Rdnrn. 70 ff.; Roth in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 3 Rdnr. 40; Schneider in: Scholz, GmbHG Bd. II, § 52 Rdnrn. 8 ff.; Seibt in: MünchAnwHandbuch GmbHR, § 2 Rdnrn. 161 ff.

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Für die Wahl und natürlich die Zusammensetzung dieses obligatorischen Aufsichtsrats gelten außerdem gegenüber den Normen des GmbH-Rechts betreffend den fakultativen Aufsichtsrat spezielle Regelungen102. Entsprechende Abwandlungen bestehen unter den verschiedenen Beteiligungsstatuten für Rechtsträger in Form einer Aktiengesellschaft (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 4 ff. DrittelbG bzw. § 76 BetrVG 1952, §§ 6 Abs. 2, 7 ff. MitbestG, §§ 2 ff. MontanmitbestG), einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 4 ff. DrittelbG bzw. § 76 BetrVG 1952, §§ 6 Abs. 2, 7 ff. MitbestG) und einer Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaft103 (§§ 1 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3, 4 ff. DrittelbG bzw. §§ 77 Abs. 3, 85 Abs. 1 BetrVG 1952, § 6 Abs. 3 MitbestG). Eine Eigentümlichkeit in diesem System der wechselseitigen Beeinflussung zwischen Mitbestimmungsrecht und Gesellschaftsorganisationsrecht stellt die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 4 DrittelbG dar. Diese macht deutlich, dass Mitbestimmung in einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nur unter der Bedingung stattfindet, dass der konkrete Versicherungsverein bereits ohnehin einen Aufsichtsrat aufweist104. Anderenfalls bleibt er vom Mitbestimmungszwang unberührt. Eine dem § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG vergleichbare Regelung existiert gerade für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nicht. II. Abstufung nach der Anzahl der Arbeitnehmer 1. Mindestarbeitnehmerzahlen Abgesehen von einigen Fällen im Drittelbeteiligungsstatut, die zwar rechtssystematisch die Regel, praktisch hingegen die Ausnahme bilden, macht jedes dem deutschen Recht bekannte Mitbestimmungsregime sein Eingreifen von bestimmten Mindestarbeitnehmerzahlen abhängig:

___________ 102 Vgl. zu Folgeproblemen in der mitbestimmten GmbH Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (401). 103 Vgl. zu den Besonderheiten des Aufsichtsrats in der Genossenschaft Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rdnrn. 1011 ff. 104 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 3. Zwar muss auch im Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zwingend ein Aufsichtsrat bestehen, § 35 Abs. 1 Satz 1 VAG. Dies gilt aber gemäß § 53 Abs. 1 und 3 VAG nicht für die sog. kleineren Vereine, d.h. Vereine, die bestimmungsgemäß einen sachlich, örtlich oder dem Personenkreis nach eng begrenzten Wirkungskreis haben. In diesen ist die Errichtung eines Aufsichtsrats also rein fakultativ, vgl. unten § 4 B. II. 1.; vgl. auch Benkel, Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Kap. 12 I; Goldberg in: Goldberg/Müller, VAG/BAG, VAG § 35 Rdnr. 20, § 53 Rdnrn. 31 ff.; Kaulbach in: Fahr/ Kaulbach, VAG, § 53 Rdnr. 3; Weigel in: Prölss, VAG, § 35 Rdnr. 22, § 53 Rdnrn. 38 ff.

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 § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 DrittelbG: mehr als 500 Arbeitnehmer (anders §§ 76 Abs. 6, 77 Abs. 1, 2 und 3 BetrVG 1952: je nach Rechtsform des Unternehmens mindestens 500 oder mehr als 500 Arbeitnehmer),  § 1 Abs. 2 MontanmitbestG: mehr als 1.000 Arbeitnehmer,  § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG: mehr als 2.000 Arbeitnehmer. 2. Regelmäßige Beschäftigung Die §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG und 1 Abs. 2 MontanmitbestG stellen dabei jeweils auf die in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer ab. Nachdem die Arbeitnehmerzahlen aus der Perspektive des Gesetzgebers als das entscheidende Indiz für die Größe des Unternehmens zu begreifen sind, trägt das Gesetz über das Tatbestandsmerkmal „in der Regel“ dem Umstand Rechnung, dass ein Unternehmen auch im Hinblick auf seine Größe nur selten in einem Ruhezustand verharrt, sondern beharrlich gewissen Schwankungen unterworfen ist. Zieht man als Bemessungsgrundlage für die Unternehmensgröße das Arbeitnehmerquorum heran, so muss deshalb ausgeschlossen werden, dass der Schwerpunkt der Betrachtung auf der bloßen Begründung oder Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Unternehmen liegt. Vielmehr ist entscheidend, dass der Bestand und je nach Fallkonstellation auch der Wegfall der besagten Arbeitsverhältnisse über einen nicht nur unerheblichen Zeitraum hinweg gewährleistet sind. Nur unter dieser Voraussetzung ist es gerechtfertigt, aus der Arbeitnehmerzahl Rückschlüsse auf den tatsächlichen Umfang der unternehmerischen Tätigkeit zu ziehen. Anders gewendet muss und soll vermieden werden, dass bereits kurzfristige und vorübergehende Schwankungen im Arbeitnehmerbestand den Wechsel in ein anderes Mitbestimmungsstatut auslösen105. Allein jene gesetzliche Vorsichtmaßnahme macht bereits deutlich, dass das abgestufte System der Arbeitnehmerschwellenwerte als Ansatzpunkt für Gestaltungsmaßnahmen besonders geeignet ist. So wird auch der weitere Verlauf der Untersuchung zeigen, dass die große Mehrheit der Gestaltungsmaßnahmen mit dem Ziel der Flucht aus einem konkreten Mitbestimmungsmodell an diesem Kriterium ansetzt. Schuldig bleiben die Mitbestimmungsgesetze hingegen eine inhaltliche Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs der regelmäßigen Beschäftigung. ___________ 105

BAG 31.01.1991 – 2 AZR 356/90, AP Nr. 11 zu § 23 KSchG 1969; Oetker, ZGR 2000, S. 19 (29); Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 165; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 16a; Ulmer in: Festschrift Heinsius, S. 855 (859); Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 16.

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Neben verschiedenen Ansätzen in der Literatur106 hat sich vor allem das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung in der Rechtssache Milchwerke Köln/Wuppertal e.G.107 aus dem Jahr 1994 mit der Frage beschäftigt, welchen Umfang eine angemessene Referenzperiode zur Feststellung einer nicht nur vorübergehenden Beschäftigung im Sinne der Mitbestimmungsgesetze haben muss. Gegenstand des Rechtsstreits war die Durchbrechung des Schwellenwerts von 2.000 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG. Die Erwägungen des Gerichts lassen sich jedoch ohne weiteres auf die übrigen Beteiligungsstatute übertragen, da das Merkmal der regelmäßigen Beschäftigung jeweils unterschiedslos dazu dient, bei Schwankungen der Belegschaftszahl einem korrespondierenden häufigen Wechsel der Mitbestimmungsform entgegenzuwirken, und sich aus dem Sinn und Zweck der verschiedenen Gesetze keine Anhaltspunkte für das Bedürfnis nach differenzierten Definitionen ergeben. Der erkennende Senat des OLG Düsseldorf vertrat dabei die Auffassung, eine vergleichsweise kurze Bemessung der Referenzperiode mit einer Dauer von nur wenigen Monaten, wie sie im Schrifttum zum Teil vorgeschlagen worden war, verbiete sich schon vor dem Hintergrund der Überlegung, dass nach dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts von einer regelmäßigen Beschäftigung eines Arbeitnehmers immer nur dann ausgegangen werden könne, wenn die Beschäftigtenzahl nach der Personalplanung des Unternehmens als für längere Zeit abgesichert angesehen werden könne. Die Konkretisierung der damit vom Gesetz geforderten mitbestimmungsrechtlichen Referenzperiode sei vielmehr anhand der Summierung zweier Zeiträume vorgegeben, die schon in der Systematik des Mitbestimmungsrechts einerseits und des Aktiengesetzes andererseits angelegt seien. Gemeint sind zum einen das mitbestimmungsrechtliche Verfahren für die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat gemäß §§ 10 f. MitbestG in Verbindung mit der entsprechenden Wahlordnung und zum anderen das aktiengesetzliche Statusverfahren zur Anpassung der Besetzung des Aufsichtsrats an eine inzwischen veränderte gesetzliche Grundlage nach Maßgabe der §§ 97 f. AktG. ___________ 106 Vgl. zu Ergebnissen bei der Herleitung eines angemessenen Referenzzeitraums zur Bemessung der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl, welche von der nachstehend beschriebenen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf vom 09.12.1994 – 19 W 2/94 abweichen, Rittner, AG 1983, S. 99 (102 f.): achtzehn Monate; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 16a: achtzehn bis vierundzwanzig Monate; Theisen, AG 1998, S. 153 (157): drei bis fünf Jahre; Ulmer in: Festschrift Heinsius, S. 855 (864): sechs bis zwölf Monate. 107 OLG Düsseldorf 09.12.1994 – 19 W 2/94, AG 1995, S. 328 (329) = DB 1995, S. 277 (278) = WM 1995, S. 251 (252) – Milchwerke Köln/Wuppertal e.G.; vgl. in diesem Sinne auch Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 6.

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Denn die Durchführung beider Verfahren sei entscheidend, um den in seiner Zusammensetzung nicht mehr der aktuellen Rechtslage entsprechenden Aufsichtsrat zu verändern. Zugleich müsse die Prognose der Zahl der Beschäftigten hierbei nach Möglichkeit sicherstellen, dass nicht bereits vor Ablauf der Frist eine neuerliche Änderung der Mitbestimmungsform erforderlich werde. Aus den Erfahrungen der Gestaltungspraxis heraus sei allein die Dauer des Wahlverfahrens schon mit etwa zehn Monaten und die des aktienrechtlichen Statusverfahrens im Durchschnitt mit weiteren sieben bis zehn Monaten anzusetzen. Auf dieser Basis gelangt der Senat daher zu dem Ergebnis, dass wenigstens die nächsten siebzehn bis zwanzig Monate der Unternehmensplanung bei der Ermittlung der fraglichen Arbeitnehmerzahl berücksichtigt werden müssen. Dieser durchgehend überzeugenden Argumentation wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung bei der Berechnung der mitbestimmungsrechtlichen Referenzperiode stets gefolgt.

III. Der Tätigkeitsbereich des Unternehmens 1. Montanmitbestimmung Schließlich kommt dem Tätigkeitsbereich des Unternehmens im mitbestimmungsrechtlichen Kontext eine wichtige Rolle zu. Besonders offensichtlich ist dies in den Fällen der Montanmitbestimmung. Bereits aus den amtlichen Bezeichnungen des Montanmitbestimmungsgesetzes und seines Ergänzungsgesetzes lässt sich ableiten, dass die entsprechenden Regelungen allein für Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie von Relevanz sind. Dadurch wird der Anwendungsbereich der Montanmitbestimmung von vornherein erheblich begrenzt.

2. Tendenzschutzklauseln im MitbestG und DrittelbG Genau umgekehrt verhalten sich hinsichtlich der Unternehmenstätigkeit die Mitbestimmungsstatute nach dem Drittelbeteiligungsgesetz und dem Mitbestimmungsgesetz 1976. Deren Geltungsbereich ist nach dem Wortlaut der Eingangsvorschriften jeweils denkbar weit gefasst, erstreckt sich also auf Unternehmen ganz unabhängig von ihren Tätigkeitsschwerpunkten. Allerdings hat der Gesetzgeber vor eben diesem Hintergrund gewisse – wenn auch eng gefasste – Ausnahmetatbestände geschaffen, sie so genannten Tendenzschutzklauseln. Ihre Aufgabe ist es, besonderen grundrechtlichen Schutzzwecken Rechnung zu tragen, die über Art. 19 Abs. 3 GG sich bisweilen auch auf in einer Gesellschaft

Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

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verfolgte unternehmerische Ziele erstrecken108. Ausgenommen vom Mitbestimmungszwang des Drittelbeteiligungsgesetzes und ebenso des Mitbestimmungsgesetzes 1976 sind aufgrund der wortlautgleichen Klauseln in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 DrittelbG und § 1 Abs. 4 MitbestG solche Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen dienen, §§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a DrittelbG, 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 MitbestG, oder Zwecke der Berichterstattung und Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfolgen, §§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b DrittelbG, 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 MitbestG. Die Angleichung des Wortlauts des im Drittelbeteiligungsstatut geltenden Tendenzschutzes an die im Mitbestimmungsgesetz 1976 niedergelegte Klausel ist eine Errungenschaft, die erst durch die Überführung der Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 in das systematisch modernere Drittelbeteiligungsgesetz erzielt wurde109. Gemessen an dem § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DrittelbG war die Tendenzschutzklausel in § 81 BetrVG 1952110 einerseits enger gefasst, da sie eine dem § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 MitbestG vergleichbare Regelung nicht – zumindest nicht ausdrücklich – traf und statt der koalitionspolitischen Bestimmungen nur solche gewerkschaftlicher Art genannt waren, andererseits weiter, nachdem die Merkmale der Unmittelbarkeit und des überwiegenden Gewichts des geschützten Zweckes nicht berücksichtigt wurden und die Ergänzung der Aufzählung in § 81 Abs. 1 BetrVG 1952 um den Zusatz „und ähnlichen Bestimmungen“ deutlich machte, dass die vorstehende Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhob. Zumeist wurde diesbezüglich aber bereits eine harmonisierende Auslegung befürwortet mit dem Ergebnis, dass die Tendenzschutzklauseln des Mitbestimmungsgesetzes 1976 und des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 im Ausmaß ihres Schutzes als kongruent verstanden wurden111. Dass dieses Verständnis vom deckungsgleichen Schutzbereich zumindest im Ergebnis zu begrüßen ist, hat der Gesetzgeber nunmehr aufgrund der

___________ 108

Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 1 Rdnr. 36, MitbestG § 1 Rdnr. 9; vgl. auch BT-Drucks. 7/2172, S. 20. 109 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 1 Rdnr. 37. 110 Dass § 81 Abs. 1 BetrVG 1952 nach seinem Wortlaut bestimmte Betriebe und nicht Unternehmen von der unternehmensbezogenen Mitbestimmung der §§ 76 ff. BetrVG 1952 ausnehmen will, macht keinen Sinn. Die Norm muss daher dahingehend ausgelegt werden, dass von Unternehmen mit den nachfolgenden Tendenzbestimmungen die Rede ist, vgl. BAG 29.05.1970 – 1 ABR 17/69, AP Nr. 13 zu § 81 BetrVG 1952. 111 So z.B. Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 166. Gleiches gilt dann für die Parallelvorschrift des Betriebsverfassungsrechts in § 118 BetrVG 1972, vgl. Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 8.

§ 1 Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen und Betrieb

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Wortlautänderung durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat112 ausdrücklich klar gestellt. Dies lässt sich auch explizit der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung113 vom 2. Januar 2004 entnehmen, in der es heißt: „Die Regelung (des § 1 Abs. 2 DrittelbG) enthält, bezogen auf den Umfang des Tendenzschutzes, keine inhaltliche Änderung gegenüber bisherigen Rechtslage, sondern nur eine sprachliche Anpassung an das MitbestG. Nach dem Wortlaut des § 81 BetrVG 1952 werden nur gewerkschaftliche und nicht, wie nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung, alle koalitionspolitischen Betriebe erfasst. Die unbestimmte Formulierung „und ähnliche Bestimmungen“ wird gestrichen und zur Klarstellung die ausdrückliche Nennung der Betriebe, die unter Art. 5 GG fallen, eingefügt. Die neu gefasste Vorschrift hat somit den gleichen Wortlaut wie § 1 Abs. 4 MitbestG.“

Außerdem nehmen §§ 1 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG, 1 Abs. 4 Satz 2 MitbestG eigens Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes heraus. Ob diesen Normen im Verhältnis zu §§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DrittelbG, 1 Abs. 4 Satz 1 MitbestG ein selbständiger Regelungsgehalt zu entnehmen ist, mag zweifelhaft sein114 (selbst die Regierungsbegründung zum Entwurf des Zweiten Vereinfachungsgesetzes misst § 1 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG nur klarstellende Bedeutung bei), ist aber in diesem Zusammenhang letztlich auch belanglos. IV. Der Verwaltungssitz des Unternehmens Das deutsche Mitbestimmungsrecht beansprucht in räumlicher Hinsicht nur für solche Unternehmen Geltung, die ihren tatsächlichen (bzw. effektiven) Verwaltungssitz115 im Inland haben. Es folgt damit dem so genannten Territori-

___________ 112

BGBl. I 2004 S. 974. Fundstelle: BR-Drucks. 10/04, S. 21 f. 114 Zum Teil wird die besondere Betonung der Religionsgemeinschaften und ihrer Einrichtungen in § 1 Abs. 4 Satz 2 MitbestG, § 1 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG (§ 81 Abs. 2 BetrVG 1952) damit erklärt, dass sie nicht nur den allgemeinen grundrechtlichen Schutz erfahren, sondern ihnen darüber hinaus in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung die Freiheit garantiert wird, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, vgl. dazu etwa BAG 14.04.1988 – 6 ABR 36/86, AP Nr. 36 zu § 118 BetrVG 1972 mit Anm. Dütz/Bayer; BVerfG 11.10.1977 – 2 BvR 209/76, AP Nr. 1 zu Art. 140 GG; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 33; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 1 Rdnr. 36; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 32. 115 Englisch: real seat; Französisch: siège réel. 113

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

alitätsprinzip116. Vom Verwaltungssitz streng zu unterscheiden ist der formelle Satzungssitz, also derjenige Sitz des Unternehmens, den der Gesellschaftsvertrag bzw. die Gesellschaftssatzung für die Gesellschaft vorsieht. Die Festlegung jenes Grundsatzes soll an dieser Stelle genügen. Die Problematik, wie sich die Verlegung des effektiven Sitzes einer nach deutschem Recht gegründeten Gesellschaft auf ihre Rechtsstellung auswirkt, und auch die umgekehrte Frage, ob es nicht gegen die gemeinschaftsrechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit der juristischen Person aus Art. 43, 48 EGV verstößt, nach ausländischem Recht gegründete und nunmehr mit ihrem effektiven Verwaltungssitz in das deutsche Inland umgesiedelte Gesellschaften dem deutschen Mitbestimmungszwang zu unterwerfen, ist (zumindest in ihren Grundlagen) Gegenstand aktueller gerichtlicher Entscheidungen sowohl des Europäischen Gerichtshofs117 als auch der obersten deutschen Bundesgerichte118 und der Instanzgerichte119. Ferner steht sie im Brennpunkt der wissenschaftlichen Diskussion120. Deshalb ist hierauf genauer im Rahmen der späteren Untersuchung einzugehen121. ___________ 116 OLG Stuttgart 30.03.1995 – 8 W 355/93, ZIP 1995, S. 1004 – Charles Vögele Holding AG; LG Düsseldorf 05.06.1979 – 25 AktE 1/78, DB 1979, S. 1451 – VFW Fokker GmbH; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 3; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 13; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 16 f.; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 7; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 123; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 33; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 2. 117 EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87, EuGHE 1988, S. 5483 ff. – Daily Mail; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97, EuGHE I 1999, S. 1459 ff. – Centros; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00, EuGHE I 2002, S. 9919 ff. – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C167/01, EuGHE I 2003, S. 10155 ff. – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02, EuGHE I 2004, S. 2409 ff. – Lasteyrie du Saillant. 118 Vgl. dazu BGH 01.07.2002 – II ZR 380/00, AG 2003, S. 39 (40) = DB 2002, S. 2039 = GmbHR 2002, S. 1021 f. = IPRax 2003, S. 62 (63) = NJW 2002, S. 3539 f. = WM 2002, S. 1929; den Vorlagebeschluss des BGH 30.03.2000 – VII ZR 370/98, DB 2000, S. 1114 ff. = EWS 2000, S. 278 ff. = GmbHR 2000, S. 715 ff. = ZIP 2000, S. 967 f. – Überseering; das im Anschluss an das Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH ergangene Urteil des BGH 13.03.2003 – VII ZR 370/98, GmbHR 2003, S. 527 mit Anm. Stieb = NJW 2003, S. 1461 f. – Überseering. 119 Vgl. dazu BayObLG 19.12.2002 – 2 Z BR 7/02, NZG 2003, S. 290; OLG Frankfurt/M. 28.05.2003 – 23 U 35/02, IPRax 2004, S. 56 ff.; OLG Zweibrücken 26.03.2003 – 3 W 21/03, BB 2003, S. 864 = NZG 2003, S. 537; KG Berlin 18.11.2003 – 1 W 444/02, GmbHR 2004, S. 116 ff.; AG Hamburg 14.05.2003 – 67g IN 358/02, BB 2003, S. 1457 f. = GmbHR 2003, S. 957 = NJW 2003, S. 2835 f. – Vierländer Bau Union Ltd. 120 Vgl. z.B. Bayer, BB 2003, S. 2357 (2365); Bayer, BB 2004, S. 1 (4); Bayer, AG 2004, S. 534 ff.; Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2236 f., 2242); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (28 f.); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (184 f.); Franzen, RdA 2004, S. 257 ff.; Großerichter, DStR 2003, S. 159 (168 f.); v. Halen, WM 2003, S. 571 (577); Horn, NJW 2004, S. 893 (899 f.); Kallmeyer, DB 2004, S. 636 (638); Kamp, BB 2004, S. 1496

§ 1 Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen und Betrieb

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C. Arbeitnehmerbeteiligung auch im Vertretungsorgan (Arbeitsdirektor) Zum Teil sehen die Mitbestimmungsgesetze die obligatorische Beteiligung von Arbeitnehmerrepräsentanten in den Unternehmensorganen nicht nur im Kontrollgremium vor, sondern erstrecken den Mitbestimmungszwang darüber hinaus unmittelbar auf das Organ, welches zur Geschäftsführung und Vertretung der hinter dem Unternehmen stehenden Gesellschaft berufen ist. Damit tragen die einschlägigen Gesetze (§ 33 Abs. 1 MitbestG, § 13 Abs. 1 MontanmitbestG, § 13 MitbestErgG) den eingeschränkten Mitwirkungsmöglichkeiten Rechnung, die sich für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmerseite aus den eng abgesteckten Zuständigkeitsgrenzen des Kontrollorgans122 im Verhältnis zu den Aufgabenbereichen der übrigen Unternehmensorgane ergibt. Um aber die nach herkömmlichem gesellschaftsrechtlichen Verständnis vorgesehenen Freiheiten der Anteilseignerseite, die immerhin das volle wirtschaftliche Risiko der unternehmerischen Entscheidungen trägt, nicht über Gebühr einzuschränken, ist die Arbeitnehmermitwirkung im Vertretungsorgan gemessen an derjenigen im Aufsichtsrat von deutlich geringerem Gewicht. Hier geht es nicht etwa um eine paritätische oder ähnlich einschneidende Besetzung des Organs, sondern um die Bestellung lediglich eines Arbeitsdirektors, der als gleichberechtigtes Organmitglied mit einem gesetzlich abschließend geregelten Aufgabenfeld vorgesehen ist123. In seinen Kompetenzbereich fällt die besondere Berücksichtigung der personellen und der sozialen Angelegenheiten der Unternehmensbelegschaft124. Dies ist allen Mitbestimmungsre___________ ff.; Kindler, NJW 2003, S. 1073 (1079); Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 19; Maul/C. Schmidt, BB 2003, S. 2297 (2300); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (805); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 ff.; Paefgen, DB 2003, S. 487 (491 f.); Roth, IPRax 2003, S. 117 (125); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (486 ff.); Sandrock, AG 2004, S. 57 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (35 f.); Schulz/Sester, EWS 2002, S. 545 (551); Schwark, AG 2004, S. 173 ff.; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnrn. 8 f.; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 126 ff.; Thüsing, ZIP 2004, S. 381 ff.; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 ff.; Zimmer, NJW 2003, S. 3585 (3590 f.). 121 Vgl. unten Kapitel 3 (§§ 12 bis 15). 122 Vgl. dazu oben A. III. 2. und Einleitung C. II. 123 Für die einschlägig mitbestimmte GmbH bedeutet das, dass sie mindestens zwei Geschäftsführer aufweisen muss: Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255); Raiser, MitbestG, § 33 Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 264; vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rdnr. 24; Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.02 Rdnr. 1; vgl. aber auch Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats (1981), S. 264. 124 Vgl. BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG = BVerfGE 50, S. 290 (378) = NJW 1979, S. 699 (711); BGH 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, S. 48 (58 ff.) = DB 1984, S. 104 (106) = NJW 1984, S. 733 (736); OLG Frankfurt/M. 23.04.1985 – 5 U 149/84, AG 1985, S. 220 f.; Fitting/Wlotzke/Wißmann,

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

gimen, die das Rechtsinstitut eines Arbeitsdirektors kennen, gemein. Unterschiede bestehen in erster Linie hinsichtlich des Vetorechts der Arbeitnehmerrepräsentanten im Aufsichtsrat, wenn es um die Besetzung des Postens des Arbeitsdirektors geht125. Die Aufgaben des Arbeitsdirektors müssen aber nicht zwingend nur einer einzigen Person zugewiesen werden. Es ist auch denkbar, gleich mehrere Arbeitsdirektoren im Vertretungsorgan unterzubringen und zwischen ihnen eine Aufgabenverteilung vorzunehmen. Daduch wird der Schutzzweck von § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, § 13 Abs. 1 MontanmitbestG und § 13 MitbestErgG nicht tangiert, es sei denn, es kommt durch die Aufgabensplittung ausnahmsweise zu einer funktionellen Beeinträchtigung der Tätigkeit der einzelnen Arbeitsdirektoren126. Ähnlich zu beantworten ist die Frage, ob dem Arbeitsdirektor neben seinen Kernaufgaben im Personal- und Sozialwesen noch weitere Zuständigkeiten zugewiesen können. Im Grundsatz ist dies unbedenklich. An Grenzen stößt die Freiheit der Aufgabenverteilung jedoch auch hier, wenn die zusätzliche Belastung des Arbeitsdirektors dazu führt, dass er seine vorrangigen mitbestimmungsrechtlich begründeten Pflichten vernachlässigen muss127.

___________ MitbestG, § 33 Rdnrn. 12, 32; Hanau in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 33 Rdnrn. 12, 18, 39; Hanau, ZGR 1983, S. 346 (350); Hanau/Wackerbarth in: Lutter, Holding-Handbuch (3. Aufl.), Rdnr. G 125; Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (400 f.); Hoffmann/ Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 33 Rdnrn. 9 f.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, S. 497 (505 f.); Hüffer, AktG, § 77 Rdnr. 23; Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 33 Rdnr. 19; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 166 II, § 172 II; Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.02 Rdnr. 1; Raiser, MitbestG, § 33 Rdnr. 15; Schiessl, ZGR 1992, S. 64 (72 ff.); vgl. auch BT-Drucks. 7/4845 S. 9 f. 125 Vgl. dazu unten § 2 B. II. 2. 126 Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.02 Rdnr. 1; anderer Ansicht Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats (1981), S. 264. 127 Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 264.

§ 2 Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells A. Allgemeines Das Recht der Montanmitbestimmung ist in zwei Gesetzen geregelt, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie1 (MontanmitbestG) vom 21. Mai 1951 und dem entsprechenden Ergänzungsgesetz (Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie2 – MitbestErgG) vom 7. August 1956. Angesichts ihrer engen tatbestandlichen Voraussetzungen bildet die Arbeitnehmerbeteiligung nach dem Montanmodell sicherlich den speziellsten Fall der Unternehmensmitbestimmung. Dementsprechend gering ist auch ihr praktischer Anwendungsbereich. Erfasst werden nur Unternehmen und Konzerne, die in großem Umfang im Bereich der Montanindustrie tätig sind, während deren tatsächliche Bedeutung für die deutsche ebenso wie für die weltweite Wirtschaft im Verlauf der letzten Jahrzehnte deutlich zurückgegangen ist3. Letzteres wird schon deutlich mit Blick auf die Tatsache, dass es keine nennenswerten Bemühungen seitens der Mitgliedstaaten gab, den gemäß Art. 97 EGKSV nur bis zum 23. Juli 2002 befristet geschlossenen Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl4 (EGKS bzw. Montanunion) vom 18. April 1951 zu verlängern. ___________ 1

BGBl. I 1951 S. 347, zuletzt geändert durch Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18.05.2004 (BGBl. I 2004 S. 974). 2 BGBl. I 1956 S. 707, zuletzt geändert durch das Erste Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19.04.2006 (BGBl. I 2006 S. 866). 3 Vgl. Hassel/Kluge, GewMH 1999, S. 167 ff.; Schmidt-Leithoff in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 204. 4 BGBl. II 1952 S. 447 in der Fassung des EUV vom 07.02.1992 (BGBl. II 1992 S. 1253/1282), geändert durch den Beitrittsvertrag vom 24.06.1994 (BGBl. II 1994 S. 2202) in der Fassung des Beschlusses vom 01.01.1995 (AmtsBl. EG Nr. L 1, S. 1), geändert durch den Amsterdamer Vertrag vom 02.10.1997 (BGBl. II 1998 S. 387, ber. BGBl. II 1999 S. 416).

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

Folglich hat der Vertrag zu diesem Termin seine Wirksamkeit verloren, so dass die Europäische Montanunion nicht länger existiert. Weiter eingeengt wird das Anwendungsfeld der Montanmitbestimmung dadurch, dass der Kreis der Gesellschaftsformen, in denen der Rechtsträger des Unternehmens betrieben werden muss, um der Montanmitbestimmung zu unterliegen, eng begrenzt ist. In der Konsequenz spielt dieses Beteiligungsstatut zumindest für die Gestaltungsbedürfnisse der Praxis kaum noch eine Rolle5.

B. Arbeitnehmerbeteiligung nach dem Montanmitbestimmungsgesetz I. Merkmale auf der Tatbestandsseite Das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montanmitbestimmungsgesetz) knüpft den Eintritt seiner Rechtsfolgen an das Vorliegen bestimmter (wie sich noch herausstellen wird für sämtliche Mitbestimmungsstatute in gewissem Umfang verallgemeinerungsfähiger6) Voraussetzungen. 1. Der Tätigkeitsbereich des Unternehmens Die elementare Grundvoraussetzung des Montanmitbestimmungsgesetzes ist ein sachlicher Bezug zum montanindustriellen Bereich7. Dieser ergibt sich bereits aus der amtlichen Überschrift des Gesetzes. Gegenstand der betroffenen Unternehmen muss eine Tätigkeit im Bereich des Bergbaus oder der Eisen und ___________ 5 Vgl. dazu die statistischen Erhebungen im Bericht der Kommission Mitbestimmung der Bertelsmann-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung, Mitbestimmung und neue Unternehmenskulturen – Bilanz und Perspektiven (1998), Kap. 4 Rdnrn. 1 f.; Kronenberg/Volkmann/Wendeling-Schröder, WSI-Mitt. 1994, S. 24 (25); Seibt in: Willemsen/ Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 1; vgl. aber andererseits auch die Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat und zum Entwurf einer Rechtsverordnung zum Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 20.10.2003, in welcher die BDA dem Mitbestimmungsergänzungsstatut prognostiziert, sein Anwendungsbereich werde sich aufgrund der Neufassung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MitbestErgG erweitern. Ähnlich wohl Seibt, NZA 2004, S. 767 (774, dort Fn. 66) und in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 23, der mit der Thyssen Krupp Steel AG und der Salzgitter AG zwei konkrete Unternehmen benennt, die möglicherweise alsbald wieder vom Montanmitbestimmungszwang erfasst werden. 6 Vgl. auch unten § 6. 7 Schupp, Mitbestimmungsbeibehaltung, § 1 B I 1.

§ 2 Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells

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Stahl erzeugenden Industrie sein. Dieses natürlich sehr unbestimmte und gerade nicht tatbestandlich ausgestaltete Kriterium wird präzisiert durch § 1 Abs. 1 MontanmitbestG. Erfasst werden danach ausschließlich  Unternehmen des Bergbaus, deren überwiegender Zweck in der Förderung von Steinkohle, Braunkohle oder Eisenerz oder in der Aufbereitung, Verkokung, Verschwelung oder Brikettierung dieser Grundstoffe liegt und deren Betrieb gemäß § 69 BBergG unter der Aufsicht der Bergbehörden steht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 lit. a MontanmitbestG),  Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (in dem Umfang, wie er in Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission8 vom 16. Mai 1950 bezeichnet ist, soweit diese Unternehmen in „Einheitsgesellschaften“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 27 überführt (d.h. umgewandelt) oder in anderer Form weiter betrieben und nicht liquidiert werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 lit. b MontanmitbestG)9),  Unternehmen, die in Abhängigkeit zu einem vorstehend bezeichneten oder nach dem Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission zu liquidierenden Unternehmen stehen, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. a MontanmitbestG erfüllen oder überwiegend Eisen und Stahl erzeugen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 lit. c MontanmitbestG). Unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MontanmitbestG (Walzwerkklausel) sind auch gewisse Unternehmen, die Eisen und Stahl gerade nicht herstellen, sondern lediglich der weiterverarbeitenden Industrie angehören, als Unternehmen der erzeugenden Industrie im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 MontanmitbestG zu begreifen. Diese ergänzende Regelung wurde durch das Gesetz zur Änderung des Montanmitbestimmungsgesetzes und des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes vom 21. Mai 1981 eingeführt, verlangt ___________ 8

Sog. Entflechtungsgesetz der Alliierten Hohen Kommission über die Umgestaltung der Montanindustrie vom 16.05.1950 (AmtsBl. der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland, S. 299). 9 Vgl. dazu BGH 28.02.1983 – II ZB 10/82, BGHZ 87, S. 52 = NJW 1983, S. 1617: „Der Bezugnahmeklausel des § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. b MontanmitbestG kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Ob ein Unternehmen der Montanmitbestimmung unterliegt, kann nicht davon abhängen, ob es in der Unternehmensliste des Entflechtungsgesetzes aufgeführt ist. Entscheidend ist, ob es sachlich die gleichen Merkmale erfüllt wie die von der Alliierten Hohen Kommission ausdrücklich genannten Unternehmen.“; OLG Düsseldorf 27.07.1988 – 19 W 10/87, AG 1989, S. 63 f.; Konzen, AG 1983, S. 289 ff.; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 13; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 30; Spieker, WSI-Mitt. 1989, S. 244 ff.; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 381 Rdnr. 5; Wißmann, ZG 1986, S. 167 (171 f.); anderer Ansicht noch OLG Karlsruhe 07.07.1976 – 1 W 73/75, ArbuR 1978, S. 95; LG Mannheim 11.08.1975 – 7 AktE 1/74, AG 1975, S. 302; vgl. dazu auch Wiesner, ArbuR 1978, S. 73 ff.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

aber, dass die Unternehmen den strengen Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 MontanmitbestG genügen. Danach  muss im Unternehmen am 1. Juli 1981 ein gemäß den §§ 4 oder 9 MontanmitbestG zusammengesetzter Aufsichtsrat bestanden haben (Nr. 1) oder  muss das Unternehmen mit einem derartigen Drittunternehmen verschmolzen sein (Nr. 2 Var. 1) oder  müssen vom Tätigkeitsbereich einschlägige Betriebe oder Betriebsteile von einem derartigen Drittunternehmen auf das in Rede stehende Unternehmen übergegangen sein (Nr. 2 Var. 2)10. Dies reicht allerdings nur aus, sofern die Unternehmen im Sinne des § 15 AktG miteinander verbunden sind. Die genannten montanindustriellen Tätigkeiten müssen den überwiegenden Betriebszweck des Unternehmens ausmachen, es kommt also auf ihr Gewicht im Verhältnis zur gesamten Bandbreite der unternehmerischen Tätigkeit an. Als überwiegend kann der Zweck naturgemäß allein dann begriffen werden, wenn er einen Anteil von mehr als fünfzig Prozent erreicht11. Maßgebliche Anknüpfungspunkte für die Bemessung des Verhältnisses sind das in den Montansektor des Unternehmens investierte Kapital sowie dessen Anteil am Gesamtertrag des Unternehmens12. Daneben kann zumindest nachrangig auch die Anzahl der im Montansektor eingesetzten Arbeitnehmer gemessen an der gesamten Unternehmensbelegschaft herangezogen werden13. Diesem Topos kann aber lediglich Indizwirkung zukommen. Anderenfalls würde der Tätigkeitsschwerpunkt von der zufälligen und bei Bedarf allzu leicht manipulierbaren Begebenheit abhängig gemacht, ob die menschliche Arbeitskraft in diesen oder anderen Bereichen der Unternehmensaktivitäten durch Maschinen besonders unterstützt oder gar weitgehend ersetzt wird.

___________ 10

Der § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MontanmitbestG als besonderer Teil der Walzwerkklausel wird zum Teil auch eigenständig als sog. Ansteckungsklausel bezeichnet, vgl. etwa Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 32; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 381 Rdnr. 6. 11 Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 132. 12 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 10 mit w. Nachw.; vgl. auch Wlotzke/Wißmann, DB 1981, S. 623 (628). 13 Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 381 Rdnr. 4; anderer Ansicht Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 10; kritisch gegenüber sämtlichen der genannten Merkmale Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 134.

§ 2 Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells

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2. Die betroffenen Rechtsformen a) Aktiengesellschaft und GmbH Der Kreis der vom Montanmitbestimmungszwang erfassten Unternehmen wird durch die Aufzählung der erfassten Gesellschaftstypen in § 1 Abs. 2 MontanmitbestG weiter eingeengt. Erfasst sind danach nur Unternehmen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH betrieben werden. Diese Liste ist abschließend. Eine entsprechende Anwendung des Beteiligungsstatuts auf andere Rechtsformen kommt unter keinen Umständen in Betracht. b) Bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit Vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 MontanmitbestG ebenfalls erfasst war bis zum Inkrafttreten des Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18. Mai 2004 außerdem die bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Durch die Anordnung in Art. 4 Nr. 1 lit. b dieses Änderungsgesetzes wurde jene bundesbergrechtliche Rechtsform jedoch aus dem mitbestimmungsrechtlichen Rechtsformenkatalog des Montanmitbestimmungsgesetzes gestrichen. Auf diese Weise hat der Reformgesetzgeber allerdings nicht die Rechtslage insoweit neu gestaltet, sondern lediglich eine schon vor Jahren eingetretene Veränderung in der materiellen Rechtslage nachvollzogen. Denn schon durch die vorhergehende Reformierung anderer Bundesgesetze war der Mitbestimmungszwang für die bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit gegenstandslos geworden. Die genannte Rechtsform war ausschließlich im Bundesberggesetz geregelt und wurde selbst aus diesem inzwischen gestrichen14. Auch die Bestandsschutzregelung für bestehende bergrechtliche Gewerkschaften ist schon zum 1. Januar 1994 ausgelaufen15. Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat16: „Die rechtsformgebundene Mitbestimmung im Aufsichtsrat nach dem BetrVG 1952 und dem MitbestErgG fand auch in der bergrechtlichen Gewerkschaft statt. Hierbei handelte es sich um eine Personenvereinigung zur gemeinschaftlichen Nutzung des Bergwerkseigentums. Das Bundesberggesetz vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310) regelt in § 163 die Auflösung und Abwicklung dieser Rechtsform. Für die damals noch bestehenden bergrechtlichen Gewerkschaften lief die letzte Bestandsschutzrege-

___________ 14 Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1066); Melot de Beauregard, DB 2004, S. 1430; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 381 Rdnr. 1. 15 Vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren und des Bundesberggesetzes vom 20.12.1988 (BGBl. I 1988 S. 2450). 16 Fundstelle: BR-Drucks. 10/04, S. 17 f.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

lung am 1. Januar 1994 aus (vgl. Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren und des Bundesberggesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2450). Seither gibt es keine bergrechtlichen Gewerkschaften mehr. Damit sind auch gesetzliche Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in bergrechtlichen Gewerkschaften gegenstandslos geworden.“

3. Die Mindestanzahl der Arbeitnehmer Der § 1 Abs. 2 MontanmitbestG regelt neben den erfassten Rechtsformen eine weitere entscheidende Voraussetzung. Die Montanmitbestimmung ist nur einschlägig in Unternehmen, die in der Regel17 mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Dieses Erfordernis kann nur dann vernachlässigt werden, wenn das Unternehmen eine Einheitsgesellschaft im Sinne der Norm ist. Damit wird nicht etwa eine besondere gesellschaftsstrukturelle Ausprägung oder gar eine Rechtsform eigener Art beschrieben18. Gemeint sind lediglich solche nach deutschem Recht gegründeten oder noch zu gründenden Gesellschaften, in welche nach dem Entflechtungsgesetz der Alliierten Hohen Kommission über die Umgestaltung der Montanindustrie – also dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. b und c MontanmitbestG bezeichneten Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission vom 16. Mai 1950 – die in den Gesetzesanhängen namentlich genannten Unternehmen gegebenenfalls überführt werden sollen19. 4. Der Verwaltungssitz des Unternehmens Entsprechend den allgemeingültigen Ausführungen zum räumlichen Geltungsbereich der deutschen Mitbestimmungsgesetze20 darf das Montanunternehmen den Sitz seiner tatsächlichen Verwaltung keinesfalls in das Ausland verlegt haben. In diesem Fall hätte es sich dem Mitbestimmungszwang bereits entzogen21. Diese Voraussetzung gilt aufgrund des völkerrechtlichen Territoria___________ 17

Vgl. dazu oben § 1 B. II. 2. Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 381 Rdnr. 3. 19 Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 130 mit w. Nachw.; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 28; Schupp, Mitbestimmungsbeibehaltung, § 1 B I 1 (dort Fn. 42); vgl. zu den Einheitsgesellschaften in diesem Sinne Wlotzke/Wißmann, DB 1981, S. 623 (628, dort auch Fn. 64). 20 Vgl. oben § 1 B. IV. 21 Vgl. zu den strategischen Überlegungen im Rahmen einer derartigen Sitzverlegung (insb. vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften) und den Schwierigkeiten, die sich für eine zum Wegzug entschlossene juristische Person auf der Basis der Sitztheorie als Wegzugshindernis ergeben, unten § 14. 18

§ 2 Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells

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litätsprinzips unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des einschlägigen deutschen Mitbestimmungsstatuts und wird im Folgenden bei der Darstellung der einzelnen Mitbestimmungsgesetze nicht mehr gesondert angebracht werden. II. Rechtsfolgen für die Unternehmensverfassung 1. Auswirkungen auf den Aufsichtsrat a) Größe und Zusammensetzung In allen der Montanmitbestimmung unterliegenden Gesellschaften ist zwingend ein Aufsichtsrat zu bilden. Für die GmbH ergibt sich dies aus § 3 Abs. 1 MontanmitbestG. Auf diesen Aufsichtsrat finden die Vorschriften des Aktienrechts betreffend die Rechte und Pflichten des Organs entsprechende Anwendung, § 3 Abs. 2 MontanmitbestG. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats ergibt sich zunächst aus § 4 Abs. 1 MontanmitbestG. Er besteht grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich der Sondervorschriften des § 9 MontanmitbestG, aus elf Mitgliedern. Einer der Aufsichtsratssitze ist mit einem so genannten neutralen Mitglied zu besetzen, § 4 Abs. 1 Satz 2 lit. c MontanmitbestG, das weder der Seite der Anteilsinhaber noch der Seite der Arbeitnehmer zuzuordnen ist. Auf diese Weise sollen Pattsituationen vermieden werden22. Diese würden anderenfalls vom Gesetz geradezu provoziert, nachdem die verbleibenden Sitze gleichmäßig zwischen Repräsentanten der Anteilsinhaber und der Arbeitnehmer zu verteilen sind. Aufgrund der Tatsache, dass diesen beiden Interessengruppen jeweils das gleiche Stimmengewicht zukommt, hat sich zur Beschreibung der Machtverhältnisse im Kontrollgremium eines montanmitbestimmten Unternehmens der Begriff der paritätischen23 Aufsichtsratsbesetzung eingebürgert. So führte bereits das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang aus, dass nach der vorherrschenden Auffassung im Schrifttum die Parität als ein Verhältnis zweier Partner begriffen wird, in dem keine Seite imstande ist, eine von ihr gewünschte Entscheidung ohne die Zustimmung der anderen Seite oder doch eines Teils von ihr zu erzwingen, in dem daher auch jede Seite die andere

___________ 22 Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 172 I; Schupp, Mitbestimmungsbeibehaltung, § 1 B I 1; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 10. 23 Vgl. zur Begrifflichkeit z.B. Hanau/Wackerbarth in: Lutter, Holding-Handbuch (3. Aufl.), Rdnr. G 118; Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 325 Rdnr. 9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV 3 a; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 51 II 2.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

hindern kann, ihre Ziele (allein) durchzusetzen24. Derartigen Konfliktfällen wirkt das Gesetz über die Rechtsfigur des weiteren, neutralen Mitglieds nun gerade entgegen. Das nimmt aber keinen Einfluss auf die Parität zwischen Anteilsinhabern und Arbeitnehmern. Tritt ein Konfliktfall ein, so besteht gerade für beide Parteien die Möglichkeit, den „elften Mann“ von der eigenen Position zu überzeugen und damit unabhängig von einem Entgegenkommen der anderen Seite vermeintliche Entscheidungsblockaden zu überwinden. Entscheidend ist also, dass trotz eines tatsächlichen Kräftegleichgewichts keine Seite auf ein Nachgeben der jeweils anderen angewiesen ist25. Die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder kann gemäß § 9 Abs. 1 und 2 MontanmitbestG modifiziert werden. Voraussetzung ist, dass das Gesellschaftskapital des mitbestimmten Rechtsträgers die gesetzlichen Schwellenwerte von 10 Millionen Euro bzw. 25 Millionen Euro übersteigt. Im ersten Fall kann in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden, dass der Aufsichtsrat abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 MontanmitbestG aus insgesamt fünfzehn Mitgliedern bestehen soll. In diesem Fall entsenden die Anteilsinhaber- und die Arbeitnehmerseite in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 2 MontanmitbestG je sieben Mitglieder in das Kontrollgremium, der verbleibende Sitz ist wiederum für das neutrale Mitglied reserviert. Entsprechend ist zu verfahren, wenn das Gesellschaftskapital sogar die Anforderungen des § 9 Abs. 2 MontanmitbestG erfüllt. Dann kann fakultativ der Aufsichtsrat mit einundzwanzig Mitgliedern besetzt werden, von denen jeweils zehn als Vertreter der genannten Interessengruppen zu entsenden sind26. In der Praxis wird von der Möglichkeit, die Gesamtgröße des Aufsichtsrats zu erweitern, allerdings nicht allzu häufig Gebrauch gemacht27, da erfahrungsgemäß schon die schiere Übergröße eines Unternehmensorgans in der Regel die Effektivität und Qualität seiner Arbeit in Mitleidenschaft zieht28.

___________ 24 BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., AG 1979, S. 95 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG = BVerfGE 50, S. 290 ff. = NJW 1979, S. 699 ff.; ebenso Fitting/Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, Vorb. Rdnr. 100. 25 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV 3 a, der Parität zu Recht lediglich unter dem Gesichtpunkt des fehlenden Vorrangs der Anteilsinhaberseite betrachtet und den Begriff daher als passend ansieht. 26 Bächle in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. II, Teil III Rdnr. 38.1. 27 Siehe in diesem Sinne die auf die Erweiterungsmöglichkeiten unter dem Regime des MitbestG bezogenen Ausführungen bei Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 6; vgl. aber auch die gegenteiligen Feststellungen zum Montanstatut bei Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 381 Rdnr. 8. 28 So z.B. Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 77.

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Konkret setzt sich der Aufsichtsrat wie folgt zusammen:  Elfköpfiger Aufsichtsrat gemäß § 4 Abs. 1 MontanmitbestG: Vier unmittelbar nach den Grundsätzen des Aktienrechts gewählte Vertreter der Anteilsinhaber sowie ein weiteres, von ihnen zu wählendes Mitglied bilden die Anteilsinhaberseite, und vier unmittelbar nach den Grundsätzen des § 6 MontanmitbestG gewählte Vertreter der Arbeitnehmer sowie ein weiteres, von ihnen zu wählendes Mitglied bilden die Arbeitnehmerseite. Daneben existiert das weitere, neutrale Mitglied.  Fünfzehnköpfiger Aufsichtsrat gemäß §§ 9 Abs. 1, 4 ff. MontanmitbestG: Sechs Vertreter der Anteilsinhaberseite sowie ein weiteres, von ihnen zu wählendes Mitglied bilden die Anteilinhaberseite, und sechs Vertreter der Arbeitnehmer sowie ein weiteres, von ihnen zu wählendes Mitglied bilden die Arbeitnehmerseite. Daneben existiert das weitere, neutrale Mitglied.  Einundzwanzigköpfiger Aufsichtsrat gemäß §§ 9 Abs. 2, 4 ff. MontanmitbestG: Acht Vertreter der Anteilsinhaber sowie zwei weitere, von ihnen zu wählende Mitglieder bilden die Anteilsinhaberseite, und acht Vertreter der Arbeitnehmer sowie zwei weitere, von ihnen zu wählende Mitglieder bilden die Arbeitnehmerseite. Daneben existiert das weitere, neutrale Mitglied. Für das nach Maßgabe des § 8 MontanmitbestG gewählte weitere, neutrale Mitglied gelten ebenso wie für die weiteren von den gewählten Anteilsinhaberund Arbeitnehmervertretern zu bestimmenden Mitglieder die Einschränkungen des § 4 Abs. 2 MontanmitbestG, insbesondere also, dass das Mitglied weder als Repräsentant einer Gewerkschaft, eines Arbeitgeberverbandes oder einer entsprechenden Spitzenorganisation noch in den von der Wahl betroffenen Unternehmen als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber tätig sein darf29. b) Grundsätze der Aufsichtsratswahl Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder erfolgt durch das nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zu dieser Aufgabe berufene Gesellschaftsorgan, also die Anteilsinhaberversammlung. Das Montanmitbestimmungsgesetz sieht dabei unterschiedliche Regeln für die verschiedenen Gruppen im Aufsichtsrat vor, je nachdem ob es sich um Vertreter der Anteilsinhaber, der Arbeitnehmer oder um das neutrale Mitglied handelt. Die Sitze der Anteilsinhaberseite werden nach den Wahlgrundsätzen des Aktienrechts besetzt30. Für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gilt das relativ kompliziert ausgestaltete Wahlverfahren des § 6 MontanmitbestG. Eine entscheidende Rolle kommt dabei den im Unternehmen ___________ 29 30

Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 172. Bächle in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. II, Teil III Rdnr. 38.1.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

gebildeten Betriebsräten bzw. gegebenenfalls dem auf der Ebene des betroffenen Unternehmens gebildeten Konzernbetriebsrat zu. Diese haben gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 MontanmitbestG das Recht (und die Pflicht), diejenigen Arbeitnehmervertreter, die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 MontanmitbestG in einem Betrieb des Unternehmens beschäftigt sein müssen, zu bestimmen und der Versammlung der Anteilsinhaber nach Beratung mit den in den Betrieben des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften und deren Spitzenorganisationen zur Wahl vorzuschlagen. Die Vorschläge der Betriebräte sind für die Anteilsinhaberversammlung als Wahlorgan bindend31. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 6 MontanmitbestG und bildet ein charakteristisches Beispiel für die funktionale Vernetzung von betrieblicher und unternehmensbezogener Arbeitnehmermitbestimmung. Wie bereits erwähnt, wird das neutrale Mitglied durch das in § 8 MontanmitbestG festgelegte Verfahren bestimmt32. Wahlorgan ist wiederum die Anteilsinhaberversammlung. Das Vorschlagsrecht steht nunmehr aber den bereits gewählten anderen Aufsichtsratsmitgliedern zu. Der Kandidat muss von der absoluten Mehrheit aller Aufsichtsratsmitglieder vorgeschlagen worden sein. Diese Mehrheit darf sich jedoch nicht beliebig zusammensetzen, sondern muss von mindestens drei Mitglieder sowohl der Anteilsinhaber- als auch der Arbeitnehmerseite mit getragen werden. Dadurch stellt das Gesetz sicher, dass das neutrale Mitglied das Vertrauen beider Seiten genießt33 und nicht etwa einer Partei unter dem Deckmantel vermeintlicher Neutralität zum allgemeinen faktischen Stimmenübergewicht verhelfen kann. 2. Auswirkungen auf das Vertretungsorgan Unter der Geltung des Montanmitbestimmungsgesetzes beschränken sich die Mitwirkungskompetenzen der Arbeitnehmer in den Unternehmensorganen nicht auf das Aufgabengebiet des Aufsichtrats. Der § 13 Abs. 1 Satz 1 MontanmitbestG ordnet darüber hinaus an, dass ein Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Mitglied des gesetzlichen Vertretungsorgans zu bestimmen ist. In der Aktiengesellschaft ist er folglich als Mitglied des Vorstands zu bestellen, in der GmbH ist ihm der Posten eines Geschäftsführers zuzuweisen. Der Aufgabenbereich des Arbeitsdirektors wurde bereits beschrieben34. Eine Besonderheit stellt die Regelung des § 13 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MontanmitbestG dar. Die Besetzung des Arbeitsdirektorpostens fällt sowohl in der ___________ 31

Raiser, MitbestG, Einl. Rdnr. 9. Vgl. dazu Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 381 Rdnrn. 19 ff. 33 Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 172 I. 34 Siehe oben § 1 C. 32

§ 2 Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells

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montanmitbestimmten Aktiengesellschaft als auch in der montanmitbestimmten GmbH35 in den Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrats. Da das Rechtsinstitut des Arbeitsdirektors aber gerade dem Schutz der personellen und sozialen Interessen der Arbeitnehmerschaft zu dienen bestimmt ist, sind auch für die Abstimmung über die Bestellung oder den Widerruf der Bestellung des Arbeitsdirektors besondere Rechte der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vorgesehen. Der Arbeitsdirektor soll ihr besonderes Vertrauen genießen, damit auf diese Weise die Funktionsfähigkeit der unternehmensbezogenen Arbeitnehmerbeteiligung als Ganzes sichergestellt wird. Zu diesem Zweck räumt § 13 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MontanmitbestG der Arbeitnehmerseite des Aufsichtsrats ein Vetorecht ein: Der Arbeitsdirektor kann unmöglich gegen die Mehrheit ihrer Stimmen bestellt oder abberufen werden36.

C. Arbeitnehmerbeteiligung nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz I. Merkmale auf der Tatbestandsseite 1. Der Unternehmenszweck des beherrschten Konzerns Das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeigenden Industrie (Mitbestimmungsergänzungsgesetz), auch bekannt unter den vereinfachenden Bezeichnungen Holdingnovelle37 oder Holdinggesetz, weitet den Geltungsbereich der Montanmitbestimmung aus, indem es gemäß § 1 MitbestErgG solche Unternehmen einem Mitbestimmungszwang unterwirft, die im Rahmen eines Konzernverhältnisses ein Drittunternehmen beherrschen, das seinerseits unmittelbar unter das Montanmitbestimmungsgesetz fällt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Konzernobergesellschaft nicht selbst vom MontanmitbestG erfasst wird. Der § 2 Satz 1 MitbestErgG erklärt insofern das Ergänzungsgesetz zu einem nachrangigen Auffangtatbestand. Das auf diese Weise im Normtext zum Ausdruck gebrachte Primat des Montanmitbestimmungsrechts ist selbst dann zu beachten, wenn das herrschende Unternehmen aufgrund einer Verringerung seiner Beschäftigtenzahl oder einer Verschiebung seines Unternehmenszwecks nur noch ___________ 35

Siehe oben § 1 B. I. 3. Vgl. Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 160; Klinkhammer in: Festschrift Stahlhacke, S. 275 ff.; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, Montan-MitbestG § 13 Rdnr. 3; Raiser, MitbestG, Einl. Rdnrn. 12, 17. 37 Bächle in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. II, Teil III Rdnr. 39; SchmidtLeithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 154; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 12; Wackerbarth in: Lutter, Holding-Handbuch, § 9 Rdnr. 133. 36

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

aufgrund der Fortgeltungsklausel des § 1 Abs. 3 MontanmitbestG in den Anwendungsbereich des spezielleren Gesetzes fällt, § 2 Satz 2 MitbestErgG38. Ausreichend für die Einschlägigkeit des Mitbestimmungsergänzungsrechts ist aber nicht schon jede konzernrechtliche Herrschaftssituation über ein montanmitbestimmtes Unternehmen. Der Unternehmenszweck des Konzerns muss vielmehr durch die einschlägig mitbestimmten Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen gekennzeichnet sein39. Wann dies der Fall ist, legt wiederum § 3 Abs. 2 Satz 1 MitbestErgG fest. Ein hinreichendes Kriterium ist nach dessen Nr. 1, dass die besagten Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen mindestens einen zwanzigprozentigen Anteil an der Wertschöpfungsquote40 aller im Konzern zusammengefassten Unternehmen erzielen41. Vor einer entscheidenden Gesetzesänderung durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat ließ es der § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MitbestErgG a.F. nach seinem Wortlaut alternativ dazu genügen, dass in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer in den Montansektoren des Unternehmens beschäftigt sind. Diesen Teil der Vorschrift hatte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 2. März 1999 in Sachen Mannesmann indessen für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt42. Die Regelung verstieß insofern gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, als ___________ 38

Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 382 Rdnr. 1. Raiser, MitbestG, Einl. Rdnr. 20; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbeitsrechtKomm, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 22; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 382 Rdnr. 3. 40 Vgl. zur Berechnung des maßgeblichen Wertschöpfungsverhältnisses im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MitbestErgG den § 4 MitbestErgG; beachte auch § 16 MitbestErgG; vgl. zur verfehlten gesetzlichen Terminologie Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 381 Rdnr. 5, der klarstellt, dass sich das Gesetz wegen des Abzugs der Kosten für fremdbezogene Rohstoffe usw. sowie für Fremdleistungen eben nicht an einer Umsatzrelation ausrichtet. 41 Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 22; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 9; Wackerbarth in: Lutter, Holding-Handbuch, § 9 Rdnr. 124. 42 BVerfG 02.03.1999 – 1 BvL 2/91, AP Nr. 2 zu § 3 MitbestErgG = BB 1999, S. 598 ff. = BVerfGE 99, S. 367 ff. = DB 1999, S. 1404 ff. = EzA § 3 MitbestErgG Nr. 1 = NJW 1999, S. 1535 ff. = NZA 1999, S. 435 ff. = RdA 1999, S. 389 ff. mit Anm. Raiser = ZIP 1999, S. 410 ff. – Mannesmann; vgl. aus der Rechtsprechung ferner den Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf 19.01.1991 – 19 W 3/90, AG 1991, S. 153 ff. = AP Nr. 1 zu § 3 MitbestErgG = DB 1991, S. 445 ff. = NJW 1991, S. 1136 ff. – Mannesmann; OLG Düsseldorf 29.04.1999 – 19 W 3/90, BB 1999, S. 1398 f. = NZG 1999, S. 766 f. – Mannesmann; OLG Celle 22.03.1993 – 9 W 130/92, AG 1994, S. 131 ff. = BB 1993, S. 957 ff. – Salzgitter GmbH/Preussag; aus der Literatur z.B. Krüger in: Festschrift Friauf, S. 611 ff.; Nagel, Mitbestimmung im Montankonzern und Grundgesetz (1992); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 30; Oetker, ZGR 2000, S. 19 (26 ff.); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MontanMitbestG § 1 Rdnr. 22; Spindler, AG 1994, S. 258 ff. 39

§ 2 Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells

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die nach ihr maßgebliche statische Arbeitnehmergrenze die Besonderheiten der konkret betroffenen Konzerne nicht berücksichtigte und daher keinen zuverlässigen Rückschluss auf einen hinreichenden Montanbezug der Konzerntätigkeit zuließ. Diese Anforderungen werden allenfalls erfüllt, wenn das in montanindustriell geprägten Konzernsparten beschäftigte Arbeitnehmerquorum in Relation zu der Gesamtbelegschaft des Konzerns gesetzt wird. Dementsprechend lauteten die beiden ersten Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG, Beschluss vom 02.03.199943: „Die Einbeziehung von Konzernobergesellschaften in die Sonderform der Montanmitbestimmung nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie einen ausreichenden Montanbezug aufweisen. Einen solchen Bezug vermittelt zwar die in Nr. 1 des § 3 Abs. 2 Satz 1 MitbestErgG bestimmte Montanumsatzquote, nicht aber die in Nr. 2 dieser Vorschrift festgelegte Arbeitnehmerzahl.“

Im Einzelnen führte der erkennende Senat des Verfassungsgerichts in der Rechtssache Mannesmann aus, die vom Gesetzgeber des Montanstatuts in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MitbestErgG als ausschlaggebendes Kriterium gewählte Wertschöpfungsquote der montanindustriellen Konzernsektoren entspreche den Anforderungen, welche die Verfassung in Art. 3 Abs. 1 GG an eine dem Gebot der Gleichbehandlung genügende gesetzliche Regelung stelle. Mit einer Höhe von zwanzig Prozent des Umsatzes aller konzernabhängigen Unternehmen habe der Gesetzgeber zwar den Maßstab für die Wertschöpfungsquote sehr niedrig angesetzt. In Anbetracht der sozialen Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Anliegen der Absicherung der Montanmitbestimmung habe beimessen dürfen, sei sie aber als Beleg eines hinreichenden Montanbezugs auch vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Wertungen noch vertretbar. Dies gelte umso mehr, als die Quote nur auf die zuvor schon der Montanmitbestimmung unterworfenen Konzernobergesellschaften Anwendung finde, in denen diese Mitbestimmungsform sich als eingespieltes Instrument des sozial verträglichen Interessenausgleichs bewährt habe, wobei schwer wiegende Nachteile nicht erkennbar geworden seien. Dagegen halte das gesetzliche Tatbestandskriterium aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MitbestErgG, das bei Nichterfüllung der Wertschöpfungsquote die Beschäftigtenzahl bei den montanmitbestimmten Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen in den Vordergrund stelle, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung auf seine Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Gleichheitsgrundsatzes nicht stand. In der vom Gesetzgeber konkret gewählten Form lasse sich der Belegschaftsstärke schlicht keine weiterführende Aussage über einen ausreichenden Montanbezug des Konzernganzen entnehmen, der die Fortgeltung der Montanmitbestimmung rechtfertigte. Zwar bilde die Zahl der Beschäftigten, die in den montanmitbestimmten Konzernunternehmen tätig seien, kein grund___________ 43

Fundstelle: BVerfGE 99, S. 367.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

sätzlich ungeeignetes Kriterium für die Feststellung des Montanbezugs. Indessen könne die Wahl einer absoluten Zahl im Unterschied zu einem prozentual bemessenen Anteil wie beim Wertschöpfungskriterium den Grad des Montanbezugs nicht hinreichend zum Ausdruck bringen. Sie könne zwar im Einzelfall einen Anhaltspunkt für die Größe und Bedeutung des Unternehmens liefern. Einen zuverlässigen Hinweis auf den Montananteil ergebe die Beschäftigtenzahl aber erst im Vergleich mit der Gesamtzahl der Arbeitnehmer im Konzern. Ferner sei auch kein Erfahrungssatz des Inhalts ersichtlich, dass eine absolute Zahl von 2.000 Mitarbeitern in montanmitbestimmten Unternehmen regelmäßig auf einen entsprechend hohen Anteil der Montanproduktion im Konzern hindeute44. Die somit wegen materieller Verfassungswidrigkeit unwirksame Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MitbestErgG a.F. erwies sich nun einige Jahre nach dem Mannesmann-Prozess als ein Dorn im Auge des Gesetzgebers. Infolgedessen wurde das vorrangig der Einführung eines neuen Drittelbeteiligungsgesetzes verschriebene Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat aus dem Jahr 2004 unter anderem auch dazu verwendet, jene nichtige Passage des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes durch eine neue zu ersetzen, deren Tatbestand keine absoluten Bemessungswerte aufweist und somit die indirekt in den Entscheidungsgründen enthaltenen Verbesserungsvorschläge des Bundesverfassungsgerichts in geltendes Rechts umsetzt. In ihrer neuen Fassung stellt die Vorschrift auf diese Weise einen ausreichenden Montanbezug dann fest, wenn in der Regel mehr als ein Fünftel der Arbeitnehmer sämtlicher Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen in montangeprägten Konzernunternehmen verhaftet sind45. Dadurch hat der Gesetzgeber den absoluten Schwellenwert zugunsten eines relativ bemessenen Wertes fallen gelassen und sich bei der Ermittlung der angemessenen Schwellenhöhe von dem für die Wertschöpfungsquote vor Gericht gutgeheißenen Wert von zwanzig Prozent leiten lassen. Zwar wurden insbesondere aus den Reihen der Arbeitgeberverbände46 bereits wiederum verfassungsrechtliche Bedenken auch gegen die Neuregelung laut. Hauptsächlich wurde argumentiert, bei der ___________ 44

BVerfG 02.03.1999 – 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, S. 367 (397) – Mannesmann. Dazu Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1069); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 30; Seibt, NZA 2004, S. 767 (774); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 22 (dort Fn. 11). 46 Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat und zum Entwurf einer Rechtsverordnung zum Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 20.10.2003. 45

§ 2 Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells

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Auffindung eines adäquaten tatbestandlichen Schwellenwerts könne im Rahmen der Neuregelung der Nr. 2 nicht ohne weiteres auf die vom Verfassungsgericht ausdrücklich als verfassungskonform hervorgehobene Quote der Nr. 1 zurückgegriffen werden. Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat und zum Entwurf einer Rechtsverordnung zum Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 20.10.2003: „Die vorgeschlagene Änderung, die verfassungswidrige Angabe „2000 Arbeitnehmer“ dadurch zu ersetzen, dass 20 Prozent der Arbeitnehmer sämtlicher Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen in Montanunternehmen beschäftigt sein müssen, geht in die falsche Richtung. Mit der Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 besteht ein ausreichendes Kriterium, um den Montanbezug des Konzerns zu bestimmen. Hierin kommt die Prägung des betroffenen Unternehmens hinreichend zum Ausdruck. Einer Anknüpfung an die Beschäftigtenzahl bedarf es darüber hinaus nicht, zumal hinsichtlich der vorgeschlagenen 20 Prozent, deren Unbedenklichkeit sich nicht aus der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung ergibt, verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Aufgrund der sehr arbeitsintensiven Produktionsformen im Bereich der Montanindustrie dürfte bei dieser Beschäftigungsquote die Wertschöpfungsquote von 20 Prozent, die nach dem BVerfG als Kriterium für den Montanbezug als gerade ausreichend angesehen werden kann, regelmäßig noch lange nicht erreicht sein. ... Mit der Änderung in Art. 2 verabschiedet sich das Ministerium von dem bisher in den Gesprächen gefundenen Kompromiss, der darauf gegründet ist, keine durchgreifenden materiellen Rechtsänderungen vorzunehmen. Bei der Änderung in Nr. 2b handelt es sich um eine solche, die unbedingt aus dem Gesetzentwurf herausgenommen werden muss.“

Eine genauere Begründung, in welcher Weise hier ein Verfassungsverstoß vorliegen soll, bleibt die BDA in ihrer Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Änderungsgesetzes jedoch schuldig. Der bloße Hinweis darauf, die Zwanzig-Prozent-Marke des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MitbestErgG habe im Mannesmann-Prozess nur knapp die vom Grundgesetz aufgestellten Hürden für die Regelungsmacht der Legislative passiert, reicht für sich genommen nicht aus, ernsthafte Zweifel an der Verfassungskonformität der Neuregelung zu wecken47. Und auch der zusätzlich geltend gemachte Umstand, dass die Neuregelung praktisch einen nicht unerheblichen Zuwachs der Bedeutung des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes nach sich ziehen soll, kann kaum überzeugen. Wäre dies nicht der Fall und würde der neu gefasste § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MitbestErgG von seiner praktischen Bedeutung her vollständig in der vorstehenden Nr. 1 aufgehen, so hätte es nämlich gerade einer gesetzlichen Neuregelung nicht bedurft. Die von der BDA geäußerte Kritik am Gesetzgebungspro___________ 47

So auch Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 30: „Das ... geforderte Quorum trägt den verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung, dürfte sich aber im Hinblick auf die maßgebliche Quote an der Untergrenze des verfassungsrechtlich Zulässigen bewegen.“

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

jekt gründet sich damit wohl eher auf den (nachvollziehbaren) Ärger darüber, dass der Gesetzgeber sich über die in den vorbereitenden Anhörungen verlautbarten Positionen der Arbeitgeber- bzw. Unternehmensvertreter hinweggesetzt hat, ist also im Ergebnis mehr politisch denn verfassungsrechtlich motiviert. 2. Die betroffenen Rechtsformen Der § 1 MitbestErgG beschränkt die Anwendbarkeit des Gesetzes auf Unternehmen, deren Rechtsträger in den Rechtsformen einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH betrieben werden. Insofern greift die Norm die organisationsrechtlichen Vorgaben des § 1 Abs. 2 MontanmitbestG auf. Eine Streichung der gegenstandslos gewordenen Regelung über die ursprünglich ebenfalls bedachte Rechtsform der bergrechtlichen Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit erfolgte auch hier durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat48. II. Rechtsfolgen für die Unternehmensverfassung Das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat brachte aber auch für die Rechtsfolgenseite des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes zum Teil erhebliche Änderungen der bis dato geltenden Rechtslage mit sich. Durch die Übergangsvorschrift des § 22 Abs. 1 MitbestErgG ergibt sich dabei ein vorübergehender Parallellauf von alter und neuer Rechtslage in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Einleitung der nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz durchzuführenden Wahlen oder Abberufungen. Gemäß dem Satz 1 der Vorschrift findet das Ergänzungsgesetz in seiner Altfassung49 Anwendung auf Wahlen und Abberufungen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, die nach dem 28. Juli 2001 und bis zum 30. Juni 2004 eingeleitet wurden. Wurde die Wahl oder die Abberufung erst nach diesem Zeitpunkt eingeleitet, so ist ihr das Mitbestimmungsergänzungsgesetz in der durch Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat geänderten Neufassung zugrunde zu legen. In Ausnahme zu der Bestimmung des Satzes 1 beansprucht § 9 MitbestErgG auch für im dort genannten Zeitraum begonnene Wahlen schon in seiner Neufassung Geltung, wenn zwar bereits feststeht, dass die Wahl dem Delegierten___________ 48 Vgl. Art. 2 Nr. 1 lit. b des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat. 49 Mitbestimmungsergänzungsgesetz vom 07.08.1956 in der im BGBl. III, Nr. 801-3 veröffentlichten bereinigten Fassung in der durch Art. 10 des Gesetzes vom 23.07.2001 (BGBl. I 2001 S. 1852) geänderten Fassung.

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wahlsystem folgen soll, bis zum Tag vor dem Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes die Errechnung der Zahl der Delegierten aber noch nicht erfolgt ist. Daher soll nachstehend das Rechtsfolgensystem sowohl in alter als auch in neuer Ausgestaltung dargestellt werden. 1. Rechtslage vor dem Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat a) Auswirkungen auf den Aufsichtsrat In der mitbestimmten GmbH ist die Einrichtung eines Kontrollorgans aufgrund der Regelungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 MitbestErgG in Verbindung mit § 3 MontanmitbestG nicht länger fakultativ. Der Aufsichtsrat unterliegt den einschlägigen Vorschriften des Aktiengesetzes. aa) Größe und Zusammensetzung Im Normalfall weist der nach den Vorschriften des Ergänzungsgesetzes gebildete Aufsichtsrat infolge des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestErgG fünfzehn Mitglieder auf. Lediglich für den Fall, dass das Gesellschaftskapital den Grenzwert von 25 Millionen Euro übersteigt, kann mittels der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags von dieser Vorgabe abgewichen werden. Die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder beträgt dann einundzwanzig, § 5 Abs. 1 Satz 3 MitbestErgG. Im Einzelnen ist der Aufsichtsrat folgendermaßen zu besetzen:  Fünfzehnköpfiger Aufsichtsrat gemäß § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MitbestErgG: Er besteht aus jeweils sieben Vertretern der Anteilsinhaber und der Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmerseite wiederum setzt sich aus fünf Arbeitnehmern der Konzernunternehmen und zwei Repräsentanten von im Konzern vertretenen Gewerkschaften zusammen, § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 MitbestErgG. Vervollständigt wird der Aufsichtsrat durch ein weiteres, neutrales Mitglied.  Einundzwanzigköpfiger Aufsichtsrat gemäß § 5 Abs. 1 Sätze 2 und 4 MitbestErgG: Er besteht aus jeweils zehn Vertretern der Anteilsinhaber und der Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmerseite wiederum setzt sich aus sieben Arbeitnehmern der Konzernunternehmen und drei Repräsentanten von im Konzern vertretenen Gewerkschaften zusammen, § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 MitbestErgG. Vervollständigt wird der Aufsichtsrat durch das weitere, neutrale Mitglied.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

bb) Grundsätze der Aufsichtsratswahl Die Bestellung der Anteilsinhabervertreter richtet sich über § 5 Abs. 2 Halbs. 1 MitbestErgG nach § 5 MontanmitbestG, erfolgt also letztlich nach aktienrechtlichen Grundsätzen. Diese sind aufgrund der ausdrücklichen Verweisung auf § 103 AktG in § 5 Abs. 2 Halbs. 2 MitbestErgG ebenfalls ausschlaggebend für die Abberufung der Anteilsinhaberrepräsentanten. Für die Wahl der Arbeitnehmervertreter bietet das Mitbestimmungsergänzungsrecht zwei unterschiedliche Verfahren an. Entweder findet eine unmittelbare Wahl durch die wahlberechtigten Arbeitnehmer des Konzerns statt oder es werden durch diese lediglich Delegierte (also Wahlmänner) bestimmt, die ihrerseits die unmittelbare Wahl durchführen. Zur Abgrenzung bietet das Gesetz in § 7 Abs. 1 und 2 MitbestErgG das Merkmal an, ob der Konzern in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmer beschäftigt oder nicht. Abweichend von dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers steht es aber den wahlberechtigten Arbeitnehmern stets frei, das jeweils andere System für die konkrete Wahl zu beschließen. Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer durch Delegierte erfolgt nach Maßgabe des komplizierten Systems der §§ 8 bis 10f und 10h MitbestErgG, die unmittelbare Wahl hingegen nach dem Verfahren der §§ 10g und 10h MitbestErgG. b) Auswirkungen auf das Vertretungsorgan Über den § 13 Sätze 1 und 2 MitbestErgG ist auch unter diesem Beteiligungsregime ein Arbeitsdirektor als Mitglied des Vorstandes der Aktiengesellschaft bzw. als zusätzlicher Geschäftsführer der GmbH zu bestellen. Mit Blick auf sein Aufgabenfeld und seine Kompetenzen ergeben sich keine Besonderheiten. Ein bedeutender Unterschied zum Arbeitsdirektor nach dem MontanmitbestG besteht aber doch. Für diesen wurde herausgestellt, dass die Person, die den Posten des Arbeitsdirektors besetzen soll, wegen des Vetorechts der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat kraft Gesetzes in besonderem Maße an deren Vertrauen gebunden wird. Die entsprechende Regelung im Montanmitbestimmungsgesetz, § 13 Abs. 1 Satz 2 MontanmitbestG, ist von der Verweisung in § 13 Sätze 1 und 2 MitbestErgG gerade explizit ausgenommen50. Demzufolge besteht ein Vetorecht nicht51.

___________ 50

Vgl. Hanau/Wackerbarth in: Lutter, Holding-Handbuch (3. Aufl.), Rdnr. G 124; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 382 Rdnr. 19. 51 Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 172 II.

§ 2 Die Regelungen des Montanmitbestimmungsmodells

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2. Rechtslage nach dem Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat Bestand schon vor der Gesetzesreform zum 1. Juli 2004 eine gewisse Vergleichbarkeit des im Mitbestimmungsergänzungsgesetz geregelten Wahlverfahrens mit demjenigen des Mitbestimmungsgesetzes 1976, so nähert das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat die Regelungen des Ergänzungsgesetzes noch weiter an das im Mitbestimmungsgesetz 1976 in der durch das (erste) Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat aus dem Jahr 2002 geschaffenen Fassung enthaltene Vorbild (einschließlich der zugehörigen drei Wahlordnungen52) an53. Das betrifft vor allem die Voraussetzungen der persönlichen Wählbarkeit in § 6 Abs. 2 MitbestErgG und die deutliche Herabsetzung der Delegiertenzahlen des § 9 MitbestErgG. Da die geschaffene materielle Rechtslage im Wesentlichen der des Mitbestimmungsgesetzes 1976 entspricht, sei an dieser Stelle schlicht auf die dort getätigten Ausführungen verwiesen54.

___________ 52

Siehe dazu unten § 3 B. I. 3. Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1069); Seibt in: Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht-Komm, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 24 (dort Fn. 1); Seibt, NZA 2004, S. 767 (774). 54 Vgl. zum Wahlsystem des MitbestG und seiner Wahlordnungen unten § 3 B. I. 3. 53

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes A. Merkmale auf der Tatbestandsseite I. Die Mindestanzahl der Arbeitnehmer Nach seinem Sinn und Zweck zielt das Mitbestimmungsgesetz 1976 auf die Beteiligung der Arbeitnehmer in den Organen von Großunternehmen ab. Diese ratio kann aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG abgeleitet werden. Jene Vorschrift verlangt nämlich, dass ein Mitwirkungsrecht nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes 1976 den Arbeitnehmern lediglich in solchen Unternehmen zusteht, die in der Regel1 mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Damit wird der mitbestimmungsrechtliche Schwellenwert relativ hoch angesetzt2. II. Die vom Mitbestimmungszwang betroffenen Rechtsformen 1. Die Kapitalgesellschaften Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG sind nur solche Unternehmen mitbestimmungspflichtig, deren Rechtsträger die rechtliche Gestalt einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, einer GmbH3 oder einer Erwerbs- und Wirtschaftgenossenschaft aufweist. 2. Besonderheiten bei der Kapitalgesellschaft & Co. KG a) Gesellschaftsrechtliche Konstruktion Eine Besonderheit im mitbestimmungsrechtlichen System der Rechtsformabhängigkeit stellt die Vorschrift des § 4 Abs. 1 MitbestG dar. Allerdings wird die Bedeutung der Norm in der mitbestimmungsrechtlichen Literatur bisweilen überschätzt. Sie geht von dem Fall aus, dass der Komplementär einer Kommanditgesellschaft im Sinne des § 161 Abs. 1 HGB seinerseits keine natürliche Person ist, sondern ebenfalls eine Gesellschaft in einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG genannten Rechtsformen (Aktiengesellschaft, KGaA, GmbH oder ___________ 1

Vgl. dazu bereits oben § 1 B. II. 2. Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, Einl. Rdnr. 9. 3 Vgl. dazu die ausführliche, allein auf die mitbestimmte GmbH bezogene Darstellung bei Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnrn. 205 ff. 2

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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eingetragene Genossenschaft)4. Mit diesem organisationsrechtlichen Kunstgriff wird das Ziel angestrebt, der als Personengesellschaft verfassten Kommanditgesellschaft eine Haftungsverfassung zu verleihen, die zumindest faktisch5 mit derjenigen einer körperschaftlich ausgestalteten Gesellschaft vergleichbar ist6. Haben die Kommanditisten der Kommanditgesellschaft ihre im Gesellschaftsvertrag festgelegte Kommanditeinlage vollständig in das Gesellschaftsvermögen eingezahlt, so ist eine weitergehende persönliche Haftung dieser Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen gemäß § 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB ausgeschlossen. Allerdings findet die Vorschrift des § 128 Satz 1 HGB über § 161 Abs. 2 HGB stets Anwendung auf die persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft7, die so genannten Komplementäre. Deren Rechtsstellung unterscheidet sich insoweit nicht von den Haftungsverpflichtungen eines jeden Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft im Sinne der §§ 105 ff. HGB8. Wird die Position des persönlich haftenden Gesellschafters der Kommanditgesellschaft indessen von einer juristischen Person in Gestalt einer Kapitalgesellschaft eingenommen, so dient den Gläubigern der Personengesamtheit über die §§ 128 Satz 1, 161 Abs. 2 HGB neben dem Gesamthandsvermögen gerade nur das beschränkte Vermögen der hinter der Kommanditgesellschaft stehenden Kapitalgesellschaft als Haftungsmasse9. Ein Durchgriff auf das Privatvermögen der wiederum hinter der Kapitalgesellschaft stehenden natürlichen Personen ist nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen eben nicht denkbar10. Durch die Zwischenschaltung etwa einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft kann in der Kommanditgesellschaft daher der Umfang des Vermö___________ 4 Vgl. zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats bei einer offenen Handelsgesellschaft mit juristischen Personen als Gesellschaftern analog § 4 Abs. 1 MitbestG Säcker, DB 2003, S. 2535 ff. mit w. Nachw. 5 Fahse in: GK-HGB, § 161 Rdnr. 53. 6 Wagner in: Wagner/Rux, Die GmbH & Co. KG, Rdnr. 3; vgl. zu den Besonderheiten, die nach der Rechtsprechung des BGH aus dem Fehlen unbeschränkt haftender natürlicher Personen in der Personengesellschaft resultieren (Sicherung des Gesellschaftsvermögens der KG und der Komplementärgesellschaft für den Gläubigerzugriff) Ulmer in: Festschrift BGH Bd. II, S. 273 (314 ff.). 7 v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnr. 1 i.V.m. Rdnr. 17; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 161 Rdnr. 15; Koller in: Koller/Roth/Mork, HGB, § 161 Rdnr. 4. 8 v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnr. 17; Martens in: Schlegelberger, HGB Bd. III/2, § 161 Rdnr. 24; Weipert in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 161 Rdnr. 10; vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 161 Rdnrn. 3, 15; Koller in: Koller/Roth/Mork, HGB, § 161 Rdnr. 4. 9 Vgl. Horn in: Heymann, HGB Bd. 2, § 161 Rdnr. 25; Koller in: Koller/Roth/Mork, HGB, § 161 Rdnr. 14; Martens in: Schlegelberger, HGB Bd. III/2, § 161 Rdnr. 90; Wagner in: Wagner/Rux, Die GmbH & Co. KG, Rdnr. 3. 10 Vgl. Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, § 1 Rdnrn. 18 ff.; Ulmer in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG Bd. I, Einl. A Rdnr. 53.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

gens, das dem Gläubigerzugriff offen steht, limitiert werden. Das gesellschaftsrechtliche Konstrukt führt zu einer Haftungsbegrenzung11 dergestalt, dass keine natürliche Person mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesamthand einzustehen hat12. Eine vorzugswürdige Alternative zu einer unmittelbar als unternehmenstragende Gesellschaft am Markt auftretenden Körperschaft war die Kapitalgesellschaft & Co. KG ursprünglich vor allem aus steuerrechtlichen Gründen13. Auf die Kapitalgesellschaften als Unternehmensträger findet gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG das Körperschaftsteuerrecht Anwendung14. Im Körperschaftsteuerrecht gilt aber wie im Gesellschaftsrecht ein Trennungsprinzip, welches die unbedingt isolierte Betrachtung der Ebene der Gesellschaft und der Ebene ihrer Gesellschafter gebietet. Dies führt regelmäßig zu einer Doppelbelastung der mit dem Unternehmen einer Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Erträge15, da diese nicht nur von der Gesellschaft selbst zu versteuern sind, sondern zudem die aus dem Gesellschaftsvermögen gezogenen Gewinne der einzelnen Gesellschafter ihrerseits noch einmal von der Einkommensteuer erfasst werden. Diese Konstellation wird üblicherweise bezeichnet als das Problem der wirtschaftlichen Mehrfachbelastung desselben ökonomischen Gewinns. Demgegenüber ist die Kommanditgesellschaft als solche nicht einkommenund schon gar nicht körperschaftsteuerpflichtig16, handelt es sich doch um eine bloße Personengesamtheit und damit um kein eigenständiges Steuersubjekt. Zu

___________ 11

BAG 20.08.2003 – 5 AZB 79/02, GmbHR 2003, S. 1208 (1211) = NZA 2003, S. 1108 (1110). 12 v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnr. 4; Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 47; Gummert in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 49 Rdnr. 8. 13 v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnrn. 28 f.; Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 51; Gummert in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 49 Rdnr. 7; Heinrich in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 3, § 10 Rdnr. 27; Henze in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 177a Anh. A Rdnr. 8; Reiserer, BB 1996, S. 2461; Riegger/Götze in: MünchVertragshandbuch Bd. 1, Form. III.7 Anm. 2. 14 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 65. 15 v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnr. 28; Gummert in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 49 Rdnr. 7; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, Q Rdnr. 2. 16 Einen anderen Weg ging ursprünglich der RFH, der die Erträge der KG als solche der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft einordnete. Auf diese Weise gelangte das Gericht zur Anwendbarkeit des Körperschaftsteuerrechts, vgl. RFH 15.07.1925 – I A 18/25, RFHE 17, S. 91 ff. Allerdings hat der RFH diese dogmatisch unhaltbare Rechtsprechung nach einiger Zeit wieder aufgegeben, vgl. RFH 13.03.1929, RStBl. 1929, S. 329; RFH 18.12.1933, RStBl. 1933, S. 375; RFH 29.04.1942, RStBl. 1942, S. 497.

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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versteuern sind deswegen einzig die Einkünfte der Gesellschafter17. Insofern ist regelmäßig das Einkommensteuerrecht einschlägig18, es sei denn, der zu besteuernde Gesellschafter ist seinerseits wieder eine Körperschaft und als solche der Körperschaftsteuer unterworfen. Je nach der Höhe der insgesamt anfallenden Steuerlast kann daher die Wahl einer personengesellschaftsrechtlichen Organisationsform für die Gesellschafter durchaus günstig sein19. Allerdings haben sich die faktisch anfallenden Steuerbelastungen in der Körperschaft und in der Personengesellschaft mittlerweile weitgehend angeglichen, vor allem durch die Einführung des so genannten Halbeinkünfteverfahrens bei der Berechnung der in der Körperschaft auf Gesellschafterebene anfallenden Steuerlast. Dem steuerrechtlichen Abwägungsaspekt kann bei der Wahl der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft & Co. KG somit nicht mehr die ursprüngliche Bedeutung beigemessen werden20. Daneben bringt die Typenvermischung von Kapitalgesellschaftsrecht und Personengesellschaftsrecht weitere Eigentümlichkeiten mit sich, durch die sich die Kapitalgesellschaft & Co. KG im Einzelfall positiv sowohl von einer rein körperschaftlich verfassten Gesellschaft als auch von einer herkömmlichen Personengesamtheit abheben kann. In der Literatur wird vor allem darauf hingewiesen,  dass in einer unternehmenstragenden Kommanditgesellschaft gemessen an den kapitalgesellschaftsrechtlichen Regeln rechtsdogmatisch und tatsächlich einfachere Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung bestehen, insbesondere dieses Ziel schlicht durch Aufnahme weiterer Kommanditisten oder durch vertragliche Erhöhung der Einlagen der bisherigen Kommanditisten erreicht werden kann21,  dass die unternehmenstragende Kommanditgesellschaft sich außerhalb des für Kapitalgesellschaften kennzeichnenden Systems der Kapitalaufbringung ___________ 17

Vgl. BFH 25.06.1984 – GrS 4/82, NJW 1985, S. 93; Riegger/Götze in: MünchVertragshandbuch Bd. 1, Form. III.7 Anm. 22; Roth in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 29 Rdnrn. 85 ff. 18 BFH 03.08.1972 – IV R 235/67, BStBl. II 1972, S. 799; BFH 10.11.1977 – IV B 33 – 34/76, BStBl. II 1978, S. 15; BFH 13.03.1980 – IV B 58/78, BStBl. II 1980, S. 499; BFH 13.11.1980 – IV R 86/79, BStBl. II 1981, S. 272; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 65. 19 Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 138; vgl. ausführlich zu den steuerrechtlichen Aspekten der Kapitalgesellschaft & Co. KG Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, §§ 16 bis 21; Selder in: HeidelbergKomm HGB, Einl. II vor § 161. 20 Vgl. zu noch bestehenden Unterschieden (Sonderabschreibungen und Verlustzuweisungen im Personengesellschaftsrecht, steuerliche Relevanz von Geschäftsführervergütungen in der Kapitalgesellschaft) Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 51. 21 Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 50 (dort auch Fn. 94).

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

und Kapitalerhaltung bewegt. Auf diese Weise entfallen zahlreiche Restriktionen, die das Kapitalgesellschaftsrecht für den Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen vorsieht22. Zwar ist darauf hinzuweisen, dass ein Kommanditist seine im Gesellschaftsvertrag versprochene Einlage gegenüber der Gesellschaft zu bewirken hat und dass seine persönliche Haftung aufgrund des § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt, wenn und soweit er die Kommanditeinlage dem Gesellschaftsvermögen wieder entnimmt. Die Rechtsfolge der persönlichen Haftung trifft allerdings im Personengesellschaftsrecht nur den konkreten Kommanditisten. Eine Mithaftung der übrigen Gesellschafter nach dem Vorbild des § 31 Abs. 3 GmbHG ist ausgeschlossen23,  dass der Bestand des persönlich haftenden Gesellschafters als juristische Person unabhängig vom Schicksal wiederum seiner Gesellschafter (zum Beispiel Liquidation einer Holding, Vermögensverfall) ist24, wodurch sich die juristische Person im Verhältnis zu ihrer Kommanditgesellschaft als gleichsam unsterblicher Gesellschafter erweist, und  dass das zur Vertretung der Komplementärgesellschaft vorgesehene Organ (also etwa der Geschäftsführer einer GmbH), über das letztlich auch die Vertretung der unternehmenstragenden Kommanditgesellschaft erfolgt25, bei Bedarf ohne größere gesellschaftsrechtliche Schwierigkeiten ausgetauscht werden kann26. Ist dagegen eine natürliche Person unmittelbar als Komplementär eingesetzt und fungiert sie damit als organschaftlicher Vertreter der Personengesamtheit, so verlangt ihre Auswechselung eine entsprechende Änderung im Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft27. b) Arbeitnehmerzurechnung zur Komplementärgesellschaft In der Kapitalgesellschaft & Co. KG nun gelten gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG die Arbeitnehmer der Kommanditgesellschaft als solche der persön___________ 22

Vgl. Gummert in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 49 Rdnr. 8. Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 50 mit w. Nachw. 24 Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 2. 25 Vgl. dazu sogleich unten b) aa). 26 Vgl. v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnr. 32, der von einer „faktischen Drittorganschaft“ und einer „mittelbaren Fremdorganschaft“ in der GmbH & Co. KG spricht. 27 Zum Ganzen v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnrn. 30 ff.; Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnrn. 49 ff.; Heinrich in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 3, § 10 Rdnr. 28; Riegger/Götze in: MünchVertragshandbuch Bd. 1, Form. III.7 Anm. 2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II 4 a; vgl. auch Reiserer, BB 1996, S. 2461. 23

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lich haftenden Komplementärgesellschaft. Die Vorschrift stellt also eine Zurechnungsnorm dar. Infolgedessen kann beim Komplementär eine Pflicht zur Mitbestimmung in den Unternehmensorganen im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes 1976 erstmalig entstehen. Daneben kann der Rechtsfolge der Arbeitnehmerzurechnung entscheidende Bedeutung zukommen, wenn es um die Größe und Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 MitbestG geht. Denn diese Norm stellt ebenfalls ausschließlich auf Arbeitnehmerzahlen ab28 (anders als bei den anderen Mitbestimmungsstatuten, die sich stattdessen an der Höhe des Gesellschaftskapitals ausrichten29). aa) Mittelbare Mitbestimmung auch in der KG Wenn in der Literatur bisweilen betont wird, die Vorschrift des § 4 Abs. 1 MitbestG durchbreche in gewisser Weise die Grundregel30, dass Unternehmensmitbestimmung in Personengesellschaften nicht stattfindet31, oder sie sei eine ausdrückliche Ausnahme zu dieser Regel32, so ist dies zumindest missverständlich. Denn in dogmatischer Hinsicht ist eine Ausnahme zu der Maxime durch die besondere Behandlung der Kapitalgesellschaft & Co. KG nicht erkennbar33. Mitbestimmt sind gerade nicht die Organe der Kommanditgesellschaft, sondern vielmehr diejenigen der Komplementärgesellschaft34. Diese muss aber eben in einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG ausdrücklich genannten Rechtsformen organisiert sein, damit § 4 Abs. 1 MitbestG überhaupt Anwendung findet. Als derartige Gesellschaft ist der Komplementär vom organisationsrechtlichen Blickwinkel her ohnehin potentielles Objekt der Arbeitnehmermitbestimmung; diese scheitert lediglich bisher nur an der zu geringen Arbeitnehmerzahl. Die Kommanditgesellschaft als solche hingegen bleibt in jedem Fall mitbestimmungsfrei. Zuzugeben ist der soeben kritisierten Aussage allerdings folgendes: Sollte über § 4 Abs. 1 MitbestG die Mitbestimmung beim Komplementär begründet ___________ 28

Vgl. unten B. I. 1. Vgl. dazu auch unten § 6 B. (Abb. 6.3). 30 Vgl. oben § 1 B. I. 2. 31 So z.B. Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 52; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 28. 32 So z.B. Bartodziej, ZIP 1994, S. 580 (581, 582); Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 138. 33 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 1. 34 Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 52; Horn in: Heymann, HGB Bd. 2, § 161 Rdnr. 138; Kunze, ZGR 1978, S. 321; Reichert in: Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 18 Rdnr. 1; Schneider, ZGR 1977, S. 335 (342); Zöllner, ZGR 1977, S. 319 (329). 29

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

werden, so zeitigt dies auch mittelbare Auswirkungen auf die Kommanditgesellschaft35. Dies wird deutlich, wenn man die Grundsätze über die Vertretung der Kapitalgesellschaft & Co. KG analysiert. Befugt zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Kommanditgesellschaft im Rechtsverkehr sind die persönlich haftenden Gesellschafter gemäß §§ 114 Abs. 1, 125 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB36. In der Kapitalgesellschaft & Co. KG ist die Kapitalgesellschaft in der Regel der einzige Komplementär. Wenigstens aber ist sie neben denkbaren anderen persönlich haftenden Gesellschaftern zur Vertretung berechtigt. In jedem Fall von der Vertretung ausgeschlossen sind hingegen die Kommanditisten gemäß § 170 HGB. Die entscheidende Willensbildung findet hier also beim Komplementär statt mit der Besonderheit, dass dieser als juristische Person seinerseits nur im Wege organschaftlicher Vertretung handlungsfähig ist37. Demnach erfolgt die Vertretung der Kommanditgesellschaft letztendlich durch das Leitungsorgan der persönlich haftenden Körperschaft38. In deren Organen sind nun aber nach den Grundsätzen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 die Arbeitnehmer an der Entscheidungsfindung über die Instrumente des mitbestimmten Aufsichtsrats und des Arbeitsdirektors zu beteiligen. Auf diese Weise wirkt sich die Mitbestimmung in der Kapitalgesellschaft auch auf die an diese gekoppelte Personengesellschaft aus. Da die Vertretung der Kommanditgesellschaft etwa durch einen GmbH-Geschäftsführer oder den Vorstand einer Aktiengesellschaft sich nicht unmittelbar aus einer gesetzlichen Bestimmung ergibt, sondern erst aufgrund der vorstehenden zweistufigen Prüfung39, wird sie teilweise als mittelbare Vertretung40 ___________ 35

Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, § 14 Rdnr. 5. BAG 10.07.1980 – 3 AZR 68/79, AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG 1979 = EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 1 = NJW 1981, S. 302 (303); BAG 15.04.1982 – 2 AZR 1101/79, AP Nr. 1 zu § 14 KSchG 1969 = EzA § 14 KSchG 1969 Nr. 2 = NJW 1983, S. 2405 (2406); Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 48, § 170 Rdnrn. 2 ff; Riegger/Götze in: MünchVertragshandbuch Bd. 1, Form. III.1 Anm. 8. 37 Sog. Organtheorie. Abgegrenzt muss diese werden zur Vertretertheorie, der zufolge nicht die juristische Person als solche durch ihre Organe handelt, sondern vielmehr ihre gesetzlichen Vertreter für die nach wie vor handlungsunfähige juristische Person tätig werden; vgl. zu den Grundsätzen der Organschaft K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 (insb. I 2). 38 Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 48; Hopt in: Baumbach/ Hopt, HGB, Anh. § 177a Rdnr. 36; Horn in: Heymann, HGB Bd. 2, § 161 Rdnr. 129; Koller in: Koller/Roth/Mork, HGB, § 170 Rdnr. 2; Martens in: Schlegelberger, HGB Bd. III/2, § 161 Rdnr. 108; Reiserer, BB 1996, S. 2461; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 IV 3 a; Wagner in: Wagner/Rux, Die GmbH & Co. KG, Rdnr. 281; vgl. auch Gummert in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 49 Rdnr. 8. 39 BAG 20.08.2003 – 5 AZB 79/02, GmbHR 2003, S. 1208 (1210) = NZA 2003, S. 1108 (1110). 40 BAG 20.08.2003 – 5 AZB 79/02, GmbHR 2003, S. 1208 (1210) = NZA 2003, S. 1108 (1109). 36

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bezeichnet41. Insofern ist es doch in gewissem Umfang berechtigt, wenn man auch von einer gleichsam mittelbaren42 Unternehmensmitbestimmung im Bereich der Kommanditgesellschaft spricht. bb) Wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit den Kapitalgesellschaften Selbst das Ergebnis dieser nur mittelbaren Mitbestimmung in einer Kommanditgesellschaft könnte man bereits als eklatanten Verstoß gegen die oben beschriebenen Grundsätze der Mitbestimmungsfreiheit in der Personengesellschaft43 und damit als rechtspolitisch äußerst fragwürdigen Eingriff in die Dogmatik des Personengesellschaftsrechts verstehen. Es rechtfertigt sich im Falle der Kapitalgesellschaft & Co. KG allerdings durch folgende Überlegung: Rechtstechnisch ist die Kapitalgesellschaft & Co. KG zwar eine reine Kommanditgesellschaft, in der lediglich die Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters in besonderer Weise besetzt ist. Es wurde aber soeben herausgestellt, dass die Wahl dieses gesellschaftsrechtlichen Gebildes letztlich ausschlaggebend durch einzelne steuer- und organisationsrechtliche Vorteile des Gesamthandsprinzips gegenüber dem Körperschaftsrecht motiviert ist. Bestünden derartige Diskrepanzen nicht, so wäre für die Gesellschafter sicherlich kein überzeugender Grund ersichtlich, aus dem heraus sie sich nicht unmittelbar in Gestalt einer Kapitalgesellschaft organisieren sollten. ___________ 41

Vgl. zu der Frage, ob der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH in der GmbH & Co. KG trotzdem kraft Gesetzes zur Vertretung der Personengesellschaft berufen ist oder ob gesetzliche Vertretung nur im Verhältnis zur Komplementärgesellschaft angenommen werden kann, einerseits BAG 10.07.1980 – 3 AZR 68/79, AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG 1979 = EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 1 = NJW 1981, S. 302 (303); BAG 15.04.1982 – 2 AZR 1101/79, AP Nr. 1 zu § 14 KSchG 1969 = EzA § 14 KSchG 1969 Nr. 2 = NJW 1983, S. 2405 (2406); BAG 13.07.1995 – 5 AZB 37/94, AP Nr. 23 zu § 5 ArbGG 1979 = EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 10; LAG Köln 14.10.2002 – 11 Ta 273/02, NZA-RR 2003, S. 492; Helml in: Hauck/Helml, ArbGG, § 5 Rdnr. 22; Jaeger, NZA 1998, S. 961 (966 f.); Müller-Glöge in: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, § 5 Rdnr. 30a; Reinecke, ZIP 1997, S. 1525 (1529); Schwab, NZA 1987, S. 839 (840); Weber/Burmester, GmbHR 1997, S. 778 (779 f.), andererseits BAG 20.08.2003 – 5 AZB 79/02, GmbHR 2003, S. 1208 ff. = NZA 2003, S. 1108 ff.; OLG München 10.04.2003 – 7 W 656/03, DB 2003, S. 1503 (1504); LG Braunschweig 18.12.1975 – 9a O 201/75, NJW 1976, S. 1748; Bauer, GmbHR 1981, S. 109 (111); Fleck, ZHR 149 (1985), S. 387 (400); Hueck, ZfA 1985, S. 25 (37); Kitzinger, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2001), S. 72 ff.; Koch in: ErfKomm Arbeitsrecht, ArbGG § 5 Rdnr. 8; Moll, RdA 2002, S. 226; Reiserer, BB 1996, S. 2461 (2463). 42 In diesem Sinne Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, § 14 Rdnr. 5; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnrn. 1, 8; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 IV 5 a. 43 Vgl. oben § 1 B. I. 2.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

Zusammenfassend geht es also darum, die Vorteile zu kombinieren, die körperschaftliche Struktur einerseits (Haftungsverfassung, Unsterblichkeit der juristischen Person, vergleichsweise einfache Austauschbarkeit der Organwalter) und Gesamthandsprinzip andererseits (Geltung allein des Einkommensteuerrechts, Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung) bieten44. Lässt man die streng rechtstechnische Betrachtungsweise zugunsten einer wirtschaftlich ausgerichteten Perspektive einmal außer Acht, so muss man feststellen, dass eine Kapitalgesellschaft & Co. KG im Ergebnis nichts anderes ist, als eine aus den genannten Gründen als Gesamthandsgesellschaft getarnte Kapitalgesellschaft45. Dann ist es aber nur konsequent, sie mitbestimmungsrechtlich den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG genannten Rechtsformen wenigstens anzunähern. Von einer vollen Gleichstellung kann, wie gezeigt, ohnehin nicht die Rede sein, da die Kommanditgesellschaft gerade nur auf indirektem Wege den Folgen der Mitbestimmung in den Organen ihres Komplementärs ausgesetzt ist. cc) Zurechnung in der einfachen Kapitalgesellschaft & Co. KG Das Grundmodell der Arbeitnehmerzurechnung in der Kapitalgesellschaft & Co. KG ist geregelt in § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. Die Rechtsfolge Zurechnung tritt danach unter folgenden weiteren Voraussetzungen ein:  die Mehrheit der Kommanditisten der Kommanditgesellschaft – berechnet nach der Mehrheit der Anteile oder der Stimmen – muss auch die Mehrheit der Anteile oder der Stimmen in dem Unternehmen der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft innehaben (Erfordernis der Mehrheitsidentität oder Mehrheitskongruenz)46 und ___________ 44 Henze in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 177a Anh. A Rdnr. 8; Horn in: Heymann, HGB Bd. 2, § 161 Rdnr. 118; Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 138; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 42 Rdnr. 1; Reiserer, BB 1996, S. 2461; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 I 4; vgl. auch Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 161 Rdnr. 10: „Diese ... Gesellschaftsform ist zwar rechtlich eine KG, in der Sache dagegen ein Zwitter von Personen- und Kapitalgesellschaft.“ 45 Vgl. auch Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 20: „funktionelle Substituierbarkeit der GmbH durch die GmbH & Co. KG“. 46 OLG Bremen 30.04.1980 – 1 W 3/80 (c), DB 1980, S. 1332 – Kühne und Nagel; v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnr. 81; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 4 Rdnr. 6; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 20; vgl. allgemein zur personen- bzw. beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG z.B. BGH 24.05.1976 – II ZR 164/74, NJW 1976, S. 1538 (1539); Fahse in: GK-HGB, § 161 Rdnr. 56; v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnr. 40; Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnrn. 92 ff.; Gummert in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 51 Rdnr. 2; Heinrich in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 3, § 10 Rdnr. 29; Henze in: Eben-

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 die persönlich haftende Kapitalgesellschaft darf keinen eigenen Geschäftsbetrieb mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern haben47. Zu Veranschaulichung soll die nachstehende gesellschaftsrechtliche Konstellation betrachtet werden: Eine GmbH & Co. KG sei dergestalt organisiert, dass sie eine einzige natürliche Person als Kommanditisten hat. Diese ist zugleich alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer derjenigen GmbH, die wiederum die Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters der GmbH & Co. KG einnimmt. Am Markt tritt die GmbH mit einem eigenen Geschäftsbetrieb nicht auf. Sie ist eine reine Holding-Gesellschaft und wird vom Kommanditisten lediglich aus Gründen der Haftungsabschottung gegen die Gläubiger der Kommanditgesellschaft verwendet. Als bloße Holding beschäftigt die GmbH keine eigenen Arbeitnehmer. Die unternehmenstragende GmbH & Co. KG hingegen weist 2.100 regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmer auf. Die damit beschriebene Verfassung der GmbH & Co. KG ist sozusagen die klassische Erscheinungsform einer Kapitalgesellschaft & Co. Es existiert lediglich eine einzige natürliche Person in der Organisationsstruktur. Als Kommanditist der im Geschäftsverkehr auftretenden Kommanditgesellschaft haftet diese gemäß § 171 Abs. 1 HGB den Gläubigern der Gesellschaft nur bis zur Höhe ihrer gesellschaftsvertraglich übernommenen Einlage und auch dies nur, soweit die Einlage noch nicht an die Kommanditgesellschaft geleistet worden ist. Zuvor hat der Kommanditist die Möglichkeit des § 1 GmbHG wahrgenommen, als einzelne Person eine GmbH zu errichten. Die daraus entstandene BeteiligungsGmbH ist Geschäftsgegner des Kommanditisten beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags für die Personengesellschaft und schlüpft in die Rolle des Komplementärs. Damit haftet zwar die juristische Person, § 13 Abs. 1 GmbHG, als Rechtsträger der GmbH mit ihrem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft, eine Haftung des Kommanditisten kommt aber nach Einbezahlung seiner Einlage in das Gesellschaftsvermögen weder in seiner Funktion als Gesellschafter der Kommanditgesellschaft noch in seiner Funktion als Gesellschafter der GmbH in Betracht. Da der Kommanditist sämtliche Geschäftsanteile an der von ihm allein gegründeten GmbH hält, liegt ein Fall der so genannten personen- und beteiligungsgleichen oder echten GmbH & Co. KG48, vor und zwar in der besonderen ___________ roth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 177a Anh. A Rdnr. 15; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, Anh. § 177a Rdnr. 6; Martens in: Schlegelberger, HGB Bd. III/2, § 161 Rdnr. 98. 47 OLG Bremen 30.04.1980 – 1 W 3/80 (c), DB 1980, S. 1332 (1335) – Kühne und Nagel; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 5; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 4 Rdnr. 9. 48 Vgl. BGH 24.05.1976 – II ZR 164/74, NJW 1976, S. 1538 (1539); Fahse in: GKHGB, § 161 Rdnr. 56; Henze in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 177a Anh. A Rdnr. 15; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, Anh. § 177a Rdnr. 6; Horn in: Heymann,

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

Gestalt der Einpersonen-GmbH & Co. KG49. Damit ist auf jeden Fall den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG an die Verteilung der Anteile bzw. Stimmen genügt. Weil die GmbH einzig die Aufgabe hat, Gesellschaftsanteile an der GmbH & Co. KG zu halten50, weist sie keinen eigenen Geschäftsbetrieb auf und beschäftigt auch keine eigenen Arbeitnehmer. Im Ergebnis gelten bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahlen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG die 2.100 Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG zugleich als solche der persönlich haftenden Beteiligungs-GmbH. Die GmbH ist deshalb mitbestimmungspflichtig. Eine teleologische Auslegung des Erfordernisses der Mehrheitsidentität ergibt, dass entgegen dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG eine Zurechnung auch dann erfolgt, wenn die Mehrheit der Anteile oder Stimmen an der Komplementärgesellschaft zwar nicht oder nicht allein in den Händen des oder der Kommanditisten liegt, in der Kommanditgesellschaft aber noch weitere persönlich haftende Gesellschafter existieren und diesen entweder allein oder gemeinsam mit den Kommanditisten eine entsprechende Anteils- oder Stimmenmehrheit zukommt51. Der Gesetzgeber hat offensichtlich den Fall übersehen, dass die persönlich haftende Körperschaft nicht der einzige Komplementär ist. In diesem Fall muss daher Raum für eine Analogie sein. Eine weiteres Problemfeld kann auftauchen, wenn man den oben geschilderten Fall dahingehend abwandelt, dass der Kommanditist als einzige natürliche Person, die in die Gesellschaftsstruktur eingebunden ist, der durch die Arbeitnehmerzurechnung begründeten Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 dadurch zu entgehen versucht, dass er für 600 der für die Zwecke der ___________ HGB Bd. 2, § 161 Rdnr. 120; Martens in: Schlegelberger, HGB Bd. III/2, § 161 Rdnr. 98; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II 3 c; Stuhlfehlner in: HeidelbergKomm HGB, § 161 Rdnr. 1. 49 Vgl. dazu Fahse in: GK-HGB, § 161 Rdnr. 56; Flume, ZHR 1982, S. 205; Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 92; Gummert in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 51 Rdnr. 1; Heinrich in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 3, § 10 Rdnrn. 25 ff.; Henze in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 177a Anh. A Rdnr. 16; Horn in: Heymann, HGB Bd. 2, § 161 Rdnr. 121; Hüffer, ZHR 145 (1981), S. 521; Martens in: Schlegelberger, HGB Bd. III/2, § 161 Rdnr. 99; Mertens, NJW 1966, S. 1049; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II 3 d; K. Schmidt, NJW 1980, S. 1775; Uhlenbruck, Krise, Konkurs und Vergleich, Kap. 1 I; Ulmer, BB 1980, S. 1001; vgl. zu den Besonderheiten bezüglich des Verbots des Selbstkontrahierens aus § 35 Abs. 4 Satz 1 GmbHG i.V.m. § 181 BGB in der Einmann-GmbH & Co. KG BGH 28.02.1983 – II ZB 8/82, BGHZ 87, S. 59 (60) = NJW 1983, S. 1676 (1677); BayObLG 22.05.1987 – BReg. 3 Z 163/86, BayObLGZ 1987, S. 153 (157 f.) = NJW-RR 1987, S. 1157 f. 50 Vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II 3 a. 51 Hölters, DB 1977, S. 2232 (2234); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 3.

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GmbH & Co. KG einzusetzenden 2.100 Arbeitnehmer nicht die Kommanditgesellschaft als Vertragsgegner des Arbeitsvertrages wählt, sondern das Arbeitsverhältnis formal zwischen den Arbeitnehmern und der persönlich haftenden GmbH zustande kommt. Partei der weiteren 1.500 Arbeitsverhältnisse ist die GmbH & Co. KG selbst. Dabei nimmt der Gesellschafter in Kauf, dass seine GmbH mit 600 eigenen Arbeitnehmern zumindest der Mitbestimmung nach den Regeln des Drittelbeteiligungsgesetzes unterworfen wäre. In diesem Fall erscheint es als möglich, dass die 1.500 Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG der Beteiligungs-GmbH nicht mehr zugerechnet werden können. Dies wäre dann der Fall, wenn eine Zurechnung gesperrt wäre, weil die GmbH selbst in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass § 4 Abs. 1 MitbestG nur unter der weiteren Voraussetzung keine Anwendung findet, dass die Arbeitnehmer der Komplementärgesellschaft im Rahmen eines eigenen Geschäftsbetriebs eingesetzt werden52. Ein solcher ist nur gegeben, wenn der Komplementär mit dem Einsatz seiner Arbeitnehmer einen selbständigen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, der über den Betrieb des von der Kommanditgesellschaft geführten Unternehmens hinausgeht53. Einen Teil der den wirtschaftlichen Zielen der Kommanditgesellschaft dienenden Arbeitnehmer bloß formal durch die Wahl eines anderen Vertragspartners unmittelbar der GmbH zu unterstellen, reicht deswegen nicht aus, um die Rechtsfolge der Arbeitnehmerzurechnung zu umgehen. OLG Celle, Beschluss vom 30.08.197954: „Die Fassung der Vorschrift stellt ... einen im Gesetzgebungsverfahren im Ringen der verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte entstandenen Kompromiss dar, der bewusst davon absieht, sämtliche GmbH (o.ä.) & Co. KG dem Mitbestimmungsgesetz zu unterwerfen. ... Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG eine typische Ausprägung der genannten Rechtsform der Mitbestimmung unterworfen. Es handelt sich dabei um jenes Erscheinungsbild dieser Gesellschaftsform, die gelegentlich als „Personengesellschaft mit beschränkter Haftung“ bezeichnet worden ist und bei der ein Unternehmen in der Form einer Personengesellschaft ohne persönlich haftende natürliche Person betrieben wird. Für sie ist charakteristisch, dass die Kommanditgesellschaft und die Komplementärgesellschaft nicht zwei verschiedene, sondern nur ein einziges Unternehmen betreiben – § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG bezieht allerdings die Fälle ein, in denen die GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb mit nicht mehr als 500 Arbeitnehmern unterhält – und dass in beiden Gesellschaften im wesentlichen eine einheitliche Willensbildung stattfindet. Letzteres wird in der Regel durch eine entsprechende Gestaltung der Beteiligungsverhältnisse erreicht.“

___________ 52

Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 4 Rdnr. 26. Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 31; ähnlich Reichert in: Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 18 Rdnr. 8. 54 Fundstelle: GmbHR 1979, S. 277 (278). 53

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

dd) Zurechnung in der „mehrstöckigen“ Kapitalgesellschaft & Co. KG Nach § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MitbestG erfolgt eine Zurechnung von Arbeitnehmern auch in dem Fall, dass die Kapitalgesellschaft & Co. KG ihrerseits persönlich haftender Gesellschafter einer weiteren Kommanditgesellschaft ist oder sich eine derartige Aneinanderschaltung von Kommanditgesellschaften entsprechend weiter fortsetzt. Man kann in diesen Fällen von einer doppelbzw. mehrstöckigen Kapitalgesellschaft & Co. KG sprechen55. Rechtsfolge ist die Zurechnung der Arbeitnehmer auch von den Personengesellschaften tieferer Stufe unmittelbar zu der Kapitalgesellschaft, die in der herrschenden Kommanditgesellschaft als Komplementär eingesetzt ist. Nicht hingegen erfolgt eine Art Durchgangszurechnung von jeder Kommanditgesellschaft zur Kommanditgesellschaft auf der jeweils übergeordneten hierarchischen Stufe der Gesellschaftsstruktur56. Eine mitbestimmungsrechtliche Arbeitnehmerzurechnung kann also etwa ausgelöst werden, wenn man wiederum von der Konstellation ausgeht, dass eine GmbH & Co. KG (erster Stufe) eine natürliche Person als einzigen Kommanditisten hat und diese natürliche Person ebenfalls alleiniger Anteilseigner der Komplementär-GmbH ist. Diese ist wiederum der einzige persönlich haftende Gesellschafter der GmbH & Co. KG. Besagte GmbH & Co. KG schließlich ist einziger Komplementär einer weiteren Kommanditgesellschaft (zweiter Stufe), Kommanditist auch dieser Gesellschaft ist erneut der Kommanditist der GmbH & Co. KG (erster Stufe). Die GmbH & Co. KG (erster Stufe) beschäftigt in der Regel 600 Arbeitnehmer, die Kommanditgesellschaft (zweiter Stufe) 1.700. Die Komplementär-GmbH ist als reine Holdinggesellschaft arbeitnehmerfrei. ___________ 55 Vgl. OLG Hamburg 05.12.1968 – 2 W 34/68, GmbHR 1969, S. 135 mit Anm. Hesselmann (zur Rechtsform der KGaA); Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, § 2 Rdnrn. 14 ff.; v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdnrn. 43, 82; Grunewald in: MünchKomm HGB Bd. 3, § 161 Rdnr. 100; Gummert in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 51 Rdnrn. 10 ff.; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 4 Rdnrn. 13, 37; Hesselmann/Tillmann, Handbuch der GmbH & Co., Rdnrn. 25, 137; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, Anh. § 177a Rdnr. 9; Horn in: Heymann, HGB Bd. 2, § 161 Rdnr. 123; Koller in: Koller/Roth/Mork, HGB § 161 Rdnr. 2; Liebscher in: Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 3 Rdnrn. 18 ff.; Lüdtke-Handjery, BB 1973, S. 68; Martens in: Schlegelberger, HGB Bd. III/2, § 161 Rdnrn. 103 f.; Priester, DNotZ 1998, S. 691 (701); Riegger in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 53 Rdnrn. 12 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II 3 f; K. Schmidt, DB 1990, S. 93 ff.; Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 212; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 4 Rdnr. 11; Skibbe, WM 1978, S. 890; Uhlenbruck, Krise, Konkurs und Vergleich, Kap. 1 I; Veismann, BB 1970, S. 1159; Wagner in: Wagner/Rux, Die GmbH & Co. KG, Rdnrn. 31 ff.; Wessel, BB 1970, S. 1276. 56 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 7.

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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Hier gelten die 600 Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG (erster Stufe) aufgrund des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG auch als solche der Komlementär-GmbH. Die Zurechnung allein dieser Arbeitnehmer würde indessen noch keine mitbestimmungsrechtlichen Folgen nach sich ziehen. Zwar hätte die GmbH damit bereits die für das Beteiligungsstatut des Drittelbeteiligungsgesetzes maßgebliche Grenze von mehr als 500 Arbeitnehmern durchbrochen, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG. Die Zurechnung nach § 4 Abs. 1 MitbestG erfolgt jedoch nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm ausschließlich zum Zwecke „der Anwendung dieses Gesetzes auf den persönlich haftenden Gesellschafter“, also des Mitbestimmungsgesetzes 1976 selbst. Da die anderen Mitbestimmungsstatute eine entsprechende Sonderregel für die Kapitalgesellschaft & Co. KG nicht kennen, muss der durch Zurechnung erreichte Gesamtwert schon die Schwelle des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG von in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmern erreichen. Dies geschieht, indem gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 MitbestG der GmbH (aber auch nur dieser und nicht ebenso der GmbH & Co. KG erster Stufe) zusätzlich die 1.700 Arbeitnehmer der Kommanditgesellschaft (zweiter Stufe) zugerechnet werden. Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MitbestG macht dabei deutlich, dass die Zurechnung der Arbeitnehmer von Kommanditgesellschaften zweiter und niedrigerer Stufe lediglich voraussetzt, dass eine in § 4 Abs. 1 Satz 1 beschriebene Kapitalgesellschaft & Co. KG als persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft zweiter Stufe eingesetzt wird. Diese Haftungsverfassung der Kommanditgesellschaften zueinander muss sich innerhalb der nachfolgenden Stufen fortsetzen. Demgegenüber wird die Zurechnungskette nicht schon dann unterbrochen, wenn die qualifizierten Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG im Verhältnis zweier Kommanditgesellschaften zueinander einmal nicht erfüllt sein sollten. Insbesondere ist deshalb nicht erforderlich, dass auch in diesen Verhältnissen das Merkmal der Mehrheitsidentität vorliegt57. c) Verbot des Ausschlusses von der Geschäftsführung Zur Absicherung der mittelbaren Mitbestimmung in der Kommanditgesellschaft dient das Verbot des § 4 Abs. 2 MitbestG. Danach ist der Ausschluss der persönlich haftenden und unmittelbar mitbestimmten Kapitalgesellschaft von ___________ 57 Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 4 Rdnr. 22; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 4 Rdnr. 38; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 7; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 4 Rdnr. 11; anderer Ansicht Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 4 Rdnr. 38; Martens in: Schlegelberger, HGB Bd. III/2, § 161 Rdnr. 188; Raiser, MitbestG, § 4 Rdnr. 15; Riegger in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 53 Rdnr. 13.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft unzulässig. Ansonsten könnte nämlich nach allgemeinem Personengesellschaftsrecht jene mittelbare Mitbestimmung in der Kommanditgesellschaft ohne weiteres ausgeschaltet werden58. Die §§ 114 Abs. 1 und 125 Abs. 1 HGB stellen dispositives Recht dar. Das bedeutet, dass im Gesellschaftsvertrag der Personenhandelsgesellschaft die persönlich haftende Kapitalgesellschaft zugunsten weiterer Komplementäre von der Geschäftsführung und der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen werden könnte59, §§ 114 Abs. 2, 125 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB. In diesem Fall würde die Mitbestimmung in den Organen der Komplementärgesellschaft nicht mehr auf die Kommanditgesellschaft durchschlagen. Um einem derartigen Schachzug entgegenzuwirken, verbietet § 4 Abs. 2 MitbestG spezialgesetzlich den Ausschluss eines über § 4 Abs. 1 MitbestG beteiligungspflichtigen Unternehmens von der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft. Freilich sind die praktischen Fälle, in denen es auf das genannte Verbot tatsächlich ankommt, sehr selten. Dies kann schlicht darauf zurückgeführt werden, dass die Rechtsfigur der Kapitalgesellschaft & Co. KG das Ziel der Haftungsabschottung – also der Trennung des Privatvermögens der Gesellschafter von dem den Gläubigern haftenden Kapital – nur dann vollständig erreicht, wenn entweder die Kapitalgesellschaft die einzige persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft ist oder aber wenn die anderen Komplementärposten ebenfalls mit juristischen anstelle von natürlichen Personen besetzt sind. In ersterem Fall aber existieren wegen der Regel des § 170 HGB schon keine weiteren Gesellschafter, zu deren Gunsten der Kapitalgesellschaft das Recht zur Geschäftsführung und die organschaftliche Vertretungsmacht entzogen werden können. Einer Übertragung dieser Rechte auf dritte Personen steht nämlich bereits das personengesellschaftsrechtliche Prinzip der Selbstorganschaft entgegen, weil dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter auf diesem Weg sein Organmonopol60 und damit zugleich die Befugnis zur letzten Entscheidung verloren ginge61. ___________ 58 Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 4 Rdnr. 12; BT-Drucks. 7/2172, S. 21. 59 BGH 27.06.1955 – II ZR 232/54, BGHZ 17, S. 392 (394); BGH 09.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, S. 198 (201); Riegger/Götze in: MünchVertragshandbuch Bd. 1, Form. III.1 Anm. 8. 60 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2 b; K. Schmidt in: MünchKomm HGB Bd. 2, § 125 Rdnr. 5; vgl. auch v. Ditfurth in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 1, § 54 Rdnr. 12; v. Gerkan in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 125 Rdnr. 1; Hillmann in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 125 Rdnr. 3; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB § 125 Rdnr. 5; Koller in: Koller/Roth/Mork, HGB, § 125 Rdnr. 2; K. Schmidt in: Schlegelberger, HGB Bd. III/1, § 125 Rdnr. Rdnr. 5; Wirth in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 2, § 9 Rdnr. 3; vgl. aus der Rechtsprechung BGH 06.02.1958 – II ZR

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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Im zweiten Fall hingegen sind Konstellationen denkbar, in denen das Verbot des § 4 Abs. 2 MitbestG einen eigenständigen Anwendungsbereich erfährt. Dazu muss eine GmbH & Co. KG mindestens zwei persönlich haftende Gesellschafter haben (in der Abbildung 3.1 als A-GmbH und B-GmbH gekennzeichnet). Die Geschäftsanteile an beiden Komplementärgesellschaften liegen der Einfachheit halber wieder vollständig in den Händen des einzigen Kommanditisten der GmbH & Co. KG. Während bei der Kommanditgesellschaft regelmäßig 1.900 Arbeitnehmer beschäftigt sind, hat die erste Komplementär-GmbH nur einhundertundfünfzig, die zweite Komplementär-GmbH nur fünfzig eigene Arbeitnehmer. A-GmbH 50 ArbN ArbNZurechnung

phG

Gesellschafter Komm.

B-GmbH 150 ArbN phG

GmbH & Co. KG 1.900 ArbN

ArbNZurechnung

Abbildung 3.1: Sonderkonstellation mehrerer Komplementärkapitalgesellschaften

In der Sonderkonstellation, dass mehr als ein Komplementärposten durch eine Kapitalgesellschaft anstelle einer natürlichen Person ausgefüllt wird, erfolgt eine Zurechnung der vollen Arbeitnehmerzahl der Kommanditgesellschaft zu jeder einzelnen Kapitalgesellschaft. Dies entspricht der überwiegenden Meinung in der Literatur62 und lässt sich aus dem insofern eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG ableiten. Für jede Komplementärgesellschaft ist die Frage nach der Zurechnung isoliert zu stellen und deshalb unter den weiteren Voraussetzungen der Zurechnungsnorm zu bejahen. Im gestellten Beispielsfall führt dies dazu, dass die 1.900 Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG in vollem Umfang sowohl der ersten als auch der zweiten Komplementär-GmbH zugerechnet werden. Während sich damit bei einer GmbH ein Gesamtwert von ___________ 210/56, BGHZ 26, S. 330 (333); BGH 11.07.1960 – II ZR 260/59, BGHZ 33, S. 105 (108) = NJW 1960, S. 1997; BGH 22.01.1962 – II ZR 11/61, BGHZ 36, S. 292 (295) = LM § 114 HGB Nr. 1 mit Anm. Fischer = NJW 1962, S. 738; BGH 15.05.1964 – II ZR 42/62, BGHZ 41, S. 367 (369); BGH 09.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, S. 198 (200); BGH 05.10.1981 – II ZR 203/80, LM § 114 HGB Nr. 7 = NJW 1982, S. 1817 = WM 1982, S. 394 (396 f.) = ZIP 1982, S. 578 (581); BGH 20.09.1993 – II ZR 204/92, NJWRR 1994, S. 98. 61 Vgl. zum Prinzip der Selbstorganschaft in der Personengesellschaft schon oben § 1 B. I. 2. 62 Vgl. z.B. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 4 Rdnr. 35; Ulmer in: Hanau/Ulmer, § 4 Rdnrn. 9, 24; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 30.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

2.050 Arbeitnehmern ergibt und sie folglich den Rechtsfolgen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 ausgesetzt ist, bleibt die andere GmbH selbst nach erfolgter Zurechnung mit einer Zahl von insgesamt 1.950 Arbeitnehmern unterhalb des mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwertes aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG. Auch nach den Grundsätzen des Drittelbeteiligungsgesetzes ist sie nicht beteiligungspflichtig, da die Sondernorm des § 4 Abs. 1 MitbestG ihren eigenen Anwendungsbereich auf das Mitwirkungsstatut nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 beschränkt. Vor diesem Hintergrund würde der gesellschaftsvertragliche Ausschluss der mitbestimmungspflichtigen Komplementär-GmbH von der Geschäftsführung und der Vertretung der GmbH & Co. KG durchaus einen Sinn ergeben. Da die verbleibende Komplementärgesellschaft eben nicht mitbestimmt ist, würde unter ihr als einzigem zur Vertretung berechtigtem Gesellschafter jegliche auch nur mittelbare Mitbestimmung von Arbeitnehmern über das Unternehmen der operativ tätigen Kommanditgesellschaft entfallen. Überdies wäre die entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung nach den allgemeinen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts problemlos zulässig63, da die Verdrängung der mitbestimmungspflichtigen Komplementärgesellschaft aus der Rolle des organschaftlichen Vertreters zugunsten eines zweiten persönlich haftenden Gesellschafters erfolgt, nicht hingegen zugunsten eines von der Haftung nach den §§ 128 Satz 1, 161 Abs. 2 HGB nicht betroffenen Dritten. Dadurch werden die Grundsätze der Selbstorganschaft nicht verletzt. Die (Letzt-)Entscheidungskompetenz liegt hier immer noch in der Hand eines persönlich haftenden Gesellschafters, namentlich der mitbestimmungsfreien GmbH, so dass ein Standardfall der §§ 114 Abs. 2, 128 Abs. 1 Halbs. 2, 161 Abs. 2 HGB vorliegt. Die gesellschaftsvertragliche Ausschlussklausel ist deshalb einzig wegen des Verstoßes gegen das spezialgesetzliche Verbot des § 4 Abs. 2 MitbestG unwirksam. Zur Klarstellung sei noch erwähnt, dass der Wortlaut des § 4 Abs. 2 MitbestG eng auszulegen ist. Dies hat zur Folge, dass sich das gesetzliche Verbot tatsächlich nur auf den vollständigen Ausschluss der Komplementärgesellschaft von der Geschäftsführung bezieht. Unberührt bleiben dagegen andere gesellschaftsrechtlich garantierte Freiheiten, im Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungsbefugnis der einzelnen Gesellschafter auszugestalten. Legt der Gesellschaftsvertrag also zum Beispiel abweichend vom gesetzlichen Normalfall des § 115 Abs. 1 Halbs. 1 HGB eine Befugnis aller persönlichen Gesellschafter nur zur gemeinsamen Geschäftsführung fest, § 115 Abs. 2 HGB, so steht § 4 Abs. 2 MitbestG dem nicht entgegen64. ___________ 63 64

Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, § 14 Rdnr. 5. Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 8.

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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III. Keine besondere Zweckausrichtung des Unternehmens Anders als im Falle der Montanmitbestimmungsvorschriften treten die Rechtsfolgen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 unabhängig davon ein, welchen (dominierenden) Tätigkeitsbereich das Unternehmen zum Gegenstand hat. Im Grundsatz werden daher Unternehmen jeglicher Zweckrichtung erfasst. Allerdings kennt das Gesetz Ausnahmen. Aufgrund der Tendenzschutzklauseln65 des § 1 Abs. 4 MitbestG fallen all jene Unternehmen aus dem Geltungsbereich des Gesetzes heraus,  die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen dienen, § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 MitbestG, oder  die unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG Anwendung findet, dienen, die also Pressenunternehmen sind, § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, oder  die eine Religionsgemeinschaft darstellen oder eine solchen Gemeinschaften zurechenbare karitative oder erzieherische Einrichtung zum Gegenstand haben, § 1 Abs. 4 Satz 2 MitbestG66. IV. Arbeitnehmerzurechnung im Unternehmensverbund 1. Die Konzernspitze als Ansatzpunkt der Mitbestimmung Eine mitbestimmungsrechtliche Sonderregelung für solche Fälle, in denen die Mitbestimmungspflichtigkeit eines Unternehmens an der Spitze einer Konzernhierarchie zu ermitteln ist enthält der § 5 Abs. 1 MitbestG. Unter bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Verbundenheit der einzelnen Konzernunternehmen gelten bei der Ermittlung des mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwertes aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG nach dieser Norm die Arbeitnehmer aller abhängigen Konzernunternehmen nicht nur als Arbeitnehmer eben des Konzernunternehmens, dem sie auf der Grundlage ihres Arbeitsvertrags unmittelbar schuldrechtlich zugeordnet werden können, ___________ 65

Vgl. zum Tendenzschutz bereits oben § 1 B. III. 2. Vgl. zum Tendenzschutz außerdem Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 1 Rdnrn. 33 ff.; Föhr in: Benze u.a., MitbestG, § 1 Rdnrn. 42 ff.; Hoffmann/Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnrn. 52 ff.; Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 45; Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 150; Kunze in: Festschrift Ballerstedt, S. 79 ff.; Mayer-Maly in: Festschrift Möhring, S. 251 ff.; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 9; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnrn. 37 ff.; Rüthers, AfP 1974, S. 542 ff.; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnrn. 49 ff.; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnrn. 32 ff. 66

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

sondern sie sind zugleich auch als Arbeitnehmer des herrschenden Konzernspitzenunternehmens anzusehen. Ganz wie im sachlichen Regelungsbereich des § 4 Abs. 1 MitbestG behandelt also der § 5 Abs. 1 MitbestG auf Rechtsfolgenseite ebenfalls einen Fall der Arbeitnehmerzurechnung67. Und auch auf der Tatbestandsseite sind die beiden Zurechnungsnormen insofern vergleichbar, als ihnen jeweils der Gedanke der Unternehmenseinheit zugrunde liegt. Die Bedeutung einer mitbestimmungsgesetzlichen Konzernzurechnungsklausel für die rechtliche Gestaltungspraxis kann kaum überbewertet werden. Diverse statistische Erhebungen dokumentieren, dass die große Mehrheit der deutschen Aktiengesellschaften nicht als ein völlig isoliert zu betrachtendes Unternehmen auftritt, sondern in mannigfacher Weise über Unternehmensbeteiligungen und Unternehmensverträge an weitere Gesellschaften gekoppelt ist. Nicht von derart weit reichender, aber auch nicht zu unterschätzender Relevanz ist der Grad der Konzernierung der deutschen Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Zwar gehen auf diese Weise die Konzernunternehmen als von der Rechtsordnung anerkannte selbständige Rechtsträger nicht verloren. Da aber die Konzernierung für die abhängigen Unternehmen regelmäßig ein nicht unerhebliches Maß an Fremdbestimmung durch die sie beherrschenden Unternehmen mit sich bringt, büßen die abhängigen Unternehmen zumeist wenigstens ihre wirtschaftliche Selbständigkeit ein. Ein zutreffend verwendetes Bild findet sich deshalb im Schrifttum, wenn von der wirtschaftlichen Einheit eines Konzerns hinter der Fassade der rechtlichen Selbständigkeit seiner Konzernunternehmen68 gesprochen wird. Aus diesen organisationsrechtlichen Besonderheiten ergeben sich zwei wesentliche Erkenntnisse für die institutionelle Unternehmensmitbestimmung: Zum einen ist zu beobachten, dass bei einem Großteil der in mitbestimmungspflichtigen Rechtsformen organisierten deutschen Unternehmen die ___________ 67

Vgl. zur Problematik der Arbeitnehmerzurechnung im Konzern in solchen Fällen, in denen das herrschende Unternehmen keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt (insb. zu dem Stichwort der Arbeitnehmerlosigkeit in Umgehungsabsicht), aus der Rechtsprechung BayObLG 24.03.1998 – 3 Z BR 236/96, DB 1998, S. 973 ff. = NZA 1998, S. 956 ff. – Walter Holding I; OLG Bremen 30.04.1980 – 1 W 3/80 (c), DB 1980, S. 1332 (1334) – Kühne und Nagel; OLG Stuttgart 03.05.1989 – 3 W 38/89, AG 1990, S. 168 (169) = BB 1989, S. 1005 (1006) – Mahle Beteiligungen GmbH; OLG Stuttgart 30.03.1995 – 8 W 355/93, ZIP 1995, S. 1004 ff. – Charles Vögele Holding AG; LG Hamburg 26.06.1995 – 321 T 61/94, AG 1996, S. 89 f. – AMB/Volksfürsorge Holding AG; LG Stuttgart 29.11.1988 – 2 AktE 1/88, AG 1989, S. 445 (447) – Mahle Beteiligungen GmbH; LG Stuttgart 11.05.1993 – 2 AktE 1/92, IPRax 1994, S. 293 ff. = ZIP 1993, S. 1406 ff. – Charles Vögele Holding AG; aus der Literatur Ebenroth, EWiR § 4 MitbestG 1/93, S. 917 f.; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 5 mit w. Nachw.; ferner Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 56; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 37a. 68 Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 189.

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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Mitbestimmungsrechte, welche etwa der § 1 in Verbindung mit §§ 6 ff. MitbestG den Arbeitnehmern eines mitbestimmungspflichtigen Unternehmens einräumt, in gewisser Weise in einen Leerlauf geraten müssen. Soweit es sich bei dem in den Blick genommenen mitbestimmungspflichtigen Unternehmen nämlich um ein abhängiges Konzernunternehmen handelt, wird allein diese Tatsache in der Regel damit einhergehen, dass zentrale Führungsentscheidungen für das einzelne Konzernunternehmen nicht mehr von dessen (mitbestimmten) Organen selbst gefällt werden, sondern diese Organe ihrerseits lediglich den Anweisungen einer übergeordneten Konzernspitzengesellschaft folgen und das abhängige Unternehmen in erster Linie in deren Interesse leiten. Wird die Entscheidungsfindung aber einem mitbestimmungspflichtigen Rechtsträger weitgehend entzogen und auf ein anderes Unternehmen übergeleitet, dann wird das den Arbeitnehmern eingeräumte Mitspracherecht in den ihrer Autonomie beraubten Organen des abhängigen Unternehmens zu einer nahezu inhaltsleeren Rechtsposition degradiert. Wie immer gilt, dass von einem Mitwirkungsrecht nur dort sinnvoll Gebrauch gemacht werden kann, wo auch die Entscheidungen tatsächlich fallen69. Zum anderen ruft die Tatsache, dass die Entscheidungsfindung im einschlägig organisierten Unternehmensverbund von den abhängigen Konzernunternehmen auf eine zentrale übergeordnete Stelle verlagert werden kann, letztlich auch ein gesteigertes Missbrauchspotential hervor. Käme der Gedanke der konzernübergreifenden Unternehmenseinheit im Gesetz nicht zum Tragen, so könnte etwa ein mitbestimmtes Großunternehmen allein durch die strategische Finesse, dass es sein gesamtes operatives Geschäft in kleinere Einheiten untergliedert und diese wiederum auf eine Reihe von rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften auslagert, die Beteiligungspflicht der Arbeitnehmer vollständig auf die Konzernebene der Tochtergesellschaften beschränken, ohne letztlich seine eigene Leitungsmacht über das operative Geschäft preisgeben zu müssen70. Voraussetzung ist allein, dass mittels einer ausreichend starken konzern___________ 69 BAG 18.06.1970 – 1 ABR 3/70, DB 1970, S. 1595 f.; BayObLG 24.03.1998 – 3 Z BR 236/96, DB 1998, S. 973 (974) = NZA 1998, S. 956 (957) – Walter Holding I; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 2; Hanau/Schweisfurth, EWiR § 76 BetrVG 1952 1/97, S. 635 (636); Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnrn. 191 ff.; Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 1; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbeitsrechtKomm, MitbestG § 5 Rdnr. 1; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 35; vgl. zu der parallel gelagerte Frage im Bereich der Betriebsverfassung, an welcher Stelle des betrieblichen Organisationsgefüges Betriebsräte zu installieren sind, damit deren Mitwirkungsrechte optimal zur Geltung kommen, z.B. Däubler in: Festschrift Dieterich, S. 63 (69); Gaul in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG § 1 Rdnr. 10; Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnrn. 195 f.; Preis, RdA 2000, S. 257 (267 f.); Wendeling-Schröder, NZA 1999, S. 1065. 70 Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 5 Rdnr. 1.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

rechtlichen Verbindung zu den Tochtergesellschaften deren Hörigkeit gegenüber der Konzernspitze rechtlich und tatsächlich abgesichert wird. Derartige Umgehungsstrategien im Keim zu ersticken, ist ebenfalls ein erklärtes Ziel der Konzernzurechnungsklausel des § 5 MitbestG. Das gesetzliche Institut der Arbeitnehmerzurechnung ist deshalb zu verstehen als ein Schutzmechanismus des Gesetzes, der verhindern soll, dass das dem Grunde nach auf ein rechtlich selbständiges und auch wirtschaftlich unabhängiges Unternehmen zugeschnittene deutsche Mitbestimmungsrecht jeglichen Bezug zur rechtlichen und wirtschaftlichen Realität einbüßt. In gewisser Weise erfüllt es also die gleiche Funktion wie auf der Ebene der Betriebsverfassung die über eine Arbeitnehmerbeteiligung auf der Ebene des Einzelbetriebs hinausgehenden Rechtsfiguren des Gesamtbetriebsrats (§ 47 BetrVG 1972), des Konzernbetriebsrats (§ 54 BetrVG 1972) und des Europäischen Betriebsrats im Sinne des Gesetzes über die Europäischen Betriebsräte71. 2. Der Konzernbegriff Der § 5 Abs. 1 MitbestG verweist zum Zwecke der Festlegung des Konzernbegriffs auf die einschlägigen Vorschriften des Aktiengesetzes über das Recht der verbundenen Unternehmen. In Bezug genommen wird vom Mitbestimmungsrecht ausschließlich das in § 18 Abs. 1 AktG geregelte Modell des Unterordnungskonzerns72. Damit ist eine Arbeitnehmerzurechnung im Gleichordnungskonzern73, aktiengesetzlich verankert in § 18 Abs. 2 AktG, ausgeschlossen74. Um ein Unterordnungskonzernverhältnis herzuleiten, müssen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG kumulativ zwei Voraussetzungen vorliegen: Erstens müssen ein herrschendes und wenigstens ein abhängiges Unternehmen gegeben sein. Im Vordergrund liegt hier also die rechtliche Beziehung der verbundenen ___________ 71

Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnrn. 195 f. Vgl. allgemein zum Unterordnungskonzern Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnrn. 2, 26 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 8 ff.; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnrn. 304 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rdnrn. 6 ff.; Peres/Oschütz in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 18 Rdnrn. 11 ff. 73 Vgl. allgemein zum Gleichordnungskonzern Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnrn. 3, 49 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 25 ff.; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnrn. 312 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rdnrn. 20 f.; Lutter/Drygala, ZGR 1995, S. 557 ff.; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), S. 417 ff. 74 Vgl. zur Tauglichkeit von Unterordnungskonzern und Gleichordnungskonzern als Basis der mitbestimmungsrechtlichen Arbeitnehmerzurechnung die Analyse des Beteiligungsstatuts der Konzernobergesellschaft in den Fällen einer Verschmelzung von Schwestergesellschaften (sidestream merger) unten § 8 D. I. 72

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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Unternehmen untereinander. Sämtliche im Unternehmensverbund stehenden Unternehmen müssen von einem Herrschaftsverhältnis erfasst sein. Zweitens muss aufgrund dieses Herrschaftsverhältnisses sich eines der beteiligten Unternehmen als herrschendes Konzernspitzenunternehmen herauskristallisieren, welches die von ihm beherrschten Konzernunternehmen unter seiner einheitlichen Leitung bündelt. a) Konzern auf vertraglicher Grundlage Damit erhebt sich in erster Linie die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein entsprechendes Herrschaftsverhältnis zwischen zwei oder mehreren Unternehmen angenommen werden kann. Die Lösung ist bereits im Verweis des Mitbestimmungsrechts auf das Aktiengesetz enthalten. Der § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG bestimmt insofern, dass der Abschluss bestimmter gesellschaftsrechtlicher Organisationsverträge ein Herrschaftsverhältnis begründet und zugleich impliziert, dass die am Vertragsschluss beteiligten Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind. Die Rede ist dementsprechend regelmäßig von einem Vertragskonzern oder von einem Konzernrechtsverhältnis auf vertraglicher Grundlage. Umfasst sind die in § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG erwähnten Beherrschungsvertragskonzerne gemäß § 291 AktG75 und Eingliederungskonzerne gemäß § 319 AktG76. b) Konzern auf faktischer Grundlage Daneben enthält der § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG eine widerlegliche Vermutung, der zufolge ein abhängiges Unternehmen mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. Die gesetzliche Vermutung setzt sich fort in einer Normenkette77, die zunächst § 17 Abs. 2 AktG einbezieht. Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird danach vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Das Ende der Normenkette ist alsdann erreicht in § 16 Abs. 1 AktG, der die Begriffe des Mehrheitsbesitzes und der Mehrheitsbeteiligung festlegt. Gehört die Mehrheit der ___________ 75

Vgl. zum Begriff und den Anforderungen an einen Beherrschungsvertrag unten § 4 B. I. 4. a). 76 Vgl. zum Begriff und zu den Anforderungen an eine aktienrechtliche Eingliederung unten § 4 B. I. 4. b). 77 Vgl. dazu ausführlich Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnrn. 44 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 20 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rdnrn. 17 ff.; Lutter in: Lutter, Holding-Handbuch, § 1 Rdnrn. 39 ff. (sowie zur Widerlegung der Vermutungen Rdnrn. 45 ff.); Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255); Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 5 Rdnrn. 14, 19, 26 f.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

Anteile eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen oder steht einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte zu, so ist das eine Unternehmen ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen und das andere Unternehmen ein an ihm mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen. Daraus folgt, dass das Gesetz einen Unterordnungskonzern bereits dann vermutet, wenn im Verhältnis zweier Unternehmen eine bloße Mehrheitsbeteiligung feststellbar ist, begründet dadurch, dass das eine Unternehmen die bloße Anteilsmehrheit oder Stimmenmehrheit an dem anderen Unternehmen aufweist. Unerheblich ist es, ob die abhängigen Konzernunternehmen für sich genommen schon der Unternehmensmitbestimmung unterliegen oder nicht. Liegt als abhängiges Unternehmen etwa eine GmbH mit 2.500 Arbeitnehmern vor, so ist diese sowohl selbst mitbestimmungspflichtig als auch sind ihre Arbeitnehmer der Konzernspitze zuzurechnen. Eine Zurechnung erfolgt aber auch dann, wenn das abhängige Unternehmen als solches in einer Rechtsform organisiert ist, die die Mitbestimmungspflichtigkeit von vornherein ausschließt, zum Beispiel als einzelkaufmännisches Unternehmen oder als Personenhandelsgesellschaft78. Das herrschende Unternehmen an der Konzernspitze hingegen muss spätestens durch das Hinzuzählen der bei den Konzernunternehmen in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer alle Voraussetzungen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 erfüllen79. Abgesehen vom erforderlichen Arbeitnehmerquorum müssen diese Voraussetzungen bei der Konzernspitzengesellschaft also in eigener Person vorliegen. Insbesondere bedeutet dies, dass sie in einer der im § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG genannten Rechtsformen verfasst sein und ihren Verwaltungssitz im territorialen Geltungsbereich des Mitbestimmungsrechts haben muss. Ferner darf kein tendenzgeschützter Unternehmenszweck unmittelbar und überwiegend verfolgt werden. Ist dies nicht der Fall, so ist die Arbeitnehmerzurechnung zur Konzernspitze ohnehin nicht sinnvoll. Allerdings ist in diesen Fällen die Sonderregelung des § 5 Abs. 3 MitbestG zu beachten. Dieser eröffnet die Möglichkeit der surrogativen Zurechnung zur fiktiven Teilkonzernspitze, d.h. einem Unternehmen, dass zwar seinerseits ein von der eigentlichen Konzernspitze abhängiges Unternehmen darstellt, über das die im Übrigen mitbestimmungsuntaugliche Konzernspitze aber die weiteren abhängigen Konzernunternehmen beherrscht80. ___________ 78

Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 5 Rdnr. 5; Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 7; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 5 Rdnr. 5. 79 Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 5 Rdnrn. 4, 12. 80 Zur Arbeitnehmerzurechnung zur fiktiven Teilkonzernspitze Seibt in: Henssler/ Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 5 Rdnr. 12; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 47 ff.

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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B. Rechtsfolgen für die Unternehmensverfassung Rechtsfolgen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 sind, ähnlich wie im Bereich der Montanmitbestimmung,  die Pflicht zur Integration von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat des Unternehmens, §§ 6 ff. MitbestG, und  die Modifikation des Rechts des gesetzlichen Vertretungsorgans, §§ 30 ff. MitbestG, insbesondere die Pflicht zur Bestellung eines Arbeitsdirektors als gleichberechtigtes Mitglied des Organs, § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. I. Der mitbestimmte Aufsichtsrat 1. Größe und Zusammensetzung Die grundlegende Vorschrift für die Bildung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats ist § 6 Abs. 1 MitbestG. Durch ihn wird zunächst einmal die Bildung eines Kontrollorgans in den vom Mitbestimmungszwang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG betroffenen Rechtsformen obligatorisch, sofern sich eine entsprechende Verpflichtung nicht bereits aus dem herkömmlichen Organisationsrecht der jeweiligen Gesellschaft ergibt81. Eine eigenständige Bedeutung gewinnt die Norm aber nur in den Fällen der mitbestimmungspflichtigen GmbH. Da hier die Errichtung eines Aufsichtsrats bloß fakultativ ist, schafft die Norm überhaupt erst die Basis für eine funktionsfähige Unternehmensmitbestimmung82. Die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und auch die eingetragene Genossenschaft müssen dagegen schon kraft ihres herkömmlichen Organisationsrechts zwingend mit einem Aufsichtsrat versehen sein83 gemäß §§ 95 ff., 278 Abs. 3, 287 AktG und §§ 9 Abs. 1, 36 ff. GenG. Bezogen auf sie ist § 6 Abs. 1 MitbestG folglich gegenstandslos. Das genossenschaftsrechtliche Verbot, andere Personen als Genossen zur Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zu berufen, § 9 Abs. 2 Satz 1 GenG, wird im Mitbestimmungsfall für Arbeitnehmervertreter durch § 6 Abs. 3 Satz 2 MitbestG überlagert84. Anders als nach dem Recht der Montanmitbestimmung ist die Größe des Aufsichtsrats unabhängig von der Höhe des Gesellschaftskapitals. Auch für diese Frage ist das entscheidende Kriterium des Mitbestimmungsgesetzes 1976 ___________ 81 Vgl. zu den Besonderheiten der Mitbestimmung in den Unternehmensorganen im Stadium der Unternehmensgründung Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 6 Rdnr. 3. 82 Vgl. dazu schon oben § 1 B. I. 3. 83 Vgl. Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 3; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 4 Rdnr. 1. 84 Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 137.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

die Anzahl der im Unternehmen (und gegebenenfalls zusätzlich in den nachgeordneten Konzernunternehmen) regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer85. Die Zusammensetzung regelt § 7 MitbestG wie folgt:  Unternehmen mit in der Regel nicht mehr als 10.000 Arbeitnehmern gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG: Der Aufsichtsrat weist insgesamt grundsätzlich zwölf Mitglieder auf. Davon stehen jeweils sechs Mandate den Repräsentanten der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu. Die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat wiederum ist zu besetzen mit vier Arbeitnehmern des Unternehmens und zwei Repräsentanten von Gewerkschaften, die im Unternehmen oder gegebenenfalls im Konzern vertretenen sind, § 7 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 MitbestG.  Unternehmen mit in der Regel mehr als 10.000 und nicht mehr als 20.000 Arbeitnehmern gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG: Der Aufsichtsrat weist insgesamt grundsätzlich sechzehn Mitglieder auf. Davon stehen jeweils acht Mandate den Repräsentanten der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu. Die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat ist zu besetzen mit sechs Arbeitnehmern des Unternehmens und zwei Repräsentanten von Gewerkschaften, die im Unternehmen oder gegebenenfalls im Konzern vertreten sind, § 7 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 MitbestG.  Unternehmen mit in der in der Regel mehr als 20.000 Arbeitnehmern gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MitbestG: Der Aufsichtsrat weist insgesamt zwanzig Mitglieder auf. Davon stehen jeweils zehn Mandate den Repräsentanten der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu. Die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat ist zu besetzen mit sieben Arbeitnehmern des Unternehmens und drei Repräsentanten von Gewerkschaften, die im Unternehmen oder gegebenenfalls im Konzern vertreten sind, § 7 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 MitbestG. Wirklich zwingend ist dabei jedoch nur die zuletzt genannte Größe des Aufsichtsrats für Unternehmen, die regelmäßig mehr als 20.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Für die Fälle des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 MitbestG stellt § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MitbestG klar, dass durch Satzung oder Gesellschaftsvertrag ein zwanzigköpfiger Aufsichtsrat alternativ auch in Unternehmen mit bis zu 20.000 Arbeitnehmern – d.h. auch in solchen im Sinne der Nr. 1 und 2 – errichtet werden kann. Gleiches gilt für ein sechzehnköpfiges Gremium in Unternehmen mit nur bis zu 10.000 Arbeitnehmern im Sinne der Nr. 186. ___________ 85 Breuer/Fraune in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 96 Rdnr. 2; Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 23; Hüffer, AktG, § 95 Rdnr. 5; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 804 (Spiegelstr. 1); Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.02 Rdnr. 9. 86 Vgl. Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 23; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 6,

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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Unter anderem wegen der zumindest auf den ersten Blick paritätischen Verteilung der Aufsichtsratsmandate zwischen der Anteilseigner- und der Arbeitnehmerseite ist die Verfassungsmäßigkeit des Mitbestimmungsgesetzes 1976 anfangs in Zweifel gezogen worden. Das gesetzliche Abstimmungssystem für den Aufsichtsrat zeigt hingegen bei genauerer Betrachtung, dass von einer wirklichen Parität im oben bereits definierten Sinne87 keine Rede sein kann. Dass die gerade Zahl der Aufsichtsratsmandate und die gleichmäßige Aufteilung der Sitze Pattsituationen geradezu provozieren88, hat auch der Gesetzgeber erkannt. Zur Konfliktbewältigung hat er anders als in der Montanmitbestimmung nicht auf das Institut eines neutralen Dritten zurückgegriffen. Stattdessen hat er sich entschieden, für den Fall der Stimmengleichheit bei einer Abstimmung einen zweiten Abstimmungsgang anzuordnen, in dessen Verlauf dem Aufsichtsratsvorsitzenden für den Fall des wiederholten Patts eine Zweitstimme gewährt wird89, § 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG. Die Tragweite dieser Vorschrift wird in vollem Umfang erst dann deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Wahlverfahren des § 27 Abs. 1 und 2 MitbestG in der Unternehmenspraxis nahezu immer den Vorsitz einer Anteilseignerrepräsentanten bewirkt90. Dies beruht auf dem Umstand, dass das Gesetz mit dem Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit für den ersten Wahlgang eine recht hohe Hürde aufgestellt hat, so dass üblicherweise in einem zweiten Wahlgang die Anteilseignerseite allein die Person des Vorsitzenden bestimmen kann91. Dass dessen Stellvertreter gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 MitbestG von der Arbeitnehmerseite gestellt wird, ist keine vollwertige Kompensation, denn dem Stellvertreter steht eine Zweitstimme gerade nicht zu, § 29 Abs. 2 Satz 3 MitbestG. Im Ergebnis wird die Anteilseignerseite im Konfliktfall über die zweite Stimme des von ihr zu stellenden Vorsitzenden stets in der Lage sein, sich gegen eine vermeintliche Entscheidungsblockade der Arbeitnehmerseite durchzusetzen. Da somit ein Nachgeben der Arbeitnehmerseite nicht notwendig ist, ___________ jeweils mit Hinweis auf die seltene Umsetzung dieser Gestaltungsfreiheit in der Praxis. Dies wird in erster Linie über die abnehmende Effizienz eines mit hoher Mitgliederzahl versehenen Kontrollorgans erklärt. 87 Siehe oben § 2 B. II. 1. a). 88 Vgl. Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 29 Rdnr. 4. 89 Breuer/Fraune in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 96 Rdnr. 2; Fitting/Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, § 29 Rdnrn. 1, 9; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 29 Rdnr. 27 i.V.m. Rdnr. 30; Raiser, MitbestG, § 29 Rdnr. 8; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 29 Rdnr. 9; Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 29 Rdnr. 3. 90 Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 27 Rdnr. 11. 91 BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., AG 1979, S. 95 (96) = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG = BVerfGE 50, S. 290 (324) = NJW 1979, S. 699; vgl. außerdem Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 27 Rdnr. 11; Raiser, MitbestG, § 27 Rdnr. 13; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 27 Rdnr. 8; Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 27 Rdnr. 3.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

kann von einem wirklichen Machtgleichgewicht im Aufsichtsrat keine Rede sein92. BVerfG, Urteil vom 01.03.197993: „Trotz der gleichen Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer besteht im Aufsichtsrat keine Parität ... Zwar lassen die Regelungen der §§ 29 und 31 MitbestG erkennen, dass bei allen Abstimmungen im Aufsichtsrat zunächst eine – zumindest teilweise – Einigung zwischen den Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer erzielt werden soll. Doch vermag im Konfliktfall diejenige Seite den ausschlaggebenden Einfluss auszuüben, die den Aufsichtsratsvorsitzenden stellt und damit dessen Zweitstimme nutzen kann (§ 29 Abs. 2, § 31 Abs. 4 MitbestG). Dieses Übergewicht ist auf Grund des in § 27 MitbestG vorgeschriebenen Verfahrens über die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden den Anteilseignern eingeräumt, sofern deren Aufsichtsratsmitglieder von den ihnen gesetzlich zustehenden Möglichkeiten zur Durchsetzung ihres Willens Gebrauch machen. Das Übergewicht, welches das Gesetz der Anteilseignerseite einräumt, kann im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten wenn nicht verstärkt, so doch abgesichert werden. Darüber hinaus begünstigen die Vorschriften über die Zusammensetzung der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat (§ 7 Abs. 2, § 15 Abs. 2 MitbestG) und die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder einerseits der Anteilseigner (§ 8 MitbestG in Verbindung mit §§ 133 ff. AktG), andererseits der Arbeitnehmer (§§ 9 ff. MitbestG) tendenziell ein geschlosseneres Abstimmungsverhalten und damit stärkere Durchsetzungsmöglichkeiten der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat.“

Angesichts des gemessen an der Zahl der jeweiligen Mandate bestehenden Gleichgewichts, das durch das Zweitstimmrecht des Vorsitzenden aber wieder relativiert ist, wird zur adäquaten Beschreibung der Machtverhältnisse im Aufsichtsrat der Terminus „quasiparitätische Besetzung“ bzw. „quasiparitätische Mitbestimmung“ verwendet. 2. Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats Von den Modifikationen des Mitbestimmungsrechtssystems durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat blieb das Mitbestimmungsgesetz 1976 weitgehend unberührt. Eine entscheidende Veränderung jedoch vollzog sich gerade auf Rechtsfolgenseite. Der § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, der die innere Ordnung sowie die Rechte und Pflichten des mitbestimmten Aufsichtsrats in der GmbH regelt und zu diesem Zwecke auf die entsprechenden Kompetenz- und Ordnungsnormen des Aktiengesetzes ___________ 92 BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (323 f.); Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb. Rdnr. 100: „Das MitbestG hat die Mitbestimmung im Aufsichtsrat nur formal paritätisch gestaltet ... In funktionaler Hinsicht, d.h. orientiert an den Einflusschanchen beider Seiten im Aufsichtsrat, ist dagegen die durch das MitbestG verwirklichte Mitbestimmung im Aufsichtsrat unterparitätisch.“; vgl. auch Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 29 Rdnr. 1. 93 Fundstelle: BVerfGE 50, S. 290 (323 f.).

§ 3 Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes

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verweist, wurde erweitert um einen Hinweis auf das Recht eines jeden Aufsichtsratsmitglieds auf Mitteilung der in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse entsprechend § 125 Abs. 4 AktG und die in § 170 AktG verankerte Pflicht des Vorstands zur Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts gegenüber dem Aufsichtsrat94. 3. Grundsätze der Aufsichtsratswahl Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner erfolgt gemäß § 8 Abs. 1 MitbestG nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen. Die Wahl der in den Aufsichtsrat zu entsendenden Arbeitnehmer und Gewerkschaftsvertreter ist vergleichbar dem Wahlsystem im Sinne des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes ausgestaltet. Wie in § 7 Abs. 1 und 2 MitbestErgG legt § 9 Abs. 1 und 2 MitbestG für Unternehmen mit in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern eine Wahl durch Delegierte fest, während in kleineren Unternehmen eine unmittelbare Wahl stattfinden soll. Und auch hier ist die gesetzliche Grundregelung ausdrücklich zur Disposition der wahlberechtigten Arbeitnehmer gestellt. Es besteht nämlich die Möglichkeit, die Durchführung der Wahl im Wege des jeweils anderen Systems zu beschließen95. Ausführlich geregelt ist das Delegiertenwahlsystem in den §§ 10 ff., 19 ff., 34 MitbestG96, die unmittelbare Wahl in §§ 18, 19 ff., 34 MitbestG97. Hinzu kommen drei zum Mitbestimmungsgesetz 1976 erlassene Wahlordnungen98:  die Erste Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz 197699 vom 27. Mai 2002: Sie gilt für Unternehmen, die lediglich einen einzigen Betrieb aufweisen, ___________ 94

Vgl. ausführlicher zu der Erweiterung des Rechtskreises des mitbestimmten Aufsichtsrats in der GmbH die Bemerkungen zur Parallelnorm im Drittelbeteiligungsstatut unten § 4 C. II. 2.; vgl. zur Rechtslage vor der Einfügung der weiteren Kompetenznormen in den § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 25 Rdnr. 13; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 25 Rdnr. 12; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 25 Rdnr. 55. 95 Bächle in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. II, Teil III Rdnr. 47. 96 Vgl. Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 260 Rdnrn. 7 f. 97 Vgl. dazu Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 260 Rdnr. 9; ausführlich Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 18 Rdnrn. 1 ff. 98 Vgl. kritisch zum den gesetzlichen Anforderungen an die Wahl der Arbeitnehmervertreter Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 6; vgl. ferner Sieg/Siebels, NZA 2002, S. 697 ff.; Wolff, DB 2002, S. 790 ff. 99 BGBl. I 2002 S. 1682, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO vom 10.10.2005 (BGBl. I 2005 S. 2927).

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

 die Zweite Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz 1976100 vom 27. Mai 2002: Sie gilt für Unternehmen mit mehreren Betrieben,  die Dritte Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz 1976101 vom 27. Mai 2002: Sie gilt für die Fälle, in denen unternehmensfremde Arbeitnehmer an der Wahl des Aufsichtsrats zu beteiligen sind, namentlich also für die Fälle der Arbeitnehmerzurechnung entweder in der Kapitalgesellschaft & Co. KG gemäß § 4 Abs. 1 MitbestG oder innerhalb eines Konzerns gemäß § 5 MitbestG102. II. Auswirkungen auf das Vertretungsorgan Im vom Gesetz zur Vertretung des Unternehmens berufenen Organ ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG ein Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Organmitglied zu bestellen. Eine Ausnahme macht das Gesetz lediglich dann, wenn der Rechtsträger des Unternehmens als Kommanditgesellschaft auf Aktien organisiert ist, um den gesellschaftsrechtlichen Eigentümlichkeiten dieser Rechtsform (besondere Rolle der persönlich haftenden Gesellschafter in Anlehnung an das Recht der Personengesellschaften) Rechnung zu tragen. Beim Aufgabenbereich des Arbeitsdirektors bestehen keine Besonderheiten. Anders als nach dem Montanmitbestimmungsgesetz ist die Person des Arbeitsdirektors aber nicht an das Vertrauen der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat gebunden103. Ein dem § 13 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MontanmitbestG vergleichbares Vetorecht sieht das Mitbestimmungsgesetz 1976 nicht vor. Die Position des Arbeitsdirektors ist deswegen allgemein wie die der restlichen Mitglieder des Vertretungsorgans über § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG nach den §§ 84 und 85 AktG zu besetzen104.

___________ 100 BGBl. I 2002 S. 1708, zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndVO vom 10.10.2005 (BGBl. I 2005 S. 2927). 101 BGBl. I 2002 S. 1741, zuletzt geändert durch Art. 3 ÄndVO vom 10.10.2005 (BGBl. I 2005 S. 2927). 102 Bächle in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. II, Teil III Rdnr. 51; vgl. insgesamt zu den aktuellen Rechtsfragen der Aufsichtsratswahl nach dem MitbestG den Überblick von Stück, DB 2004, S. 2582 ff. 103 Bächle in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. II, Teil III Rdnr. 59; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 166 II; Raiser, MitbestG, Einl. Rdnr. 17; vgl. auch BT-Drucks. 7/4887. 104 Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 260 Rdnr. 15.

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut A. Die Ablösung der §§ 76 ff. BetrVG 1952 durch das DrittelbG Neben den bisher erläuterten Mitbestimmungsgesetzen, also den beiden Gesetzen über die Montanmitbestimmung und dem Mitbestimmungsgesetz 1976, kennt das deutsche Recht als schwächste Form der Arbeitnehmermitwirkung auf Unternehmensebene das Drittelbeteiligungsstatut. Angelehnt ist dieser Begriff an die Rechtsfolge der einschlägigen Mitbestimmungsgesetze. Die Aufsichtsräte der tatbestandlich erfassten Unternehmen müssen zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen1. Die Rechtsfigur eines Arbeitdirektors im Leitungsorgan ist dem Drittelbeteiligungsstatut demgegenüber unbekannt. Als Rechtsgrundlagen der obligatorischen Unternehmensmitbestimmung zu einem Drittel dienen aufgrund einer Übergangsregelung in § 15 DrittelbG2 zwei verschiedene Gesetze nebeneinander, das tradierte Betriebverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952 (Betriebsverfassungsgesetz 1952)3 und das neue Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vom 18. Mai 2004 (Drittelbeteiligungsgesetz). Die geschichtliche Entwicklung des Drittelbeteiligungsstatuts soll im Folgenden kurz skizziert werden: Durch das Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 sind die Vorschriften seines Vorläufers, des Betriebsverfassungsgesetzes 1952, außer Kraft gesetzt worden. Die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 haben allerdings getreu dem Namen des Gesetzes ausschließlich die Verfasstheit des Betriebs zum Gegenstand4. Im Vergleich dazu deckte das Betriebsverfassungsgesetz 1952 ursprünglich einen weiteren Regelungsbereich ab. Neben dem Regelungsgegenstand der Betriebsverfassung ___________ 1 § 4 Abs. 1 DrittelbG bzw. § 76 Abs. 1 (ggf. i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1) BetrVG 1952. 2 Dazu sogleich. 3 BGBl. I 1952 S. 681. 4 Fabricius/Weber in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), § 129 Rdnr. 1; Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 Vorb. Rdnr. 1; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 Einf. vor § 76 Rdnr. 1.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

nahm es nämlich zusätzlich Einfluss auf die Verfasstheit der Unternehmen5. Da diesbezügliche Normen nicht durch neue des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 ersetzt wurden, ordnete § 129 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972 zunächst ausdrücklich die Fortgeltung der insofern einschlägigen §§ 76 bis 77a, 81, 85 und 87 BetrVG 1952 an. Auf diese Weise blieben die Vorschriften über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sozusagen als Regelungsrest in Kraft und von der Aufhebung durch das modernisierte Betriebsverfassungsrecht verschont. Allerdings bestand spätestens seit einer weiteren Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001, den Aktualisierungen insbesondere des Mitbestimmungsgesetzes 1976 durch das (erste) Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat6 im Jahr 2002 und den Änderungen der jeweils zugehörigen Wahlordnungen ein allgemein geäußertes praktisches Bedürfnis nach einer zumindest systematischen Angleichung auch der Regelungen über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer an die im übrigen geschaffene Rechtslage. Vor allem dieses Ziel verfolgte der Bundesgesetzgeber dann mit dem Erlass des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18. Mai 20047, in dessen Art. 1 das neue Drittelbeteiligungsgesetz niedergelegt ist8. Durch den Art. 6 Abs. 2 jenes Reformgesetzes wurde das neue Gesetz über die Drittelbeteiligung zum 1. Juli 2004 in Kraft gesetzt, während die bis dahin noch gültigen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 zum gleichen Zeitpunkt außer Kraft traten9. Dementsprechend konnte durch Art. 5 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat auch die insoweit bedeutungslos gewordene Regelung des § 129 BetrVG 1972 betreffend die Weitergeltung der §§ 76 bis 87a BetrVG 1952 ersatzlos gestrichen werden. Das bedeutet indessen nicht ohne weiteres, dass die ursprünglichen Regelungen des Drittelbeteiligungsgesetzes nunmehr jegliche Bedeutung für die juristische Wissenschaft und Praxis verloren hätten. Zum einen ist der Regierungsbegründung10 zum jüngsten Änderungsgesetz zu entnehmen, dass mit der gesetzlichen Neufassung des Drittelbeteiligungsstatuts in erster Linie die Rechtsanwendung erleichtert werden, die bisherige materielle Rechtslage hin___________ 5 Seibt, NZA 2004, S. 767 (768); vgl. zur Unterscheidung von betriebs- und unternehmensbezogener Mitbestimmung oben § 1 A. II. 6 BGBl. I 2002 S. 1130. 7 BGBl. I 2004 S. 974. 8 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG Einl. Rdnr. 2. 9 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG Einl. Rdnr. 3. 10 BR-Drucks. 10/04.

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut

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gegen nur in Ausnahmefällen tatsächliche Abänderungen erfahren sollte. Aus diesem Grunde können in allen Fällen, in denen Zweifel über die Interpretation einer Norm des Drittelbeteiligungsgesetzes auftreten, die in langjähriger Rechtsanwendung erprobten Normen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 zumindest noch als wertvolle Auslegungshilfen herangezogen werden. Zum anderen ist aber von wesentlich gewichtigerer Bedeutung, dass der § 15 DrittelbG eine Übergangsregelung beinhaltet, der zufolge auf Wahlen oder Abberufungen von Aufsichtsräten im sachlichen Geltungsbereich der Arbeitnehmerdrittelbeteiligung, die noch vor dem Juli 2004 eingeleitet worden sind, das Betriebsverfassungsgesetz 1952 auch noch nach seinem Außerkrafttreten anzuwenden ist11. Auf diese Weise kommt es für einen gewissen, nicht unerheblichen Übergangszeitraum in der deutschen Wirtschaftslandschaft zu einer zweigeteilten Rechtslage dergestalt, dass auf einen Teil der drittelbeteiligungspflichtigen Unternehmen schon das neue Drittelbeteiligungsgesetz anzuwenden ist, während andere sich noch an den außer Kraft getretenen Normen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 auszurichten haben. Gleiches gilt dann natürlich für die den jeweiligen Gesetzen angeschlossenen Wahlordnungen. Das macht es erforderlich, nachstehend beide Regelungskomplexe genauer unter die Lupe zu nehmen.

B. Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem BetrVG 1952 I. Voraussetzungen des Drittelbeteiligungsstatuts 1. Die betroffenen Rechtsformen Auch das Betriebsverfassungsgesetz 1952 kennt einen numerus clausus der in seinen Geltungsbereich fallenden Rechtsformen. Das Gesetz nennt neben    

der Aktiengesellschaft (§ 76 Abs. 1 BetrVG 1952) und der Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 76 Abs. 1 BetrVG 1952), der GmbH (§ 77 Abs. 1 BetrVG 1952) und der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft (§ 77 Abs. 3 BetrVG 1952) auch noch  den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (§ 77 Abs. 2 BetrVG 1952). An dieser Stelle kann deshalb bereits die erste Besonderheit der Arbeitnehmermitbestimmung nach den §§ 76 ff. BetrVG 1952 festgestellt werden. Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist von keinem anderen Mitbestimmungsstatut erfasst12. ___________ 11 12

Vgl. Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1069). Raiser, MitbestG, Einl. Rdnr. 13.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

Die zusätzlich zur GmbH in § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 noch angeführte bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit spielt aus den bereits genannten Gründen13 auch für die Arbeitnehmerbeteiligung nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 selbstverständlich keine Rolle mehr. 2. Die Mindestanzahl der Arbeitnehmer Was das auch im Betriebsverfassungsgesetz 1952 vorhandene Merkmal bestimmter Arbeitnehmerschwellenwerte angeht, so ist die hier getroffene gesetzliche Regelung gemessen an denen der anderen Mitbestimmungsregime auf den ersten Blick sicherlich nur schwer nachvollziehbar. Das erklärt sich bereits über den Umstand, dass das Betriebsverfassungsgesetz 1952 je nach Rechtsform des Unternehmensträgers unterschiedliche Anforderungen an den Arbeitnehmerbestand stellt. Teilweise wird sogar innerhalb derselben Rechtsform noch differenziert. Im Folgenden wird sich die Darstellung daher an den soeben genannten Gesellschaftstypen ausrichten. a) Aktiengesellschaft und KGaA Eine Gleichbehandlung erfolgt für die Aktiengesellschaften und die Kommanditgesellschaften auf Aktien. Gemäß § 76 Abs. 1 BetrVG 1952 muss der Aufsichtsrat grundsätzlich jeder Aktiengesellschaft und jeder Kommanditgesellschaft auf Aktien durch die Arbeitnehmer mitbestimmt werden. Dies gilt zunächst völlig unabhängig vom Quorum der beschäftigten Arbeitnehmer. Eingeschränkt wird dieses Prinzip durch § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG 1952. Danach sind die Vorschriften über die Arbeitnehmerbeteiligung auf Aktiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern nicht anzuwenden. Eine Rückausnahme macht das Gesetz allerdings sofort für Aktiengesellschaften, die vor dem 10. August 1994 in das Handelsregister eingetragen worden sind. Die besondere Anforderung an die Arbeitnehmerzahl gilt für sie nur, wenn es sich um so genannte Familiengesellschaften handelt14, § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG 1952. Sinn und Zweck dieser Regelung sollen nunmehr näher erläutert werden. Das in § 76 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG 1952 genannte Datum erklärt sich über die wesentliche Änderung des Aktiengesetzes durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts15 vom 2. August ___________ 13

Vgl. oben § 2 B. I. 2. b). Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch (10. Aufl.), § 258 Rdnr. 2. 15 BGBl. I 1994 S. 1961. 14

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut

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199416. Der Begriff der kleinen Aktiengesellschaft beschreibt dabei keine besondere, von der herkömmlichen Aktiengesellschaft verschiedene Rechtsform. Er weist lediglich darauf hin, dass die kleine Aktiengesellschaft nicht kapitalmarktorientiert betrieben wird. Durch das Änderungs- und Deregulierungsgesetz vom 2. August 1994 wurden zum einen Vorschriften des Aktiengesetzes abgewandelt, die bewirkten, dass die Rechtsform der Aktiengesellschaft bisher nur für Publikumsgesellschaften sinnvoll gehandhabt werden konnte. Wesentliche Ergebnisse des Änderungsgesetzes sind die Möglichkeit der Gründung einer Aktiengesellschaft auch durch nur eine natürliche oder juristische Person gemäß § 2 AktG sowie die vereinfachte Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung nach §§ 121 Abs. 4 und 6, 124 Abs. 1 Satz 3 AktG17. Zum anderen fügte der Gesetzgeber durch das Änderungsgesetz aber auch den Grenzwert von 500 Arbeitnehmern in der Aktiengesellschaft als zusätzliche Voraussetzung des Mitbestimmungszwangs für alle zukünftig gegründeten Gesellschaften dieser Rechtsform in das Betriebsverfassungsgesetz 1952 ein18. Damit sollte eine Angleichung an die gemäß § 77 Abs. 1 bis 3 BetrVG 1952 für die anderen Rechtsformen (GmbH, VVaG, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft) geltenden Merkmale vorgenommen werden19. Ist eine Aktiengesellschaft also bereits vor dem 10. August 1994 eingetragen worden, so findet die Arbeitnehmermitbestimmung nach der Maßgabe des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 ohne Rücksicht auf die Zahl der von ihr beschäftigten Arbeitnehmer statt20. Liegt allerdings eine Familiengesellschaft ___________ 16 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 1 Rdnr. 4; vgl. zu den Änderungen der bis dahin geltenden Rechtslage durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts Lutter, AG 1994, S. 429 ff. 17 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 III 2 b. 18 Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 Vorb. Rdnr. 2; vgl. zu dieser Folge des Änderungsgesetzes Claussen, WM 1996, S. 609 (617); Hoffmann-Becking, ZIP 1995, S. 1 (10); Lutter, AG 1994, S. 429 (445); Priester, BB 1996, S. 333 (335). 19 Blanke, BB 1994, S. 1505 (1510 f.); A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 149; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 4; BT-Drucks. 12/7848, S. 11. 20 Problematisch und umstritten ist dabei die Folgefrage, ob nicht eine gewisse Mindestzahl an Arbeitnehmern gleichwohl zu fordern ist, damit deren Mitbestimmung im Aufsichtsrat überhaupt sinnvoll umgesetzt werden kann. Beispielsweise mit dem Argument, es seien schon mindestens drei Arbeitnehmer erforderlich, um überhaupt eine ordnungsgemäße Wahl der Arbeitnehmervertreter nach § 31 Abs. 2 WahlO 1953 durchzuführen, wird zum Teil eine derartige Untergrenze bejaht. Dem wird zu Recht entgegen gehalten, dass das vom BetrVG 1952 verfolgte Ziel nicht die Durchführung einer Wahl, sondern die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sei. Seien nicht genug Arbeitnehmer vorhanden, habe dies allein ein Entfallen der Wahl, nicht aber des Mitbestimmungszwangs zur Folge, vgl. ausführlich Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 158; außerdem Kirschner, DB 1971, S. 2063 (2064); A. Kraft in: GKBetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnrn. 5 ff.; Pühler in: Happ, Aktienrecht,

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im Sinne des § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG 1952 vor, so muss der Mindestgröße der Belegschaft von 500 Arbeitnehmern doch wieder Beachtung geschenkt werden. Familiengesellschaften sind dabei solche Aktiengesellschaften, deren Aktien sämtlich in der Hand einer einzigen natürlichen Person liegen oder deren Aktionäre nach den Grundsätzen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 bis 8, Abs. 2 der Abgabenordnung untereinander verwandt oder verschwägert sind21. In letzterem Fall müssen die auf diese Weise verwandten oder verschwägerten Anteilseigner zusammen einhundert Prozent aller Aktien halten. Ist zudem noch ein Dritter an der Gesellschaft beteiligt – und sei es auch nur mit einer einzelnen Aktie – so ist eine reine Familiengesellschaft schon nicht mehr gegeben. Für die Kommanditgesellschaft auf Aktien gilt diese Regelung der Mitbestimmung in der Aktiengesellschaft über § 76 Abs. 6 Satz 3 BetrVG 1952 entsprechend. Zusammengefasst erfüllen also Aktiengesellschaften und KGaA die Anforderungen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 in den drei folgenden Fällen:  Die Gesellschaft ist bereits vor dem 10. August 1994 in das Handelsregister eingetragen worden und kann nicht als Familiengesellschaft im Sinne des § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG 1952 eingeordnet werden. In diesem Fall ist eine bestimmte Mindestarbeitnehmerzahl nicht zu fordern.  Die Gesellschaft ist schon vor dem 10. August 1994 in das Handelsregister eingetragen worden und erweist sich zugleich als eine Familiengesellschaft im Sinne des § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG 1952. Dann wird sie nur vom Drittelbeteiligungsstatut erfasst, wenn sie mindestens 500 Arbeitnehmer beschäftigt.  Die Gesellschaft ist erst am 10. August 1994 oder später in das Handelsregister eingetragen worden und beschäftigt mindestens 500 Arbeitnehmer. b) GmbH, VVaG und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft Sowohl die GmbH22 als auch der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft müssen mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Hier ist dem Wortlaut des Gesetzes genaue Beachtung zu ___________ Form. 1.01 Rdnr. 38; vgl. zur Problematik der Arbeitnehmerzurechnung im Konzern bei vollständiger Arbeitnehmerlosigkeit der Konzernspitze in Umgehungsabsicht die Nachw. oben in § 3 A. IV. 1. (dort Fn. 67). 21 Vgl. dazu ausführlich Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 159. 22 Vgl. dazu die ausführliche, allein auf die mitbestimmte GmbH bezogene Darstellung bei Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnrn. 266 ff.

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schenken, da eine Abweichung zu der für die Aktiengesellschaft und die KGaA – mit Registereintragung nach dem 9. August 1994 – festgelegten Mindestarbeitnehmerzahl besteht. Bei letzteren lässt es § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG 1952 ausreichen, wenn der Belegschaft genau 500 Arbeitnehmer angehören. Mit einer entsprechenden Arbeitnehmerzahl bleiben die GmbH, der VVaG und die Genossenschaft demgegenüber mitbestimmungsfrei. In diesen Rechtsformen organisierte Rechtsträger müssen gemäß § 77 Abs. 1, 2 und 3 BetrVG 1952 ausdrücklich mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Eine volle Gleichstellung der aktienrechtlichen Organisationsformen mit den in § 77 BetrVG 1952 genannten Gesellschaftstypen wurde also auch durch des Änderungs- und Deregulierungsgesetz vom 2. August 1994 nicht bewirkt. Auch wenn dies dem Wortlaut des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 nicht unmittelbar zu entnehmen ist, gebietet es der Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts sowie die praktische Handhabbarkeit der Normen betreffend die Unternehmensverfassung, ganz wie in den anderen Mitbestimmungsgesetzen auch, im Bereich der Drittelbeteiligung stets nur auf die in der Regel im fraglichen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen23. 3. Tendenzschutz Wie im Mitbestimmungsgesetz 1976 ist auch für das Betriebsverfassungsgesetz 1952 der Tätigkeitsbereich des Unternehmens im Grundsatz unerheblich. Das Gesetz grenzt lediglich einen eng gefassten Kreis von Unternehmensgegenständen aus Gründen des Tendenzschutzes aus seinem Anwendungsbereich aus24. Keine Anwendung findet es auf Unternehmen mit politischer, gewerkschaftlicher, konfessioneller, karitativer, erzieherischer, wissenschaftlicher, künstlerischer oder ähnlicher Zweckbestimmung, § 81 Abs. 1 BetrVG 1952, und auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet ihrer Rechtsform, § 81 Abs. 2 BetrVG 195225. Bei der Interpretation des § 81 Abs. 1 BetrVG 1952, der nach seinem Wortlaut in einigen Punkten von der entsprechenden Klausel des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 MitbestG abweicht, ist der Grundsatz der harmonisierenden Auslegung zu

___________ 23

BAG 01.12.1961 – 1 ABR 15/60, AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1952; Rittner, AG 1983, S. 99 (100); Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 267. 24 Vgl. zum Tendenzschutz oben § 1 B. III. 2. 25 Vgl. zum Tendenzschutz außerdem Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 166; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 81; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 8.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

beachten. Die Schutzbereiche der beiden Tendenzschutzklauseln erweisen sich damit letztlich als deckungsgleich26. 4. Arbeitnehmerzurechnung im Konzern Wie das Mitbestimmungsgesetz 1976 trägt auch das Betriebsverfassungsgesetz 1952 dem Gedanken Rechnung, dass in der modernen Wirtschaftswelt Unternehmen in der Vielzahl der Fälle nicht völlig isoliert am Markt auftreten, sondern auf mannigfache Weise sich mit weiteren Unternehmen zu Konzernen zusammenschließen. In diesem Fall kann es, wie dargestellt27, erforderlich sein, der Arbeitnehmerschaft Mitbestimmungsrechte nicht allein in den Organen der Unternehmen zu geben, denen sie über ihren Arbeitsvertrag unmittelbar rechtlich zugeordnet werden können. Fallen nämlich die maßgeblichen Entscheidungen der Unternehmenspolitik an anderer, übergeordneter Stelle, namentlich an der Konzernspitze, so ist es sinnvoll, den Arbeitnehmern unter gewissen Voraussetzungen auch dort entsprechende Beteiligungsrechte einzuräumen28. Mit anderen Worten: Die Mitbestimmung folgt der Entscheidungsverlagerung im Konzern29. Dieser Gedanke ist insoweit dem Mitbestimmungsgesetz 1976 und dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 gemein. Allerdings gehen sie unterschiedliche Wege, wenn es darum geht, die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen eine mitbestimmungsrechtlich relevante Beherrschung eines Konzernunternehmens durch die Konzernspitzengesellschaft angenommen wird30. Die maßgebliche Regelung für das Drittelbeteiligungsstatut enthält insofern der § 77a BetrVG 1952. Nach dessen abschließend zu verstehender Aufzählung gelten die Arbeitnehmer der Betriebe eines Konzernunternehmens zugleich auch als Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens nur, wenn zwischen den Unternehmen ein Beherrschungsvertrag besteht oder das abhängige Unternehmen in das herrschende Unternehmen eingegliedert ist31. ___________ 26

Vgl. dazu bereits oben § 1 B. III. 2. Vgl. dazu ausführlich oben § 3 A. IV. 1. 28 BAG 18.06.1970 – 1 ABR 3/70, DB 1970, S. 1595 f.; BayObLG 24.03.1998 – 3 Z BR 236/96, DB 1998, S. 973 (974) = NZA 1998, S. 956 (957) – Walter Holding I; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 2; Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnrn. 191 ff.; Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 1; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 5 Rdnr. 1; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 35. 29 Hanau/Schweisfurth, EWiR § 76 BetrVG 1952 1/97, S. 635 (636). 30 Vgl. zu den Voraussetzungen nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 MitbestG ausführlich oben § 3 A. IV. 2. 31 Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 1 i.V.m. § 77 Rdnr. 5; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 4; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 1; Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 27

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a) Beherrschungsvertrag Der Begriff des Beherrschungsvertrags ist vom Gesetz nicht mitbestimmungsgesetzlich, sondern lediglich aktiengesetzlich definiert worden32. Er stellt eine besondere Ausprägung eines Unternehmensvertrags im Sinne der §§ 15, 291 Abs. 1 Satz 1 AktG dar. Danach nämlich lassen sich Unternehmensverträge unbeschadet der weiteren Unternehmensvertragsmodelle in § 292 AktG zunächst einmal maßgeblich untergliedern in Beherrschungsverträge und Gewinnabführungsverträge, wobei der Beherrschungsvertrag einen Vertrag beschreibt, mittels dessen eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt33. Dieser Beherrschungsvertrag ist nicht rein schuldrechtlicher Natur, sondern ein gesellschaftsrechtlich wirkender Organisationsvertrag34. Das heißt, der Schwerpunkt seiner Wirkungen liegt nicht in der Begründung von obligatorischen Rechten und Pflichten der Vertragsparteien, sondern vielmehr auf seiner die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen den vertragsschließenden Gesellschaften neu gestaltenden Komponente35. Der Zweite Senat des Bundesgerichtshofs brachte dies mit der Formulierung zum Ausdruck, der Beherrschungsvertrag ändere satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft, indem er vor allem deren Gesellschaftszweck nicht mehr als Selbstzweck bestehen lasse, sondern ihn primär an einem übergeordneten Kon___________ 32; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 32, 165; vgl. auch Wißmann in: Festschrift Däubler, S. 385 (387). 32 Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 199. 33 Emmerich in: Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, § 11 I, II. 34 Mittlerweile nahezu allgemeine Auffassung; siehe nur BGH 14.12.1987 – II ZR 170/87, BB 1988, S. 361 = BGHZ 103, S. 1 (4 f.) = LM § 291 AktG 1965 Nr. 3 = NJW 1988, S. 1326; BGH 24.10.1988 – II ZB 7/88, BB 1989, S. 95 = BGHZ 105, S. 324 (331) = LM § 19 FGG Nr. 27 = NJW 1989, S. 295; BGH 11.11.1991 – II ZR 287/90, BGHZ 116, S. 37 (43) = NJW 1992, S. 505; BGH 30.01.1992 – II ZB 15/91, NJW 1992, S. 1452 (1454) = ZIP 1992, S. 395 – Siemens; BFH 16.02.1979 – III R 37/77, AG 1980, S. 309 = BFHE 127, S. 56 (58); BayObLG 16.06.1988 – BReg. 3 Z 62/88, AG 1988, S. 379 (381) = NJW 1989, S. 128; BayObLG 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, AG 1993, S. 177 = AP Nr. 1 zu § 77a BetrVG 1952 = BayObLGZ 1992, S. 367 = BB 1993, S. 602 = DB 1993, S. 789 (790) = EzA §§ 77-77a BetrVG 1952 Nr. 1 = GmbHR 1993, S. 165 = NJW 1993, S. 1804 (1805) = WM 1993, S. 550 = ZIP 1993, S. 263; OLG Düsseldorf 04.09.1991 – 3 Wx 66/91, AG 1992, S. 60 (61); OLG Hamm 20.06.1988 – 8 U 329/87, ZIP 1988, S. 1051 (1055); OLG Karlsruhe 12.10.1993 – 11 Wx 48/93, AG 1994, S. 283 = WM 1993, S. 209; aus der Literatur stellvertretend für viele Altmeppen in: MünchKomm AktG Bd. 8, § 291 Rdnr. 25; Bälz in: Festschrift Raiser, S. 287 (323); Bälz, AG 1992, S. 277 (286 f.); Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 291 Rdnr. 25 f. 35 Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 291 Rdnr. 25.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

zerninteresse ausrichte36. Der Gesellschaftszweck einer unabhängigen erwerbswirtschaftlichen Teilnahme am Wirtschaftsverkehr wird mithin aufgegeben und auf diese Weise Raum geschaffen für eine den Zielsetzungen der Konzernspitze dienende, untergeordnete Rolle des Konzernunternehmens37. Es besteht in der mitbestimmungsrechtlichen Literatur jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass die auf die Aktiengesellschaft und die KGaA beschränkte Legaldefinition des § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG dem Sinn und Zweck der konzerninternen Arbeitnehmerzurechnung zur Ermittlung des einschlägigen Beteiligungsstatuts nicht gerecht wird. Es darf deshalb nicht darauf ankommen, ob das sich einem anderen Unternehmen über das Instrument der vertraglichen Bindung unterwerfende Unternehmen in einer aktiengesetzlichen Rechtsform betrieben wird oder ob es sich bei ihm zum Beispiel um eine GmbH, eine Personenhandelsgesellschaft oder eine beliebige andere Organisationsform des deutschen Gesellschaftsrechts handelt38. Entscheidend ist lediglich, dass das herrschende Unternehmen, dem die Arbeitnehmer der abhängigen Unternehmen zugerechnet werden sollen, eine der in §§ 76 und 77 BetrVG 1952 ausdrücklich geregelten Rechtsformen aufweist. Im Übrigen gilt der Leitgedanke, dass die rechtliche Verselbständigung eines abhängigen Unternehmens durch seine Zuweisung zu einem eigenständigen Rechtsträger mitbestimmungsrechtlich jedenfalls dann unbeachtlich sein muss, wenn die rechtliche Selbständigkeit nicht mit einer wirtschaftlichen Selbständigkeit einhergeht39. Seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit ist ein Unternehmen, das kraft eines Beherrschungsvertrags die Organisations- und Lenkungsgewalt seines Rechtsträgers auf ein anderes Unternehmen überleitet, aber vol___________ 36 BGH 14.12.1987 – II ZR 170/87, BB 1988, S. 361 = BGHZ 103, S. 1 (4 f.) = LM § 291 AktG 1965 Nr. 3 = NJW 1988, S. 1326; BGH 24.10.1988 – II ZB 7/88, BB 1989, S. 95 = BGHZ 105, S. 324 (331) = LM § 19 FGG Nr. 27 = NJW 1989, S. 295; ebenso BayObLG 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, AG 1993, S. 177 = AP Nr. 1 zu § 77a BetrVG 1952 = BayObLGZ 1992, S. 367 = BB 1993, S. 602 = DB 1993, S. 789 (790) = EzA §§ 77-77a BetrVG 1952 Nr. 1 = GmbHR 1993, S. 165 = NJW 1993, S. 1804 (1805) = WM 1993, S. 550 = ZIP 1993, S. 263. 37 BayObLG 16.06.1988 – BReg. 3 Z 62/88, AG 1988, S. 379 (381) = NJW 1989, S. 128. 38 BayObLG 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, AG 1993, S. 177 = AP Nr. 1 zu § 77a BetrVG 1952 = BayObLGZ 1992, S. 367 = BB 1993, S. 602 = DB 1993, S. 789 (790) = EzA §§ 77-77a BetrVG 1952 Nr. 1 = GmbHR 1993, S. 165 = NJW 1993, S. 1804 (1805) = WM 1993, S. 550 = ZIP 1993, S. 263; Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 6; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 7; Otto, EWiR § 77a BetrVG 1952 1/93, S. 433 (434); Schmidt-Leithoff in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 267; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 33; vgl. auch den Sachverhalt bei BGH 14.12.1987 – II ZR 170/87, BB 1988, S. 361 ff. = BGHZ 103, S. 1 ff. = LM § 291 AktG 1965 Nr. 2 = NJW 1988, S. 1326 ff. 39 Vgl. dazu ausführlich oben § 3 A. IV. 1.

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lends beraubt, so dass hier ohne weiteres die Formel von der ökonomischen Unternehmenseinheit des Konzerns Platz greift. Denn aus der Sicht des herrschenden Unternehmens begründet ein Beherrschungsvertrag das Recht, eine das Konzernganze umfassende unternehmerische Zielkonzeption zu entwickeln und zu verfolgen sowie diese Konzeption, gegebenenfalls durch Ausübung seines Weisungsrechts, gegenüber den von ihm beherrschten Konzernunternehmen auch durchzusetzen40. Im Aktiengesetz wird diese Möglichkeit der Einflussnahme auf das beherrschte Unternehmen vor allem durch zwei Bestimmungen sichergestellt:  Der nach dem Grundsatz des § 76 Abs. 1 AktG weisungsfreie Vorstand des beherrschten Unternehmens verwandelt sich aufgrund spezialgesetzlicher Regelung in § 308 Abs. 1 und 2 AktG in ein weisungsgebundenes Organ.  Die in § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG normierte Position des Aufsichtsrats des beherrschten Unternehmens (Zustimmungsvorbehalte hinsichtlich der Vornahme bestimmter Geschäfte) wird insofern geschwächt, als seine Zustimmung zu solchen Geschäften, zu deren Vornahme der Vorstand des beherrschten Unternehmens speziell angewiesen wurde, unter den Voraussetzungen des § 308 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 AktG entbehrlich wird41. Nicht hingegen reicht es aus, wenn das Konzernrechtsverhältnis zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen auf der Basis eines Gewinnabführungsvertrags im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 AktG beruht, sich das abhängige Unternehmen also verpflichtet, seinen ganzen Gewinn an das dadurch herrschende Unternehmen abzuführen. Zum einen ist insofern der Wortlaut des § 77a BetrVG 1952 eindeutig, zum anderen sagt die geschaffene Verpflichtung zur Weitergabe etwaiger Gewinne an ein anderes Unternehmen für sich genommen auch nichts darüber aus, ob das sich verpflichtende Unternehmen seine Unternehmenspolitik noch frei zu organisieren in der Lage ist oder ob ihm die tragenden Entscheidungen von der übergeordneten Gesellschaft abgenommen werden. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde die Arbeitnehmerzurechnung nach § 77a BetrVG 1952 richtigerweise sogar in Konstellationen abgelehnt, in denen neben einem Gewinnabführungsvertrag als weitere Indizien für die beherrschende Stellung der Konzernspitzengesellschaft immerhin eine Stimmenmehrheit in der abhängigen Gesellschaft sowie ein Weisungsrecht gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG ins Feld geführt werden konnten42. ___________ 40 BGH 14.12.1987 – II ZR 170/87, BB 1988, S. 361 (362) = BGHZ 103, S. 1 (6) = LM § 291 AktG 1965 Nr. 3 = NJW 1988, S. 1326 (1327). 41 Altmeppen in: MünchKomm AktG Bd. 8, § 291 Rdnr. 26; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 43. 42 BayObLG 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, AG 1993, S. 177 = AP Nr. 1 zu § 77a BetrVG 1952 = BayObLGZ 1992, S. 367 = BB 1993, S. 602 = DB 1993, S. 789 (790) =

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

b) Aktienrechtliche Eingliederung Mit dem alternativ zum Beherrschungsvertrag angebotenen Merkmal der Eingliederung des abhängigen Unternehmens in das herrschende Unternehmen bezeichnet der § 77a BetrVG 1952 das Rechtsinstitut der aktienrechtlichen Eingliederung. Dieses findet seine Rechtsgrundlage in den §§ 319 ff. AktG. Jene Normen beinhalten ein speziell auf die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien zugeschnittenes Sonderrecht, das unabhängig vom gewählten methodischen Ansatz (erweiternde Auslegung, Analogie) in keinem Fall auf Unternehmen anderer Rechtsform übertragen werden kann43. Daraus folgt, dass eine Arbeitnehmerzurechnung über § 77a BetrVG 1952 kraft Eingliederung nur in aktienrechtlich geprägten Sachverhalten überhaupt in Betracht gezogen werden kann. Inhaltlich wird die Eingliederung gängigerweise dahingehend beschrieben, dass das eingegliederte Unternehmen zwar seinen Rechtsträger und damit seine rechtliche Selbständigkeit nicht preisgibt, wirtschaftlich sich aber nur noch als eine bloße Betriebsabteilung des übergeordneten Unternehmens erweist44. Diese Formel bringt die enge Verwandtschaft zum Beherrschungsvertrag auf der Rechtsfolgenseite auf den Punkt. Sowohl der Beherrschungsvertrag als auch die Eingliederung bewirken den Verlust der ökonomischen Eigenständigkeit des beherrschten Unternehmens, so dass es trotz seiner jeweils beibehaltenen rechtlichen Selbständigkeit bei wertender Betrachtung eine Einheit mit dem ihm ___________ EzA §§ 77-77a BetrVG 1952 Nr. 1 = GmbHR 1993, S. 165 = NJW 1993, S. 1804 (1805) = WM 1993, S. 550 = ZIP 1993, S. 263; OLG Düsseldorf 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE, NZA-RR 1997, S. 213 (215) = ZIP 1997, S. 546 (548) – Babcock-BSH AG; vgl. dazu in der Literatur Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnrn. 1, 5 i.V.m. § 76 Rdnr. 106; Hanau/Schweisfurth, EWiR § 76 BetrVG 1952 1/97, S. 635 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 6; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 5; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnrn. 3, 5; Otto, EWiR § 77a BetrVG 1952 1/93, S. 433; Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 267; Seibt, NZA 2004, S. 767 (770); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbeitsrechtKomm, BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 2; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 33; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 7. 43 BayObLG 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, AG 1993, S. 177 = AP Nr. 1 zu § 77a BetrVG 1952 = BayObLGZ 1992, S. 367 = BB 1993, S. 602 = DB 1993, S. 789 (790) = EzA §§ 77-77a BetrVG 1952 Nr. 1 = GmbHR 1993, S. 165 = NJW 1993, S. 1804 (1805) = WM 1993, S. 550 = ZIP 1993, S. 263 (264); OLG Düsseldorf 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE, NZA-RR 1997, S. 213 (215) = ZIP 1997, S. 546 (548) – Babcock-BSH AG; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 8; Oetker, ZGR 2000, S. 19 (37); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 4; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 7. 44 Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 3; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 34.

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut

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konzernrechtlich übergeordneten Unternehmen bildet. Diese Einheit ist es, an die das Recht der Unternehmensmitbestimmung alsdann über seine Zurechnungsklauseln anknüpft. c) Faktischer Konzern Neben dem Vertragskonzern ist die Annahme einer Arbeitnehmerzurechnung über die Brücke eines rein faktischen Konzernrechtsverhältnisses nicht denkbar. Der Wortlaut des § 77a BetrVG 1952 ist insofern schlicht enger gefasst als derjenige des § 5 Abs. 1 MitbestG und spiegelt damit eine klare gesetzliche Vorgabe wider. Dem entspricht es, dass die Verweisung in 76 Abs. 4 Satz 1 BetrVG 1952 gerade die Vermutungsregelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG nicht umfasst45. Stattdessen ist dort geregelt, dass an der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens die Arbeitnehmer der übrigen Konzernunternehmen nur dann teilnehmen, wenn der Konzern sich als ein solcher im Sinne des § 18 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG klassifizieren lässt. Damit sind vor allem entsprechend der Zurechnungsregelung in § 77a BetrVG 1952 die Fälle des Vertragskonzerns abgedeckt, weil die abhängigen Unternehmen der Leitungsmacht der herrschenden Gesellschaft ausgesetzt sein müssen. Die Herstellung einer solchen Leitungsmacht ist nämlich gerade die ausdrücklich vom Aktiengesetz angeordnete Rechtsfolge des wirksamen Abschlusses eines Beherrschungsvertrags ebenso wie einer aktiengesetzlichen Eingliederung, §§ 308 Abs. 1 und 2, 323 AktG46. Soweit hingegen die Bildung des Wahlkörpers im faktischen Konzern zur Debatte steht, hat die Arbeitnehmerseite im Streitfall nicht nur darzulegen und zu beweisen, dass überhaupt eine Mehrheitsbeteiligung der Konzernspitze am untergeordneten Unternehmen besteht, sondern darüber hinaus, dass eine einheitliche Leitung durch die Konzernspitze ___________ 45

Vgl. Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 95; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 7; Henssler, ZfA 2000, S. 241 (247); A. Kraft in: GKBetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 155; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 55; Oetker, EWiR § 76 BetrVG 1952 1/96, S. 151; Oetker, ZGR 2000, S. 19 (36 f.); Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 14; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 61, § 77a Rdnr. 1; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 32; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 17; aus der Rechtsprechung BAG 16.08.1995 – 7 ABR 57/94, AG 1996, S. 367 ff. = AP Nr. 30 zu § 76 BetrVG 1952 = BAGE 80, S. 322 ff. = DB 1996, S. 335 f. = NJW 1996, S. 1691 = NZA 1996, S. 274 = ZIP 1996, S. 292. 46 Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 64.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

tatsächlich ausgeübt wird47. Die Berufung auf die gesetzliche Vermutungsregelung des Aktienrechts ist ihr ausdrücklich verwehrt. Dass die unterschiedlichen Maßstäbe, die das Betriebsverfassungsgesetz 1952 und das Mitbestimmungsgesetz 1976 insoweit an die konzerninterne Zurechnung von Arbeitnehmern anlegen, rechtspolitisch nicht recht zu überzeugen vermögen, rechtfertigt eine analoge Anwendung des § 77a BetrVG 1952 im faktischen Konzern nicht48. Dieses Unterfangen ginge sicherlich über die Grenzen legitimer Rechtsanwendung hinaus und würde ohne Frage auch den Bereich zulässiger Rechtsfortbildung überschreiten. d) Keine Zurechnung zur fiktiven Teilkonzernspitze Nachdem innerhalb des Drittelbeteiligungsstatuts im faktischen Konzerns die Zurechnung der Arbeitnehmer zur Konzernspitzengesellschaft ohnehin ausgeschlossen ist, ist es nur konsequent, dass das Betriebsverfassungsgesetz 1952 eine Arbeitnehmerzrechnung zur fiktiven Teilkonzernspitze entsprechend der aus § 5 Abs. 3 MitbestG bekannten Bestimmung nicht regelt49. II. Rechtsfolgen für die Unternehmensverfassung Die Rechtsfolgen des unternehmensbezogenen Mitbestimmungszwangs nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 sind weit weniger einschneidend als die der bisher erläuterten Mitbestimmungsstatute. Zunächst wird das Mitwirkungsrecht der Arbeitnehmer nur in einem Unternehmensorgan umgesetzt, nämlich im Aufsichtsrat. Das gesetzliche Vertretungsorgan des Unternehmens (Vor___________ 47

Vgl. Seibt, NZA 2004, S. 767 (770); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 64. 48 Eben diesen Ansatz verfolgte aber das erstinstanzlich entscheidende LG München I mit seinem Beschluss vom 01.09.1992 – 7 O 1992/92 (veröffentlicht im Bundesanzeiger am 15.10.1992), welcher jedoch der Überprüfung durch das BayObLG als Berufungsgericht (Beschluss vom 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92) gerade nicht standhielt. 49 Vgl. allerdings zur Problematik des „Konzerns im Konzern“ und der Folgefrage, ob innerhalb des Drittelbeteiligungsstatuts eine Arbeitnehmerzurechnung auch zu einer Unterkonzernspitze in Frage kommt, Hanau/Schweisfurth, EWiR § 76 BetrVG 1952 1/97, S. 635 (636) – Babcock-BSH AG. Nach der dort vertretenen Auffassung kommt die Entwicklung eines Unterkonzerntatbestandes unter den folgenden zwei Voraussetzungen in Betracht: Die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat der Enkelgesellschaft dürfe allein nicht mehr ausreichen, um den Arbeitnehmern in den Enkelunternehmen eine effektive Teilhabe an den sie betreffenden unternehmerischen Entscheidungen zu gewährleisten, und das Tochterunternehmen, das unternehmerische Entscheidungen über diese Enkelunternehmen treffe, müsse im Verhältnis zum Mutterunternehmen über ein gewisses Maß an Entscheidungsautonomie verfügen.

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut

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stand, Geschäftsführung) ist der Mitbestimmung über das Betriebsverfassungsgesetz 1952 nicht zugänglich, die Rechtsfigur eines Arbeitsdirektors dem Gesetz fremd. Daneben bleibt aber auch die Intensität der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtrat deutlich hinter der paritätischen Besetzung des Gremiums nach dem Montanmodell und der quasiparitätischen Besetzung nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 zurück. Selbst die Gesamtgröße des Kontrollorgans richtet sich an anderen Gradmessern aus. 1. Obligatorische Bildung eines Kontrollorgans Ist der Aufsichtsrat nicht ohnehin notwendiges Glied der Gesellschaftsstruktur, so wird er dies spätestens durch die Anordnung des Betriebsverfassungsgesetzes 1952. Dies gilt namentlich für die Rechtsform der GmbH50 (§ 52 GmbHG) und – mit Einschränkungen – für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Zwar muss auch bei letzterem bereits kraft seines Organisationsrechts zwingend ein Aufsichtsrat bestehen. Die weitreichende Satzungsfreiheit des § 17 Abs. 1 VAG steht dem nicht entgegen, da § 29 VAG nur das Recht gewährt, durch die Satzung zu bestimmen, wie der Aufsichtsrat zu bilden ist. Nicht zur Disposition steht hingegen die Frage, ob er überhaupt gebildet wird. Die Notwendigkeit seiner Existenz in der Unternehmensverfassung des VVaG ergibt sich zudem aus § 35 Abs. 1 Satz 1 VAG. Eine Ausnahme davon macht jedoch § 53 Abs. 1 und 3 VAG für die so genannten kleineren Vereine, d.h. Vereine, die bestimmungsgemäß einen sachlich, örtlich oder dem Personenkreis nach eng begrenzten Wirkungskreis haben. In diesen ist die Einrichtung eines Aufsichtsrats also rein fakultativ51. Auf eben jene kleineren Vereine, die auf einen Aufsichtsrat als Element ihrer Organisationsstruktur verzichtet haben, bezieht sich nun aber die in § 77 Abs. 2 BetrVG 1952 enthaltene Ausnahmeklausel. Den kleineren Versicherungsverein trifft die Mitbestimmungspflichtigkeit danach nur dann, wenn er ein Kontrollorgan bereits auf freiwilliger Basis errichtet und damit von sich aus mit diesem Gesellschaftsorgan eine Grundlage für die Beteiligung seiner Arbeitnehmer geschaffen hat. Andernfalls bleibt er mitbestimmungsfrei.

___________ 50 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 77 Rdnr. 2; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 77 Rdnr. 3. 51 Vgl. dazu Benkel, Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Kap. 12 I; Goldberg in: Goldberg/Müller, VAG/BAG, VAG § 35 Rdnr. 20, § 53 Rdnrn. 31 ff.; Kaulbach in: Fahr/Kaulbach, VAG, § 53 Rdnr. 3; Weigel in: Prölss, VAG, § 35 Rdnr. 22, § 53 Rdnrn. 38 ff.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

2. Die Größe des Aufsichtsrats Der Aufsichtsrat eines jeden nach §§ 76 ff. BetrVG 1952 mitbestimmten Unternehmens besteht völlig unabhängig von der Rechtsform aus einer durch drei teilbaren Zahl von Mitgliedern. Für die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien ergibt sich dieses unmittelbar aus § 95 Satz 3 (ggf. in Verbindung mit § 278 Abs. 3) AktG und für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit aus § 35 VAG. Desgleichen ordnet die Norm an, dass der Aufsichtrat eines VVaG im Höchstmaß einundzwanzig Mitglieder haben kann. Für die GmbH ist § 95 Satz 3 AktG aufgrund der Verweisung in § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952 ebenfalls die entscheidende Norm. Die Gestaltungsfreiheit in der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft (§ 36 Abs. 1 Satz 1 GenG: „sofern nicht das Statut eine höhere Zahl festsetzt“) schränkt § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG 1952 derart ein, dass auch hier nur eine durch drei teilbare Anzahl von Mandaten festgesetzt werden kann. Anders verhält es sich mit der Gesamtgröße des Aufsichtsrats in der Genossenschaft. Ihr werden weder durch das Gesellschafts- noch durch das Mitbestimmungsrecht Grenzen gezogen. In der Aktiengesellschaft und über § 278 Abs. 3 AktG und § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952 auch in der Kommanditgesellschaft auf Aktien und der GmbH wird die zulässige Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate von der Höhe des Grundkapitals – bzw. im Falle der GmbH von der Höhe des Stammkapitals (§ 5 GmbHG) – abhängig gemacht. Der Aufsichtsrat einer nach Maßgabe des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 mitbestimmten Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien oder GmbH kann also gemäß § 95 Satz 4 AktG folgende Größen haben:  bei einem Grund- bzw. Stammkapital von bis zu 1.500.000 Euro je nach Ausgestaltung der Satzung drei, sechs oder neun Mandate,  bei einem Grund- bzw. Stammkapital von mehr als 1.500.000 und bis zu 10.000.000 Euro je nach Ausgestaltung der Satzung drei, sechs, neun, zwölf oder fünfzehn Mandate,  bei einem Grund- bzw. Stammkapital von mehr als 10.000.000 Euro je nach Ausgestaltung der Satzung drei, sechs, neun, zwölf, fünfzehn, achtzehn oder einundzwanzig Mandate52.

___________ 52 Übersicht bei Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 22.

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut

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3. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats Die für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats entscheidende Norm ist § 76 Abs. 1 BetrVG 1952. Danach ist der Aufsichtsrat zu einem Drittel mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen53. Unmittelbare Geltung entfaltet diese Rechtsfolge nur für die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Über die einzelnen Absätze des § 77 BetrVG 1952 erstreckt sie sich indessen auch auf die in den dort ausdrücklich genannten Rechtsformen betriebenen Unternehmen. Die Verteilung der Arbeitnehmermandate zwischen im Unternehmen tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmern und dritten Personen ist geregelt in § 76 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BetrVG 1952. Stehen der Arbeitnehmerseite danach zwei oder weniger Sitze im Aufsichtsrat zu, so sind diese ausschließlich mit unternehmensangehörigen Arbeitnehmern zu besetzen. Darüber hinausgehende Mandate können auch dritten Personen angetragen werden. Wird ein Arbeitnehmermandat an eine nicht im Unternehmen beschäftigte Person vergeben, so handelt es sich dabei in der Praxis regelmäßig um einen Gewerkschaftsvertreter. Dies ist aber anders als unter der Geltung des Montanmodells oder des Mitbestimmungsgesetzes 1976 nicht zwingend. Erst recht sieht das Gesetz deshalb nicht vor, dass die Gewerkschaft einen wie auch immer gearteten Bezug zum Unternehmen aufweisen muss. 4. Grundsätze der Aufsichtsratswahl Eine ausführliche Regelung zu einem Wahlsystem oder gar zu mehreren alternativen Wahlsystemen trifft das Betriebsverfassungsgesetz 1952 selbst nicht. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 sind die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat in allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl zu bestimmen54. Wahlberechtigt sind die Arbeitnehmer aller Betriebe des Unter___________ 53

Verbreitet ist zur schlagwortartigen Beschreibung dieser Mandatsverteilung zwischen den Angehörigen der Arbeitnehmerseite und den sonstigen Aufsichtsratsmitgliedern der Begriff der „Drittelparität“ bzw. der „drittelparitätischen Mitbestimmung“: Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, § 14 Rdnr. 2; Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch (10. Aufl.), § 258 Rdnr. 2; Maul/Teichmann/Wenz, BB 2003, S. 2633 (2636); Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.01 Rdnr. 38; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 3. Dieser Ausdruck ist jedoch angesichts des oben in § 2 B. II. 1. a) erläuterten herrschenden Verständnisses von der Bedeutung des Wortes Parität ein Widerspruch in sich und wird daher hier nicht verwendet werden. Offensichtlich bietet sich schlicht der Gebrauch der gesetzlichen Formulierung an: Beteiligung oder Mitbestimmung der Arbeitnehmer „zu einem Drittel“ (§ 4 Abs. 1 DrittelbG). 54 Vgl. dazu BAG 07.08.1990 – 1 AZR 372/89, AP Nr. 1 zu § 80 BGB.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

nehmens, wenn sie die Voraussetzungen des § 7 BetrVG 1972 erfüllen. Die Einzelheiten des Wahlverfahrens bestimmen sich nach der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz 195255 vom 18. März 195356.

C. Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem DrittelbG I. Änderungen der Rechtslage auf Tatbestandsseite Wie schon betont wurde, entsprach es ausweislich der Regierungsbegründung57 zum Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der Intention des Gesetzgebers, im Bereich des Drittelbeteiligungsstatuts durch den Art. 1 des Änderungsgesetzes vor allem die bisherigen unübersichtlichen und rechtssystematisch zum Teil unglücklich geratenen Regelungen der §§ 76 bis 87a BetrVG 1952 in einem neuen Drittelbeteiligungsgesetz redaktionell neu zu fassen58. Wirkliche Änderungen der bisherigen materiellen Rechtslage sollten im Zuge dessen nur ausnahmsweise vorgenommen werden. Ob eine entsprechende Umsetzung dieses Projekts in geltendes Recht dem Gesetzgeber wirklich in jeder Beziehung geglückt ist, mag man allerdings bezweifeln. Denn materiellrechtliche Abweichungen des Regelungsgehalts des Drittelbeteiligungsgesetzes im Verhältnis zum Betriebsverfassungsgesetz 1952 lassen sich gleich in vielerlei Beziehung feststellen. Umso merkwürdiger mutet es an, dass einige der besagten Änderungen – betreffend den persönlichen Anwendungsbereich der Drittelbeteiligung – bisher kaum wahrgenommen wurden und in die aktuellen Beiträge im Schrifttum, soweit ersichtlich, keinen Eingang gefunden haben59. 1. Die betroffenen Rechtsformen Sachlich unverändert geblieben ist zwar der persönliche Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsstatuts insofern, als das Drittelbeteiligungsgesetz die aus der Sicht des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 mitbestimmungserheblichen Rechtsformen für einen Unternehmensträger übernommen hat60. In dieser Be___________ 55

BGBl. I 1953 S. 58. Seibt, NZA 2004, S. 767 (772); ausführlich zum dort geregelten Wahlverfahren Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch (10. Aufl.), § 258 Rdnr. 4. 57 BR-Drucks. 10/04. 58 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG Einl. Rdnr. 2. 59 Vgl. dazu sogleich die Ausführungen zur Änderung der Arbeitnehmerschwellenwerte für die AG und die KGaA – unter besonderer Berücksichtigung der Beibehaltung der Schwellenwerte in den Bestimmungen über die sog. Altgesellschaften – unten 2. 60 Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 f.; Seibt, NZA 2004, S. 767 (768). 56

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ziehung ist das Vorhaben einer vereinfachenden Neusystematisierung geltenden Rechts, das sich der Gesetzgeber auf die Fahnen geschrieben hatte, erfolgreich umgesetzt worden. Der § 1 Abs. 1 DrittelbG enthält einen klar gegliederten Rechtsformenkatalog, dessen Inhalt vom Rechtsanwender deutlich einfacher erfasst werden kann als die über die verschiedenen Absätze der §§ 76 und 77 BetrVG 1952 verstreute Vorgängerregelung. Mitbestimmungstaugliche Rechtsformen sind danach weiterhin    

die Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 DrittelbG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 DrittelbG), die GmbH (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG), der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 DrittelbG) und  die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 DrittelbG). Nicht in den neuen Gesetzestext übernommen wurde lediglich die in § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 noch enthaltene bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit61. Nachdem das Bundesberggesetz diese Rechtsform jedoch mittlerweile ohnehin den Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stellt62, ist mit der Streichung der bergrechtlichen Gewerkschaft aus dem Drittelbeteiligungsstatut lediglich eine redaktionelle Anpassung des veralteten Gesetzestextes an eine schon längst bestehende Rechtslage vollzogen worden. Eine tatsächliche Veränderung des materiellen Rechts bedeutet sie nicht. 2. Anpassung der Arbeitnehmerschwellenwerte a) Einheitlicher Mitbestimmungsbeginn bei mehr als 500 Arbeitnehmern Offensichtlich in der Literatur weitgehend unbemerkt geblieben ist allerdings, dass das Drittelbeteiligungsgesetz im Hinblick auf die Mindestzahl der im Unternehmen in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer eine andere Richtung einschlägt als das Betriebsverfassungsgesetz 1952. Zwar sind die GmbH, der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und auch die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft nach wie vor dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nur dann von mitbestimmungsrechtlichem Interesse, wenn sie in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Nr. 4 und Nr. 5 Satz 1 ___________ 61 Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1066); Melot de Beauregard, DB 2004, S. 1430; Seibt, NZA 2004, S. 767 (769); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 77 Rdnr. 1 (dort auch Fn. 9). 62 Siehe oben § 2 B. I. 2. b).

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DrittelbG. Dieser Schwellenwert wurde allerdings für den gesamten sachlichen Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsstatuts vereinheitlicht und gilt damit seit Juli 2004 auch für Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft und einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 2 Satz 1 DrittelbG63. Damit ist die Diskrepanz aufgehoben worden, die sich unter der maßgeblichen Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 aus einer eher ungewöhnlichen und zudem reichlich komplizierten Regelungstechnik ergab64 (generelle Mitbestimmungspflichtigkeit aller aktienrechtlich organisierten Unternehmen – Ausnahme für Unternehmen, die „weniger als 500 Arbeitnehmer“ beschäftigen – Rückausnahme für die Altgesellschaften). Für die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien haben sich insofern die Voraussetzungen für die Pflicht zur Einrichtung eines zu einem Drittel mitbestimmten Aufsichtsrats verschärft. Die obligatorische Arbeitnehmerbeteiligung greift nicht schon in Unternehmen mit nicht weniger und damit wenigstens exakt 500 Arbeitnehmern ein, sondern eben erst bei mehr als 500 Arbeitnehmern. b) Fehlende Angleichung der Regelung betreffend die Altaktiengesellschaften Natürlich wird diese rechtsformübergreifende Anpassung der Beteiligungsstatuten in der praktischen Rechtsanwendung für die aktienrechtlich organisierten Unternehmen kaum spürbar sein. Von theoretischem Interesse ist sie aber gewiss. Besonders deutlich treten ihre Auswirkungen zu Tage, wenn man sich vor Augen führt, dass der Gesetzgeber es offensichtlich versäumt hat, den aus § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 übernommenen Grenzwert der Sonderregelung für die Altaktiengesellschaften mit Handelsregistereintragung vor dem 10. August 1994 im neuen § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG entsprechend anzupassen. Die besondere Behandlung der Altgesellschaften in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien ist in das neue Gesetz inhaltlich unverändert übernommen und nur sprachlich entzerrt worden. Nach der neuen Formulierung besteht ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat auch in solchen aktiengesetzlich organisierten Gesellschaften mit in der Regel weniger als 500 Arbeitnehmern, die vor dem 10. August 1994 eingetragen wurden ___________ 63

Zu berücksichtigen ist jedoch die Übergangsregelung in § 15 DrittelbG. Diese Neuerung im Drittelbeteiligungsstatut wird z.B. verkannt in den Beiträgen von Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1066); Melot de Beauregard, DB 2004, S. 1430; Seibt, NZA 2004, S. 767 (768); vgl. auch die synoptische Darstellung DrittelbG/BetrVG 1952 von Seibt, NZA 2004, S. 767 (775 f.) und in: Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 1. 64

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und keine Familiengesellschaften (bei unveränderter Legaldefinition dieses Begriffs in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 DrittelbG) sind. Indem das Drittelbeteiligungsgesetz so in Umkehrung des dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 eigenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses65 zum einen die Mitbestimmungspflichtigkeit der Aktiengesellschaft als Grundsatz in den Vordergrund seiner Regelungstechnik stellt und zum anderen diese Mitbestimmungspflichtigkeit erst bei mehr als 500 regelmäßig Beschäftigten einsetzen lässt, sagt es damit im Gegenschluss zugleich aus, dass die Kontrollorgane von Aktiengesellschaften mit nur 500 oder weniger Arbeitnehmern zunächst einmal frei von Arbeitnehmervertretern bleiben dürfen. In systematischer Ausnahme dazu gilt die Beteiligungspflicht aber auch für bestimmte Altaktiengesellschaften mit in der Regel weniger als 500 Arbeitnehmern. Nach dem Gesetzeswortlaut kann man deswegen gleichsam eine „mitbestimmungsfreie Insel“ diagnostizieren, auf der sich all jene Altaktiengesellschaften (und über § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 DrittelbG auch Altkommanditgesellschaften auf Aktien) sammeln, die sich nicht als Familiengesellschaften ausweisen können und mit präzise 500 Arbeitnehmern ausgestattet sind. Mit den hier zu untersuchenden gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in eben diese Lücke des deutschen Mitbestimmungssystems vorzustoßen, dürfte sich zwar praktisch als äußerst schwierig erweisen. Theoretisch jedoch muss man feststellen, dass dem Reformgesetzgeber an dieser Stelle ein gravierender Systemfehler unterlaufen ist, der auf den ersten Blick natürlich erfindungsreichen Rechtsberatern von einschlägig organisierten und in der entsprechenden Größenordnung operierenden Unternehmen einen erheblichen neuen Gestaltungsanreiz schafft. Hingegen ist bei nüchterner Betrachtung ein einleuchtender Grund für diese Privilegierung von Altaktiengesellschaften mit genau 500 Arbeitnehmern in keiner Weise ersichtlich, so dass es sich bei dem beschriebenen Phänomen augenscheinlich um ein folgenschweres Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt. Auch unter Berücksichtigung der Gebote des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG wird man deshalb nicht umhin kommen, die gesetzliche Klausel des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG unter teleologisch motivierter Erweiterung ihres Wortlauts verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie alle Altaktiengesellschaften erfasst, die keine Familiengesellschaften sind und in Angleichung an den im vorstehenden Satz 1 genannten Schwellenwert in der Regel 500 oder weniger Arbeitnehmer beschäftigen.

___________ 65

Vgl. dazu oben B. I. 2. a).

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

3. Sprachliche Anpassung der Tendenzschutzklausel Der mitbestimmungsrechtliche Tendenzschutz wird im Drittelbeteiligungsgesetz über dessen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 verwirklicht. Danach findet das Beteiligungsgesetz keine Anwendung auf Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend (a) politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder (b) Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG anzuwenden ist, dienen (Satz 1 Nr. 2), sowie auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform (Satz 2). Mit dieser Formulierung wurde die Tendenzschutzklausel des Drittelbeteiligungsstatuts, wie bereits dargestellt wurde, bloß sprachlich an die entsprechende Regelung des Mitbestimmungsgesetzes 1976 angeglichen66. Nach dem herrschend vertretenen Grundsatz der harmonisierenden Auslegung wurde auch schon den Tendenzschutzklauseln des § 81 Abs. 1 und 2 BetrVG 1952 ein dem § 1 Abs. 4 MitbestG vergleichbarer Schutzbereich beigemessen67. 4. Änderung der Arbeitnehmerberechnung in Konzernsachverhalten Betrachtet man die vom Drittelbeteiligungsgesetz aufgestellten Maßstäbe für die Berechnung der Arbeitnehmerzahlen in mitbestimmungsrechtlichen Konzernfragen, so ist streng zwischen zwei verschiedenen Punkten zu trennen. Wie immer steht man einerseits vor der Aufgabe herauszufinden, welche in anhängigen Konzernunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer dem Wahlkörper angehören, und hat andererseits zu ermitteln, welche Unternehmen in einer ausreichenden konzernrechtlichen Verbindung mit der Konzernspitzengesellschaft stehen, damit ihre Arbeitnehmer auch als solche eben dieser Konzernspitze angesehen werden können68. a) Bestimmung der wahlberechtigten Arbeitnehmer In dem ursprünglichen Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ordnete der § 2 Abs. 1 des Gesetzentwurfes noch an, dass die Arbeitnehmer abhängiger Konzernunternehmen nur an der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens eines Konzerns teilnehmen, wenn es sich gemäß dem Klammer___________ 66

Vgl. Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 1 Rdnr. 37. Vgl. bereits ausführlich oben § 1 B. III. 2., § 4 B. I. 3. 68 Seibt, NZA 2004, S. 767 (769). 67

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut

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zusatz der gesetzlichen Klausel um einen Konzern im Sinne des § 18 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG handelt. Ganz wie § 76 Abs. 4 Satz 1 BetrVG 1952 stellte auf diese Weise der Regierungsentwurf das Merkmal der Leitungsmacht der Konzernspitze über die übrigen Konzernunternehmen in den Vordergrund. Nicht in Bezug genommen wurde wiederum die (widerlegliche) gesetzliche Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG. Diese Rechtslage hingegen empfand der mit dem Gesetzesentwurf befasste Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit offensichtlich als unbefriedigend. Nach seinen Änderungsbeschlüssen69 sollte die gesetzliche Verweisung den vollständigen § 18 Abs. 1 AktG einschließlich der Konzernvermutung des Satzes 3 umfassen, um auf diese Weise die Regelung an den Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG anzugleichen und in den verschiedenen Mitbestimmungsstatute eine einheitliche Richtschnur zur Berücksichtigung von Konzernarbeitnehmern zu etablieren. Nach der auf dieser Grundlage geschaffenen Neuregelung in § 2 Abs. 1 DrittelbG gilt in Abweichung von dem überkommenen § 76 Abs. 4 BetrVG 1952, dass die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen eines faktischen Konzerns sich auf die Vermutungskette der §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG berufen können70. Kommt es über die aktive oder passive Wahlberechtigung der Arbeitnehmer zum Rechtsstreit, so trifft die gegnerische Partei die Darlegungs- und Beweislast darüber, dass eine einheitliche Leitungsmacht über die Konzernunternehmen trotz der bestehenden Mehrheitsbeteiligung bzw. Stimmrechtsmehrheit nicht ausgeübt wird71. b) Keine Änderung der Zurechnungsgrundlagen Nimmt man demgegenüber den § 2 Abs. 2 DrittelbG, der als zweite Komponente der mitbestimmungsrechtlichen Problematik die Zurechnung von Arbeitnehmern zur Konzernspitze hin zum Regelungsgegenstand hat, näher in Augenschein, so fällt auf, dass dessen Tatbestand einen einfachen faktischen Konzern – begründet durch das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen – nicht ausreichen lässt, um die Rechtsfolge der Zurechnung auszulösen72. Stattdessen ___________ 69 Siehe die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 23.03.2004 (BT-Drucks. 15/2739). 70 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 2 Rdnrn. 3, 8. 71 Vgl. zum Gestaltungsmittel des Abschlusses eines sog. Entherrschungsvertrags mit dem Ziel, gerade die auf § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG oder § 77a BetrVG 1952 bzw. § 2 Abs. 1 DrittelbG i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG gegründete Konzernvermutung materiellrechtlich zu entkräften Seibt, NZA 2004, S. 767 (770); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 5 Rdnr. 6; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 35a. 72 Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 2 Rdnr. 18; vgl. zur insoweit unveränderten Rechtslage unter der Geltung der Vorgängernorm des § 77a BetrVG 1952

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

ist in vollständiger Anlehnung an den außer Kraft gesetzten § 77a BetrVG 1952 eine Arbeitnehmerzurechnung nur dann denkbar, wenn gemäß den qualifizierten Anforderungen der Norm entweder ein Vertragskonzern durch Abschluss eines Beherrschungsvertrags im Sinne der §§ 291 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, 18 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 AktG oder ein Eingliederungskonzern im Sinne der §§ 319 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 AktG gegeben ist73. In der bisher verfügbaren Literatur zum Drittelbeteiligungsgesetz wird diese Regelung nahezu einvernehmlich als ein (weiteres) folgenschweres Redaktionsversehen des Gesetzgebers gewertet74. Erstens ist es nämlich nicht sinnvoll, für die aktive und passive Wahlberechtigung der Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerzurechnung als zwei eng zusammengehörige Fragen in jedem Konzernsachverhalt unterschiedliche Beurteilungskriterien heranzuziehen, und zweitens steht die redaktionelle Fassung des § 2 Abs. 2 DrittelbG im Widerspruch zu den vom Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit abgegebenen Änderungsempfehlungen75, mit welchen er gerade auf eine Angleichung aller Konzernregelungen des Drittelbeteiligungsstatuts an die Rechtslage im Mitbestimmungsgesetz 1976 hinwirken wollte. Vor diesem Hintergrund erhebt sich deshalb die Frage, ob nicht der im Widerspruch mit der augenscheinlichen Regelungsabsicht des Gesetzgebers stehende enge Wortlaut des § 2 Abs. 2 DrittelbG ausnahmsweise vernachlässigt werden kann, um auf diese Weise das faktische Konzernrechtsverhältnis als Zurechnungsvehikel auch für das Drittelbeteiligungsstatut nutzbar zu machen. Rechtsmethodisch wäre dies allenfalls zu bewältigen, indem man die Grenze des Gesetzeswortlauts sprengen und einer Auslegung der Norm unter Hinweis auf die anders lautende gesetzgeberische Regelungsintention den Vorrang einräumen wollte. ___________ BayObLG 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, AG 1993, S. 177 = AP Nr. 1 zu § 77a BetrVG 1952 = BayObLGZ 1992, S. 367 = BB 1993, S. 602 = DB 1993, S. 789 (790) = EzA §§ 77-77a BetrVG 1952 Nr. 1 = GmbHR 1993, S. 165 = NJW 1993, S. 1804 (1805) = WM 1993, S. 550 = ZIP 1993, S. 263; OLG Düsseldorf 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE, NZA-RR 1997, S. 213 (215) = ZIP 1997, S. 546 (548) – Babcock-BSH AG; Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 1 i.V.m. § 76 Rdnr. 106; A. Kraft in: GKBetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 5; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 5; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 7. 73 Vgl. zur Regelung des § 77a BetrVG 1952 Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 1 i.V.m. § 77 Rdnr. 5; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 4; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 1; Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 32; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 32, 165; vgl. auch Wißmann in: Festschrift Däubler, S. 385 (387). 74 Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1067). 75 Siehe die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 23.03.2004 (BT-Drucks. 15/2739).

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut

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Die verschiedenen Canones der Auslegung stehen allerdings schon aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht unbedingt gleichberechtigt nebeneinander, sondern vielmehr gebietet das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Dogma der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit es, eine gewisse hierarchische Ordnung der Auslegungsmethoden untereinander zu berücksichtigen. Zum Verhältnis von Wortlautinterpretation und Auswertung einer außerhalb des Gesetzestexts niedergelegten gesetzgeberischen Regelungsabsicht haben beide Senate des Bundesverfassungsgerichts in ihrer Rechtsprechung bereits wiederholt Stellung genommen: Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist nach dieser Rechtsprechung der in der konkreten Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt worden ist. Nicht hingegen kommt es entscheidend auf die subjektiven Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung an76. Stattdessen kommt solchen der Entstehungsgeschichte der Norm zuzuordnenden Äußerungen für die Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit eines nach den vorrangigen Auslegungsmethoden gefundenen Auslegungsergebnisses bestätigen oder Zweifel beheben, die auf dem angegebenen Weg allein nicht oder nicht vollständig ausgeräumt werden können77. Der tatsächlich vom Gesetzgeber gewählte Wortlaut steht demnach auf keinen Fall zur stetigen Disposition des Rechtsanwenders mit dem Argument, subjektiv habe der Gesetzgeber doch eigentlich eine völlig andere Regelung als die letztlich wirklich verabschiedete treffen wollen. Unterstellt man dem Bundesgesetzgeber nun – was auf der Hand liegt – eine derartige Diskrepanz zwischen der objektiv getroffenen Aussage und der subjektiv von ihm anvisierten Regelung bei der Neuordnung der Konzernzurechnung innerhalb des Drittelbeteiligungsstatuts, so muss man also schlicht feststellen, dass durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts der Gesetzgeber dazu angehalten wird, seinen Willen hinreichend deutlich im Gesetzestext zum Ausdruck zu bringen. Sieht er sich dazu nicht in der Lage, trägt allein er das Risiko, dass aus Gründen der Rechtssicherheit seine eigentliche Vorstellung von einer an das Mitbestimmungsgesetz 1976 angepassten Konzernzurechnung letztlich nicht Realität wird.

___________ 76 Dazu das Urteil des Zweiten Senats: BVerfG 21.05.1952 – 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, S. 299 (312) sowie der Beschluss des Ersten Senats: BVerfG 15.12.1959 – 1 BvL 10/55, BVerfGE 10, S. 234 (244). 77 BVerfG 21.05.1952 – 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, S. 299 (312).

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 DrittelbG ist ebenso wie derjenige seiner Vorgängernorm in § 77a BetrVG 1952 eindeutig. Er beschränkt den Eintritt der Rechtsfolge Arbeitnehmerzurechnung zur Konzernspitzengesellschaft augenfällig auf die beiden tatbestandlichen Fälle der Konzernierung kraft Beherrschungsvertrags und kraft aktienrechtlicher Eingliederung. Jene Aufzählung ist abschließend. Dieser Wertung entgegenstehende Angriffspunkte im Normtext, die als Einfalltore für den in den Materialien des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit wiedergegebenen abweichenden Willen verwendet werden könnten (etwa die Einfügung des Wortes „insbesondere“ oder eines unbestimmten und daher ausfüllungsbedürftigen und ausfüllungsfähigen Rechtsbegriffs), sucht man vergeblich. Deshalb gebietet – um in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts zu verbleiben – der im Gesetzestext objektivierte Wille des Gesetzgebers wortlautgetreu eine Beschränkung der Zurechnung auf die beiden ausdrücklich genannten Konzerntatbestände, während ein rein faktisches Konzernrechtsverhältnis als Grundlage der Zurechnung nur seinem subjektiven Willen entspricht. Im Gesetz selbst hat letzterer allerdings keinen Niederschlag gefunden und muss somit als Maßstab der Normtextinterpretation gänzlich ausfallen. Im Ergebnis hat der Gesetzgeber die Änderungsvorschläge des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit nur unvollkommen in das neue Regelungswerk integriert. Geschaffen hat er dadurch mit Blick auf die beiden eng verwandten Fragen nach der Bildung des Wahlkörpers bei der Wahl des mitbestimmten Aufsichtsrats in der Konzernspitzengesellschaft und nach der Ermittlung der der Konzernspitze zurechenbaren Gesamtarbeitnehmerschaft einen geradezu janusköpfigen Maßstab zur Berücksichtigung der Arbeitnehmer von beherrschten Konzernunternehmen. Und diese Rechtslage ist leider – wie gesehen – für den Rechtsanwender verbindlich und wird die gesellschafts- und arbeitsrechtliche Praxis zwingen, bis zur nächsten Reform des Drittelbeteiligungsstatuts diesen in sich nicht stimmigen zweigleisigen Weg zu verfolgen. II. Änderungen der Rechtslage auf Rechtsfolgenseite 1. Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats Die Pflicht zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats ist nunmehr dem § 4 Abs. 1 DrittelbG zu entnehmen. In den folgenden Absätzen sind als Ergänzung der einschlägigen aktiengesetzlichen Regelungen (§ 100 AktG) unter anderem weitere Voraussetzungen der persönlichen Wählbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer niedergelegt, eine Regelung also, die man im Betriebsverfassungsgesetz 1952 noch vermisste. Sedes materiae ist § 4 Abs. 3 DrittelbG, der die Wählbarkeit eines Arbeitnehmervertreters in den Aufsichtsrat nur unter drei einschränkenden Bedingungen zulässt:

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut

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 Der Kandidat muss das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben.  Der Kandidat muss mindestens ein Jahr lang dem Unternehmen zugehörig sein. Nehmen an der Wahl zum Aufsichtsrat wegen § 2 Abs. 1 DrittelbG die Arbeitnehmer weiterer Konzernunternehmen teil, so werden bei der Ermittlung der Dauer der Unternehmenszugehörigkeit die Zeiten der Beschäftigung in dem Konzernunternehmen angerechnet, wenn sie unmittelbar vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem die Arbeitnehmer zur Teilnahme an der Aufsichtsratswahl in der Konzernspitzengesellschaft berechtigt sind.  Der Kandidat muss im Übrigen die Anforderungen erfüllen, die § 8 Abs. 1 BetrVG 1972 an die Wählbarkeit von Arbeitnehmern in einen Betriebrat stellt78. 2. Erweiterung der Rechte des mitbestimmten Aufsichtsrats Dem Grundsatz nach werden die Rechte und Pflichten des mitbestimmten Aufsichtsrats in der konkret mitbestimmungspflichtigen Gesellschaft durch deren jeweils einschlägiges Gesellschaftsorganisationsrecht umrissen79. Eine Besonderheit weist insofern vor allem die Rechtsform der GmbH auf, weil wegen § 52 GmbHG ein mitbestimmter Aufsichtsrat eigentlich einen Fremdkörper in ihrem Organisationsgefüge darstellt. Deshalb werden, wie schon unter der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes 1952, die Rechte und Pflichten des in einer GmbH gebildeten mitbestimmten Aufsichtsrats geregelt anhand einer Verweisung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG auf die einschlägigen Vorschriften des Aktiengesetzes. In Bezug genommen werden nach alter wie nach neuer Rechtslage  der § 90 Abs. 3, 4 und 5 Satz 1 und 2 AktG (Recht des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder, vom Vertretungsorgan jederzeit einen Bericht zu verlangen über die Angelegenheiten der Gesellschaft, über ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen sowie über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft erheblichen Einfluss nehmen können),  die §§ 95 bis 114, 116 AktG (vor allem Zahl der Aufsichtsratsmitglieder und Zusammensetzung des Aufsichtsrats; aktienrechtliches Statusverfahren; persönliche Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder; Bestellung, Amtszeit und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilsinhaber; innere Ordnung; Beschlussfassung; Sitzungsteilnahme; Einberufung; Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats; Vertretung der Gesellschaft gegenüber ___________ 78

Zum Ganzen Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1067 f.); Seibt, NZA 2004, S. 767 (771). 79 Vgl. ausführlich oben § 1 A. III. 2.

Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

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den Mitgliedern des Vorstands; Vergütung; Vertragsverhältnisse; Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit), der § 118 Abs. 2 AktG (Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats an der Hauptversammlung), der § 125 Abs. 3 AktG (Mitteilungen des Vertretungsorgans an die Aufsichtsratsmitglieder über die Einberufung der Hauptversammlung, die Bekanntmachung der Tagesordnung und etwaige Anträge und Wahlvorschläge von Aktionären einschließlich des Namens des Aktionärs, der Begründung und einer etwaigen Stellungnahme der Verwaltung), der § 171 AktG (Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichtes und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns durch den Aufsichtsrat) und schließlich der § 268 Abs. 2 AktG (Überwachung der Abwickler durch den Aufsichtsrat).

Neu ist, dass dieser aus § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952 übernommene Katalog – wie auch der des weitgehend parallel ausgestalteten § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG80 – ergänzt wurde um die beiden Verweise auf den § 125 Abs. 4 AktG (Recht eines jeden Aufsichtsratsmitglieds auf Mitteilung der in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse) und den § 170 AktG (Pflicht des Vorstands zur Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts gegenüber dem Aufsichtsrat)81. 3. Grundsätze der Aufsichtsratswahl Ähnlich wie schon das Betriebsverfassungsgesetz 1952 skizziert das Drittelbeteiligungsgesetz nur die wesentlichen Grundzüge der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat. Nach dem § 5 Abs. 1 DrittelbG richtet sich die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl in allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl aus. Die Repräsentanten der Arbeitnehmerseite werden dabei für denselben Zeitraum gewählt, der im Gesetz oder in der Gesellschaftssatzung für die von der Hauptversammlung zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder der Anteilsinhaber vorgesehen ist. Gestrichen wurde dabei allerdings die nach § 76 Abs. 4 Satz 2 BetrVG 1952 noch vorgesehene Möglich___________ 80

Siehe oben § 3 B. I. 2. Vgl. dazu Seibt, NZA 2004, S. 767 (771). Negative Kritik gegenüber dieser Erweiterung der Kompetenzen des zu einem Drittel mitbestimmten Aufsichtsrats in der GmbH findet sich in der Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat und zum Entwurf einer Rechtsverordnung zum Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 20.10.2003. 81

§ 4 Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsstatut

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keit82, in Konzernsachverhalten eine Wahl unter Einsatz von Delegierten durchzuführen. Eine detaillierte Regelung des Wahlverfahrens83 überlässt das neue Drittelbeteiligungsstatut im Rahmen seiner Übergangs- und Schlussbestimmungen der Bundesregierung. Auf der Ermächtigungsgrundlage des § 13 DrittelbG ist sie befugt, eine Rechtsverordnung über das Verfahren der Wahl und der Abberufung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat zu erlassen. Gegenstände dieser Rechtsverordnung können nach dem gesetzlichen, nicht abschließenden Katalog des § 13 DrittelbG vor allem sein  die Vorbereitung der Wahl, insbesondere die Aufstellung von Wählerlisten und die Berechnung der Zahl der auf die Arbeitnehmervertreter zu verteilenden Mandate im mitbestimmten Aufsichtsrat (Nr. 1),  die Frist für die Einsichtnahme in die Wählerlisten und die Erhebung von Einsprüchen gegen sie (Nr. 2),  die Wahlvorschläge und die Frist für ihre Einreichung (Nr. 3),  das Wahlausschreiben und die Frist für seine Bekanntmachung (Nr. 4),  die Wahlteilnahme solcher Arbeitnehmer, die dem aus der Gesamtheit aller Schiffe eines Unternehmens sich zusammensetzenden einheitlichen Betrieb im Sinne des § 3 Abs. 3 DrittelbG angehören (Nr. 5),  die Stimmabgabe (Nr. 6),  die Feststellung des Wahlergebnisses und die Fristen für seine Bekanntmachung (Nr. 7),  die Wahlanfechtung (Nr. 8) und  die Aufbewahrung der Wahlunterlagen (Nr. 9). Gebrauch hat die Bundesregierung von dieser Ermächtigung gemacht, indem sie die dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 zugehörige Wahlordnung 1953 durch die Rechtsverordnung zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (Wahlordnung DrittelbG)84 – ebenfalls zum Stichtag 1. Juli 2004 – abgelöst hat85. Inhaltlich hebt sich die aktuelle Wahlordnung von der bisher geltenden Rechtslage vor allem dadurch ab, dass sie verschiedene Fristen des Wahlverfahrens neu bestimmt und die Durchführung der Wahl auch unter Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken erlaubt86. ___________ 82

Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1068). Vgl. dazu ausführlich Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 258 Rdnr. 4. 84 BGBl. I 2004 S. 1393. 85 Koch in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 258 Rdnr. 1. 86 Vgl. ausführlich zum Wahlverfahren nach der Wahlordnung DrittelbG Seibt, NZA 2004, S. 767 (772 f.). 83

§ 5 Unternehmensmitbestimmung nach dem SEBG A. Arbeitnehmermitbestimmung in der supranationalen Rechtsform Als ein bedeutsames Novum in der Landschaft des deutschen Mitbestimmungsrechts erweisen sich die sowohl im europäischen als auch im nationalen Recht verankerten Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE). Nach einer rund dreißigjährigen Geschichte von Versuchen, auf der Ebene des europäischen Rechts eine für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften einheitlich zur Verfügung stehende (kapitalmarktorientierte) Kapitalgesellschaft zu schaffen, ist eine solche Societas Europaea nunmehr seit dem Oktober 2004 tatsächlich neben die zahlreichen einzelnen Gesellschaftsformen getreten, die auf der Ebene des einfachen Rechts der Mitgliedstaaten existieren. I. Die Rechtsquellen und ihre Normenhierarchie Das gesetzliche Regelungssystem des Instituts der Europäischen Aktiengesellschaft ist vielschichtig. Vorschriften finden sich sowohl im europarechtlichen Sekundärrecht als auch auf der Ebene der einfachen Gesetze der Mitgliedstaaten. Außerdem sind stets die Satzungen der einzelnen in Rede stehenden Gesellschaften zu berücksichtigen. Stellt man also allgemein auf das Recht der Europäischen Gesellschaft ab, so muss man sich stets dessen Regelungsfülle sowie das Verhältnis der unterschiedlichen Regelungskomplexe zueinander vergegenwärtigen. Als die zentralen, unmittelbar mit der Europäischen Aktiengesellschaft befassten Rechtsquellen sind zu nennen  die Verordnung EG 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft1 (SE-Verordnung) vom 8. Oktober 2001, in Kraft getreten am 8. Oktober 2004,  die Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer2 (SE-Richtlinie) vom 8. Oktober 2001, die gemäß ihrem Art. 14 Abs. 1 Satz 1 bis zum 8. ___________ 1 2

AmtsBl. EG Nr. L 294 vom 10.11.2001, S. 1. AmtsBl. EG Nr. L 294 vom 10.11.2001, S. 22.

§ 5 Unternehmensmitbestimmung nach dem SEBG

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Oktober 2004 in das nationale Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt werden musste,  das Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SEAusführungsgesetz – SEAG), erlassen durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SE-Einführungsgesetz – SEEG) vom 22. Dezember 20043, und  das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz – SEBG), erlassen durch Art. 2 des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft vom 22. Dezember 2004. Die SE-Verordnung hat aufgrund des Art. 249 Abs. 2 EGV allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Sie bildet daher nicht nur inhaltlich die herausragende Rechtsgrundlage für die Institutionalisierung und den Umgang mit der Europäischen Aktiengesellschaft, sondern erreicht auch in der Normenhierarchie der oben genannten Gesetze den höchsten Stellenwert. Das nationale SE-Ausführungsgesetz zur europarechtlichen SE-Verordnung ist wegen der unmittelbaren Geltung der Verordnung in den Mitgliedstaaten nur insofern notwendig, als die SE-Verordnung – eigentlich verordnungsatypisch – diverse Lücken in ihrem Regelungssystem offen lässt, verbunden mit einem entsprechenden Regelungsauftrag zur Lückenschließung und diversen Wahlrechten für den nationalen Gesetzgeber4. Das SE-Beteiligungsgesetz versteht sich als Umsetzung der nach Art. 249 Abs. 3 EGV nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltenden SE-Richtlinie. Denn eine Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, lediglich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Jedoch überlässt sie die Wahl der konkreten Regelungsform und der konkreten Regelungsmittel den jeweils zuständigen innerstaatlichen Stellen. Ausweislich des neunzehnten Erwägungsgrundes zur SE-Verordnung ist die Richtlinie zu begreifen als eine von der Verordnung untrennbare Ergänzung zum Gesellschaftsrecht der Societas Europaea5. Nur im Wege einer Gesamtschau der Regelungssysteme der Verordnung und der Richtlinie kann deshalb das Rechtsinstitut der Europäischen Aktiengesellschaft zutreffend erfasst werden. Schon daraus ergibt sich die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 SE-Richtlinie noch einmal ausdrücklich unterstrichene Notwendigkeit, dass die Richtlinie bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens ___________ 3

BGBl. I 2004 S. 3675. Neye, BB 2004, S. 1973. 5 Neye, BB 2004, S. 1973. 4

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

der SE-Verordnung in einzelstaatliches Recht transformiert werden musste6. Allerdings ist es den wenigsten Mitgliedstaaten gelungen, diese europarechtliche Zeitvorgabe tatsächlich einzuhalten. Unter anderem war auch die Bundesrepublik Deutschland dazu nicht in der Lage. Neben dieser Kombination von europäischem Sekundärrecht und nationalem formellem SE-Recht kann und muss subsidiär auf die Normen des herkömmlichen mitgliedstaatlichen Aktienrechts abgestellt werden, wenn und soweit eine spezialgesetzliche Lösung für die Europäische Aktiengesellschaft nicht besteht7. Das nationale Aktienrecht dient insofern wiederum der Lückenfüllung. Einschlägig für die einzelnen Europäischen Aktiengesellschaften sind nach Art. 5 SE-Verordnung jeweilig die nationalen Gesetze desjenigen EG-Mitgliedstaates, in welchem die SE nach der Wahl der beteiligten Parteien gegründet wird. II. Die neue Rechtsform der SE als Anknüpfungspunkt der Mitbestimmung Die oben genannten Mitbestimmungsregelungen knüpfen entscheidend vor allem daran an, dass der Rechtsträger des mitbestimmungspflichtigen Unternehmens in der neu zur Verfügung gestellten Rechtsform einer Europäischen Gesellschaft organisiert ist. Die primär zu Rate zu ziehende SE-Verordnung charakterisiert die Europäische Gesellschaft als eine Handelsgesellschaft, deren Grundkapital mindestens 120.000 Euro beträgt und in Aktien zerlegt ist (Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 sowie Art. 4 Abs. 1 und 2 SE-Verordnung). Die Europäische Aktiengesellschaft ist als juristische Person eigenständige Trägerin von Rechten und Pflichten. Sie entsteht als juristische Person und erlangt damit ihre Rechtspersönlichkeit durch die Eintragung in das zuständige Register desjenigen EG-Mitgliedstaates ihrer Gründung (Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 12 SE-Verordnung). Den Gläubigern der SE steht als Haftungsmasse allein das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung. Eine persönliche Haftung der Aktionäre ist im Grundsatz einzig in der Höhe der Aktie denkbar (Art. 1 Abs. 2 Satz 2 SE-Verordnung). Das Recht der Europäischen Aktiengesellschaft ist zwar über die unmittelbar in jedem Mitgliedstaat geltende Verordnung EG 2157/2001 und die jeweiligen Ausführungs- und Umsetzungsgesetze auf nationaler Ebene einem jeden Mitgliedstaat bekannt. Das bedeutet aber nicht, dass der neuartige Rechtsträger vergleichbar einer herkömmlichen Aktiengesellschaft oder GmbH von beliebigen natürlichen oder juristischen Personen durch Aufbringung des Nennkapi___________ 6 7

Vgl. Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 23. Nagel, ArbuR 2004, S. 281 (286).

§ 5 Unternehmensmitbestimmung nach dem SEBG

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tals und Eintragung der Gesellschaft in das zuständige Handelsregister gegründet werden kann. Die Societas Europaea ist vielmehr konzipiert als supranationale Rechtsform. Deshalb setzt ihre Gründung auch stets ein grenzüberschreitendes Moment (so genannte Mehrstaatlichkeit) voraus8, welches in den meisten gesetzlich zugelassenen Gründungsfällen dadurch sichergestellt wird, dass an der Gründung mehrere bestehende Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten beteiligt sein müssen. Im Einzelnen kennt die SE-Verordnung in Verbindung mit dem deutschen SE-Ausführungsgesetz die folgenden Gründungstatbestände:  Verschmelzung von mindestens zwei Aktiengesellschaften, die dem Recht verschiedener EG-Mitgliedstaaten unterliegen, zu einer Europäischen Aktiengesellschaft,  Bildung einer gemeinsamen Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft durch wenigstens zwei Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus verschiedenen EGMitgliedstaaten,  Bildung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft durch wenigstens zwei Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs. 2 EGV oder sonstige juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts aus verschiedenen EG-Mitgliedstaaten,  Bildung einer Einpersonen-Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft durch eine schon existente Europäische Aktiengesellschaft und  rechtsformwechselnde Umwandlung einer Aktiengesellschaft mit Satzungsund Verwaltungssitz in einem EG-Mitgliedstaat unter der Voraussetzung, dass diese seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen EGMitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft aufweist9. Dieser gesetzliche Katalog der Gründungsmodalitäten ist abschließend. Der wohl herausragende Vorzug einer Europäischen Aktiengesellschaft gegenüber den Kapitalgesellschaften der einzelnen Mitgliedstaaten ist darin zu sehen, dass kraft ausdrücklicher Regelung in der SE-Verordnung die in einem Mitgliedstaat wirksam errichtete Europäische Gesellschaft von jedem Mitglied___________ 8

So z.B. Nagel, ArbuR 2004, S. 281. Vgl. dazu ausführlich Blanquet, ZGR 2002, S. 20 (44 ff.); Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnrn. 41 ff.; Heckschen, DNotZ 2003, S. 251 (256 ff.); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (632 f.); Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (198 f.); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (6); Kloster, EuZW 2003, S. 293 (294 ff.); Schulz/Geismar, DStR 2001, S. 1078 (1080 f.); Schwarz, ZIP 2001, S. 1847 (1851 ff.); Teichmann, ZGR 2002, S. 383 (415 ff.); Teichmann, ZGR 2003, S. 367 (370 ff.); Thoma/Leuering, NJW 2002, S. 1449 (1451 ff.); Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 403 ff. 9

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

staat anerkannt wird und sie deshalb mit ihrer Verwaltung und ihrem operativen Geschäft weitgehend problemlos im europäischen Binnenmarkt agieren kann, ohne auf die gemeinschaftsinternen Ländergrenzen Rücksicht nehmen zu müssen. Mit anderen Worten lässt sich über die Wahl der supranationalen Rechtsform die Freizügigkeit des Unternehmens innerhalb des gesamten gemeinschaftlichen Territoriums sicherstellen10. Eben diesen Faktor betonten auch die für die Ausgestaltung der deutschen SE-Gesetze verantwortlich zeichnenden Bundesministerien der Justiz und für Wirtschaft und Arbeit in ihrer Presseerklärung vom 26. Mai 2004: Seitens des Bundesjustizministeriums wurde herausgehoben, die SE als europaweit einheitliche Rechtsform für Kapitalgesellschaften ermögliche den Unternehmen eine Expansion und Neuordnung über Ländergrenzen hinweg, wobei die kostspieligen und zeitaufwändigen Förmlichkeiten außer Acht gelassen werden könnten, die herkömmlich mit der Gründung von ihrerseits unternehmenstragenden Tochtergesellschaften verbunden seien. Ähnlich lautete die Einschätzung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Und in der Tat sind europaweit tätige Unternehmen in Zukunft nicht unbedingt länger auf umfangreiche Konzernstrukturen angewiesen. Die bisher üblichen Netze von eigenständigen Tochtergesellschaften in jedem Mitgliedstaat werden entbehrlich und können durch einen einheitlichen Unternehmensträger in Gestalt der SE ersetzt werden. In der Folge verwandeln sich die rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften in flexibel handhabbare (weil rechtlich unselbständige) Zweigstellen eines uniformen Unternehmens. Auf diese Weise wird eine erhöhte Flexibilität des Gesamtunternehmens gewährleistet, der konzern- bzw. unternehmensinterne Verwaltungsaufwand kann auf ein Minimum reduziert werden. Und auch rechtlich lässt sich die SE wesentlich einfacher erfassen und behandeln als ein Unternehmensverbund, dessen Konzernunternehmen je nach ihrem Sitz den unterschiedlichsten Gesellschaftsrechtsordnungen unterworfen sind, weil sich in letzterem Fall das insgesamt auf den Konzern anwendbare Recht als eine bunte Mischung verschiedener konkurrierender Rechtssysteme erweist. Neben den rechtlichen und ökonomischen Vorteilen einer solchen vereinfachten Infrastruktur des Unternehmens sind auch die psychologischen Vorteile für die hinter der SE stehenden Entscheidungsträger nicht zu unterschätzen. Anzumerken ist freilich, dass im Zuge der aktuellen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften11 zur Niederlassungsfreiheit auch ___________ 10 Vgl. aber zur Niederlassungsfreiheit auch herkömmlicher nationaler Kapitalgesellschaften im gesamten Gemeinschaftsgebiet unten Kapitel 3 (§§ 12 bis 15). 11 Vgl. dazu EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87, EuGHE 1988, S. 5483 ff. – Daily Mail; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97, EuGHE I 1999, S. 1459 ff. – Centros; EuGH 05.11. 2002 – Rs. C-208/00, EuGHE I 2002, S. 9919 ff. – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs.

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herkömmlicher nationaler juristischer Personen (Art. 43, 48 EGV) und der daraus resultierenden Anerkennungspflicht der übrigen EG-Mitgliedstaaten gegenüber den Rechtsformen einer ihnen fremden Gesellschaftsrechtsordnung die uneingeschränkt garantierte Bewegungsfreiheit einer SE im Gemeinschaftsgebiet schon einen Großteil ihrer Sonderstellung eingebüßt hatte, bevor die Europäische Aktiengesellschaft den Rechtsanwendern Ende des Jahres 2004 überhaupt zur Verfügung gestellt wurde. Denn in einer Vielzahl der denkbaren internationalen Konstellationen wird man beispielsweise durch den Einsatz einer sich auf die Niederlassungsfreiheit berufenden englischen public limited company oder einer französischen société anonyme durchaus vergleichbare wirtschaftliche Ergebnisse erzielen können. Auf der anderen Seite darf nicht verschwiegen werden, dass derjenige, der zu einem solchen Zweck auf die nationalen Kapitalgesellschaften als Alternative zur SE zurückgreift, sich stets eines gewissen Restrisikos beim Eintritt in den Machtbereich einer ausländischen Rechtsordnung bewusst sein sollte. Auch wenn die wesentlichen Grundzüge der EG-vertraglich diktierten Anerkennungspflicht gegenüber den Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten mittlerweile geklärt sind, so ist die Möglichkeit des europarechtskonformen Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit und der damit verbundenen Durchsetzung der Interessen des Aufnahmestaates gegenüber den Interessen des Gründungsstaats der zuziehenden Gesellschaft in gewissen Einzelfällen noch heftig umstritten. Diskutiert wird insbesondere über die Übertragbarkeit  der Regeln betreffend die Insolvenzverschleppungshaftung12,  der persönlichen Haftung von Gesellschaftern wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs in das Gesellschaftsvermögen13 und ___________ C-167/01, EuGHE I 2003, S. 10155 ff. – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02, EuGHE I 2004, S. 2409 ff. – Lasteyrie du Saillant. 12 Vgl. zur Insolvenzverschleppungshaftung BGH 09.07.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, S. 96 ff. = NJW 1979, S. 1823 ff. – Herstatt I; BGH 09.07.1979 – II ZR 211/76, NJW 1979, S. 1829 ff. – Herstatt II; BGH 06.06.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, S. 181 ff. = NJW 1994, S. 2220 ff.; BGH 30.03.1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, S. 211 ff.; BGH 07.07.2003 – II ZR 241/02, ZIP 2003, S. 1713 mit Anm. K. Schmidt. 13 Vgl. zur Existenzvernichtungshaftung BGH 17.09.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, S. 10 ff. = GmbHR 2001, S. 1036 ff. = ZIP 2001, S. 1874 ff. – Bremer Vulkan; BGH 25.02.2002 – II ZR 196/00, NJW 2002, S. 1803 ff. = ZIP 2002, S. 848 ff.; BGH 24.06.2002 – II ZR 300/00, GmbHR 2002, S. 902 mit Anm. Schröder = JZ 2002, S. 1047 ff. mit Anm. Ulmer = ZIP 2002, S. 1578 ff. – KBV; LAG Köln 20.06.2003 – 4 Sa 128/03, ZIP 2003, S. 1893 ff. mit Anm. Hölzle; aus der Literatur Altmeppen, ZIP 2001, S. 1837 ff.; Altmeppen, NJW 2002, S. 321 ff.; Altmeppen, ZIP 2002, S. 961 ff.; Altmeppen, ZIP 2002, S. 1553 ff.; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rdnrn. 72 ff.; Benecke, BB 2003, S. 1190 ff.; Bitter, WM 2001, S. 2133 ff.; Drygala, GmbHR 2003, S. 729 ff.; Goette, DStR 2002, S. 1010 ff.; Haas, WM 2003, S. 1929 ff.; Henze, NZG 2003, S. 649 (656 f.); Hoffmann, NZG 2002, S. 68 ff.; Hölzle, ZIP 2004, S. 1729

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 nicht zuletzt der Vorschriften über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer14 auf die zugezogene Auslandsgesellschaft. Und nicht weniger fraglich ist, ob eigentlich auch der Gründungsstaat selbst als Adressat der Niederlassungsfreiheit angesehen werden muss, so dass der EGV ihm gebietet, seinen Gesellschaften den Wegzug über die Staatsgrenzen hinweg überhaupt zu erlauben15. Berücksichtigt man all diese Spannungsfelder, deren Auflösung die Dogmatik der Niederlassungsfreiheit einer juristischen Person der Rechtsprechung und der Wissenschaft nach wie vor aufgibt, so wird man gegenwärtig die der SE zur Verfügung gestellte Freizügigkeit zumindest noch als eine ungleich sicherere Option beim grenzüberschreitenden Einsatz einer einheitlichen Gesellschaft ansehen müssen. III. Die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Organisationsverfassungen Die mittlerweile fünfundzwanzig Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften verfolgen selbstverständlich völlig unterschiedliche Traditionen wenn es darum geht, die Organisationsverfassung ihrer nationalen Aktiengesellschaften zu regeln. Zwischen den jeweiligen Vorstellungen von der effektiven Unternehmensführung und der Kontrolle der Unternehmensleitung kam es deshalb unweigerlich zu Kollisionen, als es im europäischen Rechtsetzungsverfahren darum ging, die Gesellschaftsorgane einer Europäischen Aktiengesellschaft sowie ihre Funktionen und Kompetenzen als die elementaren Eckpfeiler der Corporate Governance festzulegen. Einig wurden sich die Vertreter der Mitgliedstaaten letztlich in Gestalt des Kompromisses, dass die SE-Verordnung mehr als ein Organisationsmodell für die Europäische Gesellschaft zulässt und ___________ ff.; Keßler, GmbHR 2001, S. 1095 ff.; Keßler, GmbHR 2002, S. 945 ff.; Koppensteiner in: Festschrift Honsell, S. 607 ff.; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402 ff.; Lutter/Banerjea, ZIP 2003, S. 2177 ff.; Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rdnrn. 15 ff.; Mödl, JuS 2003, S. 14 ff.; Nassall, ZIP 2003, S. 969 ff.; Röhricht in: Festschrift BGH, S. 83 ff.; Römermann/Schröder, GmbHR 2001, S. 1015 ff.; Roth, NZG 2003, S. 1081 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, S. 3577 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268 ff.; Schröder, GmbHR 2002, S. 904 ff.; Ulmer, ZIP 2001, S. 2021 ff.; Vetter, ZIP 2003, S. 601 ff.; Westermann, NZG 2002, S. 1129 ff.; Wiedemann, ZGR 2003, S. 283 ff.; Wilhelm, NJW 2003, S. 175 ff.; Wilhelmi, DZWIR 2003, S. 45 ff.; Wilken, DB 2001, S. 2383 ff. 14 Vgl. ausführlich zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das deutsche Mitbestimmungsrecht gegenüber einer in die Bundesrepublik Deutschland zuziehenden Kapitalgesellschaft aus einem anderen EG-Mitgliedstaat durchgesetzt werden kann, ohne die juristische Person in ihrer Niederlassungsfreiheit zu verletzen, unten § 15. 15 Vgl. ausführlich zu dieser Frage unten § 14.

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die Gesellschaftsgründer in der Gesellschaftssatzung selbst die Wahl zwischen den verschiedenen Angeboten der Verordnung treffen können. Zur Auswahl steht deshalb zum einen ein so genanntes monistisches System bzw. board-System, in welchem neben dem selbstverständlich vorhandenen Grundorgan, der Hauptversammlung der Aktionäre, nur eine eingliedrige Unternehmensleitung in Gestalt eines Verwaltungsrats zugelassen ist. Zum anderen kann aber auch auf das unter anderem für das deutsche Aktiengesetz charakteristische dualistische System zurückgegriffen werden. Dieses kennt neben der Hauptversammlung einen zweigliedrigen Aufbau der Unternehmensverwaltung. Kennzeichnend dafür ist also namentlich die Unterteilung der Verwaltung in ein Vertretungsorgan (Vorstand16) und ein vor allem zu dessen Überwachung bestimmtes Kontrollorgan (Aufsichtsrat17). Nachdem die SE-Verordnung das Recht zur Wahl zwischen diesen konkurrierenden System ausdrücklich den Gesellschaftsgründern und nicht den zur gesetzlichen Ausführung der Verordnung gehaltenen Mitgliedstaaten überlässt, ist es durchaus denkbar, auch eine mit Sitz in Deutschland errichtete Europäische Aktiengesellschaft mit einem einheitlichen Verwaltungsrat zu versehen, obschon diese Verfasstheit der internen Organisation im originären deutschen Aktienrecht ein Fremdkörper ist.

B. Die Integration der Arbeitnehmervertreter I. Gestaltungsprinzip und Sicherungsprinzip Die unterschiedlichen Traditionen in den Mitgliedstaaten haben bei der gesetzgeberischen Anordnung des Ob und des Wie der Arbeitnehmermitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft zu einem hochgradig differenzierten Regelungssystem geführt. Verstärkt wurde dieser Effekt noch eben durch die von der Verordnung EG 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft und dem SE-Ausführungsgesetz gewährte Wahlfreiheit zwischen einer monistischen und einer dualistischen Unternehmensverfassung, denn jedes dieser Organisationsmodelle birgt gewisse Eigenheiten, die es erforderlich machen, die Beteiligung der Arbeitnehmer an der unternehmerischen Entscheidungsfindung an die jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten anzupassen18. Die Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer bietet die europaweit ___________ 16

Vgl. dazu im deutschen Aktienrecht die §§ 76 bis 94 AktG. Vgl. dazu im deutschen Aktienrecht die §§ 95 bis 116 AktG. 18 Vgl. dazu ausführlich unten § 15 D. III. 1. b) aa). 17

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

geltende einheitliche Rechtsgrundlage für die Arbeitnehmermitbestimmung in der SE. An ihren Vorgaben müssen sich die einzelnen Umsetzungsgesetze der Mitgliedstaaten messen lassen. Die Richtlinie ist geprägt durch zwei widerstreitende Grundprinzipien, die theoretisch in ständigem Konflikt miteinander stehen und die sich für den praktischen Umgang mit den Normen der SE-Richtlinie und des SE-Beteiligungsgesetzes gegenseitig ihre Grenzen setzen. Die Rede ist von dem so genannten Gestaltungsprinzip und dem so genannten Sicherungsprinzip. Das Gestaltungsprinzip besagt, dass das Verfahren der grenzüberschreitenden Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sowie die institutionelle Arbeitnehmermitbestimmung vorrangig zum Gegenstand von unternehmensinternen Verhandlungen gemacht werden können. Demgegenüber gebietet es das Sicherungsprinzip, dass der in den Gründungsgesellschaften der SE etablierte Status der Arbeitnehmerbeteiligung unter der Gründung der supranationalen Gesellschaft nicht leiden und somit (weitgehend) erhalten bleiben soll. Aus der parallelen Existenz dieser gesetzlichen Maximen ergibt sich zwingend, dass keine von ihnen vollumfänglich durchgehalten werden kann. Denn eine weit reichende Freiheit bei der Umgestaltung der Arbeitnehmerrechte ließe den gewünschten Bestandsschutz völlig entfallen, während ein unumstößliches Festhalten an allen bislang erworbenen Arbeitnehmerrechten das Gestaltungsprinzip zu einer inhaltsleeren Floskel degradieren würde19. Die Parteien der besagten Verhandlungen über den Grad der Arbeitnehmerbeteiligung stellen auf der einen Seite die Unternehmensleitungen, auf der anderen Seite die Arbeitnehmerschaften der an der Gründung der SE beteiligten Gesellschaften. Auf der Seite der Arbeitnehmer kennt das Gesetz zu diesem Zweck die Rechtsfigur des besonderen Verhandlungsgremiums. Jenes Gremium setzt sich zusammen aus Repräsentanten der Arbeitnehmerschaft inklusive der leitenden Angestellten sämtlicher an der Gründung der SE beteiligten Unternehmen einschließlich der betroffenen Tochtergesellschaften und Betriebe. Die genaue Verteilung der Mandate innerhalb des besonderen Verhandlungsgremiums richtete sich wiederum nach dem prozentualen Anteil, welchen die einem bestimmten Gründungsunternehmen zuzuordnenden Arbeitnehmer an der voraussichtlichen Gesamtarbeitnehmerschaft der in Gründung befindlichen SE haben werden. Je angefangene zehn Prozent gewährt das Gesetz einem Mitgliedstaat einen Sitz im Gremium.

___________ 19 Vgl. zum Verhältnis von Gestaltungsprinzip und Sicherungsprinzip im Mitbestimmungsrecht der Europäischen Aktiengesellschaft auch ausführlich unten § 15 D. II. 5. c) cc) (1).

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II. Inhalt der Mitbestimmungsvereinbarung Gelangen das besondere Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer und die Unternehmensführung tatsächlich zu einer privatautonomen Beteiligungsvereinbarung, so bedarf diese der Schriftform, Art. 4 Abs. 2 Einleitungssatz SERichtlinie und § 21 Abs. 1 Einleitungssatz SEBG. In den Vertragstext ist nach den in Art. 4 Abs. 2 SE-Richtlinie und § 21 Abs. 1 bis 3 SEBG enthaltenen Katalogen der nachstehend aufgeführte Mindestinhalt aufzunehmen20:  der Geltungsbereich der Vereinbarung (Art. 2 Abs. 2 lit. a SE-Richtlinie, § 21 Abs. 1 Nr. 1 SEBG),  die Zusammensetzung des Vertretungsorgans als Verhandlungspartner des zuständigen Organs der Europäischen Aktiengesellschaft im Rahmen der Vereinbarung über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe sowie die Anzahl seiner Mitglieder und die Sitzverteilung (Art. 2 Abs. 2 lit. b SE-Richtlinie, § 21 Abs. 1 Nr. 1 SEBG),  die Befugnisse und das Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung des Vertretungsorgans (Art. 2 Abs. 2 lit. c SE-Richtlinie, § 21 Abs. 1 Nr. 3 SEBG),  die Häufigkeit der Sitzungen des Vertretungsorgans (Art. 2 Abs. 2 lit. d SERichtlinie, § 21 Abs. 1 Nr. 4 SEBG),  die für das Vertretungsorgan bereitzustellenden finanziellen und materiellen Mittel (Art. 2 Ab. 2 lit. e SE-Richtlinie, § 21 Abs. 1 Nr. 5 SEBG),  die Modalitäten der Durchführung des Verfahrens oder der Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung für den Fall, dass die Parteien im Laufe der Verhandlungen beschließen, eines oder mehrere solcher Verfahren zu schaffen, anstatt ein Vertretungsorgan einzusetzen (Art. 2 Abs. 2 lit. f SE-Richtlinie, § 21 Abs. 2 SEBG),  der Inhalt der Vereinbarung über die Mitbestimmung für den Fall, dass die Parteien im Laufe der Verhandlungen beschließen, eine solche Vereinbarung einzuführen, einschließlich gegebenenfalls der Zahl der Mitglieder des Verwaltungs- oder des Aufsichtsorgans der Europäischen Aktiengesellschaft, welche die Arbeitnehmer wählen oder bestellen können oder deren Bestellung sie empfehlen oder ablehnen können, der Verfahren, nach denen die Arbeitnehmer diese Mitglieder wählen oder bestellen oder deren Bestellung empfehlen oder ablehnen können, und die Rechte dieser Mitglieder (Art. 2 Abs. 2 lit. g SE-Richtlinie, § 21 Abs. 3 SEBG), ___________ 20 Vgl. auch die Darstellungen bei Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (427); Jahn/ Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (635); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1487 f.).

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

 der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung und ihre Laufzeit, die Fälle, in denen die Vereinbarung neu ausgehandelt werden sollte, und das bei ihrer Neuaushandlung anzuwendende Verfahren (Art. 2 Abs. 2 lit. h SERichtlinie, § 21 Abs. 1 Nr. 6 SEBG). Die Klärung dieser Grundsätze zum Recht der Arbeitnehmermitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft mag an dieser Stelle genügen. Eine ausführliche Darstellung dieser Thematik vor dem Hintergrund der Regelungen der SE-Richtlinie findet sich im Rahmen der Behandlung von grenzüberschreitenden Sitzverlegungen als Mittel der Einflussnahme auf den Status der Unternehmensmitbestimmung21.

___________ 21

Siehe unten § 15 D. II. 5. c) cc).

§ 6 Die mitbestimmungsrelevanten Faktoren im Unternehmen A. Das Stufenverhältnis der Mitbestimmungsgesetze Möchte man den geltenden Status der Unternehmensmitbestimmung in einem konkreten Unternehmen beeinflussen und zum Beispiel bewirken, dass ein Mitbestimmungsgesetz mit weniger weit reichenden Rechtsfolgen Anwendung findet, so muss man mittels der vom Gesetz zum Zwecke der Unternehmensumstrukturierung zur Verfügung gestellten Gestaltungsmittel die mitbestimmungserheblichen Parameter des Unternehmens wie etwa die Zahl seiner Arbeitnehmer oder die Rechtsform des Unternehmensträgers abändern. Derartige Vorgänge sind zunächst einmal in keiner Weise als mit dem gesetzgeberischen Willen nicht in Einklang zu bringende Gesetzesumgehungen zu werten. Vielmehr bedient sich der Unternehmensträger lediglich der ihm vom Gesetz an die Hand gegebenen und somit grundsätzlich legitimen Gestaltungsmittel. Es geht nicht darum, das Vorliegen der mitbestimmungsrechtlichen Tatbestandsmerkmale im eigenen Unternehmen entgegen der Realität zu verschleiern, sondern vielmehr um eine zielgerichtete Tatbestandsvermeidung. Diese ist vom Gesetz weder verboten noch bedarf es einer irgendwie gearteten besonderen Rechtfertigung der Umstrukturierung durch einen außerhalb der Flucht aus der unternehmerischen Mitbestimmung liegenden Sachgrund1. Um an dieser Stelle sinnvoll rechtsgestalterisch tätig werden zu können, ist es unabdingbar, die verschiedenen deutschen Mitbestimmungsstatute zunächst zum einen anhand der Reichweite ihrer Rechtsfolgen und zum anderen anhand ihrer Tatbestandsmerkmale zu ordnen, um sich auf diese Weise das im Gesetz angelegte Stufenverhältnis2 der einzelnen Statute vor Augen zu führen. ___________ 1

Dazu ausführlich Henssler, ZfA 2000, S. 241 (244 ff.); anderer Ansicht in der älteren Rechtsprechung und Literatur sind OLG Celle 30.08.1979 – 9 Wx 8/78, BB 1979, S. 1577 (1578) = GmbHR 1979, S. 277 (279): Erforderlichkeit eines vernünftigen Grundes für die Umstrukturierung; LG Düsseldorf 30.10.1979 – 25 AktE 1/77, BB 1980, S. 854 (854, 855): Erforderlichkeit von einleuchtenden und sinnvollen Gründen für die Umstrukturierung; Ballerstedt, ZGR 1977, S. 133 (141): offensichtliche Umgehungsversuche, die vernünftigerweise kein anderes Motiv haben können; Hoffmann/Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 13: Erforderlichkeit von sachlichen Gesichtspunkten, die für die Umstrukturierung sprechen; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 50: Umstrukturierung nicht wider alle wirtschaftliche Vernunft. 2 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (243); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV 1 f.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

I. Abstufung in der Reichweite der gewährten Beteiligungsrechte Zunächst gilt dies für den Umfang und die genaue Ausgestaltung der den Arbeitnehmern auf der Rechtsfolgenseite der deutschen Mitbestimmungsgesetze gewährten Beteiligungsrechte. So ordnen die Gesetze über die Montanmitbestimmung, wie dargestellt, eine echte paritätische Besetzung des für die Unternehmensmitbestimmung zentralen Aufsichtsrats an3. Daran gemessen bleibt schon das Mitbestimmungsgesetz 1976 graduell hinter diesem Standard zurück, indem es über die besondere Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden den Vertretern der Anteilsinhaber letztlich ein leichtes, in der Unternehmenspraxis aber entscheidendes Übergewicht im Verhältnis zu der über die Anzahl der Mandate nur auf den ersten Blick gleichgestellten Arbeitnehmerseite gewährt4. Auf der untersten Stufe dieser Hierarchie findet sich letztlich das Drittelbeteiligungsgesetz, dass ebenso wie sein Vorgänger, das Betriebsverfassungsgesetz 1952, den Arbeitnehmern nur ein Drittel der im Aufsichtsrat eingerichteten Sitze zuweist. Nicht außer Betracht bleiben dürfen darüber hinaus die Mitwirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerschaft innerhalb des zur Geschäftsführung und zur Vertretung des Unternehmens berufenen Organs. Hier kennen, abgesehen vom Drittelbeteiligungsgesetz, sämtliche dem deutschen Recht bekannten Mitbestimmungsgesetze die Rechtsfigur des Arbeitsdirektors, wobei das Montanmitbestimmungsgesetz, anders als das zugehörige Ergänzungsgesetz und das Mitbestimmungsgesetz 1976, für dessen Bestellung und Abberufung die Rechte der Arbeitnehmerschaft über ein gesetzliches Vetorecht5 noch zusätzlich stärkt6.

___________ 3

So z.B. Hanau/Wackerbarth in: Lutter, Holding-Handbuch (3. Aufl.), Rdnr. G 118; Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 325 Rdnr. 9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV 3 a; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 51 II 2; vgl. zum Begriff BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., AG 1979, S. 95 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG = BVerfGE 50, S. 290 ff. = NJW 1979, S. 699 ff.; ebenso Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb. Rdnr. 100; ausführlich oben § 2 B. II. 1. a). 4 So z.B. BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (323 f.); Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb. Rdnr. 100; Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 29 Rdnr. 1; ausführlich oben § 3 B. I. 1. 5 Vgl. Klinkhammer in: Kasseler Handbuch Arbeitsrecht Bd. 2, 7.1 Rdnr. 160; Klinkhammer in: Festschrift Stahlhacke, S. 276 ff.; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, Montan-MitbestG § 13 Rdnr. 3; Raiser, MitbestG, Einl. Rdnrn. 12, 17; vgl. ausführlich oben § 2 B. II. 2. 6 Vgl. instruktiv zu dem Stufenmodell, was die Reichweite der den Arbeitnehmern von den einzelnen Mitbestimmungsgesetzen gewährten Beteiligungsrechte angeht, Raiser, MitbestG, Einl. Rdnrn. 14 ff., 19, 23.

§ 6 Die mitbestimmungsrelevanten Faktoren im Unternehmen

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II. Abstufung innerhalb der tatbestandlichen Anforderungen 1. Erfasste Rechtsformen Auf der Tatbestandsseite bietet das Drittelbeteiligungsstatut mit der Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien, der GmbH, der Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaft und dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit die breiteste Palette an mitbestimmungstauglichen Unternehmensträgern an und ist somit das am weitesten gefasste Gesetz. Auf der nächsten Stufe findet sich das Mitbestimmungsgesetz 1976, das im Verhältnis zum Drittelbeteiligungsstatut nur den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nicht behandelt7. Die speziellsten Fälle beschreiben insofern schließlich die beiden Gesetze über die Montanmitbestimmung, denn dieser unterliegen einzig Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der GmbH. Vor diesem Hintergrund bietet sich zur Erreichung des Ziels einer Flucht aus der Unternehmensmitbestimmung offenkundig der Gestaltungsansatz der Rechtsformmanipulation an. In Betracht kommt zu diesem Zwecke vor allem das Gestaltungsinstrument des Rechtsformwechsels in eine mitbestimmungsfreie deutsche Rechtsform (zum Beispiel Personengesellschaften, Vereine, Stiftungen) aber daneben auch die so genannten vermögensübertragenden Umwandlungen, also etwa die Verschmelzung zweier mitbestimmter GmbH zu einer neu gegründeten Personenhandelsgesellschaft. Von erheblichem Interesse sind zudem Gestaltungspraktiken mit internationalem Charakter, in deren Rahmen etwa ein deutsches Unternehmen einem nach einer ausländischen Gesellschaftsrechtsordnung gegründeten Rechtsträger unterstellt wird. 2. Arbeitnehmerzahl Das Drittelbeteiligungsstatut greift im Falle der so genannten Altaktiengesellschaften und der Altkommanditgesellschaften auf Aktien völlig unabhängig von der Anzahl der im Unternehmen in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer ein. Für alle sonstigen Gesellschaften orientieren sich sowohl das Drittelbeteiligungsgesetz als auch das Betriebsverfassungsgesetz 1952 entscheidend am Grenzwert von 500 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern. Dabei nimmt das Betriebsverfassungsgesetz 1952 die Mitbestimmungspflichtigkeit der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien bereits dann an, wenn der besagte Grenzwert erreicht ist (nicht weniger als 500 Arbeitnehmer). Demgegenüber muss er in der GmbH, in der Erwerbs- und Wirtschaftsgenos___________ 7

Raiser, MitbestG, Einl. Rdnr. 19.

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Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene

senschaft sowie im Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit durchbrochen sein (mehr als in der Regel 500 Arbeitnehmer). Das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat hat diese Ungleichbehandlung beseitigt. So verlangt das Drittelbeteiligungsgesetz einheitlich für alle Unternehmensträger eine Belegschaftsstärke von mehr als 500 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern, ohne innerhalb des Rechtsformenkatalogs des § 1 Abs. 1 DrittelbG weiter zu differenzieren. Lediglich die Sonderregeln betreffend die Mitbestimmungspflichtigkeit der Altgesellschaften wurden beibehalten8. Auf der höchsten Stufe der systematischen Hierarchie befindet sich diesmal mit der Voraussetzung, dass in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt sein müssen, das Mitbestimmungsgesetz 1976. Lagert also etwa ein diesem Beteiligungsstatut zugewiesenes Großunternehmen eine Sparte seiner Unternehmenstätigkeit einschließlich der dort beschäftigten Arbeitnehmer aus, so ist es denkbar, dass schon aufgrund des Arbeitnehmerverlustes das Mitbestimmungsgesetz 1976 seinen Geltungsanspruch für das Unternehmen verliert und in Zukunft stattdessen bloß noch das Drittelbeteiligungsgesetz Anwendung findet. Obwohl das Montanmitbestimmungsgesetz mit seinem Schwellenwert von immerhin 1.000 Arbeitnehmern sich rein rechnerisch zwischen dem Mitbestimmungsgesetz 1976 und dem Drittelbeteiligungsstatut einordnen lässt, ist hier Vorsicht geboten, denn anders als die letzten beiden Gesetze setzt das Montanstatut immer auch voraus, dass der Schwerpunkt der Unternehmenstätigkeit dem Montansektor zugerechnet werden kann. Schrumpft das Arbeitnehmerquorum eines Montanunternehmens im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung und bleibt es danach hinter der entscheidenden Marke zurück, so wird nach dem Ablauf etwaiger gesetzlicher Übergangsfristen nur noch eine Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat zu einem Drittel möglich sein und die obligatorische Einrichtung eines Arbeitsdirektors vollständig wegfallen. Bewirkt hingegen zum Beispiel eine Verschmelzung zweier Montanunternehmen, dass das damit neu geschaffene Gesamtunternehmen mehr als 2.000 Arbeitnehmer umfasst, bedeutet das keinen Wechsel von der Montanmitbestimmung zum Mitbestimmungsgesetz 1976. Auch wenn dieses höhere Anforderungen an die Größe der Belegschaft stellt, ist das Montanstatut aufgrund seines Zuschnittes auf einen bestimmten industriellen Tätigkeitssektor das speziellere Sachrecht. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ebenso wie aus dem § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MitbestG, der den Vorrang der ___________ 8 Vgl. zur Rechtslage unter der Geltung des BetrVG 1952 ausführlich oben § 4 B., zu den Änderungen unter der Geltung des DrittelbG oben § 4 C.

§ 6 Die mitbestimmungsrelevanten Faktoren im Unternehmen

189

Montanmitbestimmung vor dem Mitbestimmungsgesetz 1976 ausdrücklich normiert9. 3. Unternehmenstätigkeit Den speziellsten Fall bilden wiederum das Montanmitbestimmungsgesetz und das Mitbestimmungsergänzungsgesetz. Sie führen zur Mitbestimmungspflichtigkeit eben nur von Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie. Demgegenüber ist der Schwerpunkt der Unternehmenstätigkeit für den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes 1976 und des Drittelbeteiligungsgesetzes bzw. des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 vergleichsweise nur von untergeordneter Bedeutung. Es ist hier lediglich eine Negativabgrenzung vorzunehmen, einmal dahingehend, dass das Beteiligungsstatut montanindustriell ausgerichteter Unternehmen (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) nach den spezielleren Gesetzen über die Montanmitbestimmung zu beurteilen ist, und auf der anderen Seite dahin, dass Unternehmen mit einem tendenzgeschützten Unternehmensgegenstand von jeglicher Form der Unternehmensmitbestimmung verschont bleiben. Daraus folgt, dass Ausweichstrategien, mittels derer ein Unternehmen durch Umwandlung aus dem Mitbestimmungszwang herausgeführt werden soll, auch am Kriterium des Unternehmensgegenstandes ansetzen können. So kann zum Beispiel ein mitbestimmtes Unternehmen durch die Aufnahme weiterer Geschäftsbereiche im Zuge von Verschmelzungen oder Spaltungsvorgängen den Schwerpunkt seiner Unternehmung von der Montanindustrie auf eine andere, gegebenenfalls sogar eine mitbestimmungsneutrale (weil tendenzgeschützte) Tätigkeit verlagern. Einen Überblick über die tatbestandlichen Anforderungen der einzelnen Mitbestimmungsgesetze, ihre Rechtsfolgen und das sich insofern jeweils ergebende Stufenverhältnis geben noch einmal die Abbildungen 6.1 (Tatbestandsmerkmale der einzelnen Mitbestimmungsstatute) und 6.2 (Rechtsfolgen der einzelnen Mitbestimmungsstatute).

___________ 9 Vgl. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 1 Rdnrn. 28 ff.; Hoffmann/Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnrn. 45 ff.; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 8; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnrn. 27 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV 1 f; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnrn. 10 ff.; Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 21; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3 § 377 Rdnr. 38.

190

Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene MontanmitbestG

MitbestErgG

MitbestG

DrittelbG

Rechtformabhängigkeit

AG, GmbH

AG, GmbH

AG, KGaA, GmbH, e.G.

AG, KGaA, GmbH, VVaG, e.G.

Arbeitnehmerzahl

> 1.000 ArbN

Zwanzig-Prozent-Klausel (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MitbestErgG a.F. (> 2.000 ArbN) verfassungswidrig und deshalb nichtig)

> 2.000 ArbN

unabhängig bei sog. Altgesellschaften gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3 (ggf. i.V.m. Nr. 2 Satz 2 DrittelbG); > 500 ArbN gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 (jeweils Satz 1) DrittelbG10

nur Konzernobergesellschaften, deren Konzernunternehmen und abhängige Unternehmen im bereich des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie tätig sind

Ausnahme für Tendenzunternehmen gemäß § 1 Abs. 4 MitbestG

Ausnahme für Tendenzunternehmen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 DrittelbG

Unternehmens- nur Unternehtätigkeitsbereich men des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie im Sinne des § 1 Abs. 1 MontanmitbestG

Verwaltungssitz des Unternehmens

nur Unternehmen mit effektivem/tatsächlichem Verwaltungssitz im Inland (Territorialitätsprinzip)

Abbildung 6.1: Tatbestandsmerkmale der einzelnen Mitbestimmungsstatute

___________ 10 Vgl. zu dem im DrittelbG nicht mehr vorhandenen Schwellenwert von nicht weniger als 500 Arbeitnehmern (• 500 ArbN) für die AG und die KGaA § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 (ggf. i.V.m. Satz 3) BetrVG 1952.

§ 6 Die mitbestimmungsrelevanten Faktoren im Unternehmen

Rechtsfolgen

191

MontanmitbestG

MitbestErgG

MitbestG

DrittelbG

ggf. Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats; paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat, wobei ein neutrales Mitglied vorgesehen ist; Einrichtung eines Arbeitsdirektors im Vertretungsorgan, der gesetzlich an die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat gebunden ist

ggf. Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats; paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat, wobei ein neutrales Mitglied vorgesehen ist; Einrichtung eines Arbeitsdirektors im Vertretungsorgan

ggf. Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats; quasiparitätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat, wobei eine Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden für den Konfliktfall vorgesehen ist; Einrichtung eines Arbeitsdirektors im Vertretungsorgan

ggf. Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats; Mitbestimmung im Aufsichtsrat zu einem Drittel

Abbildung 6.2: Rechtsfolgen der einzelnen Mitbestimmungsstatute

B. Die Höhe des Gesellschaftskapitals als Parameter der Mitbestimmung Daneben sind weitere Stufensysteme innerhalb der einzelnen Mitbestimmungsgesetze feststellbar. Diese liegen in den Fällen der beiden Gesetze über die Montanmitbestimmung sowie im Falle des Drittelbeteiligungsgesetzes insofern vor, als die zulässige Maximalgröße des Aufsichtsrats von der Höhe des im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Grund- bzw. Stammkapitals abhängig gemacht wird. Werden bestimmte Nennkapitalschwellenwerte durchbrochen, so ermöglicht dies den Gesellschaftern eine Erhöhung der Anzahl der im mitbestimmten Aufsichtsrat zu vergebenen Mandate. Wiederum anders verhält es sich innerhalb des Mitbestimmungsgesetzes 1976. Dessen § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 brechen mit den aus den übrigen Beteiligungsgesetzen bekannten Gepflogenheiten und knüpfen hinsichtlich der Größe des Aufsichtsrats nicht an Kapital-, sondern an Arbeitnehmergrenzwerte an. Die konkreten Schwellenwerte und ihre Auswirkungen auf die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmandate ergeben sich aus der Abbildung 6.3.

192

Kap. 1: Grundlagen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene MontanmitbestG

MitbestErgG

MitbestG

DrittelbG

Grundsätzliche Anzahl der Mandate im Aufsichtsrat

11 Mandate 15 Mandate (§ 4 Abs. 1 Satz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Montanmit1 MitbestErgG) bestG)

12 Mandate bei i.d.R. bis zu 10.000 ArbN (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG); 16 Mandate bei i.d.R. mehr als 10.000 und bis zu 20.000 ArbN (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG); 20 Mandate bei i.d.R. mehr als 20.000 ArbN (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MitbestG)

durch drei teilbare Anzahl von Mandaten gemäß § 95 Satz 3 AktG (ggf. i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG oder § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG), § 35 VAG und § 1 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 DrittelbG

Änderungsmöglichkeiten aufgrund von Kapitalgrenzwerten

Nennkapital von mehr als 10 Mio. Euro: 15 Mandate (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MontanmitbestG) Nennkapital von mehr als 25 Mio. Euro: 21 Mandate (§ 9 Abs. 2 Satz 1 MontanmitbestG) (Erhöhung jeweils fakultativ durch Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag)

Nennkapital von mehr als 25 Mio. Euro: 21 Mandate (§ 5 Abs. 1 Satz 3 MitbestErgG) (Erhöhung fakultativ durch Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag )

keine (Änderungsmöglichkeiten nach § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MitbestG unabhängig von der Nennkapitalhöhe; stattdessen Abstellen auf Arbeitnehmerschwellenwerte)

AG, KGaA, GmbH: Nennkapital bis zu 1,5 Mio. Euro: max. 9 Mandate; mehr als 1,5 Mio. Euro: max. 15 Mandate; mehr als 10 Mio. Euro: max. 21 Mandate (§ 95 Satz 4 AktG, § 278 Abs. 3 AktG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG) VVaG: max. 21 Mandate (§ 35 VAG) e.G.: keine gesetzliche Grenze (§ 36 Abs. 1 GenG)

Abbildung 6.3: Auswirkungen der Höhe des Gesellschaftskapitals auf die Gesamtzahl der Mandate

Kapitel 2

Beeinflussung des Mitbestimmungsstatuts nach deutschem Umwandlungsrecht § 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien Umgliederungen der Unternehmensstruktur, mit deren Hilfe eine Flucht aus dem derzeit für das Unternehmen geltenden Mitbestimmungsstatut zu erreichen ist, können sich auf vielfältige Art und Weise vollziehen. Das Gesetz bietet nicht abschließend einen konkreten Umstrukturierungsvorgang an, sondern stellt für die Vielzahl der denkbaren Fälle gleich mehrere Optionen zur Verfügung. Über diese soll zunächst ein Überblick gegeben werden. Von großer praktischer und theoretischer Relevanz sind in erster Linie diejenigen Gestaltungsmöglichkeiten, die das Umwandlungsgesetz vom 28. Oktober 1994 vorsieht. Unter anderem gestattet es dem Anwender, umfangreiche Vermögensmassen auf rechtstechnisch einfachem Wege auf andere Rechtsträger übergehen zu lassen. Von diesem Prozess kann sowohl das gesamte Vermögen – also sämtliche Aktiva und Passiva – des Ausgangsrechtsträgers erfasst sein als auch in den Fällen der Spaltung und der Teilübertragung lediglich Ausschnitte aus dem Gesamtvermögen, deren genauer Umfang privatautonom von den am Umwandlungsprozess beteiligten Parteien festzulegen ist. Dies macht bereits deutlich, dass trotz ihrer Bezeichnung als Umwandlung in § 1 Abs. 1 UmwG nicht alle Vermögenstransfers im Sinne des Umwandlungsgesetzes notwendig Einfluss auf die Struktur der beteiligten Rechtsträger nehmen müssen. Zumindest theoretisch ist es etwa denkbar, dass lediglich für die rechtliche Gliederung des Ausgangsrechtsträgers unerhebliche Vermögensgegenstände – beispielsweise eine geringe Zahl von Fahrzeugen eines umfangreichen Fuhrparks – aus dem Gesamtvermögen herausgenommen und auf den Zielrechtsträger übertragen werden sollen. Da zudem in den Fällen der Vermögensteilübertragung gemäß § 174 Abs. 2 UmwG die Rechtsstruktur auch nicht durch eine zwingende Gegenleistung in Gestalt der Gewährung von Gesellschaftsanteilen am übernehmenden Rechtsträger beeinflusst wird, kann sich ein Umwandlungsvorgang in der Theorie auch rechtsstrukturneutral vollziehen. Gleichwohl tauchen solche Fälle in der Praxis nicht auf. Die übertragenden Umwandlungen des Umwandlungsgesetzes dienen nach dem gesetzlichen Te-

194

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

los einzig dem Transfer umfangreicher Vermögensmassen und werden praktisch auch ausschließlich zu diesem Zweck eingesetzt. Selbst in den Fällen nur partieller Gesamtrechtsnachfolge sind Gegenstand der Übertragung regelmäßig ganze Betriebe, Betriebsgruppen oder sogar vollständige Geschäftsbereiche. Auch im mitbestimmungsrechtlichen Zusammenhang bewirken durchgängig nur umfassende Vermögensverschiebungen die notwendige Neuausrichtung des Unternehmens, da hinreichend Einfluss auf die den geltenden Status tragenden Parameter genommen werden muss. Deswegen werden die umwandlungsgesetzlichen Gestaltungsmodalitäten im Folgenden von besonderem Interesse sein – zumal sie sich nicht auf übertragende Umwandlungen beschränken, sondern auch den identitätswahrenden Rechtsformwechsel nach den §§ 190 ff. UmwG umfassen. Zugleich wird aber dieser einführende Überblick auch Alternativen zum Einsatz des Umwandlungsgesetzes aufzeigen, die im Einzelfall aus vielgestaltigen Gründen vorzugswürdig sein können. Nicht zuletzt müssen auch mitbestimmungsstrategische Aspekte in diese Abwägung Eingang finden, so zum Beispiel die Frage, ob der Geltungsbereich mitbestimmungsrechtlicher Fortgeltungsklauseln (etwa § 325 Abs. 1 UmwG oder Arbeitnehmerzurechnungsnormen für Sachverhalte mit Konzernbezug) umgangen werden kann. Unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, wird indessen erst am Anschluss bei der Darstellung der konkreten Gestaltungsvorschläge erläutert.

A. Systematik des Umwandlungsrechts Vor der Schaffung des Umwandlungsgesetzes 1994 verstand das Gesetz unter Umwandlungen, Verschmelzungen und Vermögensübertragungen begrifflich gegensätzliche Formen der Unternehmensumstrukturierung1. Als Umwandlung wurde allein der Wechsel der Rechtsform bezeichnet, so dass sämtliche Akte der Vermögensüberführung auf einen anderen Rechtsträger nicht erfasst werden konnten. Mit dieser Terminologie bricht insofern § 1 Abs. 1 UmwG. Er stellt im ersten Buch des Umwandlungsgesetzes den Begriff der Umwandlung als Oberbegriff2 für alle strukturändernden Maßnahmen im Sinne des Gesetzes ___________ 1 Differenziert wurde im Rahmen der alten Gesetzessystematik zwischen Umwandlungen gemäß §§ 362 ff. AktG a.F., §§ 1 ff. UmwG 1969, Verschmelzungen gemäß §§ 339 ff. AktG a.F., §§ 19 ff. KapErhG 1959 und Vermögensübertragungen nach §§ 359 ff. AktG a.F. Die Spaltung war als Umstrukturierungsmaßnahme grundsätzlich ausgeschlossen und kam nur ausnahmsweise nach dem Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen (SpTrUG) vom 05.04.1991, sog. kleines Spaltungsgesetz, in Betracht, vgl. Heidenhain, NJW 1995, S. 2873; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 II 3 mit w. Nachw.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793). 2 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 1; Schnorbus, DB 2001, S. 1654 (1656); Schwarz, DStR 1994, S. 1694 (1695); Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 9; vgl. auch Zöllner, AG 1994, S. 336 (340).

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

195

heraus. Eine tatsächliche Definition der Umwandlung bleibt er indessen schuldig; vielmehr zählt er die nach dem Umwandlungsrecht möglichen Umwandlungsarten abschließend auf3. Das Umwandlungsgesetz kennt folgende Gestaltungsmittel:    

die Verschmelzung4 (§§ 2 bis 122 UmwG), die Spaltung5 (§§ 123 bis 173 UmwG), die Vermögensübertragung6 (§§ 174 bis 189 UmwG) und den Formwechsel7 (§§ 190 bis 304 UmwG).

Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 2 UmwG, die entsprechend dem gesellschaftsrechtlichen Typenzwang einen numerus clausus des Umwandlungsrechts sowie ein Analogieverbot vorsieht8, und der Erklärung der Regeln des Umwandlungsgesetzes zu nicht disponiblem Recht in § 1 Abs. 3 UmwG9 schließt bereits das erste Buch gleichsam als Allgemeiner Teil des Umwandlungsgesetzes10. In den folgenden Büchern werden die einzelnen Umwandlungsarten präzisiert sowie der im Rahmen ihrer Durchführung erforderliche Gläubigerund Minderheitenschutz sichergestellt11.

___________ 3 Vgl. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 13 sowie die Übersicht unter Rdnr. 74; Lüttge, NJW 1995, S. 417 (418); Steuck, NJW 1995, S. 2887. 4 Vgl. dazu B. I. sowie die Übersicht: Verschmelzung unten E. V. 1. 5 Vgl. dazu unten B. II. sowie die Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung unten E. V. 2. und die Übersicht: Ausgliederung unten E. V. 3. 6 Vgl. dazu unten B. III. 7 Vgl. dazu unten B. IV. sowie die Übersicht: Formwechsel unten E. V. 4. 8 Vgl. dazu unten D. I. 9 Vgl. dazu Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnrn. 92 ff. mit w. Nachw. 10 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 2 Rdnr. 1; Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnr. 6. 11 Vgl. zum Gläubigerschutz Lenz, Gesellschafter- und Gläubigerschutz bei dem Formwechsel einer oHG in eine GmbH (2000); Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht (2001); Petersen, Konzern 2004, S. 185 ff.; K. Schmidt, ZGR 1993, S. 366 ff.; Simon, Konzern 2004, S. 191 ff.; vgl. zum Minderheitenschutz Hommelhoff, ZGR 1993, S. 452 ff.; Lenz, a.a.O.; vgl. ferner zu den arbeitsrechtlichen Besonderheiten die Überblicke von Bachner, NJW 1995, S. 2881 ff.; Bauer/Lingemann, NZA 1994, S. 1057 ff.; Däubler, RdA 1995, S. 136 ff.; Düwell, NZA 1996, S. 393 ff.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 ff.; Wlotzke, DB 1995, S. 40 ff.

196

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

B. Die einzelnen Umwandlungsarten I. Die Verschmelzung Im zweiten Buch des Umwandlungsgesetzes (§§ 2 bis 122 UmwG) wird zunächst die Verschmelzung (auch: Fusion12) geregelt. Nachdem in den Bestimmungen über die anderen Umwandlungsarten weitgehend auf die Verschmelzung verwiesen wird, bildet sie sozusagen das Kernstück des Gesetzes13. Verschmelzung meint im Grundsatz die Zusammenfassung der Vermögen zweier oder mehrerer Rechtsträger zu einem einzigen14. Charakteristisch ist zum einen, dass die ihr Vermögen übertragenden Rechtsträger ohne Liquidation erlöschen15 und ihren Anteilsinhabern nunmehr Anteilsrechte an dem die Altvermögen aufnehmenden Rechtsträger gewährt werden16. Zum anderen herauszuheben ist die Art und Weise der Vermögensübertragung. Das Umwandlungsgesetz eröffnet dem übertragenden Rechtsträger die Möglichkeit, statt eines Rückgriffs auf die nach dem sachenrechtlichen Spezialitätsprinzip für jeden einzelnen Vermögensgegenstand einschlägigen Übertragungsvorschriften das Vermögen als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen zu lassen17. Der § 2 UmwG unterscheidet zwischen zwei Arten der Verschmelzung, nämlich zwischen der Verschmelzung im Wege der Aufnahme gemäß den §§ 2 Nr. 1, 4 bis 35 UmwG und der Verschmelzung im Wege der Neugründung gemäß den §§ 2 Nr. 2, 36 bis 38 UmwG. ___________ 12

So z.B. Kübler, Gesellschaftsrecht, § 26 I 1 a. A. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, B VI 1 mit w. Nachw. 14 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 III 1 a; Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rdnr. 3; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 2 Rdnr. 3. 15 Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 2 Rdnr. 11; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 2 Rdnr. 23; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 2 Rdnrn. 10, 11; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnr. 1; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 2 Rdnr. 11.1.5; Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rdnrn. 37 f. 16 Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 2 Rdnr. 21; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 2 Rdnr. 22; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 2 Rdnr. 12; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnr. 1; Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 56; Schwarz in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 2 Rdnr. 11.1.4; Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rdnr. 40; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 2 Rdnr. 14. 17 Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 2 Rdnr. 17; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 2 Rdnr. 21; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnr. 1; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 2 Rdnr. 11.1.3; Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rdnr. 35; vgl. zum Rechtsinstrument der Gesamtrechtsnachfolge auch unten C. II. 13

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

197

1. Verschmelzung zur Aufnahme Gemäß § 2 Nr. 1 UmwG können beliebig viele Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) ihr Vermögen auf einen anderen bereits bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger) im Wege der Universalsukzession übertragen. Dies hat zur Folge, dass die übertragenden Rechtsträger ohne Abwicklung erlöschen und ihre Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten sich mit dem des übernehmenden Rechtsträgers vereinen18. Die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger werden nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrags Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG. AntE 1

AntE 2

Übertr. Rechtsträger

Übern. Rechtsträger

Abbildung 7.1: Rechtslage vor der Verschmelzung zur Aufnahme

AntE 1

AntE 2

Übern. Rechtsträger

Abbildung 7.2: Rechtslage nach der Verschmelzung zur Aufnahme

2. Verschmelzung zur Neugründung Bei der Verschmelzung zur Neugründung gemäß § 2 Nr. 2 UmwG überführen mindestens zwei übertragende Rechtsträger nach den oben beschriebenen Maßstäben ihr Vermögen auf einen neu zu gründenden Rechtsträger. Die Neugründung des übernehmenden Rechtsträgers ist Element des Verschmelzungsvertrags19. Nicht denkbar ist die Verschmelzung eines einzigen Rechtsträgers auf einen neu zu gründenden. Das Gesetz setzt zwingend einen Verschmelzungsvertrag20 und damit einen Vertragsgegner voraus, § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Ein „Verschmelzungsplan“21 existiert nicht und ist auch nicht notwen___________ 18 Insofern ist die gängige Formulierung, die Rechtsfolge der Verschmelzung bestehe in der „Zusammenführung mehrerer Rechtsträger zu einem einzigen“, dogmatisch unpräzise. Zusammengefasst werden lediglich die bisher getrennten Vermögensmassen verschiedener Rechtsträger, während die übertragenden Rechtsträger als solche erlöschen. Vgl. aber Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnr. 9; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 2 Rdnr. 9. 19 Vgl. Mayer, DB 1995, S. 861 (862 f.). 20 Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 159. 21 Vgl. aber Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, der gerade die Terminologie

198

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

dig, da das gewünschte Ergebnis über einen Rechtsformwechsel zu erreichen ist22. Die Rechtsfolgen der Verschmelzung zur Neugründung gleichen denen der Verschmelzung zur Aufnahme: Die übertragenden Rechtsträger erlöschen unabhängig von einer Liquidation, und ihre Anteilsinhaber erhalten nunmehr Anteile am neu gegründeten Rechtsträger. Die Verschmelzung im Wege der Neugründung führt dazu, dass ein neuer Rechtsträger entsteht. Um die Anforderungen des jeweils einschlägigen Gesellschaftsrechts an die Gründung neuer Gesellschaften nicht zu unterlaufen, bestimmt § 36 Abs. 2 Satz 1 UmwG, dass die Rechtsvorschriften, die für die Gründung eines Rechtsträgers der im Verschmelzungsvertrag gewählten Rechtsform gelten, auch bei der Verschmelzung zur Neugründung berücksichtigt werden müssen, es sei denn, das Umwandlungsgesetz gestattet ausnahmsweise und ausdrücklich eine Abweichung (so zum Beispiel in §§ 58 Abs. 2, 75 Abs. 2 UmwG). Soll der neue Rechtsträger als Kapitalgesellschaft organisiert sein, so bedeutet dass insbesondere, dass die Normen betreffend die Aufbringung eines bestimmten Mindestgesellschaftskapitals Anwendung finden23. AntE 1

Übertr. Rechtsträger 1

AntE 2

(Neu zu gründender) Übern. Rechtsträger

Übertr. Rechtsträger 2

Abbildung 7.3: Rechtslage vor der Verschmelzung zur Neugründung

___________ „Verschmelzungsplan“ verwendet, in der Sache aber von einem gemeinsamen Verschmelzungsplan und damit wie das geltende nationale Recht von der Beteiligung mehrerer bestehender Rechtsträger am Verschmelzungsvorgang ausgeht. Auch die Verschmelzungsrichtlinie kennt sowohl eine Verschmelzung im Wege der Aufnahme als auch eine Verschmelzung im Wege der Neugründung (Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie). 22 Vgl. dazu unten B. IV. 1.: Die Auflösung eines ursprünglichen Rechtsträgers im Anschluss an die Überführung seines gesamten Vermögens auf einen bis dahin nicht existenten Rechtsträger anderer Rechtsform, dessen Anteile vollständig in den Händen der Anteilseigner des ursprünglichen Rechtsträgers liegen, entspricht im Ergebnis dem bloßen Wechsel der Rechtsform. 23 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 27.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien AntE 1

199

AntE 2

(Neu gegründeter) Übern. Rechtsträger

Abbildung 7.4: Rechtslage nach der Verschmelzung zur Neugründung

Wollen etwa zwei als GmbH verfasste Unternehmen fusionieren, so kann im Wege der Verschmelzung zur Aufnahme einer der Rechtsträger sein Vermögen auf den anderen übertragen. So erlischt nur der übertragende Rechtsträger ohne Liquidationsverfahren und seine Gesellschafter werden solche der übernehmenden GmbH. Auf der anderen Seite können auch beide Gesellschaften im Verschmelzungsvertrag die Gründung eines neuen Rechtsträgers beschließen, auf den sie ihre Vermögen unter Auflösung beider Ausgangsgesellschaften überführen. Eine solche Vorgehensweise kann etwa angebracht sein, um das gemeinsame Unternehmen künftig in einer anderen Rechtsform zu betreiben. Ist nach der Verschmelzung ein Börsengang vorgesehen, so hindert die Organisation des übernehmenden Rechtsträgers als GmbH dieses Vorhaben und macht es erforderlich, im Anschluss an die Verschmelzung im Wege der Aufnahme in einem zweiten Umwandlungsschritt einen Rechtsformwechsel des übernehmenden Rechtsträgers in eine Aktiengesellschaft durchzuführen. In diesem Fall können Zeit und Geld gespart werden, wenn beide Unternehmen unmittelbar zu einer neu zu gründenden Aktiengesellschaft verschmolzen werden. Aber auch psychologische Faktoren dürfen bei der Rollenverteilung von übertragendem und übernehmendem Rechtsträger nicht unterschätzt werden. In der Regel signalisiert nämlich die Stellung als übernehmender Rechtsträger nach außen hin die wirtschaftliche Überlegenheit des so eingesetzten Fusionsteilnehmers, während der übertragende Rechtsträger als das schwächere Unternehmen (Juniorpartner des Verschmelzungsvorgangs) betrachtet wird, welches der übertragende Rechtsträger „schluckt“. Derartige Rückschlüsse lässt eine Verschmelzung im Wege der Neugründung hingegen nicht unbedingt zu. Bedienen sich die Fusionspartner aus diesem Gesichtspunkt heraus der Verschmelzung zur Neugründung, so spricht man von einem merger among equals, das heißt einem Zusammenschluss unter Gleichen24. ___________ 24 Vgl. z.B. Böx in: BeckMandHandbuch Unternehmenskauf, § 1 Rdnr. 238; Horn, ZIP 2000, S. 473 (474, 478) unter Hinweis auf die Verhandlungen zu den Fusionen Daimler-Benz/Chrysler und Hoechst/Rhône-Poulenc (Aventis). Einer Verschmelzung im Sinne des UmwG stand in diesen Fällen angesichts der grenzüberschreitenden Sachverhalte aber damals noch § 1 Abs. 1 UmwG entgegen, so dass tatsächlich jeweils asymmetrische Konzernstrukturen geschaffen wurden.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

3. Verschmelzungsfähige Rechtsträger Ein an einer Fusion im umwandlungsgesetzlichen Sinne beteiligter Rechtsträger kann gemäß § 3 Abs. 1 UmwG ausschließlich in folgenden Rechtsformen betrieben werden25:  Personenhandelsgesellschaft (oHG, KG) und Partnerschaftsgesellschaft, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG,  Kapitalgesellschaft (GmbH, AG, KGaA), § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG,  eingetragene Genossenschaft, § 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG,  eingetragener Verein, § 3 Abs. 1 Nr. 4 UmwG,  genossenschaftlicher Prüfungsverband, § 3 Abs. 1 Nr. 5 UmwG sowie  Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, § 3 Abs. 1 Nr. 6 UmwG. Außerdem können gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 UmwG – lediglich in der Rolle des übertragenden Rechtsträgers – ein wirtschaftlicher Verein im Sinne des § 22 BGB und gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG – lediglich als übernehmender Rechtsträger – eine natürliche Person, die als Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft deren Vermögen übernimmt, am Verschmelzungsvorgang teilnehmen. Aus § 3 Abs. 3 UmwG ergibt sich schließlich, dass die Verschmelzungsfähigkeit der genannten Rechtsträger nicht einmal durch deren Auflösung26 gehindert wird, wenn und solange nur theoretisch die Gesellschaftsfortsetzung27 beschlossen werden kann. 4. Sonderfälle der Verschmelzung: Überblick über die Begrifflichkeiten Abschließend soll ein kurzer Überblick über besondere Konstellationen des Fusionsrechts gegeben werden. Die dargestellten Sonderfälle sind in der Rechtspraxis häufig anzutreffen und schon aus diesem Grund oder aber wegen ihrer rechtlichen Folgeprobleme unter besonderen, der englischen Rechtssprache entnommenen Bezeichnungen bekannt. Im Einzelnen erörtert werden der sidestream bzw. sidestep merger (Verschmelzung von Schwestergesellschaften)28, der upstream merger (Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf ihre

___________ 25

Vgl. dazu auch die Übersicht: Verschmelzung unten E. V. 1. Vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V. 27 Vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 5. 28 Vgl. dazu unten a). 26

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

201

Muttergesellschaft)29 und der downstream merger (Verschmelzung einer Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft)30. Gemein ist diesen Fusionsfällen, dass es sich jeweils (üblicherweise) um Verschmelzungen von Rechtsträgern innerhalb einer einheitlichen Konzernstruktur handelt31. Insbesondere dienen die nachstehenden Ausführungen einer Einführung in die Begrifflichkeiten, die im weiteren Verlauf der Untersuchung wiederholt eine Rolle spielen werden. Deswegen sind sie bewusst kurz gehalten. Von einer umfassenden Darstellung der mit dem jeweiligen Verschmelzungsvorgang einhergehenden umwandlungsrechtlichen Problemkreise wird mangels Relevanz für die vorliegende Untersuchung abgesehen. a) Die Verschmelzung von Schwestergesellschaften (sidestream merger) aa) Der gesellschaftsrechtliche Sachverhalt Unter dem Begriff sidestream merger versteht man die Verschmelzung von Schwestergesellschaften, also solchen Gesellschaften, deren Anteile bei identischer Verteilung in den Händen der gleichen Anteilseigner liegen. Klassisches Beispiel ist die Verschmelzung zweier Tochtergesellschaften, deren Gesellschaftsanteile jeweils zu einhundert Prozent in den Händen derselben Muttergesellschaft liegen. Selbstverständlich ist aber auch denkbar, dass eine oder mehrere natürliche Personen Anteile an den Schwestergesellschaften halten. Noch einmal: Entscheidend für die Einstufung von Gesellschaften als Schwestern ist allein, dass sich bei keiner Gesellschaft ein Anteilseigner findet, der nicht auch Anteile an der jeweils anderen Gesellschaft hält, und dass auch die Verteilung der Geschäftsanteile (Anteilsquote) zwischen den einzelnen Anteilseignern bei den jeweiligen Gesellschaften deckungsgleich ist32. bb) Keine Ausnahme von der Pflicht zur Anteilsgewährung Ein Folgeproblem stellt sich bei der Verschmelzung von Schwestergesellschaften auf der Seite der Gegenleistung für die Übertragung des Gesellschaftsvermögens vom Ausgangs- auf den Zielrechtsträger. Das Umwandlungsgesetz sieht – wie dargestellt – grundsätzlich die Gewährung von Gesellschaftsanteilen oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger an die ___________ 29

Vgl. dazu unten b). Vgl. dazu unten c). 31 Vgl. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnrn. 11. ff. Beim sidestream merger ist nicht notwendig ein Konzernsachverhalt gegeben. 32 Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 41. 30

202

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers vor. Fraglich ist, ob von dieser Pflicht zur Gegenleistung und der zu ihrer Durchführung im Falle einer übernehmenden Kapitalgesellschaft notwendigen Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger im Falle des sidestream mergers nicht eine Ausnahme gemacht werden kann, da sämtliche Anteilseigner des Ausgangsrechtsträgers denknotwendig schon im richtigen Verhältnis am Zielrechtsträger beteiligt sind. Das liegt gerade im Wesen der Schwestergesellschaften. Gegen diese im Grundsatz zutreffende Erwägung spricht indessen, dass das Umwandlungsgesetz – anders als etwa beim upstream merger (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 UmwG) – keine ausdrückliche Ausnahme für die Schwesternfusion vorsieht und auch die Regierungsbegründung zu § 54 UmwG offensichtlich von einer Pflicht zur Anteilsgewährung beim sidestream merger ausgeht33. Sicherheitshalber werden deshalb in der Praxis zumindest eine geringe Erhöhung des Stamm- bzw. Grundkapitals und eine Auskehrung entsprechender neuer Anteilsrechte am übernehmenden Rechtsträger durchgeführt34. Diesem Schema wird auch im Laufe der weiteren Untersuchung gefolgt. b) Die Verschmelzung der Tochter- auf die Muttergesellschaft (upstream merger) aa) Der konzernrechtliche Sachverhalt Die Bezeichnung upstream merger beschreibt den Fusionsfall, in dem eine Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft verschmolzen wird. Auf diese Weise wird die Tiefe der Konzernstruktur reduziert und der Konzern somit übersichtlicher gestaltet. Der upstream merger ist das direkte Spiegelbild zum unten noch zu besprechenden Fall der Ausgliederung35. § 120 Abs. 1 UmwG regelt mit der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf ihren einzigen Gesellschafter oder Aktionär nur einen verwandten Fall, ___________ 33

Vgl. BR-Drucks. 75/94, S. 101. Vgl. ausführlich Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 30; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnrn. 16, 26 ff.; Heidinger, DNotZ 1999, S. 161 ff.; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnrn. 227 f., 249 ff.; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnr. 9; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnrn. 41 ff.; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 54 Rdnr. 10; Tillmann, GmbHR 2003, S. 740 (743 ff.); vgl. aus der Rechtsprechung einerseits KG Berlin 22.09.1998 – 1 W 4389/97, DB 1998, S. 2511 ff.; OLG Frankfurt/M. 10.03.1998 – 20 W 60/98, DB 1998, S. 917 ff., andererseits LG München I 22.01.1998 – 17 HKT 623/98, BB 1998, S. 2331 = GmbHR 1999, S. 35 = NJW-RR 1999, S. 398 = WM 1999, S. 1683 = WuB II N § 46 UmwG 2.99 b mit Anm. Borges. 35 Vgl. dazu unten II. 1. c). 34

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

203

erfasst den upstream merger im hier dargestellten Sinne aber nicht, weil die §§ 120 ff. UmwG lediglich von einer natürlichen Person in der Rolle des Anteilsinhabers ausgehen36. bb) Das Verbot der Anteilsgewährung und der Kapitalerhöhung Da beim upstream merger der übernehmende Rechtsträger von vornherein Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ist, greift bezüglich der eigentlich im Synallagma zur Vermögensübertragungspflicht stehenden Anteilsgewährungspflicht die Sonderbestimmung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 UmwG37. Dieser stellt klar, dass der übernehmende Rechtsträger keine Anteile zu gewähren hat – genauer: dass er keine Anteile gewähren darf –, würde dies doch zu der paradoxen Situation führen, dass die aufnehmende Muttergesellschaft sich Anteilsrechte an sich selbst gewährt38. Ferner soll auf diese Weise ein Konfusionstatbestand verhindert werden39. Das beschriebene Verbot gilt unabhängig von der Rechtsform, in welcher der übernehmende Rechtsträger betrieben wird. Die Kapitalerhöhungsverbote für die besonderen Rechtsformen der GmbH in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwG40 und der Aktiengesellschaft in § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwG41 unterstreichen die allgemeine Untersagung in § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG42. Dieser materiellen Rechtslage folgend befreit § 5 Abs. 2 UmwG die Vertragsparteien für den Fall der Verschmelzung einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft auf ihre Mutter von der Pflicht, in den Verschmelzungsvertrag die Angaben über die Umtauschanteile, die Umtauschrelation, die Einzelheiten der Anteilsübertragung sowie den Zeitpunkt, von dem an die Anteile einen Anspruch auf einen Anteil am Bilanzgewinn gewähren, (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 UmwG) aufzunehmen43. ___________ 36

Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 29. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 20. 38 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 33; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 13; Ihrig, ZHR 160 (1996), S. 317 (327); Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 231; Maier-Reimer, GmbHR 2004, S. 1128; Simon, Konzern 2004, S. 191 (192). 39 BayObLG 05.12.1983 – BReg. 3 Z 168/83, DB 1984, S. 285 f.; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 54 Rdnr. 4; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 54 Rdnr. 13; Simon, Konzern 2004, S. 191 (192); Stratz in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 54 Rdnr. 3; siehe aber auch Winter in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 54 Rdnr. 5; vgl. zur Konfusion unten § 8 D. IV. 1. b) cc). 40 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 12. 41 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 12. 42 Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 30. 43 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 21; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 344. 37

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

c) Die Verschmelzung der Mutter- auf die Tochtergesellschaft (downstream merger) aa) Der konzernrechtliche Sachverhalt Unter einem downstream merger schließlich versteht man die Verschmelzung einer Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft. Auf den ersten Blick ist sie also ohne weiteres vergleichbar mit der soeben beschriebenen Situation des upstream mergers. Es sind lediglich die Rollen des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers genau umgekehrt auf die Mutter- und die Tochtergesellschaft verteilt. bb) Anteilsgewährungspflicht und Kapitalerhöhungswahlrecht Auch in dieser Konstellation existieren Besonderheiten im Hinblick auf die Pflicht zur Anteilsgewährung. Die Pflicht als solche hebt das Umwandlungsgesetz zwar nicht auf. Insofern ist die Situation wegen der geänderten Verschmelzungsrichtung eben nicht parallel zu derjenigen des upstream mergers ausgestaltet. Allerdings bestehen für die GmbH in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (beachte aber auch § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 344) UmwG und für die Aktiengesellschaft in § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (beachte aber auch § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 345) UmwG Sonderregelungen, die auch hier eine Verschmelzung ohne Kapitalerhöhung ermöglichen46. Danach braucht die übernehmende Tochtergesellschaft ihr Stamm- bzw. Grundkapital nicht zu erhöhen, soweit die übertragende Muttergesellschaft ihre Einlagen bzw. ihren Ausgabebetrag auf die an der Tochter gehaltenen Anteile bereits voll geleistet hat. In diesem Fall fließen die von der Mutter gehaltenen Anteile im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gerade dem Vermögen der übernehmenden Tochtergesellschaft zu und können daher ihrerseits an die Anteilseigner der Muttergesellschaft gewährt werden. Einer Kapitalerhöhung bedarf es dann nicht – auf der anderen Seite ist sie aber auch nicht verboten. Ob sie durchgeführt wird oder nicht, kann durch die Parteien im Verschmelzungsvertrag privatautonom geregelt werden. Man spricht von einem Kapitalerhöhungswahlrecht. ___________ 44

Vgl. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 24. Vgl. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 24. 46 Vgl. Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 37; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 238; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 26 i.V.m. Rdnr. 37; Winter in: Lutter/ Winter, UmwG Bd. I, § 54 Rdnrn. 13 f. 45

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

205

Selbst in dem Fall, in dem sich die Tochtergesellschaft entscheidet, die von der Muttergesellschaft erhaltenen Anteile an die Anteilsinhaber der Muttergesellschaft zu gewähren und deshalb von einer Kapitalerhöhung abzusehen, entspricht es der mittlerweile herrschenden Auffassung im Schrifttum, dass die Gesellschaftsanteile die Anteilseigner der Mutter nicht erst im Wege eines Durchgangserwerbs der Tochter erreichen. Vielmehr wird ein Direkterwerb der Anteilseigner angenommen47, so dass die Anteile auch nicht für eine logische Sekunde Element der Vermögensmasse der Tochtergesellschaft werden. II. Die Spaltung Die Spaltung ist geregelt in §§ 123 bis 173 UmwG. Sie stellt sich gleichsam als Spiegelbild des Verschmelzungsvorganges dar48. Während es bei der Verschmelzung um die Zusammenführung mehrerer Vermögensmassen auf einen einheitlichen Rechtsträger geht, beschreibt die Spaltung gerade eine Prozedur, welche die Aufteilung eines bisher einheitlichen Gesellschaftsvermögens auf verschiedene Rechtsträger erreicht49. Auch zu diesem Zweck stellt das Umwandlungsgesetz die Möglichkeit der Gesamtrechtsnachfolge zur Verfügung50. In den Definitionen des § 123 UmwG kommt dies durchgehend durch die Formulierung der Übertragung von Vermögensteilen „als Gesamtheit“ zum Ausdruck51. Da Ziel des Spaltungsvorganges jedoch gerade ist, nur bestimmte Teile einer Vermögensmasse zu übertragen52 und nicht das vollständige Vermögen, spricht man vom Rechtsinstitut der teilweisen bzw. partiellen Gesamtrechtsnachfolge53 oder schlicht von einer Sonderrechtsnachfolge54. ___________ 47

Vgl. in diesem Sinne beispielsweise Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 37; Winter in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 54 Rdnr. 14; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 54 Rdnr. 8; Korte, WiB 1997, S. 953 (956); Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 38. 48 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 26 III 1; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1452; Pfaff, Die Reichweite arbeitsrechtlicher Angaben im Umwandlungsvertrag, B III 2 b; Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 60; Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 75; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793): Fall einer „Verschmelzung rückwärts“; vgl. ferner BR-Drucks. 75/94, S. 115; vgl. auch speziell zur Aufspaltung Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/ Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 3 mit Hinweis auf Dörrie, WiB 1995, S. 1 (2) und Lüttge, NJW 1995, S. 417 (421). 49 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 II 3 a mit w. Nachw. 50 Vgl. dazu unten C. II. 51 Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 2. 52 Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnr. 15: Grundsatz freier Zuordnung. 53 So z.B. Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnr. 15; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 2 Rdnr. 110 i.V.m. § 7 Rdnrn. 5 ff.;

206

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Die übertragenen Vermögensmassen bilden in der Gestaltungspraxis regelmäßig schon beim Ausgangsrechtsträger einheitliche Geschäftsbereiche, Betriebe oder Betriebsteile und bestehen als solche auch beim übernehmenden Rechtsträger fort55. Theoretisch sind die Parteien aber frei in der Entscheidung, welche Vermögenselemente sie zu einem „Gesamtpaket“ zusammenfassen wollen, um es auf den Zielrechtsträger übergehen zu lassen. 1. Die Varianten der Spaltung Nach § 123 Abs. 1 bis 3 UmwG ist zwischen drei Arten der Spaltung zu unterscheiden, und zwar zwischen  der Aufspaltung56 (§ 123 Abs. 1 UmwG),  der Abspaltung57 (§ 123 Abs. 2 UmwG) und  der Ausgliederung58 (§ 123 Abs. 3 UmwG). a) Die Aufspaltung Die gesetzliche Regelung findet sich in § 123 Abs. 1 UmwG. Im Wege der Aufspaltung eines Rechtsträgers wird dessen gesamtes Vermögen auf mindestens zwei andere Rechtsträger jeweils als Gesamtheit überführt. Damit erlischt der übertragende Rechtsträger unabhängig von einer Liquidation. Den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers werden gemäß dem Spaltungs- und Übernahmevertrag bzw. dem Spaltungsplan Anteile an den übernehmenden Rechtsträgern gewährt59. ___________ Heidenhain, NJW 1995, S. 2873; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1469; vgl. ausführlich K. Schmidt, AcP 191 (1991), S. 495 (510 ff.); Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnrn. 69, 75 ff. Diese Möglichkeit der teilweisen Gesamtrechtsnachfolge ist einzigartig im deutschen Recht. Vgl. allerdings § 58 UmwG a.F., welcher der Gestaltungspraxis zumindest für den Sonderfall der Umwandlung eines Einzelkaufmanns funktionell die Möglichkeit einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge antrug. 54 Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 2. 55 Vgl. Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793); Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 76. 56 Englisch: split-up. 57 Englisch: spin-off. 58 Englisch: drop-down. 59 Doetsch/Rühmann/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 75, J Rdnr. 138; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 67; Goutier in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 123 Rdnr. 7; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien AntE 1

AntE 3

AntE 2

Übern. Rechtsträger 1

Übertr. Rechtsträger

Übern. Rechtsträger 2

207

Abbildung 7.5: Rechtslage vor der Aufspaltung (zur Aufnahme) AntE 1

AntE 3

Übern. Rechtsträger 1

AntE 2

Übern. Rechtsträger 2

Abbildung 7.6: Rechtslage nach der Aufspaltung (zur Aufnahme)

b) Die Abspaltung Bei der Abspaltung (§ 123 Abs. 2 UmwG) überführt der übertragende Rechtsträger einen Teil seines Vermögens bzw. mehrere Vermögensteile auf einen bzw. mehrere übernehmende Rechtsträger. Auch hier werden im Gegenzug den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers Anteilsrechte an den übernehmenden Rechtsträgern gewährt. Der charakteristische Unterschied zur Aufspaltung besteht darin, dass ein Teil des ursprünglichen Vermögens beim übertragenden Rechtsträger erhalten bleibt. Deshalb kann dieser auch nicht erlöschen, sondern besteht mit geminderter Vermögensmasse fort60. ___________ § 123 Rdnr. 6; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 7; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 3; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 123 Rdnr. 5.3; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 12; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 19; Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 60 mit w. Nachw.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793); vgl. Ganske, WM 1993, S. 1117 (1118). 60 Doetsch/Rühmann/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 76, J Rdnr. 138; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 69; Goutier in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 123 Rdnr. 9; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 9; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 9; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 9; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, § 123 Rdnr. 5.4; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 14; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 20, § 131 Rdnr. 4; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793).

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

208

AntE 1

AntE 2

AntE 1

AntE 2

Übertr. Rechtsträger

Übern. Rechtsträger

Übertr. Rechtsträger

Übern. Rechtsträger

Abbildung 7.7: Rechtslage vor der Abspaltung (zur Aufnahme)

Abbildung 7.8: Rechtslage nach der Abspaltung (zur Aufnahme)

c) Die Ausgliederung Bei der Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG) entspricht der Prozess des Transfers von Vermögensteilen dem der Abspaltung61. Insbesondere muss zwingend zumindest ein Vermögensteil beim übertragenden Rechtsträger verbleiben, so dass sein Erlöschen aufgrund des Übertragungsvorgangs nicht in Betracht kommt. Der Unterschied zur Abspaltung wird deutlich mit Blick auf die Gegenleistung: Die Anteile oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger sind nicht etwa den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers zu gewähren, sondern dem übertragenden Rechtsträger selbst62. Deshalb vermindert sich auch das Gesellschaftsvermögen des übertragenden Rechtsträgers nicht63. Bilanziell findet lediglich ein Aktivtausch – Vermögensgegenstände gegen Anteile – statt64. Bei der Ausgliederung wird also die Zielgesellschaft gleichsam „unter

___________ 61

Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 22; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (794). 62 Doetsch/Rühmann/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B rdnr. 77, J Rdnr. 138; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 163; Goutier in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 123 Rdnr. 10; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 11; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnrn. 10, 11; Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 16; Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 317; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 15; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 123 Rdnr. 5.5; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 15; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 23; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (794). 63 Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 16; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 23. 64 Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1463 mit w. Nachw.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

209

die Ausgangsgesellschaft gehängt“65. Dies führt bei der Ausgliederung im Wege der Neugründung einer Zielgesellschaft stets dazu, dass der übernehmende Rechtsträger zur einhundertprozentigen Tochtergesellschaft des übertragenden Rechtsträgers wird und sich somit die Konzernstruktur vertieft66. Bei der Ausgliederung im Wege der Aufnahme ergibt sich infolge der mit der Vermögensübertragung korrespondierenden Anteilsgewährung in der Regel ebenfalls ein Mutter-Tochter-Verhältnis zwischen Ausgangs- und Zielrechtsträger. Dessen Grad hängt von der Wertrelation der auf den Zielrechtsträger übergehenden Vermögensmasse und dem bei diesem schon vorhandenen Gesellschaftsvermögen ab. Ist der durch die Ausgliederung bewirkte Zugewinn an Gesellschaftsvermögen gemessen am bereits bestehenden Gesellschaftskapital nicht oder kaum der Rede Wert, so wird der Ausgangsrechtsträger als adäquate Gegenleistung auch nur in einem geringen Maße an der aufnehmenden Gesellschaft beteiligt werden können. Die Rechtslage vor der Ausgliederung (zur Aufnahme) entspricht der in Abbildung 7.7 dargestellten Rechtslage vor einer Abspaltung (zur Aufnahme)67. AntE 1

AntE 2

Übertr. Rechtsträger

Übern. Rechtsträger

Abbildung 7.9: Rechtslage nach der Ausgliederung (zur Aufnahme)

Gesetzt sei der Fall, eine offene Handelsgesellschaft teilt ihr Gesellschaftsvermögen in zwei Teile auf. Den einen überträgt sie nach dem Spaltungsvertrag auf eine bestimmte GmbH, den anderen auf eine bestimmte Kommanditgesellschaft. Da kein Gesellschaftsvermögen bei der oHG verbleibt, liegt eine Aufspaltung vor. Die Ausgangsgesellschaft erlischt. Ihre Gesellschafter werden solche der übernehmenden GmbH und KG. Wird hingegen nur der erste Teil des Vermögens auf die GmbH überführt, während der zweite Teil bei der oHG verbleibt, so kommen nur eine Abspaltung oder eine Ausgliederung in Frage. Welche dieser Spaltungsformen vorliegt, richtet sich danach, ob nach dem ___________ 65

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 II 3 a mit w. Nachw.; vgl. auch Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 16; Teichmann, AG 1980, S. 85. 66 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 16; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 115. 67 Siehe oben b).

210

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Parteiwillen im Gegenzug für die Vermögensübertragung die Gesellschafter der oHG Gesellschafter der GmbH werden oder die oHG selbst. 2. Spaltung zur Aufnahme und zur Neugründung Jeder der genannten Spaltungsvorgänge kann, insofern angelehnt an das Konzept der Verschmelzung68, entweder zur Aufnahme durch einen oder mehrere bereits bestehende Rechtsträger erfolgen (§§ 126 bis 134 UmwG) oder durch Vermögensübertragung auf einen oder mehrere im Rahmen des Spaltungsverfahrens neu gegründete Rechtsträger (§§ 135 bis 137 UmwG)69. § 123 Abs. 4 UmwG stellt dabei klar, dass auch eine gleichzeitige Übertragung auf bestehende und neue Rechtsträger in Betracht kommt. Einer Übertragung auf eine bereits bestehende Gesellschaft ist dabei ein fusionsähnlicher Charakter immanent, während die Spaltung auf einen oder mehrere erst zu gründende Rechtsträger die gegenteilige Wirkung hat70. Eine Kombination der genannten Spaltungsmaßnahmen ist dabei ohne weiteres zulässig, ohne dass ein Verstoß gegen den in § 1 Abs. 2 UmwG verankerten Numerus clausus des Umwandlungsrechts in Betracht kommt71. Solche Vertragsmodelle sind zum Beispiel bei der Begründung oder Änderung von Konzernstrukturen denkbar, so etwa, wenn ein Unternehmen einen Vermögensteil auf eine neu gegründete Tochtergesellschaft ausgliedert und zugleich die im Gegenzug erhaltenen Anteile an der Tochter auf eine andere in den Konzern eingegliederte Gesellschaft abspaltet. Die besondere Konstellation einer Ausgliederung im Wege der Neugründung wird dabei bisweilen mit der selbständigen Bezeichnung „Ausgründung“ belegt72.

___________ 68

Vgl. oben I. 1. und 2. Kübler, Gesellschaftsrecht, § 26 I 1 b dd; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 123 Rdnr. 6. 70 Veil, ZIP 1998, S. 361 mit w. Nachw. 71 Vgl. Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 13; Kallmeyer, DB 1995, S. 81 ff.; Mayer, DB 1995, S. 861; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 IV 1 c; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 18; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnrn. 26 ff. 72 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 72; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 15 unter Hinweis auf die Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 22. 69

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

211

3. Spaltungsfähige Rechtsträger Die Rechtsformen, in denen ein Rechtsträger betrieben werden darf, wenn er an einer beliebigen Modalität der Spaltung als übertragender oder übernehmender Rechtsträger teilnehmen möchte, sind in § 124 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 UmwG abschließend73 festgelegt74. Im Einzelnen sind genannt:  Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG) und Partnerschaftsgesellschaften, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG,  Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG,  eingetragene Genossenschaften, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG,  eingetragene Vereine, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 4 UmwG,  genossenschaftliche Prüfungsverbände, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 5 UmwG und  Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 6 UmwG. Ergänzend kann gemäß § 124 Abs. 1 UmwG ein wirtschaftlicher Verein im Sinne des § 22 BGB übertragender Rechtsträger bei allen Spaltungsmodalitäten sein, sowie Einzelkaufleute, Stiftungen, Gebietskörperschaften und Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften, die ihrerseits nicht Gebietskörperschaft sind, übertragende Rechtsträger lediglich im Falle der Ausgliederung. Als übernehmende Rechtsträger kommen sie hingegen nicht in Frage. Dann ist aber in bestimmten Fällen das Rechtsinstitut der Vermögensübertragung nach §§ 174 ff. UmwG anwendbar75. 4. Abgrenzung von Spaltung und Betriebsaufspaltung Streng zu trennen ist zwischen der beschriebenen Spaltung im umwandlungsrechtlichen Sinne als Maßnahme der Unternehmensumstrukturierung und der so genannten Betriebsaufspaltung76. Letztere ist kein umwandlungsrechtlicher Sachverhalt, kann allerdings mit einem solchen einhergehen, vgl. § 134 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Der Begriff der Betriebsaufspaltung beschreibt die Trennung der Unternehmensträgerschaft vom Anlagevermögen77. Üblicherweise ___________ 73

Siehe unten D. I. Vgl. dazu auch die Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung unten E. V. 2. sowie die Übersicht: Ausgliederung unten E. V. 3. 75 Vgl. unten III. 1. 76 Vgl. zum Begriff Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1465. 77 Vgl. Kallmeyer, ZIP 1994, S. 1746 (1750). 74

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

sind diese Funktionen in der Hand eines Rechtsträgers vereint. Es ist jedoch durchaus denkbar, die Führung des Unternehmens in die Hand einer so genannten Betriebsgesellschaft zu legen, während das Anlagevermögen (insbesondere Betriebsgrundstücke) einer davon losgelösten so genannten Besitzgesellschaft (auch: Anlagegesellschaft78) zugewiesen wird79. Um die Funktionsfähigkeit des Gesamtbetriebs aufrecht zu erhalten, wird dann das Anlagevermögen an die Betriebsgesellschaft vermietet oder verpachtet80. Dieser Zustand der Betriebsaufspaltung wurde maßgeblich aus steuer- und haftungsrechtlichen Aspekten heraus entwickelt (Dezentralisierung, Risikostreuung)81. Insbesondere wird einem Rechtsträger so die – in ihrer Funktionsfähigkeit im Einzelnen durchaus umstrittene – Möglichkeit eröffnet, das Anlagevermögen vom haftenden Vermögen der Betriebsgesellschaft zu trennen und auf diese Weise präventiv dem Zugriff der Gläubiger in Zwangsvollstreckung und Insolvenz zu entziehen. Im Zusammenhang mit dem Umwandlungsrecht spielt die Betriebsaufspaltung jedoch deswegen oft eine Rolle, weil die Überführung des Anlagevermögens auf die Besitzgesellschaft82 bzw. seine Rückführung auf die Betriebsgesellschaft im Falle der Aufhebung der Betriebsaufspaltung sich nicht selten durch Spaltungs- und Verschmelzungsvorgänge vollzieht83. Mit Blick auf das regelmäßig vorrangige Ziel, Vermögensteile dem Gläubigerzugriff vorzuenthalten, sind der Anwendbarkeit des Umwandlungsrechts dabei aber enge Grenzen gesetzt, insbesondere durch die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung von übertragendem und übernehmendem Rechtsträger in § 133 UmwG84.

___________ 78

Picot in: Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Rdnr. 367. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 II 3 d; vgl. aus der Praxis z.B. BAG 17.02.1981 – 1 ABR 101/78, AP Nr. 9 zu § 111 BetrVG 1972. 80 Picot in: Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Rdnr. 367. 81 Vgl. zu den Motiven für die Betriebsaufspaltung Hensche, ArbuR 1996, S. 331; Henssler, NZA 1994, S. 294; Hromadka, DB 1996, S. 1872; Kania, DB 1995, S. 625. 82 Vgl. zu den (mittlerweile weitgehend überkommenen) gesellschaftsrechtlichen Folgeproblemen BGH 19.02.1990 – II ZR 42/89, JuS 1990, S. 1020 mit Anm. K. Schmidt = NJW-RR 1990, S. 798 (799); OLG Hamm 21.06.1993 – 15 W 75/93, NJW 1994, S. 392; OLG Koblenz 06.04.1995 – 5 U 135/95, DB 1996, S. 136 = NJW-RR 1996, S. 744; K. Schmidt, DB 1971, S. 2345; K. Schmidt, DB 1988, S. 897 ff.; anderer Ansicht OLG München 14.09.1987 – 19 W 2932/86, JuS 1988, S. 572 = NJW 1988, S. 1036; Brandmüller, BB 1976, S. 641 f.; Brandmüller, BB 1979, S. 465 (466). 83 Vgl. ausführlich Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1465. 84 Kallmeyer, ZIP 1994, S. 1746 (1750). 79

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

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III. Die Vermögensübertragung 1. Abgrenzung zu Verschmelzung und Spaltung Bei der Vermögensübertragung geht es der Sache nach um die gleichen Fälle, die bereits von der Verschmelzung und der Spaltung erfasst werden85. Dies wird besonders deutlich anhand des Umstandes, dass nach den §§ 176 bis 180, 184, 188 f. UmwG für die Übertragung die Verschmelzungs- und Spaltungsvorschriften entsprechende Geltung beanspruchen, soweit sich nicht aus den Vorschriften im zweiten und dritten Teil des vierten Buchs ein anderes ergibt. Wegen der besonderen Struktur der beteiligten Rechtsträger (Träger der öffentlichen Hand, Versicherungsunternehmen) ist indessen eine Gegenleistung in Form einer Anteilsgewährung an die Anteilseigner der Ausgangsgesellschaft bzw. die Ausgangsgesellschaft selbst nicht denkbar86 bzw. seitens des Gesetzgebers nicht gewünscht. Aus diesem Grund wurde die Normierung eines gesonderten Rechtsinstituts, eben der Vermögensübertragung, in den §§ 174 bis 189 UmwG notwendig. Außerdem ist die Zahl der Gesellschaftsformen, in denen die an einer Vermögensübertragung beteiligten Rechtsträger gemäß § 175 UmwG betrieben werden können87, deutlich geringer als im Falle einer Verschmelzung oder Spaltung gemäß §§ 3 und 124 UmwG88. Da als übernehmender Rechtsträger in erster Linie die öffentliche Hand in Frage kommt, handelt es sich bei der Vermögensübertragung maßgeblich um Fälle der Verstaatlichung von Unternehmen oder Unternehmensteilen. Das Ergebnis dieser Gestaltungsmaßnahme stellt also gleichsam das Gegenstück zum praktisch herrschenden Trend der Privatisierung dar. Bereits daraus folgt die geringe Relevanz der Vermögensübertragung für die Gestaltungspraxis89. Die Bezeichnung des Rechtsinstituts als Vermögensübertragung ist dabei augenscheinlich unglücklich gewählt. Der Name täuscht den mit dem Umwandlungsgesetz nicht hinreichend vertrauten Anwender zu leicht darüber hinweg, dass es nicht nur bei dieser Umwandlungsvariante, sondern selbstverständlich auch bei den bereits erörterten Instituten der Verschmelzung und der Spaltung jeweils um die Verschiebung von Vermögensmassen zwischen unter-

___________ 85 Vgl. Ganske, WM 1993, S. 1117 (1119); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 V 2 a; Schwarz, DStR 1994, S. 1694 (1699); Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 64. 86 A. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, B VI 3 a. 87 Vgl. dazu unten 2. 88 Vgl. A. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, B VI 3 a. 89 Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 78.

214

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

schiedlichen Rechtsträgern geht (übertragende Umwandlungen)90. Gleichwohl legt der vom Gesetzgeber festgelegte Ausdruck zunächst die Vermutung nahe, dass nicht allein in den Fällen des Formwechsels von einem Vermögenstransfer abgesehen wird, sondern dass dies bei allen von der Vermögensübertragung verschiedenen Umwandlungsarten der Fall ist. Diesem gedanklichen Ausschlussverfahren zu folgen, wäre in der Sache aber völlig verfehlt. Das Äquivalent zur Verschmelzung stellt die Vermögensvollübertragung des § 174 Abs. 1 UmwG dar. Genau wie bei der Verschmelzung findet im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ein Übergang der Vermögensmasse als Ganzes statt. Der aufnehmende Rechtsträger allerdings muss hier denknotwendig schon bestehen. Eine Vermögensübertragung zur Neugründung existiert nicht. In Anlehnung an die Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung können ferner durch partielle Gesamtrechtsnachfolge bloße Vermögensteile auf andere Rechtsträger überführt werden. Das Gesetz spricht dann von einer Vermögensteilübertragung, § 174 Abs. 2 UmwG. Die Gegenleistung an die Anteilseigner bzw. den übertragenden Rechtsträger selbst besteht jedes Mal in Geld oder anderen Wirtschaftsgütern91. Will zum Beispiel eine GmbH ihr gesamtes Vermögen auf das Land Nordrhein-Westfalen überführen, so kommt dafür von den Rechtsinstituten des Umwandlungsgesetzes lediglich die Vermögensübertragung in Gestalt der Vollübertragung, §§ 174 Abs. 1, 175 Nr. 1 UmwG, in Frage. Eine Verschmelzung scheidet aus, da im Gegenzug den Gesellschaftern der untergehenden GmbH selbstverständlich keine „Anteilsrechte am Land NRW“ übertragen werden können. Vielmehr wird ein Kaufpreis in Geld festzulegen sein. 2. Beteiligung an der Vermögensübertragung Der § 175 UmwG beschränkt die Möglichkeiten der Vermögensübertragung auf die folgenden Fälle:  Übertragung von einer Kapitalgesellschaft auf den Bund, ein Land oder eine (andere) Gebietskörperschaft oder einen Zusammenschluss von Gebietskörperschaften, § 175 Nr. 1 UmwG,  Übertragung von einer Versicherungsaktiengesellschaft auf Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit oder auf öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, § 175 Nr. 2 lit. a UmwG, ___________ 90

Vgl. Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 69. 91 Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 65.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

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 Übertragung von einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit auf Versicherungsaktiengesellschaften oder auf öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, § 175 Nr. 2 lit. b UmwG,  Übertragung von einem öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen auf Versicherungsaktiengesellschaften oder Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, § 175 Nr. 2 lit. c UmwG. IV. Der Formwechsel 1. Entbehrlichkeit des Vermögenstransfers Die Unternehmensumwandlung durch Formwechsel kommt anders als die bisher beschriebenen Umwandlungsarten ohne einen Rückgriff auf die (partielle) Gesamtrechtsnachfolge aus92. Es findet erst gar keine Vermögensüberführung statt93. Der umzuwandelnde Rechtsträger erhält lediglich bei fortbestehender Identität94 eine andere Rechtsform, ein anderes „rechtliches Kleid“95, §§ 190 Abs. 1, 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Anders als nach altem Recht ist ein solcher Formwechsel auch von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder umgekehrt möglich96. Dies mag dogmatisch verwundern, da der Rechtsträger einer Kapitalgesellschaft die juristische Person ist, der einer Personengesellschaft hingegen die Gesamthand. Deswegen war vor dem Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes 1994 noch eine Differenzierung erforderlich ___________ 92

A. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, B VI. Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnr. 10; Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 67. 94 Vgl. auch unten C. II. 95 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 97; Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (449) mit w. Nachw.; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 2145. 96 Vgl. zu den unter anderem damit begründeten Konsequenzen für die Dogmatik der Gesamthand BGH 29.01.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, S. 341 ff. = NJW 2001, S. 1056 ff. – ARGE Weißes Ross; im Ergebnis ebenso Baumann, JZ 2001, S. 895 ff.; Dauner-Lieb, DStR 2001, S. 356 ff.; Habersack, BB 2001, S. 477 ff.; Hadding, ZGR 2001, S. 712 ff.; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 2151 mit w. Nachw.; K. Schmidt, NJW 2001, S. 993 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 60 II 1 a; Ulmer, ZIP 2001, S. 585 ff.; Wertenbruch, NJW 2002, S. 324 ff.; Westermann, NZG 2001, S. 289 ff.; anderer Ansicht noch Berndt/Boin, NJW 1998, S. 2854 (2857); Cordes, JZ 1998, S. 545 (549); Hueck in: Festschrift Zöllner Bd. I, S. 275 (280 ff.); A. Kraft/ Kreutz, Gesellschaftsrecht, B VI 4 a; Ulmer, AcP 198 (1998), S. 113 (119 ff.); Wiedemann, ZGR 1996, S. 286 (289 f.); Zöllner in: Festschrift Claussen, S. 423 (429 ff.); vgl. zur weiteren Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und deren Auswirkungen auf die Haftungsverfassung der Personengesellschaft BGH 24.02.2003 – II ZR 385/99, BGHZ 154, S. 88 ff. = NJW 2003, S. 1445 ff.; BGH 07.04.2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, S. 370 ff. = NJW 2003, S. 1803 ff.; Altmeppen, NJW 2003, S. 1553 ff.; Keil, DZWIR 2003, S. 404 ff.; Reiff, ZGR 2003, S. 550 ff.; K. Schmidt, NJW 2003, S. 1897 ff. 93

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

zwischen einem Formwechsel im engeren Sinne (bloße Änderung der Rechtsform) und einem Formwechsel im weiteren Sinne. Lediglich ersterer erfolgte identitätswahrend, während letzterer ein Fall der so genannten errichtenden Umwandlung97 war, die einen Vermögenstransfer zwischen Gesamthand und juristischer Person voraussetzte98. Nach geltendem Recht ist diese Unterscheidung trotz aller dogmatischen Bedenken99 obsolet. Das Umwandlungsgesetz 1994 stört sich nicht an der streng genommen sich vollziehenden Änderung der Vermögenszuordnung, sondern fasst auch sie als Fall der Identität auf100 (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 191 Abs. 1 und 2 UmwG). Die Identität der Gesamthand und der juristischen Person wird also insofern gesetzlich fingiert und die grundlegende Zweiteilung des deutschen Gesellschaftsorganisationsrechts in juristische Personen einerseits und Gesamthandsgemeinschaften andererseits, aber auch ausschließlich zum Zwecke des Formwechsels, aufgehoben101. Diese Schlussfolgerung ergibt sich auch deutlich aus der Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG)102. Dort heißt es, der wesentliche Unterschied des Formwechsels gegenüber den anderen Arten der Umwandlung liege in der wirtschaftlichen Kontinuität des Rechtsträgers vor und nach dem Formwechsel. Diese Kontinuität beruhe zum einen auf einer fast ausnahmslosen Identität des Personenkreises, der vor und nach der Umwandlung an dem Rechtsträger beteiligt sei. In dem Entwurf werde diese Personenidentität nur für die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft auf Aktien und für bestimmte Mitglieder eines formwechselnden Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit durchbrochen. Im Übrigen aber solle sich der Formwechsel unter Ausschluss Dritter allein im Kreise der schon bisher beteiligten Anteilsinhaber vollziehen.

___________ 97 Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnr. 1; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 97; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 II 1 b, c. 98 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 IV 2 a mit w. Nachw.; A. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, B VI 4 a. 99 Vgl. z.B. Zöllner in: Festschrift Claussen, S. 423 (424 ff.) mit w. Nachw. 100 Vgl. dazu auch BFH 04.12.1996 – II B 116/96, GmbHR 1997, S. 136 (137) = ZIP 1997, S. 144; FG Münster 23.07.1997 – 8 K 3583/96 GrE, BB 1997, S. 2150 = GmbHR 1997, S. 1116 (1117); FG Niedersachsen 30.05.1997 – III 573/96, GmbHR 1997, S. 1117; Henssler, ZfA 2000, S. 241 (257). 101 Vgl. Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 190 Rdnrn. 1 ff.; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 2147; Lutter, ZGR 1990, S. 392 (395); K. Schmidt, ZGR 1990, S. 580 (595); K. Schmidt, AcP 191 (1991), S. 495 (506 f.). 102 BR-Drucks. 75/94, S. 136.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

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Die wirtschaftliche Kontinuität, durch die sich der Formwechsel von anderen Arten der Umwandlung unterscheide, zeige sich auch darin, dass der Vermögensbestand des Rechtsträgers vor und nach dem Formwechsel gleich bleibe. Das Vermögen des Rechtsträgers solle weder wie bei der Verschmelzung oder Vermögensübertragung mit einem anderen Unternehmensvermögen vereinigt noch wie in den drei Fällen der Spaltung in irgendeiner Weise aufgeteilt werden. Was sich durch den Formwechsel ändern solle, sei vielmehr allein die rechtliche Organisation des Unternehmensträgers, dem vor und nach der Umwandlung dasselbe Vermögen zugeordnet werde. Deshalb müsse der wirtschaftlichen Identität auch die rechtliche Identität entsprechen. Der Entwurf orientiere sich bei der Festlegung der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen des Formwechsels weitgehend an den bereits bestehenden Vorschriften des geltenden Rechts. Abweichend von den Vorschriften über die errichtende Umwandlung solle es für die konkrete Ausgestaltung des Formwechsels jedoch nicht darauf ankommen, ob der formwechselnde Rechtsträger durch die Umwandlung zur juristischen Person werde oder ob eine juristische Person durch den Formwechsel die Eigenschaft als juristische Person verliere. Der Entwurf gehe vielmehr auch in diesen Fällen von der rechtlichen Identität des Rechtsträgers aus. Dies entspreche einer modernen Auffassung von der Natur der Personenhandelsgesellschaft. 2. Formwechselfähige Rechtsträger Beim Formwechsel ist streng zu trennen zwischen den Rechtsformen, in denen der umzuwandelnde Rechtsträger ursprünglich betrieben werden darf und um deren Abänderung es demnach gerade geht, und den Rechtsformen, die der Rechtsträger als Ergebnis des erfolgreichen Umwandlungsprozesses annehmen kann103. Dem trägt das Gesetz mit einer Unterteilung des § 191 UmwG in entsprechende Absätze Rechnung. Ursprüngliche und damit wechselfähige Rechtsformen sind  Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG) und Partnerschaftsgesellschaften, §§ 191 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG,  Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), §§ 191 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG,  eingetragene Genossenschaften, § 191 Abs. 1 Nr. 3 UmwG,  rechtsfähige Vereine, § 191 Abs. 1 Nr. 4 UmwG,  Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, § 191 Abs. 1 Nr. 5 UmwG, ___________ 103

Vgl. dazu auch die Übersicht: Formwechsel unten E. V. 4.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

 Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, § 191 Abs. 1 Nr. 6 UmwG. Demgegenüber kann der Rechtsträger in folgende Rechtsformen umgewandelt werden:  Gesellschaften bürgerlichen Rechts, § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG,  Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften, § 191 Abs. 2 Nr. 2 UmwG,  Kapitalgesellschaften, § 191 Abs. 2 Nr. 3 UmwG und  eingetragene Genossenschaften, § 191 Abs. 2 Nr. 4 UmwG. Aus der vorstehenden Aufzählung darf allerdings nicht der Schluss gezogen werden, dass jegliche in § 191 Abs. 1 UmwG genannte Rechtsform auch gegen jede der im zweiten Absatz vorgesehenen Rechtsformen ausgewechselt werden kann. Vielmehr werden die im § 191 UmwG eröffneten Möglichkeiten des Formwechsels durch die besonderen, rechtsformspezifisch ausgestalteten Vorschriften der §§ 214 ff. UmwG eingeschränkt, um so den Eigenarten der einzelnen Organisationsformen gerecht zu werden104. Im Einzelnen sind folgende Formwechsel im Sinne der §§ 190 ff. UmwG denkbar:  Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften: Gemäß § 214 Abs. 1 UmwG kann eine Personenhandelsgesellschaft ihre Rechtsform wechseln in diejenige einer Kapitalgesellschaft (GmbH, Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien), § 191 Abs. 2 Nr. 3 UmwG, oder einer eingetragenen Genossenschaft, § 191 Abs. 2 Nr. 4 UmwG.  Formwechsel von Partnerschaftsgesellschaften: Gemäß § 225a UmwG kann eine Partnerschaftsgesellschaft ihre Rechtsform wechseln in diejenige einer Kapitalgesellschaft (GmbH, Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien), § 191 Abs. 2 Nr. 3 UmwG, oder einer eingetragenen Genossenschaft, § 191 Abs. 2 Nr. 4 UmwG.  Formwechsel von Kapitalgesellschaften: Gemäß § 226 UmwG kann eine Kapitalgesellschaft ihre Rechtsform wechseln in diejenige einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, §§ 191 Abs. 2 Nr. 1, 228 ff. UmwG, einer Personenhandelsgesellschaft §§ 191 Abs. 2 Nr. 2, 228 ff. UmwG, einer Partnerschaftsgesellschaft, §§ 191 Abs. 2 Nr. 2, 228 ff. UmwG, einer anderen Kapitalgesellschaft, §§ 191 Abs. 2 Nr. 3, 238 ff. UmwG, oder einer eingetragenen Genossenschaft, §§ 191 Abs. 2 Nr. 4, 251 ff. UmwG105. ___________ 104 105

BR-Drucks. 75/94, S. 137. Vgl. dazu auch die tabellarische Übersicht unten § 11 A. (Abb. 11.1).

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

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 Formwechsel eingetragener Genossenschaften: Gemäß § 258 Abs. 1 UmwG kann eine eingetragene Genossenschaft ihre Rechtsform nur wechseln in diejenige einer Kapitalgesellschaft (GmbH, Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien), § 191 Abs. 2 Nr. 3 UmwG106.  Formwechsel rechtsfähiger Vereine: Gemäß § 272 Abs. 1 UmwG kann ein rechtsfähiger Verein seine Rechtsform wechseln in diejenige einer Kapitalgesellschaft (GmbH, Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien), §§ 191 Abs. 2 Nr. 3, 273 ff. UmwG, oder einer eingetragenen Genossenschaft, §§ 191 Abs. 2 Nr. 4, 283 ff. UmwG.  Formwechsel von Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit: Gemäß § 291 Abs. 1 UmwG kann ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der kein kleiner Verein im Sinne des § 53 VAG ist, seine Rechtsform nur wechseln in diejenige einer Aktiengesellschaft107.  Formwechsel von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts: Gemäß § 301 Abs. 1 UmwG können Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts ihre Rechtsform nur wechseln in diejenige einer Kapitalgesellschaft (GmbH, Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien), § 191 Abs. 2 Nr. 3 UmwG. 3. Beachtung des für die neue Rechtsform zwingenden Organisationsrechts Durch den Formwechsel darf das für den Rechtsträger in seiner neuen Rechtsform zwingend geltende Organisationsrecht nicht unterlaufen werden. Der Wechsel der Rechtsform bewirkt gerade, dass ab dem Zeitpunkt der Eintragung der identitätswahrenden Umwandlung in das Handelsregister auf den Rechtsträger ein anderes Normensystem anwendbar ist als dies bisher der Fall war108. § 197 Satz 1 UmwG stellt dabei klar, dass auch im Rahmen eines Formwechsels die für die neue Rechtsform geltenden Gründungsvorschriften zu beachten sind, es sei denn, das Umwandlungsgesetz lässt ausdrücklich eine Abweichung zu. Damit ordnet der Gesetzgeber fast eine Selbstverständlichkeit an. Anderenfalls hätte er mit dem Recht des Formwechsels der Gestaltungspraxis ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem ohne weiteres zahlreiche grundlegende Wertungen sowohl des Rechts der Körperschaften als auch des Personengesellschaftsrechts zur Disposition des Rechtsanwenders gestellt würden. ___________ 106

Vgl. dazu auch die tabellarische Übersicht unten § 11 A. (Abb. 11.1). Vgl. dazu auch die tabellarische Übersicht unten § 11 A. (Abb. 11.1). 108 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 102. 107

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Beispielsweise verwehrt die Haftungsverfassung einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftsgläubigern nur deshalb den Durchgriff auf die Privatvermögen der hinter der Gesellschaft stehenden Anteilseigner, weil den Gläubigern mit dem Grundkapital einer Aktiengesellschaft (§§ 1 Abs. 2, 6, 7 AktG: mindestens 50.000 Euro) oder dem Stammkapital einer GmbH (§ 5 Abs. 1 GmbHG: mindestens 25.000 Euro) durch das Gesetz ein Haftungsfonds mit einem bestimmten Mindestbetrag bei der Gesellschaft selbst zur Verfügung gestellt wird. Bei Personengesellschaften hingegen ist keine Pflicht zur Bildung eines wie auch immer gearteten Gesellschaftsvermögens vorgesehen. Zum Ausgleich können sich die Gesellschafter hier aber nicht gleichsam hinter der Gesellschaft verstecken, sondern haften persönlich und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft. Daraus ergibt sich folgende grundlegende Wertung des Gesetzes: Jedermann haftet seinen Gläubigern für seine Verbindlichkeiten mit seinem gesamten privaten Vermögen. Ein anderes gilt auch dann nicht, wenn er seine Geschäfte in Gemeinschaft mit anderen Personen – also über eine Gesellschaft – betreibt. An dieser Maxime muss aber dann nicht mehr festgehalten werden, wenn sich die Gesellschafter in einer Kapitalgesellschaft zusammenschließen, so dass den Gläubigern wegen des Ausfalls der Gesellschafterhaftung ein Mindesteigenkapital der Gesellschaft als Ersatz garantiert ist. Es leuchtet unmittelbar ein, dass der Formwechsel nicht dazu führen darf, dass die Gesellschafter die – aus ihrem Blickwinkel betrachtet – Vorzüge dieser beiden Haftungsmodelle kombinieren und damit jeglichen gesetzlichen Gläubigerschutz aus den Angeln heben können. So liegt beispielsweise der Fall, wenn zwei natürliche Personen beabsichtigen, eine Gesellschaft zu gründen, ihnen zurzeit allerdings keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen, um das Mindeststammkapital für eine GmbH in Höhe von 25.000 Euro aufzubringen. Wollen sie andererseits aber ihre risikoreichen Geschäfte auch in keinem Fall in der Rechtsform einer Personengesellschaft betreiben, da sie die Konsequenzen einer persönlichen Haftung für die Gesellschaftsschulden fürchten, können sie sich diesem Dilemma keinesfalls entziehen, indem sie zunächst eine Personengesellschaft ohne eigenes Kapital gründen und diese alsbald im Wege des identitätswahrenden Rechtsformwechsels in eine GmbH umwandeln. § 197 Satz 1 UmwG stellt klar, dass in diesem Falle im Zuge des Formwechsels die Kapitalaufbringungsgrundsätze des GmbH-Rechts ebenfalls beachtet werden müssen. Die Möglichkeit, einen Rechtsträger durch Formwechsel umzuwandeln, soll nach der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung109 eine sonst notwendige Liquidation und Neugründung des Rechtsträgers ersparen. Schon ___________ 109

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gegenwärtig erschöpfe sich der Vorgang aber nicht in einer bloßen Änderung des Gesellschaftsvertrags, der Satzung oder des Status. Mit dem Formwechsel solle sich auch das für die innere Struktur und für die Außenbeziehung des Rechtsträgers maßgebende Normensystem ändern. Dieser Übergang in ein anderes Normensystem sei besonders dann kritisch, wenn nach den für den Rechtsträger neuer Rechtsform maßgebenden Gründungsvorschriften schärfere Anforderungen gelten, als sie für die Gründung des formwechselnden Rechtsträgers bestanden haben. Seien für die ursprüngliche Errichtung des formwechselnden Rechtsträgers mildere Gründungsvorschriften maßgeblich gewesen, so wolle man mit dem Formwechsel kein Instrument zur Verfügung stellen, um die für die neue Rechtsform geltenden strengeren Maßstäbe zu unterlaufen. Andererseits sollten die Gründungsvorschriften aber auch nicht uneingeschränkt für anwendbar erklärt werden. Dadurch würde praktisch eine Neugründung erforderlich, die durch den Formwechsel gerade vermieden werden solle. Eingeschränkt wird die Notwendigkeit der Beachtung der Gründungsvorschriften zum einen durch die Ausnahmeklausel des § 197 Satz 1 (am Ende) UmwG110, zum anderen durch den § 197 Satz 2 UmwG, der für solche Vorschriften, die für die Gesellschaftsgründung eine Mindestzahl der Gründer vorschreiben, sowie die Vorschriften über die Bildung und Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrats ausdrücklich eine Ausnahme anordnet111. Ein weiteres Kollisionsfeld bei der Anwendung der Identitätsthese im Verhältnis von Körperschaften zu Personengesamtheiten ergibt sich aus dem Umstand, dass die Aktiengesellschaft und die GmbH als Kapitalgesellschaften auch von nur einem einzigen Anteilseigner errichtet und betrieben werden können. Das folgt aus der expliziten gesetzlichen Regelung in den §§ 2 AktG und 1 GmbHG, während die Existenz einer Einmannpersonengesellschaft grundsätzlich mit der Dogmatik des Gesetzes unvereinbar ist112. Beim Rechts___________ 110

Henssler, ZfA 2000, S. 241 (257). Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 12. 112 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 5 I 1 a. Ausnahmen zu dieser Maxime sind dann denkbar, wenn der gesellschaftsrechtliche Grundsatz, dass nicht alle Anteile am Gesamthandsvermögen in der Hand eines Gesellschafters liegen dürfen, durch Prinzipien etwa des Erb- oder Treuhandrechts überlagert wird. So wird vertreten, dass sich Anteile, die ein Gesellschafter bloß als Vorerbe oder Treunehmer verwaltet, nicht mit seinen originären Anteilsrechten vereinigen können. Die Anteile liegen zwar beim selben Gesellschafter, bleiben aber streng voneinander getrennte Vermögenselemente, die auch isoliert zu verwalten sind. Dies beruht darauf, dass die Rechtsinhaberschaft des verbleibenden Gesellschafters von der gesetzlichen Konzeption her nur eine vorübergehende ist. Würde man dann die Möglichkeit der Einmannpersonengesellschaft nicht anerkennen, müsste man in zahlreichen Konstellationen die Vorvererblichkeit oder treuhändische Verwaltung durch den Mitgesellschafter vollständig opfern, vgl. z.B. 111

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

formwechsel aber ändert sich, wie gezeigt, nur das auf den Rechtsträger anzuwendende Rechtssystem, der Rechtsträger als solcher bleibt von der identitätswahrenden Umwandlung unberührt. Die gesetzliche Fiktion der Identität von juristischer Person und Gesamthand als Rechtsträger einer Gesellschaft dient der rechtstechnischen Vereinfachung des Formwechselprozesses und ist insofern vom Rechtsanwender zunächst nicht in Frage zu stellen. Sie stößt aber spätestens dann an dogmatische Grenzen, wenn elementare Prinzipien des Gesellschaftsorganisationsrechts beim konkreten Umwandlungsvorgang ins Spiel kommen. Dies wird angesichts folgender Überlegung deutlich. Stellt man als Charakteristikum des Formwechsels im Sinne der §§ 190 ff. UmwG die Identitätswahrung des Rechtsträgers heraus, so ist dies streng genommen ein unglücklich gewählter Ansatzpunkt. Entscheidend ist vielmehr, dass das Rechtskleid des Rechtsträgers geändert wird. Präziser: Es ändert sich ausschließlich eben dieses Rechtskleid. Identisch bleibt daher nicht nur (und sei es im Wege gesetzlicher Fiktion) der Rechtsträger, sondern außerdem auch dessen Anteilsinhaber113. An dieser Stelle soll insbesondere letzterer Gesichtspunkt näher beleuchtet werden. Die Identität der Anteilsinhaber kann nämlich in Fällen des Formwechsels von einer Körperschaft in eine Personengesellschaft theoretisch zu untragbaren Ergebnissen führen. Dazu folgendes Beispiel: Unter einer so genannten eingliedrigen GmbH versteht man eine GmbH, deren Geschäftsanteile sämtlich in der Hand eines einzigen Gesellschafters liegen. Dieser Zustand ist aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in § 1 GmbHG völlig unbedenklich. Probleme ergeben sich indessen, wenn dieser einzige Gesellschafter plant, seine Gesellschaft zukünftig in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft gemäß §§ 105 ff. HGB zu betreiben, und zu diesem Zwecke einen entsprechenden Rechtsformwechsel vornehmen möchte. Hier ist ein Formwechsel insofern unbedenklich, als eine GmbH Kapitalgesellschaft im Sinne des § 191 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG und als solche formwechselfähiger Rechtsträger ist. Die offene Handelsgesellschaft als Personenhandelsgesellschaft ist auch tauglicher Rechtsträger neuer Rechtsform, §§ 191 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1, 226, 228 ff. UmwG. Dass der vom einzigen Anteilseigner angestrebte Rechtsformwechsel aber nicht ohne ___________ Baur/Grunsky, ZHR 133 (1970), S. 209 ff.; Marotzke, AcP 187 (1987), S. 223 (243); vgl. auch Baumann, BB 1998, S. 225 mit w. Nachw.; Fahse in: GK-HGB, § 161 Rdnr. 1a; Weimar, ZIP 1997, S. 1769. 113 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 98; Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (449); vgl. Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 194 Rdnrn. 22 ff.; vgl. zu den gesetzlichen Ausnahmen sowie zum nicht verhältniswahrenden bzw. quotenverschiebenden Formwechsel Dormann, a.a.O., Rdnrn. 98 f., 101.

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weiteres durchführbar ist, ergibt sich aus dem absurden hypothetischen Ergebnis, dass durch die identitätswahrende Umwandlung im vorliegenden Fall eine Personenhandelsgesellschaft mit nur einem einzigen Gesellschafter geschaffen würde114. Da diese keinen Bestand haben kann, ändert die Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister nicht nur ihre Rechtsform in die einer Personengesellschaft, sondern geht im gleichen Augenblick unter mit der Folge, dass dem einzigen Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen zuwächst115. Um dem zu begegnen, besteht in der umwandlungsrechtlichen Literatur Einigkeit darüber, dass ein solcher Formwechsel von einer Einmannkapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft erfolgreich (das heißt unter Fortbestehen der Gesellschaft in ihrer neuen Rechtsform) lediglich dann möglich ist, wenn im Zeitpunkt der Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister mindestens ein weiterer Gesellschafter hinzugekommen ist. Umstritten ist dabei allerdings, ob dieser Gesellschafter schon im Vorfeld des Formwechsels in die Kapitalgesellschaft aufgenommen werden muss116. Dies hätte zur Folge, dass der Einmannkapitalgesellschaft als solcher faktisch die Formwechselfähigkeit in eine Personengesamtheit aberkannt würde. Dieser überzeugende Ansatz führt demnach in gewisser Weise zu einer teleologischen Reduktion des § 191 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Nach anderer Auffassung kann die Aufnahme eines weiteren Gesellschafters – freilich nur mit dessen Zustimmung – auch erst Element des Formwechselbeschlusses selbst sein117, so dass das Formwechselverfahren in eine Personengesellschaft mit Aussicht auf den Fortbestand des Rechtsträgers auch für eine eingliedrige Kapitalgesellschaft initiiert werden kann. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall, in dem eine (selbstverständlich mit mehreren Gesellschaftern ausgestattete) Personenhandelsgesellschaft mittels Rechtsformwechsel in eine Einmannkapitalgesellschaft umgewandelt werden soll. Auch hier wird regelmäßig auf eine zweistufige Umstrukturierung zurückgegriffen: Zunächst ist der Formwechsel in eine Mehrpersonenkapitalgesellschaft zu vollziehen, aus der in einem zweiten Schritt alsdann alle Gesellschafter bis auf einen austreten118. ___________ 114

Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 67. Vgl. zu den Anwachsungsmodellen unten D. II. 2. b). 116 Vgl. in diesem Sinne Dirksen in: Kallmeyer, UmwG, § 226 Rdnr. 3; Happ in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 228 Rdnr. 30; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 191 Rdnr. 10; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 226 Rdnr. 9. 117 Vgl. Bärwaldt/Schabacker, ZIP 1998, S. 1293 (1298); Kallmeyer, GmbHR 1996, S. 80 f.; Priester, DB 1997, S. 560 (566 f.). 118 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 100. 115

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

C. Ziele und Gesetzestechniken des Umwandlungsrechts I. Ziele der Schaffung des Umwandlungsgesetzes 1994 Indem das Umwandlungsgesetz die genannten vier Arten der Unternehmensumwandlung zur Verfügung stellt, werden vom Ergebnis der Verfügungsgeschäfte her betrachtet dem Rechtsanwender keine neuen Möglichkeiten eröffnet. Die Übertragung eines Gesellschaftsvermögens ließe sich vielmehr ebenso im Wege der Einzelrechtsnachfolge bewerkstelligen (Singulareinbringungslösung119). Die Aufgabe des Umwandlungsrechts ist es daher nicht, bis dato rechtlich unmögliche Ergebnisse für die Zukunft zu ermöglichen. Es werden lediglich neue, für den Großteil der Vermögensübergänge zwischen Unternehmen rechtlich weniger komplizierte Wege zur Erreichung des identischen Ziels eröffnet120. Nachdem sowohl der Weg der Umwandlung im technischen Sinne als auch derjenige der Singularsukzession gehbar ist, stehen bei jeder wie auch immer motivierten Neugliederung eines Unternehmens regelmäßig mehrere Gestaltungsoptionen zur Verfügung. Dann ist es die vordringliche Aufgabe des mit der Unternehmensumstrukturierung befassten Juristen, die Vor- und Nachteile dieser Möglichkeiten für die konkrete Gestaltungsaufgabe gegeneinander abzuwägen121. Pauschal betrachtet spricht für eine Anwendung des Umwandlungsgesetzes regelmäßig,  dass rechtstechnisch gesehen mit dem Instrument der rechtsgeschäftlich veranlassten Gesamtrechtsnachfolge ein einfach gestalteter Transfer von Vermögensmassen ermöglicht wird – insbesondere auf der Passivseite, da eine Zustimmung der Gläubiger anders als nach dem Schuldübernahmerecht des BGB nicht eingeholt werden muss122 – und  dass nach dem Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) vom 28. Oktober 1994 ein Wahlrecht des übertragenden Rechtsträgers besteht, ob er das zu überführende Vermögen mit dem Buchwert, einem Zwischenwert oder einem Teilwert ansetzt. Auf diesem Wege kann ein (weitgehend) steuerneut-

___________ 119 Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1462; vgl. auch Gäbelein, BB 1989, S. 1420 ff. 120 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 I 5 a, 6 a. 121 Vgl. Feddersen/Kiem, ZIP 1994, S. 1078 (1079); Heckschen, DB 1998, S. 1385 (1396); Nagl, DB 1996, S. 1221; Semler/Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rdnr. 5 mit w. Nachw. 122 BGH 26.04.2002 – LwZR 20/01, NJW 2002, S. 2168; Engert in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 4 Rdnr. 60; Heckschen, DB 1998, S. 1385 (1396); K. Schmidt in: Festschrift Ulmer, S. 557 (569 f.).

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raler Transfer durchgeführt werden123. In der Praxis ist diese steuerrechtliche Komponente üblicherweise der tragende Grund für den Einsatz des Umwandlungsrechts124. Nachteilig wirkt sich bei einem Großteil der praktischen Fälle aus,  dass das Umwandlungsgesetz zahlreiche drittschützende Vorschriften kennt, die zu Lasten der Gestaltungsfreiheit der an der Umwandlung beteiligten Parteien gehen (zum Beispiel gesamtschuldnerische Haftung gegenüber den Gläubigern der Ausgangsgesellschaft als Ausgleich dafür, dass ihre Zustimmung zur Übertragung der Verbindlichkeit nicht eingeholt wurde, zwingende Beurkundung, Beteiligung der Anteilseigner an der Umwandlungsentscheidung, Sicherheitsleistung usw.). Zumindest nach herrschender Auffassung sind diese Grundsätze nicht auf die Umstrukturierung durch Einzelrechtsnachfolge übertragbar125,  dass als Ausnahme zum Grundsatz der steuerneutralen Gestaltung nach dem Umwandlungssteuergesetz Grunderwerbsteuer anfallen kann126 und  dass der Rückgriff auf das Umwandlungsrecht die Möglichkeit eines wirksamen Erwerbs vom Nichtberechtigten kraft guten Glaubens an dessen Rechtsinhaberschaft sperrt127. Im vorliegenden mitbestimmungsrechtlichen Zusammenhang soll und kann die Untersuchung selbstverständlich nicht sämtliche im Einzelfall denkbaren Abwägungsgründe berücksichtigen. Es wird daher eine Beschränkung auf die verallgemeinerungsfähigen mitbestimmungsrechtlichen Aspekte stattfinden. Dabei wird insbesondere eine Rolle spielen, ob und wie die umwandlungsgesetzliche Pflicht zur Anteilsgewährung sowie der Anwendungsbereich der bereits skizzierten Mitbestimmungsfortgeltungsklauseln umgangen werden können128. Verallgemeinernd kann allerdings festgehalten werden, dass die Abwägung in der Regel desto eher zugunsten einer Umwandlung im rechtstechnischen ___________ 123 Vgl. Harnacke/Bilitewski in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnrn. 3482 ff. mit w. Nachw.; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 7 Rdnrn. 62, 68; Simon in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 7 Rdnr. 69; Volhard/Tischbirek in: Hopt, Vertrags- und Formularbuch, 1. Teil II J 8 Anm. 4. 124 Vgl. Arens/Spieker in: Arens, AnwFormulare Gesellschaftsrecht, § 17 Rdnr. 17; Engert in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 4 Rdnr. 59; Haritz in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. B Rdnrn. 4 ff. 125 Vgl. zum Streit unten D. I. 126 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 7 Rdnr. 117. 127 Vgl. dazu unten III. 2. 128 Vgl. zur Einzelrechtsübertragung als Alternative zur Unternehmensverschmelzung unten § 8 G. und als Alternative zur Unternehmensspaltung unten § 9 E.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Sinne ausfallen wird, je umfangreicher die zu übertragende Vermögensmasse ist129. II. Gesetzestechniken im Umwandlungsgesetz Das Umwandlungsgesetz bedient sich zweier entscheidender rechtstechnischer Instrumente130, der Identität131 und der Gesamtrechtsnachfolge132. Durch das Rechtsinstrument der Identität wird erreicht, dass ein Vermögensübergang erst gar nicht stattfindet133, § 190 Abs. 1 UmwG. Soweit also auf die Möglichkeit des Formwechsels zurückgegriffen wird, ist bereits jeder rechtsgeschäftliche Transfer von Vermögensgegenständen entbehrlich134 und die Probleme der einschlägigen Übertragungstatbestände der Einzelrechtsnachfolge können erst gar nicht zum Tragen kommen. Ähnliche Ziele werden in den Fällen des Vermögenstransfers zwischen nicht identischen Rechtsträgern mit den Instituten der Verschmelzung, der Spaltung und der Vermögensübertragung verfolgt. Dabei bewirkt die vom Umwandlungsgesetz zur Verfügung gestellte Möglichkeit der vollständigen oder partiellen Gesamtrechtsnachfolge, dass auch hier ein Rückgriff auf die nach dem Spezialitätsprinzip für die einzelnen Vermögensgegenstände einschlägigen Einzelübertragungstatbestände entbehrlich ist135. Wenn also eine GmbH ihre Rechtsform in die einer Kommanditgesellschaft ändern will, so kann die Gesellschaft aufgelöst und liquidiert werden, nachdem jeder einzelne Vermögensgegenstand gemäß den jeweils einschlägigen Vorschriften (§§ 929 ff. BGB für bewegliche Sachen, §§ 873, 925 ff. BGB für Grundstücke und ihr Zubehör, §§ 398 ff. BGB für Forderungen, § 413 in Verbindung mit §§ 398 ff. BGB für sonstige Rechte usw.) in die neu gegründete Vorgesellschaft der Kommanditgesellschaft eingebracht worden ist. Demgegenüber stellt der Rechtsformwechsel bei einem Großteil der praktischen Fälle eine Vereinfachung dar. ___________ 129

In diesem Sinne auch Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 7 Rdnr. 51. 130 Vgl. Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 I 2 b. 131 Vgl. dazu oben B. IV. 1. 132 Vgl. dazu oben B. I. und II. 133 Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnr. 10; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 190 Rdnr. 6, § 202 Rdnr. 13; Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 67; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 202 Rdnr. 2; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 IV 2 a. 134 Siehe oben B. IV. 1. 135 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 IV 3.

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III. Weitere Besonderheiten bei der Anwendung des Umwandlungsgesetzes Auf zwei besondere Aspekte des Verhältnisses der umwandlungsgesetzlichen Gesamtrechtsnachfolge zur herkömmlichen Einzelrechtsübertragung soll an dieser Stelle noch hingewiesen werden. 1. Die Festlegung der Vermögensgegenstände Zum einen entbindet die Möglichkeit der Gesamtrechtsnachfolge die Parteien nicht unbedingt von der Pflicht, die den zu übertragenden Vermögensteil ausmachenden Einzelgegenstände zu ermitteln und zu benennen136. Die Benennung muss die Bestimmbarkeit jedes Vermögensgegenstandes ermöglichen. Dies ist notwendiges Element verschiedener Umwandlungsverträge bzw. Umwandlungspläne, zum Beispiel laut den §§ 126 Abs. 1 Nr. 9, 177 Abs. 1, 179 Abs. 1, 184 Abs. 1, 189 Abs. 1 UmwG. Einschlägig ist die Benennungspflicht immer dann, wenn der übernehmende Rechtsträger nach dem Parteiwillen nicht in jegliche beim Ausgangsrechtsträger bestehenden Rechte und Pflichten eintritt, namentlich also in den Fällen lediglich teilweiser Gesamtrechtsnachfolge. Eine derartige Sonderrechtsnachfolge wird angestrebt mit sämtlichen Vermögensverschiebungen im Wege der Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung, § 123 Abs. 1 bis 3 UmwG) sowie im Wege der Vermögensteilübertragung im Sinne des § 174 Abs. 2 UmwG, der in Nr. 1 bis 3 ebenfalls die Terminologien aufspalten, abspalten und ausgliedern verwendet. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Teilübertragung ein rechtstechnisches Äquivalent zu den in §§ 123 ff. UmwG geregelten Fällen der Spaltung ist, deren gegenüber dem Spaltungsrecht gesonderte Regelung nur wegen der Eigenarten der an der Vermögensübertragung beteiligten Rechtsträger, § 175 UmwG, notwendig ist137. Bedeutung gewinnt die Bezeichnungspflicht aus den genannten Normen insbesondere, weil das Umwandlungsgesetz die Freiheit der Parteien bei der Vermögensverteilung nicht einschränkt und folglich zumindest theoretisch auch eine Übertragung ausschließlich von Verbindlichkeiten erfolgen kann138. Die Möglichkeit der beliebigen Zuweisung der Vermögensgegenstände findet allerdings ihre Grenzen an den Grundsätzen der Sonderrechtsfähigkeit139. Es erscheint aber auch selbstverständlich, dass nicht einfach aufgrund eines ___________ 136

Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 7 Rdnr. 7; Heckschen, DB 1998, S. 1385 (1396) mit w. Nachw. 137 Siehe oben B. III. 1. 138 Nagl, DB 1996, S. 1221 (1223). 139 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 IV 3 b.

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besonderen Verfahrens der Vermögenszuordnung etwa wesentliche Bestandteile mit der Hauptsache keine Einheit mehr bilden sollen. Unteilbare Rechtsverhältnisse können auch hier notwendig nur als Ganzes übergehen140. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass über § 132 UmwG grundsätzlich die staatlichen Genehmigungen, die für die Einzelrechtsnachfolge erforderlich sind, auch bei der Unternehmensspaltung eingeholt werden müssen141. 2. Der Ausschluss des Erwerbs kraft guten Glaubens Zum anderen wird durch einen Rückgriff auf die Gesamtrechtsnachfolge die Möglichkeit des rechtswirksamen Erwerbs vom Nichtberechtigten kraft guten Glaubens an dessen Eigentümerstellung ausgeschaltet142. Soweit dieser nämlich vom Bürgerlichen Gesetzbuch ausnahmsweise zugelassen wird, knüpft er zwingend an den jeweils einschlägigen Erwerbstatbestand der Einzelrechtsnachfolge an143: § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB nimmt Bezug auf § 929 Satz 1 BGB, § 932 Abs. 1 Satz 2 BGB auf § 929 Satz 2 BGB, § 932a BGB auf § 929a BGB, § 933 BGB auf § 930 BGB, § 934 BGB auf § 931 BGB, § 892 BGB auf § 873 BGB usw. Selbstverständlich kommt der gutgläubige Erwerb auch im Falle der identitätswahrenden Umwandlung, also beim Rechtsformwechsel, nicht in Betracht. Hier fehlt es bereits an jeglicher rechtsgeschäftlicher Neuzuweisung von Vermögensgegenständen, da einzig der auf den formwechselnden Rechtsträger anzuwendende Normenkomplex ausgetauscht wird. Allerdings müsste der Gutglaubensschutz auch stets dann ausscheiden, wenn die Ergebnisse des Formwechsels im Wege von Vermögensübertragungen außerhalb des Umwandlungsgesetzes erzielt werden sollten. Nachdem hinter Ausgangs- und Zielgesellschaft die gleichen Anteilseigner stehen (Grundsatz der Identität der Anteilseigner), wäre nämlich bereits kein Verkehrsgeschäft144 gegeben. Grundgedanke des Erwerbs kraft guten Glaubens ist aber stets der Schutz beim Rechtsverkehr mit Dritten, so dass es auch hier schon an einem tauglichen Anknüpfungspunkt für Gutglaubensschutzvorschriften fehlen würde. ___________ 140

Vgl. K. Schmidt in: Festschrift Medicus, S. 555 ff.; K. Schmidt, DB 2001, S. 1019; Teichmann, ZGR 1993, S. 396 (413). 141 Heckschen, DB 1998, S. 1385 (1396). 142 Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 27. 143 Vgl. dazu OLG Köln 24.01.2002 – 18 U 59/01, NZG 2002, S. 679 (680); K. Schmidt, AcP 191 (1991), S. 495 (517 ff.). 144 Vgl. z.B. Bassenge in: Palandt, BGB, § 892 Rdnrn. 5 ff., § 932 Rdnr. 1 mit w. Nachw.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 23 Rdnrn. 24 ff.; Lutter, AcP 164 (1964), S. 122 (159 ff.).

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D. Der numerus clausus des Umwandlungsrechts I. Zwingender Charakter der gesetzlich vorgesehenen Umstrukturierungsmodalitäten Der § 1 Abs. 2 UmwG ordnet einen numerus clausus der gesetzlich vorgesehenen Umwandlungen an. Dieser hat zwei Aussagen. Zum einen ist der Kreis der rechtsgeschäftlich möglichen Umwandlungsarten in § 1 Abs. 1 UmwG mit der Verschmelzung, der Spaltung, der Vermögensübertragung und dem Formwechsel abschließend aufgelistet145. Zum anderen können die vermögensüberführenden Umwandlungen auch ausschließlich zwischen den vom Gesetz vorgesehenen übertragenden und übernehmenden Rechtsträgern146 erfolgen. Ebenso ist die Benennung der formwechselfähigen Gesellschaftsformen147 abschließend. Die gesetzlich festgelegten Gestaltungsmaßnahmen sind deshalb analogiefeindlich. Eine Ausnahme von der gesetzlichen Beschränkung auf die ausdrücklich angesprochenen Rechtsträger und Umstrukturierungsvarianten kann allerdings dann in Erwägung gezogen werden, wenn höherrangiges Recht dies gebietet. So mag im Einzelfall durchaus eine Verletzung des in Art. 3 GG normierten allgemeinen Gleichheitssatzes in Betracht kommen148. Dieser Gedanke ist jedoch bisher im Schrifttum nur vereinzelt geäußert worden. Dabei ist in erster Linie streitig, ob die entsprechende Anwendung auch nur vereinzelter Vorschriften des Umwandlungsgesetzes auf die Erbengemeinschaft149 und die Partenreederei150 eine Verletzung des Analogieverbots bedeutet151. Die Überlegung hat indes keinerlei mitbestimmungsrechtlichen Einfluss und wird hier nicht weiter verfolgt werden. Nicht vom Anwendungsbereich des Umwandlungsrechts erfasst sind damit insbesondere nicht rechtsfähige Vereine sowie Einzelkaufleute ohne Handelsregistereintragung152. ___________ 145 Vgl. aber Bayer, ZIP 1997, S. 1613 (1625); Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 1 Rdnr. 33 mit w. Nachw. 146 Vgl. bzgl. der Verschmelzung § 3 Abs. 1 und 2 UmwG (dazu oben B. I. 3.), bzgl. der Spaltung § 124 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UmwG (dazu oben B. II. 3.) und bzgl. der Vermögensübertragung § 175 UmwG (dazu oben B. III. 2.). 147 Vgl. § 191 UmwG (dazu oben B. IV. 2.). 148 Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 1 Rdnr. 33; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 I 3 c; vgl. Wertenbruch, ZIP 1995, S. 712 (714 ff.); anderer Ansicht Schnorbus, DB 2001, S. 1654 (1659). 149 Vgl. K. Schmidt, ZGR 1990, S. 580 (592). 150 Vgl. K. Schmidt, ZGR 1990, S. 580 (591). 151 Vgl. dazu Heckschen, DB 1998, S. 1385; Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnrn. 31 ff. mit w. Nachw.; Wertenbruch, ZIP 1995, S. 712 ff. 152 Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 30.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Vom Analogieverbot unabhängig ist allerdings die Frage zu behandeln, ob dem Gesetz Wertungen entnommen werden können, welche eine entsprechende Anwendung einzelner spezialgesetzlicher (Schutz-)Normen auch auf solche Umstrukturierungen rechtfertigen, die sich explizit außerhalb des Umwandlungsgesetzes vollziehen153. Zur Diskussion steht dabei insbesondere die Frage, ob nicht auch in den Fällen der Unternehmensumstrukturierung durch Einzelrechtsnachfolge die Anteilseigner in ihrem subjektiven Recht der Mitgliedschaft154 derart gravierend betroffen sein können, dass zum einen die umfangreichen Berichts-, Informations- und Prüfpflichten, die das Umwandlungsgesetz für rechtstechnische Umwandlungen vorsieht, entsprechend zu beachten sind und zum anderen und insbesondere den Anteilseignern die vom Umwandlungsgesetz angeordneten Mitwirkungsrechte entsprechend eingeräumt werden müssen. Dies könnte etwa im Falle der Veräußerung eines Geschäftsbereichs einer Aktiengesellschaft nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuchs bedeuten, dass die Aktionäre in der Hauptversammlung der Veräußerung mit drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals zustimmen müssen analog §§ 43, 50, 65, 78, 84, 103, 106, 112 Abs. 3, 118 UmwG. Zum Teil wird dies mit einer Heranziehung der Grundsätze des Holzmüller-Urteils des Bundesgerichtshofs155 begründet, zum Teil damit, dass die Anteilseignerbeteiligung auch im Rahmen des Umwandlungsrechts sich nur über den Gedanken der Verkürzung mitgliedschaftlicher Rechte rechtfertige. Dieser Eingriff bestehe aber unabhängig vom gewählten Verfahren der Vermögensübertragung allein aufgrund des (identischen) Übertragungsergebnisses156. Die wohl herrschende Auffassung lehnt indessen eine Analogie zu Recht ab157. In erster Linie kann sie sich dabei auf ein rechtstechnisches Argument ___________ 153 Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 69 (dort Fn. 110) i.V.m. Rdnr. 71; vgl. Bayer, ZIP 1997, S. 1613 (1625); Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 1 Rdnr. 9. 154 Vgl. zur dogmatischen Einordnung Lutter, AcP 180 (1980), S. 84 (101); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 I 3 mit w. Nachw. 155 BGH 25.02.1982 – II ZR 174/80, AG 1982, S. 158 ff. = BGHZ 83, S. 122 ff. = DB 1982, S. 795 ff. = NJW 1982, S. 1703 ff. = WM 1982, S. 388 ff. = ZIP 1982, S. 568 ff. – Holzmüller. Mit seinen Entscheidungen in den Rechtssachen BGH 26.04.2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, S. 575 ff. – Gelatine I und BGH 26.04.2004 – II ZR 155/02, AG 2004, S. 384 ff. = NJW 2004, S. 1860 ff. – Gelatine II setzt der Zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs der Reichweite seiner in der Rechtssache Holzmüller getroffenen Aussagen über die ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung allerdings nunmehr relativ enge Grenzen. 156 Vgl. Veil, ZIP 1998, S. 361 (368) mit w. Nachw. 157 BayObLG 17.09.1998 – 3 Z BR 37/98, ZIP 1998, S. 2002 (2003) – Magna Media Verlag/WEKA; Bungert, NZG 1998, S. 367 f.; Heckschen, DB 1998, S. 1385 (1386); Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 7 Rdnr. 50; Seibt in: Willem-

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

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stützen. Eine analoge Anwendung setzt stets eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Regelungslücke voraus158. Das Problem der Übertragbarkeit spezifisch umwandlungsgesetzlicher Schutzmechanismen auf Unternehmensumstrukturierungen außerhalb des Umwandlungsgesetzes ist aber vom Gesetzgeber durchaus gesehen worden und Gegenstand der Diskussion im Gesetzgebungsverfahren gewesen. Man hat aber gerade keine Norm geschaffen, die eine entsprechende Anwendbarkeit vorschreibt. Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber die Gesamtrechtsnachfolge und die Einzelrechtsnachfolge bewusst unterschiedlichen Voraussetzungen unterstellen wollte159. II. Abgrenzung zu anderen Arten rechtsgeschäftlicher und gesetzlicher Umwandlung 1. Umwandlung durch Einzelrechtsnachfolge Die vorangegangenen Ausführungen dürfen indessen nicht dahingehend missverstanden werden, dass zum Beispiel eine wirtschaftliche Fusion mit einem vom Umwandlungsgesetz nicht erfassten Rechtsträger unmöglich ist. Dies wird deutlich vor dem Hintergrund der Aufgabe des Umwandlungsrechts, lediglich schon vor seinem Inkrafttreten rechtlich mögliche Ergebnisse in einem einfacheren Verfahren zu erreichen160. Deshalb kann etwa die vollständige Vermögensmasse einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne weiteres mit der einer Kommanditgesellschaft vereint werden. Allerdings muss dabei die Singulareinbringungslösung verfolgt, d.h. jeder Vermögensgegenstand einzeln mit Rücksicht auf die Spezialitätsmaxime übertragen werden161. Ferner ist die Li___________ sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 78; vgl. aber auch Priester, ZHR 163 (1999), S. 187 (197); vgl. außerdem zum Streit insgesamt LG Hamburg 21.01.1997 – 402 O 122/96, AG 1997, S. 238 = DB 1997, S. 516 (517); LG Karlsruhe 06.11.1997 – O 43/97 KfH I, NZG 1998, S. 393 ff.; Altmeppen, DB 1998, S. 49 ff.; Bayer, ZIP 1997, S. 1613 (1625); Feddersen/Kiem, ZIP 1994, S. 1078 ff.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, S. 225 ff.; Veil, ZIP 1998, S. 361 ff.; vgl. zur parallel gelagerten Problematik im Bereich der Personengesellschaften (namentlich zum Spannungsfeld von organschaftlicher Vertretungsmacht einerseits und der Zuständigkeit der Gesellschafter für strukturbestimmende Grundlagenentscheidungen andererseits) K. Schmidt, ZGR 1995, S. 675 (679 ff.). 158 BGH 13.11.2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, S. 165 (174). 159 Vgl. aber auch Veil, ZIP 1998, S. 361 (367), der der Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts entnimmt, der Gesetzgeber habe sich lediglich nicht festgelegt und die Problematik der Klärung durch Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen wollen. 160 Siehe oben C. I. 161 Vgl. LG Hamburg 21.01.1997 – 402 O 122/96, AG 1997, S. 238 = DB 1997, S. 516 (517); Feddersen/Kiem, ZIP 1994, S. 1078 (1079); Kallmeyer, ZIP 1994, S. 1746

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

quidation des Ausgangsrechtsträgers nach den einschlägigen Vorschriften erforderlich. Dieses Verfahrens bedient man sich in der Praxis auch gerne bei grenzüberschreitenden Sachverhalten162. § 1 Abs. 2 UmwG sperrt also nicht die mit dem Umwandlungsprozess zu erzielenden wirtschaftlichen Ergebnisse163, sondern nur den Rückgriff auf die Instrumente der Gesamtrechtsnachfolge und der Identität im umwandlungsgesetzlichen Sinne. Anders gewendet sind neue Angebote an die Gestaltungspraxis kennzeichnend für das Umwandlungsgesetz, nicht aber auch Verbote, nach wie vor den herkömmlichen Weg der Einzelübertragung zu gehen164.

2. Strategien im System des Personengesellschaftsrechts Aus diesem Grund bleiben auch Gestaltungsmaßnahmen unter Ausnutzung gesetzlicher Automatismen vom numerus clausus des Umwandlungsrechts unberührt. Diese ergeben sich aus den Grundsätzen des allgemeinen Rechts der Personengesellschaften165 und können bei Bedarf gezielt für die Zwecke der Gestaltungspraxis eingesetzt werden.

a) Formwechsel nach handelsrechtlichem Maßstab So wird etwa eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts automatisch zur offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, sobald sich der Umfang des von ihr betriebenen Kleingewerbes ändert und nun einen in kaufmännischer ___________ (1749); Nagl, DB 1996, S. 1221 (1225); Veil, ZIP 1998, S. 361 (366); Zöllner, ZGR 1993, S. 334 (337). 162 Lutter in: Lutter, UmwG Bd. I (2. Aufl.), § 1 Rdnr. 19 i.Vm. Rdnr. 17; vgl. zur Problematik transnationaler Umwandlungen auch Dorr/Stukenborg, DB 2003, S. 647 ff.; Kallmeyer, ZIP 1996, S. 535 ff.; Leutner/Tillmanns, RIW 2004, S. 264 ff.; Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 ff.; vgl. zur Frage, ob die Beschränkung in § 1 Abs. 1 UmwG auf Rechtsträger mit Sitz im Inland europarechtswidrig ist (Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, Art. 43, 48 EGV) und deshalb das UmwG bei europarechtskonformer Auslegung auch bei grenzüberschreitenden Umwandlungen zur Anwendung kommen kann, oben Einleitung E. II. 2. In diesem Zusammenhang sei auch erneut auf die Ende 2005 verabschiedete Richtlinie 2005/56/EG über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten hingewiesen. 163 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 78. 164 K. Schmidt, ZGR 1995, S. 675 (676) mit w. Nachw.; vgl. auch BFH 21.06.1994 – VIII R 5/92, NJW 1995, S. 478 (479); Orth, DStR 1999, S. 1011 (1013). 165 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 I 4; vgl. auch Stengel/Schwanna in: Semler/ Stengel, UmwG, § 190 Rdnr. 26.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

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Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB erforderlich macht. Gleiches kann durch eine gezielte Eintragung der bisher als Gesellschaft bürgerlichen Rechts verfassten Gesellschaft in das Handelsregister erreicht werden166. Das Ergebnis dieser gesetzlich vorgesehenen Unternehmensumstrukturierung entspricht dem eines Formwechsels im Sinne des § 202 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwG167, obgleich bei letzterem die BGB-Gesellschaft nicht formwechselfähiger Rechtsträger wäre, vgl. § 191 Abs. 1 UmwG. Sind an einer Kommanditgesellschaft mehrere persönlich haftende Gesellschafter und auch mehrere Kommanditisten beteiligt und scheiden alsbald sämtliche Kommanditisten aus der Gesellschaft aus, so verliert die Gesellschaft mit den gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger nur auf ihre Vermögenseinlage beschränkt haftenden Gesellschaftern gerade das Charakteristikum, welches den Unterschied zwischen einer Kommanditgesellschaft im Sinne des § 161 Abs. 1 HGB und einer offenen Handelsgesellschaft im Sinne des § 105 Abs. 1 HGB ausmacht. Infolgedessen ändert sich automatisch das auf die Gesamthand als Rechtsträger des Gesellschaftsvermögens anzuwendende Normensystem: Die Gesellschaft ist nunmehr als offene Handelsgesellschaft verfasst. Ganz wie beim umwandlungsgesetzlichen Formwechsel der §§ 190 ff. UmwG bleiben dabei aber die Identität des Rechtsträgers, die Zuordnung des gleich bleibenden Gesellschaftsvermögens (sofern ein solches vorhanden ist) zu diesem Rechtsträger und auch der Kreis der am Rechtsträger beteiligten Anteilsinhaber (freilich ist hier einzig auf die nach dem Austritt der Kommanditisten noch als Anteilsinhaber verbleibenden persönlich haftenden Gesellschafter abzustellen) vom Wechsel des einschlägigen Gesellschaftsorganisationsrechts unberührt. Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn die Kommanditisten zwar nicht aus der Gesellschaft ausscheiden, stattdessen aber gesellschaftsvertraglich ihre Kommandit- in eine Komplementärbeteiligung abändern. Genau umgekehrt, also in Gestalt eines handelsrechtlich vorgegebenen Formwechsels von der Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft in die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, kann sich dieser Fall abspielen, wenn in den Kreis der ausschließlich persönlich haftenden Gesellschafter ein neuer Gesellschafter aufgenommen wird, dem nach dem Gesellschaftsvertrag lediglich die Rolle eines Komplementärs zukommen soll. Auch ist eine Änderung des Vertrags dahingehend denkbar, dass die Haftung eines bislang vollumfänglich haftenden Gesellschafters für die Zukunft auf eine bestimmte Vermögenseinlage beschränkt wird, also ein Rollenwechsel vom Komplementär zum

___________ 166 167

Vgl. Schlitt in: Semler/Stengel, UmwG, § 214 Rdnr. 35. Vgl. Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, Q Rdnr. 6.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Kommanditisten erfolgt (Änderung einer Komplementär- in eine Kommanditbeteiligung)168. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund in § 214 Abs. 1 UmwG festgelegt, dass ein in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft betriebener Rechtsträger im Zuge des Umwandlungsverfahrens der §§ 190 ff. UmwG lediglich die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (§ 191 Abs. 2 Nr. 3 UmwG) oder einer eingetragenen Genossenschaft (§ 191 Abs. 2 Nr. 4 UmwG) erlangen kann. Damit ist ihm im Umkehrschluss der Formwechsel in eine Personengesellschaft anderer Rechtsform verwehrt. Gerade für diesen Prozess besteht aber auch kein umwandlungsgesetzliches Regelungsbedürfnis, da sich die entsprechenden Modifikationen der Gesellschaftsorganisation, wie soeben dargestellt, ohne weiteres im System des Personengesellschaftsrechts selbst vornehmen lassen169. Entscheidende Normen sind also solche des Handelsgesellschaftsrechts (§§ 105 ff., 161 ff. HGB) sowie diejenigen betreffend die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB). In § 190 Abs. 2 UmwG ist noch einmal klargestellt, dass das Umwandlungsgesetz die Anwendbarkeit dieser Vorschriften in keiner Weise eingrenzen will170. Das unterstreicht auch die zugehörige Gesetzesbegründung der Bundesregierung171 mit den Worten: „Das Fünfte Buch (des Umwandlungsgesetzes) beschränkt sich auf Umwandlungsfälle, die einer besonderen gesetzlichen Regelung bedürfen. Deshalb bleiben Änderungen der Rechtsform, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften eintreten, unberührt. Nach geltendem Recht geht es hierbei vor allem um die Fälle der identitätswahrenden Umwandlung innerhalb der Personenhandelsgesellschaften und um den Wechsel von der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft zur Rechtsform der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und umgekehrt. Die insoweit einschlägigen Voraussetzungen für den Eintritt des Formwechsels sind den Vorschriften des Handelsgesetzbuches zu entnehmen.“

___________ 168 Vgl. Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 133 f.; Schlitt in: Semler/Stengel, UmwG, § 214 Rdnr. 34; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 214 Rdnrn. 10 ff. 169 Vgl. Dirksen in: Kallmeyer, UmwG, § 214 Rdnrn. 2, 12; Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 214 Rdnrn. 13, 15; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 214 Rdnr. 1. 170 Schlitt in: Semler/Stengel, UmwG, § 214 Rdnr. 32; vgl. Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 190 Rdnr. 26. 171 BR-Drucks. 75/94, S. 136.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

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b) Gesamtrechtsnachfolge aufgrund Anwachsung Ferner kann der Umstand, dass Personengesellschaften notwendig eine Personenvielzahl von Gesellschaftern voraussetzen172, zum Zwecke der Gestaltung ausgenutzt werden. Das in diesem Zusammenhang ausschlaggebende Stichwort ist dasjenige der Anwachsung173. Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein Rechtsnachfolgeprinzip, demzufolge außerhalb des Erbrechts einerseits und des Umwandlungsgesetzes andererseits dem deutschen Recht eine dritte Modalität der Universalsukzession in sämtliche bei einem Ausgangsrechtsträger bestehenden Rechte und Pflichten bekannt ist174. Ausgangspunkt für die hier interessierenden Konstellationen der Anwachsung ist § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieser beinhaltet eines der wesentlichen Charakteristika des Gesamthandsprinzips175. Danach wächst der Anteil eines Gesellschafters am Gesamthandsvermögen im Falle des Ausscheidens des Gesellschafters aus der Personengesamtheit den übrigen Gesellschaftern zu176. Diese auf die Gesellschaft bürgerlichen ___________ 172

Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 5 I 1 a. Vgl. zum sog. Anwachsungsmodell Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, Q Rdnr. 7; Volhard/Tischbirek in: Hopt, Vertrags- und Formularbuch, 1. Teil II J 1. Demgegenüber beschreibt der Komplementärbegriff Abwachsung die Verringerung des prozentualen Anteils jedes bisherigen Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, wenn ein neuer Gesellschafter in die Gesellschaft aufgenommen wird und dementsprechend am Gesellschaftsvermögen zu beteiligen ist. Mit einer tatsächlichen Werteinbuße ist die Abwachsung für die Altgesellschafter aber nicht zwingend verbunden, da den neuen Gesamthänder nach dem Aufnahmevertrag regelmäßig die Pflicht trifft, in das Gesellschaftsvermögen derart einzubezahlen, dass hinter der geminderten Anteilsquote der Altgesellschafter sich noch der gleiche absolute Betrag verbirgt, vgl. A. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, C V 1 b sowie C V 2 b; Orth, DStR 1999, S. 1011 (1012); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 a i.V.m. § 45 II 5 mit w. Nachw. 174 Die genaue dogmatische Einordnung der Anwachsung als (echte) Gesamtrechtsnachfolge oder (atypischer) Sonderrechtsnachfolgetatbestand ist streitig; vgl. bejahend zur Gesamtrechtsnachfolge BGH 13.07.1967 – II ZR 268/64, BGHZ 48, S. 203 (206); BGH 10.05.1978 – VIII ZR 32/77, BGHZ 71, S. 296 (300) = GmbHR 1978, S. 253; BGH 24.11.1978 – V ZB 24/78, WM 1979, S. 249 f.; BFH 18.09.1980 – V R 175/74, BStBl. II 1981, S. 293; OLG Nürnberg 04.02.1999 – 8 U 3465/98, BB 1999, S. 652; v. Busekist, GmbHR 2004, S. 650 (657 f.); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 89 f. (dort in den Beispielen F 27, F 28); Widmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 5, UmwStG § 20 Rdnr. 446; ablehnend Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwStG § 20 Rdnr. 197; vgl. ausführlich zum Ganzen Orth, DStR 1999, S. 1011 (1012 f.). 175 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 a; in diesem Sinne auch Orth, DStR 1999, S. 1011 (1012). 176 Dietrich in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 18 Rdnr. 142; Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 20. Die Anwendbarkeit des Anwachsungsprinzips aus § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt allerdings voraus, dass (wie in der Praxis üblich) der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel für den Fall des Ausscheidens von Gesellschaftern enthält. Im 173

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Rechts zugeschnittene Norm findet über die einschlägigen Verweisungen in den §§ 105 Abs. 3 und 161 Abs. 2 HGB auch auf die Personenhandelsgesellschaften offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft Anwendung. Von besonderem Interesse ist der in § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgestellte Grundsatz in den Fällen, in denen sämtliche Gesellschafter bis auf einen die Personengesellschaft verlassen177. Namentlich tritt der letzte verbleibende Gesellschafter einer Personengesamtheit automatisch die Gesamtrechtsnachfolge in das bisherige Gesamthandsvermögen an178 (freilich unter Umwandlung der Gesamthandsrechtsinhaberschaft in eine Alleinrechtsinhaberschaft179). Anders als im Recht der Körperschaften (§§ 2 AktG, 1 GmbHG) kann eine Personengesellschaft schließlich nicht als Einmanngesellschaft aufrechterhalten werden180. Ist nur noch ein einziger „Gesellschafter“ vorhanden, so befindet sich diese Person gerade nicht mehr in Gesellschaft. Nachdem die Personengesellschaft sich mangels zwingender Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften nicht hinreichend von den Personen ihrer Gesellschafter abstrahieren lässt (daher ja auch die Bezeichnung der Organisation als „Personen“-Gesellschaft), geht in dem Zeitpunkt, in dem nur noch ein einziger Gesellschafter vorhanden ist, die Personengesamtheit als Rechtsträger des Gesellschaftsvermögens unter und die im Gesellschaftsvermögen zusammengefassten Rechte und Pflichten müssen einem anderen Rechtsträger zugewiesen werden. Bei jener Neuzuweisung des Gesellschaftsvermögens kommt es aber gerade nicht auf die Eigenarten der einzelnen übergehenden Rechtspositionen an, so dass insofern auch hier ein Paket von Rechten und Pflichten als Ganzes transferiert wird und mithin ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge gegeben ist. Der das Gesellschaftsvermögen aufnehmende Rechtsträger ist denknotwendig der letzte verbleibende Gesellschafter. Er hält nach der Anwachsung der übrigen Anteile am Gesellschaftsvermögen im Sinne des § 738 Abs. 1 BGB einhundert Prozent der Anteile, während die Gesamthand als Rechtsträger des Gesellschaftsvermö___________ Umkehrschluss zu § 736 Abs. 1 BGB zieht nämlich die Kündigung des Gesellschaftsvertrags durch einen oder mehrere Gesellschaftern nach dem gesetzlichen Regelfall die Liquidation der Gesellschaft nach sich. 177 Vgl. Füger/Rieger in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 19 Rdnr. 16. 178 Vgl. BGH 16.12.1999 – VII ZR 53/97, NZG 2000, S. 474; Köstler in: Bachner/ Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 20; Reiß in: Kirchhof, EStG, § 16 Rdnr. 216; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 89; Sprau in: Palandt, BGB, § 738 Rdnr. 1. 179 BGH 19.05.1960 – II ZR 72/59, BGHZ 32, S. 307 (315) = NJW 1960, S. 1664 (1666); Ulmer in: MünchKomm BGB Bd. 5, § 730 Rdnr. 81. 180 Baumann, BB 1998, S. 225; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 b; vgl. Weimar, ZIP 1997, S. 1769 ff.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

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gens im gleichen Zeitpunkt in sich zusammenbricht. Gedanklich mag man also von einem zweistufigen Anwachsungsprozess ausgehen:  Erster Schritt: Dem letzten in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter wachsen die Anteile der austretenden Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen zu, § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB.  Zweiter Schritt: Da eine Einmannpersonengesellschaft nicht existieren kann, erlischt die Gesellschaft ohne Abwicklung und das Gesellschaftsvermögen wechselt den Rechtsträger. Es wächst seinerseits dem letzten Gesellschafter an. Dabei muss man sich natürlich bewusst sein, dass der vorstehende Doppelschritt das Anwachsungsgeschehen lediglich leichter nachvollziehbar machen soll, es zu diesem Zweck aber dogmatisch unvollkommen beschreibt. Tatsächlich bilden die beiden Schritte natürlich eine untrennbare Einheit. Die Anwachsung der übrigen Anteile am Gesellschaftsvermögen und der Übergang des Vermögens selbst sind ein identischer Vorgang. Anderenfalls käme man zu dem absurden Ergebnis, dass zumindest für eine logische juristische Sekunde das Vermögen noch der Gesamthand zugeordnet ist und ein einziger Gesellschafter sämtliche Anteile an dieser Gesamthand hält. Die Einmanngesellschaft existiert im Personengesellschaftsrecht aber zu keinem Zeitpunkt, auch nicht für eine logische Sekunde. Die wesentlichen Grundlagen der Gesamtrechtsnachfolge aufgrund Anwachsung sind damit bereits erklärt. Berücksichtigt man, dass Gesellschafter einer Personengesellschaft ohne weiteres auch andere Personen- und Kapitalgesellschaften sein können, lassen sich über einen gezielten Gesellschafteraustritt auf diese Weise Ergebnisse erzielen, die mit denen der bisher besprochenen Unternehmensumwandlungen durchaus vergleichbar sind. Die Vorteile des Anwachsungsprinzips gegenüber anderen Formen des Vermögenstransfers liegen dabei klar auf der Hand. Im Verhältnis zur Einzelrechtsnachfolge ist zu betonen, dass der Rechtsanwender mit einem Rückgriff auf die Anwachsung ebenso wie in den Fällen der Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung den eleganten und rechtstechnisch besonders einfachen Weg der Gesamtrechtsnachfolge wählt181. Aber auch von diesen übertragenden Umwandlungen vermag sich das Anwachsungsmodell positiv abzuheben. Der Austritt von Gesellschaftern aus einer Personengesellschaft wird vom Gesetz an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere ist er formlos möglich und unterliegt nicht der Kontrolle durch einen Umwandlungsprüfer. Dies stellt einen nicht zu unterschätzenden praktischen Vorteil dar gemessen an den aufwändigen Verfahren, welche das Umwandlungsgesetz aus unterschiedlichsten Schutzgesichtspunkten heraus für die verschiedenen Varianten der Unternehmensum___________ 181

Vgl. dazu auch Leutner/Tillmanns, RIW 2004, S. 264 (265).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

strukturierung vorsieht. Mit anderen Worten: Vermögensübertragung durch Anwachsung kann in erheblichem Maße Zeit und Geld einsparen182. Der gravierende Nachteil des Anwachsungsmodells liegt freilich darin, dass sein Anwendungsbereich sehr gering ist, da es natürlich nur im Falle einer Personengesellschaft als Unternehmensträgerin einsetzbar ist und damit in der Gestaltungspraxis bei der Umstrukturierung von Großunternehmen – diese sind in aller Regel als Kapitalgesellschaften organisiert – eher selten zum Tragen kommt. Gleichwohl werden im Folgenden noch einige Besonderheiten des Anwachsungsrechts näher beleuchtet. Zu trennen sind dabei zunächst die Begrifflichkeiten „einfaches Anwachsungsmodell“ und „erweitertes Anwachsungsmodell“. aa) Einfaches Anwachsungsmodell Vom einfachen Anwachsungsmodell spricht man, wenn die gewünschte Gesamtrechtsnachfolge lediglich über den oben beschriebenen Gesellschafteraustritt angesteuert wird. Entscheidend ist, dass in diesem Falle der letzte verbleibende Gesellschafter aufgrund eines Verzichts der ausscheidenden Gesellschafter keine Abfindung an diese bezahlen wird183. Das führt zu der steuerrechtlichen Besonderheit, dass der verbleibende Gesellschafter keine eigenen Anschaffungskosten für das ihm anwachsende Vermögen hat184. Dabei sind für die vorliegende Untersuchung ausschließlich solche Fälle von Interesse, in denen Gesellschaften anderer Rechtsform als Gesellschafter der unternehmenstragenden Personengesellschaft eingesetzt werden. Damit kommt hier erneut die schon klassische und oben in anderem Zusammenhang185 bereits näher betrachtete Organisationsform der Kapitalgesellschaft & Co. ins Spiel. Soll in einer GmbH & Co. KG mit zwei natürlichen Personen als Kommanditisten und denselben als Gesellschafter der Komplementär-GmbH (so genannte personengleiche oder echte GmbH & Co. KG186) das von der Kommanditgesellschaft betriebene Unternehmen unmittelbar durch die Komplementärgesellschaft fortgeführt werden, erscheint der Rückgriff sowohl auf die Reorganisationstechniken des Umwandlungsgesetzes als auch auf den Vermögens___________ 182

Vgl. Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr.

131. 183 Vgl. Reiß in: Kirchhof, EStG, § 16 Rdnr. 218; vgl. zum Ausscheiden eines Mitunternehmers gegen Abfindung Söffing in: Lademann, EStG Bd. VI, § 16 Rdnr. 90. 184 Orth, DStR 1999, S. 1053 (1056). 185 Vgl. zu den Besonderheiten der Arbeitnehmermitbestimmung in der Kapitalgesellschaft & Co. KG nach Maßgabe des § 4 MitbestG oben § 3 A. II. 2. 186 Siehe schon oben § 3 A. II. 2. b) cc).

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

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transfer im Wege der Singulareinbringung unnötig kompliziert. Vielmehr können die Kommanditisten (ohne Abfindung durch die verbleibende persönlich haftende Gesellschafterin) aus der Kommanditgesellschaft austreten. Da die Komplementär-GmbH die Kommanditgesellschaft nicht als Einmanngesellschaft aufrechterhalten kann, erlischt letztere automatisch ohne Liquidation und das Gesellschaftsvermögen geht als Ganzes auf die persönlich haftende GmbH mit den ursprünglichen Kommanditisten als Gesellschafter über. Im beschriebenen Fall ist die ausgelöste Anwachsung des Gesellschaftsvermögens auf die als letzter Gesellschafter verbleibende Komplementär-GmbH gleich in mehrfacher Hinsicht mit den im Umwandlungsgesetz geregelten Rechtstechniken der vermögensübertragenden Umwandlungen vergleichbar. Dogmatisch zeigen sich insbesondere deutliche Parallelen zum Verschmelzungsrecht187:  Das Gesellschaftsvermögen der Gesamthand als Ausgangsrechtsträger geht als Ganzes, also im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, auf den verbleibenden Komplementär als Zielrechtsträger über. Dies entspricht dem in §§ 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG beschriebenen Übertragungsvorgang bei der Verschmelzung zur Aufnahme.  Die Kommanditgesellschaft als Ausgangsrechtsträger erlischt ohne Abwicklung. Dies ist ebenfalls Rechtsfolge der Verschmelzung, §§ 2 Eingangssatz, 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Anzumerken ist allerdings, dass trotz aller rechtstechnischer Verwandtschaft der Anwachsung mit dem Verschmelzungsrecht die Überführung des Gesellschaftsvermögens von der Kommanditgesellschaft auf die Komplementärgesellschaft wirtschaftlich eher als Alternative zum Rechtsformwechsel im Sinne der §§ 190 ff. UmwG verwendet wird188. Eine gewisse Vergleichbarkeit der ___________ 187

Vgl. Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 20; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 89 f.; vgl. zum verwandten französischen Rechtsinstrument der confusion de patrimoines, bei dem es der Sache nach ebenfalls um ein Ineinanderaufgehen von Vermögensmassen geht, Leutner/Tillmanns, RIW 2004, S. 264 (265): „Gemäß Art. 1844-5 Abs. 3 Code Civil führt die Vereinigung sämtlicher Geschäftsanteile in einer Hand nicht zur automatischen Auflösung der Gesellschaft. Wird jedoch die Auflösung beschlossen, so geht das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ohne Liquidation auf den Alleingesellschafter über, wenn dieser eine juristisch Person ist ... Die confusion de patrimoines stellt sich dem Ergebnis nach als eine „Verschmelzung“ einer Tochtergesellschaft auf die Mutter dar (up-stream-merger).“ 188 Vgl. Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 20; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 I 4 d; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 89 f.; vgl. außerdem Hennerkes/Binz in: Festschrift Meilicke, S. 31 ff.; Krüger, NJW 1982, S. 2847; Kruse, GmbHR 1979, S. 280.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Rechtsfolgen lässt sich zwar auch hier nicht leugnen: Schließlich wird das ursprünglich von einer Kommanditgesellschaft betriebene Unternehmen nunmehr von denselben Komplementären in der Rechtsform einer GmbH geführt. Dessen ungeachtet sind gewichtige rechtsdogmatische Unterschiede zwischen den Rechtsfolgen der Anwachsung und den in § 202 Abs. 1 UmwG vorgeschriebenen Wirkungen der Registereintragung festzustellen189. Der Formwechsel kommt gerade ohne jegliche Neuzuordnung von Vermögensgegenständen aus und beruht auf dem Prinzip der Identität, welches das Anwachsungsmodell in keiner Hinsicht beachtet:  Keine Identität der Rechtsträger: Die juristische Person als Rechtsträger der Komplementärgesellschaft und die hinter der Kommanditgesellschaft stehende Personengesamtheit bestehen bis zum Erlöschen der Kommanditgesellschaft nebeneinander und sind folgerichtig keine identischen Rechtsträger. Gerade deshalb muss es ja auch zu der soeben beschriebenen Gesamtrechtsnachfolge als Akt des Transfers von Rechten und Pflichten zwischen zwei selbständigen Rechtsträgern kommen.  Keine Identität der Anteilseigner: An der Kommanditgesellschaft war neben den Kommanditisten noch die Komplementär-GmbH als Anteilsinhaberin beteiligt. Am Ende des Anwachsungsvorgangs hält sie jedoch keinerlei Anteile an sich selbst, so dass im Zuge der Umwandlung ein Gesellschafter „verloren gegangen“ ist190.  Keine Identität des Gesellschaftsvermögens: Schließlich bleibt auch das Vermögen der sich umwandelnden Kommanditgesellschaft im Zuge der Anwachsung nicht identitätswahrend erhalten. Vielmehr vereinigt es sich gerade mit dem originär bei der aufnehmenden Komplementärgesellschaft bestehenden Vermögen zu einer einheitlichen Vermögensmasse. ___________ 189 Weniger gravierende Unterschiede bestanden im Verhältnis zum Formwechsel nach dem UmwG 1969: Der Wechsel der Rechtsform vollzog sich bei der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Körperschaft (und umgekehrt) gerade nicht nach dem heute unabhängig von den beteiligten Rechtsträgern verwendeten Rechtsinstrument der Identität, sondern fand vielmehr im Wege der errichtenden Umwandlung statt; vgl. oben B. IV. 1. 190 Wie noch zu zeigen sein wird, ist diese Nebenfolge der Unternehmensumwandlung im Wege der Anwachsung durchaus zu begrüßen. Fraglich ist deshalb, ob auch im Falle des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft & Co. in eine Kapitalgesellschaft im Sinne der §§ 191 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3, 214 ff. UmwG dergestalt umgewandelt werden kann, dass entgegen dem Prinzip der Gesellschafteridentität die Komplementärgesellschaft aus der Gesellschafterstellung ausscheidet. Da das UmwG diese Möglichkeit nicht expliziert regelt, ist umstritten, ob ein Austritt der Komplementärin aus der Gesellschaft und der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Formwechsels unmittelbar zusammenfallen dürfen, etwa indem die Komplementärin ihren Austritt aus der Gesellschaft aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister erklärt; vgl. dazu ausführlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 13 II 3 e.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

241

Trotzdem, das ökonomische Ziel des Formwechsels ist auch über den Anwachsungsvorgang erreicht worden. Die Gesellschafter sind nunmehr unmittelbar mit einer Kapitalgesellschaft operativ tätig. Dass die Komplementärgesellschaft als solche auf Seiten der Anteilseigner nicht mehr vertreten ist, ist zudem eine nur wünschenswerte Folge der Anwachsung. Schließlich diente sie in der Kapitalgesellschaft & Co. KG ausschließlich der Haftungsabschottung der Privatvermögen der an der Gesellschaft beteiligten natürlichen Personen gegen den Zugriff von Gläubigern der Kommanditgesellschaft. Nach der neuen Verfassung des Unternehmens bedarf es eines solchen gesellschaftsrechtlichen Konstrukts nicht mehr, hat sich der Zweck der Haftungsabschottung bei einer unmittelbar am Markt operierenden Kapitalgesellschaft aufgrund des § 13 Abs. 2 GmbHG doch erledigt191. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben einzig das Gesellschaftsvermögen, nicht hingegen das Vermögen der Gesellschafter. Für die Aktiengesellschaft ergibt sich das gleiche aus § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG. Bei der Unternehmensumstrukturierung unter Einsatz des einfachen Anwachsungsmodells finden §§ 20 ff. UmwStG keine Anwendung, nachdem die austretenden Gesellschafter keine neuen Anteilsrechte an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft erhalten192. bb) Erweitertes Anwachsungsmodell Dem so genannten erweiterten Anwachsungsmodell liegt strukturell das gleiche gesellschaftsrechtliche Prinzip zugrunde wie der soeben dargestellten einfachen Anwachsung. Auch hier geht es darum, in der Kapitalgesellschaft & Co. die Komplementärgesellschaft als letzten verbleibenden Gesellschafter zum Rechtsnachfolger in die Gesamtheit aller in der bisherigen Personengesellschaft bestehenden Rechte und Pflichten werden zu lassen. Allerdings wird dieses Ziel nicht auf dem gesellschaftsrechtlich einfachen Weg des Austritts aller übrigen Gesellschafter aus der Personengesellschaft (im praxisrelevanten Fall der personenidentischen GmbH & Co. KG also des Austritts aller Kommanditisten) erreicht. Stattdessen wird den in § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG verankerten steuerrechtlichen Besonderheiten Rechnung getragen. Das in dieser Norm beschriebene Verfahren ist sozusagen die Eintrittskarte in die in den folgenden Absätzen des § 20 UmwStG beschriebenen steuerlichen Gestaltungsspielräume. Jene kommen, wie bereits beschrieben wurde, auch in den Fällen der übertragenden Umwandlungen im Sinne des Umwandlungsgesetzes zur Anwendung ___________ 191

Vgl. auch Dirksen in: Kallmeyer, UmwG, § 214 Rdnr. 12. Vgl. BFH 27.07.1988 – I R 147/83, BStBl. II 1989, S. 271 ff.; BFH 18.12.1990 – VIII R 17/85, BStBl. II 1991, S. 512; Wacker in: L. Schmidt, EStG, § 16 Rdnr. 513. 192

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

und bilden einen der elementaren Vorzüge dieser Umstrukturierungsmodalitäten gegenüber der herkömmlichen Singulareinbringung einzelner Vermögensgegenstände193. Voraussetzung des § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG ist, dass ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtige Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingebracht wird und der Einbringende im Gegenzug neue Anteile an der Kapitalgesellschaft erhält. Dies wird im erweiterten Anwachsungsprozess dadurch erreicht, dass die Kommanditisten der unternehmenstragenden Personengesamtheit nicht schlicht die Gesamthand verlassen, sondern stattdessen ihre Kommanditanteile als Sacheinlage auf die Komplementärgesellschaft übertragen194. Dies ist eine Übertragung von Mitunternehmeranteilen im umwandlungssteuerrechtlichen Sinne. Auch auf diese Weise vereinigen sich sämtliche Anteile am Gesamthandsvermögen in der Hand nur einer (juristischen) Person, welche in der Folge automatisch zum neuen unmittelbaren Rechtsträger dieser Vermögensmasse wird. Die Sacheinlage bewirkt zugleich die Durchführung einer (vorab beschlossenen) Stammkapitalerhöhung bei der Komplementärin195. Die daraus hervorgehenden neu geschaffenen Gesellschaftsanteile werden den übertragenden Kommanditisten als Gegenleistung gewährt196. Insbesondere bei umfangreichen Vermögen, die im Zuge der Anwachsung den Rechtsträger wechseln sollen, sind die sich aus § 20 Abs. 2 bis 8 UmwStG ergebenden Vorteile von immenser Bedeutung und rechtfertigen ohne weiteres den im Verhältnis zur einfachen Anwachsung gesteigerten Aufwand. Herauszuheben ist in erster Linie, dass im erweiterten Anwachsungsmodell keine Pflicht zur Auflösung und Versteuerung der stillen Reserven des Gesellschaftsvermögens besteht197.

___________ 193

Vgl. dazu oben C. I. v. Busekist, GmbHR 2004, S. 650 (654, dort auch Fn. 51); Seibt in: Willemsen/ Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 89. 195 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 132; Wacker in: L. Schmidt, EStG, § 16 Rdnr. 513. 196 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwStG § 20 Rdnr. 198; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 89; Wacker in: L. Schmidt, EStG, § 16 Rdnr. 513; Widmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 5, UmwStG § 20 Rdnr. 446. 197 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 89; vgl. auch Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 190 Rdnr. 18. 194

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

243

E. Die Durchführung des Umwandlungsverfahrens Der Eintritt der rechtlichen Konsequenzen der verschiedenen Umwandlungsmodalitäten (Gesamtrechtsnachfolge oder Wechsel der Rechtsform unter Wahrung der Identität des Rechtsträgers, Erlöschen von übertragenden Rechtsträgern, Neuverteilung von Gesellschaftsanteilen an den übernehmenden Rechtsträgern) wird vom Umwandlungsgesetz an die Einhaltung bestimmter Verfahren geknüpft198. Die angeordneten Vorgehensweisen sind dabei bei den übertragenden Umwandlungen Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung weitgehend identisch. Ausgeprägte Unterschiede ergeben sich nur im Rahmen eines Vergleichs mit dem Formwechselverfahren, weil dieses dem Prinzip der Identität folgt und mithin von der Beteiligung weiterer Rechtsträger am Umwandlungsprozess oder der Neugründung anderer Rechtsträger im Zuge der Umwandlung unabhängig ist. Da hier keine Vermögensverschiebungen vollzogen werden, kann zudem auf die Erstellung einer handelsrechtlichen Schlussbilanz durch den formwechselnden Rechtsträger verzichtet werden199. I. Rechtsgeschäftliche Veranlassung der Umwandlung Der Terminus Gesamtrechtsnachfolge war im deutschen Recht ursprünglich vor allem im erbrechtlichen Kontext bekannt und konnte deshalb ausschließlich kraft Gesetzes (§§ 1922, 1967 BGB: Koppelung an den Erbfall) eintreten200. Einen Bruch mit diesem Begriffsverständnis brachte insofern die Anordnung der Universalsukzession als Ergebnis einer Unternehmensumwandlung, die gerade rechtsgeschäftlich herbeigeführt wird201. Daraus ergibt sich auch schon der erste Schritt im Verfahren einer übertragenden Umwandlung: Es bedarf ___________ 198 Im Folgenden wird lediglich ein grober Überblick über die wesentlichen Verfahrensschritte gegeben, ergänzt durch die Übersichten: Verschmelzung (V. 1.), Aufspaltung und Abspaltung (V. 2.), Ausgliederung (V. 3.) und Formwechsel (V. 4.); vgl. auch Arens/Spieker in: Arens, AnwFormulare Gesellschaftsrecht, § 19 Rdnr. 28 (Verschmelzung), § 20 Rdnrn. 30 (Abspaltung) und 46 (Ausgliederung), § 21 Rdnr. 45 (Formwechsel); Neye in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnrn. 182 (Verschmelzung), 1484 (Spaltung) und 2192 (Formwechsel); Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnrn. 9 ff. 199 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 97. 200 Lücke in: BeckMandHandbuch Unternehmenskauf, § 6 Rdnr. 6. 201 Damit schließen sich die Institute Rechtsgeschäft und Gesamtrechtsnachfolge – soweit sie nicht beschränkt auf das BGB betrachtet werden – nicht mehr gegenseitig aus, vgl. Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 324 Rdnrn. 14 f.; Vollrath in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 324 Rdnr. 6. Gleichwohl findet sich in der Literatur bisweilen immer noch diese nunmehr verfehlte Differenzierung, vgl. etwa Schiefer/Pogge, NJW 2003, S. 3734 (3737); Weidenkaff in: Palandt, BGB, § 613a Rdnr. 14.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

regelmäßig des Abschlusses eines Umwandlungsvertrags zwischen den an der Umstrukturierung beteiligten Rechtsträgern202. Eine Einschränkung dieser Maxime muss sich zwangsläufig daraus ergeben, dass das Gesetz auch übertragende Umwandlungen kennt, bei denen lediglich einer der beteiligten Rechtsträger schon zu Beginn des Umstrukturierungsprozesses existiert. Damit fehlt es in diesem Verfahrensstadium an einem Vertragsgegner. Betroffen sind namentlich die Fälle der Spaltung zur Neugründung. Konsequent sieht § 136 UmwG statt des Vertragsschlusses die Erstellung eines Spaltungsplans durch das Vertretungsorgan des übertragenden Rechtsträgers vor. Diese rechtgeschäftlichen Initiierungen einer Umstrukturierung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit jeweils der notariellen Beurkundung203. Wiederum anders sind die Anforderungen beim Formwechsel: Aus den genannten Gründen muss hier anders als bei übertragenden Umwandlungen ein Entwurf des späteren Umwandlungsbeschlusses erstellt werden, § 192 Abs. 1 Satz 3 UmwG. Mit dem Abschluss dieser Maßnahmen ist das Ziel des Vermögenstransfers bzw. des identitätswahrenden Wechsels der Rechtsform allerdings noch nicht erreicht. Dieses tritt vielmehr nicht unmittelbar kraft Rechtsgeschäfts ein, sondern erst durch die Eintragung der Umwandlung in das zuständige Register. Entscheidende Bedeutung hat die rechtsgeschäftliche Einleitung der Umwandlung aber in zweierlei Hinsicht: Zum einen bildet sie die Grundlage für die Umwandlungsbeschlüsse der Anteileigner der beteiligten Rechtsträger, zum anderen legt sie die Rechtsfolgen der angestrebten Umstrukturierung fest. Besonders deutlich wird dies im Falle der Spaltung und der Vermögensteilübertragung, da im Umwandlungsvertrag bzw. im Umwandlungsplan dann die zu übertragenden Vermögensteile von demjenigen Vermögen abgegrenzt werden müssen, das beim Ausgangsrechtsträger verbleibt oder auf dritte Rechtsträger übergehen soll. Man kann daher sagen, dass die Umwandlung zwar nicht rechtsgeschäftlich bewirkt aber immerhin rechtsgeschäftlich veranlasst ist.

___________ 202

Vgl. dazu §§ 4 ff. UmwG (Verschmelzung zur Aufnahme), §§ 36 f. UmwG (Verschmelzung zur Neugründung), § 126 UmwG (Spaltung zur Aufnahme) sowie die Verweisungsnormen in §§ 176 ff. UmwG (Vermögensvoll- und Vermögensteilübertragung). 203 Vgl. dazu § 6 (ggf. i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1) UmwG bzgl. des Verschmelzungsvertrags, § 125 Satz 1 i.V.m. § 6 UmwG bzgl. des Spaltungsvertrags, §§ 135 Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 i.V.m. § 6 UmwG bzgl. des Spaltungsplans, die Verweisungsnormen in §§ 176 ff. i.V.m. § 6 UmwG bzgl. der Vermögensübertragungsverträge und § 193 Abs. 3 Satz 1 UmwG bzgl. des Umwandlungsbeschlusses beim Formwechsel.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

245

II. Die Erstellung von Umwandlungsberichten Die Vertretungsorgane der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger sind verpflichtet, schriftliche Berichte zu erstellen, die die beabsichtigte Umstrukturierung in rechtlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht umfassend erläutern. Diese Berichte sind den Anteilseignern zusammen mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung vorzulegen. Auf diesem Wege können die Anteilseigner Einfluss auf die Unternehmensumwandlung nehmen. Von der Pflicht zur Berichterstattung an die Anteilseigner, die Wirksamkeitsvoraussetzung für die Umwandlung ist, muss die Pflicht zur Information der Betriebsräte der beteiligten Rechtsträger aus §§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3, 194 Abs. 2 UmwG unterschieden werden. Die Erfüllung dieser Vorgabe ist bloße Voraussetzung für die Eintragung der Umwandlung in das zuständige Register204. Eine (offensichtliche205) Verletzung kann dazu führen, dass das Registergericht die Eintragung verweigert206. III. Die Umwandlungsbeschlüsse Auf der Basis der Umwandlungsberichte müssen die Anteilseigner der beteiligten Rechtsträger einen Umwandlungsbeschluss fassen. Die Beschlüsse sind wie die Umwandlungsverträge bzw. die Umwandlungspläne notariell beurkundungspflichtig, §§ 13 Abs. 3 Satz 1 (gegebenenfalls in Verbindung mit §§ 125 oder 176 ff. UmwG), 193 Abs. 3 Satz 1 UmwG. Durch die Notwendigkeit der Beteiligung der Anteilseigner setzt das Umwandlungsgesetz der Vertretungsmacht der Vertretungsorgane Grenzen. Aus der gesetzlichen Systematik ergibt sich, dass ein Umwandlungsvertrag keine Bindungswirkung entfaltet, solange nicht die ihm zustimmenden Beschlüsse seitens aller beteiligten Rechtsträger vorliegen. In der Wissenschaft wird deshalb zu Recht der Vergleich gezogen, dass mit der zustimmenden Beschlussfassung erst durch einen der Rechtsträger ein Zustand erreicht ist, der ___________ 204 Anderer Ansicht im Sinne einer Gleichsetzung von Eintragungs- und Wirksamkeitsvoraussetzung der Umwandlung sind Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 170 unter Hinweis unter anderem auf OLG Düsseldorf 15.05.1998 – 3 Wx 156/98, NZA 1998, S. 766 = ZIP 1998, S. 1190; Joost, ZIP 1995, S. 976 (986); Wlotzke, DB 1995, S. 40 (45) und auch Nachw. zur Gegenauffassung: Gaul, DB 1995, S. 2265 (2266); Kreßel, BB 1995, S. 925 (926). 205 Vgl. zum Umfang der Rechtmäßigkeitsprüfung vor dem Registergericht unten IV. 206 Vgl. Bork in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 17 Rdnr. 2; Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 80a; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 5 Rdnrn. 59 f.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

am ehesten den Rechtsfolgen eines Antrags nach § 145 BGB entspricht207. Obgleich der eigentliche Vertrag bereits geschlossen ist, kommt deshalb befremdlicherweise bis zur allseitigen Beschlussfassung lediglich eine Haftung des Vertragsgegners aus culpa in contrahendo (c.i.c.) gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB in Frage. Diese reicht nach herrschender Auffassung allerdings nicht soweit, dass die Vertretungsorgane daraus verpflichtet wären, die erforderlichen Beschlüsse der Anteilseigner herbeizuführen208. Eine weitergehende Haftung würde dazu führen, dass aus dem Umwandlungsvertrag – sozusagen durch die Hintertür – doch bereits mittelbar ein Durchführungsanspruch hergeleitet würde. Das ist mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar. Vor den allseitig zustimmenden Beschlüssen kann das Vertretungsorgan deswegen auch noch auf Vertragsänderungen hinwirken oder sich vom Vertrag lossagen, da der Vertragsgegner eben noch nicht auf Erfüllung klagen kann. IV. Die Eintragung in das zuständige Register Von der Bindungswirkung des Umwandlungsvertrags ist die Wirksamkeit der Umwandlung streng zu unterscheiden209. Wie bereits erwähnt, ist für letztere die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister (bzw. je nach beteiligten Rechtsträgern auch Partnerschaftsregister, Genossenschaftsregister oder Vereinsregister) konstitutiv. Der Anmeldung zur Registereintragung sind dabei der Umwandlungsvertrag bzw. der Umwandlungsplan sowie die Berichte und Gesellschafterbeschlüsse beizufügen. Dem Registergericht obliegt es allerdings nicht, die eingereichten Materialien detailliert auf ihre Vereinbarkeit mit dem Umwandlungsgesetz zu prüfen. Vielmehr wird es lediglich in Fällen augenscheinlicher und erheblicher Verstöße die Registereintragung ablehnen und damit die Umstrukturierung (vorläufig) sperren. Die ausführliche Überprüfung der Umwandlung auf ihre Rechtmäßigkeit ist demgegenüber Sache des Prozessgerichts im Zuge eines Anfechtungsverfahrens. V. Überblick über die Verfahrensschritte der einzelnen Umwandlungsarten Abschließend geben die nachfolgenden Übersichten einen detaillierten Überblick über den Ablauf eines Umwandlungsverfahrens. Die entscheidenden umwandlungsgesetzlichen Normen (das heißt sowohl die allgemeingültigen Nor___________ 207

Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 561. Kallmeyer, ZIP 1994, S. 1746 (1754). 209 Vgl. Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnrn. 1741, 558 ff. mit w. Nachw. 208

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

247

men als auch Spezialvorschriften für bestimmte Gesellschaftstypen) sind im jeweiligen Sachzusammenhang angegeben. Keine Berücksichtigung findet aus den bereits genannten Gründen allerdings die Vermögensübertragung gemäß den §§ 174 bis 189 UmwG und zwar weder in Gestalt der Voll- noch der Teilübertragung. Die Ausgliederung wird aufgrund ihrer Besonderheiten getrennt von den übrigen Varianten der Spaltung (Auf- und Abspaltung) dargestellt. 1. Übersicht: Verschmelzung a) Vorüberlegungen aa) Qualifizierung der Verschmelzungsart  

Verschmelzung im Wege der Aufnahme (§§ 2 Nr. 1, 4 bis 35 UmwG) oder Verschmelzung im Wege der Neugründung (§§ 2 Nr. 2, 36 bis 38 UmwG)

bb) Festlegung der beteiligten Rechtsträger und funktionelle Einteilung in übertragende(n) und übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger (d.h. Festlegung der „Verschmelzungsrichtung“) Als übertragende Rechtsträger kommen in Betracht:        

Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG), § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Partnerschaftsgesellschaften, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, eingetragene Genossenschaften (e.G.), § 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, eingetragene Vereine im Sinne des § 21 BGB (e.V.), § 3 Abs.1 Nr. 4 UmwG, genossenschaftliche Prüfungsverbände, § 3 Abs. 1 Nr. 5 UmwG, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), § 3 Abs. 1 Nr. 6 UmwG, wirtschaftliche Vereine im Sinne des § 22 BGB, § 3 Abs. 2 Nr. 1 UmwG

Als übernehmende Rechtsträger kommen in Betracht:        

Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG), § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Partnerschaftsgesellschaften, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, eingetragene Genossenschaften (e.G.), § 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, eingetragene Vereine im Sinne des § 21 BGB (e.V.), § 3 Abs. 1 Nr. 4 UmwG, genossenschaftliche Prüfungsverbände, § 3 Abs. 1 Nr. 5 UmwG, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), § 3 Abs. 1 Nr. 6 UmwG, natürliche Personen, die als Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft deren Vermögen übernehmen, § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG

Als neue Rechtsträger kommen in Betracht:     

Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG), § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Partnerschaftsgesellschaften, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, eingetragene Genossenschaften (e.G.), § 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, eingetragene Vereine im Sinne des § 21 BGB (e.V.), § 3 Abs.1 Nr. 4 UmwG,

248  

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht genossenschaftliche Prüfungsverbände, § 3 Abs. 1 Nr. 5 UmwG, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), § 3 Abs. 1 Nr. 6 UmwG

Beachte zudem die für die beteiligten Rechtsträger je nach ihrer Rechtsform einschlägigen Sondervorschriften: Verschmelzung unter Beteiligung        

von Personenhandelsgesellschaften: von Partnerschaftsgesellschaften: von GmbH: von Aktiengesellschaften: von Kommanditgesellschaften auf Aktien: von eingetragenen Genossenschaften: von rechtsfähigen Vereinen: einer natürlichen Person als Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft:

§§ 39 ff. UmwG, §§ 45a ff. UmwG, §§ 46 ff. UmwG, §§ 60 ff. UmwG, § 78 UmwG, §§ 79 ff. UmwG, §§ 99 ff. UmwG, §§ 120 ff. UmwG

Verschmelzung von  

genossenschaftlichen Prüfungsverbänden: Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit:

§§ 105 ff. UmwG, §§ 109 ff. UmwG

b) Abschluss des Verschmelzungsvertrags zwischen den beteiligten übertragenden Rechtsträgern und gegebenenfalls (im Falle der Verschmelzung zur Aufnahme) dem übernehmenden Rechtsträger Vertragsinhalt (Mindestanforderungen): § 5 (ggf. in Verbindung mit §§ 36 f.), d.h. insbesondere müssen enthalten sein         

der Name oder die Firma und der Sitz der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger, die Vereinbarung, dass jeder übertragende Rechtsträger sein Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger überträgt, die Vereinbarung, dass als Gegenleistung für die Vermögensübertragung Anteile bzw. Mitgliedschaften am übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger gewährt werden, das Umtauschverhältnis der Anteile und ggf. die Höhe der baren Zuzahlung oder Angaben über die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger, der Zeitpunkt, von dem an die gewährten Anteile oder Mitgliedschaften einen Anspruch auf einen Anteil am Bilanzgewinn gewähren, der Verschmelzungsstichtag, besondere Rechte, die einzelnen Anteilsinhabern sowie den Inhabern von Sonderrechten gewährt werden sollen, oder die Maßnahmen, die für diese Personen vorgesehen sind, besondere Vorteile, die einem Mitglied der Vertretungs- oder Kontrollorgane der beteiligten Rechtsträger, einem geschäftsführenden Gesellschafter, einem Partner, einem Abschlussprüfer oder einem Verschmelzungsprüfer gewährt werden sollen, die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen: hier insbesondere auch die Folgen der Verschmelzung für die betriebsbezogene und die unternehmensbezogene Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer,

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

249

sowie ggf.      

§ 29 Abs. 1 Satz 1, § 40 (Verschmelzung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45b (Verschmelzung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), § 46 (ggf. in Verbindung mit § 56; Verschmelzung unter Beteiligung von GmbH), § 80 (ggf. in Verbindung mit § 96; Verschmelzung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften), § 110 (ggf. in Verbindung mit § 114; Verschmelzung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit) UmwG

Formerfordernis: notarielle Beurkundung: §§ 6 UmwG, 128 BGB (ggf. in Verbindung mit § 36 UmwG)

c) Information der Betriebsräte der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger durch Zuleitung des Verschmelzungsvertrags, § 5 Abs. 3 (ggf. in Verbindung mit § 36) UmwG

d) Bekanntmachung des Verschmelzungsvertrags       

§ 42 (Verschmelzung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45c (Verschmelzung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), § 47 (ggf. in Verbindung mit § 56; Verschmelzung unter Beteiligung von GmbH), § 61 (ggf. in Verbindung mit § 73; Verschmelzung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften), § 78 (Verschmelzung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 111 (ggf. in Verbindung mit § 114; Verschmelzung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit), § 121 (Verschmelzung von Kapitalgesellschaften mit dem Vermögen eines Alleingesellschafters) UmwG

e) Erstellung und Erstattung von Verschmelzungsberichten § 8 (ggf. in Verbindung mit § 36) sowie  

§ 41 (Verschmelzung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45c (Verschmelzung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften) UmwG

f) Prüfung des Verschmelzungsvertrags durch Verschmelzungsprüfer im Sinne des § 9 Abs. 1 UmwG §§ 9 bis 12 (ggf. in Verbindung mit § 36) sowie  

§ 44 (Verschmelzung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45e (Verschmelzung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften),

250     

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht § 48 (ggf. in Verbindung mit § 56; Verschmelzung unter Beteiligung von GmbH), § 60 (ggf. in Verbindung mit § 73; Verschmelzung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften), § 78 (Verschmelzung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 81 (ggf. in Verbindung mit § 96; Verschmelzung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften), § 100 (Verschmelzung unter Beteiligung rechtsfähiger Vereine) UmwG

g) Einberufung der Versammlung der Anteilseigner (zugleich Zuleitung der Verschmelzungsberichte an die Anteilseigner)

h) Verschmelzungsbeschluss der Anteilseigner im Rahmen der einberufenen Versammlung § 13 Abs. 1 (ggf. in Verbindung mit § 36) sowie         

§ 43 (Verschmelzung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45d (Verschmelzung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), §§ 50 (ggf. in Verbindung mit § 56), 59 (Verschmelzung unter Beteiligung von GmbH), §§ 65 (ggf. in Verbindung mit § 73), 62, 76 (Verschmelzung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften), § 78 (Verschmelzung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 84 (ggf. in Verbindung mit § 96; Verschmelzung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften), § 103 (Verschmelzung unter Beteiligung rechtsfähiger Vereine), § 106 (Verschmelzung genossenschaftlicher Prüfungsverbände), §§ 112, 116 (Verschmelzung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit) UmwG

Formerfordernis: notarielle Beurkundung: §§ 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwG, 128 BGB (ggf. in Verbindung mit § 36 UmwG)

i) Zustimmung bestimmter einzelner Anteilseigner zum Verschmelzungsbeschluss § 13 Abs. 2 (ggf. in Verbindung mit § 36) sowie  

§§ 50 Abs. 2, 51 (ggf. in Verbindung mit § 56; Verschmelzung unter Beteiligung von GmbH), § 78 Satz 3 Halbs. 1 (Verschmelzung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien) UmwG

Formerfordernis: notarielle Beurkundung: §§ 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwG, 128 BGB (ggf. in Verbindung mit § 36 UmwG)

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

251

j) Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das zuständige Register §§ 16, 38 sowie § 52 (Verschmelzung unter Beteiligung von GmbH) UmwG Die Art des zuständigen Registers richtet sich nach der Rechtsform der beteiligten Rechtsträger:    

Handelsregister, Partnerschaftsregister, Genossenschaftsregister oder Vereinsregister.

Die Anmeldungspflicht trifft die Vertretungsorgane grundsätzlich eines jeden an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträgers. Allerdings ist das Vertretungsorgan des übernehmenden Rechtsträgers berechtigt, auch die Anmeldung zu den Registern der übertragenden Rechtsträger vorzunehmen. Anlagen der Anmeldung: § 17 sowie § 86 (Verschmelzung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften) UmwG

k) Eintragung der Verschmelzung zunächst in die zuständigen Register der Sitze aller übertragenden Rechtsträger, dann in das zuständige Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers § 19 (ggf. in Verbindung mit § 36) sowie    

§ 53 (Verschmelzung unter Beteiligung von GmbH), §§ 66, 77 (Verschmelzung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften), § 78 (Verschmelzung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien), §§ 117, 118 f. (Verschmelzung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit) UmwG

Rechtsfolge: Wirksamwerden der Verschmelzung nach Maßgabe der §§ 20 f. (d.h. insbesondere:    

das Vermögen der übertragenden Rechtsträger geht einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger über, die übertragenden Rechtsträger erlöschen; einer besonderen Löschung bedarf es nicht, die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger werden Anteilsinhaber des übernehmenden bzw. neuen Rechtsträgers, der Mangel der notariellen Beurkundung des Verschmelzungsvertrags und ggf. erforderlicher Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen einzelner Anteilsinhaber wird geheilt)

sowie der §§ 87 f. (ggf. in Verbindung mit § 96; Verschmelzung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften) UmwG

252

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

2. Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung a) Vorüberlegungen aa) Qualifizierung der Art der Spaltung Aufspaltung  

zur Aufnahme (§§ 123 Abs. 1 Nr. 1, 126 bis 134 UmwG) oder zur Neugründung (§§ 123 Abs. 1 Nr. 2, 135 bis 137 UmwG),

Abspaltung  

zur Aufnahme (§§ 123 Abs. 2 Nr. 1, 126 bis 134 UmwG) oder zur Neugründung (§§ 123 Abs. 2 Nr. 2, 135 bis 137 UmwG),

Ausgliederung210  

zur Aufnahme (§§ 123 Abs. 3 Nr. 1, 126 bis 134 UmwG) oder zur Neugründung (§§ 123 Abs. 3 Nr. 2, 135 bis 137 UmwG)

bb) Festlegung der beteiligten Rechtsträger und funktionelle Einteilung in übertragenden und übernehmende(n) bzw. neue(n) Rechtsträger Als übertragende Rechtsträger kommen in Betracht:        

Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Partnerschaftsgesellschaften, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, eingetragene Genossenschaften (e.G.), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, eingetragene Vereine im Sinne des § 21 BGB (e.V.), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs.1 Nr. 4 UmwG, genossenschaftliche Prüfungsverbände, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 5 UmwG, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 6 UmwG, wirtschaftliche Vereine im Sinne des § 22 BGB, § 124 Abs. 1 UmwG

Als übernehmende und neue Rechtsträger kommen in Betracht:       

Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Partnerschaftsgesellschaften, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, eingetragene Genossenschaften (e.G.), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, eingetragene Vereine im Sinne des § 21 BGB (e.V.), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs.1 Nr. 4 UmwG, genossenschaftliche Prüfungsverbände, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 5 UmwG, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 6 UmwG

___________ 210 Vgl. zur Spaltungsvariante der Ausgliederung die gesonderte Darstellung im Rahmen der Übersicht: Ausgliederung unten 3.

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

253

Beachte zudem die für die beteiligten Rechtsträger je nach ihrer Rechtsform einschlägigen Sondervorschriften: Spaltung unter Beteiligung       

von GmbH von Aktiengesellschaften von Kommanditgesellschaften auf Aktien von eingetragenen Genossenschaften von rechtsfähigen Vereinen von genossenschaftlichen Prüfungsverbänden von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit

§§ 138 ff. UmwG, §§ 141 ff. UmwG, §§ 141 ff. UmwG, §§ 147 f. UmwG, § 149 UmwG, § 150 UmwG, § 151 UmwG

b) Abschluss des Spaltungs- und Übernahmevertrags (Aufspaltung/Abspaltung zur Aufnahme)

§§ 126 bis 134 UmwG

Vertragsschluss zwischen dem übertragenden Rechtsträger und sämtlichen übernehmenden Rechtsträgern

oder Aufstellen eines Spaltungsplans (Aufspaltung/Abspaltung zur Neugründung)

§§ 135 bis 137 UmwG

Der Spaltungsplan muss erstellt werden durch das Vertretungsorgan des übertragenden Rechtsträgers und tritt an die Stelle des Spaltungs- und Übernahmevertrags, § 136 UmwG. Vertrags- bzw. Planinhalt (Mindestanforderungen): §§ 126, 135 f., d.h. insbesondere müssen enthalten sein          

der Name oder die Firma und der Sitz der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger, die Vereinbarung, dass der übertragende Rechtsträger seine Teilvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den oder die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger überträgt, die Vereinbarung, dass als Gegenleistung für die Vermögensübertragung Anteile bzw. Mitgliedschaften an den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträgern gewährt werden, das Umtauschverhältnis der Anteile und ggf. die Höhe der baren Zuzahlung oder Angaben über die Mitgliedschaft bei den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträgern, die Einzelheiten der Übertragung der Anteile oder des Erwerbs der Mitgliedschaft, der Zeitpunkt, von dem an die gewährten Anteile oder Mitgliedschaften einen Anspruch auf einen Anteil am Bilanzgewinn gewähren, der Spaltungsstichtag, besondere Rechte, die einzelnen Anteilsinhabern sowie den Inhabern von Sonderrechten gewährt werden sollen, oder die Maßnahmen, die für diese Personen vorgesehen sind, besondere Vorteile, die einem Mitglied der Vertretungs- oder Kontrollorgane der beteiligten Rechtsträger, einem geschäftsführenden Gesellschafter, einem Partner, einem Abschlussprüfer oder einem Spaltungsprüfer gewährt werden sollen, die genaue Bezeichnung und Aufteilung der Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens, die auf jeden der übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger übertragen

254

 

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht werden, sowie der übergehenden Betriebe und Betriebsteile unter Zuordnung zu den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträgern, die Aufteilung der Anteile oder Mitgliedschaften jedes der beteiligten Rechtsträger auf die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers sowie der Maßstab für die Aufteilung, die Folgen der Spaltung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen: hier insbesondere auch die Folgen der Spaltung für die betriebsbezogene und die unternehmensbezogene Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer,

sowie ggf. § 125 in Verbindung mit      

§§ 29 Abs. 1 Satz 1, 35, 37, § 40 (Spaltung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45b (Spaltung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), § 46 (ggf. in Verbindung mit § 56; Spaltung unter Beteiligung von GmbH), § 80 (ggf. in Verbindung mit § 96; Spaltung unter Beteiligung von eingetragenen Genossenschaften), § 110 (ggf. in Verbindung mit § 114; Spaltung unter Beteiligung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit)

(ggf. in Verbindung mit § 135) UmwG Formerfordernis: notarielle Beurkundung: § 125 in Verbindung mit §§ 6 UmwG, 128 BGB (ggf. in Verbindung mit §§ 135 f. UmwG)

c) Information der Betriebsräte der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger durch Zuleitung des Spaltungs- und Übernahmevertrags bzw. des Spaltungsplans, § 126 Abs. 3 (ggf. in Verbindung mit §§ 135 f.) UmwG

d) Bekanntmachung des Spaltungsvertrags bzw. des Spaltungsplans §§ 125 in Verbindung mit      

§ 42 (Spaltung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45c (Spaltung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), § 47 (ggf. in Verbindung mit § 56; Spaltung unter Beteiligung von GmbH), § 61 (ggf. in Verbindung mit § 73; Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften), § 78 (Spaltung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 111 (ggf. in Verbindung mit § 114; Spaltung unter Beteiligung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit)

(ggf. in Verbindung mit § 135) UmwG

e) Erstellung und Erstattung von Spaltungsberichten § 127 sowie

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien   

255

§ 125 in Verbindung mit § 41 (Spaltung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45c (Spaltung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften)

(ggf. in Verbindung mit § 135) UmwG

f) Prüfung des Spaltungsvertrags bzw. des Spaltungsplans durch Spaltungsprüfer im Sinne des § 125 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 UmwG. Die Prüfung findet nur statt in den Fällen der Auf- und der Abspaltung, nicht aber im Falle der Ausgliederung211 (§ 125 Abs. 2 UmwG). § 125 in Verbindung mit §§ 9 bis 12 (ggf. in Verbindung mit §§ 36, 135) sowie § 125 in Verbindung mit       

§ 44 (Spaltung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45e (Spaltung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), § 48 (ggf. in Verbindung mit § 56; Spaltung unter Beteiligung von GmbH), § 60 (ggf. in Verbindung mit § 73; Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften), § 78 (Spaltung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 81 (ggf. in Verbindung mit § 96; Spaltung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften), § 100 (Spaltung unter Beteiligung rechtsfähiger Vereine)

(ggf. in Verbindung mit § 135) UmwG

g) Einberufung der Versammlung der Anteilseigner (zugleich Zuleitung der Spaltungsberichte an die Anteilseigner)

h) Spaltungsbeschluss der Anteilseigner im Rahmen der einberufenen Versammlung § 125 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 (ggf. in Verbindung mit §§ 36, 135) sowie § 125 in Verbindung mit       

§ 43 (Spaltung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45d (Spaltung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), §§ 50 (ggf. in Verbindung mit § 56), 59 (Spaltung unter Beteiligung von GmbH), §§ 65 (ggf. in Verbindung mit § 73), 62, 76 (Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften), § 78 (Spaltung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 84 (ggf. in Verbindung mit § 96; Spaltung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften), § 103 (Spaltung unter Beteiligung rechtsfähiger Vereine),

___________ 211 Vgl. dazu die Übersicht: Ausgliederung unten 3., in der ein entsprechender Verfahrensschritt nicht vorgesehen ist.

256  

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht § 106 (Spaltung unter Beteiligung genossenschaftlicher Prüfungsverbände), §§ 112, 116 (Spaltung unter Beteiligung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit)

(ggf. in Verbindung mit § 135) UmwG Formerfordernis: notarielle Beurkundung: § 125 in Verbindung mit §§ 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwG, 128 BGB (ggf. in Verbindung mit §§ 36, 135 UmwG)

i) Zustimmung bestimmter einzelner Anteilseigner zum Spaltungsbeschluss § 125 in Verbindung mit §§ 13 Abs. 2 (ggf. in Verbindung mit § 36), 128 (ggf. in Verbindung mit § 135) sowie § 125 in Verbindung mit  

§§ 50 Abs. 2, 51 (ggf. in Verbindung mit § 56; Spaltung unter Beteiligung von GmbH), § 78 Satz 3 (Spaltung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien)

(ggf. in Verbindung mit § 135) UmwG Formerfordernis: notarielle Beurkundung: § 125 in Verbindung mit §§ 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwG, 128 BGB (ggf. in Verbindung mit §§ 36, 135 UmwG)

j) Anmeldung der Spaltung zur Eintragung in das zuständige Register § 125 in Verbindung mit §§ 16, 38, 137 sowie   

§ 140 (Spaltung unter Beteiligung von GmbH), § 146 (Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 148 (Spaltung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften) UmwG

Die Art des zuständigen Registers richtet sich nach der Rechtsform der beteiligten Rechtsträger:    

Handelsregister, Partnerschaftsregister, Genossenschaftsregister oder Vereinsregister.

Die Anmeldungspflicht trifft die Vertretungsorgane grundsätzlich eines jeden an der Spaltung beteiligten Rechtsträgers. Allerdings ist das Vertretungsorgan des übernehmenden Rechtsträgers berechtigt, auch die Anmeldung zum Register des übertragenden Rechtsträgers vorzunehmen. Anlagen der Anmeldung: § 125 in Verbindung mit § 17 (ggf. in Verbindung mit § 135) sowie  

§ 146 Abs. 2 (Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 148 Abs. 2 (Spaltung unter Beteiligung von eingetragenen Genossenschaften) UmwG

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

257

k) Eintragung der Spaltung zunächst in die zuständigen Register der Sitze aller übernehmenden Rechtsträger, dann in das zuständige Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers §§ 130, 137 UmwG Rechtsfolge: Wirksamwerden der Spaltung nach Maßgabe der §§ 131 f., 125 in Verbindung mit § 21 (ggf. in Verbindung mit § 135; d.h. insbesondere: 

  

die im Zuge der Auf- bzw. Abspaltung zu übertragenden Vermögensteile gehen einschließlich der Verbindlichkeiten entsprechend der im Spaltungs- und Übernahmevertrag vorgesehenen Aufteilung jeweils als Gesamtheit auf die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger über; im Falle der Abspaltung verbleiben solche Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, im Eigentum oder in Inhaberschaft des übertragenden Rechtsträgers, bei der Aufspaltung erlischt der übertragende Rechtsträger; einer besonderen Löschung bedarf es nicht, die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers werden entsprechend der im Spaltungs- und Übernahmevertrag vorgesehenen Aufteilung Anteilsinhaber der übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger, der Mangel der notariellen Beurkundung des Spaltungs- und Übernahmevertrags und ggf. erforderliche Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen einzelner Anteilsinhaber wird geheilt)

sowie § 125 in Verbindung mit §§ 87 f. (ggf. in Verbindung mit § 135; Spaltung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften) UmwG

3. Übersicht: Ausgliederung a) Vorüberlegungen aa) Qualifizierung der Art der Spaltung Aufspaltung212  

zur Aufnahme (§§ 123 Abs. 1 Nr. 1, 126 bis 134 UmwG) oder zur Neugründung (§§ 123 Abs. 1 Nr. 2, 135 bis 137 UmwG),

Abspaltung213  

zur Aufnahme (§§ 123 Abs. 2 Nr. 1, 126 bis 134 UmwG) oder zur Neugründung (§§ 123 Abs. 2 Nr. 2, 135 bis 137 UmwG),

Ausgliederung  

zur Aufnahme (§§ 123 Abs. 3 Nr. 1, 126 bis 134 UmwG) oder zur Neugründung (§§ 123 Abs. 3 Nr. 2, 135 bis 137 UmwG)

___________ 212 Vgl. zur Spaltungsvariante der Aufspaltung die gesonderte Darstellung im Rahmen der Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung oben 2. 213 Vgl. zur Spaltungsvariante der Abspaltung die gesonderte Darstellung im Rahmen der Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung oben 2.

258

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

bb) Festlegung der beteiligten Rechtsträger und funktionelle Einteilung in übertragenden und übernehmende(n) bzw. neue(n) Rechtsträger Als übertragende Rechtsträger kommen in Betracht:            

Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Partnerschaftsgesellschaften, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, eingetragene Genossenschaften (e.G.), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, eingetragene Vereine im Sinne des § 21 BGB (e.V.), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs.1 Nr. 4 UmwG, genossenschaftliche Prüfungsverbände, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 5 UmwG, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 6 UmwG, wirtschaftliche Vereine im Sinne des § 22 BGB, § 124 Abs. 1 UmwG, Einzelkaufleute, § 124 Abs. 1 UmwG, Stiftungen, § 124 Abs. 1 UmwG, Gebietskörperschaften, § 124 Abs. 1 UmwG, Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften, die selbst nicht Gebietskörperschaften sind, § 124 Abs. 1 UmwG

Als übernehmende und neue Rechtsträger kommen in Betracht:       

Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Partnerschaftsgesellschaften, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, eingetragene Genossenschaften (e.G.), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, eingetragene Vereine im Sinne des § 21 BGB (e.V.), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs.1 Nr. 4 UmwG, genossenschaftliche Prüfungsverbände, §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 5 UmwG, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), §§ 124 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 6 UmwG

Beachte zudem die für die beteiligten Rechtsträger je nach ihrer Rechtsform einschlägigen Sondervorschriften: Ausgliederung unter Beteiligung          

von GmbH von Aktiengesellschaften von Kommanditgesellschaften auf Aktien von eingetragenen Genossenschaften von rechtsfähigen Vereinen von genossenschaftlichen Prüfungsverbänden von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit von Einzelkaufleuten von rechtsfähigen Stiftungen von Gebietskörperschaften oder ihrer Zusammenschlüsse

§§ 138 ff. UmwG, §§ 141 ff. UmwG, §§ 141 ff. UmwG, §§ 147 f. UmwG, § 149 UmwG, § 150 UmwG, § 151 UmwG, §§ 152 ff. UmwG, §§ 161 ff. UmwG, §§ 168 ff. UmwG

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

259

b) Abschluss des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags (Ausgliederung zur Aufnahme)

§§ 126 bis 134 UmwG

Vertragsschluss zwischen dem übertragenden Rechtsträger und sämtlichen übernehmenden Rechtsträgern

oder Aufstellen eines Ausgliederungsplans (Ausgliederung zur Neugründung)

§§ 135 bis 137 UmwG

Der Ausgliederungsplan muss erstellt werden durch das Vertretungsorgan des übertragenden Rechtsträgers und tritt an die Stelle des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags, § 136 UmwG. Vertrags- bzw. Planinhalt (Mindestanforderungen): §§ 126, 135 f., d.h. insbesondere müssen enthalten sein        



der Name oder die Firma und der Sitz der an der Ausgliederung beteiligten Rechtsträger, die Vereinbarung, dass der übertragende Rechtsträger seine Teilvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den oder die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger überträgt, die Vereinbarung, dass als Gegenleistung für die Vermögensübertragung Anteile bzw. Mitgliedschaften an den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträgern gewährt werden, der Zeitpunkt, von dem an die gewährten Anteile oder Mitgliedschaften einen Anspruch auf einen Anteil am Bilanzgewinn gewähren, der Ausgliederungsstichtag, besondere Rechte, die einzelnen Anteilsinhabern sowie den Inhabern von Sonderrechten gewährt werden sollen, oder die Maßnahmen, die für diese Personen vorgesehen sind, besondere Vorteile, die einem Mitglied der Vertretungs- oder Kontrollorgane der beteiligten Rechtsträger, einem geschäftsführenden Gesellschafter, einem Partner, einem Abschlussprüfer oder einem Spaltungsprüfer gewährt werden sollen, die genaue Bezeichnung und Aufteilung der Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens, die auf jeden der übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger übertragen werden, sowie der übergehenden Betriebe und Betriebsteile unter Zuordnung zu den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträgern, die Folgen der Spaltung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen: hier insbesondere auch die Folgen der Ausgliederung für die betriebsbezogene und die unternehmensbezogene Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer,

sowie ggf. § 125 in Verbindung mit      

§§ 29 Abs. 1 Satz 1, 35, 37, § 40 (Spaltung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45b (Spaltung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), § 46 (ggf. in Verbindung mit § 56; Spaltung unter Beteiligung von GmbH), § 80 (ggf. in Verbindung mit § 96; Spaltung unter Beteiligung von eingetragenen Genossenschaften), § 110 (ggf. in Verbindung mit § 114; Spaltung unter Beteiligung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit)

260

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

(ggf. in Verbindung mit § 135) UmwG Formerfordernis: notarielle Beurkundung: § 125 in Verbindung mit §§ 6 UmwG, 128 BGB (ggf. in Verbindung mit §§ 135 f. UmwG)

c) Information der Betriebsräte der an der Ausgliederung beteiligten Rechtsträger durch Zuleitung des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags bzw. des Ausgliederungsplans, § 126 Abs. 3 (ggf. in Verbindung mit §§ 135 f.) UmwG

d) Bekanntmachung des Ausgliederungsvertrags bzw. des Ausgliederungsplans § 125 in Verbindung mit      

§ 42 (Spaltung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45c (Spaltung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), § 47 (ggf. in Verbindung mit § 56; Spaltung unter Beteiligung von GmbH), § 61 (ggf. in Verbindung mit § 73; Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften), § 78 (Spaltung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 111 (ggf. in Verbindung mit § 114; Spaltung unter Beteiligung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit)

(ggf. in Verbindung mit § 135) UmwG

e) Erstellung und Erstattung von Ausgliederungsberichten § 127 sowie § 125 in Verbindung mit      

§ 41 (Spaltung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45c (Spaltung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften) (ggf. in Verbindung mit § 135) sowie § 153 (ggf. in Verbindung mit § 158; Ausgliederung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns) § 162 (Ausgliederung aus dem Vermögen rechtsfähiger Stiftungen), § 169 (Ausgliederung aus dem Vermögen von Gebietskörperschaften oder Zusammenschlüssen von Gebietskörperschaften) UmwG

f) Einberufung der Versammlung der Anteilseigner (zugleich Zuleitung der Ausgliederungsberichte an die Anteilseigner)

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

261

g) Ausgliederungsbeschluss der Anteilseigner im Rahmen der einberufenen Versammlung § 125 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 (ggf. in Verbindung mit §§ 36, 135) sowie § 125 in Verbindung mit           

§ 43 (Spaltung unter Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften), § 45d (Spaltung unter Beteiligung von Partnerschaftsgesellschaften), §§ 50 (ggf. in Verbindung mit § 56), 59 (Spaltung unter Beteiligung von GmbH), §§ 65 (ggf. in Verbindung mit § 73), 62, 76 (Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften), § 78 (Spaltung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 84 (ggf. in Verbindung mit § 96; Spaltung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften), § 103 (Spaltung unter Beteiligung rechtsfähiger Vereine), § 106 (Spaltung unter Beteiligung genossenschaftlicher Prüfungsverbände), §§ 112, 116 (Spaltung unter Beteiligung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit; jeweils ggf. in Verbindung mit § 135), § 163 (Ausgliederung aus dem Vermögen rechtsfähiger Stiftungen), § 169 (Ausgliederung aus dem Vermögen von Gebietskörperschaften oder Zusammenschlüssen von Gebietskörperschaften) UmwG

Formerfordernis: notarielle Beurkundung: § 125 in Verbindung mit §§ 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwG, 128 BGB (ggf. in Verbindung mit §§ 36, 135 UmwG)

h) Zustimmung bestimmter einzelner Anteilseigner zum Ausgliederungsbeschluss § 125 in Verbindung mit §§ 13 Abs. 2 (ggf. in Verbindung mit § 36), 128 (ggf. in Verbindung mit § 135) sowie § 125 in Verbindung mit  

§§ 50 Abs. 2, 51 (ggf. in Verbindung mit § 56; Spaltung unter Beteiligung von GmbH), § 78 Satz 3 (Spaltung unter Beteiligung von Kommanditgesellschaften auf Aktien)

(ggf. in Verbindung mit § 135) UmwG Formerfordernis: notarielle Beurkundung: § 125 in Verbindung mit §§ 13 Abs. 3 Sätze 1 und 2 UmwG, 128 BGB (ggf. in Verbindung mit §§ 36, 135 UmwG)

i) Anmeldung der Ausgliederung zur Eintragung in das zuständige Register § 125 in Verbindung mit §§ 16, 38, 137 sowie    

§ 140 (Spaltung unter Beteiligung von GmbH), § 146 (Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 148 (Spaltung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften), § 160 (Ausgliederung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns) UmwG

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

262

Die Art des zuständigen Registers richtet sich nach der Rechtsform der beteiligten Rechtsträger:    

Handelsregister, Partnerschaftsregister, Genossenschaftsregister oder Vereinsregister.

Die Anmeldungspflicht trifft die Vertretungsorgane grundsätzlich eines jeden an der Ausgliederung beteiligten Rechtsträgers. Allerdings ist das Vertretungsorgan des übernehmenden Rechtsträgers berechtigt, auch die Anmeldung zum Register des übertragenden Rechtsträgers vorzunehmen Anlagen der Anmeldung: § 125 in Verbindung mit § 17 (ggf. in Verbindung mit § 135) sowie  

§ 146 Abs. 2 (Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien), § 148 Abs. 2 (Spaltung unter Beteiligung von eingetragenen Genossenschaften) UmwG

j) Eintragung der Ausgliederung zunächst in die zuständigen Register der Sitze aller übernehmenden Rechtsträger, dann in das zuständige Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers §§ 130, 137 sowie  

§§ 154, 160 Abs. 2 (Ausgliederung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns), § 164 (Ausgliederung aus dem Vermögen rechtsfähiger Stiftungen) UmwG

Rechtsfolge: Wirksamwerden der Ausgliederung nach Maßgabe der §§ 131 f., 125 in Verbindung mit § 21 (ggf. in Verbindung mit § 135), d.h. insbesondere: 

 

die im Zuge der Ausgliederung zu übertragenden Vermögensteile gehen einschließlich der Verbindlichkeiten entsprechend der im Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vorgesehenen Aufteilung jeweils als Gesamtheit auf die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger über; solche Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, verbleiben im Eigentum oder in Inhaberschaft des übertragenden Rechtsträgers, der übertragende Rechtsträger wird entsprechend dem Ausgliederungs- und Übernahmevertrag Anteilsinhaber der übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger, der Mangel der notariellen Beurkundung des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags und ggf. erforderliche Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen einzelner Anteilsinhaber wird geheilt,

sowie   

§ 125 in Verbindung mit §§ 87 f. (ggf. in Verbindung mit § 135; Spaltung unter Beteiligung eingetragener Genossenschaften), § 155 (Ausgliederung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns), § 171 (Ausgliederung aus dem Vermögen von Gebietskörperschaften oder Zusammenschlüssen von Gebietskörperschaften) UmwG

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

263

4. Übersicht: Formwechsel a) Vorüberlegung Festlegung sowohl der zurzeit bestehenden Ausgangsrechtsform als auch der gewünschten Zielrechtsform Als formwechselfähige Rechtsträger kommen in Betracht:       

Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG), §§ 191 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Partnerschaftsgesellschaften, §§ 191 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), §§ 191 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, eingetragene Genossenschaften (e.G.), § 191 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, rechtsfähige Vereine (r.V.), § 191 Abs. 1 Nr. 4 UmwG, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), § 191 Abs. 1 Nr. 5 UmwG, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, § 191 Abs. 1 Nr. 6 UmwG

Als Rechtsträger neuer Rechtsform kommen in Betracht:     

Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (GbR), § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG, Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG), § 191 Abs. 2 Nr. 2 UmwG, Partnerschaftsgesellschaften, § 191 Abs. 2 Nr. 2 UmwG, Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA), § 191 Abs. 2 Nr. 3 UmwG, eingetragene Genossenschaften (e.G.), § 191 Abs. 2 Nr. 4 UmwG

Beachte zudem die für den formwechselnden Rechtsträger je nach seiner Rechtsform einschlägigen Sondervorschriften: Formwechsel von       

Personenhandelsgesellschaften: Partnerschaftsgesellschaften: Kapitalgesellschaften: eingetragenen Genossenschaften: rechtsfähigen Vereinen: Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit: Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts:

§§ 214 ff. UmwG, §§ 225a ff. UmwG, §§ 226 ff. UmwG, §§ 258 ff. UmwG, §§ 272 ff. UmwG, §§ 291 ff. UmwG, §§ 301 ff. UmwG

b) Erstellung eines Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses § 192 Abs. 1 Satz 3 UmwG Der Entwurf des Umwandlungsbeschlusses muss freilich den Anforderungen an den späteren Beschluss der Anteilsinhaber genügen, so dass bereits hier folgende Vorschriften zu beachten sind: Inhalt des Beschlussentwurfs (Mindestanforderungen): §§ 194, 213 (d.h. insbesondere müssen enthalten sein   

die Rechtsform, die der Rechtsträger durch den Formwechsel annehmen soll, der Name bzw. die Firma des Rechtsträgers neuer Rechtsform, die Beteiligung der Anteilsinhaber am Rechtsträger neuer Rechtsform nach den für die neue Rechtsform geltenden Vorschriften,

264    

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht Zahl, Art und Umfang der Anteile, welche die Anteilsinhaber durch den Formwechsel erlangen sollen oder die einem betretenden persönlich haftenden Gesellschafter eingeräumt werden sollen, besondere Rechte, die einzelnen Anteilsinhabern sowie den Inhabern von Sonderrechten gewährt werden sollen, oder die Maßnahmen, die für diese Personen vorgesehen sind, ggf. ein Abfindungsangebot im Sinne des § 207 UmwG, die Folgen des Formwechsels für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen: hier insbesondere auch die Folgen des Formwechsels für die betriebsbezogene und die unternehmensbezogene Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer)

sowie ggf.         

§ 218 (Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften), § 225c (Formwechsel von Partnerschaftsgesellschaften), § 234 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft), § 243 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform), § 253 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine eingetragene Genossenschaft), § 263 (Formwechsel eingetragener Genossenschaften), § 276 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine Kapitalgesellschaft), § 285 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine eingetragene Genossenschaft), § 294 (Formwechsel von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit) UmwG

c) Information des Betriebsrats des formwechselnden Rechtsträgers durch Zuleitung des Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses, § 194 Abs. 2 UmwG

d) Erstellung und Erstattung eines Umwandlungsberichts § 192 sowie    

§ 215 (Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften), § 225b (Formwechsel von Partnerschaftsgesellschaften), § 229 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft), § 238 Satz 2 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform) UmwG

e) Prüfung des Beschlussentwurfs Lediglich in den folgenden besonderen Fällen:   

§ 225 (Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften), § 225c (Formwechsel von Partnerschaftsgesellschaften), § 259 (Formwechsel eingetragener Genossenschaften) UmwG

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien

265

f) Einberufung der Versammlung der Anteilseigner g) Umwandlungsbeschluss der Anteilseigner im Rahmen der einberufenen Versammlung § 193 sowie          

§ 217 (Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften), § 225c (Formwechsel von Partnerschaftsgesellschaften), § 233 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft), §§ 240, 244 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform), § 252 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine eingetragene Genossenschaft), § 262 (Formwechsel eingetragener Genossenschaften), § 275 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine Kapitalgesellschaft), § 284 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine eingetragene Genossenschaft), § 293 (Formwechsel von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit), § 302 (Formwechsel von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts) UmwG

Formerfordernis: notarielle Beurkundung: §§ 193 Abs. 3 Satz 1 UmwG, 128 BGB

h) Zustimmung bestimmter einzelner Anteilseigner zum Umwandlungsbeschluss § 193 Abs. 2 sowie         

§ 217 Abs. 3 (Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften), § 225c (Formwechsel von Partnerschaftsgesellschaften), § 233 Abs. 2 und 3 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft), §§ 240 Abs. 2 und 3, 241 f. (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform), § 252 Abs. 1 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine eingetragene Genossenschaft), § 262 Abs. 2 (Formwechsel eingetragener Genossenschaften), § 275 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine Kapitalgesellschaft), § 284 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine eingetragene Genossenschaft), § 303 Abs. 2 (Formwechsel von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts) UmwG

Formerfordernis: notarielle Beurkundung: §§ 193 Abs. 3 Satz 1 UmwG, 128 BGB

i) Anmeldung des Formwechsels zur Eintragung in das zuständige Register § 198 sowie 

§ 222 (Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften),

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

266        

§ 225c (Formwechsel von Partnerschaftsgesellschaften), § 235 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft), § 246 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform), § 254 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine eingetragene Genossenschaft), § 265 (Formwechsel eingetragener Genossenschaften), § 278 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine Kapitalgesellschaft), § 286 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine eingetragene Genossenschaft), § 296 (Formwechsel von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit) UmwG

Die Art des zuständigen Registers richtet sich nach der Ausgangsrechtsform des formwechselnden Rechtsträgers und unter den Voraussetzungen des § 198 Abs. 2 UmwG (auch) nach der neuen Rechtsform:    

Handelsregister, Partnerschaftsregister, Genossenschaftsregister oder Vereinsregister.

Anlagen der Anmeldung: § 199 sowie   

§ 223 (Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften), § 225c (Formwechsel von Partnerschaftsgesellschaften), § 265 Satz 2 (Formwechsel eingetragener Genossenschaften) UmwG

j) Eintragung des Formwechsels § 201 UmwG Beachte zur Bekanntmachung des Formwechsels neben § 201 UmwG auch  

§ 279 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine Kapitalgesellschaft), § 287 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine eingetragene Genossenschaft), § 297 (Formwechsel von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit) UmwG.

Rechtsfolge: Wirksamwerden des Formwechsels nach Maßgabe des § 202 (d.h. insbesondere:    

der formwechselnde Rechtsträger besteht in der im Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter, die Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträger sind an dem Rechtsträger nach den für die neue Rechtsform geltenden Vorschriften beteiligt, es sei denn, das Umwandlungsgesetz bestimmt ausnahmsweise etwas anderes, Rechte Dritter an den Anteilen oder Mitgliedschaften des formwechselnden Rechtsträgers bestehen an den an ihre Stelle tretenden Anteilen oder Mitgliedschaften des Rechtsträgers neuer Rechtsform weiter, der Mangel der notariellen Beurkundung des Umwandlungsbeschlusses und ggf. erforderlicher Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen einzelner Anteilsinhaber wird geheilt)

sowie 

§ 236 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft),

§ 7 Umwandlungen, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsungsprinzipien       

267

§§ 247 f. (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform), § 255 (Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine eingetragene Genossenschaft), § 266 (Formwechsel eingetragener Genossenschaften), § 280 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine Kapitalgesellschaft), § 288 (Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine eingetragene Genossenschaft), § 298 (Formwechsel von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit), § 304 (Formwechsel von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts) UmwG

F. Der Wechsel des Mitbestimmungsstatuts als Anlass der Unternehmensumstrukturierung Bevor nun erstmalig auf die Besonderheiten der konkreten Gestaltungsmaßnahmen im Einzelnen eingegangen wird, soll noch einmal klargestellt werden, dass die Flucht aus einem der Unternehmensleitung unliebsamen Mitbestimmungsstatut in der Praxis nur in äußerst seltenen Fällen die alleinige Grundlage für die Umwandlungsentscheidung darstellen kann214. Dies beruht auf den weitreichenden rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen, die eine Neuausrichtung des Unternehmens regelmäßig mit sich bringt. So ist es etwa in der Praxis kaum denkbar, die für das Unternehmen angesichts seiner Größe und des Umfangs der Teilnahme am Geschäftsverkehr passende Rechtsform einer Aktiengesellschaft aufzugeben und die Gesellschafter durch den Wechsel in die Rechtsform einer Personengesellschaft den Gefahren einer persönlichen, akzessorisch zur Gesellschaftsschuld bestehenden Haftung auszusetzen, einzig mit dem Ziel, zukünftig unternehmerische Entscheidungen unabhängig von den Belangen der Arbeitnehmerschaft treffen zu können215. Ebenso realitätsfremd ist die Annahme, ein Unternehmen werde einen erfolgreich arbeitenden Großbetrieb aufgeben und die erhöhten Kosten einer Fremdvergabe in Kauf nehmen, nur um seine Arbeitnehmerzahl unter die Schwellenwerte der aktuell geltenden Mitbestimmungsregelung abzusenken. Ein mit hohem Gewinn in der Montanindustrie tätiges Unternehmen, welches aufgrund einer Montanquote von fünfundsiebzig Prozent in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. a MontanmitbestG fällt, wäre wirtschaftlich schlecht beraten, seine Tätigkeit im Montansektor gravierend einzuschränken. ___________ 214 Vgl. zu den Motiven von Unternehmensumwandlungen allgemein Arens/Spieker in: Arens, AnwFormulare Gesellschaftsrecht, § 17 Rdnrn. 16 ff.; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, I Rdnrn. 1 ff. (zur Verschmelzung); Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, Q Rdnrn. 1 ff. (zum Formwechsel); Semler/Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rdnr. 4. 215 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (255).

268

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Selbst wenn es sich dadurch den Regelungen des Montanmitbestimmungsgesetzes (nach Ablauf der in § 1 Abs. 3 MontanmitbestG angeordneten Auslauffrist von sechs aufeinander folgenden Geschäftsjahren) entziehen könnte, kann dieser kurzfristige Erfolg im schlimmsten Fall den Ruin des Unternehmens als Ganzes nach sich ziehen. Das Bestreben, Repräsentanten der Arbeitnehmerschaft aus den Unternehmensorganen zu verdrängen, spielt deswegen zumeist lediglich dann eine Rolle, wenn eine bereits aus anderen Gründen ins Auge gefasste Neugliederung des Unternehmens ansteht und nunmehr aus einer Masse von potentiellen Gestaltungsmitteln das aus Sicht der Unternehmensleitung günstigste herausgefiltert werden muss. Im Zuge eines solchen Abwägungsprozesses allerdings weisen derartige arbeitsrechtliche Gesichtspunkte beständig ein immens hohes Gewicht auf216.

___________ 216 Vgl. z.B. Arens/Spieker in: Arens, AnwFormulare Gesellschaftsrecht, § 17 Rdnr. 18; Henssler, ZfA 2000, S. 241 (243).

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung A. Allgemeines Die Verschmelzung von Rechtsträgern ist der umwandlungsgesetzliche Grundfall einer übertragenden Umwandlung1. Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung des Verschmelzungsrechts im Umwandlungsgesetz. Sämtliche anderen Arten der übertragenden Umwandlung (Spaltung, Vermögensvoll- und Vermögensteilübertragung)2 verweisen in gewissem Umfang auf die für die Verschmelzung geltenden grundlegenden Prinzipien, seien sie allgemeiner oder besonderer – d.h. rechtsformspezifischer – Natur. Wie immer, wenn an einer Unternehmensumstrukturierung mehrere Rechtsträger beteiligt sind und Vermögensverschiebungen zwischen diesen erfolgen, ist bei der Analyse der Rechtsfolgen streng zwischen übertragenden Rechtsträgern einerseits und übernehmendem (bzw. neu gegründetem) Rechtsträger andererseits zu trennen3. Nichts anderes gilt im Falle der Auswirkungen einer Verschmelzung auf den Status der Unternehmensmitbestimmung. Konsequenterweise muss die gleiche Maxime auch im weiteren Verlauf der Untersuchung bei Spaltungen (Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung) sowie sonstigen Vorgängen der Vermögensübertragung (Vermögensübertragung im Sinne des Umwandlungsgesetzes, Vermögensanwachsungen, Singularsukzession) berücksichtigt werden4. ___________ 1 Kallmeyer, ZIP 1994, S. 1746; Priester, DNotZ 1995, S. 427 (430); Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rdnr. 2. 2 Vgl. zur daran gemessen eingeschränkten Verweisungstechnik bei der Regelung des Formwechsels die Begründung zum UmwG: Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrecht (UmwBerG), BR-Drucks. 75/94, S. 137: „Da sich der Formwechsel von allen anderen Arten der Umwandlung erheblich unterscheidet, kann im fünften Buch nicht allgemein auf das Verschmelzungsrecht verwiesen werden. Die rechtlichen Unterschiede zu den Übertragungsvorgängen machen es vielmehr erforderlich, die Regelungen über den Formwechsel im Wesentlichen auszuformulieren, damit Missverständnisse, die bei einer entsprechenden Anwendung auftreten können, vermieden werden.“ 3 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 79. 4 Darüber hinaus kann die Unternehmensumstrukturierung aber auch Auswirkungen auf den Mitbestimmungsstatus dritter, an der eigentlichen Umwandlung unmittelbar nicht beteiligter Rechtsträger haben. Dies kommt namentlich bei Konzernsachverhalten in Betracht, auf deren Betrachtung hier ein besonderes Gewicht gelegt werden soll; vgl. zu Verschmelzungen im Konzern unten D., zu Spaltungen im Konzern unten § 9 C. und zum Rechtsformwechsel von Konzernunternehmen unten § 11 E.

270

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Die für den vorliegenden Zusammenhang entscheidenden Rechtsfolgen einer Verschmelzung im Sinne der §§ 2 ff. UmwG sind5  der Übergang des vollständigen Vermögens aller an der Fusion beteiligten übertragenden Rechtsträger auf den übernehmenden bzw. auf den neuen Rechtsträger jeweils als Ganzes, also im Wege der rechtsgeschäftlich veranlassten Gesamtrechtsnachfolge6, §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG,  die Auflösung sämtlicher übertragender Rechtsträger ohne Abwicklung7, §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG,  die Gewährung von (regelmäßig neu gebildeten8) Anteilen am übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger an die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger9, §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 1 UmwG, und  (lediglich in den Fällen einer Verschmelzung im Wege der Neugründung) die Entstehung eines neuen Rechtsträgers, welcher alsdann die Gesamtrechtsnachfolge in sämtliche Rechte und Pflichten der übertragenden Rechtsträger antritt10, §§ 2 Nr. 2, 36 Abs. 1 Satz 2 UmwG.

___________ 5 Vgl. ausführlich oben § 7 B. I. sowie die Übersicht: Verschmelzung oben § 7 E. V. 1. (insb. k)). 6 Vgl. Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 20 Rdnr. 8 ff.; Grunewald in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 20 Rdnrn. 7 ff.; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnrn. 4 ff.; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnr. 1; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnrn. 23 ff.; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 26 ff. 7 Vgl. BayObLG 08.04.1974 – BReg. 2 Z 67/73, DB 1974, S. 962 f.; Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 20 Rdnr. 40; Grunewald in: Lutter/ Winter, UmwG Bd. I, § 20 Rdnr. 56; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rdnr. 73; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnr. 28; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnr. 1; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnr. 7; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 325. 8 Ausnahmen sind beim downstream merger, also der Verschmelzung der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft, denkbar; vgl. dazu bereits oben § 7 B. I. 4. c) bb). 9 Vgl. Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 20 Rdnrn. 50 ff.; Grunewald in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 20 Rdnrn. 57 ff.; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnrn. 29 ff.; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnr. 1; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 87; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnrn. 109 ff.; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 336 ff. 10 Vgl. Bärwaldt in: Semler/Stengel, UmwG, § 36 Rdnrn. 1, 17; Grunewald in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 36 Rdnr. 10; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 36 Rdnr. 7; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnrn. 146 ff.; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 36 Rdnr. 4.

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

271

B. Rechtsfolgen für den bzw. die übertragenden Rechtsträger Die mitbestimmungsrechtlichen Konsequenzen einer Verschmelzung sind für die übertragenden Rechtsträger denkbar einfach zu beurteilen. Völlig unabhängig von der Frage, ob eine der Ausgangsgesellschaften zum Zeitpunkt der Eintragung der Fusion in das Handels-, Partnerschafts-, Genossenschafts- oder Vereinsregister des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers dem Mitbestimmungszwang nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976, dem Montanmodell oder dem Drittelbeteiligungsgesetz unterlag oder etwa gar aufgrund ihrer Organisation als Personengesamtheit oder angesichts einer geringen Zahl von Arbeitnehmern völlig mitbestimmungsfrei war, endet die rechtliche Existenz eines jeden übertragenden Rechtsträgers gemäß §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG infolge der Registereintragung11. Mit dem übertragenden Rechtsträger gehen selbstverständlich auch alle seine Organe unter12. Diese dienen schließlich lediglich dazu, der Gesellschaft als solcher Handlungsfähigkeit zu verleihen. Jener Zweck wird mit dem Erlöschen des jeweiligen Rechtsträgers obsolet. Nachdem der Aufsichtsrat und in einigen Fällen auch das Leitungsorgan des Rechtsträgers aber gerade das Substrat der unternehmensbezogenen Mitbestimmung bilden13, ist mit dem Untergang des Rechtsträgers und seiner Organe der Arbeitnehmermitbestimmung jegliche dogmatische und tatsächliche Grundlage entzogen14. ___________ 11 Vgl. BayObLG 08.04.1974 – BReg. 2 Z 67/73, DB 1974, S. 962 f.; Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 20 Rdnr. 40; Grunewald in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 20 Rdnr. 56; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rdnr. 73; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnr. 28; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnr. 1; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnr. 7; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 325. 12 Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 20 Rdnr. 41; Bermel/Hannappel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnr. 93; Grunewald in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 20 Rdnr. 28; Henssler, ZfA 2000, S. 241 (249); Hüffer, AktG, § 103 Rdnr. 16; Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/ Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 15; Kübler in: Semler/ Stengel, UmwG, § 20 Rdnrn. 20, 73; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnr. 63; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnr. 28; Seibt in: Willemsen/ Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 80; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnr. 8; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 330; vgl. schon zur alten Rechtslage unter der Geltung des § 346 AktG a.F. Grunewald in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG Bd. VI, § 346 Rdnrn. 26 f. 13 Vgl. dazu oben § 1 A. III. 2. 14 Vgl. zum Schicksal eines etwaigen vertraglichen Anstellungsverhältnisses zwischen den einzelnen Organwaltern und der (übertragenden) Gesellschaft im Falle der Verschmelzung OLG Hamm 01.03.1995 – 8 U 263/94, NJW-RR 1995, S. 1317 (1318); Baums, ZHR 156 (1992), S. 248 ff.; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnrn.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

C. Rechtsfolgen für den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger I. Grundsatz des Mitbestimmungszuwachses Die erste wesentliche Rechtsfolge der Verschmelzung ist die Überleitung der Vermögensmasse der übertragenden Rechtsträger auf den übernehmenden bzw. im Zuge des Fusionsprozesses neu gegründeten Rechtsträger15, so dass bei diesem Zielrechtsträger ein Vermögenszuwachs bewirkt wird. Auf diesem Wege zeitigt eine Fusion regelmäßig auch Auswirkungen auf die mitbestimmungsrelevanten Parameter  Höhe des Gesellschaftskapitals,  Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer und  Tätigkeitsbereich des Unternehmens16. Dies kann dazu führen, dass beim übernehmenden bzw. neu gegründeten Rechtsträger erstmals die Voraussetzungen eines der gesetzlichen Mitbestimmungsstatute erfüllt werden17 oder aber der übernehmende Rechtsträger, der bisher einem vergleichsweise milden Mitbestimmungsstatut unterlag, nunmehr in den Anwendungsbereich eines neuen, in seinen Rechtsfolgen weiterreichenden Mitbestimmungsgesetzes fällt18 (zum Beispiel Wechsel vom Drittelbeteiligungsstatut zum Mitbestimmungsgesetz 1976). Schließlich können sich gegebenenfalls innerhalb des gleichen Mitbestimmungsstatuts die Anforderungen an die konkrete Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats ändern. Je nachdem, welche dieser Folgen die Verschmelzung beim übernehmenden Rechtsträger nach sich zieht, muss ein (mitbestimmter) Aufsichtsrat im Unternehmen des Rechtsträgers erstmals gebildet werden, oder aber der bestehende Aufsichtsrat ist im Zuge des Statusverfahrens der §§ 97 ff. AktG an den nunmehr aktuellen Mitbestimmungsstatus anzupassen19. ___________ 13, 16 mit w. Nachw.; Martens, AG 1986, S. 57 (58); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 80 mit w. Nachw.; Vossius in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 121. 15 Vgl. Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 20 Rdnr. 8 ff.; Grunewald in: Lutter/Winter UmwG Bd. I, § 20 Rdnrn. 7 ff.; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnrn. 4 ff.; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnr. 1; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 26 ff. 16 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 84. 17 Kiem/Uhrig, NZG 2001, S. 680. 18 Kiem/Uhrig, NZG 2001, S. 680. 19 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (249); vgl. zu der Frage, wie sich das aktienrechtliche Statusverfahren in den Ablauf des Verschmelzungsvorgangs integrieren lässt, ausführ-

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Von der Verschmelzung unberührt bleiben beim übernehmenden Rechtsträger demgegenüber zwingend die Mitbestimmungsfaktoren Rechtsform20 und tatsächlicher Verwaltungssitz des Unternehmens, da diese eben keinen Bezug zum Vermögen des Zielrechtsträgers haben21. Eine den Wechsel der Rechtsform nach sich ziehende Verschmelzung, wie sie beispielsweise in Art. 29 Abs. 1 lit. d SE-Verordnung für die Verschmelzung zur Aufnahme mit dem Ziel der Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (Art. 2 Abs. 1, 17 Abs. 2 lit. a SE-Verordnung in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 78/855/EWG22 vom 9. Oktober 1978) vorgesehen ist, ist dem nationalen Umwandlungsrecht gerade unbekannt23. 1. Erhöhung des Gesellschaftskapitals Einfach nachzuvollziehen ist zunächst die Auswirkung auf die Höhe des Gesellschaftskapitals. Dieser Mitbestimmungsparameter kann zwar in keinem Fall eine Pflicht zur Errichtung mitbestimmter Unternehmensorgane begründen, allerdings bestimmen sich nach ihm unter den Mitbestimmungsregimen des Montanmitbestimmungsgesetzes, des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes und des Drittelbeteiligungsgesetzes die Anzahl der im mitbestimmten Aufsichtsrat zu vergebenden Mandate24 sowie deren genaue Verteilung zum einen zwischen den Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer, zum anderen innerhalb der Arbeitnehmerseite etwa zwischen im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern und Gewerkschaftsvertretern25. Unabhängig von der Kapitalhöhe ist ___________ lich Kiem/Uhrig, NZG 2001, S. 680 ff. (am Beispiel der Verschmelzung von Aktiengesellschaften im Wege der Aufnahme). 20 Vgl. Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 83. 21 Umgekehrt geht das Gestaltungsinstrument des Rechtsformwechsels in §§ 190 ff. UmwG davon aus, dass der Wechsel des den Rechtsträger prägenden Normensystems das Gesellschaftsvermögen und seine Zuordnung unangetastet lässt (Grundsatz der Identität des Gesellschaftsvermögens, dazu oben § 7 B. I.V. 1.). 22 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 09.10.1978 gemäß Art. 54 Abs. 3 lit. g des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (AmtsBl. EG Nr. L 295 vom 20.10.1978, S. 36), zuletzt geändert durch die Beitrittsakte von 1994. 23 Siehe oben Einleitung D. 24 Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.01 Rdnr. 36; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 87. 25 Vgl. ausführlich zur Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats nach Maßgabe des MontanmitbestG (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1) oben § 2 B. II. 1. a), zur Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats nach Maßgabe des MitbestErgG (§§ 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3) oben § 2 C. II. 1. a) aa) und zur Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats nach Maßgabe des DrittelbG bzw. der §§ 76 ff. BetrVG 1952 (§ 95 Satz 3 AktG (ggf. i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG oder § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG bzw. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952), § 35

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

die Zusammensetzung des Aufsichtsrats allein im Falle der Arbeitnehmerbeteiligung im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes 197626. Dazu der folgende Beispielsfall: Eine übertragende Aktiengesellschaft mit 350 Arbeitnehmern wird auf eine übernehmende Aktiengesellschaft zur Aufnahme verschmolzen. Um neue Gesellschaftsanteile bilden und diese als Gegenleistung für die Vermögensübertragung den Aktionären der übertragenden Aktiengesellschaft gewähren zu können, erhöht die Zielgesellschaft ihr Grundkapital (unter Beachtung der Umtauschrelation des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG) um 4 Millionen Euro, § 66 UmwG. Die Zielgesellschaft beschäftigte bisher 600 Arbeitnehmer und hatte ein Grundkapital in Höhe von 8 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund war vor der Verschmelzung bei der Zielgesellschaft ein fünfzehnköpfiger Aufsichtsrat eingerichtet. AntE 1

AntE 2

Übertr. AG 350 ArbN

Übern. AG Grundkapital: 8 Mio. Euro 600 ArbN

Abbildung 8.1: Rechtslage vor der Verschmelzung

AntE 1

AntE 2

Übern. AG Grundkapital: 12 Mio. Euro 950 ArbN

Abbildung 8.2: Rechtslage nach der Verschmelzung

Angesichts der Gesamtzahl von 600 Arbeitsverhältnissen vor und insgesamt 950 Arbeitsverhältnissen nach der Verschmelzung hat sich für die übernehmende Aktiengesellschaft das einschlägige Mitbestimmungsgesetz nicht geändert. Ihr Aufsichtsrat ist nach wie vor gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 DrittelbG zu einem Drittel mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen. Gestaltungsspielraum eröffnet die Verschmelzung aber für die konkrete Besetzung des in der Gesellschaft bestehenden Aufsichtsrats. Die Zahl der in diesem Organ zu vergebenden Mandate muss nach § 95 Satz 3 AktG durch drei teilbar ___________ VAG und § 1 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 DrittelbG bzw. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG 1952; § 95 Satz 4 AktG (ggf. i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG oder § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG bzw. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952), § 36 Abs. 1 GenG) oben § 4 B. II. 2. und 3.; vgl. zum Ganzen auch die tabellarische Übersicht oben § 6 B. (Abb. 6.3). 26 Vgl. ausführlich zur Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats nach Maßgabe des MitbestG, das sich diesbezüglich nicht an Kapital-, sondern an Arbeitnehmerschwellenwerten orientiert (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Sätze 2 und 3) oben § 3 B. I. 1. sowie die tabellarische Übersicht oben § 6 B. (Abb. 6.3); vgl. ferner Breuer/ Fraune in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 96 Rdnr. 2; Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 23; Hüffer, AktG, § 95 Rdnr. 5; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 804 (Spiegelstr. 1); Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.02 Rdnr. 9; Semler in: MünchKomm AktG Bd. 3, § 95 Rdnr. 32.

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

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sein27 und gemäß § 95 Satz 1 AktG auch mindestens drei betragen28. Mit ihrem bisherigen Grundkapital von 8 Millionen Euro hatte die Zielgesellschaft die Möglichkeit, in ihrer Satzung bis zu fünfzehn Mitglieder für das Kontrollgremium vorzuschreiben, § 95 Sätze 2 und 4 Var. 2 AktG29. Durch die mit der Verschmelzung einhergehende Kapitalerhöhung wurde das Grundkapital aber auf 12 Millionen Euro aufgestockt. Damit wurde der Schwellenwert des § 95 Satz 4 Var. 3 AktG30 durchbrochen. Der Zielgesellschaft steht es deshalb frei, ihre Satzung zu ändern und drei oder sogar sechs weitere Mandate für den Aufsichtsrat zu schaffen31. 2. Übergang von Arbeitsverhältnissen Offensichtlich ist ebenfalls, dass das Unternehmen des übernehmenden Rechtsträgers im Zuge einer Verschmelzung seinen Charakter als mitbestimmungsfreies oder nur in geringem Umfang mitbestimmtes Kleinunternehmen verlieren kann. Dies deshalb, weil es entscheidend auf das Quorum der im Unternehmen in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer ankommt32 und der Zielrechtsträger durch die Verschmelzung in alle Rechte und Pflichten aus den beim Ausgangsrechtsträger begründeten Arbeitsverhältnissen eintritt33. Insbe___________ 27 Vgl. BAG 03.10.1989 – 1 ABR 12/88, AG 1990, S. 361; Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1067); Breuer/Fraune in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 95 Rdnr. 7; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnr. 621; Herold, NJW 1953, S. 1809 ff.; Mertens in: KölnKomm AktG Bd. 2, § 95 Rdnr. 10; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 21, § 77 Rdnr. 6; Semler in: MünchKomm AktG Bd. 3, § 95 Rdnrn. 18, 22. 28 Vgl. dazu LG Karlsruhe 05.05.1993 – O 177/92 KfH III, AG 1994, S. 87 = DB 1993, S. 1352; Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1067); Breuer/Fraune in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 95 Rdnr. 4; Hüffer, AktG, § 95 Rdnrn. 2 f.; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 803; Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.01 Rdnr. 36; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 21; Semler in: MünchKomm AktG Bd. 3, § 95 Rdnr. 16. 29 Vgl. dazu Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnr. 621; Semler in: MünchKomm AktG Bd. 3, § 95 Rdnr. 25 (Spiegelstr. 2); vgl. auch die tabellarische Übersicht bei Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 22. 30 Vgl. Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnr, 621; Semler in: MünchKomm AktG Bd. 3, § 95 Rdnr. 25 (Spiegelstr. 3); vgl. auch die tabellarische Übersicht bei Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 22. 31 Vgl. zu den mitbestimmungsrechtlichen Auswirkungen einer Grundkapitalerhöhung auch Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 59 (Beispiel F 18), 87 (speziell für den Fall der Kapitalerhöhung im Zuge einer Verschmelzung). 32 Vgl. Bartodziej, ZIP 1994, S. 580 (581 f.). 33 Vgl. zum rechtstechnischen Hintergrund dieser Vertragsübernahme (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG – das Arbeitsverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis und somit die beim Ausgangsrechtsträger begründeten Rechte und Pflichten aus diesem Schuldverhältnis

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

sondere an dieser Stelle treten die Auswirkungen des zwischen den verschiedenen Mitbestimmungsstatuten bestehenden Stufenverhältnisses34 deutlich zu Tage. Wiederum sei der Fall gesetzt, dass eine übertragende Aktiengesellschaft auf eine übernehmende Aktiengesellschaft zur Aufnahme verschmolzen wird. Zuvor beschäftigte die übernehmende Aktiengesellschaft regelmäßig 1.800 Arbeitnehmer. Daher war ihr Aufsichtsrat gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, 4 ff. DrittelbG durch Arbeitnehmervertreter mitbestimmt. Diesen stand ein Drittel der in der Satzung für den Aufsichtsrat vorgesehenen Mandate zu, § 4 Abs. 1 DrittelbG. Durch die Fusion mit der Ausgangsgesellschaft vergrößert sich die regelmäßige Belegschaft des von der Zielgesellschaft geführten Unternehmens um weitere 1.000 Arbeitnehmer. AntE 1

AntE 2

Übertr. AG 1.000 ArbN

Übern. AG 1.800 ArbN

Abbildung 8.3: Rechtslage vor der Verschmelzung

AntE 1

AntE 2

Übern. AG 2.800 ArbN

Abbildung 8.4: Rechtslage nach der Verschmelzung

Als Folge der Verschmelzung beschäftigt der übernehmende Rechtsträger nunmehr in der Regel 2.800 Arbeitnehmer und hat demzufolge den Schwellenwert von 2.000 Arbeitnehmern aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG durchbrochen. Deshalb muss die aktuelle Beteiligung der Arbeitnehmerschaft in den Unternehmensorganen an die geänderten gesetzlichen Vorgaben angepasst werden.

___________ Elemente der auf den Zielrechtsträger übergehenden Vermögensmasse – sowie § 324 UmwG i.V.m. § 613a BGB) Bachner, NJW 1995, S. 2881 ff.; Bermel in: Goutier/ Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 324 Rdnrn. 3 ff.; Bermel/Hannappel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnrn. 69 ff.; Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnrn. 71, 110 ff., 123 ff.; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 324; Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 324 Rdnrn. 12 ff.; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnrn. 52 f.; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnrn. 11 f.; Schiefer/Pogge, NJW 2003, S. 3734 (3738 ff.); Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 324 Rdnrn. 14 ff.; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnrn. 95 ff.; Vollrath in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 324 Rdnrn. 6 ff.; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 116 ff., 178; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 324 Rdnrn. 18 ff. 34 Vgl. dazu oben § 6 A. II. 2.

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Dazu ist das Statusverfahren gemäß §§ 97 ff. AktG durchzuführen35. Im Ergebnis ist die Beteiligung von Repräsentanten der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nur zu einem Drittel auf das quasiparitätische Beteiligungsniveau der §§ 7, 25 ff. MitbestG anzuheben36. Überdies ist vom Mitbestimmungszwang nunmehr auch der Vorstand des Zielrechtsträgers betroffen, §§ 30 ff. MitbestG, was unter dem alten Statut des Drittelbeteiligungsgesetzes nicht der Fall war. In erster Linie bedeutet dies, dass als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied ein Arbeitsdirektor bestellt werden muss, § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. 3. Änderung des Schwerpunkts der Unternehmenstätigkeit Schließlich kann sich durch die Verschmelzung von Rechtsträgern der Schwerpunkt der Unternehmenstätigkeit beim übernehmenden Rechtsträger verschieben. Dieser ist gleich in zweifacher Hinsicht für den Mitbestimmungsstatus des Unternehmens von Interesse:  Der übernehmende Rechtsträger kann durch die Verschmelzung mit einem Unternehmen des Bergbaus oder der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie einen entscheidenden Zuwachs seiner Montanquote erreichen mit der Folge, dass er künftig vom Spezialstatut der Montanmitbestimmung erfasst wird, und  der übernehmende Rechtsträger kann durch die Verschmelzung mit einem branchenfremden Rechtsträger seinen bisherigen Charakter als Tendenzunternehmen verlieren, wenn er nun nicht mehr überwiegend in den von § 1 Abs. 4 MitbestG und § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 DrittelbG geschützten Bereichen tätig ist. Mit anderen Worten: Aufgrund der Verschmelzung kann sich der Tätigkeitsbereich des vom aufnehmenden Rechtsträger betriebenen Unternehmens dergestalt verändern, dass der Rechtsträger entweder von der Mitbestimmungs___________ 35 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 15; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 84. 36 Anders verhält es sich, wenn durch die Verschmelzung bei einem zuvor mitbestimmungsfreien Rechtsträger erstmalig die Pflicht zur Bildung eines (mitbestimmten) Aufsichtsrats hervorgerufen wird und zuvor auch kein fakultativer Aufsichtsrat (§ 52 GmbHG) auf freiwilliger Basis im Unternehmen besteht. Dann geht es nicht um die Abänderung der Aufsichtsratsbesetzung, sondern um die Durchführung einer Aufsichtsratswahl nach allgemeinen bzw. mitbestimmungsgesetzlich modifizierten Grundsätzen; vgl. Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77 Rdnr. 13; anderer Ansicht Göz, ZIP 1998, S. 1523 (1524); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 144 mit w. Nachw.; vgl. auch Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/ Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 15 (dort Fn. 36) mit w. Nachw.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

freiheit oder von einem an den Rechtsfolgen gemessen weniger einschneidenden Mitbestimmungsstatus aus in die Montanmitbestimmung hineinwächst37 oder aber dass er das Privileg des Tendenzschutzes verliert und mithin aus dessen Anwendungsbereich herauswächst38. a) Hineinwachsen in die Montanmitbestimmung Ein Hineinwachsen eines Unternehmens in die Montanmitbestimmung ist etwa in der folgenden Konstellation gegeben: Eine GmbH führt ein Unternehmen, welches unter anderem auch im Bereich des Bergbaus tätig ist. Eine Bemessung des Anteils der montanindustriellen Tätigkeit am Gesamtspektrum der unternehmerischen Aktivitäten der GmbH (gestützt auf die Faktoren investiertes Kapital und Anteil am Gesamtertrag des Unternehmens39) ergibt, dass die Montanindustrie lediglich zwanzig Prozent des Betriebszwecks des Gesamtunternehmens ausmacht. Obwohl die GmbH in der Regel 5.000 Arbeitnehmer beschäftigt und damit sowohl diesbezüglich als auch in Anbetracht ihrer Rechtsform die Kriterien des § 1 Abs. 2 MontanmitbestG erfüllt, unterliegt sie allein dem Mitbestimmungsstatut des Mitbestimmungsgesetzes 1976. Das speziellere Montanmitbestimmungsgesetz greift deshalb nicht, weil die GmbH zwar den in § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. a MontanmitbestG genannten Betriebszweck verfolgt, dieser aber angesichts eines Anteils von nur zwanzig Prozent keinesfalls den überwiegenden Zweck der Unternehmenstätigkeit darstellt. Schließlich wird eine Schwestergesellschaft der GmbH, die ebenfalls im Bereich des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie operiert, im Wege der Aufnahme auf die GmbH verschmolzen. Aufgrund der Verschmelzung tritt die GmbH die Rechtsnachfolge in das Vermögen ihrer Schwestergesellschaft an und der Anteil der Bergbautätigkeit am Gesamtunternehmen nimmt zu. Im Ergebnis mag sich dieser Anteil nunmehr auf 65 Prozent belaufen, so dass er nunmehr den überwiegenden Betriebszweck des Unternehmens ausmacht. Allein aufgrund der Verschiebung der Unternehmenstätigkeit wächst die Gesellschaft daher von der Arbeitnehmermitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 in das speziellere Statut der Montanmitbestimmung hinein.

___________ 37 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 87; vgl. Henssler, ZfA 2000, S. 241 (249). 38 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 87. 39 Vgl. dazu oben § 2 B. I. 1.

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Der Vorrang der Montanmitbestimmung vor dem Mitbestimmungsgesetz 1976 ergibt sich dabei aus § 1 Abs. 2 Nr. 1 MitbestG40. b) Herauswachsen aus dem Schutzbereich für Tendenzunternehmen Der Wegfall des für einen Unternehmensträger geltenden mitbestimmungsrechtlichen Tendenzschutzes infolge einer Verschmelzung soll ebenfalls anhand eines konkreten Falles veranschaulicht werden. Eine GmbH führt ein Unternehmen, welches unmittelbar und überwiegend im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 MitbestG karitative Zwecke verfolgt, indem es den Transport von Hilfsgütern in Katastrophengebiete in aller Welt organisiert und durchführt. Die GmbH beschäftigt in der Regel 2.500 Arbeitnehmer. Nun wird eine GmbH & Co. KG mit 6.000 Arbeitnehmern auf die besagte GmbH zur Aufnahme verschmolzen. Die Kommanditgesellschaft beschäftigt sich bisher ebenfalls mit der Organisation und der Durchführung von weltweiten Sondertransporten, dies allerdings ohne jeglichen karitativen Einschlag. Die Verschmelzung auf die GmbH dient in erster Linie dazu, die Erfahrung und die gegenständlichen Arbeitsmittel der GmbH für das Unternehmen der übertragenden GmbH & Co. KG nutzbar zu machen. Zwecke des Allgemeinwohls sollen zwar weiterhin verfolgt werden. Angesichts der Größe des von der Kommanditgesellschaft übernommenen Unternehmens spielt dies in der Gesamtbetrachtung der Unternehmenstätigkeit aber nur noch eine untergeordnete Rolle. Dabei schlüpft die GmbH lediglich aus dem Grund in die Rolle des übernehmenden Rechtsträgers, damit das durch die Verschmelzung entstehende gemeinsame Unternehmen unabhängig von einer weiteren Umwandlungsmaßnahme in der von den Beteiligten einvernehmlich als passend angesehenen Rechtsform der GmbH weitergeführt werden kann. Bei dem übernehmenden Rechtsträger besteht vor der Fusion mit der GmbH & Co. KG folgende mitbestimmungsrechtliche Rechtslage: Obwohl das Unternehmen sowohl mit Blick auf seine Organisationsform als auch aufgrund seiner 2.500 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes 1976 fällt, besteht hier keine Pflicht zur Errichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats. Es bleibt bei der ursprünglichen Regelung des § 52 GmbHG, der zufolge die Existenz eines Kontrollorgans in der GmbH fakultativ ist, mithin in das Belieben der Gesellschaftsgrün___________ 40 Vgl. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 1 Rdnrn. 28 ff.; Hoffmann/Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnrn. 45 ff.; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 8; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnrn. 27 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV 1 f; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnrn. 10 ff.; Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 21; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 38.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

der gestellt wird. Die speziellere Vorschrift des § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 MitbestG greift deshalb nicht ein, weil der Zielrechtsträger den besonderen Tendenzschutz für karitativ tätige Unternehmen genießt und deshalb in Ausnahme zu § 1 Abs. 1 MitbestG die nachfolgenden Vorschriften keine Geltung beanspruchen können. Als Ergebnis der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers dient dieser zwar nach wie vor unmittelbar41 karitativen Zwecken (Mischunternehmen42). Allein sind diese Ziele für das Unternehmen nicht mehr kennzeichnend und deshalb nicht überwiegend43 im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Einleitungssatz MitbestG. Der Tendenzschutz entfällt. Der übernehmende Rechtsträger muss gemäß §§ 6 Abs. 1, 7 MitbestG einen quasiparitätisch besetzten Aufsichtsrat einrichten. Dabei richtet sich die genaue Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG (hier: 8.500 in der Regel beschäftigte Arbeitnehmer insgesamt), es sei denn, der Rechtsträger macht von der Wahlmöglichkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 MitbestG Gebrauch und entscheidet sich damit für ein größeres Kontrollorgan. Wiederum anders liegt der Fall, wenn man den gestellten Sachverhalt dahingehend abwandelt, dass die übernehmende GmbH zwar unverändert die genannten karitativen Zwecke verfolgt, die im Ausgangssachverhalt geschildert wurden, zu diesem Zweck aber in der Regel lediglich 1.500 Arbeitnehmer beschäftigt. Auch jetzt wird die übertragende GmbH & Co. KG mit 6.000 Arbeitnehmern und dem oben geschilderten Unternehmenszweck aus den genannten Beweggründen zur Aufnahme auf die GmbH verschmolzen. Abweichend vom Ausgangssachverhalt erfüllt der übernehmende Rechtsträger vor der Eintragung der Verschmelzung in sein Handelsregister nicht die Voraussetzungen des Mitbestimmungsgesetzes 1976, sondern aufgrund der Beschäftigtenzahl von lediglich 1.500 Arbeitnehmern nur diejenigen des Drit___________ 41

Vgl. dazu Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 37; Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG § 1 Rdnr. 32; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 52; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 43; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 51. 42 Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG, § 1 Rdnr. 34; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 44; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 52; vgl. ausführlich Hoffmann/ Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnrn. 57 f. 43 Vgl. dazu BAG 13.07.1955 – 1 ABR 20/54, AP Nr. 1 zu § 81 BetrVG 1952 = NJW 1955, S. 1574 (1575); BAG 27.08.1968 – 1 ABR 3/67, AP Nr. 10 zu § 81 BetrVG 1952 = BB 1969, S. 93; BAG 29.05.1970 – 1 ABR 17/69, AP Nr. 13 zu § 81 BetrVG 1952 = NJW 1970, S. 1763 (1764 f.) – sog. Geprägetheorie; OLG Hamburg 22.01.1980 – 11 W 38/79, NJW 1980, S. 1803 (1804); Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG § 1 Rdnr. 37; Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG § 1 Rdnrn. 33 f.; Hoffmann/Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 52; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 43; Ulmer in: Hanau/ Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnrn. 52 f.

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telbeteiligungsgesetzes. In dieses wurde allerdings für Tendenzunternehmen eine mit § 1 Abs. 4 MitbestG wortlautgleiche Ausnahmeklausel aufgenommen44 (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 DrittelbG), die auch hier dazu führt, dass der übernehmende Rechtsträger bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung abweichend von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 DrittelbG keinen mitbestimmten Aufsichtsrat einrichten muss. Ein anderes hätte auch unter der Vorgängerregelung des § 81 Abs. 1 BetrVG 195245 nicht gegolten, da auch diese eine Ausnahme für karitativ ausgerichtete Unternehmen kannte und nach herrschendem Verständnis ohnehin einen mit § 1 Abs. 4 MitbestG inhaltlich deckungsgleichen Regelungsgehalt aufwies46. Die mitbestimmungsrechtlichen Rechtsfolgen der Verschmelzung der beiden Rechtsträger entsprechen insofern den im Ausgangsfall genannten, als der Unternehmensgegenstand dahingehend abgewandelt wird, dass die mit dem Unternehmen verfolgten karitativen Zwecke nur noch von untergeordneter Bedeutung sind. Damit kann sich der Zielrechtsträger nicht länger auf den besonderen Ausnahmetatbestand des Tendenzschutzes berufen. Dies würde für sich betrachtet allerdings nur dazu führen, dass er vom Wirksamwerden der Verschmelzung an mit einem dem Drittelbeteiligungsstatut des Drittelbeteiligungsgesetzes entsprechenden Aufsichtsrat ausgestattet sein muss. Es ist aber darüber hinaus zu berücksichtigen, dass sich die Anzahl der bei dem Rechtsträger bestehenden Arbeitsverhältnisse von 1.500 auf 7.500 erhöht hat. Damit findet zeitgleich mit dem Entfallen des Tendenzschutzes ein Wechsel aus dem zuvor suspendierten Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsstatuts in die quasiparitätische Beteiligung des Mitbestimmungsgesetzes 1976 statt. Im Ergebnis geht es selbstverständlich auch hier um einen einheitlichen Wechsel des Mitbestimmungsstatuts von der Mitbestimmungsfreiheit in die Quasiparität. Wie die beiden vorstehenden Beispiele zeigen, kann der Verlust des Tendenzschutzes also der einzige Grund sein, aus dem das eigentlich mitbestimmungsrechtlich erfasste Unternehmen nunmehr einen auch mit Arbeitnehmerrepräsentanten besetzten Aufsichtsrat zu bilden hat. Ohne weiteres ist es aber auch möglich, dass gleich mehrere Parameter der Mitbestimmung vom Vermö___________ 44

Vgl. dazu ausführlich oben § 1 B. III. 2. Vgl. dazu BAG 13.07.1955 – 1 ABR 20/54, AP Nr. 1 zu § 81 BetrVG 1952 = NJW 1955, S. 1574 (1575); BAG 27.08.1968 – 1 ABR 3/67, AP Nr. 10 zu § 81 BetrVG 1952 = BB 1969, S. 93; BAG 29.05.1970 – 1 ABR 17/69, AP Nr. 13 zu § 81 BetrVG 1952 = NJW 1970, S. 1763 (1764 f.) – sog. Geprägetheorie. 46 Vgl. zur diesbezüglichen Lehre vom kongruenten Schutzbereich der Tendenzschutzklausen des MitbestG und des BetrVG 1952 Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 166; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 8; ausführlich oben § 1 B. III. 2., § 4 B. I. 3. 45

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genszuwachs berührt sind und sich die Umstrukturierungsmaßnahme damit gleich in mehrfacher Hinsicht im Bereich der Mitbestimmung bemerkbar macht. II. Möglichkeit der Mitbestimmungsneutralität Selbstverständlich muss der Verschmelzungsvorgang die mitbestimmungsrelevanten Parameter nicht notwendig in einem derartigen Umfang beeinflussen, dass der Wechsel des Zielrechtsträgers in ein höherstufiges Mitbestimmungsmodell die Folge ist. Gerade bei der Verschmelzung von kleineren und mittleren Unternehmen kann die beim übernehmenden Rechtsträger kumulierte Gesamtzahl von Arbeitnehmern und ebenfalls die neue Höhe des Gesellschaftskapitals ohne weiteres einmal unterhalb der nächsten Mitbestimmungsschwellenwerte verharren47. Wie eingangs bereits erwähnt wurde48, exstieren aber auch Tatbestandsmerkmale im Mitbestimmungsrecht, deren Fehlen beim Zielrechtsträger durch eine Vermögensübertragung des Ausgangsrechtsträgers ohnehin nicht kompensiert werden kann. Mitbestimmungsneutralität liegt dann insofern vor, als die Zielgesellschaft auch nach erfolgreicher Verschmelzung in jedem Fall gänzlich mitbestimmungsfrei bleiben wird. Auf die beiden genannten Fälle (Rechtsform und ausländischer Verwaltungssitz) soll im Folgenden näher eingegangen werden. 1. Mitbestimmungsfeindliche Rechtsform des Zielrechtsträgers Ist etwa der übernehmende Rechtsträger als Personengesellschaft organisiert, so interessieren die genauen Auswirkungen der Verschmelzung mitbestimmungsrechtlich in keiner Weise. Die Personengesellschaft ist völlig unabhängig vom Umfang ihres Arbeitnehmerbestandes und der Höhe des von der Gesamt-

___________ 47 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 85; vgl. in diesem Fall aber die unternehmenspolitisch erwägenswerten Vorschläge zum Austausch von Arbeitnehmerrepräsentanten im Aufsichtsrat von Köstler in: Bachner/ Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 15; vgl. auch Seibt, a.a.O., F Rdnr. 84, der andererseits völlig zutreffend darauf hinweist, dass rechtlich betrachtet die neu hinzugenommenen Arbeitnehmer erst im Zuge der nächsten ordentlichen Neuwahlen des Aufsichtsrats Einfluss auf die genaue Ausgestaltung der Arbeitnehmermitbestimmung nehmen können. 48 Vgl. oben I.

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hand gehaltenen Kapitals in keinem Fall tauglicher Anknüpfungspunkt für die Arbeitnehmermitbestimmung in den Gesellschaftsorganen49. Bei einer Verschmelzung einer Aktiengesellschaft auf eine (gesetzestypische) Kommanditgesellschaft etwa ist es mitbestimmungsrechtlich völlig belanglos, welche Zahl von Arbeitsverhältnissen auf die Kommanditgesellschaft als übernehmender Rechtsträger übergeht oder welche Höhe ihr Gesellschaftskapital nach der Verschmelzung aufweist. Selbst wenn mitbestimmungsrelevante Schwellenwerte durchbrochen sein sollten, ist der als Personengesellschaft verfasste Zielrechtsträger in jedem Fall auch zukünftig mitbestimmungsfrei. Ein anderes kann allerdings gelten in dem Fall, dass als persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft fungiert, die Kommanditgesellschaft also als Kapitalgesellschaft & Co. KG organisiert ist. Gegebenenfalls käme aufgrund der Sonderregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG eine zumindest mittelbare Arbeitnehmermitbestimmung50 in der Kommanditgesellschaft in Betracht und zwar dergestalt, dass die Arbeitnehmer der Kommanditgesellschaft der Komplementärgesellschaft zugerechnet werden und diese Körperschaft deshalb ihrerseits nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes 1976 mitbestimmt ist. Dann würde die Mitbestimmung in der Komplementärgesellschaft aufgrund des in der Kapitalgesellschaft & Co. geltenden Vertretungsmodells51 mittelbar auch auf das von der Kommanditgesellschaft als operativer Gesellschaft geführte Unternehmen durchschlagen52. 2. Verwaltungssitz außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Mitbestimmungsgesetze Der zweite mitbestimmungsrelevante Faktor, der durch eine Verschmelzung keinesfalls berührt werden kann, ist der inländische Verwaltungssitz des übernehmenden Rechtsträgers. Noch vor kurzem konnte diese Feststellung auch schlicht damit begründet werden, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Verschmelzung im hier diskutierten Sinne der §§ 2 ff. UmwG unter Beteiligung eines Rechtsträgers mit Sitz im Ausland nicht denkbar sei53. Das Umwand___________ 49

Henssler, ZfA 2000, S. 241 (249); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 55; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 88 mit w. Nachw. 50 Vgl. z.B. Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, § 14 Rdnr. 5; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnrn. 1, 8; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 IV 5 a. 51 Vgl. dazu oben § 3 A. II. 2. b) aa). 52 Vgl. ausführlich zur Mitbestimmung in der Kapitalgesellschaft & Co. KG nach Maßgabe des § 4 MitbestG oben § 3 A. II. 2. 53 Vgl. aber den Erfahrungsbericht von Dorr/Stukenborg, DB 2003, S. 647 ff.

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lungsgesetz beschränkte eben seinen eigenen Anwendungsbereich in § 1 Abs. 1 UmwG auf Umwandlungsvorgänge unter Beteiligung ausschließlich von Rechtsträgern mit Sitz im Inland54, so dass es dich bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung von Rechtsträgern um einen nach deutschem Recht unzulässigen Vorgang handelte. Dieser Begründungsweg ist jedoch inzwischen versperrt angesichts der eingangs bereits erörterten Rechtsprechung des EuGH in Sachen Sevic Systems AG55, durch die nunmehr die Möglichkeit grenzüberschreitender Umwandlungen auch unter Einsatz des deutschen Umwandlungsrechts endgültig eröffnet wurde, und der zugehörigen Anleitung in Gestalt der neuen Verschmelzungsrichtlinie 2005/56/EG. Am Ergebnis indessen ändert sich trotz dieser Veränderung des europarechtlichen Blickwinkels nichts. Nach wie vor gilt nämlich, dass der Verwaltungssitz des übernehmenden Rechtsträgers in keinerlei Zusammenhang mit der Aufnahme von zusätzlichem Unternehmensvermögen infolge des Verschmelzungsvorgangs steht. III. Ausnahme: Möglichkeit des Mitbestimmungsverlustes Ausnahmsweise kann der durch eine Verschmelzung bewirkte Vermögenszuwachs bei dem übernehmenden Rechtsträger aber auch zu einem Mitbestimmungsverlust führen. Hier dürfen natürlich nur Fälle der Verschmelzung im Wege der Aufnahme diskutiert werden. Es ist undenkbar, dass ein erst durch die Verschmelzung gegründeter und demnach zuvor rechtlich nicht existierender Rechtsträger im Vorfeld der Fusion einem wie auch immer ausgestalteten Mitbestimmungsstatut unterworfen ist. Dann kann denklogisch nicht von einem Absinken des Mitbestimmungsniveaus als Konsequenz der Verschmelzung die Rede sein. Ein Absinken im mitbestimmungsrechtlichen Stufensystem als unmittelbare Folge des Vermögenstransfers ist wiederum vorstellbar in zwei Fallgruppen, welche sich aus den Eigenarten des Gesamtkonzepts der Mitbestimmungsgesetze ergeben:

___________ 54 Vgl. BT-Drucks. 12/6699, S. 80; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rdnrn. 10 ff.; Kallmeyer, ZIP 1996, S. 535 ff.; Kronke, ZGR 1994, S. 26 (35 f.); Lutter in: Lutter/ Winter, UmwG Bd. I, Einl. Rdnr. 34; Lutter/Drygalla in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 1 Rdnrn. 5 ff.; Neye, ZIP 1994, S. 917 (920); Neye in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage (1995), S. 1 (7). 55 EuGH 13.12.2005 – Rs. C-411/03, NJW 2006, S. 425 f. = ZIP 2005, S. 2311 ff. – Sevic; Vorlagebeschluss des LG Koblenz 16.09.2003 – 4 HK.T 1/03, ZIP 2003, S. 2210 – Sevic; ausführlich zum Thema Eidenmüller in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 4 Rdnrn. 55 ff.; Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 ff.; Kurzüberblick oben Einleitung E. II. 2.

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 Der übernehmende Rechtsträger wächst – spiegelbildlich zu den oben besprochenen Fällen des Mitbestimmungszuwachses aufgrund einer Änderung der Unternehmenstätigkeit – aus dem Geltungsbereich der Montanmitbestimmung heraus56 oder er wächst in den besonderen Schutzbereich für Tendenzunternehmen (§ 1 Abs. 4 MitbestG, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 DrittelbG) hinein und  der übernehmende Rechtsträger ist persönlich haftender Gesellschafter in einer Kommanditgesellschaft, die im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG als mehrheitskongruente Kapitalgesellschaft & Co. KG organisiert ist. 1. Besonderheiten im System des Tendenzschutzes und der Montanmitbestimmung a) Tendenzschutz Dass durch das Hinzukommen weiterer Geschäftsbereiche zum originären Tätigkeitskreis des Unternehmens sich die Entwicklung des Unternehmensgegenstandes selbstverständlich auch jeweils entgegengesetzt zu der in den oben gebildeten Beispielen57 beschriebenen Richtung vollziehen kann, bedarf eigentlich kaum der besonderen Klarstellung. So mag die Verschmelzung eines unmittelbar58 und überwiegend59 koalitionspolitisch tätigen Unternehmens auf einen nicht tendenzgeschützten Rechtsträger bei einem hinreichenden Gewicht der übernommenen, den koalitionspolitischen Zielen dienenden Vermögensmasse und Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen bei dem übernehmenden Rechtsträger (Rechtsform, tatsächlicher Verwaltungssitz im Inland) im Einzelfall durchaus bewirken, dass sich der besondere Schutz der Ausgangsgesellschaft infolge der Verschmelzung bei der Zielgesellschaft fortsetzt und diese damit über die Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a DrittelbG ___________ 56

Henssler, ZfA 2000, S. 241 (249). Siehe oben I. 3. b). 58 Vgl. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 37; Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG § 1 Rdnr. 32; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 52; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 43; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 51. 59 Vgl. BAG 13.07.1955 – 1 ABR 20/54, AP Nr. 1 zu § 81 BetrVG 1952 = BAGE 2, S. 91 (96) = NJW 1955, S. 1574 (1575); BAG 27.08.1968 – 1 ABR 3/67, AP Nr. 10 zu § 81 BetrVG 1952 = BB 1969, S. 93; BAG 29.05.1970 – 1 ABR 17/69, AP Nr. 13 zu § 81 BetrVG 1952 = NJW 1970, S. 1763 (1764 f.) – sog. Geprägetheorie; OLG Hamburg 22.01.1980 – 11 W 38/79, NJW 1980, S. 1803 (1804); Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG § 1 Rdnr. 37; Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG § 1 Rdnrn. 33 f.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 52; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 43; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnrn. 52 f. 57

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oder § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 MitbestG als Ganzes60 erstmalig aus dem sachlichen Geltungsbereich eines dieser Gesetze herausgenommen wird. Aus den vorstehenden Ausführungen kann bereits ein wichtiger allgemeingültiger Grundsatz entnommen werden: Es sind in jedem Einzelfall stets sämtliche in Betracht kommenden Parameter der Mitbestimmung auf etwaige Änderungen im Zuge der Verschmelzung zu überprüfen. Die Feststellung etwa, dass die Gesamtzahl der beim Zielrechtsträger in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer mittlerweile den zwischen dem Drittelbeteiligungsgesetz und dem Mitbestimmungsgesetz 1976 stehenden Schwellenwert von 2.000 Arbeitnehmern durchbrochen hat, rechtfertigt es noch nicht ohne weiteres, einen Mitbestimmungszuwachs (in diesem Fall eine Aufstockung der Arbeitnehmermandate im Aufsichtsrat von der Drittbeteiligung zur quasiparitätischen Beteiligung sowie die erstmalige Einrichtung des Postens eines Arbeitsdirektors) zu unterstellen. Zuvor ist zu untersuchen, ob sich nicht zugleich ein weiterer mitbestimmungsrelevanter Faktor in einer Weise verschoben hat, dass er den zuvor vermuteten Zuwachs kompensiert oder gar in einen Mitbestimmungsverlust umschlagen lässt. Dieser Grundsatz muss freilich auch bei allen anderen Varianten der Unternehmensumstrukturierung entsprechend eingehalten werden. b) Montanmitbestimmung Im Bereich der Montanmitbestimmung ist es möglich, dass die Verschmelzung von montanfremden Unternehmen auf ein solches mit Montanbezug dazu führt, dass im übernehmenden Rechtsträger die Montantätigkeit zukünftig nur noch eine untergeordnete Rolle spielt und demnach nicht mehr den überwiegenden Zweck des Unternehmens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. a MontanmitbestG ausmacht61. Damit entfällt die wesentliche Voraussetzung des Spezialmitbestimmungsstatuts für die Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie beim übernehmenden Rechträger, so dass er eigentlich von nun an, je nach Arbeitnehmerzahl, seinen Aufsichtsrat nach Maßgabe des Drittelbeteiligungsgesetzes oder des Mitbestimmungsgesetzes 1976 einzurichten hat. Es ist jedoch zu beachten, dass trotz des Wegfalls eines qualifizierten Montanbezugs des Unternehmens einem unmittelbaren Wechsel des einschlägigen Mitbestimmungsstatuts die in der Fortgeltungsklausel des § 1 Abs. 3 MontanmitbestG festgelegte Auslauffrist entgegensteht62. Danach sind ___________ 60 Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG § 1 Rdnr. 34: Im Bereich des MitbestG kann die Tendenz eines Unternehmens nur einheitlich festgestellt werden. Der Bewertung für den einzelnen Betrieb kommt keine Bedeutung zu. 61 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (249). 62 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (250).

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die Vorschriften des Montanmitbestimmungsgesetzes trotz des Fortfalls des Montanbezugs auf den Rechtsträger erst dann nicht mehr anzuwenden, wenn in sechs weiteren aufeinander folgenden Geschäftsjahren die besagte Voraussetzung nicht wieder eingetreten ist. Vom Rückgang der Bedeutung der Montantätigkeit und dem daran geknüpften Absinken des Mitbestimmungsniveaus kann selbstredend nicht nur ein unmittelbar im Montanbereich operierendes Unternehmen betroffen sein, sondern ebenfalls eine Konzernobergesellschaft, welche aufgrund des Montanbezugs der ihr nachgeschalteten Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen in den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes fällt, § 3 Abs. 1 Satz 1 MitbestErgG. Ausgangspunkt dafür muss eine Verschmelzung eines montanfremden Unternehmens auf ein im Konzernverbund stehendes Unternehmen sein mit der Folge, dass der Unternehmenszweck des Gesamtkonzerns im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 MitbestErgG neu zu bemessen ist und sich derart verschiebt, dass er den Anforderungen an einen hinreichenden Montanbezug nicht länger genügt63. 2. Besonderheiten im System der Kapitalgesellschaft & Co. KG Die Reduzierung des Mitbestimmungsniveaus trotz Vermögenszuwachs kommt auch in Betracht bei einer Kapitalgesellschaft, die im Sinne des § 4 Abs. 1 MitbestG als Komplementär einer Kommanditgesellschaft eingesetzt wird. Um es noch deutlicher zu sagen: Der Mitbestimmungsverlust tritt in den nachfolgend beschriebenen Konstellationen nicht nur trotz einer Vermehrung der im Unternehmen unmittelbar bestehenden Arbeitsverhältnisse ein, sondern ___________ 63 Zu beachten ist allerdings auch in diesem Zusammenhang, dass die verfassungswidrige und damit nichtige Klausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MitbestErgG ebenfalls durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18.05.2004 ersetzt wurde. Anstelle des statischen Schwellenwertes von 2.000 Arbeitnehmern wird nunmehr auf eine die Gesamtgröße des Konzerns berücksichtigende Quote von einem Fünftel der Arbeitnehmer sämtlicher Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen abgestellt. Insofern wurde bereits Kritik laut, dass aufgrund der sehr arbeitsintensiven Produktionsformen in der Montanindustrie diese gesetzliche Beschäftigungsquote regelmäßig die Montanmitbestimmung bei der Konzernspitze auslösen werde, lange bevor die zwanzigprozentige Wertschöpfungsquote des verfassungskonformen § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MitbestErgG erreicht sei, vgl. die Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Gesetzesentwurf und zum Entwurf einer entsprechenden Rechtsverordnung vom 20.10.2003. Umgekehrt kann die Neuregelung deshalb in der beschriebenen Verschmelzungskonstellation auch dazu führen, dass zwar durch den Zuwachs neuer montanfremder Geschäftsbereiche die montangestützte Wertschöpfungsquote des Konzerns auf weniger als zwanzig Prozent absinkt, demgegenüber aber wenigstens eine hinreichende Arbeitnehmerquote nach wie vor im Montansektor beschäftigt ist. Dann bleibt der Mitbestimmungsstatus der Konzernspitzengesellschaft von der Verschmelzung unberührt.

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sogar eben wegen des Arbeitnehmerzuwachses. Diese Aussage mag auf den ersten Blick wenig einleuchtend erscheinen, verkehrt sie doch das Schwellenwertsystem des geltenden Mitbestimmungsrechts vermeintlich in sein Gegenteil. Das dogmatische Bindeglied zwischen Arbeitnehmerzuwachs und Mitbestimmungsverlust bildet aber insofern die Sperrklausel des § 4 Abs. 1 Satz 1 (am Ende) MitbestG, der zufolge eine Zurechnung von Arbeitnehmern von der unternehmenstragenden Kommanditgesellschaft zur Komplementärgesellschaft nicht mehr möglich ist, wenn die Komplementärin einen eigenen Geschäftsbetrieb mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern hat64. Bei der sich anschließenden Darstellung des aus dieser Regelung folgenden Spannungsfeldes wird danach differenziert, ob der Posten der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft von einer GmbH oder von einer Aktiengesellschaft bzw. einer Kommanditgesellschaft auf Aktien ausgefüllt wird. a) GmbH & Co. KG In einer beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG im Sinne des § 4 Abs. 1 MitbestG werden die Arbeitnehmer der Kommanditgesellschaft zum Zwecke der Bemessung der mitbestimmungsrelevanten Gesamtarbeitnehmerzahl als solche der persönlich haftenden GmbH gewertet. Dies gilt allerdings nicht, wenn die GmbH mehr als 500 eigene Arbeitnehmer hat und diese auch zu eigenen operativen Zwecken einsetzt. Zu einem Mitbestimmungsverlust kann es demnach kommen, wenn die Komplementär-GmbH ursprünglich allein aufgrund der Zurechnungsklausel des § 4 Abs. 1 MitbestG Arbeitnehmervertreter nach Maßgabe dieses Gesetzes in ihre Unternehmensorgane aufnimmt. Verschmilzt ein Rechtsträger auf die GmbH, so muss sich dadurch die Zahl der unmittelbar beschäftigten Arbeitnehmer auf in der Regel mehr als 500 (und höchstens 2.000) Arbeitnehmer erhöhen. Damit ist die Zurechnungsklausel in Zukunft nicht mehr anwendbar. Der quasiparitätisch besetzte Aufsichtsrat der Komplementärgesellschaft ist nur noch zu einem Drittel mit Arbeitnehmerrepräsentanten zu besetzen, §§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, 4 Abs. 1 DrittelbG, der nach § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG erforderliche, dem Drittelbeteiligungsstatut hingegen unbekannte, Posten des Arbeitsdirektors in der Geschäftsführung entfällt. So liegt zum Beispiel der Fall, wenn im Unternehmen einer GmbH & Co. KG 2.100 Arbeitnehmer eingesetzt sind und die ursprünglich nur der Haftungsabschottung in der Kommanditgesellschaft dienende Komplementär-GmbH ___________ 64 Vgl. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 4 Rdnrn. 14 (Spiegelstr. 3), 26 f.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 4 Rdnrn. 10 ff.; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 5; Raiser, MitbestG, § 4 Rdnr. 16; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 4 Rdnrn. 19 f.; Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 4; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 31.

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mittlerweile zugleich als eigenständige Trägerin eines selbständigen Unternehmens mit 200 Arbeitskräften geworden ist. Auf die Komplementärgesellschaft wird alsdann ein weiteres als GmbH verfasstes Unternehmen mit weiteren 350 Arbeitnehmern verschmolzen. Ursprünglich ist die Komplementärgesellschaft mit nur 200 Beschäftigten für sich betrachtet kein mitbestimmungsfähiger Rechtsträger. Zwar wird sie als GmbH in einer Rechtsform betrieben, die von allen dem deutschen Recht bekannten Mitbestimmungsstatuten als mitbestimmungspflichtig vorgesehen ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG, § 1 MitbestErgG). Allerdings erfüllt sie noch nicht einmal die Mindestkriterien, die das Drittelbeteiligungsgesetz als insofern schwächstes Mitbestimmungsgesetz für das Arbeitnehmerquorum festlegt, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG. Gleichwohl muss die GmbH mit einem quasiparitätisch mitbestimmten Aufsichtsrat und einem Arbeitsdirektor ausgestattet sein, weil ihr die 1.800 Arbeitnehmer der Kommanditgesellschaft als eigene zugerechnet werden. Zwar dient die Komplementärgesellschaft nicht mehr ausschließlich der Haftungsabschottung gegenüber den Gläubigern der Kommanditgesellschaft, sondern betreibt zudem einen eigenständigen Geschäftsbetrieb. Dieser ist aber aufgrund der Belegschaftsstärke von nur 200 Arbeitnehmern von einer derart untergeordneten Größe, dass § 4 Abs. 1 MitbestG ihn für die Frage der Zurechnung nicht berücksichtigt. Mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister der Komplementärin als übernehmender Rechtsträger gehen die bei dem übertragenden Rechtsträger begründeten 350 Arbeitsverhältnisse als Bestandteile der zu bewegenden Vermögensmasse65 auf den übernehmenden Rechtsträger über. Insgesamt bestehen dort nun 550 Arbeitsverhältnisse unmittelbar. Auf diese Weise wird im Verhältnis des übernehmenden Rechtsträgers zu der Kommanditgesellschaft die Sperrklausel des § 4 Abs. 1 Satz 1 am Ende MitbestG aktiviert. Eine Zurechnung der bei der Kommanditgesellschaft bestehenden Arbeitsverhältnisse findet nicht länger statt. Zwar ist die Komplementärgesellschaft nach wie vor ___________ 65 Vgl. Bachner, NJW 1995, S. 2881 ff.; Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 324 Rdnrn. 3 ff.; Bermel/Hannappel in: Goutier/Knopf/ Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnrn. 69 ff.; Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnrn. 71, 110 ff., 123 ff.; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 324; Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 324 Rdnrn. 12 ff.; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnrn. 11 f.; Schiefer/ Pogge, NJW 2003, S. 3734 (3738 ff.); Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 324 Rdnrn. 14 ff.; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnrn. 95 ff.; Vollrath in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 324 Rdnrn. 6 ff.; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 116 ff., 178; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 324 Rdnrn. 18 ff.

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der Verschmelzung mitbestimmungspflichtig, jetzt allerdings nur noch in dem relativ geringen Umfang, den das Drittbeteiligungsgesetz in seinem § 4 beschreibt. Dass hier logische Lücken im System der mitbestimmungsrelevanten Schwellenwerte klaffen, tritt im vorstehenden Beispiel deutlich zu Tage. Die Abhängigkeit des Mitbestimmungsniveaus von Mindestarbeitnehmerzahlen lässt eigentlich ohne weiteres den Schluss zu, dass ein Ansteigen der Belegschaftsstärke den Mitbestimmungsverlust ausschließt. Kritik seitens des arbeitsund gesellschaftsrechtlichen Schrifttums an der geltenden gesetzlichen Regelung ist deshalb häufig zu finden66. Unter anderem wurde das eigenartige Zusammenspiel von erhöhter Mitbestimmungsbedürftigkeit auf der einen Seite und unterbrochener Arbeitnehmerzurechnung auf der anderen Seite als „Resultat einer klaren, wenn auch systemwidrigen gesetzlichen Vorgabe“67 bezeichnet. Ein Mitbestimmungsverlust tritt freilich lediglich dann ein, wenn durch die Verschmelzung die Komplementärgesellschaft nicht selbst unmittelbar eine für das Mitbestimmungsgesetz 1976 ausreichende Arbeitnehmerzahl erreicht. In diesem Falle wäre natürlich gleichfalls eine weitergehende Arbeitnehmerzurechnung von der Kommanditgesellschaft ausgeschlossen. Trotzdem bliebe das Mitbestimmungsniveau bei der Komplementärgesellschaft unberührt. Es würde lediglich auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt (vor der Verschmelzung: § 1 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, nach der Verschmelzung: § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG unmittelbar). Geht man hingegen davon aus, dass die mitbestimmungsrechtliche Ausgangslage in der GmbH & Co. KG gegenüber dem oben gebildeten Beispielssachverhalt sich dahingehend ändert, dass durch die Verschmelzung die übernehmende Komplementär-GmbH nicht nur 350, sondern 1.900 Arbeitnehmer hinzu gewinnt, erreicht ihr Unternehmen auf diesem Wege ein Gesamtquorum von 2.100 Arbeitnehmern. Auch jetzt ist die Zurechnung weiterer Arbeitnehmer innerhalb der GmbH & Co. KG über § 4 Abs. 1 MitbestG undenkbar. Einer solchen Zurechnung bedarf es aber auch gar nicht mehr, weil die Komplementär-GmbH bereits von sich aus in den sachlichen Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes 1976 fällt.

___________ 66

Vgl. nur Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 86a („paradox“). 67 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (250).

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b) AG/KGaA & Co. KG Einer der bedeutendsten Kritikpunkte am Zurechnungssystem in der Kapitalgesellschaft & Co. KG beruhte bis vor kurzem auf einer relativ offensichtlichen Ungleichbehandlung der GmbH einerseits und der Aktiengesellschaft bzw. Kommanditgesellschaft auf Aktien andererseits. Dies lässt sich auf den Umstand zurückführen, dass die GmbH unter der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 erst dann der Drittelmitbestimmung ausgesetzt wurde, wenn sie in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigte68, § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952, während die Aktiengesellschaft lediglich nicht weniger als 500 Arbeitnehmer aufweisen durfte69, § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG 195270 (Ausnahme: Altaktiengesellschaften im Sinne des § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 BetrVG 1952). Also war die Aktiengesellschaft anders als die GmbH bereits ab einer Arbeitnehmerzahl von genau 500 mitbestimmungspflichtig. Aufgrund § 76 Abs. 6 Satz 3 BetrVG 1952 war die Kommanditgesellschaft auf Aktien entsprechend der Aktiengesellschaft zu behandeln. Bei der Überführung der wegen § 129 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972 fortgeltenden Normen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 in das Drittelbeteiligungsgesetz hat der Gesetzgeber die für den Einstieg in die Drittelmitbestimmung geltenden Arbeitnehmerschwellenwerte allerdings vereinheitlicht. Gleichwohl ist die systematische Besonderheit, die sich aus den alten unterschiedlichen Schwellenwerten im Zusammenhang mit der Zurechnungsnorm des § 4 Abs. 1 MitbestG ergab, nicht bedeutungslos geworden. Angesichts der Übergangsvorschrift in § 15 DrittelbG kommt das Betriebsverfassungsgesetz 1952 auch nach seinem Außerkrafttreten noch vorübergehend in einzelnen Unternehmen zur Anwendung. Deshalb wird hier zunächst die alte Rechtslage beleuchtet, bevor in einem zweiten Schritt auf die konkreten Änderungen unter der Geltung des neuen Drittelbeteiligungsgesetzes einzugehen ist.

___________ 68

Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77 Rdnrn. 1, 4; A. Kraft in: GKBetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77 Rdnr. 4; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 77 Rdnr. 2; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 3. 69 Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnrn 1, 9; A. Kraft in: GKBetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 150; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 4; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 4; ungenau insofern Koch in: Schaub/Koch/Linck, ArbeitsrechtsHandbuch (10. Aufl.), § 257 Rdnr. 5, der einen allgemeingültigen Schwellenwert von mehr als 500 Arbeitnehmern nennt. 70 Vgl. zur praktischen Bedeutung der Ungleichbehandlung Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 4.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

aa) Rechtslage unter der Geltung des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 Die schon ab einer Arbeitnehmerzahl von genau 500 ausgelöste Drittelmitbestimmung führt in der Aktiengesellschaft und in der Kommanditgesellschaft auf Aktien dazu, dass sie als Komplementärgesellschaft einer hinreichend arbeitnehmerstarken Kapitalgesellschaft & Co. KG tatbestandlich von zwei Mitbestimmungsregimen erfasst werden. Zum einen erfüllt die Komplementärin bereits alle Voraussetzungen für eine Drittelbeteiligung nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1952. Auf der anderen Seite aber befindet sie sich noch im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, dessen Sperrklausel erst Berücksichtigung findet, wenn der Wert von 500 eigenen Arbeitnehmern durchbrochen ist, nicht aber schon, wenn jener Wert exakt erreicht ist. Damit treffen auf die Komplementärin, wenngleich nur über den in § 4 Abs. 1 MitbestG vorgesehenen Umweg der Arbeitnehmerzurechnung, auch die strengeren Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu. Diese Konstellation ist selbstverständlich kein unauflösbarer Widerspruch. Sie beschreibt eine Situation der Tatbestandskonkurrenz, die in jedem abgestuften Schwellenwertsystem auftritt. Mit Blick auf die Arbeitnehmerzahl erfüllt auch außerhalb des § 4 MitbestG jeder vom Mitbestimmungsgesetz 1976 erfasste Rechtsträger zugleich die weniger anspruchsvollen Voraussetzungen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 (bzw. jetzt des Drittelbeteiligungsgesetzes). Wer mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, der beschäftigt natürlich auch mehr als 500. Die Lösung des Konkurrenzproblems ist aus diesem Grunde desgleichen für die mit genau 500 Arbeitnehmern ausgestattete KomplementärAG oder Komplementär-KGaA nach allgemeinen Regeln in der Subsidiaritätsklausel des § 85 Abs. 2 BetrVG 1952 zu finden71. Danach treten die Vorschriften über die Drittelbeteiligung zugunsten der Normen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 (und auch der Montanmitbestimmungsgesetze) zurück72. Im Ergebnis tritt mithin zwar kein Problem bei der Rechtsanwendung auf. Trotzdem ist festzuhalten, dass die dargestellte Regelung unter rechtssystematischen Gesichtspunkten nicht zu überzeugen vermochte. Hinsichtlich der GmbH lässt sich nämlich die Feststellung treffen, dass § 4 MitbestG keine Wirkung mehr entfalten konnte, sobald die Komplementärgesellschaft dem Betriebsver___________ 71

Dem entspricht die Regelung in § 1 Abs. 3 MitbestG; vgl. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 1 Rdnrn. 47 ff.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 51; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 85 Rdnr. 7; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 36; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 14; Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 21. 72 So z.B. Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 85 Rdnr. 2 (i.V.m. § 76 Rdnrn. 39 ff.); A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 85 Rdnr. 7; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht (4. Aufl.), BetrVG 1952 § 85 Rdnr. 2.

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

293

fassungsgesetz 1952 unterlag. Anders bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien: Hier war bei genau 500 eigenen Arbeitnehmern der Komplementärin eine Zurechnung von der unternehmenstragenden Kommanditgesellschaft merkwürdigerweise weiterhin möglich, obschon das Betriebsverfassungsgesetz 1952 bereits thematisch einschlägig war73. Sachliche Gründe für diese Ungleichbehandlung der verschiedenen Kapitalgesellschaftsformen sind nicht ersichtlich. Insofern ist die mit der Einführung des Drittelbeteiligungsgesetzes einhergehende Aufhebung der Sonderbehandlung von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien gegenüber der GmbH sicherlich zu begrüßen. bb) Rechtslage unter der Geltung des Drittelbeteiligungsgesetzes Insbesondere anhand dieser Erkenntnis wird deutlich, dass die Verfasser der Regierungsbegründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat sich der vollen Tragweite ihres Gesetzgebungsvorhabens nicht bewusst waren, als sie pauschal formulierten: „Mit dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) wird das BetrVG 1952 abgelöst. Es handelt sich im Wesentlichen um die redaktionelle Neufassung unübersichtlicher Regelungen und damit um Rechtsbereinigung und Vereinfachung. Darüber hinaus wird die gesetzliche Grundlage für ein neues Wahlverfahren geschaffen. ... Der Anwendungsbereich (des Drittelbeteiligungsgesetzes) bleibt gegenüber den Regelungen in § 76 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 und § 77 Abs. 1 bis 3 BetrVG 1952 unverändert74.“

Der systematische Widerspruch, der durch die unterschiedlichen Schwellenwerte bei der GmbH und den kapitalmarktorientierten Gesellschaftsformen hervorgerufen wurde, ist vielmehr durch eine Angleichung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DrittelbG an die aus § 77 Abs. 1 bis 3 BetrVG 1952 in § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 DrittelbG übernommenen Arbeitnehmerquoren beseitigt worden75 und wird in einigen Jahren, wenn sich der Fortanwendungszweck der Übergangsregelung aus § 15 DrittelbG erledigt hat, in die Rechtsgeschichte eingehen.

___________ 73

Henssler, ZfA 2000, S. 241 (250). Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat (BR-Drucks. 10/04, S. 18, 21). 75 Vgl. dazu schon oben § 4 C. I. 2. 74

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

D. Konzerninterne Verschmelzungsvorgänge Bisher wurden die mitbestimmungsrechtlichen Rechtsfolgen von Verschmelzungen lediglich am Beispiel solcher Rechtsträger erörtert, die vor der Verschmelzung in keinerlei gesellschaftsrechtlicher Bindung zueinander standen. Dies ist auch sicherlich wichtig, um sich die Grundprinzipien im Zusammenhang von Verschmelzung und Unternehmensmitbestimmung vor Augen zu führen. Die Rechtswirklichkeit stellt den juristischen Berater jedoch regelmäßig vor wesentlich komplexere Sachverhalte. Deshalb ist es jetzt angezeigt, auf der Basis der soeben gewonnenen Erkenntnisse die mitbestimmungsrechtlichen Auswirkungen von Unternehmensverschmelzungen innerhalb eines bestehenden Unternehmensverbundes, also eines Konzerns, zu analysieren. Abweichungen oder Ergänzungen zu den bisherigen Feststellungen können sich hier insbesondere ergeben aufgrund der Konzernzurechnungsklauseln aus § 5 Abs. 1 bis 3 MitbestG, § 2 Abs. 2 DrittelbG und § 1 Abs. 4 MontanmitbestG76. Diese führen vor allem dazu, dass bei der Änderung von Arbeitnehmerzahlen der Konzernunternehmen stets auch die Auswirkungen auf das herrschende Unternehmen geprüft werden müssen. Darüber hinaus ist denkbar, dass eine im Vorfeld der Verschmelzung schon bestehende Arbeitnehmerzurechnung innerhalb des Konzerns dafür sorgt, dass sich der Arbeitnehmerzuwachs bei der aufnehmenden Gesellschaft etwa nicht mehr als Erhöhung des Mitbestimmungsniveaus bemerkbar macht, sondern mitbestimmungsneutral auswirkt. I. Besonderheiten im System des sidestream mergers 1. Berücksichtigung auch der Konzernobergesellschaft Das rechtliche Konzept eines sidestream bzw. sidestep mergers, also einer Verschmelzung von Schwestergesellschaften, wurde einführend bereits erläutert77. Von weiterreichendem Interesse kann der sidestream merger dann sein, wenn die Anteile an den verschmelzenden Schwestergesellschaften nicht in den ___________ 76 Einen anderen Ansatz verfolgt das MitbestErgG. Obgleich dieses Gesetz als Ganzes einzig auf die Besonderheiten des Unternehmensverbundes zugeschnitten ist – es geht laut § 1 MontanmitbestG um die Errichtung eines besonderen Mitbestimmungsstatus für Unternehmen, die ein Montanunternehmen im Sinne des MontanmitbestG beherrschen – hat der Gesetzgeber eben nicht den Weg der Arbeitnehmerzurechnung eingeschlagen. Schließlich steht hier eine wertende Übertragung der von dem oder den beherrschten Unternehmen ausgeübten Montantätigkeit auf die Konzernspitzengesellschaft im Mittelpunkt. Entscheidende Kriterien sind demnach die montangestützte Wertschöpfungsquote der Konzernunternehmen oder seit dem Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat auch die Beschäftigung von mehr als einem Fünftel der Arbeitnehmer des Konzerns im Montanbereich. 77 Vgl. ausführlich oben § 7 B. I. 4. a).

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

295

Händen natürlicher Personen liegen78, sondern von einem seinerseits mitbestimmungsfähigen Rechtsträger im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG (AG, KGaA, GmbH, e.G.) oder § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 DrittelbG (AG, KGaA, GmbH, VVaG, e.G) gehalten werden. Fraglich ist, ob eine Verschmelzung dann die mitbestimmungsrechtliche Lage bei dieser Muttergesellschaft zu verändern vermag. Ein klassischer sidestream merger liegt in der nachstehenden Konstellation vor: Zwei GmbH beschäftigen je 1.500 Arbeitnehmer. Deswegen ist bei beiden Gesellschaften ein mitbestimmter Aufsichtsrat gemäß § 4 Abs. 1 DrittelbG eingerichtet. Die Geschäftsanteile der Gesellschaften liegen jeweils zu einhundert Prozent in den Händen einer Holding-GmbH, die ihrerseits 200 Arbeitnehmer beschäftigt. Trotz der geringen Anzahl eigener Arbeitnehmer ist diese Muttergesellschaft nicht mitbestimmungsfrei. Dies ist zu erklären über § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 AktG79. Die Muttergesellschaft ist als GmbH von ihrer Rechtsform her mitbestimmungsfähiges Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG. Vor diesem Hintergrund und weil ein faktisches Unterordnungskonzernverhältnis80 wie das vorliegende im Falle des Mitbestimmungsgesetzes 1976 ausreicht, werden ihr als herrschendem Unternehmen eines Konzerns die Arbeitnehmer ihrer beiden Tochtergesellschaften zugerechnet81. Damit kommt die Muttergesellschaft auf ein Gesamtquorum von 3.200 Arbeitnehmern und muss deshalb einen quasiparitätisch besetzten Aufsichtsrat bilden sowie einen Arbeitsdirektor als zusätzlichen Geschäftsführer einsetzen, §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1, 7, 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG.

___________ 78 Insofern setzt die Verschmelzung von Schwestergesellschaften nicht unbedingt ein Konzernrechtsverhältnis voraus; vgl. schon oben § 7 B. I. 4. a). 79 Der Verweis des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG auf das AktG ist nicht dahingehend zu verstehen, dass nur Aktienkonzerne Grundlage der Arbeitnehmerzurechnung zum Zwecke der Anwendung des MitbestG sein können. Vielmehr beruht der Verweis lediglich darauf, dass im Aktienrecht am Modell der AG das Konzernrecht für die Verbindung von Unternehmen gleich welcher Rechtsform geregelt ist. Mithin ist etwa auch eine Konzernstruktur unter Einbeziehung von ausschließlich GmbH problemlos tauglicher Anknüpfungspunkt für die mitbestimmungsrechtliche Zurechnung von Arbeitnehmern; vgl. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 9. 80 Vgl. allgemein zum Unterordnungskonzern Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnrn. 2, 26 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 8 ff.; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnrn. 304 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rdnrn. 6 ff.; Peres/Oschütz in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 18 Rdnrn. 11 ff. 81 Vgl. dazu Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnr. 24; Fitting/Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 4; Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255); Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 1; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 5 Rdnr. 3.

296

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht MutterGmbH 200 ArbN 100 %

MutterGmbH 200 ArbN 100 % 100 %

TochterGmbH 1 1.500 ArbN

TochterGmbH 2 1.500 ArbN

Abbildung 8.5: Rechtslage vor sidestream merger

TochterGmbH 2 3.000 ArbN

Abbildung 8.6: Rechtslage nach sidestream merger

Als Konsequenz der konzerninternen Fusion der beiden Schwestergesellschaften erlischt die übertragende Gesellschaft ohne Liquidation82 und fällt damit als Grundlage unternehmerischer Mitbestimmung aus. Weiterhin erfährt die übernehmende Gesellschaft einen Mitbestimmungszuwachs vom Drittelbeteiligungsstatut in das Statut nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976. Anders als im oben erörterten Fall der Verschmelzung zweier zuvor konzernrechtlich nicht miteinander verbundenen Unternehmen ist beim sidestream merger allerdings über die unmittelbar als übertragender und übernehmender Rechtsträger am Verschmelzungsvorgang beteiligten Unternehmen hinaus auch die Muttergesellschaft (potentiell) mitbestimmungsrechtlich betroffen. Im Ergebnis verhält sich hier die Umstrukturierungsmaßnahme indessen mit Blick auf die Konzernspitze mitbestimmungsneutral. Gesetzliche Grundlage der Mitbestimmung bleibt § 1 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. Allerdings verändert sich die tatsächliche Grundlage. Es werden nicht mehr die Arbeitnehmer zweier Töchter zugerechnet, sondern nur noch die der verbliebenen übernehmenden Gesellschaft. Diese ist aber in sämtliche bei ihrer inzwischen erloschenen Schwestergesellschaft begründeten Arbeitsverhältnisse als neue Arbeitgeberin eingerückt83, so dass das zuzurechnende Gesamtquorum erhalten bleibt. ___________ 82

Vgl. §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Vgl. Bachner, NJW 1995, S. 2881 ff.; Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 324 Rdnrn. 3 ff.; Bermel/Hannappel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnrn. 69 ff.; Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnrn. 71, 110 ff., 123 ff.; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 324; Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 324 Rdnrn. 12 ff.; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnrn. 52 f.; MarschBarner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnrn. 11 f.; Schiefer/Pogge, NJW 2003, S. 3734 (3738 ff.); Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 324 Rdnrn. 14 ff.; Stratz in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnrn. 95 ff.; Vollrath in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 324 Rdnrn. 6 ff.; Vossius in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 116 ff., 178; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 324 Rdnrn. 18 ff. 83

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

297

Keine Zurechnung von Arbeitnehmern erfolgte demgegenüber vor der Verschmelzung im Verhältnis der beiden Schwestergesellschaften zueinander. Ein Unterordnungskonzern zwischen dem Ausgangs- und dem Zielrechtsträger scheidet offensichtlich aus, stehen die Gesellschaften als Schwestergesellschaften doch weder in einem Mehrheitsbesitz- (§ 16 AktG) noch in einem Beherrschungs- oder Abhängigkeitsverhältnis (§ 17 AktG) zueinander. Allenfalls kommt ein Gleichordnungskonzern84, wie ihn § 18 Abs. 2 AktG beschreibt, in Betracht. Dazu müssten die Schwestergesellschaften entweder durch vertragliche Absprache (so genannter Gleichordnungsvertrag)85 oder aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten86 (faktisches Gleichordnungskonzernverhältnis ohne rechtsgeschäftliche Grundlage) unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst sein. Nach der wohl überwiegenden Ansicht im konzernrechtlichen Schrifttum schließt die Beherrschung zweier oder mehrerer Unternehmen durch einen gemeinsamen Allein- oder Mehrheitsgesellschafter die Existenz eines Gleichordnungskonzerns zwischen den beherrschten Unternehmen generell aus87. Auch in diesem Zusammenhang soll also der Merksatz „Kein Konzern im Konzern!“ gelten. Überzeugend ist es jedoch demgegenüber eine andere Auffassung88. Zu differenzieren ist danach zwischen  Unterordnungskonzernverhältnissen im engeren Sinne (d.h. es liegt ein gemeinsames herrschendes Unternehmen vor, welches die jeweiligen beherrschten Konzernunternehmen leitet) und  Unterordnungskonzernverhältnissen im weiteren Sinne (d.h. es liegt gleichsam nur formell ein gemeinsames herrschendes Unternehmen vor, welches aber tatsächlich von der Leitung der Konzernunternehmen absieht). ___________ 84 Vgl. allgemein zum Gleichordnungskonzern Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnrn. 3, 49 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 25 ff.; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnrn. 312 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rdnrn. 20 f.; Lutter/Drygala, ZGR 1995, S. 557 ff.; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), S. 417 ff. 85 Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnr. 52; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 29 f.; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnr. 312; Hüffer, AktG, § 18 Rdnr. 20 86 BGH 19.01.1993 – KVR 32/91, BGHZ 121, S. 137 (146 f.) = NJW 1993, S. 2114; Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnr. 54; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 30 f.; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnr. 313; Hüffer, AktG, § 18 Rdnr. 21; Lutter/Drygala, ZGR 1995, S. 557 (558); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 56 Rdnr. 2; vgl. auch unter kartellrechtlichem Blickwinkel BGH 08.12.1998 – KVR 31/97, AG 1999, S. 181 (182) = ZIP 1999, S. 331 (333). 87 Vgl. in diesem Sinne z.B. Hüffer, AktG, § 18 Rdnr. 21; Koppensteiner in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnr. 6. 88 Vgl. dazu Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnr. 55 mit w. Nachw.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Im Unterordnungskonzern im engeren Sinne schließt die einheitliche Leitung der Konzernunternehmen durch den gemeinsamen Allein- oder Mehrheitsgesellschafter eine zeitgleiche einheitliche Leitung der Konzernunternehmen auch auf Gleichordnungsebene im Sinne des § 18 Abs. 2 AktG aus. Einheitliche Leitung kann eben schon begrifflich nur einmal stattfinden. Die einheitliche Leitung im Gleichordnungsverhältnis wird indessen dann nicht gesperrt, wenn eine Leitung seitens der Konzernspitzengesellschaft zwar möglich ist, tatsächlich dagegen gar nicht durchgeführt wird. Dann liegt lediglich eine einfache gemeinsame Abhängigkeit der Konzernunternehmen von der Konzernspitze vor, die mit dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 AktG nicht kollidiert. Im Gegenteil wird diese Form der Abhängigkeit regelmäßig in Gestalt der personellen Verflechtung der Unternehmensleitungen der Konzernunternehmen die Voraussetzungen für einen faktischen Gleichordnungskonzern ohne einen Gleichordnungsvertrag als rechtsgeschäftliche Grundlage schaffen89. Völlig unabhängig von der Frage, ob die Existenz eines Gleichordnungskonzerns innerhalb eines Unterordnungskonzerns (im weitesten Sinne) ausgeschlossen ist oder nicht, spielt eine nur horizontal verstandene Unternehmensverbindung aber auch für die mitbestimmungsrechtliche Frage der Arbeitnehmerzurechnung ohnehin keine Rolle. Die Zurechnungsnorm des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG verweist in ihrem Klammerzusatz einzig auf § 18 Abs. 1 AktG und damit auf die Konstellation des Unterordnungskonzernverhältnisses90, nicht hingegen auf § 18 Abs. 2 AktG. Im Gleichordnungskonzern findet deshalb niemals Arbeitnehmerzurechnung statt91, so dass bei der Beurteilung des einschlägigen Mitbestimmungsstatuts für die Schwestergesellschaften vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung jeweils nur die eigenen 1.500 Arbeitnehmer berücksichtigt werden müssen und können. ___________ 89 Vgl. zur Möglichkeit des Gleichordnungskonzernverhältnisses zwischen Schwestergesellschaften auch den Ansatz von Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 32 ff.; Emmerich, AG 1993, S. 529 (532): Entscheidend sei, ob man der Muttergesellschaft Unternehmensqualität im Sinne des § 15 AktG beimessen könne. Bejahendenfalls sei ein Unterordnungskonzern im Verhältnis der Schwestergesellschaften zu der Mutter gegeben, der einen Gleichordnungskonzern zwischen den Schwestern ausschließe. Werde die Unternehmensqualität hingegen abgelehnt, so werde gerade durch die einheitliche Leitung der Mutter ein Gleichordnungskonzern begründet. 90 Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 8; Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG § 5 Rdnr. 12; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 8; Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255); Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 10; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 17. 91 Vgl. zur insoweit einheitlichen Auffassung Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnr. 24 (dort Fn. 62); Bayer, ZGR 1977, S. 173 (180); Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG § 5 Rdnr. 12; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 8; Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 47; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 5 Rdnr. 12 mit w. Nachw.; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 17.

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

299

2. Kein Ausschluss des Nennkapitalzuwachses Besonderheiten im Bereich der Beeinflussung des für Mitbestimmungsfragen erheblichen Nennkapitals des übernehmenden Rechtsträgers können beim sidestream merger nach vorherrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht festgestellt werden. In den Fällen der Zusammenführung von Schwesterunternehmen räumt das Umwandlungsgesetz den Vertragsparteien nämlich keinen Ermessensspielraum darüber ein, ob sie von der rechtssystematisch im Übrigen nicht unbedingt erforderlichen Pflicht zur Anteilsgewährung Abstand nehmen wollen, und erst recht besteht kein dem § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 UmwG entsprechendes gesetzliches Verbot. Deshalb muss, wie gesehen92, diejenige kapitalistisch verfasste Schwestergesellschaft, welche die Rolle des übernehmenden Rechtsträgers einnimmt, in jedem Fall eine Kapitalerhöhung (in der Regel geringen Umfangs93) durchführen, um auf diese Weise neue Geschäftsanteile oder Aktien bilden zu können. Kapitalerhöhungswahlrechte oder gar Kapitalerhöhungsverbote, die ein Anwachsen des statutarischen Nennkapitals sowie einen damit möglicherweise verbundenen Mitbestimmungszuwachs ausschließen könnten, sind auf den sidestream merger nicht anwendbar94.

___________ 92

Vgl. dazu oben § 7 B. I. 4. a) bb). Anderer Ansicht vor allem Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht (2001), S. 189 ff.; Petersen, GmbHR 2004, S. 728 ff.; Petersen., Konzern 2004, S. 185 (188 ff.), der für eine generelle Kapitalerhöhungspflicht unter Summierung der Garantiekapitalien der beteiligten Schwestergesellschaften (sog. Summengrundsatz) plädiert. Das bedeutet, der übernehmende Rechtsträger soll in der Pflicht stehen, ein Grund- oder Stammkapital in der Höhe der Nennkapitalien aller an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger zu schaffen. Kritisch dazu Maier-Reimer, GmbHR 2004, S. 1128 ff. 94 Vgl. dazu Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 30; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnrn. 16, 26 ff.; Heidinger, DNotZ 1999, S. 161 ff.; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnrn. 227 f., 249 ff.; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnr. 9; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnrn. 41 ff.; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 54 Rdnr. 10; Tillmann, GmbHR 2003, S. 740 (743 ff.). Uneinheitlich beantwortet wird diese Frage in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung; vgl. nur die Entscheidungen BayObLG 24.05.1989 – BReg. 3 Z 20/89, GmbHR 1990, S. 35 ff.; KG Berlin 22.09.1998 – 1 W 4389/97, DB 1998, S. 2511 ff.; OLG Frankfurt/M. 10.03.1998 – 20 W 60/98, DB 1998, S. 917 ff.; LG München I 22.01.1998 – 17 HKT 623/98, BB 1998, S. 2331 = GmbHR 1999, S. 35 = NJW-RR 1999, S. 398 = WM 1999, S. 1683 = WuB II N § 46 UmwG 2.99 b mit Anm. Borges. Eine Stellungnahme eines Bundesgerichts zu dieser Problematik steht (soweit ersichtlich) bislang noch aus. 93

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

II. Besonderheiten im System des upstream mergers 1. Arbeitnehmerzurechnung zur Muttergesellschaft Im Falle eines upstream mergers, d.h. der Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft95, ist im Geltungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG zu beachten, dass sich der durch die Verschmelzung hervorgerufene Arbeitnehmerzuwachs beim Mutterunternehmen regelmäßig mitbestimmungsneutral verhält, es sei denn, es sind weitere mitbestimmungsrelevante Faktoren direkt von der Umwandlung betroffen. Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel: Eine GmbH beschäftigt regelmäßig 1.100 Arbeitnehmer. Für sich betrachtet ist sie daher verpflichtet, in Abweichung von § 52 GmbHG einen Aufsichtsrat einzurichten und diesen zu einem Drittel mit Repräsentanten der Arbeitnehmerseite zu besetzen, §§ 4 Abs. 1, 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG. Verschmilzt eine andere GmbH mit weiteren 1.000 Arbeitskräften auf diese Gesellschaft, so erfolgt bei letzterer konsequenterweise ein Mitbestimmungszuwachs, weil sie mit mittlerweile 2.100 eigenen Arbeitnehmern die Schwelle aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG überschritten hat. Fraglich ist, ob die mitbestimmungsrechtliche Lage anders zu beurteilen ist, wenn die übernehmende GmbH (wie in Abbildung 8.9 dargestellt) vor dem Wirksamwerden ihrer Fusion einhundert Prozent der Geschäftsanteile an der übertragenden GmbH hält, die übernehmende GmbH sich also als Muttergesellschaft einer übertragenden Tochtergesellschaft erweist. AntE

AntE 100 %

MutterGmbH 1.100 ArbN

TochterGmbH 1.000 ArbN

Abbildung 8.7: Rechtslage vor upstream merger

MutterGmbH 2.100 ArbN

Abbildung 8.8: Rechtslage nach upstream merger

Die Muttergesellschaft kann durch die Verschmelzung dann keinen Mitbestimmungszuwachs erfahren, wenn die 1.100 bei ihr regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer mitbestimmungsrechtlich auch vor der Eintragung der Umwandlungsmaßnahme in das Handelsregister der Muttergesellschaft nicht isoliert betrachtet werden durften. Eine andere Bewertung könnte nämlich wegen § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG angezeigt sein. Das setzt voraus, dass die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger zuvor als Unterordnungskonzern gemäß § 18 Abs. 1 AktG organisiert waren. Dafür reicht vorliegend bereits aus, dass ___________ 95

Vgl. dazu oben § 7 B. I. 4. b).

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

301

sämtliche Geschäftsanteile der Tochtergesellschaft sich in den Händen der Muttergesellschaft befanden. Dadurch wird über die Vermutungskette der §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG96 ein faktisches Konzernverhältnis begründet. Infolgedessen war die Muttergesellschaft herrschendes Unternehmen eines Konzerns und aufgrund der Sonderregelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG erreichte sie schon vor der Verschmelzung durch Zurechnung aller bei der Tochtergesellschaft bestehenden Arbeitsverhältnisse einen Gesamtwert, der eine Anwendung nur des Drittelbeteiligungsstatuts auf die Muttergesellschaft ausschloss. Deshalb ist die konkrete Umstrukturierung für die Konzernspitze letztlich mitbestimmungsneutral. 2. Auswirkungen des Kapitalerhöhungsverbots Die Muttergesellschaft nimmt beim upstream merger eine Doppelrolle ein. Sie erweist sich sowohl als der das Gesellschaftsvermögen ihrer Tochtergesellschaft übernehmende Rechtsträger als auch als Anteilsinhaber dieses sein Vermögen preisgebenden und untergehenden Rechtsträgers. Damit nicht der Muttergesellschaft auf diesem Wege die Pflicht auferlegt oder gar nur die Möglichkeit eingeräumt wird, (neue) Gesellschaftsanteile an sich selbst zu gewähren97, kennt das Umwandlungsgesetz die ausdrücklichen Verbote einerseits der Anteilsgewährung98 (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 UmwG) und andererseits ___________ 96 Vgl. zu den gesetzlichen Konzernvermutungen der §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 AktG die Entscheidungen BayObLG 24.03.1998 – 3 Z BR 236/96, DB 1998, S. 973 ff. = NZA 1998, S. 956 ff. – Walter Holding I; OLG Bremen 30.04.1980 – 1 W 3/80 (c), DB 1980, S. 1332 (1334) – Kühne und Nagel; OLG Stuttgart 03.05.1989 – 3 W 38/89, AG 1990, S. 168 (169) = BB 1989, S. 1005 (1006) – Mahle Beteiligungen GmbH; OLG Stuttgart 30.03.1995 – 8 W 355/93, ZIP 1995, S. 1004 ff. – Charles Vögele Holding AG; LG Hamburg 26.06.1995 – 321 T 61/94, AG 1996, S. 89 f. – AMB/Volksfürsorge Holding AG; LG Stuttgart 29.11.1988 – 2 AktE 1/88, AG 1989, S. 445 (447) – Mahle Beteiligungen GmbH; LG Stuttgart 11.05.1993 – 2 AktE 1/92, IPRax 1994, S. 293 ff. = ZIP 1993, S. 1406 ff. – Charles Vögele Holding AG; aus der Literatur etwa Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnrn. 44 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 20 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rdnrn. 17 ff.; Lutter in: Lutter, Holding-Handbuch, § 1 Rdnrn. 39 ff. (sowie zur Widerlegung der Vermutungen Rdnrn. 45 ff.); Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255); Ulmer in: Hanau/ Ulmer, MitbestG, § 5 Rdnrn. 14, 19, 26 f. 97 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 33; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 13; Ihrig, ZHR 160 (1996), S. 317 (327); Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 231; Simon, Konzern 2004, S. 191 (192). 98 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 20; Maier-Reimer, GmbHR 2004, S. 1128.

302

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

der Kapitalerhöhung99 (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (GmbH) und 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (AG) UmwG)100. Dementsprechend ist bei der Verschmelzung von Konzernunternehmen upstream eine Veränderung des Mitbestimmungsstatuts des übernehmenden Rechtsträgers aufgrund einer Erhöhung des statutarischen Gesellschaftskapitals denknotwendig ausgeschlossen, soweit der Zielrechtsträger ohnehin Anteile am übertragenden Rechtsträger innehat. III. Rechtslage beim downstream merger Der Begriff downstream merger beschreibt ebenfalls die Zusammenlegung von Mutter- und Tochtergesellschaft, anders als beim upstream merger aber mit geänderter Verschmelzungsrichtung, so dass nach dem Verschmelzungsvertrag die Rolle des übernehmenden Rechtsträgers der Tochtergesellschaft zukommt101. 1. Arbeitnehmerzurechnung entgegen der Verschmelzungsrichtung Die konzern- und mitbestimmungsrechtliche Lage zwischen einer MutterGmbH (in der Regel 1.100 Arbeitnehmer) und einer Tochter-GmbH (in der Regel 1.000 Arbeitnehmer) entspreche vor ihrer Verschmelzung der im zum upstream merger gebildeten Beispiel102 beschriebenen Situation. Anders als dort soll allerdings die Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft verschmelzen, nicht umgekehrt. AntE

AntE 100 %

MutterGmbH 1.100 ArbN

TochterGmbH 1.000 ArbN

Abbildung 8.9: Rechtslage vor downstream merger

TochterGmbH 2.100 ArbN

Abbildung 8.10: Rechtslage nach downstream merger

___________ 99

Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 12; Maier-Reimer, GmbHR 2004, S. 1128; Petersen, GmbHR 2004, S. 728 (730). 100 Vgl. dazu schon oben § 7 B. I. 4. b) bb). 101 Vgl. ausführlich oben § 7 B. I. 4. c). 102 Siehe oben II. 1.

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

303

Im Hinblick auf die konzerninterne Zurechnung von Arbeitsverhältnissen sind beim downstream merger keine Besonderheiten zu berücksichtigen. Da die Verschmelzungsrichtung in der Konzernhierarchie abwärts und damit entgegen der Zurechnungsrichtung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG: Zurechnung zur Konzernspitze, also in der Konzernhierarchie aufwärts) ausgerichtet ist, bewirkt der Arbeitnehmerzuwachs bei der aufnehmenden Tochtergesellschaft auch eine Steigerung der Mitbestimmungsintensität vom Drittelbeteiligungsstatut zum Statut des Mitbestimmungsgesetzes 1976. Dies ist auch mitbestimmungspolitisch zu begrüßen, nachdem die Muttergesellschaft als Fundament eines im Wege der Arbeitnehmerzurechnung erreichten qualifizierten Beteiligungsniveaus wegfällt, so dass es einer diesbezüglichen Kompensation beim Zielrechtsträger bedarf. 2. Auswirkungen des Kapitalerhöhungswahlrechts Jegliche Beeinflussung des mitbestimmungsrelevanten Parameters Stammbzw. Grundkapital ist bei der Verschmelzung downstream immer dann ausgeschlossen, wenn die übernehmende Gesellschaft sich gemäß ihrem in den §§ 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UmwG enthaltenen Wahlrecht103 entschließt, von einer Erhöhung des den Gläubigern garantierten Mindesteigenkapitals abzusehen und stattdessen die Anteilsinhaber der aufgelösten Muttergesellschaft allein mit denjenigen Anteilsrechten abzufinden, die zum Vermögen der Muttergesellschaft gehörten und nun im Zuge der Verschmelzung zur Verfügung der Tochtergesellschaft selbst gestellt werden. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass in diesen Fällen nicht von einem Durchgangserwerb der Gesellschaftsanteile (Muttergesellschaft – Tochtergesellschaft – Gesellschafter der untergegangenen Muttergesellschaft) ausgegangen werden sollte104, weil nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 UmwG die Gesamtrechtsnachfolge des Zielrechtsträgers in das Vermögen des Ausgangsrechtsträgers (Nr. 1) und die Gewährung der Anteile an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers (Nr. 3) sich mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister simultan vollziehen. Schon allein dieser Umstand ___________ 103 Vgl. dazu Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 37; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 238; Maier-Reimer, GmbHR 2004, S. 1128 (1128, 1129); Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 26 i.V.m. Rdnr. 37; Winter in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 54 Rdnrn. 13 f. 104 Vgl. zur Problematik von Durchgangserwerb und Direkterwerb etwa die Ausführungen von Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 37; Winter in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 54 Rdnr. 14; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 54 Rdnr. 8; Korte, WiB 1997, S. 953 (956); Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 38.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

spricht für einen Direkterwerb der Anteile (Muttergesellschaft – Gesellschafter der untergehenden Muttergesellschaft)105. IV. Konzerninterne Zurechnung bei der Enkel-Mutter-Verschmelzung Bei der Verschmelzung einer Enkelgesellschaft auf die Muttergesellschaft ist zwischen zwei Fallgruppen zu differenzieren: Die Rechtslage ist unterschiedlich zu beurteilen je nachdem, ob die Muttergesellschaft als übernehmender Rechtsträger eine mitbestimmungsfeindliche Rechtsform hat oder nicht. Dieser Erfahrungssatz gilt zwar für alle Fälle der Verschmelzung unabhängig von einer konzernrechtlichen Verbindung der beteiligten Unternehmen. Bei der Enkel-Mutter-Verschmelzung zeigen sich seine Konsequenzen wegen des Ineinandergreifens von mitbestimmungsrechtlichen Zurechnungsnormen (§ 5 Abs. 1 und 3 MitbestG), umwandlungsgesetzlich unumgänglichen106 Gestaltungsgeboten (Pflicht zur Anteilsgewährung aus § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 1 UmwG) und aktienrechtlichen107 Beteiligungsverboten (§§ 71 ff. AktG) in besonders virulenter Weise. 1. Kapitalgesellschaft als Muttergesellschaft Beispielssachverhalt: Eine Muttergesellschaft in der Rechtsform der Aktiengesellschaft sowie ihre ebenfalls als AG organisierte Tochtergesellschaft und die dieser wiederum nachgeschaltete Enkel-GmbH beschäftigen jeweils 1.500 eigene Arbeitnehmer. Konzernrechtlich sind sie dergestalt verbunden, dass die Muttergesellschaft als Konzernspitzenunternehmen sämtliche Aktien der Tochtergesellschaft hält und letztere wiederum einhundert Prozent der Geschäftsanteile der Enkelgesellschaft. Außerdem besteht zwischen der Mutter- und der Tochtergesellschaft ein Unternehmensvertrag, über den Weisungsrechte der Mutter gegenüber der Tochter sichergestellt werden. Aktienrechtlich ist nämlich der Vorstand der Tochter an Weisungen ihrer Hauptversammlung gerade nicht gebunden. Damit ist zum einen schon fraglich, wie die einzelnen genann___________ 105

Vgl. dazu schon oben § 7 B. I. 4. c) bb). Umstritten: vgl. einerseits Grunewald in: Lutter, UmwG Bd. I (2. Aufl.), § 20 Rdnr. 60; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 35; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 56; Winter in: Lutter, UmwG Bd. I (2. Aufl.), § 54 Rdnr. 23; anderer Ansicht Grunewald in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I (3. Aufl.), § 20 Rdnr. 62; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 68 Rdnr. 10; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 68 Rdnr. 12; Winter in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 54 Rdnr. 23a. 107 Vgl. für das Recht der GmbH den § 33 GmbHG. 106

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

305

ten Rechtsträger derzeit mitbestimmungsrechtlich zu beurteilen sind, zum anderen, welche beteiligungsrechtlichen Folgen eine Verschmelzung der Enkelgesellschaft auf die Muttergesellschaft an der Konzernspitze mit sich bringt. Mutter-AG 1.500 ArbN

Enkel-GmbH 1.500 ArbN

Mutter-AG 3.000 ArbN

100 % Tochter-AG 1.500 ArbN 100 %

100 %

Abbildung 8.11: Rechtslage vor der Enkel-MutterVerschmelzung

Tochter-AG 1.500 ArbN

Abbildung 8.12: Rechtslage nach der Enkel-MutterVerschmelzung

a) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft Der mitbestimmungsrechtliche Status der Muttergesellschaft verändert sich durch die Unternehmensverschmelzung nicht. Vor der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister der Konzernmutter wurde der maßgebliche Arbeitnehmerwert wie folgt ermittelt: Die Muttergesellschaft wies zunächst 1.500 eigene Arbeitnehmer auf. Dennoch war sie als Großunternehmen mit in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmern, § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, zu begreifen, weil ihr als Konzernspitzengesellschaft eines faktischen Konzerns, §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG, die Arbeitnehmer sowohl ihrer Tochtergesellschaft als auch diejenigen der Enkelgesellschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG zugerechnet wurden. Im Verhältnis zur Tochtergesellschaft lässt sich dieses Ergebnis außerdem noch auf den geschlossenen Beherrschungsvertrag stützen. Insofern bleibt die Gesamtzahl der (1.500 eigenen + insgesamt 3.000 fremden =) 4.500 mitbestimmungserheblichen Arbeitnehmer nach der Verschmelzung (3.000 eigene + 1.500 fremde Arbeitnehmer) konstant. Der Umstrukturierungsvorgang ist für die Muttergesellschaft mitbestimmungsneutral. b) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft Wesentlich komplexer stellt sich aber die Prüfung des für die Tochtergesellschaft einschlägigen Beteiligungsstatuts dar. Im Vorfeld der Unternehmensverschmelzung war bei der Tochtergesellschaft ein zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzter Aufsichtsrat einzurichten. Mitbestimmungsrechtlich

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

zu berücksichtigen waren nämlich in diesem Fall nur die 1.500 eigenen Arbeitnehmer. Die Zurechnung weiterer Arbeitnehmer der nachgeordneten Konzernunternehmen findet nämlich ausschließlich zu der von ihrer Rechtsform her mitbestimmungsoffenen Konzernspitzengesellschaft statt, nicht hingegen auch zu etwaigen zwischengeschalteten Konzernunternehmen. Eine derartige Durchgangszurechnung hat der Gesetzgeber mit dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG ausgeschlossen108, als er formulierte, dass die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen als Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens gelten. An der Eigenschaft der Tochtergesellschaft als ein von der Konzernspitze abhängiges Konzernunternehmen ändert sich im Zuge der Verschmelzung von Enkelgesellschaft und Muttergesellschaft nichts. Fraglich ist aber, ob nicht auch die Tochtergesellschaft als einziger Anteilsinhaber der untergegangenen Enkelgesellschaft Anteile an der als übernehmender Rechtsträger eingesetzten Konzernmutter erhalten hat. In diesem Falle sind die Mutter- und die Tochteraktiengesellschaft möglicherweise zu wechselseitig beteiligten Unternehmen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AktG geworden. Eine Wechselbeteiligung im Sinne der Norm setzt voraus, dass jedem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört. Tatsächlich hat die Muttergesellschaft unverändert sämtliche Aktien ihrer Tochtergesellschaft inne. Darauf vermag die Enkel-Mutter-Verschmelzung keinen Einfluss zu nehmen. Deswegen hängt die Feststellung wechselseitig beteiligter Unternehmen lediglich noch davon ab, ob bei der das Vermögen der Enkelgesellschaft aufnehmenden Konzernspitzengesellschaft zum Zwecke der Bildung neuer Aktien eine Kapitalerhöhung in einem Umfang vorgenommen wurde, dass der Tochtergesellschaft mehr als 25 Prozent der nun insgesamt an der Muttergesellschaft bestehenden Gesellschaftsanteile gehören. Um mitbestimmungsrechtliche Besonderheiten herbeizuführen, muss darüber hinaus aber den strengen Anforderungen des § 19 Abs. 3 AktG genügt werden. Kann die Tochtergesellschaft also sogar eine Mehrheitsbeteiligung an ihrer Muttergesellschaft vorweisen, so sind konzernrechtlich beide Unternehmen als abhängig und zugleich als herrschend anzusehen. Überträgt man diese Feststellung auf den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, so wäre die vom Gesetz angeordnete Konsequenz, dass bei den gemäß § 19 Abs. 3 AktG wechselseitig aneinander beteiligten Rechtsträgern auch eine wechselseitige

___________ 108 Vgl. zur ähnlich gelagerten Rechtslage bei der Zurechnung der Arbeitnehmer zu der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft in der doppel- bzw. mehrstöckigen Kapitalgesellschaft & Co. KG (§ 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MitbestG) oben § 3 A. II. 2. b) dd).

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

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Arbeitnehmerzurechnung stattfindet109. Im gewählten Beispiel würde das für die Tochtergesellschaft bedeuten, dass zu den 1.500 eigenen Arbeitsverhältnissen die 3.000 der insoweit von ihr abhängigen Muttergesellschaft hinzukommen. Damit erführe die Tochtergesellschaft durch die Umwandlung einen Mitbestimmungszuwachs, obwohl sie weder als Ausgangs- noch als Zielrechtsträger an der Verschmelzungsmaßnahme beteiligt ist. Im Ergebnis ist im gebildeten Beispiel aber die Annahme eines Mitbestimmungszuwachses bei der Tochtergesellschaft unbedingt abzulehnen. aa) Das Spannungsfeld zwischen Anteilsgewährungspflicht und Vereinfachung der Konzernstruktur Sie scheitert zwar noch nicht an dem Umstand, dass in der umwandlungsrechtlichen Literatur gerade für den Fall der Enkel-Mutter-Verschmelzung bereits in Zweifel gezogen wird, ob die Muttergesellschaft überhaupt neue Anteile an ihre Tochter auskehren muss110. Wäre schon dies nicht der Fall, könnte es in der Tat zu einer wechselseitigen Beteiligung und mithin auch wechselseitigen Arbeitnehmerzurechnung zwischen der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft nicht kommen. Als einer der Hauptgründe gegen eine Gewährung von Anteilen der Muttergesellschaft an die eigene Tochtergesellschaft spricht bereits schlicht das gängigerweise mit der Enkel-Mutter-Fusion verfolgte wirtschaftliche Ziel. Ähnlich wie im Fall des einfachen upstream mergers kann die Tiefe der Konzernstruktur reduziert werden. Es liegt nahe, dass zumeist eben dieser Effekt der vorrangige Zweck der Umwandlungsmaßnahme sein wird. Dass indes daneben eine Veränderung der Konzernstruktur weg von einem klassischen Unterordnungskonzernverhältnis und hin zu einer wechselseitigen Unternehmensbeteiligung zu den bewusst angesteuerten Resultaten zählen soll, ist unter dem Gesichtspunkt straffer Konzernführung durch die Muttergesellschaft eher fragwürdig. Lässt man angesichts dessen keine Ausnahme von der Pflicht zur Anteilsgewährung als Gegenleistung für die Vermögensübertragung zu, so wird die umwand___________ 109 Vgl. auch die entsprechenden Ausführungen zum Wahlrecht der Arbeitnehmer in wechselseitig beteiligten Unternehmen von Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 220. 110 Gegen eine Pflicht zur Kapitalerhöhung und damit zur Anteilsgewährung Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 35 mit Hinweis auf Grunewald in: Lutter, UmwG Bd. I (2. Aufl.), § 20 Rdnr. 60; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 56; Winter in: Lutter, UmwG Bd. I (2. Aufl.), § 54 Rdnr. 23; anderer Ansicht Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 68 Rdnr. 10; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 68 Rdnr. 12.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

lungsgesetzliche Verschmelzung als Rechtsinstrument für die Zusammenfassung der Enkel- mit der Muttergesellschaft weitgehend unattraktiv. bb) Normative Anknüpfungspunkte Um die Vorzüge des Verschmelzungsrechts und auch des Umwandlungssteuerrechts nicht preisgeben zu müssen, wird bisweilen erwogen, auch für die Enkel-Mutter-Verschmelzung eine Ausnahme von der in §§ 2, 5 Abs. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 1 UmwG verankerten Pflicht zur Gewährung von Anteilsrechten am übernehmenden Rechtsträger zuzulassen111. Dagegen spricht jedoch, dass das Umwandlungsgesetz anders als in seinen §§ 20 Abs. 1 Nr. 3, 54, 68 für die Enkel-Mutter-Verschmelzung keine explizite Ausnahmeregelung enthält112. Die Analogiefähigkeit der genannten Vorschriften ist aufgrund ihres Ausnahmecharakters und der speziellen Regelungsgegenstände äußerst zweifelhaft. Einer entsprechenden Anwendung steht außerdem entgegen, dass die Gestaltungspraxis einen recht einfachen Weg gefunden hat, das Problemfeld zu umgehen. Dies geschieht schlicht, indem die von der Tochtergesellschaft gehaltenen Anteile an der Enkelgesellschaft gegen einen entsprechenden finanziellen Ausgleich auf die Muttergesellschaft übertragen werden, die Enkelin also auf die gleiche Ebene der Konzernstruktur gehievt wird, auf der sich auch die Tochtergesellschaft befindet, und somit ihrerseits zur Tochtergesellschaft der Konzernspitzengesellschaft wird. Aus dieser Position heraus ist dann ein einfacher upstream merger durchführbar, ohne dass dabei eine Konzernstufe übersprungen werden müsste. Für diesen Fall kennt das Umwandlungsgesetz aber nun die genannten Ausnahmen von der Pflicht zur Anteilsgewährung, so dass ein Spannungsfeld nicht mehr besteht. Ist die Entstehung einer wechselseitigen Unternehmensbeteiligung unerwünscht, kann ihr also auf diese Weise ausgewichen werden. Etwaige steuerrechtliche Nachteile werden dann bewusst in Kauf genommen. Wird gleichwohl der Weg der Enkel-Mutter-Verschmelzung beschritten, so ist diese nach alledem zwingend mit der Bildung neuer Anteile an der Muttergesellschaft und deren Auskehrung an die Tochtergesellschaft verbunden. ___________ 111 Grunewald in: Lutter, UmwG Bd. I (2. Aufl.), § 20 Rdnr. 60 (anders mittlerweile in der Neuauflage 2004: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 20 Rdnr. 62); Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 35; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnr. 56; Winter in: Lutter, UmwG Bd. I (2. Aufl.), § 54 Rdnr. 23, anders mittlerweile in der Neuauflage 2004: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 54 Rdnr. 23a. 112 Vgl. Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 68 Rdnr. 10.

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cc) Die Kollision mit aktienrechtlichen Verbotsgesetzen Damit kann im Verhältnis zwischen der Mutter- und der Tochteraktiengesellschaft eine wechselseitige Beteiligung im Sinne des § 19 Abs. 1 und 3 AktG durchaus hergestellt werden. Die nach ihrem Umfang hinreichende Beteiligung der Tochter- an der Muttergesellschaft (Mehrheitsbeteiligung gemäß § 19 Abs. 3 AktG) weiterhin unterstellt, ist also im Grundsatz eine wechselseitige Zurechnung über § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG vorzunehmen. Einem Aufschwung in ein qualifiziertes Mitbestimmungsstatut steht bei der Tochtergesellschaft aber noch das aktienrechtliche Verbot aus § 71 Abs. 1 AktG113 entgegen114. Danach darf eine Aktiengesellschaft eigene Aktien nur in den im gesetzlichen Katalog ausdrücklich genannten Fällen115 erwerben. Der Schutzzweck dieser Norm kann in verschiedene Richtungen gedeutet werden. Vorrangig sind wohl Aspekte der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung zu nennen116. Insbesondere besteht die Gefahr, dass durch den Rückerwerb noch nicht vollständig eingezahlter Aktien117 durch die Aktiengesellschaft sich die Einlageforderungen der Gesellschaft nun gegen sie selbst als Schuldnerin richten118. Fallen Gläubiger und Schuldner derselben Forderung in einer Person zusammen, so spricht man von Konfusion. Nach den allgemeinen Prinzipien der Rechtsgeschäftslehre führt dies zum Erlöschen der Forderung119, wodurch das gesetzlich oder nach der Satzung zwingend in das Gesellschaftsvermögen einzubringende Mindestkapital in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Weitere Schutzgesichtspunkte des § 71 Abs. 1 AktG sollen nur stichwortartig benannt werden. In erster Linie werden in der Literatur angeführt die Ver___________ 113

Vgl. zur ähnlich ausgestalteten Rechtslage im GmbH-Recht § 33 GmbHG. Vgl. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 35 (dort Fn. 31). 115 Vgl. dazu ausführlich Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnrn. 12 ff.; Hüffer, AktG, § 71 Rdnrn. 7 ff.; Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnrn. 13 ff.; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnrn. 401 ff. 116 Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnr. 3 (Spiegelstr. 1, 2); Hüffer, AktG, § 71 Rdnr. 1; Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnrn. 3 f. 117 Vgl. Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnr. 4. 118 Vgl. Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnr. 6; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 398; auch Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 46. 119 Vgl. BayObLG 05.12.1983 – BReg. 3 Z 168/83, DB 1984, S. 285 (286); Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 20 Rdnr. 39; Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnr. 3 (Spiegelstr. 1); Hüffer, AktG, § 71 Rdnr. 1; Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnr. 11; Oechsler in: MünchKomm AktG Bd. 2, § 71 Rdnr. 20. 114

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

meidung einer Ungleichbehandlung von Aktionären120 und die Vorbeugung von Aktienkursmanipulationen und einer damit einhergehenden Beeinflussung der Kapitalmärkte121. Dem Erwerb eigener Aktien ist dabei über § 71d Satz 2 Var. 1 AktG der mittelbare Erwerb, d.h. der Erwerb eigener Aktien nicht direkt durch die Gesellschaft sondern durch ein abhängiges oder ein im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen, gleichgestellt122. Dies ist gerechtfertigt aufgrund der Überlegung, dass bei einer derartigen gegenseitigen Beteiligung von Gesellschaften sich das Gesellschaftsvermögen jeweils auch aus Anteilsrechten zusammensetzt, deren Wert sich in einer Beteiligung am wiederum eigenen Vermögen erschöpft und damit ökonomisch betrachtet gegenstandslos ist123 (Kapitalverwässerung124). Untersagt das Gesetz aber auch einen solchen mittelbaren Erwerb eigener Anteile, so werden einer zulässigen wechselseitigen Beteiligung von Aktiengesellschaften im Sinne des § 19 AktG enge Grenzen gesetzt125. Somit handelt es sich auch in der vorliegenden Situation bei der umwandlungsrechtlich nicht nur erlaubten, sondern darüber hinaus notwendigen Gewährung von Anteilen an der das Vermögen der Enkelin aufnehmenden Muttergesellschaft an die eigene Tochtergesellschaft um einen aktienrechtlich betrachtet unzulässigen Erwerb eigener Anteile nach § 71 Abs. 1 in Verbindung mit § 71d Satz 2 Var. 1 AktG126. Den Anforderungen des Ausnahmekatalogs des § 71 Abs. 1 AktG genügt die vorliegende Konstellation eines Anteilserwerbs bei der Enkel-Mutter-Zusam___________ 120 Vgl. Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnr. 3 (Spiegelstr. 3); EscherWeingart/Kübler, ZHR 162 (1998), S. 537 (539); Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnr. 5; Peltzer, WM 1998, S. 322 (327); vgl. ferner Wagner in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 19 Rdnr. 12. 121 Vgl. Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnr. 3 (Spiegelstr. 6); Peltzer, WM 1998, S. 322 (327); vgl. zum Ganzen auch ausführlich Oechsler in: MünchKomm AktG Bd. 2, § 71 Rdnrn. 18 ff. 122 Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I. Teil I Rdnr. 425; vgl. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 35 (dort Fn. 31). 123 Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 19 Rdnr. 2; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 19 Rdnr. 5; Hüffer, AktG, § 19 Rdnr. 1. 124 Vgl. dazu Wagner in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 19 Rdnrn. 10 f. 125 Vgl. auch Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71d Rdnrn. 21 f.; Hüffer, AktG, § 71d Rdnr. 7; Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71d Rdnr. 48; Oechsler in: MünchKomm AktG Bd. 2, § 71d, Rdnr. 33. 126 Vgl. dazu Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 44; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 68 Rdnr. 14a; Rieger in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 68 Rdnr. 20.

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menführung nämlich nicht. Deswegen erfolgt der Aktienerwerb verbotsgesetzwidrig. Dennoch bleibt die Wirksamkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts von der Rechtswidrigkeit unberührt127. Das ist § 71 Abs. 4 AktG zu entnehmen, welcher in seinem Satz 2 die Rechtsfolge der Unwirksamkeit lediglich für das schuldrechtliche Kausalgeschäft anordnet128, während sein Satz 1 ausdrücklich das dingliche Geschäft von dieser Sanktion ausnimmt. Diese gespaltene Beurteilung von obligatorischem und dinglichem Geschäft fußt auf der den §§ 71 ff. AktG zugrunde liegenden Kapitalschutzrichtlinie129, die insofern ein gegenüber dem Aktienrecht von 1965 neues Rechtsfolgensystem einführte130. Aber selbst vor dem Hintergrund der Wirksamkeit der Anteilsübertragung an die Tochtergesellschaft scheitert ein Hineinwachsen dieser in ein höherstufiges Mitbestimmungsregime. Erfolgt der Erwerb der Gesellschaftsanteile an der Muttergesellschaft unter Verstoß gegen das Verbot der §§ 71 Abs. 1, 71d Satz 2 AktG, zwingen §§ 71c Abs. 1, 71d Satz 4 AktG den Erwerber, die besagten Aktien innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb wieder abzustoßen131. Ignoriert der Erwerber dies oder gelingt ihm die Weiterveräußerung nicht, werden die Aktien nach Ablauf der Frist gemäß § 237 AktG eingezogen132, §§ 71c Abs. 3, 71d Satz 4 AktG. Zusammenfassend ist der Aktienerwerb zwar wirksam, und es wird gegebenenfalls eine wechselseitige Beteiligung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft im Sinne der §§ 19 Abs. 1 und 3, 18 Abs. 1 AktG, 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG hergestellt. Die mögliche gegenseitige Arbeitnehmerzurechnung erhöht ___________ 127 Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnr. 98, § 71c Rdnr. 3; Hüffer, AktG, § 71 Rdnr. 24; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 417; vgl. zu § 71 Abs. 2 AktG a.F. Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnrn. 45 f., 77. 128 Hüffer, AktG § 71 Rdnr. 24; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 417; vgl. ausführlich Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnrn. 99 ff.; vgl. zu § 71 Abs. 2 AktG a.F. Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnr. 44. 129 Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Abs. 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung des Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bedingungen gleichwertig zu gestalten (AmtsBl. EG Nr. L 26 vom 30.01.1977, S. 1); vgl. dazu Ganske, DB 1978, S. 2461 ff.; Hüffer, NJW 1979, S. 1065 (1068 f.); Niessen, AG 1970, S. 281 ff. 130 Oechsler in: MünchKomm AktG Bd. 2, § 71 Rdnr. 298. 131 Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71c Rdnr. 3; Hüffer, AktG, § 71c Rdnr. 2; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 423; vgl. BT-Drucks. 8/1678, S. 16; Hüffer, NJW 1979, 1065 ff.; Preusche, BB 1982, S. 1638 ff. 132 Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71c Rdnr. 19; Hüffer, AktG, § 71c Rdnr. 8; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 424.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

also auch den Arbeitnehmerbestand der Tochtergesellschaft um 3.000 auf einen Gesamtwert von aktuell 4.500 Arbeitskräften. Dieser Wert ist jedoch nur von vorübergehender Natur, ist das beschriebene Konzernverhältnis doch längstens auf einen einjährigen Bestand angelegt133. Dann kann auf der Grundlage der oben134 befürworteten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in der Rechtssache Milchwerke Köln/Wuppertal e.G.135 aber keineswegs von einer regelmäßigen Beschäftigung, wie sie sämtliche Mitbestimmungsgesetze zum Ausgleich unvermeidbarer Schwankungen im Arbeitnehmerbestand fordern, bei der Muttergesellschaft die Rede sein. Bei einer Zusammenschau der für die Aufsichtsratswahl und die Durchführung des aktienrechtlichen Statusverfahrens zu veranschlagenden Fristen (insgesamt siebzehn bis zwanzig Monate) überschreitet die daraus abgeleitete mitbestimmungsrechtliche Referenzperiode die Dauer der nur vorübergehenden Arbeitnehmerzurechnung zu der Tochtergesellschaft deutlich136. Die zurechnungsfähigen Arbeitsverhältnisse erfüllen somit nicht das Tatbestandsmerkmal „in der Regel“ und haben deshalb für die Ermittlung des einschlägigen Beteiligungsstatuts außer Betracht zu bleiben137. Die Tochtergesellschaft wird mitbestimmungsrechtlich durch die Verschmelzung der Enkelgesellschaft auf die Konzernspitze nicht berührt. Die Besetzung ihres Aufsichtsrats richtet sich unverändert nach dem Drittelbeteiligungsgesetz.

___________ 133

Vgl. §§ 71c Abs. 1 und 3, 71d Satz 4, 237 AktG. Vgl. ausführlich oben § 1 B. II. 2. 135 Vgl. OLG Düsseldorf 09.12.1994 – 19 W 2/94, AG 1995, S. 328 (329) = DB 1995, S. 277 (278) = WM 1995, S. 251 (252) – Milchwerke Köln/Wuppertal e.G. 136 Keine Abweichungen ergeben sich, wenn man die Referenzperiode im Anschluss an Rittner, AG 1983, S. 99 (102 f.) auf achtzehn Monate, im Anschluss an Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 16a auf achtzehn bis vierundzwanzig Monate oder im Anschluss an Theisen, AG 1998, S. 153 (157) auf drei bis fünf Jahre festlegt, da in diesen Fällen die auf der Regelung der §§ 71c Abs. 1 und 3, 71d Satz 4, 237 AktG fußende Jahresfrist zur Auflösung der wechselseitigen Beteiligung von Unternehmen und damit der konzernrechtlichen Grundlage für die Arbeitnehmerzurechnung vom vorgeschlagenen Referenzzeitraum erst recht übertroffen wird. 137 Zu einem abweichenden Ergebnis wird man natürlich kommen, wenn man die Dauer einer adäquaten mitbestimmungsrechtlichen Referenzperiode deutlich kürzer bemisst, als es das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 09.12.1994 – 19 W 2/94, AG 1995, S. 328 (329) = DB 1995, S. 277 (278) = WM 1995, S. 251 (252) – Milchwerke Köln/Wuppertal e.G. getan hat. Zu denken ist hier vor allem an den Ansatz von Ulmer in: Festschrift Heinsius, S. 855 (864), der von einem Referenzzeitraum von lediglich sechs bis zwölf Monaten ausgeht und sich auf diese Weise genau innerhalb des Spielraums bewegt, welchen die §§ 71c Abs. 1 und 3, 71d Satz 4, 237 AktG mit ihrer einjährigen Frist längstens eröffnen. 134

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2. Personengesamtheit als Muttergesellschaft Wiederum anders muss die mitbestimmungsrechtliche Lage vor und nach der Enkel-Mutter-Verschmelzung beurteilt werden, wenn man den vorstehend beschriebenen Sachverhalt138 dahingehend abwandelt, dass die Position der Konzernspitzengesellschaft nicht von einer Kapitalgesellschaft besetzt wird, sondern von einer Personenhandelsgesellschaft. Bis zum Wirksamwerden der Verschmelzung bedeutet die Existenz eines aufgrund seiner Rechtsform in jedem Fall mitbestimmungsfreien Unternehmens an der Spitze der Konzernstruktur, dass die Arbeitnehmer der untergeordneten Konzernunternehmen nicht der Konzernleitung zugerechnet werden139. Dies wäre mitbestimmungsrechtlich auch völlig sinnlos. Stattdessen kommt § 5 Abs. 3 MitbestG zur Anwendung. Die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen werden demjenigen Konzernunternehmen zugerechnet, das von seiner Rechtsform her mitbestimmungsfähig ist und der Konzernspitze am nächsten steht, so dass die Konzernleitung über dieses Unternehmen die hierarchisch tiefer stehenden Konzernunternehmen beherrscht. Man spricht von einer fingierten bzw. fiktiven Teilkonzernspitze140. Im Beispielsfall ist die Enkelgesellschaft als GmbH mit 1.500 Arbeitnehmern mitbestimmungspflichtig nach dem Drittelbeteiligungsstatut. Ihre Arbeitnehmer gelten aber zusätzlich als solche der als Aktiengesellschaft verfassten Tochtergesellschaft, weil die Mutterpersonengesellschaft über ihre Tochtergesellschaft auch die Enkelin beherrscht. Demnach ist die Tochtergesellschaft gemäß § 5 Abs. 3 MitbestG den gemessen am Drittelbeteiligungsgesetz weiterreichenden Rechtsfolgen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 ausgesetzt. Nach der erfolgreichen Durchführung einer Verschmelzung der Enkelgesellschaft auf die offene Handelsgesellschaft an der Konzernspitze gilt folgendes:

___________ 138

Siehe oben 1. Vgl. aber § 5 Abs. 2 MitbestG für den Fall, dass eine nach § 4 Abs. 1 MitbestG indirekt mitbestimmungsfähige Kapitalgesellschaft & Co. KG (dazu oben § 3 A. II. 2.) als Konzernobergesellschaft eingesetzt wird. Die Arbeitnehmerzurechnung von den Konzernunternehmen erfolgt dann nicht zur mitbestimmungsfeindlichen Kommanditgesellschaft, sondern zu der in der Kommanditgesellschaft persönlich haftenden Kapitalgesellschaft; vgl. dazu Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 5 Rdnrn. 52 ff.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 5 Rdnrn. 62 ff.; Raiser, MitbestG, § 5 Rdnrn. 4, 33; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 5 Rdnrn. 62 ff. 140 So z.B. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 6; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 5 Rdnr. 12; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 47. 139

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

a) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft Für die Muttergesellschaft ändert sich der Status der Unternehmensmitbestimmung nicht. Die eine Arbeitnehmerbeteiligung ausschließende Organisation der Muttergesellschaft als Personenhandelsgesellschaft bleibt von der vermögensübertragenden Umwandlung naturgemäß unangetastet. b) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft Da gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG die Enkelgesellschaft als übertragender Rechtsträger erlischt, kommt eine Arbeitnehmerzurechnung auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 MitbestG nicht länger in Betracht. Es stellt sich aber die Frage, ob der Wegfall dieses Zurechnungsstrangs nicht durch die Begründung eines neuen Zurechnungsverhältnisses, diesmal von der Konzernspitze zur Tochtergesellschaft, kompensiert wird. Eigentlich muss zutreffend sogar von einer Überkompensation gesprochen werden, nachdem auf diesem Wege ergänzend zu den 1.500 von der Enkelgesellschaft übernommenen Arbeitskräften auch die 1.500 originär bei der Muttergesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer zurechnungsfähig wären und die Tochtergesellschaft mithin ein gesteigertes Gesamtquorum von 4.500 Arbeitnehmern erreicht hätte. Als Rechtsgrundlage der Arbeitnehmerzurechnung bietet sich § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG an, der die Beherrschung der Muttergesellschaft durch die eigene Tochter voraussetzt. Ein Herrschaftsverhältnis könnte auch hier über eine qualifizierte wechselseitige Beteiligung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft gemäß § 19 Abs. 3 AktG anzunehmen sein. Obschon die Norm explizit nur von einer Beteiligung von Kapitalgesellschaften ausgeht, ist doch der Rechtsgedanke zumindest des § 19 Abs. 3 AktG verallgemeinerungsfähig und deshalb problemlos auf die wechselseitige Beteiligung von Gesellschaften unter Einbeziehung einer Personengesellschaft übertragbar141. Die gegenseitige Beteiligung von Mutter- und Tochtergesellschaft wird geschaffen, indem gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 1 UmwG die Tochtergesellschaft Anteile an der die Rechtsnachfolge der Enkelin antretenden Muttergesellschaft erhält. Im Fokus steht erneut das Problem, ob die auf diesem Weg erzeugte Wechselbeteiligung der beiden Gesellschaften von Dauer sein kann. Wäre das der Fall, so würde sich die Umwandlungsmaßnahme für die Tochtergesellschaft mitbestimmungsneutral auswirken. Auf der Basis von insgesamt 3.000 mitbestimmungserheblichen Arbeitnehmern vor und insgesamt 4.500 nach der Ver___________ 141 Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 19 Rdnr. 25; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 19 Rdnr. 25; Koppensteiner in: KölnKomm AktG Bd. 6, § 19 Rdnr. 34; Kropff, DB 1959, S. 15 (17).

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schmelzung wäre unverändert das Mitbestimmungsgesetz 1976 einschlägig. Müsste allerdings die wechselseitige Beteiligung der Unternehmen ähnlich wie im vorstehenden Beispielsfall innerhalb einer bestimmten Frist wieder aufgehoben werden, würde durch jene Aufhebung die Arbeitnehmerzurechnung dauerhaft unterbrochen und das Mitbestimmungsniveau der Tochtergesellschaft würde auf eine Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat absinken. Zu beachten wäre dann aber, dass sich der Mitbestimmungsverlust erst als eine entfernte Folge der Fusion darstellt und nicht unmittelbar mit dem Zeitpunkt der Unternehmens- bzw. Konzernumstrukturierung zusammenfällt. Vergleichbar mit zum Ausgangssachverhalt142 erläuterten Rechtslage wird auch die vorliegende Situation wesentlich durch die aktienrechtlichen Verbote aus §§ 71 ff. AktG geprägt. Allerdings geht es hier nicht etwa um einen nach dem Aktiengesetz unzulässigen Erwerb eigener Aktien (gegebenenfalls durch ein abhängiges Unternehmen). Die Anteile an der Tochtergesellschaft als einziger noch im Konzern vorhandener Kapitalgesellschaft werden durch die Verschmelzung in keiner Weise verschoben, sondern stehen weiterhin sämtlich der Muttergesellschaft zu. Vielmehr werden, eine entsprechend starke Beteiligung der Tochtergesellschaft an der Muttergesellschaft nach der Verschmelzung unterstellt, die eigenen Aktien insofern mittelbar der Aktiengesellschaft zugeführt, als die Aktiengesellschaft als umwandlungsrechtliche Gegenleistung für den Untergang der Enkelgesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung an ihrem einzigen Aktionär erwirbt. Damit bestehen aber mit Blick auf die Aktiengesellschaft die gleichen rechtlichen und wirtschaftlichen Bedenken, mit denen bereits die Sperre des Erwerbs eigener Aktien untermauert wurde143, vor allem  das Unterlaufen der Prinzipien von Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung144,  die Gefahr der Kapitalverwässerung bzw. Kapitalaushöhlung145,  die Gefahr der Ungleichbehandlung von Aktionären146 und  die Möglichkeit der Aktienkursmanipulation und der Beeinflussung der Kapitalmärkte147. ___________ 142

Siehe oben 1. Vgl. dazu oben 1. b) cc). 144 Vgl. Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnr. 3 (Spiegelstr. 1, 2); Hüffer, AktG, § 71 Rdnr. 1; Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnrn. 3 f. 145 Vgl. Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 19 Rdnr. 2; Emmerich in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 19 Rdnr. 5; Hüffer, AktG, § 19 Rdnr. 1; Wagner in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 19 Rdnrn. 10 f. 146 Vgl. Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnr. 3 (Spiegelstr. 3); EscherWeingart/Kübler, ZHR 162 (1998), S. 537 (539); Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnr. 5; Peltzer, WM 1998, S. 322 (327); vgl. ferner Wagner in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 19 Rdnr. 12. 143

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Ihren gesetzlichen Niederschlag findet diese Überlegung in § 71d Satz 2 AktG. Dort wird der Besitz von Aktien durch ein abhängiges oder im Mehrheitsbesitz der Aktiengesellschaft stehendes Unternehmen der zuvor behandelten Erwerbssituation gleichgestellt148. Der entscheidende tatbestandliche Anknüpfungspunkt für das Verbot der Wechselbeteiligung ist also diesmal kein Erwerbstatbestand mit der Folge, dass etwa der Erwerb von Anteilen an der offenen Handelsgesellschaft als solcher bereits angreifbar wäre, sondern schlicht der bloße Zustand einer mittelbaren Beteiligung der Aktiengesellschaft an sich selbst. Gemäß § 71d Satz 4 AktG ist in entsprechender Anwendung des § 71c AktG149 deshalb die wechselseitige Beteiligung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft binnen Jahresfrist aufzulösen150. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Verschmelzung den Status der Arbeitnehmerbeteiligung bei der Tochtergesellschaft zunächst nicht tangiert, aufgrund § 71d Satz 4 in Verbindung mit § 71c AktG aber spätestens nach Ablauf eines Jahres einen Mitbestimmungsverlust nach sich zieht. Im Übrigen soll hier der entgegengesetzte Fall einer Verschmelzung der Mutter- auf die Enkelgesellschaft außer Betracht bleiben. Er ginge wohl weitgehend an der Rechtsrealität vorbei. Näher läge, dass die Muttergesellschaft lediglich ihr operatives Geschäft auf die Enkelgesellschaft überführt, zumindest als Holdinggesellschaft aber erhalten bleibt. Da der übertragende Rechtsträger dann jedoch mit den Anteilen an ihren Tochtergesellschaften Vermögensgegenstände zurückbehält und folglich auch nicht aufgelöst wird, liegt kein Fall der Verschmelzung vor, sondern vielmehr ein solcher der Abspaltung oder der Ausgliederung. V. Konzerninterne Zurechnung und Drittelbeteiligungsstatut Die vorstehend gebildeten Beispielsfälle zu den konzerninternen Verschmelzungsmaßnahmen waren jeweils so gewählt, dass das Gesamtarbeitnehmerquorum aller beteiligten Unternehmen stets ausreichte, um die jeweiligen Konzernspitzenunternehmen oder im Falle des § 5 Abs. 3 MitbestG das der Konzernspitze unmittelbar nachgeordnete Unternehmen im Wege der Arbeitnehmerzurechnung in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG zu heben. Bei geringeren Arbeitnehmerzahlen ist im potentiellen Geltungsbereich des ___________ 147

Vgl. Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnr. 3 (Spiegelstr. 6); Oechsler in: MünchKomm AktG Bd. 2, § 71 Rdnrn. 18 ff.; Peltzer, WM 1998, S. 322 (327). 148 Vgl. Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71d Rdnr. 3. 149 Vgl. Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71d Rdnrn 55. ff. 150 Hüffer, AktG, § 71d Rdnr. 19.

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Drittelbeteiligungsgesetzes unbedingt darauf zu achten, dass der Tatbestand des § 2 Abs. 2 DrittelbG einen einfachen faktischen Konzern, begründet durch das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen, nicht ausreichen lässt, um die Rechtsfolge der Zurechnung auszulösen151. Stattdessen ist hier eine Arbeitnehmerzurechnung nur dann denkbar, wenn gemäß den qualifizierten Anforderungen der Norm entweder ein Vertragskonzern durch Abschluss eines Beherrschungsvertrags im Sinne der §§ 291 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, 18 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 AktG oder eine Eingliederung im Sinne der §§ 319 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 AktG gegeben sind152. Die Beschlüsse des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft zur Abgleichung der Konzernklauseln des Drittelbeteiligungsstatuts an das Mitbestimmungsgesetz 1976 wurden im Gesetzgebungsverfahren für das neue Drittelbeteiligungsgesetz nur insoweit realisiert, als die Vorschrift des § 2 Abs. 1 DrittelbG betreffend die Bildung des Wahlkörpers tatbestandlich weit gefasst wurde und nun anders als im ursprünglichen Regierungsentwurf vorgesehen auf die gesetzliche Vermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG verweist. Das gilt aber nicht für die im § 2 Abs. 2 DrittelbG geregelte Arbeitnehmerzurechnung153. Für den Bereich der Montanmitbestimmung sei ferner auf die Konzernzurechnungsklausel in § 1 Abs. 4 MontanmitbestG hingewiesen.

___________ 151 Siehe aus der Rechtsprechung vor allem die Entscheidungen BayObLG 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, AG 1993, S. 177 = AP Nr. 1 zu § 77a BetrVG 1952 = BayObLGZ 1992, S. 367 = BB 1993, S. 602 = DB 1993, S. 789 (790) = EzA §§ 77-77a BetrVG 1952 Nr. 1 = GmbHR 1993, S. 165 = NJW 1993, S. 1804 (1805) = WM 1993, S. 550 = ZIP 1993, S. 263; OLG Düsseldorf 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE, NZA-RR 1997, S. 213 (215) = ZIP 1997, S. 546 (548) – Babcock-BSH AG; aus der Literatur Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnrn. 1, 5 i.V.m. § 76 Rdnr. 106; Hanau/Schweisfurth, EWiR § 76 BetrVG 1952 1/97, S. 635 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 6; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 5; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 2 Rdnr. 18; Otto, EWiR § 77a BetrVG 1952 1/93, S. 433; Schmidt-Leithoff in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 267; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 2; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 33; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 7. 152 Vgl. Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 1 i.V.m. § 77 Rdnr. 5; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 4; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 2 Rdnrn. 15, 17; Raiser, MitbestG, § 5 Rdnr. 32; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 32, 165; vgl. auch Wißmann in: Festschrift Däubler, S. 385 (387); ausführlich oben § 4 B. I. 4., C. I. 4. b). 153 Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1066 f.); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 2 Rdnr. 14; Seibt, NZA 2004, S. 767 (769 ff.); vgl. ausführlich oben § 4 C. I. 4. b).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

E. Strategische Überlegungen zur Gestaltung des Verschmelzungsvertrags Die bisherigen Feststellungen zu Mitbestimmungszuwachs, Mitbestimmungsverlust und Mitbestimmungsneutralität im Zuge von Unternehmensverschmelzungen offenbaren einige Gestaltungsspielräume, die sich dem Unternehmensfusionen begleitenden Juristen aus dem mitbestimmungsrechtlichem Blickwinkel eröffnen. Maßgeblich lassen sich die eintretenden Rechtsfolgen über die Verteilung der Rollen von übertragendem und übernehmendem Rechtsträger, also über das Gestaltungsinstrument der Festlegung der Verschmelzungsrichtung steuern. Dieses kann vor allem in zwei Konstellationen sinnvoll zum Einsatz gebracht werden. I. Beteiligung von Personengesellschaften Sind an der geplanten Verschmelzung sowohl Personengesellschaften als auch Kapitalgesellschaften beteiligt, so kann es sich zur Vermeidung von Arbeitnehmermitbestimmung in den Unternehmensorganen anbieten, einer der Personengesellschaften die Rolle des übernehmenden Rechtsträgers zuzuweisen. Im Falle einer Verschmelzung im Wege der Neugründung kann dementsprechend eine personengesellschaftsrechtliche Organisationsform für den neu gegründeten Rechtsträger gewählt werden. Dabei ist indessen zu berücksichtigen, dass sich dieser Schachzug nur dann anbietet, wenn das durch die Zusammenfassung der bisherigen Gesellschaftsvermögen neu entstehende Unternehmen auch Arbeitnehmer in ausreichender Zahl beschäftigt. Bis zur Mitbestimmungsfreigrenze von 500 Arbeitnehmern bedarf es solcher Erwägungen ohnehin nicht154. Bei Unternehmen einer darüber hinausgehenden Größe wird es allerdings in der Regel höchst zweifelhaft sein, ob eine Verfassung als Personengesamtheit den Anforderungen und Wünschen der Gesellschafter gerecht wird. Es sei erneut darauf hingewiesen, dass in der Rechtsrealität wohl kaum jemand das Risiko der mit der Organisation als Personenhandelsgesellschaft verbundenen persönlichen Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten gemäß § 128 Satz 1 HGB oder die aus der fehlenden Anbindung an die Kapitalmärkte resultierende Erschwerung der Kapi___________ 154

Vgl. aber zu der Ausnahme, die sich aus den Besonderheiten der auch unter dem DrittelbG fortgeltenden Sonderregelung für Aktiengesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3 DrittelbG bzw. § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 BetrVG 1952) und KGaA (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Nr. 1 Sätze 2 und 3 DrittelbG bzw. § 76 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Satz 1 Halbs. 1, Satz 2 BetrVG 1952), welche einen geringeren Arbeitnehmerbestand aufweisen, vor dem 10.08.1994 im Handelsregister eingetragen wurden und keine Familiengesellschaften sind, ergibt, unten II.

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talbeschaffung in Kauf nehmen wird, wenn er sich auf diese Weise lediglich die Mitbestimmungsfreiheit erkaufen kann. Auch diesbezüglich ist also juristische Weitsichtigkeit gefragt. Es muss immer geprüft werden, ob im konkreten Fall neben der Vermeidung der Arbeitnehmerbeteiligung noch weitere Gründe für die Wahl der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft und eine bewusste Abkehr von kapitalgesellschaftsrechtlichen Organisationsmodellen sprechen. II. Beteiligung von Aktiengesellschaften Ein weiteres besonderes Merkmal des geltenden deutschen Mitbestimmungssystems kann strategische Bedeutung bei der Verschmelzung zweier oder mehrerer Aktiengesellschaften erlangen. Ist nach der Verschmelzung aufgrund eines zu erwartenden Arbeitnehmerbestandes von lediglich bis zu 500 Arbeitnehmern noch nicht einmal mit einer Anwendung des Drittelbeteiligungsgesetzes auf das Unternehmen zu rechnen, so ist Aktiengesellschaft nicht notwendig gleich Aktiengesellschaft. Das Drittelbeteiligungsstatut kann nämlich wegen der aus § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 BetrVG 1952 übernommenen Sonderbehandlung von vor dem 10. August 1994 in das Handelsregister eingetragenen Aktiengesellschaften, die keine Familiengesellschaften sind, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG auch dann eingreifen, wenn eine der beteiligten Aktiengesellschaften nur 500155 oder sogar weniger Arbeitnehmer hat. Soweit also eine Altaktiengesellschaft in die anstehende Verschmelzung einbezogen werden soll, sind die Parteien des Verschmelzungsvertrags mit einer allzu hastigen Festlegung der Rollen von übertragendem und übernehmendem Rechtsträger schlecht beraten. Zwar ist zuzugeben, dass die Unternehmen in einer identischen Rechtsform geführt werden und deshalb die Verschmelzungsrichtung mitbestimmungsrechtlich zunächst irrelevant zu sein scheint. Eine übernehmende Aktiengesellschaft, deren Registereintragung bereits vor dem 10. August 1994 stattfand und die zudem keine Familiengesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 DrittelbG ist, ist der geringen Zahl von nur weniger als 500 Arbeitskräften vor und auch nach der erfolgreichen Durchführung der ___________ 155 Siehe zu der Problematik, die sich einerseits aus Anpassung der Arbeitnehmerschwellenwerte für die AG und die KGaA an die für die GmbH, den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und die eingetragene Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft geltenden Schwellenwerte („in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer“) und andererseits aus der fehlenden Angleichung der Formulierung betreffend die Sonderstellung von sog. Altaktiengesellschaften („in der Regel weniger als 500 Arbeitnehmer“) ergibt („Mitbestimmungsfreie Insel“ für Unternehmen mit in der Regel genau 500 Arbeitnehmern), oben § 4 C. I. 2. b).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Verschmelzung zum Trotz mitbestimmungspflichtig gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG. Demgegenüber wäre bei einem Rollentausch, in dessen Folge eine jüngere Aktiengesellschaft zum Rechtsträger des neuen gemeinsamen Unternehmens berufen wird, diese nicht von der Sonderregelung für Altaktiengesellschaften betroffen, demnach also mit weniger als 500 Arbeitnehmern dem gemeinsamen Wunsch der beteiligten Vertretungsorgane entsprechend mitbestimmungsfrei. Über § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 DrittelbG gelten die Sondervorschriften des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 DrittelbG auch für Rechtsträger in Gestalt einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. III. Die formalen Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG Neben den genannten strategischen Gesichtspunkten muss berücksichtigt werden, dass gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen zwingend im Verschmelzungsvertrag bzw. in dessen Entwurf enthalten sein müssen156. Neben Fragen betreffend den Übergang von Arbeitsverhältnissen157, Fragen der betrieblichen Altersversorgung158 sowie betriebsverfassungsrechtlichen159, tarifvertragsrechtlichen160 und kündigungsrechtlichen161 Aspek___________ 156

Vgl. Bermel/Hannappel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnrn. 65 ff.; Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnrn. 315 ff.; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 169; Hennrichs, ZIP 1995, S. 794 ff.; Joost, ZIP 1995, S. 976 ff.; Kreßel, BB 1995, S. 925 ff.; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnrn. 50 ff.; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnrn. 176 ff.; Pfaff, Die Reichweite arbeitsrechtlicher Angaben im Umwandlungsvertrag, C; Priester, DNotZ 1995, S. 427 (435); Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, J Rdnrn. 68 ff.; Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 5 Rdnrn. 58 ff.; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 5 Rdnrn. 47 ff.; Wlotzke, DB 1995, S. 40 ff. 157 Vgl. dazu Bachner, NJW 1995, S. 2881 ff.; Bermel/Hannappel in: Goutier/ Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnrn. 68 ff.; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnrn. 52 f.; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnrn. 189 ff.; Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 5 Rdnr. 68; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 5 Rdnrn. 53, 60a (Spiegelstr. 1); Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, G. 158 Vgl. dazu Doetsch/Rühmann in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, J Rdnrn. 134 ff. 159 Vgl. dazu Bermel/Hannappel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnrn. 73 ff., 86 ff.; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, D, E Rdnrn. 1 ff.; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnrn. 57 ff.; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnrn. 188, 194 ff.; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 5 Rdnrn. 53, 60a (Spiegelstr. 3 bis 5, 7, 9).

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321

ten sind arbeitsrechtliche Folgeerscheinungen in diesem Sinne insbesondere auch sämtliche Auswirkungen auf den Grad der Beteiligung der Arbeitnehmerschaft an der Entscheidungsfindung und -umsetzung in den Unternehmensorganen162. Das bedeutet, dass die mitbestimmungsrechtlichen Konsequenzen des geplanten Unternehmenszusammenschlusses unter Berücksichtigung aller oben beleuchteten Besonderheiten des Umwandlungs-, Mitbestimmungs- und Konzernrechts bereits im Laufe der Vertragsverhandlungen genauestens zu ermitteln und die gewonnenen Erkenntnisse detailliert in den Text des Verschmelzungsvertrags aufzunehmen sind. Ob in dem Fall, dass sich die Umwandlungsmaßnahme gänzlich mitbestimmungsneutral verhält, eine entsprechende Negativerklärung abgegeben werden muss, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet163. Trotzdem – oder eher gerade deswegen – empfiehlt es sich aber sicherheitshalber, selbst diese Information klarstellend in der Vertragsurkunde anzusprechen164.

F. Mitbestimmungsfortgeltung im Rahmen einer Unternehmensverschmelzung Wie immer gilt auch im Rahmen der Unternehmensverschmelzung, dass der Wegfall von Voraussetzungen eines bestimmten Mitbestimmungsstatuts nicht notwendig den unmittelbaren Statuswechsel zur Folge haben muss. Zum Teil ___________ 160 Vgl. dazu BAG 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, NZG 1999, S. 125 f.; Bermel/Hannappel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnrn. 73, 77 ff.; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, E Rdnrn. 82 ff.; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnr. 56; Mayer in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnrn. 186 f.; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 138 ff.; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 5 Rdnrn. 53, 60a (Spiegelstr. 6). 161 Vgl. dazu BAG 25.05.2000 – 8 AZR 416/99, BB 2000, S. 2156 = DB 2000, S. 1966 = ZIP 2000, S. 1630 mit Anm. Bauer/Mengel; Bermel/Hannappel in: Goutier/ Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnr. 72; Lutter/Drygala in: Lutter/ Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnr. 54; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 117 ff.; Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, H. 162 Vgl. Bermel/Hannappel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnrn. 92 ff.; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 5 Rdnrn. 197 f.; Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 5 Rdnr. 73; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 5 Rdnrn. 53, 60a (Spiegelstr. 8). 163 Vgl. bejahend z.B. OLG Düsseldorf 15.05.1998 – 3 Wx 156/98, NZA 1998, S. 766 (767) = ZIP 1998, S. 1190; ablehnend demgegenüber Bungert, NZG 1998, S. 733; Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 5 Rdnr. 74; Willemsen/Müller, EWiR § 5 UmwG 1/98, S. 855 (856). 164 Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 5 Rdnr. 74.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

wird diese nahe liegende Rechtsfolge nämlich durch gesetzliche Anordnungen der Mitbestimmungsfortgeltung überlagert. Neben echten Fortgeltungsklauseln, wie sie etwa in § 1 Abs. 4 MontanmitbestG enthalten sind, können sich auch die Vorschriften über die Arbeitnehmerzurechnung im Konzern im Einzelfall mitbestimmungserhaltend auswirken. Dies wurde anhand der zu den konzerninternen Verschmelzungsvorgängen gemachten Ausführungen165 bereits deutlich. Keine Bedeutung hat bei der Unternehmensumstrukturierung durch Verschmelzung hingegen die Vorschrift des § 325 Abs. 1 UmwG. Nach dem Gesetzeswortlaut beansprucht die Norm nur Geltung für die Fälle der Abspaltung im Sinne des § 123 Abs. 2 UmwG und der Ausgliederung im Sinne des § 123 Abs. 3 UmwG166. Indem sie außerdem auf Rechtsfolgenseite eine Aufrechterhaltung des Mitbestimmungsstandards beim übertragenden Rechtsträger vorsieht, die Verschmelzung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG aber gerade zur Auflösung dieses Ausgangsrechtsträgers führt, ist nach einheitlicher Auffassung in der Wissenschaft selbst einer nur analogen Anwendung auf die Fälle der Verschmelzung jegliche Grundlage entzogen167.

G. Die Einzelrechtsübertragung als Alternative zur Verschmelzung Über den Einsatz der Verschmelzung, der Spaltung, der Vermögensübertragung und des Rechtsformwechsels, die allesamt dem Umwandlungsgesetz entspringen, hinaus lässt sich nahezu ein jedes Umstrukturierungsziel aber auch auf anderem Wege erreichen. Es wurde bereits eingangs betont, dass das Umwandlungsgesetz als ein vergleichsweise junges Gesetz vor allem zu dem Zweck geschaffen wurde, der Gestaltungspraxis sozusagen ergänzendes Werkzeug zur Verfügung zu stellen, um schon bislang lösbare Aufgaben auf nunmehr gegebenenfalls einfacherem Wege bewältigen zu können. Damit wurde ___________ 165

Vgl. oben D. Willemsen in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, UmwG § 325 Rdnr. 1. 167 Vgl. Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 325 Rdnr. 10; Däubler, RdA 1995, S. 136 (146); Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 325 Rdnrn. 14 ff.; Jung, Umwandlungen unter Mitbestimmungsverlust, 4. Kap. I B 3; Kallmeyer, ZIP 1994, S. 1746 (1757); Kreßel, BB 1995, S. 925 (926); Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, § 7 F; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 88; Willemsen in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, UmwG § 325 Rdnrn. 2 f.; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 325 Rdnr. 2; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (803); Wißmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 325 Rdnr. 9; Wlotzke, DB 1995, S. 40 (47). 166

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aber das Ausweichen auf die bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Vorgehensweisen nach herkömmlichem bürgerlichen Recht und Gesellschaftsrecht nicht etwa gesperrt168. I. Übertragung von Gesellschaftsanteilen (share deal) Ein häufig anzutreffendes Phänomen ist, dass der Erwerber eines Unternehmens das unternehmerische Sondervermögen nicht als solches auf sich überleiten möchte. Stattdessen bleibt es weiterhin dem bisherigen Unternehmensträger zugewiesen, dessen Anteilsrechte aber wiederum vollständig oder zumindest zu einem großen Teil auf den Erwerber übertragen werden. Gegenstand des schuldrechtlichen Unternehmenskaufs und des entsprechenden dinglichen Verfügungsgeschäfts sind also nicht wie bei der Verschmelzung die Unternehmensgegenstände als Gesamtheit (Gesamtrechtsnachfolge) oder wie beim so genannten asset deal169 die Unternehmensgegenstände als jeweilige Einzelrechte, sondern etwa die Aktien der unternehmenstragenden Aktiengesellschaft oder die Geschäftsanteile der unternehmenstragenden GmbH. Angelehnt an die englische Rechtssprache spricht man in diesen Fällen daher von einem share deal. Aus der Sicht des Erwerbers vermitteln ihm die auf ihn übergegangenen Anteilsrechte eine Beteiligung an dem vom fortbestehenden Unternehmensträger gehaltenen Sondervermögen. Stellt man hingegen auf die Perspektive derjenigen Gesellschaft ab, deren Anteilsrechte erworben werden, so führt das vollzogene Rechtsgeschäft zu einem Austausch seines alleinigen bzw. dominierenden Gesellschafters. Dieser Gesellschaftertausch wird mitbestimmungsrechtlich vor allem in den folgenden beiden Konstellationen interessant. 1. Austausch der Konzernspitzengesellschaft Ist der Erwerber seinerseits eine mitbestimmungstaugliche juristische Person des Privatrechts, so kann der Erwerb unter den Voraussetzungen der mitbestimmungsrechtlichen Zurechnungsklauseln bewirken, dass ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit des dinglichen Geschäfts die im erworbenen Unternehmen in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer zugleich auch als Arbeitnehmer des

___________ 168 K. Schmidt, ZGR 1995, S. 675 (676) mit w. Nachw.; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 78; vgl. auch BFH 21.06.1994 – VIII R 5/92, NJW 1995, S. 478 (479); Orth, DStR 1999, S. 1011 (1013). 169 Vgl. dazu unten § 9 E. I.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

erwerbenden Unternehmens gelten170. Entsprechend den oben erörterten Grundsätzen kann sich auf diese Weise der Mitbestimmungsstatus des Erwerbers verändern, wobei in erster Linie an einen Mitbestimmungszuwachs zu denken ist. So liegt etwa der Fall, wenn eine dem Drittelbeteiligungsstatut unterworfene Aktiengesellschaft sämtliche Geschäftsanteile einer GmbH erwirbt, diese dadurch zur einhundertprozentigen Tochtergesellschaft der Aktiengesellschaft wird und letztere somit aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG die zur Ermittlung des Beteiligungsstatus der Aktiengesellschaft entscheidende Marke von 2.000 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern überwindet. 2. Austausch des persönlich haftenden Gesellschafters Der gleiche Grundgedanke liegt dem Austausch des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft & Co. KG zugrunde171. Hier sei der Betrachtung einmal unter dem Gesichtspunkt des Mitbestimmungsverlustes aufgerollt. Gesetzt sei der Fall, eine GmbH & Co. KG ist mittelbar mitbestimmt aufgrund der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. Werden die von der GmbH gehaltenen Gesellschaftsanteile an der unternehmenstragenden Kommanditgesellschaft von einer Personengesellschaft oder einer natürlichen Person übernommen, so verlässt damit die GmbH den Posten des Komplementärs. Infolge dessen bricht das Zurechnungssystem des § 4 Abs. 1 MitbestG in sich zusammen. Das bedeutet nicht nur einen Mitbestimmungsverlust für die bis zu diesem Zeitpunkt unmittelbar mitbestimmte GmbH, sondern faktisch auch für die Kommanditgesellschaft, da in dieser die indirekte, durch die Organe der durch Arbeitnehmervertreter mitbestimmten GmbH vermittelte Mitbestimmung entfällt, ohne dass dies eine Kompensation beim neuen persönlich haftenden Gesellschafter erfahren würde. II. Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände (asset deal) Neben der Gesamtrechtsnachfolge durch das im Recht der Personengesellschaften beheimatete Rechtsinstitut der Anwachsung kommt der Möglichkeit einer Singulareinbringung neuer Vermögensgegenstände in ein Gesellschaftsvermögen nach den allgemeinen Prinzipien des bürgerlichen Sachenrechts für die Praxis der Unternehmensumstrukturierung erhebliche Bedeutung zu. Aller___________ 170 Vgl. auch Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 27 f. 171 Vgl. auch Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 18 ff.

§ 8 Umstrukturierung durch Unternehmensverschmelzung

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dings ergeben sich im Verhältnis der Singularsukzession zwischen mitbestimmten Rechtsträgern zu deren Verschmelzung wesentlich weniger neue Gestaltungsanreize als im Verhältnis zur Spaltung mitbestimmter Unternehmen. Eine Darstellung der essentiellen Überlegungen zur Neustrukturierung nach herkömmlichem Sachenrecht erfolgt deshalb erst im Anschluss an die Analyse des umwandlungsgesetzlichen Gestaltungsinstruments der Spaltung172.

___________ 172

Vgl. unten § 9 E. I.

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung A. Allgemeines Wie eingangs bereits dargelegt wurde1, lässt sich der Vorgang der Unternehmensspaltung in gewisser Weise als Umkehrung der Unternehmensverschmelzung begreifen2. Dass diese Aussage aber nur eine grobe Richtung weisen will und daher dogmatisch auf sehr wackeligen Beinen steht, muss schon deshalb unmittelbar einleuchten, weil anders als bei der Verschmelzung das Rechtsinstitut der Spaltung als solches überhaupt nicht rechtlich geregelt ist, sondern vom Gesetz lediglich als Oberbegriff für die drei tatsächlich praktizierbaren Umstrukturierungsmaßnahmen  der Aufspaltung3,  der Abspaltung4 und  der Ausgliederung5 verwendet wird6. Der Einsatz dieser Gestaltungsmittel birgt natürlich jeweils Eigenarten auf Rechtsfolgenseite und nimmt dementsprechend auch in völlig unterschiedlicher Weise Einfluss auf die Mitbestimmungsstatute einer Vermögensteile preisgebenden und einer zusätzliches Vermögen aufnehmenden Gesellschaft. Die Schlussfolgerung, dass jeweils die zur Verschmelzung gewonnenen Erkenntnisse über die Auswirkungen auf den mitbestimmungsrechtlichen Status der beteiligten Rechtsträger sozusagen spiegelverkehrt auf die an einer ___________ 1 Siehe oben § 7 B. II. und I. 4. b) aa) (Verschmelzung in Gestalt eines upstream mergers als direktes Spiegelbild der Ausgliederung). 2 In diesem Sinne Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht § 3 Rdnr. 72; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 26 III 1; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1452; Pfaff, Die Reichweite arbeitsrechtlicher Angaben im Umwandlungsvertrag, B III 2 b; Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 60; Willemsen in: Willemsen/ Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 75; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793): Fall einer „Verschmelzung rückwärts“; vgl. ferner BR-Drucks. 75/94, S. 115; vgl. auch speziell zur Aufspaltung Dörrie, WiB 1995, S. 1 (2); Lüttge, NJW 1995, S. 417 (421); Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 3. 3 Englisch: split-up. 4 Englisch: spin-off. 5 Englisch: drop-down. 6 Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 18.

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

327

Unternehmensspaltung beteiligten Ausgangs- und Zielrechtsträger übertragen werden können, wäre vor diesem Hintergrund sicherlich grob verfehlt. Bei der nachfolgenden Analyse werden die Fälle der Aufspaltung, der Abspaltung und der Ausgliederung mithin sorgfältig zu unterscheiden sein7. Des Weiteren muss natürlich der schon für die Verschmelzungskonstellationen aufgestellte Grundsatz beachtet werden, dass eine die Situation sämtlicher an der Umwandlung beteiligter Rechtsträger beschreibende Gesamtaussage über ein Absinken oder Ansteigen des Mitbestimmungsniveaus rechtlich keinen Erkenntniswert hat. So geht etwa die in der Literatur8 aufgestellte Behauptung fehl, es sei jedenfalls politisch unzutreffend, dass die Aufspaltung zur Neugründung definitionsgemäß niemals zu einem Mitbestimmungsverlust führen könne, wenn zugleich auf den aufnehmenden Rechtsträger abgestellt wird, der vor der Umstrukturierungsmaßnahme noch gar nicht existiert. Die dann in den Vordergrund gestellte Möglichkeit der Flucht aus der Unternehmensmitbestimmung im Wege der Aufspaltung von Unternehmen besteht freilich. Aber einem aktuellen Mitbestimmungsstatus entziehen kann sich eben nur der schon existierende Ausgangsrechtsträger, niemals hingegen der noch gar nicht ins Leben gerufene Zielrechtsträger9. Sinnvolle Vergleichgruppen lassen sich allein bilden mit dem Mitbestimmungsstatus eines konkreten Rechträgers vor dem Wirksamwerden der Spaltung und dem Status desselben Rechtsträgers nach erfolgreichem Abschluss der Spaltung. Und selbst unter diesen Voraussetzungen ist das Ergebnis der Analyse noch in höchstem Maße abhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls10.

B. Mitbestimmungsrechtliche Auswirkungen der einzelnen Spaltungsvorgänge I. Auswirkungen der Aufspaltung Eine Aufspaltung im Sinne des § 123 Abs. 1 UmwG als erster umwandlungsgesetzlich geregelter Fall der Spaltung ist einerseits denkbar im Wege der Aufnahme durch gleichzeitige Übertragung von Vermögensteilen auf wenigstens zwei andere bestehende Rechtsträger (§ 123 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) und ___________ 7 In diesem Sinne auch Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 94. 8 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 16. 9 Wie hier auch Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 96. 10 Siehe oben Einleitung E. I. 1.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

andererseits im Wege der Neugründung durch gleichzeitige Übertragung der Vermögensteile auf wenigstens zwei dadurch neu zu gründende Rechtsträger (§ 123 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Ferner ist nach § 123 Abs. 4 UmwG auch die Verwendung sowohl bestehender als auch neu zu gründender übernehmender Rechtsträger bei einem einheitlichen Aufspaltungsvorgang möglich11. Dabei zieht die Aufspaltung folgende entscheidende Rechtsfolgen nach sich12:  Das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers einschließlich der Verbindlichkeiten geht nach Maßgabe der im Aufspaltungs- und Übernahmevertrag bzw. im Aufspaltungsplan (unter Beachtung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes13) vorgesehenen Verteilung auf die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger über14. Die Teilvermögen erreichen ihre Zielrechtsträger jeweils als Gesamtheit, also im Wege der rechtsgeschäftlich veranlassten partiellen Gesamtrechtsnachfolge15, §§ 123 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Beim übertragenden Rechtsträger bleiben keinerlei Vermögensreste zurück,  der übertragende Rechtsträger löst sich unabhängig von einer Abwicklung auf16, §§ 123 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, ___________ 11 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 73; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnrn. 2, 13; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 14, § 135 Rdnr. 1; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnrn. 12, 18; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 26. 12 Vgl. oben § 7 B. II. 1. a) sowie die Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung oben § 7 E. V. 2. (insb. k)). 13 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 58; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1506. 14 Vgl. Doetsch/Rühmann/Seibt/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 75, F Rdnr. 96, J Rdnr. 138; Hörtnagl in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 6, § 131 Rdnrn. 9 ff.; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnrn. 7 ff.; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 3; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 12; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 19, § 131 Rdnrn. 1 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793). 15 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 57; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 6, § 131 Rdnrn. 4 ff.; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnrn. 1 f.; Teichmann in: Lutter/ Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnrn. 8 f., § 131 Rdnrn. 1 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (794). 16 Vgl. Doetsch/Rühmann/Seibt/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 75, F Rdnr. 96, J Rdnr. 138; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 67; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 6, § 131 Rdnr. 92; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 7, § 131 Rdnr. 10; Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 16; Kübler in: Sem-

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

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 den Anteilsinhabern des untergehenden übertragenden Rechtsträgers werden entsprechend dem Aufspaltungs- und Übernahmevertrag bzw. Aufspaltungsplan Anteile an sämtlichen übernehmenden bzw. neuen Rechtsträgern gewährt17, §§ 123 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG, und  in den Fällen einer Aufspaltung im Wege der Neugründung entstehen zudem ein oder mehrere neue Rechtsträger, welche gemäß dem Aufspaltungsplan einen Teil der Rechte und Pflichten des übertragenden Rechtsträgers kraft Gesamtrechtsnachfolge übernehmen18, §§ 123 Abs. 1 Nr. 2, 135 Abs. 1 Satz 2 UmwG. 1. Rechtsfolgen für den übertragenden Rechtsträger Genau wie bei der Verschmelzung19 gibt der übertragende Rechtsträger im Zeitpunkt der Eintragung der Aufspaltung in das Register seines Sitzes sämtliche ihm zugewiesenen Vermögenspositionen preis und erlischt gemäß §§ 123 Abs. 1 und 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, ohne dass es auf seine besondere Löschung im zuständigen Register ankommt. Gleiches gilt natürlich wie bei der Verschmelzung für sämtliche Gesellschaftsorgane20 und damit auch für den ___________ ler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnr. 25; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, F Rdnr. 3; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnrn. 12, 13; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 19, § 131 Rdnrn. 3 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793). 17 Vgl. Doetsch/Rühmann/Seibt/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung , B Rdnr. 75, F Rdnr. 96, J Rdnr. 138; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 67 i.V.m. Rdnrn. 61 ff.; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 6, § 131 Rdnrn. 93 ff.; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnrn. 3, 8, § 131 Rdnrn. 11 ff.; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnrn. 26 ff.; Mayer, DB 1995, S. 861 (862); Sagasser/ Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, F Rdnr. 3; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 12; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 19 sowie § 131 Rdnrn. 5 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793). 18 Vgl. die Checkliste bei Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 68; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 7; Mayer, DB 1995, S. 861 (862); Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I., § 135 Rdnrn. 1 ff. 19 Vgl. dazu oben § 8 B. 20 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 16; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnr. 25; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 96; entsprechende Ausführungen zum Untergang der Gesellschaftsorgane im Verschmelzungsfall finden sich bei Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 20 Rdnr. 41; Bermel/Hannappel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 5 Rdnr. 93; Grunewald in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 20 Rdnr. 28; Grunewald in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG Bd. VI, § 346 Rdnrn. 26 f. (zu § 346 AktG a.F.); Henssler, ZfA 2000, S. 241 (249); Hüffer, AktG, § 103 Rdnr. 16; Kübler in: Semler/

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

(mitbestimmten) Aufsichtsrat. Damit fällt er als mitbestimmungsrechtlicher Anknüpfungspunkt in jedem Fall aus21. 2. Rechtsfolgen für die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger Hinsichtlich der durch eine Aufspaltung ausgelösten Rechtsfolgen für das Mitbestimmungsstatut der Zielrechtsträger kann ebenfalls weitgehend auf die zum Verschmelzungsrecht gemachten Ausführungen22 verwiesen werden. Es besteht allerdings die Besonderheit, dass bei der Verschmelzung stets nur der Mitbestimmungsstatus eines einzigen Zielrechtsträgers untersucht werden muss, während bei der Aufspaltung mindestens zwei übernehmende bzw. durch die Aufnahme der Teilvermögen neu gegründete Rechtsträger vorhanden sind23. Deren Mitbestimmungsstatuta sind streng isoliert voneinander zu ermitteln24 und können selbstverständlich variieren, da die ihnen spaltungsvertraglich zugewiesenen Vermögensmassen jeweils privatautonom festgelegt worden sind und daher nach Art und Umfang erhebliche Abweichungen bestehen mögen. a) Grundsatz des Mitbestimmungszuwachses Insbesondere gilt auch hier, dass der Vermögenszufluss beim aufnehmenden Rechtsträger regelmäßig auch einen Zuwachs an Gesellschaftskapital und Arbeitsverhältnissen bedeuten wird. In der gesellschaftsrechtlichen Praxis führt dieser Umstand in einer Vielzahl von Fällen auch zu einer statuserheblichen Änderung dieser Mitbestimmungsfaktoren. aa) Erhöhung des Gesellschaftskapitals Die Auswirkungen einer Erhöhung des statutarischen Nennkapitals der übernehmenden Rechtsträger im Zuge einer Aufspaltung seien anhand des folgen___________ Stengel, UmwG, § 20 Rdnrn. 20, 73; Lutter/Dygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 5 Rdnr. 63; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnr. 28; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnr. 8; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 330. 21 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (252); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 96. 22 Vgl. dazu oben § 8 C. 23 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 16. 24 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 96.

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

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den Beispielsfalls veranschaulicht: Eine GmbH unterhält zwei Großbetriebe mit einmal 1.000 und einmal 1.500 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern. Mit insgesamt 2.500 Arbeitnehmern ist das Unternehmen deshalb mitbestimmungspflichtig nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976. Über die den beiden Betrieben jeweils unmittelbar zuzuordnenden Vermögensgegenstände hinaus hat die GmbH kein weiteres Gesellschaftsvermögen. Als die Gesellschafter der GmbH sich entschließen, das Unternehmen aufzugeben, und sich kein Interessent für dessen vollständige Weiterführung finden lässt, bieten die Geschäftsführer die beiden Betriebe jeweils einzeln zwei Partnerunternehmen, einer Aktiengesellschaft und einer GmbH, zur Übernahme an. Beide willigen in die Übernahme des ihnen jeweils angebotenen Betriebes ein. Die Parteien schließen einen Spaltungs- und Übernahmevertrag, der neben dem Übergang der die Betriebe ausmachenden Teilvermögen die Auflösung der übertragenden GmbH sicherstellen soll. Schon vor der Durchführung des Spaltungsvorgangs weist die übernehmende Aktiengesellschaft ein Grundkapital von 1,3 Millionen Euro und eine Belegschaftsstärke von 600 Arbeitnehmern auf. Bei der übernehmenden GmbH ist ein Stammkapital in Höhe von 3 Millionen Euro vorhanden. Sie beschäftigt regelmäßig 3.000 Arbeitnehmer. AntE 2

AntE 1

AntE 3

Übern. AG Grundkap.: 1,3 Mio. Euro 600 ArbN

Übertr. GmbH 2.500 ArbN

Übern. GmbH StKap.: 3 Mio. Euro 3.000 ArbN

Abbildung 9.1: Rechtslage vor der Aufspaltung (zur Aufnahme) AntE 2

Übern. AG Grundkap.: 2,8 Mio. Euro 1.600 ArbN

AntE 1

AntE 3

Übern. GmbH StKap.: 5,2 Mio. Euro 4.500 ArbN

Abbildung 9.2: Rechtslage nach der Aufspaltung (zur Aufnahme)

Die erste, als Aktiengesellschaft organisierte Zielgesellschaft unterliegt vor der Aufspaltung mit einer Belegschaftsstärke von 600 Arbeitnehmern dem Drittelbeteiligungsstatut gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 DrittelbG. Daran ändert

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

sich auch nach der Übernahme des von dem übertragenden Rechtsträger veräußerten ersten Betriebs und der zugehörigen 1.000 Arbeitnehmer nichts, da mit einer dadurch hervorgerufenen Gesamtzahl von 1.600 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern die Schwelle zu dem quasiparitätischen Beteiligungsstatut immer noch nicht überschritten ist. Dazu wäre aufgrund des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG eine Gesamtzahl von mehr als 2.000 Arbeitnehmern erforderlich. Dennoch kann die Umwandlungsmaßnahme eine erhebliche mitbestimmungsrechtliche Bedeutung erlangen. Um neue Aktien an die Gesellschafter der Ausgangsgesellschaft auskehren zu können, stockt die übernehmende Aktiengesellschaft schließlich ihr Grundkapital von 1.300.000 Euro auf 2.800.000 Euro auf. Ähnlich wie schon in einem der zur Verschmelzung gebildeten Beispiele25 wird nämlich der für die konkrete Zusammensetzung des in der Aktiengesellschaft eingerichteten (mitbestimmten) Aufsichtsrats ausschlaggebende Kapitalschwellenwert aus § 95 Sätze 2 und 4 Var. 2 AktG (Grundkapital in Höhe von mehr als 1.500.000 Euro) durchbrochen. Anders als im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 MitbestG26 ergibt sich aber aus einer Überschreitung der (für die Drittelbeteiligung in § 95 Satz 4 AktG niedergelegten) Grenzwerte nicht die Pflicht, sondern nur die fakultative Option zur Aufstockung der im Aufsichtsrat vorhandenen Mitgliederzahl. Im Beispiel können die in der Hauptversammlung zusammenkommenden und einen kollektiven Willen bildenden Aktionäre der Zielaktiengesellschaft deshalb anstelle von bisher maximal neun fortan bis zu fünfzehn Mandate für ihr Kontrollorgan vorsehen. Der als GmbH verfasste zweite übernehmender Rechtsträger ist kraft seiner Rechtsform (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG) und eines Arbeitnehmerquorums von 3.000 Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG) schon vor der Aufspaltung des übertragenden Rechtsträgers dem Mitbestimmungsgesetz 1976 unterworfen. Der mit der Betriebsübernahme verbundene Arbeitnehmerzuwachs ist aus seiner Sicht deshalb mit Blick auf die unternehmensbezogenen Mitwirkungsrechte seiner Arbeitnehmerschaft belanglos, da ohnehin schon vor der Eintragung der Aufspaltung in das Handelsregister mit dem Mitbestimmungsgesetz 1976 das außerhalb der Montanindustrie denkbar strengste Beteiligungsstatut für die GmbH einschlägig ist. Daneben hat aber auch die zum Zwecke der Bildung neuer Geschäftsanteile durchgeführte Erhöhung des Stammkapitals der GmbH keine Bedeutung für ihren Mitbestimmungsstatus. Denn das Mitbestimmungsgesetz 1976 berücksichtigt abweichend von der Systematik der anderen dem deutschen Recht bekannten Gesetze zur Integration von Arbeitnehmervertretern in die Unternehmensorgane für die Frage nach der Größe des Aufsichtsrats gerade keine ___________ 25 26

Siehe oben § 8 C. I. 1. Dazu sogleich.

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

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Kapitalschwellenwerte27, sondern legt auch insoweit die Anzahl der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zugrunde28. Im Beispiel ist aber mit nunmehr 4.500 bei der GmbH beschäftigten Arbeitnehmern noch kein entsprechender Grenzwert erreicht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG setzt sich in Unternehmen mit in der Regel 10.000 oder weniger Arbeitnehmern der Aufsichtsrat aus je sechs Repräsentanten der Anteilsinhaber und der Arbeitnehmerschaft, also insgesamt 12 Mitgliedern, zusammen. Erst nach der Durchbrechung dieses Grenzwertes befiehlt § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 eine Korrektur der Zusammensetzung durch Erhöhung auf ein insgesamt sechzehn Mitglieder umfassendes Kontrollgremium. bb) Übergang von Arbeitsverhältnissen Wie schon bei der Verschmelzung ist die Fortsetzung der bei der Ausgangsgesellschaft begründeten Arbeitsverhältnisse bei den übernehmenden Rechtsträgern der praktisch wohl wichtigste Grund für einen Mitbestimmungszuwachs in deren Unternehmen. Im Recht der Spaltung ist in diesem Zusammenhang auf § 324 UmwG hinzuweisen. Danach bleibt § 613a Abs. 1 und Abs. 4 bis 6 BGB durch die Wirkung der Eintragung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung im Sinne des Umwandlungsgesetzes29 unberührt und wird ___________ 27

So aber demgegenüber die Montanmitbestimmungsgesetze in §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 MontanmitbestG (dazu oben § 2 B. II. 1. a)) und §§ 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 MitbestErgG (dazu oben § 2 C. II. 1. a) aa)) und das DrittelbG bzw. die §§ 76 ff. BetrVG 1952 in § 95 Satz 3 AktG (ggf. i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG oder § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG bzw. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952), § 35 VAG und § 1 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 DrittelbG bzw. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG 1952; § 95 Satz 4 AktG (ggf. i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG oder § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG bzw. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952), § 36 Abs. 1 GenG (dazu oben § 4 B. II. 2.); vgl. auch die tabellarische Übersicht oben § 6 B. (Abb. 6.3). 28 Vgl. zur Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Satz 2 und 3 MitbestG oben § 3 B. I. 1. sowie die tabellarische Übersicht oben § 6 B. (Abb. 6.3); vgl. ferner Breuer/Fraune in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 96 Rdnr. 2; Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 23; Hüffer, AktG, § 95 Rdnr. 5; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 804 (Spiegelstr. 1); Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.02 Rdnr. 9; Semler in: MünchKomm AktG Bd. 3, § 95 Rdnr. 32. 29 Bei einem Rechtsformwechsel im Sinne der §§ 190 ff. UmwG kommt der Rechtsgedanke des § 613a BGB hingegen in keinem Fall zum Tragen, denn der Formwechsel ist gerade kein Fall der vermögensübertragenden Umwandlung, sondern folgt dem Identitätsprinzip. Da der Rechtsträger aufgrund der Regelung des § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG derselbe bleibt, kann es zu einem Auseinanderklaffen von Betrieb bzw. Teilbetrieb auf der einen Seite und dem zugehörigen Arbeitsverhältnis auf der anderen Seite infolge der Unternehmensumwandlung gar nicht erst kommen, so dass die Verklammerung dieser Faktoren kraft Gesetzes entbehrlich wird; vgl. Bachner, NJW 1995, S. 2881

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

damit auch auf die Fälle vertraglich veranlasster Gesamtrechtsnachfolge als anwendbar erklärt30. (1) Rechtstechnik der Vertragsübernahme im Verschmelzungsfall Während in den Fällen der Verschmelzung von Unternehmen nach dem Umwandlungsgesetz zwar die in Abs. 1 Satz 2 bis 4 niedergelegte kollektivrechtliche Seite des § 613a BGB, insbesondere die so genannte Transformation kollektivrechtlicher Rechtsnormen aus Tarifverträgen31 und Betriebsvereinbarungen32 in Regelungen des individualrechtlichen Arbeitsvertrags, erhebliche Bedeutung erfahren kann, spielt die den gesetzlichen Eintritt des übernehmenden Rechtsträgers in die bei den übertragenden Rechtsträgern bestehenden Arbeitsverhältnisse anordnende Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB überhaupt keine Rolle. Bei der Verschmelzung existiert schließlich nur ein einziger übernehmender Rechtsträger, welcher ohnehin schon über den insoweit vorrangigen § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf rechtsgeschäftlicher Grundlage in sämtliche das Vermögen der Ausgangsrechtsträger bildende Rechts- und Pflichtpositionen nachfolgt. Dazu gehört natürlich auch das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis33. Der Vorrang der verschmelzungsvertraglichen Abrede bzw. der Anordnung im Verschmelzungsplan ergibt sich aus dem Auffangcharakter des § 613a Abs. 1 BGB34. Die Vorschrift will den Bestand des Arbeitsverhältnisses als solchen sowie die konkrete Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen durch eventuelle kollektivrechtliche Regelungen gegen Verschlechterungen im Zuge eines ___________ (2883); Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 324 Rdnrn. 14; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 324 Rdnr. 20. 30 BAG 25.05.2000 – 8 AZR 416/99, ZIP 2000, S. 1630 (erster Leitsatz) mit Anm. Bauer/Mengel; Friedrich in: GK-KR, UmwG § 324 Rdnr. 28; Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 324 Rdnr. 3 mit w. Nachw.; Preis in: ErfKomm Arbeitsrecht, BGB § 613a Rdnr. 58; Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rdnr. 34; Steffan in: Ascheid/ Preis/Schmidt, KR, UmwG § 324 Rdnr. 3; Wank in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 2, § 124 Rdnr. 210; Willemsen in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, UmwG § 324 Rdnr. 1; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 324 Rdnr. 3. 31 Vgl. dazu BAG 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, EzA § 20 UmwG Nr. 1 mit Anm. Rieble = NZA 1998, S. 1346 (1347 f.); Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 324 Rdnrn. 21 ff. 32 Vgl. dazu BAG 27.07.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1995, S. 222 (224 f.); Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rdnrn. 49 ff., § 324 Rdnr. 29. 33 Bachner, NJW 1995, S. 2881 (2882); Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/ UmwStG, UmwG § 20 Rdnr. 78; Weidenkaff in: Palandt, BGB, § 613a Rdnr. 7; anderer Ansicht Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rdnr. 35. 34 BAG 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, EzA § 20 UmwG Nr. 1 mit Anm. Rieble = NZA 1998, S. 1346 (1347 f.); Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rdnr. 34.

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Betriebsübergangs absichern. Dieser Sinn und Zweck kann aber nur dann sinnvoll zum Tragen kommen, wenn die gewünschte Vertragsübernahme sich nicht schon aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt. Denn anderenfalls steht erst gar keine abzuwehrende Verschlechterung im Raume. Exemplarisch sei dies veranschaulicht anhand der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur kollektivrechtlichen Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen beim Übergang eines Betriebs35. Das Gericht befand in seiner Entscheidung vom 27. Juli 1994, dass sich aus § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach durch Betriebsvereinbarung geregelte Rechte und Pflichten zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Betriebsinhaber und dem Arbeitnehmer auf individualrechtlicher Grundlage werden und grundsätzlich nicht vor Ablauf eines Jahres zum Nachteil des Arbeitnehmers verändert werden dürfen, nicht der Umkehrschluss ziehen lasse, dass Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang keinesfalls mehr normative Wirkung entfalten könnten. Mit der Identität des Betriebes bleibe nämlich der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Fortgeltung der Betriebsvereinbarung aufrechterhalten, so dass die Vereinbarung ohnehin regelmäßig weiter unmittelbar und zwingend im Sinne des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG 1972 gelte36. Unter dieser Prämisse ist offensichtlich, dass jedes Bedürfnis für eine Transformation der von Betriebsrat und Arbeitgeber beschlossenen Rechtsnormen in individuelles Arbeitsvertragsrecht entfällt. Und so erklärt der Senat den § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB zu einem Auffangtatbestand mit der Funktion, Lücken im bestehenden Betriebsverfassungs- und Tarifvertragsrecht zu schließen37. Soweit im konkreten Einzelfall aber eine entsprechende Schutzlücke gar nicht ersichtlich ist, namentlich sich also ein identischer oder gar weitergehender Bestandsschutz bereits aus anderen Vorschriften ergibt, muss von einer starren Anwendung der als zusätzliche Sicherung von Arbeitnehmerrechten intendierten Vorschrift des § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB unbedingt Abstand genommen werden. Eine identische Erwägung findet sich im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Juni 1998 zur Frage der normativen Fortgeltung eines Haustarifvertrags über eine Unternehmensverschmelzung hinweg. Auch die sich aus diesem speziell auf ein einzelnes Unternehmen zugeschnittenen Tarifvertrag ergebenden Rechte und Pflichten zählen nach Auffassung des erkennenden Senats zu ___________ 35

BAG 27.07.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1995, S. 222 ff. BAG 27.07.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1995, S. 222 (225) mit w. Nachw.; vgl. auch BAG 05.02.1991 – 1 ABR 32/90, AP Nr. 89 zu § 613a BGB = BAGE 67, S. 168 (188 f.) = NZA 1991, S. 639. 37 BAG 27.07.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1995, S. 222 (225). 36

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

den Verbindlichkeiten im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, so dass insoweit für eine Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB kein Raum mehr sei38. Letztere Vorschrift sei eine Auffangregelung für den Fall, dass der Tarifvertrag gerade nicht mehr kollektivrechtlich für den neuen Unternehmensträger gelte, was insbesondere bei schon vom alten Unternehmensträger begründeten Verbands- und Flächentarifverträgen in Betracht komme39. Diese Überlegungen lassen sich nun unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG vollständig übertragen auf den Regelungsgehalt des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB40. (2) Rechtstechnik der Vertragsübernahme im Spaltungsfall Demgegenüber kann und wird es bei Unternehmensspaltungen tatsächlich regelmäßig auf § 324 UmwG in Verbindung mit § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ankommen41, wenn etwa ein Betrieb oder Teilbetrieb einheitlich dem einen übernehmenden Rechtsträger zugeteilt wird, ein oder mehrere der diesem Betrieb oder Teilbetrieb zuzuordnenden Arbeitsverhältnisse aber nach den Festlegungen des Aufspaltungs- und Übernahmevertrags oder des Aufspaltungsplans auf einen anderen Rechtsträger übergehen sollen oder gar bei der vermögensrechtlichen Zuweisung gänzlich vergessen worden sind. In diesem Fall setzt sich die nicht zur vertraglichen Disposition der an der Umwandlung beteiligten Parteien stehende gesetzliche Regelung durch42, so dass die Arbeitsverhältnisse stets dem Betrieb oder Betriebsteil folgen, dem sie schon unter der Herrschaft der Ausgangsgesellschaft angehörten. Dementsprechend heißt es in der Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG)43, dass für die Überleitung der in einem Betrieb oder Betriebsteil bestehenden Arbeitsverhältnisse zwingend die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gelte, wenn dieser Betrieb oder Betriebsteil im Zuge einer Unternehmensspaltung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehe. Zum einen folge dies schon daraus, dass ___________ 38

BAG 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, EzA § 20 UmwG Nr. 1 mit Anm. Rieble = NZA 1998, S. 1346 (1347). 39 BAG 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, EzA § 20 UmwG Nr. 1 mit Anm. Rieble = NZA 1998, S. 1346 (1347 f.). 40 Bachner, NJW 1995, S. 2881 (2882). 41 Willemsen in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, UmwG § 324 Rdnr. 7. 42 Vgl. in diesem Sinne auch Willemsen in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbeitsrechtKomm, UmwG § 324 Rdnr. 7 („insoweit Vorrang des § 613a Abs. 1 BGB gegenüber der umwandlungsrechtlichen partiellen Gesamtrechtsnachfolge“). 43 BR-Drucks. 75/94, S. 118.

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auch die Spaltung ein Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift sei, wie sich bereits aus § 126 Abs. 1 Nr. 2 UmwG ergebe. Zum anderen sei die Anwendung des § 613a BGB auf Vorgänge übertragender Umwandlungen auch auf der Ebene des Rechts der Europäischen Gemeinschaften zwingend vorgeschrieben. Entgegen einer bisher zu § 613a BGB vertretenen Meinung sei nach der § 613a BGB zugrunde liegenden Richtlinie 77/187/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen44 nicht zwischen sachenrechtlichen Übergängen aufgrund der Einzelrechtsnachfolge oder der Gesamtrechtsnachfolge zu unterscheiden. Der § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verbietet den an der Spaltung beteiligten Rechtsträgern auf diese Weise die Trennung des Betriebs von den ihm zugehörigen Arbeitsverhältnissen45, so dass sie als wirtschaftliche Einheit erhalten bleiben46. Flankiert wird diese gesetzliche Schranke der Vertragsfreiheit47 (in Gestalt des Grundsatzes der freien Zuordnung von Vermögensgegenständen) von § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB. Diese Norm stellt im Wege eines eigenständigen Kündigungsverbots48 weitgehend sicher, dass wegen der Unternehmensumwandlung keine Arbeitsverhältnisse verloren gehen, indem sie unmittelbar auf den Betriebsübergang gestützte Kündigungen von Arbeitsverhältnissen sowohl durch den alten (übertragender Rechtsträger) als auch durch den neuen Arbeitgeber (übernehmender oder neuer Rechtsträger) für rechtsunwirksam erklärt49. Im Ergebnis werden also lediglich in Ausnahmefällen bei ausnahmsweise wirksamen Kündigungen im Zusammenhang mit der Aufspaltung ___________ 44

AmtsBl. EG Nr. L 61 vom 05.03.1977, S. 26 ff. Siehe in diesem Sinne die Ausführungen von Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 323 Rdnr. 2 i.V.m. Rdnrn. 24 ff., § 324 Rdnr. 14; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 324 Rdnr. 52. 46 Vgl. dazu Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnrn. 67 ff.; Boecken, ZIP 1994, S. 1087 (1091); Kallmeyer, ZIP 1994, S. 1746 (1757); Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 324 Rdnr. 52; Willemsen, RdA 1993, S. 133 (134 f.). 47 Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 131 Rdnr. 52. 48 BAG 31.01.1985 – 2 AZR 530/83, AP Nr. 40 zu § 613a BGB = BAGE 48, S. 40 = NJW 1986, S. 87 = NZA 1985, S. 593; BAG 05.12.1985 – 2 AZR 3/85, AP Nr. 47 zu § 613a BGB = NJW 1986, S. 2008 = NZA 1986, S. 522 (523); BAG 18.07.1996 – 8 AZR 127/94, NZA 1997, S. 148 (149); BGH 04.07.1985 – IX ZR 172/84, AP Nr. 50 zu § 613a BGB = NJW 1985, S. 2643. 49 Vgl. ausführlich Friedrich in: GK-KR, UmwG § 324 Rdnr. 34; Lipinski, NZA 2002, S. 75; Preis in: ErfKomm Arbeitsrecht, BGB § 613a Rdnrn. 149 ff.; Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 324 Rdnrn. 30 ff.; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, KR, BGB § 613a Rdnrn. 174 ff; Willemsen in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbeitsrechtKomm, UmwG § 324 Rdnr. 17; Willemsen/Müller-Bonanni in: Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BGB § 613a Rdnrn. 304 ff. 45

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

(§ 613a Abs. 4 Satz 2 BGB) Arbeitsverhältnisse nicht bei den übernehmenden Rechtsträgern fortgesetzt werden50. Ferner wird nur selten damit zu rechnen sein, dass die Arbeitnehmer von ihrem in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB verankerten Widerspruchsrecht51 gegen die Arbeitsvertragsübernahme durch die Zielgesellschaft Gebrauch machen. Es spricht zwar viel dafür52, dass das dem Arbeitnehmer ausdrücklich nur für den Fall der gesetzlichen Vertragsübernahme eingeräumte Widerspruchsrecht auch dann Anwendung finden muss, wenn das Arbeitsverhältnis schon kraft der privatautonomen Vereinbarung im Spaltungs- und Übernahmevertrag dem den Inhaber wechselnden Betrieb oder Teilbetrieb folgt und damit für die gesetzliche Nachfolgeregelung aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gar kein Bedürfnis mehr besteht. Auch wenn der Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen dahingehend keine eigene Regelung enthält, ist diese Einschätzung nur konsequent vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Katsikas53. Dort heißt es, die Richtlinie 77/187/EWG verwehre es einem Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie beim Veräußerer beschäftigt sei, nicht, dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen. Die Richtlinie verpflichte zwar die Mitgliedstaaten nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem Veräußerer für den Fall vorzusehen, dass ein Arbeitnehmer sich frei dafür entscheide, den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortzusetzen. Die Richtlinie stehe einer der___________ 50 Vgl. als praktisches Beispiel BAG 18.07.1996 – 8 AZR 127/94, NZA 1997, S. 148 (149) mit Hinweisen u.a. auf BAG 26.05.1983 – 2 AZR 477/81, AP Nr. 34 zu § 613a BGB = BAGE 43, S. 13 (21 f.) = NJW 1984, S. 627; BAG 27.09.2984 – 2 AZR 309/93, AP Nr. 39 zu § 613a BGB = BAGE 47, S. 13 (21) = NJW 1986, S. 91 = NZA 1985, S. 493; BAG 05.12.1985 – 2 AZR 3/85, AP Nr. 47 zu § 613a BGB = NJW 1986, S. 2008 = NZA 1986, S. 522 (523); BAG 19.05.1988 – 2 AZR 596/87, AP Nr. 75 zu § 613a BGB = BAGE 59, S. 12 = NZA 1989, S. 461; vgl. ferner Ascheid, NZA 1991, S. 873 (878 f.); Wank in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 2, § 125 Rdnrn. 46 ff.; Willemsen, ZIP 1983, S. 411 (413); Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 324 Rdnr. 21 mit w. Nachw. 51 Vgl. dazu z.B. Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 130. 52 Vgl. aber die Ausführungen von Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnr. 79 unter Hinweis auf Hanau, ZGR 1990, S. 548 (556); Wlotzke, DB 1995, S. 40 (43). 53 EuGH 16.12.1992 – Rs. C-132/91 u.a., EuGHE I 1992, S. 6577 = EuZW 1993, S. 161 = NZA 1993, S. 169 = ZIP 1993, S. 221 – Katsikas.

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artigen Reglung im einzelstaatlichen Recht aber auch nicht entgegen. Damit sei es Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, was in einem solchen Falle mit dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer geschehen solle54. Insofern steht die oben vorgeschlagene Auslegung des § 613a BGB nicht im Widerspruch mit dem europäischen Sekundärrecht. Allerdings wird der Arbeitnehmer von einem solchen Widerspruchsrecht in den Fällen der Aufspaltung kaum jemals Gebrauch machen, nachdem der ursprüngliche Arbeitgeber mit der übertragenden Gesellschaft identisch ist und diese als Konsequenz der Aufspaltung unvermeidlich untergeht. Damit ginge auch ein Widerspruch des Arbeitnehmers ins Leere55, würde er doch zur Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehung zum neuen Arbeitgeber führen ohne Aussicht darauf, das alte Arbeitsverhältnis wieder herstellen zu können56. Dass der Arbeitnehmer tatsächlich ein Interesse daran hat, sich aus dem übergegangenen Arbeitsverhältnis zu lösen, ohne für den dadurch bewirkten Verlust eine Kompensation in Form der zumindest vorübergehenden Beibehaltung seiner Beziehung zu seinem bisherigen Vertragspartner vor Augen zu haben, ist in der arbeitsrechtlichen Praxis höchst selten anzutreffen. Dieser Punkt ist jedoch im Schrifttum umstritten57. Neben der genannten Lösungsvariante ist es vor allem denkbar, die Ausübung des Widerspruchsrechts als gegenstandslos zu betrachten, so dass das Arbeitsverhältnis unabhängig vom Widerspruch mit dem übernehmenden Rechtsträger fortgesetzt wird58. Um den Arbeitnehmer nicht gegen seinen Willen an einen nicht selbst ausgewählten neuen Arbeitgeber als Vertragsgegner zu ketten und auf diese Weise seine Grundrechte (Privatautonomie als Element der allgemeinen Handlungsfreiheit) nicht über Gebühr einzuschränken, wird ihm alsdann zumeist ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des übergegangenen Arbeitsverhältnisses zuge-

___________ 54 EuGH 16.12.1992 – Rs. C-132/91 u.a. – Tz. 43, EuGHE I 1992, S. 6577 (6612) = EuZW 1993, S. 161 (dort: erster Leitsatz) = NZA 1993, S. 169 (dort: erster Leitsatz) = ZIP 1993, S. 221 (dort: erster Leitsatz) – Katsikas; vgl. auch BAG 21.05.1992 – 2 AZR 449/91, AP Nr. 96 zu § 613a BGB = BAGE 70, S. 238 = EuZW 1992, S. 739 = NJW 1993, S. 488; Bachner, NJW 1995, S. 2881 (2882). 55 Bachner, NJW 1995, S, 2881 (2882); Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 324 Rdnr. 47. 56 In diesem Sinne Boecken, ZIP 1994, S. 1087 (1092); Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnr. 81; Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 324 Rdnr. 66; Mertens, AG 1994, S. 66 (73); Vollrath in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 324 Rdnr. 16. 57 Vgl. zum Streitstand ausführlich Altenburg/Leister, NZA 2005, S. 15 ff. 58 Dehmer, UmwG/UmwStG, UmwG § 131 Rdnr. 53; eine weitere Lösungsvariante für Aufspaltungskonstellationen findet sich bei Däubler, RdA 1995, S. 136 (142).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

standen. Sollte der Arbeitnehmer von diesem Recht Gebrauch machen, ergeben sich der Sache nach keine Unterscheide zum oben gefundenen Ergebnis59. Gewinnt die übernehmende Aktiengesellschaft im oben geschilderten Beispielsfall60 durch die Übernahme eines Betriebes nicht nur 1.000, sondern 1.500 neue Arbeitnehmer hinzu, erreicht sie damit einen Gesamtwert von 2.100 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern, so dass sie mit der Eintragung der Aufspaltung in das Handelsregister der übertragenden GmbH das Drittelbeteiligungsstatut verlässt. Deshalb muss sie das aktienrechtliche Statusverfahren durchführen und ihren Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes 1976 neu besetzen. Außerdem ist ein Arbeitsdirektor in den Vorstand zu integrieren. Aufgrund des Statutenwechsels ist es allerdings unerheblich, in welchem Umfang die Aktiengesellschaft mit Blick auf die Spaltung ihr Grundkapital erhöht. Denn die Kapitalschwellenwerte des § 95 Satz 4 AktG sind von Interesse allein in mitbestimmungsfreien Aktiengesellschaften und in solchen, die dem Drittelbeteiligungsgesetz bzw. dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 unterworfen sind. Darauf abgestimmt ist auch die Regelung in § 95 Satz 3 AktG, wonach die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder stets durch drei teilbar sein muss. Ist hingegen das Mitbestimmungsgesetz 1976 oder ein Gesetz über die Montanmitbestimmung einschlägig, so sind dessen Vorschriften (hier: § 7 MitbestG) gegenüber dem § 95 Satz 1 bis 4 AktG vorrangig anzuwenden. Das ergibt sich aus § 95 Satz 5 AktG. Von Bedeutung wäre dies etwa, wenn man den ursprünglichen Beispielssachverhalt dahingehend abwandelt, dass auf die übernehmende GmbH mehr als 7.000 Arbeitsverhältnisse von der übertragenden GmbH übergehen. In diesem Fall ändert sich die Zusammensetzung ihres Aufsichtsrats gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG. Es sind fortan sechzehn Mitglieder unter Beachtung der gesetzlich vorgesehenen Aufteilung der Mandate zu bestellen. cc) Änderung des Schwerpunkts der Unternehmenstätigkeit Zuletzt ist es ebenso wie bei der Verschmelzung denkbar, dass durch die Aufnahme neuen Vermögens, insbesondere in Gestalt ganzer Betriebe und Betriebsteile, und durch die damit regelmäßig einhergehende Fortsetzung der Tätigkeit des Ausgangsrechtsträgers sich der Schwerpunkt der Tätigkeit beim ___________ 59 Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte, soweit ersichtlich, bislang noch keine Gelegenheit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen; vgl. aber immerhin BAG 25.05.2000 – 8 AZR 416/99, BB 2000, S. 2156 = DB 2000, S. 1966 (1967) = ZIP 2000, S. 1630 mit Anm. Bauer/Mengel. 60 Siehe oben aa).

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Zielrechtsträger verschiebt61. Infolgedessen kann er in der beschriebenen Weise sowohl in das Spezialstatut der Montanmitbestimmung hineinwachsen als auch seinen Charakter als Tendenzunternehmen verlieren, so dass er nun erstmalig einer Mitbestimmungspflicht nach dem für ihn im Übrigen einschlägigen Beteiligungsgesetz ausgesetzt ist. b) Möglichkeit der Mitbestimmungsneutralität Als mitbestimmungsneutral erweist sich die Aufspaltung für die übernehmenden Rechtsträger nicht nur, wenn die Zielgesellschaften nicht ausreichend Vermögen aufnehmen, um die Schwelle zu einem strengeren Mitbestimmungsniveau zu überqueren, sondern auch dann, wenn sie in einer Weise organisiert sind, die einen gesetzlichen Mitbestimmungszwang ausschließt und durch eine Aufnahme von Neuvermögen nicht abgeändert werden kann62. In Erinnerung gerufen sei hier insbesondere der Fall der Übertragung von Vermögen auf eine per definitionem mitbestimmungsfreie Personengesellschaft63, wobei im Falle der Kapitalgesellschaft & Co. KG wiederum die Sonderregelung des § 4 Abs. 1 MitbestG im Hinterkopf behalten werden sollte. c) Ausnahme: Möglichkeit des Mitbestimmungsverlustes Mitbestimmungsverluste sind den mit einer Aufspaltung bei den übernehmenden Rechtsträgern verbundenen Vermögenszuwächsen zum Trotz denkbar, wenn die Zielgesellschaft  in den besonderen Schutzbereich der Tendenzschutzklauseln aus § 1 Abs. 4 MitbestG und § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 DrittelbG hineinwächst64,  ihr Gepräge als Unternehmen des Bergbaus oder der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie im Sinne des Montanmitbestimmungsgesetzes oder des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes verliert und deswegen, nach Ablauf der Bestandsschutzfrist aus § 1 Abs. 3 MontanmitbestG, nach den Regeln des Mitbestimmungsgesetzes 1976 oder des Drittelbeteiligungsgesetzes beurteilt werden muss65 und

___________ 61

Vgl. dazu ausführlich oben § 8 C. I. 3. Siehe oben § 8 C. II. 63 Vgl. dazu oben § 8 C. II. 1. 64 Vgl. dazu ausführlich oben § 8 C. III. 1. a). 65 Vgl. dazu ausführlich oben § 8 C. III. 1. b). 62

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

 als persönlich haftender Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft & Co. KG fungiert, da sich in diesem Fall Besonderheiten aus dem in § 4 Abs. 1 MitbestG niedergelegten Arbeitnehmerzurechnungssystem ergeben können66. II. Auswirkungen der Abspaltung Die Abspaltung im Sinne des § 123 Abs. 2 UmwG ist der zweite vom Umwandlungsgesetz geregelte Fall der Spaltung. Auch hier kennt das Gesetz die beiden Varianten der Abspaltung im Wege der Aufnahme durch Übertragung eines oder mehrerer Teilvermögen auf einen oder mehrere bestehende Rechtsträger (§ 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG) und der Abspaltung im Wege der Neugründung durch Übertragung eines oder mehrerer Teilvermögen auf einen oder mehrere dadurch neu zu gründende Rechtsträger (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG). Außerdem lassen sich im Fall der Abspaltung über § 123 Abs. 4 UmwG desgleichen bereits bestehende und neu zu gründende Zielrechtsträger nebeneinander in demselben Abspaltungsvorhaben einsetzen67. Die charakteristischen Rechtsfolgen der Abspaltung stellen sich wie folgt dar68:  Die im Abspaltungs- und Übernahmevertrag bzw. im Abspaltungsplan unter Wahrung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes näher beschriebenen Teilvermögen des übertragenden Rechtsträgers einschließlich der Verbindlichkeiten gehen in der vertraglich bzw. im Plan vorgesehenen Verteilung auf die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger über69. Die Übertragung aller Rechtspositionen vollzieht sich auch hier über das dem Umwandlungsrecht eigene Instrument der rechtsgeschäftlich veranlassten partiellen Gesamtrechtsnachfolge70, §§ 123 Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UmwG. Der übertragende Rechtsträger behält aber zumindest ein geringes ___________ 66

Vgl. dazu ausführlich oben § 8 C. III. 2. Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 73; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnrn. 2, 13; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 14, § 135 Rdnr. 1; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 18; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 26. 68 Vgl. oben § 7 B. II. 1. b) sowie die Übersicht: Aufspaltung und Abspaltung oben § 7 E. V. 2. (insb. k)). 69 Vgl. Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rdnrn. 2 ff.; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 102; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 131 Rdnrn. 1 f. 70 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 57; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnrn. 1 f.; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 131 Rdnrn. 1 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (794). 67

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Restvermögen zurück71. Zu diesem verbleibenden Rest zählen in jedem Fall (d.h. gegebenenfalls auch entgegen einer abweichenden spaltungsvertraglichen Zuweisung) das Eigentum bzw. die Rechtsinhaberschaft an all jenen Vermögensgegenständen, die rechtsgeschäftlich nicht übertragbar sind, § 131 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UmwG. Deshalb bleibt der übertragende Rechtsträger anders als bei der Aufspaltung als eigenständiges Rechtssubjekt erhalten72,  den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers werden entsprechend dem Abspaltungs- und Übernahmevertrag bzw. dem Abspaltungsplan Anteile an sämtlichen übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger gewährt73, §§ 123 Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG, und  in den Fällen einer Abspaltung im Wege der Neugründung entstehen zudem ein oder mehrere neue Rechtsträger, welche gemäß dem Abspaltungsplan einen Teil der Rechte und Pflichten des übertragenden Rechtsträgers kraft Gesamtrechtsnachfolge übernehmen74, §§ 123 Abs. 2 Nr. 2, 135 Abs. 1 Satz 2 UmwG.

___________ 71 Doetsch/Rühmann/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 76, J Rdnr. 138; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 69; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 9; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 9; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 20; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793). 72 Doetsch/Rühmann/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 76, J Rdnr. 138; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 69; Goutier in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 123 Rdnr. 9; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 9; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 9, § 131 Rdnr. 10; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 9; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, § 123 Rdnr. 5.4; Stengel/Schwanna in: Semler/ Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 14; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 20, § 131 Rdnr. 3; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793). 73 Vgl. Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 69 i.V.m. Rdnrn. 61 ff.; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 9, § 131 Rdnrn. 93 ff.; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rdnrn. 11 ff.; Mayer, DB 1995, S. 861 (862); Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 9; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 102; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 20, § 131 Rdnrn. 5 f. 74 Vgl. die Checkliste bei Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 70; Mayer, DB 1995, S. 861 (862); Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 135 Rdnrn. 1 ff.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

1. Rechtsfolgen für den übertragenden Rechtsträger Die Beurteilung der Auswirkungen einer Abspaltung auf den übertragenden Rechtsträger variiert gegenüber den Fällen der Verschmelzung und auch der Aufspaltung, da der übertragende Rechtsträger diesmal nur einen Ausschnitt seines Vermögens preisgibt und als Träger des Restvermögens weiterhin Bestand hat. Die Rechtsfolge des Erlöschens der Ausgangsgesellschaft beschränkt § 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG ausdrücklich auf den Spaltungsvorgang der das ursprüngliche Gesellschaftsvermögen vollständig aufzehrenden Aufspaltung. a) Grundsatz des Mitbestimmungsverlustes Tendenziell werden durch den Abfluss von Vermögenselementen aus dem Gesellschaftsvermögen des übertragenden Rechtsträgers die für diesen mitbestimmungserheblichen Faktoren, namentlich die Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer und der Umfang des Gesellschaftskapitals, eher abschmelzen und auf diese Weise gegebenenfalls auch die im Unternehmen etablierten Beteiligungsrechte der Arbeitnehmerschaft abschwächen oder sogar vollständig entfallen lassen. Theoretisch sind zwar auch Abspaltungskonstellationen denkbar, in denen die ausgelöste Vermögensminderung die mitbestimmungserheblichen Parameter gänzlich unberührt lässt. Diese Ausnahmen dürften sich allerdings kaum jemals als praxisrelevant erweisen:  Aufrechterhaltung eines konstanten Arbeitnehmerquorums bei der Abspaltung lediglich einzelner Vermögensgegenstände, die gerade keinen Betrieb oder Betriebsteil ausmachen: In diesem Fall ist auch kein Übergang der Rechte und Pflichten aus den beim übertragenden Rechtsträger begründeten Arbeitsverhältnissen über § 324 UmwG in Verbindung mit § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB an die Abspaltung gekoppelt;  kein Absinken des Gesellschaftskapitals in dem theoretisch denkbaren Fall, dass im Zuge der Abspaltung maßgeblich Verbindlichkeiten des Unternehmens auf einen anderen Rechtsträger abgewälzt werden. Auch eine solche Spaltung ist zulässig, da die Bestandteile der zu übertragenden Vermögensmasse im Rahmen der Vertragsfreiheit der Parteien bestimmt werden. aa) Verlust von Arbeitnehmern Zur Darstellung des Arbeitnehmerverlustes im Zuge einer Abspaltung und seiner Auswirkungen auf den Status der Unternehmensmitbestimmung dient der nachstehende Beispielsfall: Eine als Aktiengesellschaft verfasste Familiengesellschaft beschäftigt 2.200 Arbeitnehmer. Die Mehrheit ihrer Gesellschafter ist der Meinung, es sei sinnvoll, einen bestimmten Geschäftsbereich der Gesell-

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schaft mit seinen 800 Arbeitnehmern mittelfristig aufzugeben. Nachdem sich allerdings zunächst kein Interessent für eine vollständige Übernahme des Geschäftsbereichs finden lässt und ein Teil der Aktionäre sich besinnt, er wolle auch weiterhin am Geschäftsbereich beteiligt bleiben, finden Vorstand und Hauptversammlung der Aktiengesellschaft folgenden Kompromiss: Die Gesellschaft führt den Geschäftsbereich selbst nicht weiter, sondern überträgt ihn im Wege einer Abspaltung zur Neugründung auf eine dadurch ins Leben gerufene GmbH. Deren Geschäftsanteile werden auf die Aktionäre der übertragenden Aktiengesellschaft verteilt. Auf diese Weise kann jeder Aktionär selbst entscheiden, ob er an dem rechtlich verselbständigten Geschäftsbereich beteiligt bleiben möchte oder ob er seinen Geschäftsanteil stattdessen an einen Dritten verkauft und veräußert, ohne zugleich die Beteiligung an der Ausgangsgesellschaft aufgeben zu müssen. AntE

Übertr. AG 2.200 ArbN

AntE

Übern. GmbH (neu zu gr. Rechtsträger)

Abbildung 9.3: Rechtslage vor der Abspaltung (zur Neugründung)

Übertr. AG 1.400 ArbN

Übern. GmbH 800 ArbN

Abbildung 9.4: Rechtslage nach der Abspaltung (zur Neugründung)

Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs auf die dadurch neu gegründete GmbH verliert die übertragende Aktiengesellschaft die in den zugehörigen Betrieben beschäftigten 800 Arbeitnehmer. Ihre Arbeitsverhältnisse gehen auf der Grundlage der Vermögensneuzuweisung im Spaltungsplan (bzw. auf gesetzlicher Grundlage des § 324 UmwG in Verbindung mit § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn und soweit die Arbeitsverhältnisse im Spaltungsplan nicht explizit als Bestandteil des zu transferierenden Teilvermögens ausgewiesen sind) mit der Eintragung der Abspaltung in das Handelsregister der Aktiengesellschaft auf den neu geschaffenen Rechtsträger über. Damit reduziert sich das Arbeitnehmerquorum der Ausgangsgesellschaft auf 1.400 Beschäftigte. Infolge dessen fällt das ursprünglich nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 beteiligungspflichtige Unternehmen (nach dem Auslaufen der fünfjährigen Bestandsschutzfrist des § 325 Abs. 1 UmwG75) nur noch unter das Drittelbeteiligungsgesetz. Insbesondere kommt auch keine durch konzernrechtliche Verbundenheit der beteiligten Unternehmen begründete Zurechnung der verloren gegangenen Arbeitnehmer zur übertragenden Gesellschaft in Frage, denn durch ___________ 75

Vgl. dazu unten d).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

die Abspaltung werden Anteilsinhaber des neu geschaffenen Unternehmensträgers lediglich die Aktionäre der Ausgangsgesellschaft, nicht hingegen die Ausgangsgesellschaft selbst. bb) Verlust von Gesellschaftskapital Der durch eine Abspaltung von Teilen des Gesellschaftsvermögens hervorgerufene Verlust von Gesellschaftskapital wird, anders als bei einer Ausgliederung76, nicht durch eine Gegenleistung in Form der Gewährung von Anteilsrechten am aufnehmenden Rechtsträger kompensiert. Schließlich fließen die gewährten Anteile bei der Abspaltung nicht dem Vermögen des Ausgangsrechtsträgers zu, so dass man einen dem verlorenen Vermögen entsprechenden Ausgleichsposten auf der Aktivseite der Unternehmensbilanz vergeblich suchen wird77. Ausgeglichen wird vielmehr die Einbuße im Vermögen der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, weil sich der tatsächliche Wert ihrer Anteilsrechte vermindert, sind sie doch mit einem konstanten Prozentsatz nur noch an einem geschrumpften Sondervermögen mit der übertragenden Gesellschaft als Rechtsträger beteiligt78. Gleichwohl wird der Abfluss von Gesellschaftsvermögen sich nur dann mitbestimmungsrechtlich niederschlagen, wenn er zu einer Herabsetzung des Stamm- bzw. Grundkapitals des übertragenden Rechtsträgers führt79. Nach dem ___________ 76

Vgl. dazu unten III. 1. a). Mayer, DB 1995, S. 861 (865). 78 Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 9; vgl. auch Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 74. 79 Das UmwG enthält für Abspaltungen nach § 123 Abs. 2 UmwG auch in Bezug auf eine mögliche Kapitalherabsetzung Sondervorschriften, welche die Möglichkeit der Wahl zwischen der Herabsetzung des satzungsmäßigen Nennkapitals auf herkömmlichem Wege und in einem vereinfachten Verfahren eröffnen sollen. Zu beachten sind hier die Vorschriften des § 139 Satz 1 UmwG (Herabsetzung des Stammkapitals einer übertragenden GmbH) und des § 145 Satz 1 UmwG (Herabsetzung des Grundkapitals einer übertragenden AG oder KGaA). Ist danach zur Durchführung der Abspaltung eine Herabsetzung des Stamm- oder Grundkapitals der übertragenden Kapitalgesellschaft erforderlich, so kann diese auch in vereinfachter Form vorgenommen werden. Damit verweist das UmwG auf die für die jeweilige Gesellschaftsform einschlägigen Vorschriften über die vereinfachte Kapitalherabsetzung, also auf die §§ 58a ff. GmbHG für die GmbH und auf die §§ 229 ff. AktG für die AG und die KGaA. Dabei handelt es sich um bloße Rechtsfolgenverweisungen. Das bedeutet, die im GmbHG und im AktG geregelten Tatbestandsmerkmale (Ausgleich von Wertminderungen oder Deckung sonstiger Verluste, Zwang zur Auflösung von Kapitalrücklagen, Unzulässigkeit der Kapitalherabsetzung bei vorhandenem Gewinnvortrag) sind neben denjenigen des UmwG nicht mehr gesondert zu prüfen, vgl. Mayer, DB 1995, S. 861 (866). Erforderlichkeit im Sinne der §§ 139 Satz 1, 145 Satz 1 UmwG ist dabei immer dann gegeben, wenn dem übertragenden Rechtsträger durch die Abspaltung Vermögen in einem Ausmaße entzogen wird, 77

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klaren Wortlaut des § 95 Abs. 4 AktG kommt es für die Gestaltungsfreiheit bei der Festlegung der Anzahl der Mandate im (mitbestimmten) Aufsichtsrat nämlich gerade nicht auf den Verlust oder den Zuwachs von Gesellschaftskapital überhaupt an, sondern ausschließlich auf etwaige Bewegungen des den Gesellschaftsgläubigern in Gestalt von Grundkapital (bzw. im Falle der mitbestimmten GmbH in Gestalt von Stammkapital) von der Satzung garantierten Mindesthaftungsfonds. § 95 Satz 4 AktG spricht insofern von einem Grundkapital (bzw. Stammkapital) in Höhe von bis zu 1.500.000 Euro: mehr als 1.500.000 Euro: mehr als 10.000.000 Euro:

bis zu 9 Aufsichtsratsmitglieder, bis zu 15 Aufsichtsratsmitglieder, bis zu 21 Aufsichtsratsmitglieder.

Sonstige Schwankungen des Kapitalbestands werden vom Gesetz gerade nicht berücksichtigt. Ähnlich verhält es sich im Anwendungsbereich der Montanmitbestimmungsgesetze. Das Montanmitbestimmungsgesetz bestimmt in seinen §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 und 2 für Unternehmen mit einem Nennkapital in Höhe von bis zu 10.000.000 Euro: mehr als 10.000.000 Euro: mehr als 25.000.000 Euro:

11 Aufsichtsratsmitglieder, 15 Aufsichtsratsmitglieder (fakultativ), 21 Aufsichtsratsmitglieder (fakultativ).

Wenn auch der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 3 MitbestErgG demgegenüber die Terminologie „Gesellschaftskapital“ verwendet und damit eigentlich aus dem im Aktiengesetz und im Montanmitbestimmungsgesetz angewendeten System ausbricht, gilt nach dem Sinn und Zweck der Norm hier ebenso, dass auf das statutarische Gesellschaftskapital und damit auf das in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag festgelegte Stamm- bzw. Grundkapital rekurriert wird. Der einzige der Holdingnovelle bekannte gesetzliche Schwellenwert liegt bei einem Nennkapital von 25.000.000 Euro. Einschlägig mitbestimmungsbedürftige Aktiengesellschaften und GmbH mit einem Mindesteigenkapital bis zu dieser Höhe müssen ein fünfzehnköpfiges Aufsichtsorgan bilden, bei einem höheren Nennkapital können optional einundzwanzig Mandate vergeben werden.

___________ dass das nach dem Vollzug der Spaltung verbleibende Gesellschaftsvermögen das den Gläubigern mit dem Stamm- bzw. Grundkapital zur Verfügung gestellte Mindesteigenkapital unterschreitet, vgl. dazu Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 74; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 139 Rdnrn. 32 f.; Rieger in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 145 Rdnrn. 10 ff.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

b) Möglichkeit der Mitbestimmungsneutralität Eine für den Mitbestimmungsstatus des übertragenden Rechtsträgers neutrale Abspaltung liegt immer dann vor, wenn Vermögensgegenstände nur in einem Ausmaß abfließen, dass weder gesetzliche Schwellenwerte bei Arbeitnehmerzahlen oder der Nennkapitalhöhe unterschritten werden noch der Tätigkeitsbereich des Unternehmens sich in erheblicher Weise verschiebt. Handelt es sich bei dem übertragenden Rechtsträger um eine Personengesellschaft, so ist sie nach wie vor der Umwandlung zwingend mitbestimmungsfrei, sofern nicht der § 4 Abs. 1 MitbestG auf sie Anwendung findet. c) Ausnahme: Möglichkeit des Mitbestimmungszuwachses Einen Mitbestimmungszuwachs, veranlasst gerade durch die Preisgabe von Vermögensteilen, kann die Ausgangsgesellschaft in den folgenden Fällen erfahren:  Das Unternehmen reicht als Folge der Abspaltung bestimmte tendenzgeschützte Betriebe oder Betriebsteile an den aufnehmenden Rechtsträger weiter. Waren beim übertragenden Rechtsträger gerade diese Betriebe zuvor prägend für die Tätigkeit seines Unternehmens als Ganzes, so gibt der Rechtsträger neben dem materiellen Wert auch das Privileg des Tendenzschutzes für sein Unternehmen preis. Er schrumpft aus dem Schutzbereich der gesetzlichen Tendenzschutzklauseln (§ 1 Abs. 4 MitbestG bzw. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 DrittelbG) heraus.  Nach der Abgabe eines nicht montanbezogenen Geschäftsbereichs an die aufnehmende Zielgesellschaft tritt bei der Ausgangsgesellschaft die Bedeutung eines ihr verbleibenden montanbezogenen Geschäftsbereichs deutlicher hervor, so dass sie ab dem Wirksamwerden der Abspaltung als Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie eingestuft werden muss und als solches für die Zukunft den entsprechenden speziellen Beteiligungsgesetzen unterworfen ist (Montanstatut).  Wesentlich komplizierter stellt sich schließlich wiederum die nachstehend beschriebene Möglichkeit des Mitbestimmungszuwachses dar. Sie fußt auf den Sonderregelungen über die Zurechnung von Arbeitnehmern innerhalb der beteiligungsidentischen Kapitalgesellschaft & Co. KG und ist spiegelbildlich zu der entsprechenden Überlegung zum Mitbestimmungsverlust beim übernehmenden Rechtsträger eines Verschmelzungsprozesses zu begreifen80. Eben wegen der dort durchgeführten ausführlichen Untersuchung ___________ 80 Vgl. zur beschriebenen Verschmelzungskonstellation oben § 8 C. III. 2.; außerdem zum verwandten Gedanken, dass der übernehmende Rechtsträger das zur Unterbrechung

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kann an dieser Stelle auf eine eingehende Wiederholung verzichtet werden. Entscheidende Bedeutung erlangt entsprechend den dort gefundenen Ergebnissen auch hier die Sperrklausel am Ende des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. Danach ist eine Zurechnung der Arbeitnehmer von der unternehmenstragenden Kommanditgesellschaft zu ihrer Komplementärgesellschaft selbst bei einer beteiligungsidentischen Struktur der beiden miteinander verwobenen Gesellschaften im Sinne der Norm immer dann ausgeschlossen, wenn die Komplementärgesellschaft einen eigenen Geschäftsbetrieb mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern hat81. Es sind demnach Fälle denkbar, in denen eine Komplementärgesellschaft eben nicht nur zum Zwecke der Haftungsabschottung gegenüber den Gläubigern der Kommanditgesellschaft eingesetzt wird, sondern darüber hinaus ein eigenständiges operatives Ziel verfolgt. Geschieht dies unter Einsatz von regelmäßig mehr als 500 und höchstens 2.000 Arbeitnehmern, so ist (außerhalb der Montanmitbestimmung) auf die Komplementärgesellschaft allenfalls das Drittelbeteiligungsgesetz anwendbar. Dies gilt unabhängig davon, wie viele Arbeitnehmer bei der Kommanditgesellschaft beschäftigt sind, denn deren Zurechnung zum persönlich haftenden Gesellschafter ist eben wegen dessen eigener hoher Arbeitnehmerzahl vollständig ausgeschlossen. Genau jene Blockade kann allerdings durch den für Spaltungen typischen Abfluss von Gesellschaftsvermögen bei dem übertragenden Rechtsträger aufgehoben werden. Spaltet die Komplementärin etwa einen oder mehrer Betriebe auf eine Drittgesellschaft ab und schmilzt ihr Arbeitnehmerquorum daher auf in der Regel höchstens 500 Arbeitnehmer ab, so wird dadurch die genannte Sperrklausel außer Funktion gesetzt. Sind bei der Kommanditgesellschaft nun ausreichend Arbeitnehmer vorhanden, so werden diese der Komplementärin zusätzlich zu den nach der Abspaltung verbliebenen eigenen Arbeitnehmern zugerechnet, wenn und damit der Schwellenwert von mehr als 2.000 Arbeitnehmern aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG durchbrochen werden kann. Ausgerechnet der Verlust eigener Arbeitnehmer bedeutet für die Komplementärin in diesem Fall ausnahmsweise einen Mitbestimmungszuwachs von der Drittelbeteiligung in die Quasiparität.

___________ der Arbeitnehmerzurechnung benötigte zusätzliche Eigenvermögen (Schaffung weiterer eigener Arbeitsverhältnisse) natürlich auch im Zuge einer Unternehmensspaltung erhalten kann oben B. I. 2. c). 81 Vgl. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 4 Rdnrn. 14 (Spiegelstr. 3), 26 f.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 4 Rdnrn. 10 ff.; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 5; Raiser, MitbestG, § 4 Rdnr. 16; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 4 Rdnrn. 19 f.; Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 4 Rdnr. 4; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 31.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

d) Vorübergehende Mitbestimmungsbeibehaltung gemäß § 325 Abs. 1 UmwG Entfallen durch eine Abspaltung im Sinne des § 123 Abs. 2 UmwG bei einem übertragenden Rechtsträger die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, so finden gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 UmwG die vor der Unternehmensspaltung geltenden Vorschriften noch für einen Zeitraum von fünf Jahren über das Wirksamwerden der Abspaltungsmaßnahme hinaus Anwendung. Ein anderes gilt allerdings aufgrund des § 325 Abs. 1 Satz 2 UmwG in solchen Fällen, in denen die einschlägigen Mitbestimmungsvorschriften eine Mindestzahl von Arbeitnehmern voraussetzen und die danach berechnete Zahl der Arbeitnehmer des übertragenden Rechtsträgers auf weniger als in der Regel ein Viertel dieser Mindestzahl sinkt. Die vielschichtigen Probleme um die Auslegung dieser Norm sind in der Literatur ausführlich behandelt worden82. Das Argumentationspotential dürfte weitgehend ausgeschöpft sein. Es wird daher davon Abstand genommen, an dieser Stelle einen weiteren Beitrag zu einem Thema zu verfassen, das arbeitswie gesellschaftsrechtliche Gemüter mittlerweile seit rund zwölf Jahren beschäftigt. Stattdessen sei zunächst schlicht auf die vorstehend zitierte Literatur verwiesen. 2. Rechtsfolgen für den bzw. die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger Der Mitbestimmungsstatus der neue Vermögensteile hinzugewinnenden Zielgesellschaften kann im Falle der Abspaltung in gleicher Weise beeinflusst werden, wie bei der Verschmelzung83 und der Aufspaltung84. III. Auswirkungen der Ausgliederung Neben Auf- und Abspaltung kennt das Umwandlungsgesetz die Ausgliederung im Sinne des § 123 Abs. 3 UmwG als dritte Modalität der Spaltung. Sie kann im Wege der Aufnahme durch Übertragung eines oder mehrerer Teilvermögen auf einen oder mehrere bestehende Rechtsträger (§ 123 Abs. 3 Nr. 1 ___________ 82 Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 325; Henssler, ZfA 2000, S. 241 (252 ff.); Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 325; Willemsen in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, UmwG § 325; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 325; Wißmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 325. 83 Vgl. dazu oben § 8 C. 84 Vgl. dazu oben I. 2.

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

351

UmwG) und im Wege der Neugründung durch Übertragung eines oder mehrerer Teilvermögen auf einen oder mehrere dadurch neu zu gründende Rechtsträger (so genannte Ausgründung85, § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) durchgeführt werden. Es besteht die Möglichkeit der Kombination von bestehenden und neuen zur Aufnahme von Vermögenselementen bestimmten Rechtsträgern nach § 123 Abs. 4 UmwG86. Rechtsfolgen sind87:  Die im Ausgliederungs- und Übernahmevertrag bzw. im Ausgliederungsplan unter Wahrung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes näher beschriebenen Teilvermögen des übertragenden Rechtsträgers einschließlich der Verbindlichkeiten gehen via Gesamtrechtsnachfolge in der vertraglich bzw. im Plan vorgesehenen Verteilung auf die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger über88, §§ 123 Abs. 3, 131 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UmwG. Wie bei der Abspaltung bleibt auch hier der Ausgangsrechtsträger zwingend erhalten89. Dazu ist aber nicht unbedingt erforderlich, dass er einen Teil seines ursprünglichen Gesellschaftsvermögens zurückbehält. Vielmehr kann dieses auch vollständig übertragen werden (so genannte Totalausgliederung). Denn das zu übertragende Vermögen fließt erst mit der Registereintragung der Ausgliederung ab. Im selben Zeitpunkt aber wird das verlorene Vermögen durch zufließende Gesellschaftsanteile an den übernehmenden Rechtsträgern substituiert, so dass der Ausgangsrechtsträger zu keiner Zeit vollständig vermögenslos werden kann. Bei der vollständigen Aufgabe sei___________ 85 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 72; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 15 unter Hinweis auf die Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 22. 86 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 73; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnrn. 2, 13; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 14, § 135 Rdnr. 1; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 18; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr 26. 87 Vgl. oben § 7 B. II. 1. c) sowie die Übersicht: Ausgliederung oben § 7 E. V. 3. (insb. j)). 88 Vgl. Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 11; Kallmeyer in: Kallmeyer, § 131 Rdnrn. 2 ff.; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 22, § 131 Rdnrn. 1 f. 89 Vgl. Doetsch/Rühmann/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 77, J Rdnr. 138; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 71 i.V.m. Rdnr. 69; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 11 i.V.m. Rdnr. 9; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnrn. 11, 9; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 15 i.V.m. Rdnr. 9; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 15 i.V.m. Rdnr. 14; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 23, § 131 Rdnr. 3; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793 f.).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

nes originären Vermögens verwandelt sich der übernehmende Rechtsträger durch die Ausgliederung dann in eine reine Holdinggesellschaft90,  der übertragende Rechtsträger wird entsprechend dem Ausgliederungs- und Übernahmevertrag bzw. dem Ausgliederungsplan Anteilsinhaber sämtlicher übernehmender Rechtsträger91, §§ 123 Abs. 3, 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 UmwG. Anders als bei Aufspaltung und Abspaltung sind die Anteilsinhaber der Ausgangsgesellschaft also von der Ausgliederung überhaupt nicht unmittelbar betroffen, und  in den Fällen einer Ausgliederung im Wege der Neugründung entstehen zudem ein oder mehrere neue Rechtsträger, welche gemäß dem Ausgliederungsplan einen Teil der Rechte und Pflichten des übertragenden Rechtsträgers kraft Gesamtrechtsnachfolge übernehmen92, §§ 123 Abs. 3 Nr. 2, 135 Abs. 1 Satz 2 UmwG. 1. Rechtsfolgen für den übertragenden Rechtsträger a) Grundsätzlicher Parallellauf zur Abspaltungssituation Durch die Aufspaltung gibt der übertragende Rechtsträger ganz wie bei der Abspaltung das Eigentum bzw. die Rechtsinhaberschaft an verschiedenen Vermögensgegenständen an einen oder mehrere übernehmende bzw. neu gegründe___________ 90

Vgl. zur Totalausgliederung z.B. Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 1 Rdnr. 69; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 58; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 22; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 12; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 126 Rdnrn. 55 ff.; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 15; Schwarz in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 123 Rdnrn. 4.1.2, 7.3; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 17. 91 Doetsch/Rühmann/Seibt/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 77, F Rdnr. 115, J Rdnr. 138; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 163; Goutier in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 123 Rdnr. 10; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 11; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnrn. 11, 10, § 131 Rdnrn. 11 ff.; Köstler/Kittner/ Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 317; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnr. 26; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 15; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 123 Rdnr. 5.5; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 15; Teichmann in: Lutter/ Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 23, § 131 Rdnrn. 5 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (794). 92 Vgl. die Checkliste bei Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 72; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 12; Mayer, DB 1995, S. 861 (862); Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 135 Rdnrn. 1 ff.

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

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te Rechtsträger ab. Üblicherweise93 erfüllen die zu übertragenden Sach- und Rechtsgesamtheiten schon bei dem übertragenden Rechtsträger einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck und lassen sich deshalb als Betriebe oder wenigstens als Betriebsteile qualifizieren94. Die Ausgliederung bewirkt also in der Regel, dass das Gesellschaftsvermögen der Ausgangsgesellschaft um mitbestimmungserhebliche Vermögenspositionen (insbesondere Arbeitsverhältnisse) gekürzt wird. Dennoch ergeben sich aus den Eigenarten des Ausgliederungsrechts einige Besonderheiten, die es verbieten, an dieser Stelle schlicht auf die zur Umstrukturierung des Unternehmens durch Abspaltung gefundenen Ergebnisse zu verweisen. Vor allem ist zu berücksichtigen, dass in den Konstellationen der Ausgliederung im umwandlungsgesetzlichen Sinne ein tatsächliches Absinken des Eigenkapitals beim übertragenden Rechtsträger kaum jemals zu befürchten ist, da sich die Ausgliederung für ihn, wie gesehen, bilanziell als ein reiner Austausch von in der Regel gleichwertigen Aktiva darstellt95. Dieser Umstand lässt sich auch anhand der Systematik des Umwandlungsgesetzes belegen. Er liegt nämlich der geltenden Fassung des § 125 UmwG zugrunde. Nur weil in Ausgliederungsfällen der Wert des Gesellschaftsvermögens des übertragenden Rechtsträgers konstant bleibt, mindert sich anders als bei der Abspaltung auch der Wert der von den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers gehaltenen Gesellschaftsanteile nicht. Auf diese Tatsache wiederum lassen sich sämtliche Ausnahmen zurückführen, die der § 125 UmwG für die Ausgliederung in seinen Sätzen 1 und 2 von der umfassenden Verweisung auf die Regelungen des Verschmelzungsrechts macht. Im Einzelnen beanspruchen vor diesem Hintergrund in Ausgliederungskonstellationen keine Geltung  die §§ 14 Abs. 2 und 15 UmwG, da diese Vorschriften die Überprüfung des Umtauschverhältnisses der Gesellschaftsanteile betreffen (Ausschluss der Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses aufgrund einer zu geringen Bemessung des Umtauschverhältnisses sowie Verbesserung des Umtauschverhältnisses im Wege einer baren Zuzahlung als Kompensation des zu niedrig bemessenen Gegenwerts),

___________ 93 Vgl. aber Willemsen in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, UmwG § 324 Rdnr. 7. 94 So z.B. Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 92; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 14 (zur Abspaltung). 95 Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1463 mit w. Nachw.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

 die §§ 29 bis 34 UmwG, da diese Vorschriften die Barabfindung von Anteilsinhabern regeln, die der Verschmelzung zur Niederschrift widersprechen,  die Kapitalerhöhungsverbote der §§ 54 und 68 UmwG,  der § 71 UmwG als Vorschrift betreffend die Bestellung eines Treuhänders durch den übertragenden Rechtsträger zum Zwecke des Empfangs der als Gegenleistung zu gewährenden Aktien und der baren Zuzahlungen und  die §§ 9 bis 12 UmwG, da der hinter einer Umwandlungsprüfung und den entsprechenden Folgevorschriften (Bestellung der Umwandlungsprüfer, Stellung und Verantwortlichkeit der Prüfer, schriftlicher Prüfungsbericht) stehende Schutzgedanke bei der Ausgliederung nicht zum Tragen kommt96. Sind bei der Ausgliederung aber Schwankungen in der Höhe des Gesellschaftskapitals (weitgehend) ausgeschlossen97, so kommt ein Absinken unter die bekannten mitbestimmungserheblichen Kapitalschwellenwerte gar nicht erst in Frage. Wenn im Zuge einer Ausgliederung das Stamm- oder Grundkapital des Unternehmens herabgesetzt wird, so geschieht dies in der Regel allenfalls anlässlich der Unternehmensumwandlung, nicht aber unmittelbar durch die Umwandlung. Ausnahmen sind lediglich in den eher seltenen Fällen vorstellbar, wenn bei der Ausgliederung auf einen bestehenden Zielrechtsträger dessen Unternehmen sich bereits in einer derart schlechten Vermögenslage befindet, dass die dem übertragenden Rechtsträger zu gewährenden neuen Gesellschaftsanteile nicht in einem ausgewogenen Wertverhältnis zu der übernommenen Vermögensmasse stehen98. Wird das Stamm- bzw. Grundkapital in diesen Konstellationen herabgesetzt, so kann die Ausgliederung gemäß § 139 Satz 2 UmwG (für die GmbH) und § 145 Satz 2 UmwG (für die Aktiengesellschaft und über § 278 Abs. 3 AktG ebenfalls für die Kommanditgesellschaft auf Aktien) erst dann in das Handelsregister eingetragen und damit zur Wirksamkeit gebracht werden, wenn zuvor die Herabsetzung des Stammkapitals bzw. die Durchführung der Herabsetzung des Grundkapitals eine entsprechende Registereintragung erfahren hat99. ___________ 96

Vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwG: Der Prüfungsbericht ist mit einer Erklärung darüber abzuschließen, ob das vorgeschlagene Umtauschverhältnis der Anteile, gegebenenfalls die Höhe der baren Zuzahlung oder die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden Rechtsträger als Gegenwert angemessen ist. 97 Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 16; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 23. 98 Dazu Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 75; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 139 Rdnrn. 17 f.; Rieger in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 145 Rdnrn. 7 ff. 99 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 75 i.V.m. Rdnr. 74.

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

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b) Vorübergehende Mitbestimmungsbeibehaltung gemäß § 325 Abs. 1 UmwG Der § 325 Abs. 1 Satz 1 UmwG ist nicht nur einschlägig in Abspaltungskonstellationen, sondern daneben auch bei Ausgliederungen im rechtstechnischen Sinne des § 123 Abs. 3 UmwG. Dem Grundsatz nach muss infolgedessen beachtet werden, dass in solchen Fällen, in denen der übertragende Rechtsträger aufgrund der Ausgliederung die gesetzlichen Voraussetzungen des bislang auf ihn anwendbaren Beteiligungsgesetzes für die Integration von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat nicht mehr erfüllt, die vor der Ausgliederung geltenden Vorschriften kraft umwandlungsgesetzlicher Anordnung erst nach Ablauf einer Übergangsfrist von fünf Jahren keine Anwendung mehr auf den übertragenden Rechtsträger finden. c) Besonderheit der konzerninternen Zurechnung von Arbeitnehmern In zahlreichen Fällen wird es im aber auf die Bestandsschutzregelung des § 325 Abs. 1 UmwG gar nicht erst ankommen. Die Rede ist hier von Sachverhalten, in denen der Mitbestimmungsstatus des übertragenden Rechtsträgers aufgrund des Verlustes von Arbeitnehmern an den aufnehmenden Rechtsträger auf den ersten Blick nicht mehr haltbar zu sein scheint, auf den zweiten Blick sich aber als unverändert erweist, weil die verlorenen Arbeitnehmer über die Vorschriften betreffend die Arbeitnehmerzurechnung innerhalb des Konzernverbundes immer noch auch als solche des übertragenden Rechtsträgers gelten. Dann wird die Anordnung einer temporären Beibehaltung des herkömmlichen Mitbestimmungsniveaus zur Makulatur. Genauer: Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sind durch die Ausgliederung gerade nicht entfallen im Sinne des § 325 Abs. 1 Satz 1 UmwG, sondern lediglich auf eine neue gesetzliche Berechnungsgrundlage gestellt worden (§ 5 MitbestG; der § 2 Abs. 2 DrittelbG100 sowie die Vorgängernorm § 77a BetrVG 1952101 werden demgegenüber wegen der insoweit strengeren ___________ 100

Vgl. dazu etwa Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1066 f.); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 2 Rdnrn. 14, 18; Seibt, NZA 2004, S. 767 (770). 101 Vgl. dazu BayObLG 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, AG 1993, S. 177 = AP Nr. 1 zu § 77a BetrVG 1952 = BayObLGZ 1992, S. 367 = BB 1993, S. 602 = DB 1993, S. 789 (790) = EzA §§ 77-77a BetrVG 1952 Nr. 1 = GmbHR 1993, S. 165 = NJW 1993, S. 1804 (1805) = WM 1993, S. 550 = ZIP 1993, S. 263; OLG Düsseldorf 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE, NZA-RR 1997, S. 213 (215) = ZIP 1997, S. 546 (548) – Babcock-BSH AG; Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnrn. 1, 5 i.V.m. § 76 Rdnr. 106; Hanau/Schweisfurth, EWiR § 76 BetrVG 1952 1/97, S. 635 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 6; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 5; Otto, EWiR § 77a BetrVG 1952 1/93, S. 433; Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 267;

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Voraussetzung in klassischen Ausgliederungsfällen keine Verwendung finden), weshalb schon gar kein Anwendungsfall des § 325 Abs. 1 UmwG vorliegt. aa) Möglichkeit der Mitbestimmungsneutralität Beispielssachverhalt: Eine Aktiengesellschaft hat ihr Unternehmen in zwei verschiedene, rechtlich unselbständige Geschäftsbereiche mit einmal 1.200 und einmal 1.000 Arbeitnehmer untergliedert. Letzteren Geschäftsbereich möchte sie gerne rechtlich verselbständigen und deshalb auf eine neu zu gründende, eigenverantwortlich am Markt auftretende Tochtergesellschaft übertragen. Die Aktiengesellschaft führt daher eine Ausgründung (d.h. Ausgliederung zur Neugründung) durch und leitet den besagten Geschäftsbereich als Sacheinlage vollständig auf eine dadurch entstehende GmbH über. AntE

Übertr. AG 2.200 ArbN

AntE

Übern. GmbH (neu zu gr. Rechtsträger)

Abbildung 9.5: Rechtslage vor der Ausgliederung (zur Neugründung)

Übertr. AG 1.200 ArbN

Übern. GmbH 1.000 ArbN

Abbildung 9.6: Rechtslage nach der Ausgliederung (zur Neugründung)

Bis zu ihrer Trennung vom zweiten Geschäftsbereich ist die Aktiengesellschaft kraft ihrer kapitalistischen Rechtsform und ihrer Gesamtarbeitnehmerzahl (2.200 Arbeitnehmer) offensichtlich mitbestimmungspflichtig nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes 1976. Dass sie ihrem Unternehmensgegenstand nach Tendenzschutz erfährt oder das Recht der Montanmitbestimmung auf sie Anwendung findet, ist nicht ersichtlich. Möglicherweise hat sich im Rahmen der rechtlichen Verselbständigung des Geschäftsbereichs aber ihr mitbestimmungsrechtlicher Status geändert, indem die Gesellschaft aus den Vertragsbeziehungen mit 1.000 Arbeitnehmern ausgeschieden ist und sie auf die neu gegründete GmbH abgestoßen hat. Die der Ausgangsgesellschaft verbleibenden 1.200 Arbeitnehmer rechtfertigen für sich genommen nur noch die Anwendung des Drittelbeteiligungsgesetzes auf das Unternehmen, wobei natürlich der Ablauf der Frist aus § 325 Abs. 1 UmwG bis zur Durchführung des Statusverfahrens abzuwarten wäre. ___________ Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 2; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 33; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 7.

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

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Zu bedenken ist allerdings, dass durch die Wahl des Gestaltungsinstruments der Ausgliederung der Ausgangsrechtsträger sämtliche Geschäftsanteile an dem neu entstehenden Zielrechtsträger übernimmt, mit anderen Worten der Zielrechtsträger sich also als eine einhundertprozentige Tochtergesellschaft des Ausgangsrechtsträgers präsentiert. Mithin ist der Ausgangsrechtsträger, vermittelt durch die in §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG niedergelegte Vermutungskette102, herrschendes Unternehmen eines faktischen Unterordnungskonzerns im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG und die 1.000 auf das abhängige Konzernunternehmen übergeleiteten Arbeitnehmer gelten weiterhin auch als solche des herrschenden Unternehmens. Tatsächlich sind damit unverändert insgesamt 2.200 Arbeitnehmer für seinen beteiligungsrechtlichen Status berücksichtigungsfähig. Wie das Beispiel zeigt, erweist sich die Ausgliederung im Wege der Neugründung vor dem Hintergrund der Sonderregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG im sachlichen Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes 1976 deshalb regelmäßig als mitbestimmungsneutral, es sei denn, ein Absinken des Mitbestimmungsstatuts lässt sich beim übertragenden Rechtsträger anhand anderer Mitbestimmungsparameter begründen. Nachdem der Verlust von Gesellschaftsvermögen beim bloßen Aktivtausch nicht zu Debatte steht und Spaltungsmaßnahmen die Rechtsform und den effektiven Verwaltungssitz des Ausgangsrechtsträgers unberührt lassen, verbleibt indessen allenfalls die Verschiebung des Schwerpunkts der Unternehmenstätigkeit. Etwas anderes gilt jedoch für solche Ausgangsrechtsträger, die originär dem Drittelbeteiligungsstatut unterworfen sind. Denn in diesem Fall reicht eine bloße Mehrheitsbeteiligung der übertragenden Gesellschaft an der übernehmenden Gesellschaft nicht aus, um den Zurechnungseffekt auszulösen. Hier kommt es vielmehr auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrags oder eine

___________ 102 Vgl. zu den gesetzlichen Konzernvermutungen der §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 AktG BayObLG 24.03.1998 – 3 Z BR 236/96, DB 1998, S. 973 ff. = NZA 1998, S. 956 ff. – Walter Holding I; OLG Bremen 30.04.1980 – 1 W 3/80 (c), DB 1980, S. 1332 (1334) – Kühne und Nagel; OLG Stuttgart 03.05.1989 – 3 W 38/89, AG 1990, S. 168 (169) = BB 1989, S. 1005 (1006) – Mahle Beteiligungen GmbH; OLG Stuttgart 30.03.1995 – 8 W 355/93, ZIP 1995, S. 1004 ff. – Charles Vögele Holding AG; LG Hamburg 26.06.1995 – 321 T 61/94, AG 1996, S. 89 f. – AMB/Volksfürsorge Holding AG; LG Stuttgart 29.11.1988 – 2 AktE 1/88, AG 1989, S. 445 (447) – Mahle Beteiligungen GmbH; LG Stuttgart 11.05.1993 – 2 AktE 1/92, IPRax 1994, S. 293 ff. = ZIP 1993, S. 1406 ff. – Charles Vögele Holding AG; Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnrn. 44 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 20 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rdnrn. 17 ff.; Lutter in: Lutter, Holding-Handbuch, § 1 Rdnrn. 39 ff. (sowie zur Widerlegung der Vermutungen Rdnrn. 45 ff.); Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255); Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 5 Rdnrn. 14, 19, 26 f.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

aktienrechtliche Eingliederung an103, beides Umstände, die unmittelbar durch die Ausgliederung in keinem Fall bewirkt werden können. Ferner scheitert nach den klaren Vorgaben des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG in Verbindung mit §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG die Zurechnung von Arbeitnehmern in den Fällen der Ausgliederung im Wege der Aufnahme durch einen bestehenden Rechtsträger, wenn der Ausgangsrechtsträger infolge der Ausgliederung weder die Mehrheit der Anteile an der Zielgesellschaft (§ 16 Abs. 1 Var. 1 AktG) noch die Mehrheit der Stimmrechte (§ 16 Abs. 1 Var. 2 AktG) in seinem Gesellschaftsvermögen vereint. bb) Möglichkeit des Mitbestimmungszuwachses Schließlich kann die Ausgliederung der Weitergabe eigener Arbeitsverhältnisse an einen anderen Rechtsträger zum Trotz über die Zurechnungsnorm des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG sogar einen Mitbestimmungszuwachs beim übertragenden Rechtsträger bewirken. Gedacht ist hierbei an Fälle der Ausgliederung im Wege der Aufnahme. Beispielssachverhalt: Die im oben gebildeten Beispiel104 genannte GmbH überträgt ihren Geschäftsbereich mit 1.000 Arbeitnehmern nicht auf eine zu diesem Zweck neu gegründete Gesellschaft, sondern auf ein bereits bestehendes Partnerunternehmen in der Rechtsform einer GmbH, welches bis dato 500 eigene Arbeitnehmer aufweist. Zurück behält sie einen Geschäftsbereich, in dem allerdings abweichend vom Ausgangsfall nur 800 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Die übernehmende GmbH erhöht zum Ausgleich des bei der übertragenden GmbH durch die Ausgliederung provozierten Vermögensverlustes ihr Stammkapital und bildet neue Geschäftsanteile, die sie der übertragenden GmbH als Gegenleistung gewährt. Im Ergebnis sind die ursprünglichen Anteilsinhaber der Zielgesellschaft nur noch zu 40 Prozent an ihr beteiligt, während die Ausgangsgesellschaft die übrigen 60 Prozent des Stammkapitals hält.

___________ 103

Vgl. dazu auch die Bemerkungen zur konzerninternen Verschmelzung oben § 8

D. V. 104

Siehe oben aa).

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung AntE 1

AntE 2

AntE 1

AntE 2

100 % Übertr. GmbH 1.800 ArbN

Übern. GmbH 500 ArbN

Abbildung 9.7: Rechtslage vor der Ausgliederung (zur Aufnahme)

359

40 % Übertr. GmbH 800 ArbN

60 %

Übern. GmbH 1.500 ArbN

Abbildung 9.8: Rechtslage nach der Ausgliederung (zur Aufnahme)

Die beiden beteiligten Gesellschaften sind in der Ausgangssituation zwei voneinander rechtlich völlig unabhängige Unternehmen. Die Ausgliederung des Geschäftsbereichs führt indessen dazu, dass dem Ausgangsrechtsträger im Sinne des § 16 Abs. 1 Var. 1 AktG die Mehrheit der Anteile an Zielrechtsträger gehört. Es besteht deshalb gemäß § 17 Abs. 2 AktG die gesetzliche Vermutung, dass die Zielgesellschaft von der übertragenden Gesellschaft abhängig ist, weshalb die Unternehmen nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG in einem Unterordnungskonzernverhältnis stehen. Daraus lässt sich wiederum die Rechtsfolge der Arbeitnehmerzurechnung von dem beherrschten Konzernunternehmen zu der herrschenden Konzernspitzengesellschaft herleiten, § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. Zuzurechnen sind der Konzernspitze diesmal aber nicht nur diejenigen Arbeitnehmer, die ursprünglich einmal unmittelbar bei ihr beschäftigt waren, sondern sämtliche Arbeitnehmer des abhängigen Unternehmens (d.h. hier ein Gesamtquorum von 1.500 Arbeitnehmern) gelten zugleich als solche der Konzernspitze. Während die Ausgangsgesellschaft vor der Ausgliederung mit zusammen 1.800 Arbeitnehmern lediglich ein Drittel ihrer Aufsichtsratsmandate an Repräsentanten der Arbeitnehmerschaft vergeben musste, erreicht sie nach der Ausgliederung also einen Gesamtwert von 2.300 Arbeitnehmern und damit mittlerweile das sachliche Anwendungsfeld des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG. 2. Rechtsfolgen für den bzw. die übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger Für die übernehmenden Rechtsträger gelten die zur Verschmelzung105 und den anderen Spaltungsvarianten106 gemachten Ausführungen entsprechend.

___________ 105 106

Vgl. dazu oben § 8 C. Vgl. zur Aufspaltung oben I. 2., zur Abspaltung oben II. 2.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

C. Konzerninterne Spaltungsvorgänge Damit sind die Auswirkungen von Unternehmensspaltungen auf dem Status der Unternehmensmitbestimmung in ihren Grundzügen geklärt. Ganz wie bei der Untersuchung des Gestaltungsmittels Verschmelzung gilt allerdings auch hier, dass in der Gestaltungspraxis die Umstrukturierung von Unternehmen innerhalb eines Konzerns nicht weniger oft, wahrscheinlich sogar wesentlich häufiger, zur Debatte steht als diejenige von gesellschaftsrechtlich isoliert stehenden Unternehmen. Bestehende Konzernstrukturen und ihre Abänderung infolge einer vermögensübertragenden Umwandlung auch nur einzelner Konzernunternehmen liefern nun ebenso in Spaltungsfällen erst die Grundlage für einen rechtlich wirklich anspruchsvoll zu beurteilenden Sachverhalt. Im Folgenden werden deshalb die besonderen Fragen behandelt, die durch Spaltungen upstream107 (Aufspaltungen, Abspaltungen und Ausgliederungen von Vermögen und Teilvermögen untergeordneter Konzernunternehmen auf das sie beherrschende Unternehmen oder mehrere beherrschende Unternehmen) und Spaltungen downstream108 (Aufspaltungen, Abspaltungen und Ausgliederungen von Vermögen und Teilvermögen eines herrschenden Unternehmens auf ein ihnen untergeordnetes Konzernunternehmen oder mehrere untergeordnete Konzernunternehmen) typischerweise aufgeworfen werden können. I. Spaltungsvorgänge von der Tochter- auf die Muttergesellschaft (upstream) 1. Auf- und Abspaltung upstream a) Abspaltung Beispielsachverhalt: Eine Muttergesellschaft, die die Rechtsform einer Aktiengesellschaft aufweist und eine reine Holdingsfunktion erfüllt, ist die Alleingesellschaftern eines ebenfalls als Aktiengesellschaft verfassten Tochterunternehmens. Bei der Muttergesellschaft selbst bestehen keine Arbeitsverhältnisse. Die Tochtergesellschaft betreibt ein Unternehmen mit insgesamt 2.650 Arbeitnehmern, von denen 450 auf einen ersten und 2.200 auf einen zweiten Geschäftsbereich entfallen. Der zweite Geschäftsbereich soll nach den Planungen der Konzernleitung zukünftig unmittelbar der Muttergesellschaft zugewiesen und zu diesem Zwecke auf sie abgespalten werden.

___________ 107 108

Vgl. dazu unten I. Vgl. dazu unten II.

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung AntE

361

AntE 100 % 100 %

Mutter-AG keine ArbN

Tochter-AG 2.650 ArbN

Mutter-AG 2.200 ArbN

Abbildung 9.9: Rechtslage vor der Abspaltung (zur Aufnahme) upstream

Tochter-AG 450 ArbN

Abbildung 9.10: Rechtslage nach der Abspaltung (zur Aufnahme) upstream

aa) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft Bei der Tochtergesellschaft schrumpft als Ergebnis der Abspaltung eines ihrer Geschäftsbereiche die Arbeitnehmerzahl von 2.650 auf nur noch 450. Infolgedessen fällt sie nicht mehr unter das Mitbestimmungsgesetz 1976 und genügt, da sich keine Hinweise auf eine Eintragung im Handelsregister schon vor dem 10. August 1994 finden lassen, im Zweifel nicht einmal mehr den tatbestandlichen Voraussetzungen des Drittelbeteiligungsgesetzes. Allerdings verbietet sich eine umgehende Einleitung des Statusverfahrens zur Neubesetzung des Aufsichtsrats eigentlich insofern, als die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 hier gerade durch eine Abspaltung im Sinne des § 123 Abs. 2 UmwG wegfallen. Das legt die Vermutung nahe, dass die §§ 6 ff. MitbestG gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 UmwG noch für einen Übergangszeitraum von fünf Jahren nach dem Wirksamwerden der Abspaltung auf die Tochtergesellschaft Anwendung finden werden. Zu beachten ist indessen, dass mit den verbleibenden 450 Arbeitnehmern die Tochtergesellschaft nicht einmal mehr auf fünfundzwanzig Prozent der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG geforderten Mindestarbeitnehmerzahl (in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer) kommt. In diesen Fällen erweist sich die Fortgeltung des ohnehin schon nicht mehr auf die geschrumpfte Gesellschaft zugeschnittenen quasiparitätischen Beteiligungsstatuts sicherlich als unangemessen. Dem trägt das Gesetz über die Ausnahmeklausel des § 325 Abs. 1 Satz 2 UmwG Rechnung, so dass der Tochtergesellschaft der sofortige Anpassung der Besetzung ihrer Gesellschaftsorgane ermöglicht wird. bb) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft Bei der Muttergesellschaft sind aufgrund ihrer konzernrechtlichen Verbindung zu der übertragenden Tochtergesellschaft zwei Besonderheiten zu beach-

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

ten, die letztlich parallel zu der für den einfachen upstream merger besprochenen Situation109 gelagert sind. (1) Konzerninterne Arbeitnehmerzurechnung Trotz des für sich betrachtet mitbestimmungserheblichen Zuwachses an Arbeitnehmern, der bei der bei der Muttergesellschaft einen eigenen Bestand von 2.200 Arbeitnehmern begründet und damit bereits den für das Mitbestimmungsgesetz 1976 charakteristischen Arbeitnehmerschwellenwert überwindet, ist die Abspaltung für die Muttergesellschaft insofern mitbestimmungsneutral. Denn kraft der Zurechnung von Arbeitnehmern auch schon im rein faktischen Konzernrechtsverhältnis bei bloßer Mehrheitsbeteiligung galten sämtliche Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft schon vor der Abspaltung ebenfalls als solche der herrschenden Konzernspitzengesellschaft. Mithin beläuft sich der für sie ausschlaggebende Arbeitnehmerbestand vor (2.650 fremde Arbeitnehmer) wie nach der Unternehmensumwandlung (2.200 eigene + 450 fremde Arbeitnehmer) auf insgesamt 2.650 Arbeitnehmer. (2) Auswirkungen des Kapitalerhöhungsverbots Ganz ähnlich wie beim upstream merger gilt auch bei der Abspaltung upstream, dass das Umwandlungsgesetz eine Ausnahme von der Pflicht zur Anteilsgewährung durch den aufnehmenden Rechtsträger an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers macht. Diese beiden Funktionen werden nämlich in den genannten Fällen von ein und derselben Person erfüllt. Die Muttergesellschaft tritt als Zielrechtsträger der Abspaltung auf und gleichzeitig auch als (hier alleiniger) Anteilsinhaber des Ausgangsrechtsträgers. Damit sich die Muttergesellschaft deshalb keine Anteile an sich selbst gewähren muss und auf diese Weise in Konflikt mit den in §§ 71 ff. AktG etablierten Verbotsvorschriften gerät, gebietet § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 UmwG, dass die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers nur soweit neue Anteile am übernehmenden Rechtsträger erhalten dürfen, als nicht der übernehmende Rechtsträger oder ein Dritter, der zwar im eigenen Namen, jedoch für Rechnung dieses Rechtsträgers handelt, schon zuvor Gesellschaftsanteile am übertragenden Rechtsträger hält110.

___________ 109

Vgl. dazu oben § 8 D. II. 1. Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 61; Grunewald/Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 131 Rdnr. 7 i.V.m. § 20 Rdnrn. 59 ff.; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 131 110

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

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Bekräftigt wird diese Einschränkung der spaltungsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten durch die systematisch im Verschmelzungsrecht niedergelegten Kapitalerhöhungsverbote der §§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwG. Kraft der Verweisung in § 125 Satz 1 UmwG gelten sie auch in Spaltungskonstellationen111 mit Ausnahme der Ausgliederung112. Bei der im Beispielsfall dargelegten Abspaltung jedenfalls ist auf diesem Wege ein Ansteigen des gesellschaftsvertraglich vereinbarten Nennkapitals undenkbar, so dass diesbezüglich trotz Zugewinns an Vermögensgegenständen bei der aufnehmenden Muttergesellschaft ein Mitbestimmungszuwachs ausgeschlossen ist. Das bedeutet natürlich nicht, dass sich ein Anstieg des Mitbestimmungsniveaus nicht aus anderen Umständen herleiten lassen kann, so etwa vor allem aus einer Manipulation des Schwerpunkts der Unternehmenstätigkeit (Verlassen des Tendenzschutzbereichs, Annahme der Eigenschaft eines Unternehmens der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie, Montanmitbestimmung). b) Aufspaltung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft In Abwandlung zum vorstehend gebildeten Fall unterhält die Tochteraktiengesellschaft zwei Geschäftsbereiche, auf welche die insgesamt 2.400 Arbeitnehmer ihres Unternehmens hälftig verteilt sind. Die Aktien der Tochtergesellschaft befinden sich zu je fünfzig Prozent in den Händen einer Mutteraktiengesellschaft (600 eigene Arbeitnehmer) und einer Mutter-GmbH (9.000 eigene Arbeitnehmer). Diese beschließen einvernehmlich, die gemeinsame Tochtergesellschaft aufzugeben, um die von ihr betriebenen Geschäftsbereiche in das eigene operative Geschäft zu übernehmen. Aus diesem Grunde wollen sie das Tochterunternehmen aufspalten, wobei beiden Muttergesellschaften jeweils einer der Geschäftsbereiche einschließlich seiner Arbeitnehmer zufallen soll. ___________ Rdnr. 97; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rdnr. 12; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnr. 27; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1579. 111 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 61; Engelmeyer, Die Spaltung von Aktiengesellschaften nach dem neuen Umwandlungsrecht (1995), S. 209; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 46; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 125 Rdnrn. 50, 54 ff. (§ 54 Abs. 1 UmwG: GmbH), Rdnrn. 68, 76 (§ 68 Abs. 1 UmwG: AG); Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnrn. 1578 f.; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 125 Rdnrn. 6 (Aufspaltung), 8 (Abspaltung); Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 125 Rdnrn. 7 (Aufspaltung), 9 (Abspaltung). 112 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnrn. 64, 67; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 125 Rdnr. 19; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 125 Rdnrn. 54, 68; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1578; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 125 Rdnr. 10; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 125 Rdnr. 11.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

aa) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft Nach der zwingenden Rechtsfolge des § 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erlischt die Tochtergesellschaft als übertragender Rechtsträger im Rahmen einer Aufspaltung ohne Abwicklung113. Einer besonderen Löschung im zuständigen Register bedarf es dafür nicht. Wie bereits ausführlich dargelegt wurde, kann sie somit nicht länger als Anknüpfungspunkt für Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer herangezogen werden114. bb) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaften Bei der als Aktiengesellschaft organisierten Muttergesellschaft war ursprünglich mit nur 600 Arbeitnehmern lediglich eine Beteiligung von Arbeitnehmerrepräsentanten im Aufsichtsrat zu einem Drittel geboten. Die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes 1976 im Wege der Arbeitnehmerzurechnung scheiterte dabei aus zwei Gründen. Zum einen ermöglicht es die genau hälftige Aufteilung der seitens der Tochtergesellschaften ausgegebenen Aktien auf ihre beiden Anteilseigner in keinem der beiden Verhältnisse, von einer Mehrheitsbeteiligung an der Tochtergesellschaft zu sprechen. Deshalb versagt die Prüfung eines Unterordnungskonzernverhältnisses bereits auf der ersten Stufe (§ 16 Abs. 1 AktG) der gesetzlichen Vermutungskette (§§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG)115. Für eine Arbeitnehmerzurechnung über § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG von der Tochtergesellschaft zur Muttergesellschaft ist daher kein Raum116. ___________ 113 Vgl. Doetsch/Rühmann/Seibt/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 75, F Rdnr. 96, J Rdnr. 138; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 67; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 6, § 131 Rdnr. 92; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnr. 7, § 131 Rdnr. 10; Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 16; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnr. 25; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, F Rdnr. 3; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnrn. 12, 13; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 19, § 131 Rdnrn. 3 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793). 114 Vgl. dazu oben B. I. 1. 115 Vgl. Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnrn. 44 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 20 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rdnrn. 17 ff.; Lutter in: Lutter, Holding-Handbuch, § 1 Rdnrn. 39 ff.; Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255); Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 5 Rdnrn. 14, 19, 26 f. 116 Vgl. zu den abweichenden Maßstäben der Arbeitnehmerzurechnung innerhalb des Drittelbeteiligungsstatuts z.B. Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1066 f.); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG § 2 Rdnrn. 14 ff.; Seibt, NZA 2004, S. 767 (770) sowie zu der (insoweit durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der

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Zum anderen reicht ein Quorum von 1.200 weiteren Arbeitnehmern im geschilderten Fall schon gar nicht aus, um das Unternehmen der Muttergesellschaft über den Schwellenwert des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG (mehr als 2.000 Arbeitnehmer) zu heben. Die in § 5 MitbestG verankerten Zurechnungsnormen sind jedoch nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur dazu bestimmt, die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes 1976 selbst auf das herrschende Konzernunternehmen zu begründen. Bei einer Gesamtzahl von nur 1.800 Arbeitnehmern ist somit diese zentrale Voraussetzung der Zurechnung nicht erfüllt. Einer Zurechnung bedarf es nach der Eintragung der Aufspaltung in das Handelsregister der Tochtergesellschaft nicht mehr, soweit die Muttergesellschaft durch die partielle Gesamtrechtsnachfolge in die Rechte und Pflichten als Arbeitgeber eintritt. Jene Rechtsnachfolge erstreckt sich auf die insgesamt 1.200 Arbeitsverhältnisse des der Muttergesellschaft zugeteilten ersten Geschäftsbereichs. Von dem dadurch ausgelösten Anschwellen des Beschäftigtenquorums auf 1.800 Arbeitnehmern bleibt das bisher geltende Mitbestimmungsstatut indes unberührt. Soweit die Muttergesellschaft selbst Anteilsinhaberin der Tochtergesellschaft war, können ihr als Rechtsfolge der Aufspaltung upstream keine Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger (d.h. also Anteile an sich selbst) gewährt werden, § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 UmwG. § 125 Satz 1 in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwG untersagt dementsprechend die Kapitalerhöhung. Etwas anders liegt wiederum die Rechtslage bei der als zweiter übernehmender Rechtsträger fungierenden Mutter-GmbH. Auch hier ist aus den oben genannten Gründen eine Arbeitnehmerzurechnung zur Muttergesellschaft vor der Aufspaltung des Tochterunternehmens nicht zulässig. Die Muttergesellschaft ist aber mit 9.000 eigenen Arbeitnehmern ohnedies mitbestimmungspflichtig nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976. Vor diesem Hintergrund ist es nun aber auch unerheblich, wenn das Umwandlungsgesetz der Muttergesell___________ Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18.05.2004 unverändert gebliebenen) Rechtslage unter der Geltung des BetrVG 1952 BayObLG 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, AG 1993, S. 177 = AP Nr. 1 zu § 77a BetrVG 1952 = BayObLGZ 1992, S. 367 = BB 1993, S. 602 = DB 1993, S. 789 (790) = EzA §§ 77-77a BetrVG 1952 Nr. 1 = GmbHR 1993, S. 165 = NJW 1993, S. 1804 (1805) = WM 1993, S. 550 = ZIP 1993, S. 263; OLG Düsseldorf 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE, NZA-RR 1997, S. 213 (215) = ZIP 1997, S. 546 (548) – Babcock-BSH AG; Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnrn. 1, 5 i.V.m. § 76 Rdnr. 106; Hanau/Schweisfurth, EWiR § 76 BetrVG 1952 1/97, S. 635 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 6; A. Kraft in: GK-BetrVG Bd. II (7. Aufl.), BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 5; Otto, EWiR § 77a BetrVG 1952 1/93, S. 433; Schmidt-Leithoff in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Einl. Rdnr. 267; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 77a Rdnr. 2; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 33; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 383 Rdnr. 7; vgl. zum Ganzen oben § 4 B. I. 4. und C. I. 4. b).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

schaft als Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers und zugleich übernehmendem Rechtsträger in § 125 Satz 1 in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwG die Erhöhung ihres Grundkapitals ausdrücklich verbietet, soweit sie selbst die Aktien des übertragenden Rechtsträgers hält. Denn die Grundkapitalgrenzwerte des § 95 Satz 4 AktG beanspruchen im Anwendungsfeld der quasiparitätischen Mitbestimmung ohnehin keine Geltung. Vielmehr werden sie durch den spezielleren § 7 Abs. 1 Satz 1 MitbestG überlagert. Allerdings ist der in dessen Nr. 2 festgelegte Schwellenwert von mehr als 10.000 Arbeitnehmern durch die Aufspaltung der Tochtergesellschaft hier durchbrochen worden. Mit 10.200 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern muss die Muttergesellschaft deshalb nunmehr das aktienrechtliche Statusverfahren durchführen und statt zwölf insgesamt sechzehn Mandate für den Aufsichtsrat schaffen117, es sei denn, sie hat schon vor der Umwandlung von ihrem in § 7 Abs. 1 Satz 2 MitbestG eingeräumten Wahlrecht Gebrauch gemacht und in ihrer Satzung freiwillig einen entsprechend größeren Aufsichtsrat mit entweder sechzehn Mitgliedern (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG) oder sogar zwanzig Mitgliedern (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MitbestG) vorgesehen118. Dies widerspräche freilich der praktisch vorherrschenden Tendenz, das Kontrollgremium zur Steigerung der Effizienz seiner Arbeit möglichst klein zu halten119. 2. Ausgliederung upstream Während die Systematiken von Abspaltungen und Aufspaltungen upstream innerhalb des Konzernverbundes sich also weitgehend über einen Kamm scheren lassen, ist bei der Ausgliederung von der Tochter- auf die Muttergesellschaft gleich eine ganze Reihe von Abweichungen festzustellen. Diese ergeben sich denklogisch aus dem alleinigen Charakteristikum, welches die Ausgliede___________ 117 Vgl. zur Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats nach dem MitbestG z.B. Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG § 7 Rdnr. 7; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnr. 622; Hölters in: MünchVertragshandbuch Bd. 1, Form. V. 38 Anm. 19; Hüffer, AktG, § 96 Rdnr. 5; Raiser, MitbestG, § 7 Rdnr. 2; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 7 Rdnrn. 1 f.; vgl. auch oben § 3 B. I. 1. 118 Vgl. zu diesen Gestaltungsmöglichkeiten Gach in: MünchKomm AktG Bd. 3, MitbestG § 7 Rdnr. 8; Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 23; Hüffer, AktG, § 96 Rdnr. 5; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 7 Rdnr. 1; Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 6. 119 Vgl. Berrar, NZG 2001, S. 1113 (1114); Claussen, DB 1998, S. 177 (182 f.); Hoffmann-Becking in: MünchHandbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 28 Rdnr. 23; Lutter, ZGR 2001, S. 224 (236); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 6.

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rung von den anderen Spaltungsvarianten entscheidend absondert, namentlich also der Tatsache, dass die Ausgangsgesellschaft selbst als Anteilsinhaber der Zielgesellschaft vorgesehen ist120. Beispielssachverhalt: Eine Mutter-AG mit 1.200 eigenen Arbeitnehmern ist Alleinaktionär ihrer Tochteraktiengesellschaft. In einem ersten Geschäftsbereich der Tochtergesellschaft werden 1.000 Arbeitnehmer eingesetzt, 1.800 weitere finden sich in einem zweiten Geschäftsbereich. Mit zusammengefasst 2.800 Arbeitnehmern muss die Tochtergesellschaft ihre Gesellschaftsorgane deshalb nach den Vorgaben des Mitbestimmungsgesetzes 1976 ausgestalten. Nicht anders verhält es sich bei der übergeordneten Muttergesellschaft, da zusätzlich zu den eigenen 1.200 Arbeitnehmern aufgrund von § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG in Verbindung mit §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG sämtliche Arbeitnehmer ihres Tochterunternehmens ebenfalls zur Ermittlung des Beteiligungsstatuts der Muttergesellschaft herangezogen werden müssen. Änderungen der Rechtslage ergeben sich indessen, wenn der mit 1.800 Arbeitnehmern versehende zweite Geschäftsbereich vollständig vom Tochterunternehmen auf dessen Muttergesellschaft ausgegliedert wird im Sinne des § 123 Abs. 3 UmwG. AntE

AntE 100 % 40 %

Mutter-AG 1.200 ArbN

Tochter-AG 2.800 ArbN

100 %

MutterGmbH 3.000 ArbN

Tochter-AG 1.000 ArbN

60 %

Abbildung 9.11: Rechtslage vor der Ausgliederung (zur Aufnahme) upstream

Abbildung 9.12: Rechtslage nach der Ausgliederung (zur Aufnahme) upstream

___________ 120 Vgl. Doetsch/Rühmann/Seibt/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 77, F Rdnr. 115, J Rdnr. 138; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 163; Goutier in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 123 Rdnr. 10; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 11; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnrn. 11, 10, § 131 Rdnrn. 11 ff.; Köstler/ Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 317; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnr. 26; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnrn. 1463, 1623; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 15; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 123 Rdnr. 5.5; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 15; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 23, § 131 Rdnrn. 5 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (794).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

a) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft Bei der Konzernspitzengesellschaft bleibt das Mitbestimmungsniveau unverändert. Lediglich die Rechtsgrundlage für die quasiparitätische Beteiligung von Arbeitnehmerrepräsentanten im Aufsichtsrat wird ausgewechselt, nachdem mit nur 1.200 eigenen Arbeitnehmern die Muttergesellschaft ursprünglich die qualifizierte Mitbestimmung nur auf dem Umweg der Arbeitnehmerzurechnung erreichte. Nach der Übernahme eines weiteren Geschäftsbereichs von ihrer Tochtergesellschaft wird sie mit 3.000 eigenen Arbeitnehmern von § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG unmittelbar erfasst. b) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft Bei der Ermittlung des nach der Verschmelzung für die Tochtergesellschaft einschlägigen Mitbestimmungsgesetzes gelangt man zu einem Problemfeld, welches bereits detailliert im Rahmen der Untersuchung einer Verschmelzung der Enkelgesellschaft auf die zugehörige Muttergesellschaft erörtert wurde. In beiden Fällen sorgt die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UmwG bzw. des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UmwG dafür, dass die Muttergesellschaft als übernehmender Rechtsträger mit der Befolgung der sie treffenden Pflicht zur Anteilsgewährung eine Struktur gegenseitiger Beteiligung zwischen sich selbst und ihrer Tochtergesellschaft herstellt. Im Falle der Enkel-Mutter-Verschmelzung ergab sich dies aus dem Umstand, dass die Tochtergesellschaft sich auf einer Konzernebene befindet, die bei der Übertragung des Gesellschaftsvermögens der Enkelgesellschaft gleichsam übersprungen wird, und als Anteilsinhaberin der Enkelgesellschaft für den Verlust der an diesem untergehenden Rechtsträger bestehenden Anteilsrechte durch eine neue Beteiligung am Zielrechtsträger entschädigt werden muss. Weniger kompliziert erweist sich die konzernrechtliche Konstruktion in den Ausgliederungsfällen. Hier braucht beim Vermögenstransfer keine Stufe der Konzernhierarchie ausgelassen zu werden, weil die neuen Anteilsrechte gerade nicht einem Anteilseigner der Ausgangsgesellschaft zufließen, sondern der Gesellschaft selbst. Hat also der Zielrechtsträger bereits Gesellschaftsanteile oder Mitgliedschaften an dem Ausgangsrechtsträger inne, so führt dies unabwendbar zu einer gegenseitigen Beteiligung der beiden Rechtsträger am Gesellschaftsvermögen des jeweiligen Ausgliederungspartners.

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aa) Wechselseitige Beteiligung als Rechtsgrundlage gegenseitiger Arbeitnehmerzurechnung Genau diese Beteiligungsverhältnisse sind es nun, die im sachlichen Geltungsbereich des § 5 Abs. 1 MitbestG als Grundlage einer wechselseitigen Zurechnung von Arbeitnehmern zwischen den beiden Konzernunternehmen herangezogen werden können, wobei die Zurechnung von der übertragenden Tochtergesellschaft zu ihrer übernehmenden einhundertprozentigen Muttergesellschaft über die Konzernvermutungen der §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG, wie gesehen, problemlos begründet werden kann. Soll der Zurechnungsweg aber auch in umgekehrter Richtung von der aufnehmenden Muttergesellschaft zur übertragenden Enkelgesellschaft eröffnet sein, so kommt dies lediglich unter der engen Voraussetzung des § 19 Abs. 3 AktG in Betracht, dass die Tochtergesellschaft als Rechtsfolge der Ausgliederung upstream eine Mehrheitsbeteiligung an ihrer eigenen Muttergesellschaft erhalten hat. Denn nur dann sind beide Unternehmen gleichzeitig als herrschendes und als abhängiges Konzernunternehmen einzustufen. bb) Das aktiengesetzliche Verbot der wechselseitigen Beteiligung Setzt man indessen den Fall, dass eine derartige wechselseitige Beteiligung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft zustande kommt, so erzielt man wiederum ein Ergebnis, das im Widerspruch zu den aktiengesetzlichen Verboten des § 71 Abs. 1 in Verbindung mit § 71d Satz 2 Var. 1 AktG steht121. Schon der bloß indirekte Erwerb eigener Aktien über eine im Mehrheitsbesitz der Aktiengesellschaft stehende Tochtergesellschaft wird danach auf eine kleine Zahl von zulässigen Ausnahmetatbeständen beschränkt und im Übrigen vom Gesetz nicht erlaubt. Und umwandlungsgesetzliche Ausnahmevorschriften, welche dem Zielrechtsträger die Möglichkeit eröffnen, bei der Ausgliederung upstream privatautonom von der Auskehr von Gesellschaftsanteilen an den Ausgangsrechtsträger abzusehen, oder ihm gar die Anteilsgewährung ausdrücklich untersagen, existieren im Hinblick auf die vorliegende Konstellation gerade nicht122. Stattdessen enthält der § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 UmwG für den ___________ 121 Vgl. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 68; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1588. 122 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 67; Karollus in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage (1995), S. 157 (180). Dementsprechend macht die Verweisung in § 125 Satz 1 UmwG auch für die Fälle der Ausgliederung eine Ausnahme von den Kapitalerhöhungsverboten der §§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwG, die bei Auf- und Abspaltungen hingegen sehr wohl Anwendung finden können, vgl. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 64; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 125 Rdnr. 19; Kall-

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Fall der Ausgliederung sozusagen eine Rückausnahme von der aus § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG für die Verschmelzung und § 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG für die Auf- und Abspaltung bekannten Ausnahmeregel123. Vor dem Hintergrund dieser durch die (für das Umwandlungsgesetz charakteristische) Verweisungstechnik zwar nicht auf den ersten Blick nachvollziehbaren aber dennoch inhaltlich klaren gesetzlichen Vorgabe ist sicherlich kein Raum für die Annahme eines ungeschriebenen Rechtssatzes, der ein Absehen von der Anteilsgewährung aus Praktikabilitätsgründen auch für die Ausgliederung upstream erlaubt124. Infolgedessen greift hier wieder der allgemeine Grundsatz der Anteilsgewährungspflicht ein und es tut sich erneut das schon beschriebene Spannungsfeld zwischen den aktiengesetzlichen Verbotsnormen und der umwandlungsrechtlichen Pflicht zur Anteilsgewährung auf125. cc) Die Auflösung der geschaffenen Beteiligungsstruktur Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, die Ausgliederung upstream sei wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot von vornherein unzulässig126 und die Parteien seien damit entweder auf eine Abspaltung127 oder eine Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge verwiesen. Aus § 71 Abs. 4 Satz 1 AktG ergibt sich nämlich gerade die Wirksamkeit des dinglichen Geschäfts128, derweil in Satz 2 nur das hier nicht interessierende obligatorische Verpflichtungsgeschäft mit der Nichtigkeit gestraft wird129. Allerdings müssen die von der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft gewährten Aktien aufgrund der §§ 71c Abs. 1, 71d Satz 4 AktG innerhalb einer Frist von einem ___________ meyer in: Kallmeyer, UmwG, § 125 Rdnrn. 54, 68; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1578; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 125 Rdnr. 10; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 125 Rdnr. 11. 123 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 85. 124 Vgl. aber Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1588. 125 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 86; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 125 Rdnr. 76. 126 Anderer Ansicht Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 126 Rdnr. 95 f. 127 So aber Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 125 Rdnr. 76; vgl. dazu die Ausführungen von Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 86; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 3 Rdnr. 69. 128 Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnr. 98, § 71c Rdnr. 3; Hüffer, AktG, § 71 Rdnr. 24; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 417; vgl. zu § 71 Abs. 2 AktG a.F. Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnrn. 45 f., 77. 129 Hüffer, AktG § 71 Rdnr. 24; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 417; vgl. ausführlich Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71 Rdnrn. 99 ff.; vgl. zu § 71 Abs. 2 AktG a.F. Lutter in: KölnKomm AktG Bd. 1, § 71 Rdnr. 44.

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Jahr wieder von der Tochtergesellschaft weiter veräußert werden130. Anderenfalls erfolgt die Einziehung der Aktien nach Maßgabe des § 237 in Verbindung mit §§ 71c Abs. 3, 71d Satz 4 AktG131. Die Möglichkeit wechselseitiger Arbeitnehmerzurechnung als Ergebnis der Ausgliederung upstream besteht im geschilderten Fall also zunächst durchaus. Insofern können und müssen die eng miteinander verwandten Fälle der EnkelMutter-Verschmelzung und der Ausgliederung upsteam gleich behandelt werden. Doch steht von vornherein fest, dass die Zurechnungsbrücke von der übernehmenden Muttergesellschaft in Richtung der übertragenden Tochtergesellschaft in Gestalt der dort geschaffenen Mehrheitsbeteiligung nach längstens einem Jahr in sich zusammenbrechen wird, so dass die Arbeitnehmer der Muttergesellschaft nur vorübergehend auch als solche der Tochtergesellschaft gelten und letztlich ihre mitbestimmungsrechtliche Berücksichtigung die Bedeutung des Merkmals der regelmäßigen Beschäftigung aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG untergraben würde132. Ganz wie im geschilderten Fall der Enkel-MutterFusion ist endlich – aber auch einzig – aus diesem Grunde die wechselseitige Arbeitnehmerzurechnung im Ergebnis abzulehnen. II. Spaltungsvorgänge von der Mutterauf die Tochtergesellschaft (downstream) Wird durch die Spaltung der Übergang von Vermögensteilen von der Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft bewirkt und vollzieht sich der Vermögenstransfer somit in der Konzernhierarchie downstream, so ergeben sich zunächst keine Besonderheiten bei der Zurechnung von Arbeitnehmern. Wie immer beurteilt sich die Rechtsfolge der Arbeitnehmerzurechnung über § 5 MitbestG nach der Existenz eines Konzernrechtsverhältnisses wenigstens faktischer Natur kraft Mehrheitsbeteiligung der Mutter- an der Tochtergesellschaft. Herausgehoben werden kann und muss allerdings die Höhe des satzungsmäßig festgelegten Mindesteigenkapitals der beteiligten Rechtsträger als mitbestimmungsrechtlicher Faktor. Denn im Bereich der Spaltung downstream bestehen mit Blick auf den Vorgang der umwandlungsbedingten Kapitalerhöhung gewisse Wahlrechte für den übernehmenden Rechtsträger. Dieser muss zwar getreu ___________ 130 Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71c Rdnr. 3; Hüffer, AktG, § 71c Rdnr. 2; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 423; vgl. BT-Drucks. 8/1678, S. 16; Hüffer, NJW 1979, S. 1065 ff.; Preusche, BB 1982, S. 1638 ff. 131 Block in: AnwKomm Aktienrecht, AktG § 71c Rdnr. 19; Hüffer, AktG, § 71c Rdnr. 8; Nirk in: Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch AG Bd. I, Teil I Rdnr. 424. 132 Vgl. ausführlich zum Zusammenspiel von aktienrechtlicher Abstoßungsfrist und mitbestimmungsrechtlicher Referenzperiode eben die Ausführungen zur Enkel-MutterVerschmelzung oben § 8 D. IV. 1. b) cc).

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dem in § 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG enthaltenen Grundsatz als Gegenleistung für den Zuwachs im eigenen Gesellschaftsvermögen unbedingt Gesellschaftsanteile an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers bzw. im Fall der Ausgliederung an den übertragenden Rechtsträger selbst auskehren133. Das setzt aber nicht in sämtlichen Fällen zwingend voraus, dass der übernehmende Rechtsträger sein Stamm- oder Grundkapital erhöht und auf diese Weise neue Anteile schafft. 1. Auf- und Abspaltung downstream Bei der Abspaltung von der Mutter- auf ihre Tochtergesellschaft und desgleichen bei einer entsprechenden Aufspaltung des Gesellschaftsvermögens der Muttergesellschaft auf mehrere Tochtergesellschaften kann die Tochtergesellschaft in der Regel frei entscheiden, ob sie ihr Nennkapital erhöhen will oder nicht. Rechtsgrundlage dessen ist der § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UmwG für übernehmende Rechtsträger in der Form einer GmbH und der § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UmwG für die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien, jeweils in Verbindung mit der Verweisungsnorm des § 125 Satz 1 UmwG. Das daraus resultierende Wahlrecht räumt das Gesetz ihnen unter der Voraussetzung ein, dass die Einlagen auf die von der Ausgangsgesellschaft an der Zielgesellschaft gehaltenen Gesellschaftsanteile im Zeitpunkt der Umwandlung bereits vollständig bewirkt sind. Dann nämlich kann es für den übernehmenden Rechtsträger durchaus sinnvoll sein, eben jene Anteile zu verwenden, um sie an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers weiterzuleiten und solchermaßen der Pflicht zur Anteilsgewährung zu genügen. Macht der übernehmende Rechtsträger in dieser Weise von seinem Wahlrecht Gebrauch, so bleibt die Höhe seines statutarischen Nennkapitals von der Unternehmensumwandlung unberührt. Eine divergente Beurteilung des Mitbestimmungsstatuts des übernehmenden Rechtsträgers kann dann auf diesen Parameter in keinem Fall gestützt werden. 2. Ausgliederung downstream Abweichend ist wiederum die Rechtslage bei der Ausgliederung. Aus § 125 UmwG ist eindeutig zu entnehmen, dass die Sonderregelungen der §§ 54 und ___________ 133

Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 82; Ittner, MittRhNotK 1997, S. 105 (108); Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1582; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 126 Rdnr. 81; Priester in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 126 Rdnr. 26.

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68 UmwG für Ausgliederungssituationen nicht berücksichtigt werden können, weshalb dem übernehmenden Rechtsträger eben keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Kapitalerhöhung zukommt134. Stattdessen verlangt das Gesetz unbedingt die Gewährung neu geschaffener Anteile von der übernehmenden Tochtergesellschaft an die übertragende Muttergesellschaft, so dass von der Kapitalerhöhung gerade nicht abgesehen werden kann und das neue Mindestkapital unbedingt anhand der gesetzlichen Kapitalschwellenwerte aus § 95 Satz 4 AktG, §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 und 2 MontanmitbestG und § 5 Abs. 1 Satz 3 MitbestErgG auf etwaige erhebliche Veränderungen zu überprüfen ist.

D. Die formalen Anforderungen des § 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG Gemäß dem § 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG sind die Folgen der Unternehmensspaltung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen in den Spaltungs- und Übernahmevertrag bzw. in den entsprechende Vertragsentwurf aufzunehmen135. Inhaltlich gelten hier dieselben Anforderungen, die im Rahmen des Verschmelzungsrechts zur Parallelnorm des § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG bereits erörtert wurden136.

E. Die Einzelrechtsübertragung als Alternative zur Spaltung I. Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände (asset deal) Die Einzelrechtsübertragung kann auch und gerade im Recht der Spaltung als Alternative zu der umwandlungsgesetzlichen Gesamtrechtsnachfolge herangezogen werden. Soweit auf diesem Wege Umstrukturierungsergebnisse erzielt werden sollen, die in gleicher oder zumindest in ähnlicher Weise durch eine Unternehmensspaltung im Sinne des § 123 Abs. 1 bis 3 UmwG angestrebt werden könnten, hat es sich mittlerweile vielerorts durchgesetzt, von einem so ___________ 134 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 84; Ittner, MittRhNotK 1997, S. 105 (109); Korte, WiB 1997, S. 953 (954); Limmer in: Festschrift Schippel, S. 415 (435); Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1590; Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 126 Rdnr. 99; vgl. aber auch Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 126 Rdnr. 6; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 163. 135 Vgl. nur Boecken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht, Rdnrn. 315 ff.; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnrn. 129 f.; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 126 Rdnr. 43. 136 Vgl. dazu oben § 8 E. III.

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genannten asset deal zu sprechen137. Dieser Begriff ist traditionell eigentlich mit einer schuldrechtlichen Bedeutung belegt, dient er dort doch als eine gängige Bezeichnung für den obligatorischen Kauf einer Vielzahl einzelner Gegenstände und Rechte, aus denen sich das zu erwerbende Unternehmen zusammensetzt. Unter den assets sind also die vom Kaufvertrag umfassten Einzelrechte und Einzelpflichten zu verstehen, die der Verkäufer auf den Käufer zu übertragen sich verpflichtet (zum Beispiel das Eigentum an einem bestimmten Produktionsgegenstand oder die Forderung gegen einen bestimmten Schuldner des Unternehmensträgers). Aber auch im Rahmen eines Verfügungsgeschäfts kann man wegen der sprachlichen Offenheit des Begriffs von einem asset deal, also einem Geschäft über konkrete, dem Unternehmen des Veräußerers zuzurechnende einzelne Rechte und Pflichten, sprechen. Schließlich lässt sich aus dem verwendeten englischen Terminus des deals nicht zwingend ableiten, dass das beschriebene Geschäft unbedingt von schuldrechtlicher Natur sein muss. Soweit stattdessen einer dinglichen Komponente Ausdruck verliehen werden soll, liegt ein asset deal demnach dann vor, wenn zum Zwecke der Übertragung eines Unternehmens oder Unternehmensteils sämtliche die Sachgesamtheit Unternehmen bzw. Unternehmensteil ausmachenden Rechte und Pflichten in der Weise auf den Erwerber übergeleitet werden, dass die Übertragung eines jeden Einzelrechts und einer jeden Einzelpflicht zum Gegenstand eines eigenständigen sachenrechtlichen Verfügungsgeschäfts gemacht wird. Aus mitbestimmungsrechtlicher Sicht kann die Einzelrechtsübertragung eines Unternehmens oder Unternehmensteils gegenüber einer Unternehmensverschmelzung oder -spaltung nach dem Umwandlungsgesetz vor allem aus zwei Gründen vorzugswürdig sein:  Die Einbringung von Vermögensgegenständen in das Gesellschaftsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers als einzelne assets ist anders als die umwandlungsrechtliche (partielle) Gesamtrechtsnachfolge nicht zwingend an die Perpetuierung der Mitgliedschaft der Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger am übernehmenden Rechtsträger gekoppelt. Durch den Einsatz der Einzelrechtsfolge lässt sich somit die aus dem umwandlungsrechtlich begründeten Perpetuierungsgedanken herrührende Pflicht zur Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger umgehen. Das wiederum bedeutet automatisch einen größeren Gestaltungsspielraum der Parteien mit Blick auf die Entstehung neuer und den Zusammenbruch bestehender Konzernstrukturen, die mitbestimmungsrecht___________ 137 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 18; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 75.

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lich als Zurechnungswege fungieren können. Dieser Gedanke gilt für Verschmelzungs- und Spaltungskonstellationen gleichermaßen.  Die Mitbestimmungsfortgeltungsklausel des § 325 Abs. 1 Satz 1 UmwG bezieht sich nach ihrem Wortlaut nur auf Abspaltungen und Ausgliederungen nach den Normen des Umwandlungsgesetzes und nicht auf etwaige Ersatzprozeduren nach sonstigem bürgerlichem Recht. Das Bestreben, dem Anwendungsbereich dieser Fortgeltungsklausel auszuweichen, kann deswegen in Spaltungskonstellationen den entscheidenden Ausschlag gegen eine Unternehmensspaltung im rechtstechnischen Sinne und für eine Aufteilung des mitbestimmten Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge geben. Aufgrund der zwingenden gesetzlichen Anordnungen in § 20 Abs. 1 Nr. 3 und § 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG werden bei Verschmelzungen138 im Sinne des § 2 UmwG sowie bei Auf-139 und Abspaltungen140 im Sinne des § 123 Abs. 1 und 2 UmwG den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers und bei Ausgliederungen141 im Sinne des § 123 Abs. 3 UmwG dem übertragenden ___________ 138 Vgl. Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 20 Rdnrn. 50 ff.; Grunewald in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 20 Rdnrn. 57 ff.; Marsch-Barner in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rdnrn. 29 ff.; Sagasser/Ködderitzsch in: Sagasser/Bula/ Brünger, Umwandlungen, J Rdnr. 1; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 87; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 20 Rdnrn. 109 ff.; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 336 ff. 139 Vgl. Doetsch/Rühmann/Seibt/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 75, F Rdnr. 96, J Rdnr. 138; Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 67 i.V.m. Rdnrn. 61 ff.; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 6, § 131 Rdnrn. 93 ff.; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnrn. 3, 8, § 131 Rdnrn. 11 ff.; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnrn. 26 ff.; Mayer, DB 1995, S. 861 (862); Sagasser/ Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, F Rdnr. 3; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 12; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 19, § 131 Rdnrn. 5 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (793). 140 Vgl. Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 69 i.V.m. Rdnrn. 61 ff.; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 9, § 131 Rdnrn. 93 ff.; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rdnrn. 11 ff.; Mayer, DB 1995, S. 861 (862); Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr. 9; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 102; Teichmann in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 20, § 131 Rdnrn. 5 f. 141 Doetsch/Rühmann/Seibt/Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, B Rdnr. 77, F Rdnr. 115, J Rdnr. 138; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr. 163; Goutier in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 123 Rdnr. 10; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 123 Rdnr. 11; Kallmeyer in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rdnrn. 11, 10, § 131 Rdnrn. 11 ff.; Köstler/Kittner/ Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 317; Kübler in: Semler/Stengel, UmwG, § 131 Rdnr. 26; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N Rdnr.

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Rechtsträger selbst stets Gesellschaftsanteile oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger gewährt. Auf diese Weise bleiben im Ergebnis der Unternehmensumwandlung die jeweiligen Empfänger der gewährten Anteile in gewissem Umfang an der übertragenen Vermögensmasse beteiligt. In schuldrechtlicher Hinsicht weist das Verschmelzungs- oder Spaltungsvorhaben einen tauschähnlichen Charakter auf (Gegenstände des Unternehmensvermögens gegen Anteilsrechte). Anders verhält es sich, wenn die Parteien bewusst auf die Vorzüge der vom Umwandlungsgesetz angebotenen Rechtsinstitute verzichten und statt einer Nachfolge des übernehmenden Rechtsträgers in das Vermögen des Ausgangsrechtsträgers als Ganzes eine singuläre Rechtsnachfolge in jede einzelne dort begründete Rechtsposition angestrebt wird. Dann eröffnet sich für die an der Umstrukturierung beteiligten Parteien die Möglichkeit, von einer Gegenleistung in Gestalt der Anteilsgewährung abzusehen und sie durch eine Gegenleistung anderer Art zu ersetzen. Außerhalb des Umwandlungsgesetzes wird die Privatautonomie diesbezüglich nur durch allgemeingültige gesetzliche Verbote wie zum Beispiel § 138 Abs. 1 und 2 BGB beschnitten. Insbesondere ist es hier möglich, der Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf schuldrechtlicher Ebene einen Unternehmenskaufvertrag zugrunde zu legen und dementsprechend eine Gegenleistung in Form der Bezahlung eines gewissen Geldbetrags gemäß § 433 Abs. 2 BGB vorzusehen, sofern die Parteien bereit sind, die sich daraus ergebenden Nachteile steuerrechtlicher Art142 zu tragen. Das lässt aber nicht den Umkehrschluss zu, die Parteien seien in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung von Unternehmen durch Einzelrechtsnachfolge erst gar nicht in der Lage, die Vorzüge des Umwandlungssteuergesetzes für ihre konkret geplante Umwandlung zu nutzen. Es steht ihnen nämlich ohne weiteres frei, die einzelnen Vermögensgegenstände ohne Rückgriff auf umwandlungsgesetzliche Vorschriften in das Gesellschaftsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers einzubringen und trotzdem in Anlehnung an das Vorbild der §§ 20 Abs. 1 Nr. 3 und 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG zu vereinbaren, dass dem übertragenden Rechtsträger Anteilsrechte am übernehmenden Rechtsträger zu gewähren sind. Damit ist die Anwendung der steuerrechtlichen Sondervorschriften aus §§ 20 ff. UmwStG nicht von vornherein abgeschnitten143. Ein entscheidender Beweggrund für die Vermeidung einer direkten Nutzung des Umwandlungsgesetzes kann mitbestimmungsrechtlich dann immer noch ___________ 15; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 123 Rdnr. 5.5; Stengel/Schwanna in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rdnr. 15; Teichmann in: Lutter/ Winter, UmwG Bd. I, § 123 Rdnr. 23, § 131 Rdnrn. 5 f.; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (794). 142 Vgl. dazu oben § 7 C. I. 143 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 117.

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darin liegen, dass die Parteien sich um die Vermeidung einer Mitbestimmungsbeibehaltung nach § 325 Abs. 1 Satz 1 UmwG bemühen möchten. 1. Die Herauslösung von Geschäftsbereichen aus Konzernstrukturen Von Interesse wird die Ersetzung einer Umwandlung im rechtstechnischen Sinne durch einen sich außerhalb des Umwandlungsgesetzes vollziehenden asset deal vor allem dann sein, wenn es in der Absicht der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers liegt, sich endgültig von dessen Unternehmen oder wenigstens von einem bestimmten Betrieb oder Geschäftsbereich des Unternehmens zu trennen. Diese Problematik taucht regelmäßig dann auf, wenn der übertragende Rechtsträger als abhängige Gesellschaft in eine Konzernstruktur eingebunden ist und sich erst auf die Anweisung der Konzernspitze hin oder zumindest im Einvernehmen mit ihr entschließt, sein Unternehmen oder einen Ausschnitt aus seinem Unternehmen an einen anderen Rechtsträger außerhalb des Konzerns abzugeben. So liegt zum Beispiel der Fall, wenn eine maßgeblich als Holdinggesellschaft konzipierte Konzernspitzengesellschaft mit nur fünfzig eigenen zu Verwaltungszwecken eingesetzten Arbeitnehmern ihre einhundertprozentige mitbestimmungspflichtige Tochter-GmbH mit 2.200 Arbeitnehmern anweist, einen ihrer Geschäftsbereiche mit 400 Arbeitnehmern aufzugeben und ihn durch Veräußerung endgültig aus dem Konzern zu entfernen. Als Erwerber findet sich eine andere mitbestimmungspflichtige GmbH mit bislang 550 Arbeitnehmern. Der Geschäftsbereich wird mit allen zugehörigen Rechten und Pflichten im Wege der Einzelrechtsnachfolge dem Erwerber zugewiesen. Sollte für die Umstrukturierung der beiden als Ausgangs- und Zielrechtsträger an der Umwandlung beteiligten GmbH das Gestaltungsmittel der Abspaltung im Sinne des § 123 Abs. 2 UmwG herangezogen werden, so entsprächen die damit erreichbaren Ziele vor dem Hintergrund der in § 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG verankerten Pflicht zur Anteilsgewährung kaum dem von der Konzernspitze mit der Spaltung erhofften Ergebnis. Vorrangiges Ziel der Abspaltung soll es nach deren Bestreben nämlich sein, dass nicht nur der übertragende Rechtsträger unmittelbar, sondern darüber hinaus der Konzern als Ganzes sich vom besagten Geschäftsbereich löst. Dieses Ergebnis wäre auch mitbestimmungsrechtlich spürbar gewesen. Denn eine vollständige Trennung von den im Geschäftsbereich beschäftigten Arbeitnehmern bedeutete angesichts der genannten Arbeitnehmerzahlen zum einen, dass die Anzahl der in der Regel im Unternehmen des übertragenden Rechtsträgers beschäftigten Arbeitnehmer unter den Schwellenwert des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG sänke und deshalb die für das geschrumpfte Unternehmen geeigneten Mitbestimmungsmaßstäbe

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nunmehr dem Drittelbeteiligungsgesetz zu entnehmen wären, zum anderen, dass selbst bei einer Addition der beim übertragenden Rechtsträger und der bei der ihn beherrschenden Konzernspitzengesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer nicht eine Größenordnung erreicht würde, die die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes 1976 im Wege der konzerninternen Arbeitnehmerzurechnung auf die Konzernspitze rechtfertigen könnte. Nachdem auch kein Beherrschungsvertrag zwischen der Konzernspitze und dem übertragenden Rechtsträger besteht, sondern ein rein einhundertprozentiges faktisches Konzernverhältnis, wäre auch eine Zurechnung über § 2 Abs. 2 DrittelbG ausgeschlossen. Die Arbeitnehmer der Holding müssten isoliert betrachtet werden. Deshalb bliebe ihr Unternehmen gänzlich mitbestimmungsfrei. Dementsprechend kann eine Abspaltung des Geschäftsbereichs im rechtstechnischen Sinne durch den übertragenden Rechtsträger zwar bewirken, dass die mit dem Geschäftsbereich auf den übernehmenden Rechtsträger übergehenden Arbeitsverhältnisse unmittelbar eben nur noch jenem übernehmenden Rechtsträger zugeordnet werden. Daraus zu schlussfolgern, dass der Geschäftsbereich einschließlich der dort eingesetzten Arbeitnehmer erfolgreich aus der Konzernstruktur mit der Holdinggesellschaft an der Spitze gelöst wurde, wäre indes verfehlt. Denn besagter Geschäftsbereich war vor der Abspaltung rechtlich nicht nur der abhängigen Konzerntochtergesellschaft als unmittelbarem Rechtsträger zuzuordnen, sondern über das faktische Konzernrechtsverhältnis zwischen der Holdinggesellschaft und der abhängigen Gesellschaft mittelbar auch der Holding. Schließlich wird der faktische Konzern gerade durch den Umstand begründet, dass die herrschende Gesellschaft an dem der abhängigen Gesellschaft zugeordneten Sondervermögen beteiligt ist. Eine Eigenart der Abspaltung im Sinne des § 123 Abs. 2 UmwG ist es nun aber gerade, dass die Anteilsinhaber des Ausgangsrechtsträgers für den Verlust in deren Gesellschaftsvermögen und den damit bewirkten tatsächlichen Wertverlust der an der Ausgangsgesellschaft gehaltenen Gesellschaftsanteile dadurch zu entschädigen sind, dass sie zusätzlich Anteile an der Zielgesellschaft erhalten. Auf diesem Weg bleibt die Beteiligung der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers an dem auf einen anderen Rechtsträger verschobenen Teilvermögen aufrecht erhalten. Lediglich ändert sich in den Fällen der Abspaltung zur Aufnahme zumeist das Beteiligungsverhältnis, denn die Anteilsrechte beziehen sich natürlich auf das neue Gesamtvermögen des übernehmenden Rechtsträgers, nicht allein auf den neu hinzugekommenen Vermögensteil. Das hat zur Folge, dass unbedingt eine neue konzernrechtliche Verbindung der Konzernholding zum bisher selbständigen übernehmenden Rechtsträger auf faktischer Grundlage (d.h. vermittelt allein über die gesellschaftsrechtliche Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger) zustande kommt. Rechtsfolge

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dessen ist wiederum, dass aus der Sicht der Holding die gewünschte Trennung vom Geschäftsbereich gerade nicht erfolgt ist, sondern nur eine Verschiebung des Geschäftsbereichs innerhalb der Konzernstruktur. Je nach dem Ausmaß der im Verhältnis der Holdinggesellschaft zum übernehmenden Rechtsträger entstandenen Beteiligung ist dann auch wieder Raum für eine Zurechnung von Arbeitnehmern über diesen neu entstandenen Arm des Konzernaufbaus auf der Rechtsgrundlage des § 5 Abs. 1 MitbestG.

2. Die Weiterveräußerung erhaltener Gesellschaftsanteile: Steuerrechtliche Behaltensfrist als Vertragshindernis Schließlich ist es im Grunde auch denkbar, der durch die umwandlungsgesetzliche Perpetuierung der Mitgliedschaft veranlassten fortdauernden Bindung entweder des übertragenden Rechtsträgers oder seiner Anteilseigner an die übertragene Vermögensmasse durch eine zweistufige Vorgehensweise auszuweichen. So könnte in einem ersten Schritt die von den Parteien gewünschte Übertragung des Vermögens bzw. Teilvermögens unter Einsatz einer Unternehmensspaltung im Sinne des Umwandlungsgesetzes erfolgen. Alsdann müsste sich in einem zweiten Schritt die sofortige Weiterveräußerung der im Gegenzug erhaltenen Gesellschaftsanteile am übernehmenden Rechtsträger (an die bisherigen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers oder auch an Dritte) anschließen. Die Umstrukturierung im Ganzen erweist sich aus der Perspektive des übertragenden Rechtsträgers und seiner Anteilsinhaber somit als eine Kombination aus einer Unternehmensspaltung unter Beteiligung des Zielrechtsträgers und einem sachenrechtlichen share deal (Abtretung von Gesellschaftsanteilen) im Verhältnis zu einem die empfangenen Anteilsrechte an diesem Zielrechtsträger übernehmenden Zessionar. Dieses Vertragsmodell kann jedoch oftmals nur unter Inkaufnahme schwerwiegender steuerlicher Nachteile realisiert werden, sind durch die steuerrechtliche Komponente einer Unternehmensumwandlung unter Einsatz von Umwandlungsgesetz und Umwandlungssteuergesetz der Gestaltungsfreiheit des übertragenden Rechtsträgers und seiner Anteilseigner doch wiederum enge Grenzen gesetzt. Der § 15 Abs. 3 Sätze 3 und 4 UmwStG nämlich schränkt die zur Verfügung stehenden gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wie folgt ein: Eine innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgte Veräußerung von Anteilen einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als zwanzig Prozent der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, führt zu einem rückwirken-

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

den Verlust der oben144 besonders betonten Steuerneutralität, und zwar für die gesamte Spaltung. In der Gestaltungspraxis werden daher zahlreiche Klauselmodelle in den Umwandlungsverträgen verwendet, um eine verfrühte Weiterveräußerung der Anteile durch die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gegen den Willen der übrigen Vertragsparteien von vornherein zu unterbinden, so zum Beispiel Treuhand-, Vinkulierungs- oder Vertragsstrafenlösungen145. Für den übernehmenden Rechtsträger und das ihm übergeordnete Konzernunternehmen kommt daher die Option, etwa vom Rechtsinstitut der Abspaltung gemäß § 123 Abs. 2 UmwG Gebrauch zu machen und die in diesem Rahmen vom übergeordneten Konzernunternehmen empfangenen Gesellschaftsanteile am übernehmenden Rechtsträger unmittelbar im Anschluss an die Unternehmensspaltung wieder abzustoßen, je nach Ausgestaltung des Spaltungsvertrags zwar wenigstens theoretisch in Betracht. Praktisch wird eine solche Maßnahme angesichts der drohenden Rechtsfolgen aber niemals wirklich zur Debatte stehen, bedeutet sie doch zwangsläufig  eben den Verlust der Steuerneutralität als einen der herausragenden Vorzüge einer Umwandlung im rechtstechnischen Sinne des Umwandlungsgesetzes auf der Grundlage des § 15 Abs. 3 Sätze 3 und 4 UmwStG,  die Pflicht des übertragenden Rechtsträgers und, je nach gewählter Ausgestaltung des Vertragsmodells, daneben oder stattdessen seiner Anteilsinhaber zum Ersatz all jener Schadenspositionen, die auf der Seite des übernehmenden Rechtsträgers durch die Einbuße der Steuerneutralität der Umwandlung hervorgerufen werden. Seine Rechtsgrundlage wird der Schadensersatzanspruch wegen der vorsätzlichen Verletzung des spaltungsvertraglich festgelegten Pflichtenprogramms vor allem im allgemeinen Leistungsstörungsrecht der §§ 280 ff. BGB finden,  schließlich sogar neben den Schadensersatzanspruch tretende weitergehende Zahlungsansprüche, wenn und soweit die Parteien in zulässiger Weise eine praktisch durchaus übliche Vertragsstrafenklausel in den Spaltungsvertrag aufgenommen haben. Wie sich aber aus der Überschrift des fünften Teils des Umwandlungssteuergesetzes ergibt, beziehen sich die Einschränkungen des § 15 Abs. 3 UmwStG ausschließlich auf die Spaltungsvarianten der Auf- und Abspaltung. In diesen Fällen ist also aus steuerrechtlichen Beweggründen heraus eine alsbaldige Weiterveräußerung der erhaltenen Gesellschaftsanteile nicht empfehlenswert bzw. sogar praktisch mehr oder weniger unmöglich. Nicht gehindert wird ein derar___________ 144

Siehe oben § 7 C. I. Vgl. dazu näher Herzig/Förster, DB 1995, S. 338 (345); Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 1598 mit Formulierungsvorschlägen und w. Nachw. 145

§ 9 Umstrukturierung durch Unternehmensspaltung

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tiges Umstrukturierungsmodell nach dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut und der systematischen Stellung des § 15 UmwStG hingegen in den Fällen einer Ausgliederung gemäß § 123 Abs. 3 UmwG, denn hier knüpft das Umwandlungssteuerrecht gerade keine vergleichbaren negativen Begleiterscheinungen an eine unmittelbare Weiterveräußerung der erhaltenen Gesellschaftsanteile. II. Übertragung von Gesellschaftsanteilen (share deal) Keine Alternative zu den Vorgängen der Unternehmensspaltung stellt die Abtretung von Gesellschaftsanteilen an dem Rechtsträger des Unternehmens von dessen Anteilsinhabern an den Erwerber dar. Zu diesem Instrument der Unternehmensumwandlung wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zur Unternehmensverschmelzung kurz Stellung genommen146. Tatsächlich kommt der Erwerb sämtlicher Gesellschaftsanteile allein als eine Ersatzprozedur zur Verschmelzung in Betracht. Demgegenüber ist der Erwerb nur eines gewissen Teils der bestehenden Anteilsrechte noch nicht einmal bei rein ökonomischer Betrachtung mit der Spaltung vergleichbar, wird durch einen solchen share deal doch im Ergebnis erreicht, dass der Erwerber zu einem gewissen Grad am gesamten Unternehmensvermögen beteiligt wird, während bei der Unternehmensspaltung der Transfer eines konkreten Teilvermögens im Vordergrund steht.

___________ 146

Vgl. oben § 8 G. I.

§ 10 Umstrukturierung durch Vermögensübertragung A. Allgemeines I. Mitbestimmungsrelevante Rechtsträger Vermögensvoll- und Vermögensteilübertragungen im Sinne des Umwandlungsgesetzes sind auf Fälle der Umstrukturierungen unter Beteiligung bestimmter Rechtsträger des öffentlichen Rechts sowie unter privatrechtlichen Versicherungsunternehmen beschränkt. Demgemäß ist schon der Kreis der vom Gesetz als Partei einer Vermögensübertragung zugelassenen Rechtsträger eng begrenzt1. Da darüber hinaus die Rechtsträger des öffentlichen Rechts niemals eine mitbestimmungsrechtliche Rolle spielen können, kann besagter Kreis für die vorliegende Untersuchung sogar noch enger gezogen werden. Die Betrachtung beschränkt sich auf die folgenden drei Fallgruppen. 1. Kapitalgesellschaften Unter Kapitalgesellschaften versteht das Umwandlungsgesetz gemäß seiner Legaldefinition in § 3 Abs. 2 Nr. 1 UmwG auch für das Recht der Vermögensübertragung die GmbH, die Aktiengesellschaft und die KGaA2. Zugleich sind die Unternehmen der in diesen Rechtsformen betriebenen Rechtsträger potentiell mitbestimmungspflichtig, d.h. sie sind nicht schon aufgrund ihrer Rechtsform vom gesetzlichen Mitbestimmungszwang ausgenommen. Für die GmbH ergibt sich das aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG und § 1 MitbestErgG, für die Aktiengesellschaft aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG und § 1 MitbestErgG und schließlich für die KGaA aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 DrittelbG sowie § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG. Im Rahmen der Vermögensübertragung im umwandlungsgesetzlichen Sinne kommt den Kapitalgesellschaften jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Der § 175 Nr. 1 UmwG ermöglicht es ihnen lediglich, als übertragender Rechtsträger aufzutreten, wenn sie ihr Gesellschaftsvermögen ganz oder teilweise auf den Bund, ein Land oder eine andere Gebietskörperschaft oder einen ___________ 1

Vgl. schon oben § 7 B. III. 2. H. Schmidt in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 175 Rdnr. 4; vgl. Stratz in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 175 Rdnr. 3. 2

§ 10 Umstrukturierung durch Vermögensübertragung

383

Zusammenschluss von Gebietskörperschaften übertragen wollen. Von gesteigertem Interesse kann allein die Rechtsform der Aktiengesellschaft immer dann sein, wenn sich die Gesellschaft nach ihrem Unternehmensgegenstand als Versicherungsaktiengesellschaft im Sinne des § 175 Nr. 2 lit. a bis c UmwG erweist. 2. Die Versicherungsaktiengesellschaft Die in § 175 Nr. 2 UmwG genannte Versicherungsaktiengesellschaft ist nicht etwa eine gesellschaftsrechtliche Unterart der Aktiengesellschaft und erst recht verbirgt sich hinter diesem Begriff keine Rechtsform eigener Art. Beschrieben wird vom Umwandlungsgesetz schlicht eine Aktiengesellschaft, welche nach ihrer Satzung den Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand hat und sich als solche wie alle Aktiengesellschaften ab einer bestimmten Unternehmensgröße als mitbestimmungspflichtig nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, 1 Abs. 2 MontanmitbestG und 1 MitbestErgG erweisen kann. Die Nennung der anderen Kapitalgesellschaftsformen in § 175 Abs. 2 UmwG erübrigt sich deswegen, weil Versicherungsgeschäfte kraft gesetzlicher Anordnung in § 7 Abs. 1 VAG nur zum Unternehmensgegenstand einer Aktiengesellschaft, eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit sowie von Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts gemacht werden können3. Eine „Versicherungs-GmbH“ oder „VersicherungsKGaA“ ist deshalb mit dem versicherungsaufsichtsgesetzlichen Typenzwang unvereinbar und im Umwandlungsrecht weder regelungsbedürftig noch regelungsfähig4. Die Versicherungsaktiengesellschaft kann sowohl an Voll- als auch an Teilübertragungen unter Einschaltung eines weiteren, anders organisierten Versicherungsunternehmens (Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, öffentlichrechtliches Versicherungsunternehmen) beteiligt sein und dabei die Rolle des übertragenden Rechtsträgers ebenso ausfüllen wie die des übernehmenden Rechtsträgers. 3. Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit In gleicher Weise wie der Versicherungsaktiengesellschaft ist es auch dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit möglich, als Ausgangs- und Ziel___________ 3 Bähr in: Fahr/Kaulbach, VAG, § 7 Rdnr. 1; R. Schmidt in: Prölss, VAG, § 7 Rdnrn. 1, 3; vgl. auch zur Altfassung Goldberg in: Goldberg/Müller, VAG/BAG, VAG § 7 Rdnr. 2. 4 Vgl. dazu H. Schmidt in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 175 Rdnr. 7.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

rechtsträger einer Vermögensübertragung unter Versicherungsunternehmen eingesetzt zu werden. II. Rechtsfolgen der Vermögensübertragung Aufgrund der für den Regelungskomplex der §§ 174 ff. UmwG gewählten Verweisungstechnik existieren im Bereich der Vermögensübertragung verschiedene Gestaltungsoptionen, die sich von ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen her entweder an die Verschmelzung oder an die Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung anlehnen5. 1. Die Vermögensvollübertragung als Parallelinstitut zur Verschmelzung Die Vollübertragung eines Sondervermögens im Sinne des § 174 Abs. 1 UmwG entspricht weitgehend der Verschmelzung, so dass die das Rechtsinstitut prägenden Rechtsfolgen sich wie folgt darstellen:  Der übernehmende Rechtsträger tritt auf rechtsgeschäftliche Veranlassung hin die Gesamtrechtsnachfolge in alle Rechte und Pflichten an, welche bislang das Gesellschaftsvermögen des übertragenden Rechtsträgers ausmachen. Zugelassen ist dabei aber nur die Übertragung auf einen schon bestehenden Rechtsträger. Eine Vermögensübertragung zur Neugründung existiert (anders als im Recht der Verschmelzung) nicht,  der übertragende Rechtsträger erlischt ohne Abwicklung und  den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers gegenüber wird durch den übernehmenden Rechtsträger eine Gegenleistung erbracht, die als charakteristisches Merkmal der Vermögensübertragung allerdings nicht in der Gewährung von Gesellschaftsanteilen oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger liegt, sondern in der Gewährung von Wirtschaftsgütern anderer Art gemäß der Parteienabrede und damit regelmäßig die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags bedeuten wird. 2. Die Vermögensteilübertragung und ihre Verwandtschaft zur Spaltung Die Vermögensteilübertragung orientiert sich am Recht der Spaltung, so dass näher untersucht werden muss, ob die konkret gewählte Umstrukturie___________ 5

Vgl. ausführlich oben § 7 B. III. 1.

§ 10 Umstrukturierung durch Vermögensübertragung

385

rungsmaßnahme von ihrer Zielsetzung her der Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung am nächsten kommt. Je nach dem gefundenen Ergebnis ist dann auch die Terminologie aufspaltende, abspaltende oder ausgliedernde Teilübertragung gebräuchlich6. a) Die aufspaltende Teilübertragung Im Rahmen einer aufspaltenden Teilübertragung  gehen mehrere Teilvermögen jeweils als Rechtsgesamtheit im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf eine entsprechende Vielzahl von übernehmenden Rechtsträgern über,  gibt der übertragende Rechtsträger sein gesamtes Gesellschaftsvermögen auf diese Weise preis und erlischt infolgedessen ohne Abwicklung und  erfolgt gegenüber den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers eine Gegenleistung, die wie bei der Vermögensvollübertragung allerdings nicht in der Gewährung von Anteilsrechten am übernehmenden Rechtsträger liegt. b) Die abspaltende Teilübertragung Im Rahmen einer abspaltenden Teilübertragung  geht ein oder gehen mehrere Teilvermögen jeweils als Rechtsgesamtheit im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf den bzw. die übernehmenden Rechtsträger über,  behält der übertragende Rechtsträger ein gewisses Restvermögen zurück und bleibt daher als Rechtssubjekt erhalten und  erfolgt gegenüber den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers eine Gegenleistung, die wie bei der Vermögensvollübertragung allerdings nicht in der Gewährung von Anteilsrechten am übernehmenden Rechtsträger liegt.

___________ 6 Zum Begriff der aufspaltenden Vermögensteilübertragung Fonk in: Semler/Stengel, UmwG, § 174 Rdnr. 16; H. Schmidt in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 174 Rdnrn. 14; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 174 Rdnr. 9; zum Begriff der abspaltenden Teilübertragung Fonk, a.a.O., Rdnr. 17; H. Schmidt, a.a.O., Rdnr. 15; Stratz, a.a.O. Rdnr. 10; zum Begriff der ausgliedernden Teilübertragung Fonk, a.a.O., Rdnrn. 18 f.; H. Schmidt, a.a.O., Rdnrn. 16 f.; Stratz, a.a.O., Rdnr. 11.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

c) Die ausgliedernde Teilübertragung Im Rahmen der ausgliedernden Umwandlung  geht ein oder gehen mehrere Teilvermögen jeweils als Rechtsgesamtheit im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf den bzw. die übernehmenden Rechtsträger über,  behält der übertragende Rechtsträger ein gewisses Restvermögen zurück7 und bleibt daher als Rechtssubjekt erhalten und  erfolgt gegenüber dem übertragenden Rechtsträger selbst eine Gegenleistung, die wie bei der Vermögensvollübertragung allerdings nicht in der Gewährung von Anteilsrechten am übernehmenden Rechtsträger liegt.

B. Vermögensübertragung unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften Nachdem eine Kapitalgesellschaft nur die Rolle des übertragenden, nicht aber die des übernehmenden Rechtsträgers einnehmen kann, wird ihr Mitbestimmungsstatus je nach Art und Umfang der übergehenden Vermögensmasse in gleicher Weise beeinflusst wie derjenige einer übertragenden Kapitalgesellschaft in Verschmelzungs- und Spaltungskonstellationen. I. Vermögensvollübertragung Nimmt die Kapitalgesellschaft eine Vermögensvollübertragung vor, so erlischt sie mitsamt ihren Gesellschaftsorganen8, so dass ihr auch von den Mitbestimmungsgesetzen keine Pflichten mehr auferlegt werden können9. II. Vermögensteilübertragung Im Rahmen einer aufspaltenden Teilübertragung geht die Ausgangskapitalgesellschaft im Augenblick des Wirksamwerdens der Umwandlung unter und ist deswegen mitbestimmungsrechtlich nicht anders zu beurteilen als der über___________ 7 Vgl. zur Möglichkeit der ausgliedernden Totalübertragung, bei welcher der übertragende Rechtsträger sein gesamtes Vermögen preisgeben würde, Fonk in: Semler/Stengel, UmwG, § 174 Rdnr. 19; H. Schmidt in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 174 Rdnr. 17. 8 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 17. 9 Vgl. in diesem Sinne bereits die Untersuchungen zum Mitbestimmungsstatus des übertragenden Rechtsträgers in den Fällen der Verschmelzung oben § 8 B.

§ 10 Umstrukturierung durch Vermögensübertragung

387

tragende Rechtsträger einer Verschmelzung10, Aufspaltung11 und Vermögensvollübertragung12. Wird hingegen eine abspaltende oder ausgliedernde Vermögensteilübertragung vorgenommen, bleibt der übertragende Rechtsträger als solcher zwar erhalten. Es ist aber vor allem denkbar, dass ganze Betriebe oder gar Geschäftsbereiche einer Kapitalgesellschaft verstaatlicht werden. Da sie zu diesem Zweck von dem privaten Rechtsträger aufgegeben werden müssen, ist daran zumeist ein entsprechender Verlust von Arbeitnehmern geknüpft. Anhand dessen kann der Rechtsträger die Arbeitnehmergrenzwerte der verschiedenen Mitbestimmungsstatute unterschreiten und sich damit bisher bestehenden Beteiligungspflichten entziehen. Gedanken an konzernrechtlich begründete Zurechnungen der abgegebenen Arbeitsverhältnisse vom übernehmenden Rechtsträger zurück zum übertragenden Rechtsträger brauchen hier anders als in tatsächlichen Abspaltungs- und vor allem Ausgliederungsfällen nicht verschwendet zu werden. Zum einen kennt das Rechtsinstitut der Vermögensübertragung keine Gegenleistung in Gestalt der Gewährung von Anteilsrechten und zum anderen kann selbstredend schon per se der übertragende Rechtsträger niemals ein faktisches oder über einen vertraglichen Konzerntatbestand begründetes Herrschaftsverhältnis gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft oder einem Zusammenschluss von Gebietskörperschaften herstellen. Im Übrigen kann das Mitbestimmungsniveau abfallen, wenn die übertragende Kapitalgesellschaft im Zusammenhang mit der Teilübertragung ihr Stammoder Grundkapital herabsetzt und dabei, je nach einschlägigem Status, die Schwellenwerte aus § 95 Satz 4 AktG, §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 und 2 MontanmitbestG oder § 5 Abs. 1 Satz 3 MitbestErgG unterschreitet. Schließlich sind Verschiebungen des Schwerpunkts der Unternehmenstätigkeit denkbar. Bei entsprechenden Hinweisen auf eine tendenz- oder montanbezogene Ausrichtung des Unternehmens ist deswegen stets zu prüfen ist, ob das Unternehmen der Ausgangsgesellschaft nicht den Schutzbereich der mitbestimmungsrechtlichen Tendenzklauseln aufgrund des Vermögensverlustes betritt oder verlässt und ob das Montanstatut nun erstmals oder weiterhin auf das Unternehmen Anwendung finden kann.

___________ 10

Vgl. zu den Fällen einer Verschmelzung oben § 8 B. Vgl. zu den Fällen einer Aufspaltung oben § 9 B. I. 1. 12 Vgl. zu den Fällen einer Vermögensvollübertragung oben I. 11

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

C. Vermögensübertragung unter Beteiligung einer Versicherungsaktiengesellschaft Übernimmt die Versicherungsaktiengesellschaft die Rolle des übertragenden Rechtsträgers, so gelten für sie die soeben zu den sonstigen Kapitalgesellschaften gemachten Ausführungen entsprechend. Vermögensvollübertragungen und aufspaltende Teilübertragungen führen zum Untergang der übertragenden Versicherungsaktiengesellschaft und damit zum Ausfall aller denkbaren Beteiligungsrechte der Arbeitnehmerschaft. Steht allerdings eine abspaltende und ausgliedernde Teilübertragung an, so hat der Ausgangsrechtsträger über die Umstrukturierung hinaus rechtlichen Bestand, so dass nach dem mittlerweile bekannten Schema jeder seiner mitbestimmungsrechtlichen Parameter auf etwaige Veränderungen hin zu überprüfen ist. Anders als eine GmbH, eine KGaA und die auf einen anderen Unternehmensgegenstand gerichtete Aktiengesellschaft kann jedoch die nach ihrer Satzung im Versicherungsgeschäft tätige Aktiengesellschaft nicht nur als übertragender Rechtsträger in eine Vermögensübertragung involviert sein, sondern gegenüber einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und einem öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen auch als Zielgesellschaft für dessen zu verschiebendes Vermögen oder ein konkretes Teilvermögen dienen. Das ergibt sich aus § 175 Nr. 2 UmwG. Die mitbestimmungsrechtlichen Auswirkungen von Vermögenszuwächsen beim übernehmenden Rechtsträger wurden im Rahmen der Verschmelzung13 und der verschiedenen Spaltungsvorgänge14 bereits ausführlich beleuchtet. An dieser Stelle sei daher schlicht auf die dort jeweils gefundenen Ergebnisse verwiesen.

D. Vermögensübertragung unter Beteiligung eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit Hinsichtlich des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit ergeben sich dem Grunde nach keine Abweichungen zu der für die Versicherungsaktiengesellschaft geschilderten Rechtslage. Zu beachten ist lediglich, dass er, wie schon betont wurde, einzig vom Drittelbeteiligungsgesetz als mitbestimmungspflichtige Rechtsform angesehen wird, so dass sich in seinem Fall allein die Frage stellt, ob er dem Drittelbeteiligungsstatut unterworfen ist oder gänzlich von der institutionellen Mitbestimmung verschont bleibt. Handelt es sich demgegenüber um einen so genannten kleinen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 VAG und hat ___________ 13 14

Vgl. oben § 8 C. Vgl. oben § 9 B. I. 2., II. 2. und III. 2.

§ 10 Umstrukturierung durch Vermögensübertragung

389

dieser kraft seiner Satzung keinen Aufsichtsrat gebildet, so erkennt der Gesetzgeber jene Strukturentscheidung der Vereinsmitglieder an und sieht davon ab, sie durch einen gesetzlichen Zwang zur institutionellen Mitbestimmung zu überlagern. Das spiegelt sich wider in den Bereichsausnahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 DrittelbG und des § 77 Abs. 2 BetrVG 195215.

E. Mitbestimmungsfortgeltung im Rahmen der Vermögensübertragung Dass der übertragende Rechtsträger sein originäres Mitbestimmungsstatut beibehalten muss, obwohl dessen gesetzliche Voraussetzungen als Folge der wirksamen Vermögensteilübertragung wegfallen, ist über das Umwandlungsgesetz nicht zu begründen16. Weder nennt der Wortlaut des § 325 Abs. 1 UmwG neben Abspaltung und Ausgliederung die Rechtsfigur der Teilübertragung, noch wird in den Vorschriften der Teilübertragung auf den § 325 UmwG Bezug genommen. Fälle der Vermögensvollübertragung sind natürlich erst recht nicht erfasst, geht doch hier der übertragende Rechtsträger, an dessen Status und rechtlichen Fortbestand § 325 Abs. 1 Satz 1 UmwG schließlich anknüpft, als Rechtsfolge der Unternehmensumwandlung unwiderruflich unter. Aus diesem Grunde verbietet sich auch jeglicher Analogieschluss17. Behält der übertragende Rechtsträger demgegenüber bei der Teilübertragung ein gewisses Restvermögen zurück und erlischt infolgedessen nicht, so können gegebenenfalls Beibehaltungsklauseln außerhalb des Umwandlungsgesetzes (zum Beispiel § 1 Abs. 3 MontanmitbestG) einschlägig sein. ___________ 15

Vgl. dazu ausführlich oben § 1 B. I. 3. (dort auch Fn. 104), § 4 B. II. 1. Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 325 Rdnr. 14; Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 17; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 119; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 325 Rdnr. 2; Wißmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 325 Rdnr. 9; Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 325 Rdnr. 9; vgl. aber auch Schupp, Mitbestimmungsbeibehaltung, S. 345. 17 Vgl. in diesem Sinne zu der parallel gelagerten Situation in Verschmelzungskonstellationen Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 325 Rdnr. 10; Däubler, RdA 1995, S. 136 (146); Joost in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 325 Rdnrn. 14 f.; Jung, Umwandlungen unter Mitbestimmungsverlust, 4. Kap. I B 3; Kallmeyer, ZIP 1994, S. 1746 (1757); Kreßel, BB 1995, S. 925 (926); Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, § 7 F; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 88; Willemsen in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, UmwG § 325 Rdnrn. 2 f.; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 325 Rdnr. 2; Willemsen, NZA 1996, S. 791 (803); Wißmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 4, UmwG § 325 Rdnr. 9; Wlotzke, DB 1995, S. 40 (47). 16

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel A. Flucht aus der Mitbestimmung durch Formwechsel Der Formwechsel der §§ 190 ff. UmwG ist dasjenige Gestaltungsinstrument, das sich in rechtstechnischer Hinsicht für eine erfolgreiche Flucht aus dem sachlichen Geltungsbereich der Unternehmensmitbestimmung am ehesten aufdrängt. Dies beruht darauf, dass nach dem geltenden Recht eben nur Unternehmen in bestimmten Rechtsformen mitbestimmungspflichtig sind. Diese Rechtsformen sind die Aktiengesellschaft (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, 1 Abs. 2 MontanmitbestG, 1 MitbestErgG), die KGaA (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG), die GmbH (§§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, 1 Abs. 2 MontanmitbestG, 1 MitbestErgG), die eingetragene Genossenschaft (§§ 1 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG) und der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 DrittelbG). Kurzum: Wird ein Rechtsträger in einer dieser Rechtsformen betrieben und erfüllt er darüber hinaus die weiteren Kriterien eines deutschen Mitbestimmungsgesetzes (Mindestarbeitnehmerzahl, Unternehmenstätigkeit, Verwaltungssitz im Inland), so hat er sein Kontroll- und gegebenenfalls auch sein Leitungsorgan (Arbeitsdirektor) im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang mit Repräsentanten der Arbeitnehmerseite zu besetzen. Der Wechsel der Rechtsform in ein von Gesetzes wegen mitbestimmungsfeindliches Organisationsstatut ist deshalb ein absolut sicherer und angesichts der in §§ 190 Abs. 1, 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG verankerten Identitätsmethode auch ein rechtstechnisch einfach zu bewältigender Weg, sich dem Mitbestimmungszwang zu entziehen. Anders als bei den meisten Fällen der vermögensübertragenden Umwandlung, bei der eine genaue Prognose der Rechtsfolgen zumeist eine ausführliche Prüfung des Einzelfalls erforderlich macht, lässt sich hier ohne größeren Aufwand zuverlässig vorhersagen, dass bei dem Rechtsträger in seiner neuen Rechtsform für eine (unmittelbare) unternehmensbezogene Arbeitnehmermitbestimmung kein Raum mehr sein wird1. Über die Wahl einer konkreten Rechtsform wird festgelegt, welches Normensystem (Aktienrecht, GmbH-Recht, bürgerliches Gesellschaftsrecht, Recht ___________ 1 Vgl. zu den Besonderheiten in der Kapitalgesellschaft & Co. KG sogleich unten B. II., oben § 3 A. II. 2.

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel

391

der oHG oder der KG usw.) auf den Rechtsträger Anwendung finden soll2. Wird die ursprünglich gewählte Rechtsform anhand eines umwandlungsgesetzlichen Vorgangs durch eine neue ersetzt, so bedeutet dies nichts weiter, als dass die den formwechselnden Rechtsträger kennzeichnenden rechtlichen Aspekte wie zum Beispiel  seine Haftungsverfassung (d.h. Haftung der Gesellschaft und der hinter ihr stehenden Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung),  Ansprüche im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis,  die Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft,  der Eintritt und das Ausscheiden von Gesellschaftern,  die Anforderungen bei Verkauf und Übertragung von Gesellschaftsanteilen,  das Verfahren bei der Auflösung der Gesellschaft,  Fragen des Steuerrechts (hierbei insbesondere solche der Ertragssteuer) und nicht zuletzt auch  die Frage nach dem Status der Unternehmensmitbestimmung in Zukunft an anderen Rechtsvorschriften bemessen werden müssen3 (Diskontinuität der Rechtsordnung4). Entscheidend ist dabei aber, dass sich auch ausschließlich die für den Rechtsträger ausschlaggebenden Rechtsnormen verändern5, während sein Bestand als solcher6 (§§ 190 Abs. 1, 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), seine Anteilsinhaber7 (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG) und sein ___________ 2

Vgl. ausführlich oben § 7 B. IV. sowie die Übersicht: Formwechsel oben § 7 E. V. 4. (insb. j)). 3 Laumann in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 202 Rdnr. 3; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 202 Rdnr. 21. 4 Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnr. 11. 5 Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, R Rdnr. 4. 6 Vgl. BR-Drucks. 75/94, S. 136; Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnr. 10; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 202 Rdnr. 13; Stratz in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 202 Rdnr. 5. 7 Vgl. Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnrn. 13 ff.; Laumann in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 202 Rdnrn. 19 f.; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 202 Rdnrn. 28 ff.; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/ Brünger, Umwandlungen, R Rdnr. 4; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 202 Rdnrn. 6 ff.; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 202 Rdnrn. 146 ff.; BR-Drucks. 75/94, S. 144. Ausnahmsweise kann der Formwechsel zu einer Änderung im Bestand der Anteilsinhaber führen. Vgl. für den Fall des Formwechsels einer Personengesellschaft in eine KGaA § 221 (ggf. i.V.m. § 225c) UmwG; vgl. zur Problematik des Formwechsels einer eingliedrigen Kapitalgesellschaft in eine notwendig mit mehreren Gesellschaftern versehene Personengesellschaft bzw. einer mehrgliedrigen Personengesellschaft in eine eingliedrige Kapitalgesellschaft oben § 7 B. IV. 3.

392

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

bisheriges Gesellschaftsvermögen8 vom Wechsel der Rechtsform unberührt und deshalb identisch bleiben. Einen Überblick über die Möglichkeiten der Umstrukturierung der einzelnen mitbestimmungspflichtigen Rechtsträger durch Formwechsel nach den §§ 190 ff. UmwG gibt noch einmal die nachstehende Tabelle. Mitbest. Rechtsformen

AG

KGaA

GmbH

e.G.

VVaG

Einschlägige Mitbestimmungsgesetze

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG, § 1 MitbestErgG

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 DrittelbG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG, § 1 MitbestErgG

§ 1 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 DrittelbG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG

§ 1 Abs. 1 Nr. 4 DrittelbG

Möglichkeiten des Formwechsels (nach dem UmwG)

Rechtsträger neuer Rechtsform können sein: GbR (§§ 191 Abs. 2 Nr. 1, 226, 228 Abs. 2, 229 ff. UmwG), Personenhandelsgesellschaft (oHG, KG: §§ 191 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1, 226, 228 Abs. 1, 229 ff. UmwG), Partnerschaftsgesellschaft (§§ 191 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2, 226, 228 Abs. 3, 229 ff. UmwG), Kapitalgesellschaft jeweils anderer Rechtsform (§§ 191 Abs. 2 Nr. 3, 226, 238 ff. UmwG), e.G. (§§ 191 Abs. 2 Nr. 4, 226, 251 ff. UmwG)

Rechtsträger neuer Rechtsform können sein: AG, KGaA, GmbH (§§ 191 Abs. 2 Nr. 3, 258 ff. UmwG)

Rechtsträger neuer Rechtsform kann nur sein: AG (§§ 191 Abs. 2 Nr. 3, 291 ff. UmwG)

Abbildung 11.1: Möglichkeiten des Formwechsels für die einzelnen mitbestimmungspflichtigen Rechtsträger

___________ 8 Vgl. BR-Drucks. 75/94, S. 136, 144; Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnr. 10; Laumann in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 202 Rdnrn. 4 ff.; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 202 Rdnrn. 13 ff.; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 202 Rdnr. 2; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 202 Rdnr. 4.

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel

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B. Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft I. Allgemeines Zu einem Mitbestimmungsverlust bei dem formwechselnden Rechträger kommt es, wie gesagt, immer dann, wenn ein vor der Umwandlung mitbestimmungspflichtiges Unternehmen nach dem Formwechsel in einer mitbestimmungsfeindlichen Rechtsform fortgeführt wird. Dies ist stets der Fall, wenn der Rechtsträger neuer Rechtsform als Personengesellschaft verfasst ist. Das Umwandlungsgesetz eröffnet diese Möglichkeit des Formwechsels allein für die mitbestimmungspflichtigen Rechtsträger Aktiengesellschaft, KGaA und GmbH. Nur sie sind, wie sich der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG entnehmen lässt, Kapitalgesellschaften im Sinne der §§ 191 Abs. 1 Nr. 2, 226 UmwG. (Daneben können sie nach § 226 UmwG umgewandelt werden in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform oder in eine eingetragene Genossenschaft.) Der wesentlich enger gefasste Kreis an Zielrechtsformen für den Formwechsel aus einer eingetragenen Genossenschaft (nur Kapitalgesellschaften, also AG, KGaA und GmbH, §§ 191 Abs. 2 Nr. 3, 258 Abs. 1 UmwG) oder einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (nur Aktiengesellschaft, § 191 Abs. 2 Nr. 3, 291 Abs. 1 UmwG) schließt die Möglichkeit einer Flucht in das mitbestimmungsfreie Organisationsrecht der Personengesamtheiten hingegen aus. Als Personengesellschaften in diesem Sinne kommen in Betracht  die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, §§ 191 Abs. 2 Nr. 1, 226, 228 Abs. 2, 229 ff. UmwG, 705 ff. BGB,  die Personenhandelsgesellschaften oHG und KG, §§ 191 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1, 226, 228 Abs. 1, 229 ff. UmwG, 105 ff. und 161 ff. HGB, und  die Partnerschaftsgesellschaft, §§ 191 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2, 226, 228 Abs. 3, 229 ff. UmwG, 1 ff. PartGG. In diesen Rechtsformen organisierte Rechtsträger sind zum einen von den Mitbestimmungsgesetzen nicht als mitbestimmungspflichtig vorgesehen. Zum anderen ist ihrem Organisationsrecht aber auch ohnehin die Existenz eines Kontrollorgans neben den zur Vertretung der Gesellschaft berechtigten Gesellschaftern fremd. Ab dem Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister des formwechselnden Rechtsträgers, § 202 Abs. 1 UmwG, ist Personengesellschaftsrecht auf den Rechtsträger anzuwenden. Deshalb fällt der bisher bestehende (mitbestimmte) Aufsichtsrat, der vor dem Wirksamwerden des Formwechsels die Grundlage der unternehmensbezogenen Arbeitnehmer-

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

beteiligung war, als Organ der Gesellschaft ersatzlos weg9. § 203 Satz 1 UmwG findet keine Anwendung10. Diese Vorschrift geht gerade davon aus, dass das Organisationsstatut des neuen Rechtsträgers in gleicher Weise wie das des alten Rechtsträgers eine Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats kennt. Der Gesetzgeber hat die weitreichenden Möglichkeiten, anhand des Gestaltungsinstruments Rechtsformwechsel der unerwünschten Arbeitnehmermitbestimmung auszuweichen, durchaus erkannt. Maßnahmen zur Absicherung des Mitbestimmungsstatuts eines formwechselnden Unternehmens hat er gleichwohl nicht in das Umwandlungsgesetz aufgenommen11. Dies ist aber auch letztlich selbstverständlich. Die Anordnung einer Mitbestimmungsfortgeltung beim umgewandelten Rechtsträger, vergleichbar der für die Fälle der Abspaltung und Ausgliederung in § 325 Abs. 1 UmwG niedergelegten Fortgeltungsklausel, kommt bereits aus rechtssystematischen Gründen nicht in Frage. Schließlich könnte ein derartiger Ansatz zu einer Mitbestimmungspflicht innerhalb einer Gesamthandsgemeinschaft führen, welche (die Hintergründe wurden bereits ausführlich erläutert12) sich mit den grundlegenden Gedanken einer maßgeblich an den Personen ihrer Gesellschafter ausgerichteten Organisationsform nicht vereinbaren lässt13. Deshalb konnte der Gesetzgeber letztlich noch nicht einmal auf eine nur vorübergehende Aufrechterhaltung des bisherigen Mitbestimmungsstatus beim Rechtsträger neuer Rechtsform zurückgreifen. Zu Recht wird nun auch im Schrifttum darauf hingewiesen, dass es einer besonderen gesetzlichen Regelung zur Verhinderung der Flucht aus der Unternehmensmitbestimmung letztlich auch gar nicht bedarf. Die haftungsrechtlichen Folgen der §§ 128 Satz 1 (gegebenenfalls analog oder in Verbindung mit § 161 Abs. 2) HGB und 8 Abs. 1 bis 3 PartGG für die Gesellschafter sowie die fehlende Anbindung einer Personengesellschaft an die Kapitalmärkte stellen ___________ 9 Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 203 Rdnr. 8; Henssler, ZfA 2000, S. 241 (255); Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 203 Rdnr. 2; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 68. 10 Vgl. Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 68; vgl. aber zu der besonderen Konstellation, in der ein mitbestimmtes abhängiges Konzernunternehmen seine Rechtsform in die einer Personengesellschaft wechselt, unten E. II. 2.: Vor dem Hintergrund der Besonderheiten eines Konzernsachverhalts wird zum Teil in der Literatur befürwortet, dass der bei dem formwechselnden Konzernunternehmen gebildete Aufsichtsrat fortbestehen und künftig auf der Konzernebene der herrschenden Muttergesellschaft als deren Kontrollorgan eingesetzt werden soll; vgl. Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 ff. 11 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 13; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 16. 12 Vgl. oben § 1 B. I. 2. 13 Vgl. Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 163; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 4; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (16); Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 10.

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wirtschaftliche Nachteile dar, die regelmäßig Unternehmen ab einer gewissen Größe zwingen werden, an der einmal gewählten Verfassung als potentiell mitbestimmungsfähige Kapitalgesellschaft festzuhalten14. Es ist kaum vorstellbar, dass die Gesellschafter diesen ihren wirtschaftlichen Interessen weniger Gewicht beimessen als allein dem Interesse an einer unabhängig von ihren Arbeitnehmern geführten Gesellschaft. Deshalb kann man durchaus davon sprechen, dass in der freien Marktwirtschaft die Sanktion für die Wahl einer unpassenden Rechtsform ökonomischer Natur ist und eine Setzung von weiteren rechtlichen Schranken durch den Gesetzgeber entbehrlich macht15. II. Kapitalgesellschaft & Co. KG als Rechtsträger neuer Rechtsform Die haftungsrechtlichen Nachteile, welche mit der Flucht in das Personengesellschaftsrecht einhergehen, können freilich weitgehend ausgeschaltet werden, indem als Rechtsträger neuer Rechtsform eine Kapitalgesellschaft & Co. KG eingesetzt wird. Auf welche Weise in dieser Personengesellschaft die Vorzüge des Körperschaftsrechts und des Rechts der Personengesamtheiten kombiniert werden können, wurde bereits ausführlich dargelegt16. Freilich ist hierbei zu bedenken, dass über § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG die Arbeitnehmer der operativ tätigen Kommanditgesellschaft der in der Regel arbeitnehmerlosen Komplementärgesellschaft zugerechnet werden können. Konsequenterweise wird in diesen Fällen die Kommanditgesellschaft, die letztlich auch über die mitbestimmungspflichtigen Organe ihrer Komplementärgesellschaft gesteuert wird17, auf indirektem Wege mitbestimmt18. ___________ 14 Vgl. aber auch den Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Großunternehmen und Großkonzernen (1982), erschienen in der DGBSchriftenreihe Mitbestimmung sowie in RdA 1983, S. 41. Hinter diesem Gesetzesentwurf verbirgt sich eine Forderung, welche insbesondere seitens des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geäußert wurde, wonach Groß- und Konzernspitzenunternehmen ab einer bestimmten Größenordnung kraft Gesetzes die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft aufgedrängt werden sollte, um auf diese Weise die Anwendbarkeit eines Unternehmensmitbestimmungsgesetzes auf diese sicherzustellen. Vgl. außerdem Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 73; Schwark, AG 1983, S. 303 ff.; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 10. 15 Vgl. Henssler, ZfA 2000, S. 241 (246). 16 Vgl. oben § 3 A. II. 2. 17 Vgl. BAG 20.08.2003 – 5 AZB 79/02, GmbHR 2003, S. 1208 (1210) = NZA 2003, S. 1108 (1109). 18 So z.B. Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, § 14 Rdnr. 5; Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 4 Rdnrn. 1, 8; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 IV 5 a; vgl. oben § 3 A. II. 2. b) aa).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Einen Sinn macht deshalb der Formwechsel aus einer beteiligungspflichtigen Kapitalgesellschaft in die Kapitalgesellschaft & Co. KG aus dem mitbestimmungsrechtlichen Blickwinkel nur dann, wenn die weiteren Voraussetzungen der Arbeitnehmerzurechnung des § 4 Abs. 1 MitbestG umgangen werden können. Völlig problemlos ist dies zum einen, wenn die Mehrheit der Kommanditisten – berechnet nach der Mehrheit der Anteile oder Stimmen – nicht zugleich die Mehrheit der Anteile oder Stimmen in dem Unternehmen der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft innehat und deshalb das entscheidende Tatbestandsmerkmal der Mehrheitsidentität nicht erfüllt wird. Allerdings wird mit einer nicht mehrheitsidentischen Beteiligungsstruktur eine in der Rechtswirklichkeit eher atypische Kapitalgesellschaft & Co. KG geschaffen. Die in Bezug auf die unternehmenstragende Personen- und die persönlich haftende Kapitalgesellschaft deckungsgleiche Mehrheitsbeteiligung ist die wesentliche organisationsrechtliche Voraussetzung, um die Kapitalgesellschaft & Co. KG, die juristisch eine Verflechtung zweier Gesellschaftstypen darstellt19, zu einer steuerbaren Einheit zusammenzuziehen. Des Weiteren scheitert die Arbeitnehmerzurechnung dann zwingend aus, wenn die Komplementärgesellschaft nicht ausschließlich zur Haftungsabschottung verwendet wird, sondern mit mehr als 500 Arbeitnehmern einen eigenen unternehmerischen Zweck verfolgt. Sofern sich dieser Zweck allerdings nicht unter die Tendenzschutzklausel des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 DrittelbG subsumieren lässt, wird die persönlich haftende Gesellschafterin gleichwohl einen mitbestimmten Aufsichtsrat zu bilden haben, wenngleich sich dessen Zusammensetzung dann nur nach den Rechtsfolgen des Drittelbeteiligungsstatuts bestimmt. In zumindest einem Fall aber ist der Formwechsel aus der von Arbeitnehmern mitbestimmten Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft & Co. KG zum Zwecke der Flucht aus der Mitbestimmung uneingeschränkt sinnvoll. Das ist der Fall, wenn der formwechselnde Rechtsträger in der Regel maximal 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt und deshalb den Schwellenwert des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG nicht erreicht20. Beschäftigt zum Beispiel eine GmbH 1.600 Arbeitnehmer, ist ihr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 1 DrittelbG obligatorisch zu bildender Aufsichtsrat zu einem Drittel mit Vertretern der Arbeitnehmerseite zu besetzen, § 4 Abs. 1 DrittelbG. Entschließen sich die Gesellschafter in der Gesellschafterversamm___________ 19 Vgl. Henze in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Bd. 1, § 177a Anh. A Rdnr. 8; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 161 Rdnr. 10; Horn in: Heymann, HGB Bd. 2, § 161 Rdnr. 118; Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 138; Reiserer, BB 1996, S. 2461; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 I 4. 20 Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 13.

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lung, § 193 Abs. 1, 194 UmwG, zu einem Rechtsformwechsel in eine GmbH & Co. KG, so hat sich die Gesellschaft mit dem Wirksamwerden des Formwechsels durch Eintragung in das Handelsregister der GmbH, § 202 Abs. 1 UmwG, jeglichem Mitbestimmungszwang entzogen. Die arbeitnehmerlose Komplementär-GmbH als solche löst ohnehin keine Mitbestimmungspflicht aus, und die Zurechnungsnorm des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG beansprucht nach ihrem eindeutigen Wortlaut Geltung ausschließlich zum Zwecke der Anwendung des quasiparitätischen Beteiligungsstatuts des Mitbestimmungsgesetzes 1976, nicht hingegen im Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsstatuts. Da das nunmehr in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft geführte Unternehmen aber nach wie vor nur 1.600 Arbeitnehmer aufweist, bleibt es hinter dem Schwellenwert des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG zurück, und ist zukünftig (unmittelbar wie mittelbar) völlig mitbestimmungsfrei21. Zur Klarstellung: Die Kapitalgesellschaft & Co. KG ist keine Rechtsform sui generis, sondern entsteht durch die bereits ausführlich beschriebene Zusammenschaltung einer operativ tätigen Kommanditgesellschaft und einer persönlich für deren Verbindlichkeiten haftenden Kapitalgesellschaft. Deswegen kann ein Rechtsformwechsel einer nur mit natürlichen Personen als Gesellschafter versehenen Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft & Co. KG nicht ohne weiteres stattfinden. In einem (wenigstens gedanklich22) streng vom Umwandlungsbeschluss und der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister gemäß §§ 193 Abs. 1, 194, 202 Abs. 1 UmwG zu trennenden Schritt muss die Beteiligungsstruktur des formwechselnden Rechtsträgers geändert werden. Der Gesellschafterkreis wird um die später als persönlich haftender Gesellschafter fungierende Kapitalgesellschaft erweitert. Diese behält ihre Rechtsform zukünftig bei. Sie hat nämlich mit dem späteren Formwechsel nichts zu tun, sondern ist Anteilsinhaber im Sinne des § 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG. Die umzuwandelnde Kapitalgesellschaft nimmt dann die Rechtsform einer herkömmlichen Kommanditgesellschaft, § 191 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 UmwG in Verbindung mit § 161 Abs. 1 HGB, an.

___________ 21

Vorsicht ist mit der Annahme dieser Rechtsfolge allerdings geboten, sofern sich zwischen der unternehmenstragenden Kommanditgesellschaft und der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft ein Konzernrechtsverhältnis feststellen lässt. Dann kann eine Arbeitnehmerzurechnung auch außerhalb des MitbestG möglich sein und zwar über § 2 Abs. 2 DrittelbG bzw. § 77a BetrVG 1952. Dazu ist allerdings erforderlich, dass den im Verhältnis zu § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG relativ strengen Anforderungen dieser Normen (Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 AktG) genügt wird. 22 Vgl. zu der Frage, ob beim Wechsel der Rechtsform in eine Personengesellschaft die Aufnahme eines weiteren Gesellschafters Element des Umwandlungsvorgangs sein kann oder in einem rechtlich und zeitlich isolierten Schritt sich zu vollziehen hat, oben § 7 B. IV. 3.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

C. Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform Gemäß § 191 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit §§ 226, 238 ff. UmwG kann eine Kapitalgesellschaft auch die Rechtsform einer anderen Kapitalgesellschaft annehmen. Obgleich Unternehmen in der Rechtsform sowohl einer Aktiengesellschaft als auch einer Kommanditgesellschaft auf Aktien und einer GmbH potentiell mitbestimmungsfähig und mitbestimmungspflichtig sind, kommen einige Fälle in Betracht, in denen ein Wechsel zwischen den genannten Rechtsformen durchaus zum Ausweichen in ein weniger einschneidendes Mitbestimmungsregime genutzt werden kann. I. Formwechsel von montanmitbestimmten Unternehmen Zunächst ist hier auf die Besonderheiten des Rechts der Montanmitbestimmung hinzuweisen. Nach den §§ 1 Abs. 2 MontanmitbestG, 1 MitbestErgG unterliegen dem speziellen Montanstatut einzig Unternehmen, die als Aktiengesellschaft oder GmbH verfasst sind. Deshalb führt hier der Austausch einer dieser Rechtsformen gegen diejenige einer Kommanditgesellschaft auf Aktien dazu, dass das Unternehmen trotz seiner unveränderten Tätigkeit aus dem Anwendungsbereich der Montanmitbestimmung herausfällt und je nach seiner Arbeitnehmerzahl sein Beteiligungsstatus sich künftig nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 oder dem Drittelbeteiligungsgesetz richtet23. II. Formwechsel von Altgesellschaften 1. Der einfache Rechtsformwechsel Ein weiterer Gestaltungsspielraum eröffnet sich durch die gesetzliche Sonderbehandlung der so genannten Altgesellschaften im Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes. Dem § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 sowie Nr. 2 Satz 2 DrittelbG ist zu entnehmen, dass solche Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, deren Handelsregistereintragung bereits vor dem 10. August 1994 stattfand, völlig unabhängig von ihrer Arbeitnehmerzahl zumindest einen zu einem Drittel mit Repräsentanten der Arbeitnehmerseite besetzten Aufsichtsrat zu bilden haben, es sei denn, es handelt sich um Familiengesellschaften. ___________ 23 Vgl. Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 9; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 63.

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Eine vergleichbare Regelung fehlt demgegenüber für die GmbH, bei der ein gesetzlicher Mitbestimmungszwang in jedem Fall erst einsetzt, wenn sie regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG. Als Konsequenz bewirkt der Rechtsformwechsel einer als Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit bis zu 500 Arbeitnehmern mitbestimmungspflichtigen Altgesellschaft in eine GmbH das sofortige Herausfallen aus dem sachlichen Geltungsbereich aller Mitbestimmungsgesetze24. 2. Die taktische Rückumwandlung in eine aktiengesetzliche Organisationsform Eine Sonderproblematik wird unter dem Stichwort des „wiederholten Formwechsels“ oder des „Rückformwechsels“ von Altgesellschaften diskutiert. Zur Einführung dient der folgende Beispielsfall: Eine Aktiengesellschaft beschäftigt 300 Arbeitnehmer. Obwohl sie damit nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 DrittelbG erfüllt, ist bei ihr ein mitbestimmter Aufsichtsrat im Sinne des § 4 Abs. 1 DrittelbG eingerichtet. Dies beruht darauf, dass die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bereits im Jahre 1993 erfolgt ist. Weil außerdem ihre Aktien in den Händen mehrerer Aktionäre liegen, die miteinander weder verwandt noch verschwägert im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 bis 8, Abs. 2 AO sind, genügt das Unternehmen den Anforderungen der besonderen Klausel in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3 DrittelbG. Die Aktiengesellschaft wird nun gemäß §§ 191 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 4, 226, 251 ff. UmwG in eine eingetragene Genossenschaft umgewandelt. Im Anschluss an die Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister wird die Generalversammlung der Genossenschaft einberufen und ein Beschluss zur sofortigen Rückumwandlung der Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft gefasst, §§ 193 f., 260 ff. UmwG. Fraglich ist in diesem Fall der mitbestimmungsrechtliche Status der Gesellschaft nach der erfolgreichen Rückumwandlung aus der Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft. Die eingetragene Genossenschaft ist mit einer Belegschaftsstärke von in der Regel 300 Arbeitnehmern anders als die ursprüngliche ___________ 24 Henssler, ZfA 2000, S, 241 (258 f.); Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnrn. 10, 13; Seibt in: Willemsen/ Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 67 i.V.m. Rdnr. 63; vgl. Bartodziej, ZIP 1994, S. 580 (583); vgl. zu dieser Konstellation auch OLG Naumburg 06.02.1997 – 7 U 236/96, AG 1998, S. 430 = DB 1997, S. 466 = DB 1998, S. 251 = NZA-RR 1997, S. 177 = WiB 1997, S. 864 mit Anm. Trölitzsch; vgl. aber Henssler, a.a.O., S. 243 (dort Fn. 9), der darauf hinweist, dass der Entscheidungswortlaut in den Fundstellen AG 1998, S. 430 und DB 1998, S. 251 befremdlicherweise jeweils vom Wortlaut in den anderen Fundstellen abweicht.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Altaktiengesellschaft jedenfalls mitbestimmungsfrei. § 1 Abs. 1 Nr. 5 DrittelbG verweist (im Gegensatz zu Nr. 2 Satz 2) nämlich nicht auf die Sonderregelung für Altgesellschaften in Nr. 1 Sätze 2 und 3. Wenn aber nun der Rechtsträger im Zuge der Rückumwandlung wieder seine ursprüngliche Rechtsform annimmt, könnte die zwischenzeitliche Organisation als eingetragene Genossenschaft seiner Bewertung als Altaktiengesellschaft im Sinne der Norm im Wege stehen. Im Ergebnis besteht zwar weitgehend Einigkeit darüber, dass der wiederholte Formwechsel nicht zur Mitbestimmungsfreiheit in der letztlich wieder entstehenden Aktiengesellschaft führen kann25. Allerdings werden verschiedene Begründungsmodelle herangezogen. a) Die Wahrung der Identität des formwechselnden Rechtsträgers Zunächst ließe sich daran denken, die Lösung allein über die Identitätsthese des § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG zu suchen. Danach besteht der umgewandelte Rechtsträger in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten neuen Rechtsform weiter26. Man könnte deshalb erwägen, dass im Falle der gezielten Rückumwandlung der Rechtsträger als solcher bereits als Aktiengesellschaft vor dem Stichtag des 10. Augusts 1994 in das Handelsregister eingetragen war. Wenn sich an seiner Identität aber weder durch den ersten noch durch den zweiten Rechtsformwechsel etwas ändert, muss er sich dann möglicherweise aufgrund der Rückkehr zu seiner herkömmlichen Rechtsform nach wie vor als eingetragene Altgesellschaft behandeln lassen. Das Kriterium Altgesellschaft bliebe gleichsam im Wege der Identität erhalten. Dieser Gedankengang scheitert indessen an folgendem Problem: Die Heraushebung allein der rechtlichen Identität des Rechtsträgers hätte nicht ausschließlich Konsequenzen für die Fälle der gezielten Rückumwandlung. Darüber hinaus würde sie dazu führen, dass jede vor dem 10. August 1994 in das Handelsregister eingetragene Gesellschaft, die durch einen Formwechsel nun erstmals in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien überwechselt, zu einer Altgesellschaft im Sinne der Norm ___________ 25 Vgl. z.B. Henssler, ZfA 2000, S. 241 (259); Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 13; Seibt, NZA 2004, S. 767 (768 f.); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 68a; anderer Ansicht möglicherweise Lutter, AG 1994, S. 429 (445); vermittelnde Auffassung bei Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 16. 26 Vgl. BR-Drucks. 75/94, S. 136; Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnrn. 10 ff.; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 202 Rdnrn. 13 ff.; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 202 Rdnr. 5.

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werden würde, gleich ob sie bisher als offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder GmbH verfasst war. Schließlich ist auch hier der identische Rechtsträger schon vor dem Stichtag im Register eingetragen. Derart ausufernde Konsequenzen des Identitätsprinzips sind aber mit dem Sinn und Zweck der Sonderregelung für Altgesellschaften nicht in Einklang zu bringen. Erforderlich ist danach vielmehr, dass die Gesellschaft bereits als Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien vor dem Stichtag in das Handelsregister eingetragen war. Die erst nachträgliche Angleichung der Rechtsform kann dem aufgrund des absoluten Ausnahmecharakters des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3 (gegebenenfalls in Verbindung mit Nr. 2 Satz 2) DrittelbG nicht gleichgestellt werden. Im Ergebnis ist deswegen ein Abstellen auf den Identitätsgedanken bei der Auflösung des Problemfelds der taktischen Rückumwandlung nicht zielführend27. b) Wortlautanalyse: Extensive Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG Zum Teil wird im einschlägigen Schrifttum versucht, das Problem der Rückumwandlung über eine erweiternde Auslegung des Gesetzeswortlauts in den Griff zu bekommen. Argumentiert wird, dass nach der erfolgreichen Rückumwandlung eine Aktiengesellschaft (bzw. Kommanditgesellschaft auf Aktien) entstanden ist, die zudem schon vor dem entscheidenden Datum des 10. Augusts 1994 eben als Aktiengesellschaft (bzw. Kommanditgesellschaft auf Aktien) im Handelsregister eingetragen war. Diese Konstellation sei noch vom Wortlaut des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 (jetzt: § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG) gedeckt28. Eine Auseinandersetzung mit der Frage der Gesetzesinterpretation ist aus rechtssystematischer Sicht sicherlich zu begrüßen, nachdem das Instrument der Auslegung unbedingten Vorrang vor dem sich hier ebenfalls aufdrängenden Argument des Gestaltungsmissbrauchs genießt29. Gestaltungsmissbrauch meint ___________ 27 Vgl. so auch Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 16. 28 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (259), der die Konfliktlage zunächst auch über die Rechtsmissbräuchlichkeit der vorgenommenen Gestaltungsmaßnahme zu lösen erwägt, dann aber doch auf das vorrangige und vom Rechtsmissbrauch deutlich zu trennende Instrument der (extensiven) Auslegung eingeht. 29 Vgl. BGH 22.04.1953 – II ZR 143/52, BGHZ 9, S. 273 (277); BGH 14.12.1954 – I ZR 65/53, BGHZ 16, S. 4 (8); BGH 03.07.1981 – V ZR 100/80, BGHZ 81, S. 135 (143) = NJW 1981, S. 2241 (2242); BGH 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, S. 69 (74); Heinrichs in: Palandt, BGB, § 242 Rdnr. 18; Teichmann in: Soergel, BGB Bd. 2, § 242

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

schlicht Rechtsmissbräuchlichkeit, bezogen auf die Anwendung eines konkreten, für sich betrachtet völlig legitimen Gestaltungsmittels aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls. Seine rechtliche Grundlage findet das Kriterium des Rechts- und Gestaltungsmissbrauchs vor allem in den allgemeingültigen Rechtsgedanken30 von Treu und Glauben, wie sie für den Bereich des Schuldrechts in erster Linie in § 242 BGB niedergelegt sind. Im Ergebnis kann über den Nachweis des Rechtsmissbrauchs bei der Vornahme einer Umstrukturierungsmaßnahme eine Korrektur des durch Anwendung des geltenden Rechts gefundenen, bei wertender Betrachtung aber als objektiv unbillig einzustufenden Resultats erreicht werden31. Das bedeutet in dogmatischer Hinsicht, dass mit Rechtsmissbräuchlichkeit in diesem Sinne dann nicht argumentiert werden kann, wenn man ein billiges Ergebnis bereits auf andere Weise, insbesondere im Zuge der Gesetzesauslegung, herzuleiten vermag. Inhaltlich aber kann dem weiten Verständnis der Regelung für Altgesellschaften nicht beigepflichtet werden. Die Einschränkung des Mitbestimmungszwangs für Aktiengesellschaften (und Kommanditgesellschaften auf Aktien) mit lediglich bis zu 500 Arbeitnehmern dient nach dem gesetzlichen Telos der Gewinnung neuer (kleinerer und mittlerer) Unternehmen für die aktiengesetzlichen Rechtsformen32 (§§ 1 ff. und 278 ff. AktG). Dieser Sinn der unterschiedlichen Behandlung von neuen und alten Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien lässt sich letztlich – sicherlich etwas überspitzt – als bloße gesetzgeberische Werbung für eine Organisation nach dem Aktiengesetz charakterisieren. Stellt man diesen Gedanken in den Vordergrund, ist kein Grund ersichtlich, aus dem heraus ein ursprünglich einmal als Aktiengesellschaft verfasster Rechtsträger, der mittlerweile in eine andere Organisationsform übergewechselt ist, nicht ebenfalls in den Genuss des Privilegs der Mitbestimmungsfreiheit gelangen sollte, wenn erst dadurch für ihn seine originäre ___________ Rdnr. 124; Mansel in: Jauernig, BGB, § 242 Rdnr. 12; Werner in: Erman, BGB Bd. I, § 242 Rdnr. 12. 30 Vgl. BAG 23.06.1994 – 2 AZR 617/93, BB 1995, S. 204; BGH 23.09.1982 – VII ZR 183/80, BGHZ 85, S. 39 (48); Heinrichs in: Palandt, BGB, § 242 Rdnr. 1; Roth in: MünchKomm BGB Bd. 2, § 242 Rdnr. 2; Schulze in: HK-BGB, § 242 Rdnr. 1; Werner in: Erman, BGB Bd. I, § 242 Rdnr.1. 31 Vgl. Teichmann in: Soergel, BGB Bd. 2, § 242 Rdnr. 28; Werner in: Erman, BGB Bd. I, § 242 Rdnr. 96. 32 Lutter, AG 1994, S. 429 (445). Wenn demgegenüber der Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 (ggf. i.V.m. Nr. 2 Satz 2) DrittelbG bzw. § 76 Abs. 6 Satz 1 Halb. 2 und Satz 2 (ggf. i.V.m. Satz 3) BetrVG 1952 dahingehend beschrieben wird, es solle ein mitbestimmungsrechtlicher Bestandsschutz für Altgesellschaften hervorgerufen werden (so z.B. Henssler, ZfA 2000, S. 241 (259)), so kennzeichnet dieser Gedanke eigentlich nur die Kehrseite derselben Medaille, führt aber im vorliegenden Zusammenhang letztlich nicht weiter.

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Rechtsform wieder attraktiv wird. Auch in dieser Konstellation erfüllt der gesetzliche Werbeeffekt seinen Zweck. c) Der Ansatz des Gestaltungsmissbrauchs Zu Recht wird aber seitens der Literatur hervorgehoben, dass der Regelungsgehalt des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3 (ggf. in Verbindung mit Nr. 2 Satz 2) DrittelbG doch nicht einfach durch die Übernahme der erhöhten Kosten, die ein wiederholter Rechtsformwechsel mit sich bringt, unterlaufen werden könne33. Dem ist zumindest in Bezug auf die hier angedachte von vornherein geplante Rückumwandlung in eine Aktiengesellschaft beizupflichten. Die Mitbestimmungsfreiheit kann nämlich prinzipiell einzig durch die Ansteuerung rechtlicher Nachteile, die sich in Bezug zu den Anwendungsvoraussetzungen der Mitbestimmungsgesetze setzen lassen, erkauft werden, nicht hingegen schon durch bloßen finanziellen und organisatorischen Aufwand. Im Bereich der übertragenden Umwandlungen liegt dieser rechtliche Nachteil in erster Linie eben in der Preisgabe von Vermögensgegenständen an einen Dritten. Da es hier zumeist um die Aufgabe wenigstens ganzer Betriebe oder sogar Geschäftsbereiche geht, wird sich der damit einhergehende rechtliche Nachteil der Vermögensminderung oftmals in Bezug setzen lassen zu mitbestimmungsgesetzlichen Faktoren, die das Maß der Beteiligungsrechte an die Größe des konkreten Unternehmens anknüpfen, namentlich also die Indikatoren Arbeitnehmerzahl und Höhe des satzungsmäßigen Nennkapitals. Freilich kann sich daneben zudem ein entsprechender wirtschaftlicher Nachteil abzeichnen. Denn die Weitergabe wirtschaftlicher Ressourcen an einen übernehmenden Rechtsträger mag dazu führen, dass das übertragende Unternehmen auf dem entsprechenden Markt nicht mehr oder nur noch in eingeschränkter Weise als Anbieter auftreten kann und wird. In einem demgemäß geschrumpften Unternehmen ist es dann eben auch denkbar, dass die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerschaft zurückgehen. Im Bereich der identitätswahrenden Umwandlung führt beispielsweise der (einmalige) Formwechsel von einer Aktiengesellschaft in die Rechtsform der GmbH bei einer Arbeitnehmerzahl von bis zu 500 Arbeitnehmern zum Wegfall der Unternehmensmitbestimmung, dies allerdings nur um den rechtlichen Preis, dass die Gesellschaft ihre Zugangsmöglichkeiten zu den öffentlichen Kapital___________ 33 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (259); vgl. zum Ansatz des Rechts- bzw. Gestaltungsmissbrauchs ferner Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 13; Seibt, NZA 2004, S. 767 (768 f.); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG 1952 § 76 Rdnr. 16; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 68a.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

märkten weitgehend aufgibt und die damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen einbüßt. Dieser Nachteil ist rechtsformspezifisch und damit ebenfalls an einen mitbestimmungserheblichen Parameter gekoppelt. Gleiches gilt für die Flucht aus der Mitbestimmung durch Rechtsformwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft. Mehr noch als die Kapitalmarktanbindung steht hier die Tatsache im Vordergrund, dass die Vorzüge einer kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsverfassung aufgegeben werden, was die persönliche Haftung zumindest eines Teils der Gesellschafter hervorruft. Auch diese Modifikation der Haftungsbedingungen hängt vom Mitbestimmungskriterium der Rechtsform ab. In all jenen Fällen verbietet sich demnach natürlich die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs. Völlig anders aber liegt nun der Fall beim wiederholten Rechtsformwechsel von Altgesellschaften. Denn hier steht ein entsprechender rechtlicher Nachteil für die umzuwandelnde Gesellschaft niemals im Raume. Da das Unternehmen letztlich in die Ausgangsrechtform einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien zurückkehrt und dies für die Gesellschafter selbstredend auch absehbar ist, droht weder eine Abkoppelung des Unternehmens von seinen Kapitalquellen noch ein haftungsrechtlicher oder sonst als organisationsrechtliche Frage mit der Mitbestimmung verknüpfbarer Nachteil für seine Gesellschafter. Damit bezieht sich der Missbrauchsvorwurf hier zwar weder auf das isoliert betrachtet völlig legitime34 Bestreben, das Unternehmen aus seinem ursprünglichen Mitbestimmungszwang zu lösen, noch auf den Gebrauch des Formwechsels als eigentlich unbedenkliches Gestaltungsinstrument. Abzustellen ist vielmehr auf die Zweck-Mittel-Relation. Der taktische wiederholte Rechtsformwechsel von Altgesellschaften, der bei genauer Anwendung des Gesetzes die Mitbestimmungsfreiheit im Unternehmen hervorruft, verstößt somit hinsichtlich der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmerseite im Unternehmen gegen die Gebote von Treu und Glauben35.

___________ 34

Vgl. dazu oben § 6 A. Das setzt freilich voraus, dass der wiederholte Rechtsformwechsel einzig oder ganz überwiegend dem Zweck dient, das Unternehmen auch nach seiner Rückumwandlung mitbestimmungsfrei führen zu können. Werden demgegenüber andere legitime Ziele verfolgt, so bedarf es zur Aufrechterhaltung des Vorwurfs der Rechtsmissbräuchlichkeit einer weiter gehenden Abwägung des primär verfolgten Zwecks mit dem erwünschten „Nebeneffekt“ des Mitbestimmungsverlustes. Prozessual wird aber die Beweislast für die Tatsache, dass der Sinn der taktischen Rückumwandlung einzig oder vorrangig in der Flucht aus der Unternehmensmitbestimmung liegt, immer den Vertreter der Arbeitnehmerseite treffen. Der formwechselnde Rechtsträger selbst bedient sich schließlich eines ihm vom Gesetz gewährten Gestaltungsmittels, so dass die Rechtskonformität der Umstrukturierung zunächst einmal zu vermuten ist. 35

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Wie bei jeder Rechtsausübung steht nach der so genannten Theorie der immanenten Schranke bzw. Innentheorie36 auch die Wirksamkeit einer Unternehmensumwandlung unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs37. Die notwendige rechtliche Sonderverbindung38 zwischen dem umzuwandelnden Rechtsträger und der vom Wegfall der Mitbestimmung negativ betroffenen Arbeitnehmerseite lässt sich dabei einmal individuell über die Einzelarbeitsverhältnisse begründen, zum anderen aber auch kollektiv über den Charakter des Unternehmens als Sozialverband39. Deswegen bedarf das gefundene Ergebnis einer wertenden Korrektur über die Rechtsfigur des Rechts- bzw. Gestaltungsmissbrauchs. Die Ausübung eines Gestaltungsrechts entgegen den Wertungen des § 242 BGB kann im Extremfall durchaus sogar dazu führen, dass der mit der Gestaltungsmaßnahme anvisierte Erfolg überhaupt nicht eintritt40. Unter Gestaltungsmaßnahmen in diesem Sinne werden aber zumeist die Gestaltungsrechte der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre verstanden: Rücktritt, Kündigung, Anfechtung, Aufrechnung41. In derartigen Fällen kann es also vorkommen, dass der Erklärende trotz eigentlich ordnungsgemäßer Ausübung etwa seines Rücktrittsrechts (Rücktrittserklärung vor dem Hintergrund eines gesetzlich oder vertraglich festgelegten Rücktrittsgrundes) am Vertrag festgehalten werden muss. Die Berichtigung der Rechtsmissbräuchlichkeit einer unternehmensumstrukturierenden Gestaltungsmaßnahme bedarf aber einer differenzierteren Betrachtung als man sie im Falle einer Gestaltungserklärung bezogen auf ein herkömmliches bilaterales Vertragsverhältnis vorzunehmen hat. Das folgt aus den in der Regel weit reichenden rechtlichen und sozialen Beziehungen des umstrukturierten Rechtsträgers, die unter dem Begriff seines Unternehmens zusammengefasst werden und die zumindest ___________ 36 Vgl. BGH 27.01.1954 – VI ZR 16/53, BGHZ 12, S. 154 (157); BGH 18.11.1955 – I ZR 176/53, BGHZ 19, S. 73 (75); BGH 29.04.1959 – IV ZR 265/58, BGHZ 30, S. 140 (145). 37 Vgl. Heinrichs in: Palandt, BGB, § 242 Rdnrn. 38 ff.; Roth in: MünchKomm BGB Bd. 2, § 242 Rdnrn. 338 ff.; Schulze in: HK-BGB, § 242 Rdnrn. 2, 21 ff. 38 Vgl. RG 24.03.1939 – III 118/38, RGZ 160, S. 349 (357); BGH 05.06.1985 – I ZR 53/83, BGHZ 95, S. 274 (279); BGH 13.06.1985 – I ZR 35/83, BGHZ 95, S. 285 (288); BGH 11.06.1996 – VI ZR 256/95, NJW 1996, S. 2724; Heinrichs in: Palandt, BGB, § 242 Rdnr. 6; Roth in: MünchKomm BGB Bd. 2, § 242 Rdnrn. 72 ff.; Schulze in: HKBGB, § 242 Rdnrn. 3, 11, 23; Teichmann in: Soergel, BGB Bd. 2, § 242 Rdnrn. 20 ff.; offen gelassen vom BGH 22.10.1987 – VII ZR 12/87, BGHZ 102, S. 95 (102); vgl. zum Inhalt der Sonderverbindung Weber, JuS 1992, S. 631 (635): „jeder qualifizierte soziale Kontakt“. 39 Vgl. dazu oben § 1 B. I. 1. 40 Schulze in: HK-BGB, § 242 Rdnr. 22; Mansel in: Jauernig, BGB, § 242 Rdnr. 36; vgl. BGH 03.12.1958 – V ZR 28/57, BGHZ 29, S. 6 (10 f.); BGH 27.10.1967 – V ZR 153/64, BGHZ 48, S. 396 (398 f.). 41 Mansel in: Jauernig, BGB, § 242 Rdnr. 36.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

potentiell allesamt von einer entsprechenden Unternehmensumgestaltung betroffen sein können. Für den Bereich des Rechtsformwechsels bringt der Gesetzgeber dies außerdem selbst zum Ausdruck, indem er in § 202 Abs. 3 UmwG festlegt, dass Mängel des Formwechsels die Wirkungen der Eintragung der neuen Rechtsform oder des Rechtsträgers neuer Rechtsform in das zuständige Register unberührt lassen42. Jene Regelung ist Ausfluss des Gedankens, dass der langwierige Umstrukturierungsprozess mit der Registereintragung seinen endgültigen Abschluss finden soll43. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber in Umwandlungsfällen den Kriterien der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens ab dem Zeitpunkt, in dem die Umstrukturierung durchgeführt ist, einen enorm hohen Stellenwert beimisst44. Außerdem ist die Heilungsvorschrift45 des § 202 Abs. 1 Nr. 3 UmwG zu beachten, die diesen Gedanken ebenfalls in gewissem Umfang stützt. Diese gesetzlichen Schranken dürfen aber nicht völlig ausgehebelt werden. Demnach sind auf materiellen Richtigkeitserwägungen beruhende Korrekturen an dem rechtlich vorgegebenen Ergebnis nur in engen Grenzen zulässig. Es kann – anders als etwa beim herkömmlichen Schuldvertrag, in dessen Rahmen Gestaltungserklärungen ihre Wirkung nach Maßgabe der Gebote von Treu und Glauben schon einmal gänzlich einbüßen können – hier also keinesfalls pauschal die Unwirksamkeit des durchgeführten Formwechsels (oder gegebenenfalls sogar beider Formwechsel) als Ganzes angenommen werden. Angemessen erscheint vielmehr, den immerhin allein mit Blick auf den Mitbestimmungsstatus begründeten Rechtsmissbrauch dadurch auszugleichen, dass die letztendliche Rückkehr in die ursprüngliche Rechtsform entgegen dem geschriebenen Recht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG) zu einem Wiederaufle___________ 42 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 68a; vgl. ausführlich Laumann in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 202 Rdnrn. 29 f.; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 202 Rdnrn. 55 ff.; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 202 Rdnrn. 182 ff. 43 Vgl. Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnr. 56; Stratz in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 202 Rdnr. 11 i.V.m. § 20 Rdnr. 123. 44 Vgl. Bork, ZGR 1993, S. 343 (355); Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnr. 56; Hirte, DB 1993, S. 77 (78); Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 202 Rdnrn. 2, 56; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 202 Rdnr. 188. 45 Entsprechende Vorschriften kennt das UmwG aber auch für die Fälle der vermögensübertragenden Umwandlungsarten; vgl. insofern für den Fall der Verschmelzung § 20 Abs. 2 (Mängel der Verschmelzung lassen die Wirkungen der Registereintragung unberührt.) und § 20 Abs. 1 Nr. 4 (Heilung) UmwG, für die Fälle der Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung § 131 Abs. 2 (Mängel der Spaltung lassen die Wirkungen der Registereintragung unberührt.) und § 131 Abs. 1 Nr. 4 (Heilung) UmwG sowie die einschlägigen Verweisungsnormen auf das Verschmelzungs- und Spaltungsrecht in den Fällen der Vermögensvoll- und Vermögensteilübertragung, §§ 176 ff. UmwG.

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ben auch der ursprünglichen Mitbestimmung führt, im Übrigen aber das zwischenzeitliche Verlassen der Rechtsform einer Aktiengesellschaft und die Rückkehr zu selbiger in jeglicher Hinsicht voll wirksam sind. Dies entspricht dem Gebot, die notwendige Rechtsfolgenkorrektur stets am Maßstab eines möglichst geringen Eingriffs46 in die gesetzliche Vorgabe auszurichten. Dementsprechend – aber auch einzig aus diesem Grunde – findet der Rechtsträger nach der Registereintragung seiner Rückumwandlung in eine Aktiengesellschaft oder auch Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht nur zu seiner originären Rechtsform, sondern ebenfalls zu seinem ursprünglichen Mitbestimmungsstatus (Berücksichtigung der Arbeitnehmer bei der Besetzung des Aufsichtsrats zu einem Drittel) zurück. Der Formwechsel als solcher ist zwar wirksam47, die mit ihm beabsichtigten mitbestimmungsrechtlichen Konsequenzen hingegen treten nicht ein. III. Rechtsformabhängigkeit der Organbefugnisse Der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform kann im Einzelfall auch dann sinnvoll sein, wenn keine der zuvor beschriebenen Fluchtmöglichkeiten in die Mitbestimmungsfreiheit oder auf eine niedrigere Ebene der Arbeitnehmerbeteiligung in Frage kommt. Wie bereits ausführlich dargelegt wurde, ergeben sich im Zusammenspiel des herkömmlichen gesellschaftsrechtlichen Organisationsrechts und des Mitbestimmungsrechts rechtsformspezifische Besonderheiten, welche Einfluss auf die Reichweite der Kompetenzen der Unternehmensorgane nehmen können48. Ist aber einem Organ als Ganzem bereits eine konkrete Zuständigkeit entzogen, so steht den in diesem Organ untergebrachten Arbeitnehmervertretern freilich auch kein Mitwirkungsrecht in dieser Angelegenheit zu. Insbesondere sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass die Existenz persönlich haftender Gesellschafter neben den Kommanditaktionären in der Kommanditgesellschaft auf Aktien es gebietet, das Recht zur organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft allein in den Händen eben dieser Gesellschafter zu belassen. Würde man den Gesellschaftern einen ebenfalls zur Vertretung berechtigten Arbeitsdirektor zur Seite stellen, stünde dies in einem krassen Wertungswiderspruch zu dem rechtlichen und wirtschaftlichen Risiko, durch dessen Übernahme sich ein persönlich haftender Gesellschafter in der KGaA erst das ___________ 46 47

Vgl. dazu Roth in: MünchKomm BGB Bd. 2, § 242 Rdnr. 65. Vgl. Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr.

68a. 48

Vgl. dazu oben § 1 A. III. 2. und B. I. 3.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Recht zur Vertretung der Gesellschaft verdient49. Ebenfalls kann es nicht überzeugen, dem Arbeitsdirektor aufzuerlegen, in die Rolle eines Komplementärs zu schlüpfen und als solcher mit seinem vollständigen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen50. Deswegen nimmt § 33 Abs. 1 Satz 2 MitbestG ein in der Rechtsform der KGaA geführtes Unternehmen auch vom Zwang zur Bestellung eines Arbeitsdirektors als gleichberechtigtes Mitglied des Vertretungsorgans aus51. Bereits an diesem Beispiel wird deutlich, dass zumindest einzelne Aspekte des ungeliebten Mitbestimmungszwangs im Einzelfall durch den Rechtsformwechsel umgangen werden können, ohne die Organisation als Kapitalgesellschaft zwingend preisgeben zu müssen52. So bleibt zwar trotz eines Formwechsels aus einer dem Mitbestimmungsgesetz 1976 unterliegenden Aktiengesellschaft oder GmbH in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien dem Unternehmen ein quasiparitätisch besetzter Aufsichtsrat, gegebenenfalls im Wege des § 203 Satz 1 UmwG, erhalten. Das Vertretungsorgan der Gesellschaft wird durch diese Umstrukturierungsmaßnahme hingegen mitbestimmungsfrei. Weitere wichtige Fallgruppen für Abweichungen in den Kompetenzen des Aufsichtsrats und des Vertretungsorgans zwischen den Rechtsformen der Aktiengesellschaft, der GmbH und der KGaA sind  die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans durch den Aufsichtsrat. In der Aktiengesellschaft erfolgt die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder durch den (mitbestimmten) Aufsichtsrat (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG in Verbindung mit §§ 84, 85 AktG). Auch in der mitbestimmten GmbH sind im Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes 1976 und des Montanmitbestimmungsgesetzes die Geschäftsführer in Abweichung von § 46 Nr. 5 GmbHG

___________ 49

Vgl. Raiser, MitbestG, § 33 Rdnr. 14. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 33 Rdnr. 47. 51 Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 33 Rdnr. 1; Hanau in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 33 Rdnrn. 1, 2; Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (404); Hoffmann/ Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 33 Rdnr. 47; Raiser, MitbestG, § 33 Rdnr. 14; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 61. 52 Bei einem Rechtsformwechsel in eine KGaA stehen allerdings dem Ziel, den Umfang der Mitwirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerseite zu reduzieren, aufgrund der persönlichen Haftung zumindest eines Gesellschafters gemäß § 278 Abs. 1 AktG, ähnliche Hindernisse entgegen wie bei einer Flucht aus dem Kapitalgesellschaftsrecht in das mitbestimmungsfeindliche Personengesellschaftsrecht. Dem kann dann gegebenenfalls wiederum mit der Struktur einer Kapitalgesellschaft & Co. KGaA begegnet werden; vgl. Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (404 ff.) mit w. Nachw. 50

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durch den Aufsichtsrat zu bestellen53 (§ 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, § 12 MontanmitbestG). Dies gilt aber nicht unter dem Drittelbeteiligungsstatut54. Das ergibt sich aus dem fehlenden Verweis auf die §§ 84 und 85 AktG in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG und § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952. In der mitbestimmten Kommanditgesellschaft auf Aktien schließlich ist eine Bestellung der Mitglieder des Vertretungsorgans gemäß den §§ 84 und 85 AktG durch den mitbestimmten Aufsichtsrat durch § 31 Abs. 1 Satz 2 MitbestG gänzlich ausgeschlossen55,  die Mitwirkung des Aufsichtsrats bei der Feststellung des Jahresabschlusses. Während in der mitbestimmten Aktiengesellschaft die Feststellung des Jahresabschlusses gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG in Verbindung mit § 172 Satz 1 AktG die Billigung durch den Aufsichtsrat voraussetzt, ist in der mitbestimmten GmbH keine entsprechende Beteiligung des Kontrollorgans vorgesehen56 (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 2 DrittelbG und § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952, die jeweils nicht auf den § 172 AktG verweisen). Auch in der Kommanditgesellschaft auf Aktien wird der Aufsichtsrat nicht an der Feststellung des Jahresabschlusses beteiligt57. Vielmehr beschließt nach den §§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG und 286 Abs. 1 AktG die Hauptversammlung in Abhängigkeit von der Zustimmung durch die persönlich haftenden Gesellschafter über die Feststellung,  die Existenz von Weisungsrechten der Gesellschafter gegenüber dem Vertretungsorgan. In der mitbestimmten Aktiengesellschaft besteht nach allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen kein Weisungsrecht der Hauptversammlung gegenüber dem Vorstand. Dieser leitet die Gesellschaft gemäß § 76 Abs. 1 AktG in eigener Verantwortung. Anders verhält sich dies in der (mitbestimmten) GmbH, da hier die Gesellschafterversammlung aufgrund des § 37 GmbHG ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung zu-

___________ 53

Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 31 Rdnr. 7 mit w. Nachw.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG; § 31 Rdnr. 4; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, §§ 167, 173; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 31 Rdnrn. 1, 3. 54 Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77 Rdnr. 19; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 31 Rdnr. 4; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 170. 55 Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rdnr. 811; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 61; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 14. 56 Fitting u.a., BetrVG (21. Aufl.), BetrVG 1952 § 77 Rdnr. 19; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25 Rdnr. 70; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 61. 57 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 61.

Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

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steht58. In der Kommanditgesellschaft auf Aktien hingegen sind die persönlich haftenden Gesellschafter ohnehin selbst zur Vertretung der Gesellschaft berufen (§ 287 Abs. 2 AktG), so dass ein Weisungsrecht denklogisch ausscheidet. Selbstverständlich sind auch die Kommanditaktionäre nicht mit derartigen Rechten im Verhältnis zu den persönlich haftenden Gesellschaftern ausgestattet. IV. Amtskontinuität gemäß § 203 Satz 1 UmwG Wenn infolge eines Rechtsformwechsels ein andersartiges Normensystem den Rechtsträger prägt, so bedeutet das im Grundsatz auch, dass die bisherigen Organe des Rechtsträgers untergehen59 und deshalb nach Maßgabe des jeweils einschlägigen neuen Organisationsrechts neue Organe entweder in dem dafür vorgesehenen Verfahren gebildet werden müssen (so im Falle einer juristischen Person als Rechtsträger des Unternehmens in seiner neuen Rechtsform) oder ipso iure entstehen (so im Falle einer Gesamthand als Rechtsträger des Unternehmens in seiner neuen Rechtsform60). Die Einhaltung jenes zunächst einmal völlig selbstverständlichen Prinzips erscheint jedoch dann als kompliziert und eigentlich überflüssig, wenn ein Organ beim Rechtsträger neuer Rechtsform in der gleichen Weise zu bilden ist wie beim Rechtsträger originärer Rechtsform61. In diesem Fall bietet es sich offensichtlich an, von einer Neubestellung des Organs abzusehen und schlicht das bisherige Organ weiter zu verwenden. Bei genauer Betrachtung folgt man damit ohnehin nur dem für das Recht des Formwechsels charakteristischen Identitätsdogma, indem man den Grundsatz der Kontinuität des Rechtsträgers auch auf das betroffene Gesellschaftsorgan erstreckt. Relevant können diese Überlegungen werden beim Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine

___________ 58

Vgl. in diesem Sinne BGH 06.03.1997 – II ZB 4/96, AP Nr. 5 zu § 25 MitbestG = GmbHR 1997, S. 705; Henssler, GmbHR 2004, S. 321; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 14. 59 Vgl. Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 203 Rdnr. 3; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 197 Rdnrn. 62 ff., 70, § 203 Rdnr. 9; Simon in: Semler/Stengel, UmwG, § 203 Rdnr. 2. 60 Auch diese Aussage ist ein Element des im Recht der Personengesellschaften geltenden Prinzips der Selbstorganschaft: In der Personengesellschaft müssen Organe nicht erst gebildet werden. Sie stehen vielmehr der Gesamthand von Gesetzes wegen zur Verfügung, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 d, § 14 II 2 a; K. Schmidt in: Schlegelberger, HGB Bd. III/1, § 125 Rdnr. 6; K. Schmidt in: MünchKomm HGB Bd. 2, § 125 Rdnr. 6. 61 Vgl. Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 203 Rdnrn. 1 f.

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Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform62. Dann ist es durchaus denkbar, dass der Aufsichtsrat unter dem neuen Organisationsrecht mit einer identischen Anzahl von Mandaten auszustatten ist und darüber hinaus sich im mitbestimmten Aufsichtsrat auch die Sitzverteilung zwischen den Repräsentanten der Anteilseigner und der Arbeitnehmer nicht ändert. Gleichbleibende Anforderungen an die Besetzung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats werden sich sogar in erster Linie dann ergeben, wenn der Aufsichtsrat nach Maßgabe eines Mitbestimmungsgesetzes zu besetzen ist, da in diesem Falle seine genaue Ausgestaltung gerade weniger spezifisch auf die einzelnen Rechtsformen zugeschnitten ist, sondern für sämtliche mitbestimmungspflichtigen Rechtsformen über die Mitbestimmungsgesetze weitgehend einheitlich geregelt wird63. Diesem Gedanken trägt der Gesetzgeber des Umwandlungsgesetzes in § 203 Satz 1 UmwG Rechnung. Danach endet die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder gerade nicht, wenn der bestehende Aufsichtsrat auch die Anforderungen des neuen Organisationsrechts erfüllt. Eine Neuwahl wird in diesem Fall als unnötige Formalität64 angesehen. Im Einzelnen führt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) 65 aus, durch die neue Vorschrift des § 203 Satz 1 UmwG solle der wirtschaftlichen und rechtlichen Kontinuität eines formwechselnden Rechtsträgers auch für das Amt der Aufsichtsratsmitglieder Rechnung getragen werden, soweit sich durch den Formwechsel das auf die Bildung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats anwendbare Recht nicht ändere. Zwar veränderten sich trotz der Wahrung der Identität des formwechselnden Rechtsträgers durch den Formwechsel häufig die äußeren rechtlichen Rahmenbedingungen für den Aufsichtsrat. Deshalb werde im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum mit Ausnahme des in § 65 UmwG a.F. geregelten Falles im vor 1995 geltenden Recht für alle Vorgänge der rechtsformwechselnden Umwandlung allgemein eine Beendigung des Amtes der Aufsichtsratsmitglieder angenommen. Hieran solle auch zukünftig festgehalten werden, allerdings nur in den Fällen, in denen der Formwechsel tatsächlich eine Änderung der rechtlichen Voraussetzungen für die Bildung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats mit sich bringe. Es seien jedoch – insbesondere im Geltungsbereich des Mitbe___________ 62

Vgl. zu weiteren praxisrelevanten Beispielen die Liste von Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 203 Rdnr. 2. 63 Vgl. Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 203 Rdnr. 4; Stratz in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 203 Rdnr. 2 (Spiegelstr. 2): Formwechsel einer AG in eine GmbH und umgekehrt, sofern jeweils das MontanmitbestG, das MitbestErgG oder das MitbestG Anwendung finden. 64 Vgl. Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (454). 65 BR-Drucks. 75/94, S. 144 f.

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stimmungsgesetzes – auch Fälle möglich, bei denen eine solche Änderung des rechtlichen Rahmens für den Aufsichtsrat nicht eintrete. In diesen Fällen bejahe das mitbestimmungsrechtliche Schrifttum bereits für das vor 1995 geltende Recht die Kontinuität des Amtes der Aufsichtsratsmitglieder. Durch § 203 Satz 1 UmwG solle dies nunmehr ausdrücklich geregelt werden. Voraussetzung hierfür sei, dass der Aufsichtsrat bei dem Rechtsträger neuer Rechtsform in gleicher Weise wie beim formwechselnden Rechtsträger gebildet werde und sich die zahlenmäßige Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht ändere. Seien diese beiden Voraussetzungen gegeben, solle es keiner Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder anlässlich des Formwechsels mehr bedürfen. Diese von der Unternehmenspraxis angeregte Regelung solle den Formwechsel vereinfachen und Kosten sparen. Zu beachten ist allerdings, dass gemäß § 203 Satz 2 UmwG die Anteilsinhaber im Formwechselbeschluss66 bestimmen können, dass ihre Aufsichtsratsmitglieder – d.h. im nicht mitbestimmten Aufsichtsrat alle Mitglieder, im mitbestimmten Aufsichtsrat nur die Vertreter der Anteilseignerseite, nicht aber diejenigen der Arbeitnehmerseite67 – nicht dem Kontinuitätsgrundsatz folgend im Amt bleiben sollen und daher ihre Posten entgegen § 203 Satz 1 UmwG neu zu besetzen sind68.

D. Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft Der Übergang eines Rechtsträgers vom Recht der Personengesellschaften in das Recht der Kapitalgesellschaften kann keinesfalls einen Mitbestimmungsverlust mit sich bringen, nachdem schon bislang kein deutsches Mitbestimmungsgesetz auf das formwechselnde Unternehmen Anwendung finden konnte. Dies beruht auf dem gesetzlichen numerus clausus der mitbestimmungspflichtigen Rechtsformen. Ob durch den Formwechsel erstmalig die Pflicht zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats und gegebenenfalls zur Bestellung eines Arbeitsdirektors begründet wird, hängt davon ab, ob das Unternehmen auch im Übrigen den gesetzlichen Anforderungen genügt, in erster Linie also eine hinreichend große Zahl von Arbeitnehmern regelmäßig beschäftigt69. ___________ 66

Vgl. aber Laumann in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 203 Rdnr. 12; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 203 Rdnr. 31. 67 Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 203 Rdnr. 27. 68 Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 203 Rdnr. 26; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 203 Rdnr. 14; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 203 Rdnr. 3. 69 Beim Formwechsel einer mitbestimmungsfreien Personengesellschaft in eine mitbestimmungspflichtige Kapitalgesellschaft stellt sich die Frage, auf welche Weise nun

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel

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E. Umwandlung eines Rechtsträgers im Unternehmensverbund Nachdem nun die Grundlagen der Einflussnahme auf den Status der Arbeitnehmermitbestimmung durch Formwechsel geklärt sind, sollen nun noch einige Sachverhalte betrachtet werden, deren Besonderheiten einmal mehr aus dem Umstand resultieren, dass das umzuwandelnde Unternehmen mit einem oder mehreren anderen Unternehmen rechtlich verbunden ist. Mit anderen Worten geht es erneut um Konzernkonstellationen. Dann muss in einem ersten Schritt stets herausgearbeitet werden, auf welcher Ebene der Konzernhierarchie das formwechselnde Unternehmen angesiedelt ist. Lediglich von dieser Basis aus lassen sich Schlüsse über Mitbestimmungszuwachs, Mitbestimmungsverlust oder Mitbestimmungsneutralität für die anderen in dem Konzern zusammengefassten Unternehmen treffen. I. Formwechsel an der Konzernspitze Zunächst wird erörtert, dass der Formwechsel der Konzernobergesellschaft von einer mitbestimmungspflichtigen Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft je nach der Anzahl der bei den Konzernunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer und der Tiefe der Konzernstruktur ohne weiteres auch einen Wechsel des einschlägigen Mitbestimmungsstatuts bei den nachgeordneten Konzernunternehmen herbeizuführen geeignet ist. So liegt etwa der Fall, wenn eine als Aktiengesellschaft verfasste Muttergesellschaft einhundert Prozent der Aktien einer Tochteraktiengesellschaft hält. Diese Tochtergesellschaft ist ihrerseits die alleinige Gesellschafterin einer Enkelgesellschaft in der Rechtsform der GmbH. Alle drei Gesellschaften beschäftigen jeweils 1.500 Arbeitnehmer. Die Enkelgesellschaft hat ein Drittel der Mandate ihres Aufsichtsrats an Arbeitnehmerrepräsentanten vergeben. Aufgrund ihrer Arbeitnehmerzahl ist für sie nämlich (nur) das Drittelbeteiligungsstatut einschlägig. Die an der Konzernspitze stehende Muttergesellschaft hat bei der Besetzung ihrer Organe jedoch Rücksicht auf die strengern Vorgaben des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu nehmen. Zwar weist auch sie tatsächlich keine größere ___________ möglichst schnell ein Aufsichtsrat gebildet werden kann. Dabei drängt sich zunächst eine Anwendung der Normen über die Bestellung des ersten Aufsichtsrats einer Gesellschaft, §§ 30, 31 AktG, auf. Dieser Weg wird aber augenscheinlich durch § 197 Satz 2 UmwG versperrt, der unter anderem die Vorschriften über die Bildung und Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrats auf die Fälle des Formwechsels für unanwendbar erklärt. Die Auflösung dieses Spannungsfeldes ist indessen kein Problem bei der Flucht aus der Mitbestimmung. Die Frage kann sich natürlich lediglich dann stellen, wenn ein Unternehmen aus der Mitbestimmungsfreiheit in die Mitbestimmungspflichtigkeit hineinwächst. Vgl. dazu ausführlich z.B. Henssler, ZfA 2000, S. 241 (257 f.).

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Belegschaftsstärke auf als ihre Enkelgesellschaft. In dem durch die Beteiligungsverhältnisse zwischen Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft geschaffenen Unterordnungskonzern (Vermutung der §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG) sind allerdings die Arbeitnehmer beider hierarchisch unter der Muttergesellschaft stehenden Konzernunternehmen der Muttergesellschaft als herrschendem Unternehmen des Konzerns gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG zuzurechnen. Damit erreicht die Muttergesellschaft einen mitbestimmungsrelevanten Gesamtwert von 4.500 Arbeitnehmern und genügt so den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG. Im Verhältnis der Enkelgesellschaft zur Tochtergesellschaft ist demgegenüber keine Zurechnung von Arbeitnehmern vorzunehmen. § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG ordnet gerade keine Durchgangszurechnung an, sondern die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen gelten nur als Arbeitnehmer auch des herrschenden Unternehmens, hier also der Muttergesellschaft. Die mitbestimmungsrechtliche Einordnung der Tochtergesellschaft muss also allein auf der Grundlage der tatsächlich bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse vorgenommen werden. Danach gilt für sie das Drittelbeteiligungsgesetz. Die Muttergesellschaft an der Konzernspitze unterzieht sich nunmehr einer Umwandlung gemäß §§ 191 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 Var. 1, 226, 228 Abs. 1, 229 ff. UmwG, 105 ff. HGB und nimmt auf diese Weise die Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft an. Mutter-AG 1.500 ArbN

Mitbestimmung gemäß MitbestG, da ArbNZurechnung über § 5 Abs. 1 MitbestG

Mutter-oHG 1.500 ArbN

Wegfall jeglicher Mitbestimmung aufgrund mitbestimmungsfeindlicher Organisation

Tochter-AG 1.500 ArbN

Mitbestimmung gemäß DrittelbG (keine Durchgangszurechnung)

Tochter-AG 1.500 ArbN

Mitbestimmung gemäß MitbestG in der fiktiven Teilkonzernspitze (§ 5 Abs. 3 MitbestG)

Enkel-GmbH 1.500 ArbN

Mitbestimmung gemäß DrittelbG

Enkel-GmbH 1.500 ArbN

Mitbestimmung gemäß DrittelbG

Abbildung 11.2: Rechtslage vor dem Formwechsel der Konzernspitze

Abbildung 11.3: Rechtslage nach dem Formwechsel der Konzernspitze

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel

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1. Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft Die Muttergesellschaft erfährt durch den Rechtsformwechsel in eine offene Handelsgesellschaft einen Mitbestimmungsverlust. Die oHG ist als Personenhandelsgesellschaft unter keinen Umständen mitbestimmungsfähig. Der bei der Konzernspitze zuvor eingerichtete Aufsichtsrat hat in der Personengesellschaft keinerlei Existenzberechtigung und geht deshalb im Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister des Rechtsträgers unter. 2. Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft Neben dem formwechselnden Rechtsträger an der Konzernspitze selbst ist aber auch dessen Tochtergesellschaft unmittelbar vom Umwandlungsvorgang betroffen. Eben weil an der Konzernspitze nach dem Wirksamwerden des Formwechsels ein Unternehmen steht, das nicht in einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG aufgelisteten Rechtsformen betrieben wird, ist der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 MitbestG eröffnet. Die mitbestimmungsfeindliche Personengesellschaft beherrscht nach dem Formwechsel das Konzernunternehmen auf der Stufe der Enkelgesellschaft über ihre mitbestimmungsfähige Tochtergesellschaft. Mithin wird letztere zur fiktiven Teilkonzernspitze im Sinne der Norm. Der Zurechnung der 1.500 Arbeitnehmer der Enkelgesellschaft zur Konzernspitze schlägt in eine Zurechnung zu der zwischengeschalteten fiktiven Teilkonzernspitze um. Insgesamt sind hier also 3.000 mitbestimmungserhebliche Arbeitsverhältnisse festzustellen, so dass das aktienrechtliche Statusverfahren einzuleiten ist, um die aktuell noch bestehende Drittelbeteiligung in der Tochtergesellschaft an den neuen quasiparitätischen Status anzupassen. Ferner ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG ein Arbeitsdirektor in den Vorstand aufzunehmen. 3. Mitbestimmungsstatut der Enkelgesellschaft Für die Beurteilung des Mitbestimmungsniveaus bei der Enkelgesellschaft schließlich spielt der Formwechsel der Konzernobergesellschaft keine Rolle. II. Formwechsel eines abhängigen Konzernunternehmens Mit Besonderheiten völlig anderer Art kann der die Unternehmensumstrukturierung begleitende Jurist konfrontiert werden, wenn der umzuwandelnde Rechtsträger nicht an der Konzernspitze steht, sondern als Konzernunternehmen seinerseits einem herrschenden Unternehmen untergeordnet ist.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

1. Der Formwechsel als Alternative zum upstream merger Zum einen ist es dann unter gewissen Voraussetzungen denkbar, dass Instrument des identitätswahrenden (und damit unabhängig vom Transfer von Gesamtvermögen oder Vermögensteilen auf einen anderen Rechtsträger funktionierenden) Formwechsels gezielt zur Auslösung einer Vermögensübertragung einzusetzen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen derartigen Gestaltungsakt sehen wie folgt aus: Eine Muttergesellschaft hält einhundert Prozent der Anteile an einer Tochtergesellschaft. Die Tochter ist also eine Einmanngesellschaft und damit – ansonsten könnte sie als solche nicht bestehen70 – zwingend als juristische Person verfasst. Wenn jetzt die Tochter via Formwechsel die Rechtsform einer beliebigen Personengesellschaft annimmt, führt dies denklogisch zur Umwandlung in eine Einmannpersonengesellschaft. Im Moment des Wirksamwerdens der Umwandlung geht deshalb der Rechtsträger der Tochtergesellschaft unter und ihr Gesellschaftsvermögen wächst gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB der Muttergesellschaft als einzigem Gesellschafter zu71. Im Ergebnis hat sich also ein dem upstream merger vergleichbarer Transfer des Vermögens der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft vollzogen72, und zwar ebenso wie bei der Verschmelzung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge73. ___________ 70 Baumann, BB 1998, S. 225; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 b; vgl. Weimar, ZIP 1997, S. 1769 ff. 71 Vgl. BGH 13.07.1967 – II ZR 268/64, BGHZ 48, S. 203 (206); BGH 10.05.1978 – VIII ZR 32/77, BGHZ 71, S. 296 (300) = GmbHR 1978, S. 253; BGH 24.11.1978 – V ZB 24/78, WM 1978, S. 249; BGH 16.12.1999 – VII ZR 53/97, NZG 2000, S. 474; BFH 18.09.1980 – V R 175/74, BStBl. II 1981, S. 293; OLG Nürnberg 04.02.1999 – 8 U 3465/98, BB 1999, S. 652; Füger/Rieger in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 19 Rdnr. 16; Köstler in: Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin, Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung, C Rdnr. 20; Orth, DStR 1999, S. 1011 (1012 f.); Reiß in: Kirchhof, EStG, § 16 Rdnr. 216; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 89 f.; Sprau in: Palandt, BGB, § 738 Rdnr. 1; Widmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 5, UmwStG § 20 Rdnr. 446. 72 Vgl. in diesem Sinne zu dem mit der Anwachsung verwandten französischen Rechtsinstrument der confusion de patrimoines Leutner/Tillmanns, RIW 2004, S. 264 (265). 73 Vgl. zur Anwachsung als Gesamtrechtsnachfolgetatbestand BGH 13.07.1967 – II ZR 268/64, BGHZ 48, S. 203 (206); BGH 10.05.1978 – VIII ZR 32/77, BGHZ 71, S. 296 (300) = GmbHR 1978, S. 253; BGH 24.11.1978 – V ZB 24/78, WM 1979, S. 249 f.; BFH 18.09.1980 – V R 175/74, BStBl. II 1981, S. 293; OLG Nürnberg 04.02.1999 – 8 U 3465/98, BB 1999, S. 652; v. Busekist, GmbHR 2004, S. 650 (657 f.); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 89 f. (dort in den Beispielen F 27, F 28); Widmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 5, UmwStG § 20 Rdnr. 446; anderer Ansicht Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/ UmwStG, UmwStG § 20 Rdnr. 197; vgl. ausführlich zum Ganzen Orth, DStR 1999, S. 1011 (1012 f.).

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel

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a) Mitbestimmungsstatut der Tochtergesellschaft Die durch Formwechsel hervorgerufene Anwachsung des Gesellschaftsvermögens zieht einen Mitbestimmungsverlust beim umgewandelten Rechtsträger selbst nach sich, da dieser mit dem Wirksamwerden des Formwechsels erlischt. b) Mitbestimmungsstatut der Muttergesellschaft Abhängig vom Umfang der übergehenden Vermögensmasse und der (schwerpunktmäßigen) Tätigkeit im Unternehmen der Tochtergesellschaft kann der Quasi-upstream-merger nach den aus dem Verschmelzungsrecht hinreichend bekannten Grundsätzen sowohl einen Mitbestimmungszuwachs als auch bloße Mitbestimmungsneutralität beim (grundsätzlich mitbestimmungsfähigen) Alleingesellschafter, der über das Rechtsinstitut der Anwachsung die Rechtsnachfolge in das Vermögen des formwechselnden Rechtsträgers antritt, bewirken. Gegebenenfalls macht er sich sogar in einem Absinken des Mitbestimmungsniveaus (Montanbereich oder Tendenzschutz) bemerkbar. 2. Aufsichtsratskontinuität unter Wechsel der Konzernebene Ein konzernrechtlicher Umwandlungssachverhalt liegt schließlich auch der Diskussion zugrunde, ob beim Formwechsel eines als Kapitalgesellschaft verfassten Konzernunternehmens in eine Personenhandelsgesellschaft der beim formwechselnden Rechtsträger bisher eingerichtete (mitbestimmte) Aufsichtsrat trotz der Mitbestimmungsfeindlichkeit der neuen Rechtsform in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 203 Satz 1 UmwG fortbestehen kann. Dabei ist es natürlich nach den allgemeinen Prinzipien des Gesellschafts- und Mitbestimmungsrechts ausgeschlossen, dass der besagte Aufsichtsrat nach wie vor der Umwandlung zum Zwecke der Kontrolle des gesetzlichen Vertretungsorgans des formgewechselten Rechtsträgers eingesetzt wird74. In der Personengesellschaft existiert keine gesetzliche Arbeitnehmermitbestimmung75. Vielmehr geht die Überlegung dahin, dass unter gewissen engen Voraussetzungen das für den umgewandelten Rechtsträger funktionslos gewordene und damit eigentlich dem Untergang geweihte Aufsichtsorgan möglicherweise Bestandsschutz genießen soll, damit es im Zuge eines Gesellschafterbeschlusses auf eine übergeordnete Ebene der Konzernstruktur verschoben, namentlich ___________ 74

Vgl. Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (450). Bartodziej, ZIP 1994, S. 580 (581, 582); Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 119; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 10; vgl. oben § 1 B. I. 2. 75

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

also für die Zukunft als Kontrollgremium der Muttergesellschaft verwendet werden kann. Die Befürworter jener Möglichkeit der Organverschiebung räumen freilich ein, dass mit der Annahme der geschilderten Rechtsfolge äußerst restriktiv umgegangen werden muss. Die einschränkenden Bedingungen, unter denen die Aufsichtsratskontinuität bei einem vom formwechselnden Rechtsträger verschiedenen Unternehmen überhaupt in Erwägung gezogen werden kann, ergeben sich aus dem nachstehenden Beispielsfall76. Die Geschäftsanteile einer GmbH werden sämtlich von einer natürlichen Person gehalten. Die Gesellschaft betreibt ein Bauunternehmen, in welchem 2.500 Arbeitnehmer vorhanden sind. Der Gesellschafter überträgt nun 99 Prozent seiner Anteile an der unternehmenstragenden GmbH auf eine neu gegründete Holding-GmbH. Diese tritt somit als zweite Gesellschafterin neben den bisherigen Alleingesellschafter. Einen über das Halten der Geschäftsanteile an der unternehmenstragenden GmbH hinausgehenden Zweck verfolgt die Holding-GmbH nicht. Alsbald löst sich die unternehmenstragende GmbH auf dem Wege eines Rechtsformwechsels nach §§ 191 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 Var. 1, 226, 228 Abs. 1, 229 ff. UmwG, 105 ff. HGB von ihrer kapitalgesellschaftsrechtlichen Organisation und geht in die neue Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft über. a) Erläuterung Zunächst sollen die im Sachverhalt genannten Kriterien näher erläutert werden. Entscheidend für die Aussicht auf eine Übernahme des bei der unternehmenstragenden Tochter-GmbH ursprünglich bestehenden mitbestimmten Aufsichtsrats durch die Konzernobergesellschaft ist, dass sich die Konzernobergesellschaft zwar ihrerseits als von Gesetzes wegen aufsichtsrats- und mitbestimmungspflichtig darstellt. Mehr noch darf sie, um dem Rechtsgedanken des § 203 Satz 1 UmwG zu genügen, dies nicht in einer beliebigen Weise sein, sondern die Zusammensetzung des bei ihr gesetzlich geforderten Aufsichtsrats muss sich an den gleichen Merkmalen ausrichten, wie es bei der umzuwandelnden GmbH der Fall ist. Zugleich darf die Konzernspitze jedoch ihrer Pflicht zur Bildung des Kontrollorgans noch nicht nachgekommen sein, da sonst der Gedanke der Aufsichtsratskontinuität schon durch die bloße Existenz eines bereits feststehenden eigenen Aufsichtsgremiums auf der übergeordneten Konzernstufe vereitelt würde77.

___________ 76 77

Vgl. Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (449 ff.). Vgl. Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (456).

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel

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aa) Organisation in der Rechtsform einer GmbH Deshalb wurde als herrschendes Unternehmen eine GmbH gewählt, welcher bis zum Eingreifen der insofern speziellen Mitbestimmungsgesetze wegen § 52 GmbHG ein obligatorisches Aufsichtsorgan fremd ist. Anders wäre dies etwa bei der Aktiengesellschaft, die gemäß §§ 95 ff. AktG so konzipiert ist, dass dem Vorstand und der Hauptversammlung ohnehin, d.h. auch unabhängig vom Eingreifen etwaiger Arbeitnehmerschutzgesetze, ein Kontrollorgan zur Seite gestellt werden muss. Gleichwohl ist die zunächst mitbestimmungsfreie GmbH wenigstens von ihrer Rechtsform her nach sämtlichen deutschen Mitbestimmungsgesetzen78 ein beteiligungstauglicher Rechtsträger. bb) Die kurzfristige Übernahme von Gesellschaftsanteilen Darf ein Aufsichtrat bei der Konzernspitze noch nicht bestehen, so ist es ferner unabdingbar, dass der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an dem umzuwandelnden Rechtsträger durch die Holdinggesellschaft sich erst kurz vor der Vollendung des geplanten Rechtsformwechsels vollzieht. Auf diese Weise wird die Holding-GmbH erst unmittelbar vor dem Formwechsel ihrer Tochtergesellschaft beteiligungspflichtig und zwar über die Rechtsfigur der Arbeitnehmerzurechnung auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. (Vor diesem Hintergrund ist auch schon einer der Gesichtspunkte gefunden, aus denen heraus die Konzernspitzengesellschaft eine reine Holding ist und keinen eigenen Geschäftsbetrieb mit eigenen Arbeitnehmern aufweist. Ein zweiter Grund liegt darin, dass die Beschäftigung eigener Arbeitnehmer und das Hinzukommen der zurechnungsfähigen Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft zusammengenommen andere Anforderungen an die Zusammensetzung des bei der Holding zu bildenden Aufsichtsrats stellen können79 mit der Folge, dass eine schlichte Übernahme des beim formwechselnden Rechtsträger gebildeten Organs nicht mehr zweckmäßig wäre.) ___________ 78

Vgl. dazu § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG (bzw. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952), § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG, § 1 MitbestErgG. 79 Im sachlichen Geltungsbereich des MitbestG kommt es für die genaue Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht auf die Kapitalschwellenwerte an, sondern auf die Zahl der Arbeitnehmer, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 MitbestG: Nr. 1: Unternehmen mit in der Regel 10.000 oder weniger Arbeitnehmern: je sechs Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner- und der Arbeitnehmerseite; Nr. 2: Unternehmen mit in der Regel mehr als 10.000 und maximal 20.000 Arbeitnehmern: je acht Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner- und der Arbeitnehmerseite; Nr. 3: Unternehmen mit in der Regel mehr als 20.000 Arbeitnehmern: je zehn Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner- und der Arbeitnehmerseite; vgl. dazu oben § 3 B. I. 1.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Die zeitliche Nähe des Anteilserwerbs zum Formwechsel macht deutlich, dass für die Verantwortlichen noch keine Gelegenheit bestand, die interne Organisation der Holding-GmbH an den erstmaligen Eintritt in ein gesetzliches Mitbestimmungsstatut anzupassen. Zutreffend wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass eine derartige Situation insbesondere bei einem in großem Umfang fremdfinanzierten Anteilserwerb auftreten wird80. cc) Der Verbleib von Anteilen beim ursprünglichen Alleingesellschafter Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass aus gutem Grund die Holdinggesellschaft nicht sämtliche Anteile am umzuwandelnden Rechtsträger vom bisherigen Alleingesellschafter übernehmen darf. Dem steht zwar nicht das im Moment des Erwerbs auf die Tochtergesellschaft anzuwendende GmbH-Recht entgegen81. Die fortwährende (wenngleich minimale) Beteiligung eines zweiter Gesellschafter am formwechselnden Rechtsträger ist indessen vonnöten, damit die Umwandlung in eine unbedingt eine Vielzahl von Gesellschaftern fordernde offene Handelsgesellschaft nicht den vorstehend beschriebenen Anwachsungseffekt82 zugunsten der Holding-GmbH unter Auflösung der Tochtergesellschaft im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Formwechsels hervorruft. Die Anteilsübernahme in der im Beispielssachverhalt geschilderten Höhe ist außerdem völlig hinreichend, um die Rechtsfolge des § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG auszulösen, verlangt dessen Tatbestand durch den Verweis auf § 18 Abs. 1 AktG doch lediglich, dass das herrschende Unternehmen und das abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind. Der § 17 Abs. 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG lässt dabei den bloßen Mehrheitsbesitz (§ 16 Abs. 1 AktG) am nachgeordneten Unternehmen für die (allerdings widerlegliche83) Annahme eines Konzernrechtsverhältnisses ausreichen84.

___________ 80 Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (451); vgl. in diesem Sinne auch Henssler, ZfA 2000, S. 241 (256). 81 Vgl. § 1 GmbHG. 82 Vgl. oben 1. 83 Vgl. Lutter in: Lutter, Holding-Handbuch, § 1 Rdnrn. 45 ff. 84 Vgl. dazu Bayer in: MünchKomm AktG Bd. 1, § 18 Rdnrn. 44 ff.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, AktG § 18 Rdnrn. 20 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rdnrn. 17 ff.; Lutter in: Lutter, Holding-Handbuch, § 1 Rdnrn. 39 ff.; Meier, GmbHR 2004, S. 254 (255); Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 5 Rdnrn. 14, 19, 26 f.

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel

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b) Grundgedanken der Aufsichtsratsübernahme Nach einer Auffassung soll in dem vorstehend beschriebenen Sonderfall nun der Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft über den Formwechsel hinaus Bestand haben, damit er bei Bedarf durch die Muttergesellschaft übernommen und zu eigenen Zwecken verwendet werden kann. Der Übergang auf den anderen Rechtsträger vollzieht sich dabei allerdings nicht automatisch, da für eine derartige Rechtsfolge auch bei einer nur analogen Anwendung des § 203 Satz 1 UmwG kein Raum ist. Stattdessen müssen die Gesellschafter der Holding privatautonom tätig werden und einen entsprechenden Übernahmebeschluss fassen, der von den Anhängern des erweiterten Kontinuitätsgedankens als „Fortbestehensbeschluss“85 bezeichnet wird. aa) Praktikabilität Dass im beschriebenen Fall der Fortbestand des mitbestimmten Aufsichtsrats der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft wünschenswert wäre, soll vorliegend gar nicht in Zweifel gezogen werden86. Vor diesem Hintergrund aber argumentieren die Verfechter der Organübernahme, der Gesetzgeber habe mit der Schaffung des § 203 Satz 1 UmwG zu erkennen gegeben, dass er den praktisch steinigen Weg des Wegfalls des alten und die damit verbundene Notwendigkeit der Wahl eines neuen Aufsichtsrats dann umgehen will, wenn bezogen auf das gleiche Unternehmen – und aus mitbestimmungsrechtlicher Sicht zum Zwecke der Vertretung des gleichen Arbeitnehmerkreises – ein nach identischen Kriterien zusammenzusetzendes Kontrollgremium auch nach der Unternehmensumwandlung vom Gesetz gefordert wird. Daraus könne man den Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber die materielle Sichtweise, dass der benötigte Aufsichtsrat doch schon vorhanden sei, gegenüber der streng formellen Erforderlichkeit einer Neubestellung des Organs den Vorrang einräume. Dies sei zwar positiv lediglich für den Fall des Formwechsels und mithin der Identität des aufsichtsratsbedürftigen Rechtsträgers geregelt worden. Dieser Norm lasse sich aber insoweit ein allgemeiner Rechtsgedanke entnehmen, so dass ihre

___________ 85 Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (455); vgl. dazu auch Henssler, ZfA 2000, S. 241 (256). 86 Vgl. in diesem Sinne auch Henssler, ZfA 2000, S. 241 (256): Ob „sich bei einem im Konzernverbund bestehenden Aufsichtsrat die hohen Kosten für die Wahl eines neuen mitbestimmten Aufsichtsrates über eine gewisse Dehnung des § 203 UmwG vermeiden lassen, (ist) eine Frage, die sich bei rein pragmatischer Sichtweise sicherlich bejahen ließe.“

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Aussage über einen Analogieschluss auf die hier gegebene Konzernkonstellation übertragen werden könne87. Dem ist aber zu entgegnen, dass die Feststellung, der Rechtsgedanke des § 203 Satz 1 UmwG sei allgemeiner Natur, methodisch keinesfalls als Argument verwendet werden kann. Seine Verallgemeinerungsfähigkeit steht hier gerade zur Diskussion und kann somit allenfalls das Ergebnis der Untersuchung darstellen. Auf diese Weise kann also dem offensichtlichen Ausnahmecharakter der Vorschrift nicht begegnet werden. bb) Die Neuwahl als alternatives Vorgehen Für den Kontinuitätsgedanken im Konzernsachverhalt spreche auch eine Auseinandersetzung mit den Alternativen: Falle der bei der Tochtergesellschaft bestehende Aufsichtsrat nach dem Formwechsel ersatzlos weg, so mache dies eine Neuwahl beim übergeordneten Rechtsträger erforderlich, welche unter Umständen einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (acht bis fünfzehn Monate) in Anspruch nehmen könne88. In dieser Phase seien die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmerseite dann nur auf dem Papier vorhanden. Auch über dass Verfahren einer gerichtlichen Notbestellung von Arbeitnehmerrepräsentanten könne keine Abhilfe geschaffen werden. Zum einen seien gerichtlich bestellte Vertreter qualitativ kaum mit den aus demokratischen Wahlen hervorgegangenen Repräsentanten, wie sie im ursprünglichen Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft nun einmal vorhanden seien, vergleichbar, zum anderen komme eine derartige Notbestellung hier ohnedies nicht in Frage, da sie die Existenz eines Kontrollgremiums bereits voraussetze, nicht hingegen die Lücke bis zum Abschluss einer erstmaligen Aufsichtsratswahl füllen könne89. Diese Sichtweise von der relativ starken Legitimation der beim alten Rechtsträger gewählten Arbeitnehmervertreter für das Amt auch beim neuen Rechtsträger – der Holdinggesellschaft – kann allerdings auch in ihr Gegenteil verkehrt werden. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die Verlängerung des Mandats der Arbeitnehmervertreter über die für sie eigentlich vorgesehene Tätigkeit hinaus (von der Mitwirkung bei der Kontrolle des Vertretungsorgans der Tochtergesellschaft hin zur Mitwirkung bei der Kontrolle des Vertretungsorgans des ___________ 87

Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (454). Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (458) unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf 09.12.1994 – 19 W 2/94, AG 1995, S. 328 (329) = DB 1995, S. 277 (278) = WM 1995, S. 251 (252) – Milchwerke Köln/Wuppertal e.G. (dazu wiederum ausführlich oben § 1 B. II. 2.); Heinsius in: Festschrift Stimpel, S. 571 (573 f.); Hoffmann-Becking, ZIP 1995, S. 1 (4). 89 Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (458 f.). 88

§ 11 Umstrukturierung durch Rechtsformwechsel

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übergeordneten Rechtsträgers) überhaupt vom Willen der Wähler gedeckt ist. Völlig zu Recht wird in der Literatur eine Lösung kritisiert, der zufolge dieses auf dem Demokratieprinzip fußende Problemfeld zumindest dann nicht auftreten soll, „wenn diejenigen Gruppen, deren Interessen berührt sein können, einem Fortbestehen des Mandats der Arbeitnehmervertreter zugestimmt haben“90. Es bleibt nämlich völlig unklar, welche Gruppen von Arbeitnehmern hier überhaupt in Rede stehen und auf welche Weise deren kollektiver Gruppenwillen überhaupt ermittelt werden soll91. Da sich diese Frage außerhalb der Grenzen des geschriebenen Rechts bewegt, ist eine schlüssige Antwort ohne weiteres nicht ersichtlich. Zieht man mit Blick auf die Willensbildung der Gruppen als einzigen nahe liegenden Ansatzpunkt die Grundsätze des gesetzlichen Wahlverfahrens heran, so ist zum einen gegenüber einer vollständigen Neuwahl nicht viel gewonnen. Zum anderen steht die Aufgabe der Bildung der betroffenen Interessengruppen nach wie vor im Raume. Diese Rechtsunsicherheit spricht eindeutig dafür, dass hier elementare Wertungen von Demokratie und Gleichheit der Wahl unterlaufen werden, so dass von einer Neuwahl auf der Ebene der Holdinggesellschaft nicht abgesehen werden kann92. Im Ergebnis ist schon deshalb die Möglichkeit, den bei der Tochtergesellschaft gebildeten Aufsichtsrat auf die Muttergesellschaft zu übernehmen, unbedingt abzulehnen. Einige weitere tragende Argumente sind allerdings bisher in der Diskussion übersehen worden. cc) Die Nachfolge in der unternehmerischen Leitungsmacht Eine wesentliche Säule, auf die das Konstrukt einer (analogen) Anwendung des § 203 Satz 1 UmwG auf den vorliegenden Fall gestützt wird, ist der Gedanke, dass die Holdinggesellschaft gleichsam die „Rechtsnachfolge in der Leitungsmacht über das Unternehmen“ ihrer Tochtergesellschaft antritt93. Dieser Nachfolgetatbestand wird seinerseits mit gleich zwei Überlegungen untermauert: Zunächst sei nach dem Formwechsel der Tochtergesellschaft in die Rechtsform einer Gesamthandsgemeinschaft zu berücksichtigen, dass nach dem klassischen Verständnis des Gesamthandsprinzips der Rechtsträger des Unternehmens die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit seien94. ___________ 90

Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (455). Henssler, ZfA 2000, S. 241 (256). 92 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (256). 93 Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (453). 94 Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (453) unter Hinweis auf BGH 16.12.1961 – III ZR 71/60, BGHZ 34, S. 293 (296); BGH 24.02.1990 – IV ZR 270/88, 91

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Bei einer entsprechend umfangreichen Beteiligung der Holdinggesellschaft an der Tochtergesellschaft sei die Holding dann aber in gewisser Hinsicht unmittelbare (Mit-)Trägerin des beim formgewechselten Rechtsträger geführten Unternehmens. Außerdem gehe aus § 5 MitbestG hervor, dass der Gesetzgeber dem Kriterium des Beherrschungszusammenhangs zwischen verschiedenen Rechtsträgern entscheidende Bedeutung beimesse und darum in Konzernkonstellationen regelmäßig von einer Verschiebung der eigentlichen Leitungsmacht auf die Konzernspitze ausgehe. Die beherrschende Stellung der Holdinggesellschaft bestehe nach der Umwandlung der Tochtergesellschaft unverändert fort. Sie beziehe sich auf das gleiche operative Geschäft und erfordere den gleichen Aufsichtsrat, der zunächst auf untergeordneter Konzernebene bestand95. c) Stellungnahme aa) Der Wandel im Verständnis des Gesamthandsprinzips Zum Gesamthandsargument sei an dieser Stelle nur angemerkt, dass seine Stichhaltigkeit im Hinblick auf das moderne Verständnis von der (Quasi-) Rechtsfähigkeit der Gesamthand sicherlich bereits in Zweifel gezogen werden kann. Danach steht bei der Frage nach der genauen Zuordnung von Rechten und Pflichten im Außenverhältnis der Personengesellschaft zu Dritten die Gesamthand als solche als ein von den Gesellschaftern verschiedener Rechtsträger im Vordergrund96. Mithin abstrahiert die Gesamthand sich und das von ihr ___________ BGHZ 110, S. 127 (128 f.), seinerseits mit Hinweis auf BGH 07.10.1987 – IV a ZR 67/86, LM § 675 BGB Nr. 130 = NJW 1988, S. 556 = WM 1987, S. 1557; Cordes, JZ 1998, S. 545 ff. mit w. Nachw.; Emmerich in: Heymann, HGB Bd. 2, § 105 Rdnr. 32; Ulmer in: Staub, HGB Bd. 2, § 105 Rdnrn. 39 ff.; Wieacker in: Festschrift Huber, S. 339; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 5 I 1 b, seinerseits mit Hinweis unter anderem auf RG 23.06.1933 – II 95/33, RGZ 141, S. 277 (280); Zöllner in: Festschrift Gernhuber, S. 563; Zöllner in: Festschrift Claussen, S. 423. 95 Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (453). 96 Vgl. dazu BGH 29.01.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, S. 341 ff. = NJW 2001, S. 1056 ff. – ARGE Weißes Ross; BGH 24.02.2003 – II ZR 385/99, BGHZ 154, S. 88 ff. = NJW 2003, S. 1445 ff.; BGH 07.04.2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, S. 370 ff. = NJW 2003, S. 1803 ff.; Altmeppen, NJW 2003, S. 1553 ff.; Baumann, JZ 2001, S. 895 ff.; Dauner-Lieb, DStR 2001, S. 356 ff.; Habersack, BB 2001, S. 477 ff.; Hadding, ZGR 2001, S. 712 ff.; Keil, DZWIR 2003, S. 404 ff.; Limmer in: Limmer, Unternehmensumwandlung, Rdnr. 2151 mit w. Nachw.; Reiff, ZGR 2003, S. 550 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, S. 993 ff.; K. Schmidt, NJW 2003, S. 1897 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 60 II 1 a; Ulmer, ZIP 2001, S. 585 ff.; Wertenbruch, NJW 2002, S. 324 ff.; Westermann, NZG 2001, S. 289 ff.; anderer Ansicht noch Berndt/Boin, NJW 1998, S. 2854 (2857); Cordes, JZ 1998, S. 545 (549); Hueck in: Festschrift Zöllner Bd. I, S. 275 (280 ff.); A. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, B VI 4 a; Ulmer, AcP 198 (1998), S. 113 (119

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gehaltene Vermögen zumindest ein Stück weit von den hinter ihr stehenden Gesellschaftern. Entscheidungserheblich ist hier aber ein völlig anderer Gesichtspunkt. bb) Rechtsnachfolge und Identitätsgrundsatz Der Aspekt der Rechtsnachfolge der Holdinggesellschaft in die unternehmerische Leitungsmacht vermag schon insofern nicht zu überzeugen, als es beim Recht des Formwechsels, dem nun einmal auch der § 203 Satz 1 UmwG angehört, gerade nicht um Rechtsnachfolge geht97. Diese wird sogar durch das Rechtsinstrument der Identität völlig entbehrlich gemacht98. Insofern ist schon der gewählte Ansatz rechtstechnisch nicht nachzuvollziehen. Selbst wenn man das einmal unberücksichtigt lässt, ist ferner zu kritisieren, dass der Übergang der Leitungsmacht auf die Holding doch gerade keine Errungenschaft des bei der Tochtergesellschaft durchgeführten Rechtsformwechsels ist. Im gestellten Fall muss nämlich streng zwischen zwei verschiedenen Gestaltungsvorgängen unterschieden werden, und zwar zwischen  dem Formwechsel der Tochtergesellschaft als Unternehmensumwandlung im engen technischen Sinne des Umwandlungsgesetzes und  der Unternehmensübernahme durch den Erwerb nahezu sämtlicher Anteile an der operativ tätigen Gesellschaft durch die Holdinggesellschaft. Dieses dingliche Spiegelbild (§ 398 BGB in Verbindung mit §§ 128 BGB, 15 Abs. 3 GmbHG) zum schuldrechtlichen share deal (§§ 433, 453 BGB in Verbindung mit §§ 128 BGB, 15 Abs. 4 GmbHG) ist ebenfalls ein Umwandlungsvorgang, allerdings nur im weiteren, über den Regelungsbereich des Umwandlungsgesetzes hinausgehenden Sinne. Die Leitungsmacht des Unternehmens fällt der Holdinggesellschaft aber ausschließlich aufgrund des umfangreichen Anteilserwerbs zu. Schon vor dem Formwechsel der Tochter galt – ausgelöst durch den geschaffenen Mehrheitsbesitz – bereits § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. Die Holding konnte allein aus zeitlichen Gründen bislang ihrer somit schon begründeten Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats unter Einbeziehung von Arbeitnehmerrepräsentanten nicht nach___________ ff.); Wiedemann, ZGR 1996, S. 286 (289 f.); Zöllner in: Festschrift Claussen, S. 423 (429 ff.). 97 A. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, B VI; Semler in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rdnr. 67. 98 Lediglich steuerrechtlich gilt ein anderes: Hier wird der identitätswahrende Übergang vom Kapitalgesellschaftsrecht in das Personengesellschaftsrecht (oder umgekehrt) als Übertragungsakt fingiert, um den Wechsel zwischen der Besteuerung einer Körperschaft als eigenständiges Steuerrechtssubjekt und der Besteuerung der Gewinne der Gesellschafter im Falle einer Personengesellschaft nachvollziehen zu können.

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

kommen. Dann kann es aber dogmatisch keinesfalls überzeugen, den speziell auf den Formwechsel zugeschnittenen Grundsatz der Amtskontinuität auf einen Rechtsträger anzuwenden, dessen besondere mitbestimmungsrechtliche Verbindung zu dem formwechselnden Unternehmen sich noch nicht einmal mittelbar in Bezug zur identitätswahrenden Umwandlung der Tochtergesellschaft setzen lässt. Der Umstand, dass der Eintritt der Holdinggesellschaft in die Gesellschafterposition und der Formwechsel der beherrschten Gesellschaft zeitlich eng zusammenfallen, rechtfertigt es in keiner Weise, diese beiden völlig unterschiedlichen Vorgänge faktisch zu vermengen und als einheitlichen Umstrukturierungsvorgang des ganzen Konzerns zu bewerten. Der Konzern bezeichnet eben nur die rechtliche Verbindung mehrerer Rechtsträger, ist aber als solcher nicht selbst umwandlungstauglicher Rechtsträger im Sinne des Umwandlungsgesetzes oder sonstiger Vorschriften. Unabhängig davon, ob man eine extensive Auslegung oder analoge Anwendbarkeit des § 203 Satz 1 UmwG im Ergebnis gutheißt, muss aber der Anknüpfungspunkt für die gewünschte Aufrechterhaltung des Aufsichtsrats immer der Formwechsel selbst sein. Dieser bewirkt im vorliegenden Fall indessen nur, dass ein zufällig an anderer Stelle (namentlich bei der Holding) ohnehin noch benötigter Aufsichtsrat „frei wird“. Nicht aber vermittelt er die gesetzliche Notwendigkeit der Aufsichtsratseinrichtung auf der Ebene der Holding. cc) Abgrenzung von Fortbestand und Übernahme des Aufsichtsorgans Der rechtstechnische Ansatz des Organübergangs auf einen anderen Rechtsträger krankt noch an einer anderen Stelle. Die Leitungsmacht über ein Unternehmen als solche ist keine rechtliche Position, sondern stellt sich als tatsächliches Verhältnis dar. Zwar lässt sie sich aus rechtlich greifbaren Beziehungen herleiten, so etwa  aus dem Umstand, dass die Mehrheit der Anteile am abhängigen Unternehmen einem anderen herrschenden Unternehmen zusteht (§ 16 Abs. 1 Var. 1 AktG),  aus der Mehrheit der Stimmrechte (§ 16 Abs. 1 Var. 2 AktG),  aus der Existenz eines Beherrschungsvertrags (§ 91 AktG) oder  aus der aktienrechtlichen Eingliederung (§ 319 AktG). Dennoch ist die Leitungsmacht als solche kein Recht und auch nicht isoliert übertragbar. Auch dies spricht gegen die Argumentation über eine Rechtsnachfolge. Ferner lässt sich durch die angestellten Praktikabilitätserwägungen auch nicht begründen, dass ein gesellschaftsrechtliches Organ von einem Rechtsträger auf einen anderen überwechseln soll. Die Existenz von Organen im Rechts-

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sinne ist zwar eine gesetzliche Notwendigkeit bei einer in den Rechtsverkehr involvierten nichtnatürlichen Person. Das lässt aber noch lange nicht zu, dass ein Organ wie ein Vermögensgegenstand zwischen verschiedenen Rechtsträgern verschoben wird. Dafür fehlt jegliche gesetzliche Grundlage. In § 203 Satz 1 UmwG kann eine solche schon gar nicht gefunden werden, da diese Norm als Ausfluss der Identitätsthese gerade das Vorhandensein anderer Rechtsträger als des unmittelbar formwechselnden nicht berücksichtigt99. Dieses Hindernis erkennen auch die Anhänger der Organübernahmelösung im vorliegenden Fall. Überbrückt werden soll die von Gesetzes wegen fehlende Übernahme des Aufsichtsorgans deshalb durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss bei der Holdinggesellschaft, den oben schon angesprochenen Fortbestehensbeschluss100. Fraglich ist zunächst, welche Bedeutung einem solchen Gesellschafterbeschluss denn tatsächlich zukäme. Betrachtet man den Wortlaut des § 203 Satz 1 UmwG und den Sinn und Zweck der Norm genauer, so lässt sich das für den Normalfall des Formwechsels dort niedergelegte Kontinuitätsprinzip in zwei Teilaspekte untergliedern:  Kontinuität dahingehend, dass die Aufsichtsratsmitglieder im Amt bleiben und der Aufsichtsrat als Organ somit nicht untergeht, und  Kontinuität dahingehend, dass der Aufsichtsrat per legem als Aufsichtsrat des identischen Rechtsträgers in seiner neuen Rechtsform fungiert. Lediglich dieser zweite Gesichtspunkt fällt im beschriebenen Konzernsachverhalt auf der Rechtsfolgenseite aus, da es eben nicht um einen einzigen, sondern um verschiedene Rechtsträger geht101. Deshalb macht ein Gesellschafterbeschluss nur Sinn zum Zwecke der Übernahme des Organs auf eine höhere Konzernebene. Damit der Beschluss nicht gegenstandslos wird, muss zu diesem Zeitpunkt aber der Aufsichtsrat als solcher überhaupt noch vorhanden sein. Schon die Bezeichnung als „Fortbestehens“-Beschluss ist somit eigentlich unpassend, täuscht sie doch darüber hinweg, dass es eigentlich gar nicht mehr um bloßen Fortbestand geht. Der Fortbestand, verstanden in dem Sinne, dass die Mandate der Mitglieder des einmal etablierten Gremiums nicht erlöschen, ergibt sich (wenn überhaupt) aus der analogen Anwendung des Gesetzes102. Der ___________ 99

Vgl. BR-Drucks. 74/95, S. 137. Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (455); vgl. dazu auch Henssler, ZfA 2000, S. 241 (256). 101 Henssler, ZfA 2000, S. 241 (256). 102 Davon gehen letztlich wohl doch auch Horn/Wackerbarth in: Festschrift Söllner, S. 447 (455) aus. Dies ist den folgenden Formulierungen zu entnehmen: „Ein simpler Fortbestand des Aufsichtsrats macht diesen noch nicht zum Organ der neuen Holding.“; Der Beschluss hat den Zweck, „den bisherigen Aufsichtsrat bzw. seine Mitglieder zum Organ der neuen Holding zu machen.“; Der so genannte Fortbestehensbeschluss soll die 100

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

Beschluss, die so geschaffene Kontinuität des Aufsichtsrats auszunutzen, ist also eigentlich ein Übernahmebeschluss, bezogen auf das konkrete Organ. Der so verstandene Fortbestand des Aufsichtsratsgremiums bringt aber weitere, ungelöste Rätsel mit sich: Wenn der Aufsichtsrat schon kraft Gesetzes zunächst weiter besteht, drängt sich ergänzend die Frage auf, bis zu welchem Zeitpunkt er eigentlich Bestand hat, wenn der Fortbestehens- bzw. Übernahmebeschluss erst einmal nicht zustande kommt – weder mit positivem noch mit negativem Ergebnis. Die Organübernahme ist nämlich für die Gesellschafter der Konzernspitzengesellschaft nicht zwingend, sondern vielmehr als eine bloße Option zu verstehen. Offensichtlich hängt das nach dem vermeintlichen Willen des Gesetzgebers fortbestehende Organ dann zunächst einmal im luftleeren Raume. Das soll heißen, es fehlt eine Zuordnung des Organs zu überhaupt einer juristischen Person. Die ursprünglich auf das Kontrollgremium angewiesene Gesellschaft existiert als juristische Person nicht mehr, nachdem sie sich nunmehr der Rechtsform einer Personengesamtheit bedient. Aber auch eine Verbindung zur Holdinggesellschaft ist wenigstens bis zur besagten Beschlussfassung nicht feststellbar. Als sei diese Existenz eines (vorübergehend) bezugslosen Gesellschaftsorgans nicht schon übertrieben grotesk, kann sie im Extremfall auch noch auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten werden. An welchen Maßstäben nämlich letztlich doch der Wegfall des bezugslosen Aufsichtsrats sich ausrichtet, ist ebenfalls gänzlich unklar, da die Option eines Übernahmebeschluss der Holdinggesellschafter gerade gesetzlich nicht vorgesehen ist und demnach dem Gesetz auch keine Fristenregelung oder ähnliches entnommen werden kann, etwa dergestalt, dass die bisherigen Aufsichtsratsmandate spätestens erlöschen, wenn nicht binnen drei Monaten seitens der Holding positiv über die Organübernahme beschlossen wurde. Zu umgehen wäre dieses Problem eigentlich nur, indem man fordert, dass der Gesellschafterbeschluss über die Übernahme des Kontrollorgans schon gefasst sein muss, bevor das Organ in der umzuwandelnden Gesellschaft entbehrlich wird. Dann müsste die Beschlussfassung im Moment der Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister bereits erfolgt sein. Von dieser Situation wird aber weder in der einschlägigen Literatur ausgegangen noch erscheint ein solches Vorgehen besonders praktikabel. d) Ergebnis Letztlich entfernt sich die vorgeschlagene Lösung des konzernrechtlichen Problems auf Tatbestands- wie auf Rechtsfolgenseite so weit von der Grund___________ „unabdingbare rechtliche Verbindung des vom Gesetzgeber als fortbestehend behandelten Aufsichtsrats mit der Holdinggesellschaft“ sein.

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idee des § 203 Satz 1 UmwG, dass eine auch nur entsprechende Anwendbarkeit der Norm unbedingt abzulehnen ist. In der erörterten Konzernkonstellation besteht deswegen für die Gesellschafter der Holding-GmbH keine Möglichkeit, den bei ihrer neuen Tochtergesellschaft gebildeten Aufsichtsrat zu übernehmen. Dieses Organ geht nach den allgemeinen Regeln unter, sobald mit dem Wirksamwerden des Formwechsels Personengesellschaftsrecht auf die Tochtergesellschaft angewendet werden muss. Die nach dem § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG mitbestimmungspflichtige Konzernobergesellschaft hat eine eigene Aufsichtsratswahl nach Maßgabe der §§ 8 ff. MitbestG durchzuführen. Bis diese Aufgabe bewerkstelligt wurde, muss die fehlende Umsetzbarkeit der unternehmensbezogenen Arbeitnehmerbeteiligungsrechte an der Konzernspitze hingenommen werden.

F. Die formalen Anforderungen des § 197 Abs. 1 Nr. 7 UmwG Angelehnt an die Vorschriften in den §§ 5 Abs. 1 Nr. 9103 und 126 Abs. 1 Nr. 11104 UmwG legt § 194 Abs. 1 Nr. 7 UmwG fest, dass in den Umwandlungsbeschluss auch die Folgen des Rechtsformwechsels für die Arbeitnehmer des Rechtsträgers sowie für ihre Vertretungen und die insoweit vorgesehenen Maßnahmen aufzunehmen sind105. Im Vergleich mit den Fällen der übertragenden Umwandlung ist beim Formwechsel allerdings das Spektrum denkbarer arbeitsrechtlicher Auswirkungen der Umwandlung deutlich geschmälert106. Nachdem hier dem Identitätsgrundsatz folgend die Arbeitsverhältnisse eben nicht auf einen Dritten übergehen, sondern beim umgewandelten Rechtsträger selbst erhalten bleiben (Identität des Vermögens), spielen Fragen des Individualarbeitsrechts107, des Tarifvertragsrechts und der Betriebsverfassung108 regelmäßig keine Rolle109. Ein besonderes Gewicht kommt gerade deswegen in den Fällen des Formwechsels der Unternehmensmitbestimmung zu110, sollte sie ___________ 103

Vgl. dazu oben § 8 E. III. Vgl. dazu oben § 9 D. 105 Vgl. dazu ausführlich Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnr 169; Laumann in: Goutier/ Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 194 Rdnrn. 25 ff.; Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, R Rdnr. 41; Vollrath in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 194 Rdnrn. 46 ff.: Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 194 Rdnrn. 58 f. 106 Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 194 Rdnr. 26; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 194 Rdnr. 58. 107 Laumann in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 194 Rdnr. 27. 108 Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 194 Rdnr. 58. 109 Vgl. Sagasser/Sickinger in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, R Rdnr. 41. 110 Vollrath in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 194 Rdnr. 47/48; Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 194 Rdnr. 58. 104

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Kap. 2: Beeinflussung des Statuts nach deutschem Umwandlungsrecht

denn auf eine der vorstehend beschriebenen Weisen durch den Austausch der Rechtsform berührt sein111. Keine Maßnahme im Sinne des § 194 Abs. 1 Nr. 7 UmwG ist eigentlich die Entscheidung der Anteilsinhaber, entgegen dem Kontinuitätsprinzip des § 203 Satz 1 UmwG die Beendigung des Amtes ihrer Aufsichtsratsmitglieder im Umwandlungsbeschluss zu bestimmen, § 203 Satz 2 UmwG. Bei den auszutauschenden Mitgliedern des Kontrollorgans handelt es sich nämlich eben nicht um die Repräsentanten der Arbeitnehmerseite, sondern allein um die Anteilseignervertreter112. Da aber mit dem Aufsichtsrat dasjenige Gremium in Bezug genommen wird, welches die elementare Grundlage der arbeitnehmerseitigen Mitwirkungsrechte im Unternehmen ist, sollte sicherheitshalber auch insofern ein möglicher arbeitsrechtlicher Einfluss des Formwechsels im Umwandlungsbeschluss eingeräumt werden.

___________ 111

Sollte der Mitbestimmungsstatus des Unternehmens vom Wechsel der Rechtsform ausnahmsweise unberührt bleiben (etwa beim Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform nach §§ 191 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit §§ 226, 238 ff. UmwG), so sollte auch hier sicherheitshalber eine entsprechende Negativerklärung in den Umwandlungsbeschluss aufgenommen werden; vgl. Willemsen in: Kallmeyer, UmwG, § 194 Rdnr. 58. 112 Vgl. Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 203 Rdnr. 26; Laumann in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 203 Rdnr. 11; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 203 Rdnr. 14; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, UmwG § 203 Rdnr. 3; Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 3, UmwG § 203 Rdnr. 27.

Kapitel 3

Grenzüberschreitende Umstrukturierung von Unternehmen durch Verlegung des Verwaltungssitzes § 12 Die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften im europäischen Binnenmarkt A. Die Sitzverlegung als Gestaltungsmaßnahme Schließlich kommt als weiteres gesellschaftsrechtliches Instrument der Unternehmensumstrukturierung die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes des Unternehmens über die Staatsgrenzen hinweg in Betracht. Analysiert werden hier allein solche Fälle, in denen das Unternehmen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet wurde und sich nunmehr innerhalb des europäischen Binnenmarktes bewegt. Von besonderem Interesse sind diese Konstellationen vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV. Diese Grundfreiheit findet nämlich in persönlicher Hinsicht über Art. 48 Abs. 1 EGV auch Anwendung auf die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben. Sie sind natürlichen Personen insofern gleichgestellt1. Gemäß Art. 48 Abs. 2 EGV gelten als Gesellschaften in diesem Sinne die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts. Ausgenommen sind allerdings solche Gesellschaften, die keinen Erwerbszweck verfolgen. Gemäß Art. 43 Abs. 1 Satz 1 EGV sind Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates nach Maßgabe der Art. 44 ff. EGV untersagt. Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EGV ergänzt das klassische Recht der unmittelbaren Niederlassung um die Komponente der Gründung von Agenturen, Zweignie___________ 1

EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 19, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 56, EuGHE I 2002, S. 9919 (9964) – Überseering; Becker, GmbHR 2004, R 145 (146); Wachter, GmbHR 2004, R 161 (162); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 2 b aa.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

derlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats2. Vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit umfasst sind dabei auch die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit und die Gründung und Leitung von Unternehmen – insbesondere Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs. 2 EGV – nach den Bestimmungen, welche der Aufnahmestaat für seine eigenen Angehörigen vorsieht3, Art. 43 Abs. 2 EGV. I. Primäre und sekundäre Niederlassungsfreiheit Damit ergeben sich für die Gesellschaften der EG-Mitgliedstaaten aus dem Recht der Niederlassungsfreiheit zwei Optionen, um in den jeweils anderen Mitgliedstaaten unternehmerisch tätig zu werden: 1. Primäre Niederlassungsfreiheit Zum einen besteht unter Ausnutzung der primären Niederlassungsfreiheit4 die Möglichkeit, dass die nach den Vorschriften einer gemeinschaftszugehörigen Gesellschaftsrechtsordnung wirksam gegründete Gesellschaft ihre Geschäftsführung zukünftig unmittelbar auf dem Hoheitsgebiet eines vom Gründungstaat verschiedenen Mitgliedstaates ausübt und damit mit dem tatsächlichen Sitz ihrer Hauptniederlassung grenzüberschreitend umgesiedelt wird, so geschehen im Fall Überseering BV5.

___________ 2 EuGH 09.03.1999 – Rs. C.212/97 – Tz. 20, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros; Becker, GmbHR 2004, R 145 (146); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 2 b aa. 3 EuGH 28.01.1986 – Rs. 270/83 – Tz. 13, EuGHE 1986, S. 273 (302) = NJW 1987, S. 569 (570) – Kommission/Frankreich; EuGH 09.03.1999 – Rs. C.212/97 – Tz. 19, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros; EuGH 29.04.1999 – Rs. C-311/97 – Tz. 22, EuGHE I 1999, S. 2651 (2672) = NZG 1999, S. 708 (709) – Royal Bank of Scotland; EuGH 13.04.2000 – Rs. C-251/98 – Tz. 27, EuGHE I 2000, S. 2787 (2816) = NZG 2000, S. 731 (732) – Baars; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 56, EuGHE I 2002, S. 9919 (9964) – Überseering; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 40, EuGHE I 2004, S. 2409 (2451) – Lasteyrie du Saillant; Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (384). 4 Vgl. Bayer, BB 2003, S. 2357; Behrens, IPRax 2003, S. 193 (196); Behrens, IPRax 2004, S. 20 (24); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2239); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (162 f.); Kieninger, ZGR 1999, S. 724 (729 ff.); Mülbert/Schmolke, ZVglRWiss 100 (2001), S. 233 (241 f.); Paefgen, WM 2003, S. 561 (564); Stoller, JuS 2003, S. 846 (847 f.). 5 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00, EuGHE I 2002, S. 9919 ff.

§ 12 Die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften im Binnenmarkt

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2. Sekundäre Niederlassungsfreiheit Zum anderen allerdings ist es auch denkbar, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates nicht unmittelbar mit der bestehenden Auslandsgesellschaft zu operieren, sondern deren Sitz im Gründungsstaat zu belassen und lediglich über eine oder mehrere Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften im EG-Ausland die im Gründungstaat schon praktizierte oder auch eine andere unternehmerische Tätigkeit zu entfalten6 (sekundäre Niederlassungsfreiheit7). Diese Konstellation lag den Fällen Centros Ltd.8 und Inspire Art Ltd.9 zugrunde, da hier jeweils Zweigniederlassungen der besagten Gesellschaften im EG-Ausland (einmal in Dänemark, einmal in den Niederlanden) errichtet werden sollten. Faktisch kann auf diesem Weg das gleiche wirtschaftliche Ergebnis erzielt werden wie mit der vollständigen Sitzverlagerung, etwa indem sämtliche Geschäfte des Unternehmens über die ausländische Zweigniederlassung abgewickelt werden, während der Hauptniederlassung im Gründungsstaat nur noch als Briefkastengesellschaft Bedeutung zukommt10. Gerade dieses Ziel wurde sowohl im Fall Centros als auch im Fall Inspire Art verfolgt11. Wegen des identischen Gestaltungsspielraums der betroffenen Rechtsträger muss die sekundäre Niederlassungsfreiheit auch einen gemessen an der Primärfreiheit vergleichbaren Schutz erfahren12. ___________ 6 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 20, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros unter Hinweis auf EuGH 28.01.1986 – Rs. 270/83 – Tz. 18, EuGHE 1986, S. 273 (304) = NJW 1987, S. 569 (570) – Kommission/Frankreich; EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 13, EuGHE 1986, S. 2375 (2387) – Segers; EuGH 13.07.1993 – Rs. C330/91 – Tz. 13, EuGHE I 1993, S. 4017 (4043) – Commerzbank; EuGH 16.07.1998 – Rs. C-264/96 – Tz. 20, EuGHE I 1998, S. 4695 (4721) – ICI; Bayer, BB 2003, S. 2357; Becker, GmbHR 2004, R 145 (146). 7 Vgl. Bayer, BB 2003, S. 2357; Behrens, IPRax 2003, S. 193 (196); Behrens, IPRax 2004, S. 20 (24); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2239); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (162 f.); Kieninger, ZGR 1999, S. 724 (729 ff.); Mülbert/Schmolke, ZVglRWiss 100 (2001), S. 233 (241 f.); Paefgen, WM 2003, S. 561 (564); Stoller, JuS 2003, S. 846 (847 f.). 8 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97, EuGHE I 1999, S. 1459 ff. 9 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01, EuGHE I 2003, S. 10155 ff. 10 Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 (467); Paefgen, WM 2003, S. 561 (569); vgl. EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 102, EuGHE I 2003, S. 10155 (10225) – Inspire Art. 11 Vgl. EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 14, 16, 29, EuGHE I 1999, S. 1459 (1489 f., 1494); EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 36, 95, EuGHE I 2003, S. 10155 (10208, 10223). 12 Vgl. Paefgen, WM 2003, S. 561 (569); vgl. auch Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (164), die (unter Hinweis auch auf Behrens, IPRax 2004, S. 20 (24); Leible/ Hoffmann, EuZW 2003, S. 677 (679 f.); Roth, ZGR 2000, S. 311 (316 f.)) betonen, dass der EuGH selbst anscheinend gar keinen gesteigerten Wert auf die in der Literatur übliche Differenzierung zwischen primärer und sekundärer Niederlassungsfreiheit legt und

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

II. Das Verhältnis der Niederlassungsfreiheit zum Anerkennungsabkommen im Sinne des Art. 293 EGV Dabei hängt die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit juristischer Personen keineswegs ab von dem Abschluss eines Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften im Sinne von Art. 293 Spiegelstr. 3 EGV. Nach dieser Vorschrift leiten die Mitgliedstaaten, soweit erforderlich, untereinander Verhandlungen ein, um zugunsten ihrer Staatsangehörigen  die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs. 2 EGV,  die Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit bei Verlegung des Sitzes von einem Staat in einen anderen und  die Möglichkeit der Verschmelzung von Gesellschaften, die den Rechtsvorschriften verschiedener Mitgliedstaaten unterstehen, sicherzustellen13. Im Verfahren Überseering führte die Zusammenschau jener Regelung und der als Grundfreiheit ausgestalteten Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit teilweise zu der Annahme, dass im Umkehrschluss die Rechtspersönlichkeit einer zuziehenden Auslandsgesellschaft eben nur auf der Grundlage eines solchen multilateralen Abkommens von dem Aufnahmestaat anerkannt werden müsse. Da es bis heute aber an einem entsprechenden Vertragsschluss fehle, sei die Anerkennungspflicht aber nicht positiv im Gemeinschaftsrecht geregelt. Der Niederlassungsfreiheit selbst könne eine entsprechende Pflicht nicht entnommen werden, da anderenfalls der Regelungsauftrag des Art. 293 EGV leer liefe14. Der Europäische Gerichtshof hat in den Urteilsgründen der Überseering-Entscheidung detailliert herausgearbeitet, dass jenem Gebot kein Rechtsetzungsvorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten entnommen werden kann15. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des EG-Vertrags, der ein Überein___________ damit gleichsam von einer Art Generaltatbestand ausgeht. Stellt man jedoch – wie hier – gerade den identischen Gestaltungsspielraum beim Gebrauch dieser Varianten der Niederlassungsfreiheit in den Vordergrund, ist das nur konsequent, da der Umstand, ob neben der Niederlassung im Aufnahmestaat noch eine (in aller Regel nur formale) Hautniederlassung im Gründungsstaat besteht, zu keinerlei Unterschieden in der Schutzwürdigkeit des Rechtsträgers führt. 13 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 24, EuGHE I 2002, S. 9919 (9953). 14 Vgl. EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 25 ff., EuGHE I 2002, S. 9919 (9953 f.). 15 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 54, EuGHE I 2002, S. 9919 (9964); vgl. auch die Schlussanträge des GA Colomer vom 04.12.2001 – Rs. C-208/00 – Tz. 42, ZIP 2002, S. 75 (79) mit Anm. Eidenmüller; v. Halen, WM 2003, S. 571 (572); Koch/Köngeter, Jura 2003, S. 692 (695); Paefgen, WM 2003, S. 561 (564).

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kommen zwischen den Mitgliedstaaten eben nur verlangt, soweit dies erforderlich ist. Diese Formulierung bringt bereits deutlich zum Ausdruck, dass die Verfasser des EG-Vertrags davon ausgingen, die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Gesellschaften lasse sich möglicherweise schon aus anderen Normen des Primärrechts ganz oder teilweise herleiten16. Überdies soll das zwischenstaatliche Übereinkommen zu dem Zweck geschlossen werden, die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Eine Sicherstellung kommt aber schon sprachlich nur in Betracht, wenn sich der primäre Rechtsgrund der Anerkennungspflicht schon in einer anderen Rechtsnorm findet17. Denn anderenfalls ginge es gerade nicht um eine Absicherung der Anerkennungspflicht, sondern um ihre erstmalige Begründung. Und so weist der Gerichtshof darauf hin, die von Art. 293 EGV intendierten Übereinkünfte verfolgten ebenso wie die in Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV vorgesehenen Harmonisierungsrichtlinien schlicht das Ziel, die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften zu erleichtern. In keinem Fall jedoch solle der Freiheitsgebrauch vom tatsächlichen Abschluss eines zwischenstaatlichen Übereinkommens abhängig gemacht werden18. III. Die Sitztheorie und die Gründungstheorie als Eckpfeiler des Gesellschaftskollisionsrechts Die entscheidende Frage im vorliegenden Zusammenhang lautet wie folgt: Inwiefern können bestimmte gesellschaftsrechtliche und mitbestimmungsrechtliche Vorschriften des Aufnahmestaates auf eine Gesellschaft angewendet werden, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründet wurde und nunmehr ihren Verwaltungssitz in das Hoheitsgebiet des besagten Aufnahmestaates verschiebt? Damit ist ein schon geradezu klassischer Streitpunkt des internationalen Gesellschaftsrechts angesprochen. Die dominierend vertretenen Positionen werden herkömmlich mit den Begriffen der Sitztheorie einerseits und der Gründungtheorie andererseits belegt19. Beide beschreiben nichts anderes als ein Verfahren zur Bestimmung des Personalstatuts einer Gesellschaft und beantworten damit die Frage nach dem anwendbaren Gesellschaftsrecht20. ___________ 16

EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 54, EuGHE I 2002, S. 9919 (9964). Koch/Köngeter, Jura 2003, S. 692 (695). 18 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 55, EuGHE I 2002, S. 9919 (9964); v. Halen, WM 2003, S. 571 (572); Koch/Köngeter, Jura 2003, S. 692 (695); Lutter, BB 2003, S. 7 (8). 19 Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 f.; vgl. Bayer, BB 2003, S. 2357 (2358). 20 Behrens, IPRax 2000, S. 384 (390); Jaeger, NZG 2000, S. 918 (919) mit w. Nachw.; Roth, ZIP 2000, S. 1597 (1599); K. Schmidt, ZGR 1999, S. 20 (22); Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409 (2411). 17

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

1. Die Sitztheorie Kernaussage der Sitztheorie ist, dass das Personalstatut einer mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft sich nach dem Sitz ihrer effektiven Verwaltung richtet21. Daraus folgt, dass der Maßstab für das Gesellschaftsstatut einer sich über die Staatsgrenzen hinweg bewegenden Gesellschaft stets das geltende Recht des aktuellen Sitzstaates ist22. Mit jeder transnationalen Verlegung des Verwaltungssitzes verändert sich deshalb auch das einschlägige Gesellschaftsorganisationsrecht. Der Statutenwechsel zwingt nämlich dazu, die Sitzverlegung in demjenigen Staat, den die Gesellschaft nunmehr verlässt, zugleich als Auflösungsbeschluss zu begreifen23 und im Aufnahmestaat die Gründung einer neuen Gesellschaft24 zu verlangen25. Es steht deshalb automatisch fest, dass die im Aufnahmestaat ansässige Gesellschaft die Vorgaben des ___________ 21

Vgl. zur Sitztheorie RG 05.06.1882 – Rep. I. 291/82, RGZ 7, S. 68 (69); RG 29.06.1911 – IV 600/10, RGZ 77, S. 19 (22); RG 22.01.1916 – Rep. V. 293/15, RGZ 88, S. 53 (55); BGH 11.07.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, S. 134 (144) = NJW 1957, S. 1433 (1434); BGH 17.10.1968 – VII ZR 23/68, BGHZ 51, S. 27 (28); BGH 30.01.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, S. 181 (183); BGH 02.04.1970 – VII ZR 128/68, BGHZ 53, S. 383 (385); BGH 05.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, S. 318 (334); BGH 21.03.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, S. 269 (271 f.); BGH 30.03.2000 – VII ZR 370/98, DB 2000, S. 1114 ff. = NZG 2000, S. 1025; BayObLG 07.05.1992 – 3 Z BR 14/92, GmbHR 1992, S. 529 (530) = EuZW 1992, S. 548 mit Anm. Behrens; BayObLG 26.08.1998 – 3 Z BR 78/98, BayObLGZ 1998, S. 195 ff. = DB 1998, S. 2318 f.; OLG Düsseldorf 26.03.2001 – 3 Wx 88/01, NJW 2001, S. 2184 f.; OLG Hamm 30.04.1997 – 15 W 91/97, ZIP 1997, S. 1696 mit Anm. Neye; OLG Hamm 01.02.2001 – 15 W 390/00, NJW 2001, S. 2183 f.; Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (33); Bayer, BB 2003, S. 2357 (2358); Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 58; Kamp, BB 2004, S. 1496; Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 13; Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (794 ff.); Paefgen, DB 2003, S. 487; Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409 (2411); Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 7; w. Nachw. bei Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 5. 22 Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (33). 23 BFH 29.01.2003 – I R 6/99, GmbHR 2003, S. 722 (724) – Dalaware Corporation; Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (33); Franz, EuZW 2004, S. 270 (271); Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 58; Horn, NJW 2004, S. 893 (897); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 126; Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409; vgl. auch EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 20, EuGHE 1988, S. 5483 (5511) – Daily Mail. Auf dieses Problem zielt auch die Äußerung von Lutter, BB 1/2004, S. I ab, unseren Gesellschaften sei das Wandern in das Ausland durch nationale Barrieren verwehrt, während die Gesellschaften aus anderen Mitgliedländern der Europäischen Union nach Centros, Überseering und Inspire Art zu uns kommen und wie eine inländische AG, GmbH oder KG unter uns leben könnten. 24 Vgl. dazu OLG Zweibrücken 27.06.1990 – 3 W 43/90, IPRax 1991, S. 406; Großfeld/König, IPRax 1991, S. 380 ff. 25 Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (33); Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 58; Paefgen, DB 2003, S. 487.

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jeweils einschlägigen nationalen Gesellschaftsorganisationsrechts einhält26, widrigenfalls nämlich der Neugründungsakt scheitert und die Gesellschaft als eigenständiges Rechtssubjekt – zumindest in der von den Gesellschaftern eigentlich gewünschten kapitalistisch ausgeprägten Rechtsform – gar nicht zustande kommt. Auf diese Weise versteht sich die Sitztheorie als ideales Instrument, um die Interessen verschiedenster, mit der Gesellschaft in rechtlich greifbarem Kontakt stehender Personengruppen (zum Beispiel Minderheitsgesellschafter, Gesellschaftsgläubiger, Arbeitnehmer) gegen Beeinträchtigungen abzusichern27. Geht man davon aus, dass der Staat des Verwaltungssitzes von den rechtlichen Aktivitäten der Gesellschaft am ehesten betroffen ist, so erscheint es im Ansatz durchaus einleuchtend, dass ihm auch das Privileg zukommen soll, die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft insbesondere zum Schutze der ebenfalls seiner Rechtsordnung unterworfenen Gläubiger zu regeln28. Darum soll im Falle des „Umzugs“ in einen anderen Mitgliedstaat das Erfordernis der Gesellschaftsneugründung vor allem sicherstellen, dass die im neuen Sitzstaat herrschenden Vorstellungen von einer adäquaten Kapitalausstattung der Gesellschaft erfüllt werden29. Aber auch im Wegzugsstaat birgt die Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Ausland erhebliche Schwierigkeiten bei der Behandlung der bisher von der Gesellschaft begründeten Rechtsverhältnisse. Vorrangig sei auch hier auf die Gläubiger der Gesellschaft verwiesen, die mit der Sitzverlegung ihren inländischen Schuldner verlieren. Das bringt beträchtliche Erschwernisse bei der gerichtlichen Durchsetzung von Forderungen sowohl im Erkenntnisverfahren als auch in der Zwangsvollstreckung mit sich30. In diesem Rahmen erweist sich die Sitztheorie als Schutzinstrument, weil schon die für den Fall des Grenzübertritts in Aussicht gestellte Auflösung der Gesellschaft und vielmehr noch das damit korrespondierende Erfordernis, nach Maßgabe einer ausländischen Gesellschaftsrechtsordnung einen neuen Rechtsträger zu gründen, sich auf die hinter der Gesellschaft stehenden Entscheidungsträger abschreckend auswirken werden. ___________ 26

Paefgen, DB 2003, S. 487. Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 a bb; vgl. dazu allerdings Behrens, IPRax 2003, S. 193 (195). 28 Thönnes, DB 1993, S. 1021 (1022); Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409 (2411); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 a bb. 29 Vgl. Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 62, der in einer unzureichenden Kapitalausstattung eine der wesentlichen Gefahren für die Gläubiger im Aufnahmestaat sieht. 30 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 62. 27

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

2. Die Gründungstheorie Demgegenüber vertreten die Anhänger der Gründungstheorie (auch: Inkorporationstheorie), dasjenige Recht, nach welchem die Gesellschaft ursprünglich einmal wirksam gegründet worden sei, bleibe stets und damit auch unabhängig von einer etwaigen Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland ausschlaggebend für das Gesellschaftsstatut31 (Herkunftslandprinzip). Zieht also eine Kapitalgesellschaft des englischen Rechts mit dem Sitz ihrer tatsächlichen Verwaltung auf deutsches Territorium um, so stellt sich die Frage nach den Ansprüchen des deutschen Rechts an eine kapitalistisch ausgestaltete Gesellschaftsform erst gar nicht. Die Gesellschaft ist und bleibt rechtsfähig nach den Vorgaben ihrer Gründungsrechtsordnung und auch die einzelnen materiellen und formellen Anforderungen zur Aufrechterhaltung der Gesellschaft sind damit ausländischem Recht zu entnehmen. Zum Beispiel gelten damit für die Frage nach der Höhe des erforderlichen Mindesteigenkapitals der Gesellschaft nicht etwa die strengen Maßstäbe des deutschen GmbH- oder Aktiengesetzes, sondern das insofern wesentlich gesellschafterfreundlichere englische Gesellschaftsrecht, das für seine private limited company nur ein äußerst geringes Mindestkapital kennt sowie von einer besonderen Pflicht zur effektiven Aufbringung dieses Kapitals gänzlich absieht. Und in der Krise der Gesellschaft beurteilt sich die Frage, ob die Gesellschafter ein als Darlehen in das Gesellschaftsvermögen eingebrachtes Fremdkapital noch aus dem Sondervermögen lösen und damit dem vorrangigen Zugriff anderer Gesellschaftsgläubiger entziehen können, nicht nach dem deutschen Recht des Eigenkapitalersatzes. Stattdessen ist die das englische Recht kennzeichnende wrongfull trading rule32 zu berücksichtigen. IV. Die Überlagerungstheorie Neben Sitz- und Gründungstheorie ist die so genannte Überlagerungstheorie33 zu nennen. Der Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass im Grundsatz ___________ 31

Vgl. zur Gründungstheorie bzw. zum Herkunftslandprinzip etwa Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (33); Bayer, BB 2003, S. 2357 (2358); Behrens, IPRax 2003, S. 193 (194); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnrn. 339 ff.; Kleinert/Probst, NJW 2004, S. 2425 (2426); Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325 ff.; Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 17; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 7; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 a aa. 32 Vgl. dazu ausführlich z.B. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), S. 174 (177 ff.). 33 Vgl. dazu in erster Linie Sandrock, RabelsZ 42 (1978), S. 227 ff. (insb. 246 ff.); Sandrock in: Festschrift Beitzke, S. 669 ff.; Sandrock, RIW 1989, S. 505 ff.; Sandrock, BB 1999, S. 1337 ff.; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (449 f.); Sandrock/Austmann, RIW 1989, S. 249 ff.; vgl. auch Paefgen, DB 2003, S. 487 f. mit w. Nachw.;

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die Vorschriften des Gründungsstaates das Gesellschaftsstatut des Rechtsträgers bestimmen34. Daran solle sich auch im Zuge einer Sitzverlegung über die europäischen Binnengrenzen hinweg nichts ändern. Allerdings wird es nach der Überlagerungstheorie in ihrer ursprünglichen weiten Fassung als denkbar erachtet, dass infolge der Sitzverlegung die Rechtsnormen des Sitzstaates diejenigen des Ausgangsstaates verdrängen und mithin überlagern35. Das Interesse des Sitzstaates, die Verfassung der in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Gesellschaften lenken zu können, wird hier derartig hoch bewertet, dass der Gründungsstaat wie die betroffenen Unternehmen selbst die mit der Normenüberlagerung einhergehende Beeinflussung des ursprünglichen Gesellschaftsstatuts hinzunehmen hätten. Die Reichweite der Überlagerung ist dabei in verschiedenen Umfängen denkbar. Die entscheidende Voraussetzung ist nämlich, dass diejenigen Personen, deren Schutz eine konkrete Norm des Sitzstaates zu dienen bestimmt ist, sich auf deren Geltung berufen36. Dies erinnert konstruktiv in gewisser Weise an das Rechtsinstrument der Einrede, bei welchem ein materiellrechtlicher Gegengrund nicht bereits von sich aus den behaupteten Anspruch des Gläubigers hindert, sondern dies erst dann vermag, wenn er vom Schuldner im Wege der Einrede gegen den Anspruch angeführt worden ist. Ob sich nun Personen im Verhältnis zur Gesellschaft auf die Überlagerung des Gründungsrechts durch Sitzrecht berufen, ist freilich in deren Belieben gestellt (und hängt in den meisten Fällen darüber hinaus von einer umfassenden rechtlichen Beratung ab), was die Anwendbarkeit von Sitzrecht in hohem Maße einzelfallabhängig macht. Die Lehre von der Normenüberlagerung verfolgt damit eigentlich zunächst denselben Ansatz wie die Gründungstheorie und wird daher von ihren Anhängern auch im Wesentlichen als eine Spielart gerade dieser Lehre verstanden37. Ungeachtet dessen muss man sich aber bewusst sein, dass durch die umfangreichen Möglichkeiten der Überlagerung des ausländischen Gesellschaftsstatuts durch die nationalen Rechtsnormen des aktuellen Sitzstaates weitgehend Sitzrecht auf die betroffene Gesellschaft Anwendung finden kann, so dass zwar nicht im dogmatischen Ansatz aber im praktisch erzielten Ergebnis die klassische Überlagerungstheorie bisweilen der Sitztheorie wesentlich näher steht als dem Gründungsansatz.

___________ Spindler/Berner, RIW 2003, S. 949 (951); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 b cc. 34 Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (449). 35 Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (450). 36 Paefgen, DB 2003, S. 487 f.; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (450). 37 Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (449).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

V. Die modifizierte Version der Überlagerungstheorie Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften hat die Begründer der Überlagerungslehre jedoch zu einer weitreichenden Einschränkung dieser anfänglichen Überlegungen veranlasst. Das Gericht hat in den Entscheidungen in den Rechtssachen Centros Ltd.38, Überseering BV39 und Inspire Art Ltd.40 klargestellt, dass im Grundsatz auch nach der grenzüberschreitenden Sitzverlegung innerhalb des Gemeinschaftsraums das ausschlaggebende Organisationsrecht für die verlegte Gesellschaft das Recht des Gründungsstaats bleiben muss, damit der Rechtsträger von seiner Niederlassungsfreiheit hinreichend Gebrauch machen kann. Verkürzungen der Niederlassungsfreiheit sind nur unter besonders restriktiv zu bemessenden Voraussetzungen europarechtlich zu rechtfertigen. Angesichts dessen musste die Überlagerungstheorie in ihrer herkömmlichen Gestalt verworfen werden, denn das schlichte Berufen Dritter auf eine Überlagerung des Gründungsrechts durch das Normensystem des Sitzstaates reicht als Rechtfertigungsgesichtspunkt sicherlich nicht aus. Im Ergebnis werden die nach Maßgabe der EuGHRechtsprechung überlagerungstauglichen Rechtsnormen und diejenigen Vorschriften, die nach der Gründungstheorie in zu rechtfertigender Weise in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit eingreifen können, identisch sein. Der Urheber der Überlagerungstheorie selbst beschreibt die Anpassung seines originären Gedankens als Schrumpfungsvorgang und charakterisiert seinen modifizierten Ansatz nunmehr als „geschrumpfte Überlagerungstheorie“41. Aufgrund der Vielfalt der Rechtsordnungen im europäischen Binnenmarkt ist die Beantwortung der Frage nach dem auf das Gesellschaftsstatut anzuwendenden Recht von kaum zu ermessender praktischer Bedeutung. Die Auswirkungen des Theorienstreits auf die vorliegende Untersuchung werden sogleich näher dargestellt.

B. Die Definition des Verwaltungssitzes Zuvor sollen indessen noch einige Begrifflichkeiten erläutert werden. Sofern im Folgenden von einer Sitzverlegung die Rede ist, so wird damit einzig auf den tatsächlichen bzw. effektiven Verwaltungssitz einer Gesellschaft abgestellt. Davon streng zu trennen ist der satzungsmäßige Sitz des Unternehmens, dem bloß formeller Charakter zukommt. ___________ 38

EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97, EuGHE I 1999, S. 1459 ff. EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00, EuGHE I 2002, S. 9919 ff. 40 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01, EuGHE I 2003, S. 10155 ff. 41 Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (450). 39

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I. Ort der tatsächlichen Verwaltung und Leitung des Unternehmens Der Verwaltungssitz einer Gesellschaft kann lediglich tatsächlich festgestellt werden. So definierte der Fünfte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem Urteil aus dem Jahre 1986, dass für die Beurteilung des Verwaltungssitzes der Ort der Tätigkeit der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane maßgeblich sei42. Dies wiederum sei derjenige Ort, an welchem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden43. Der Verwaltungssitz kann und wird in der Regel – vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen – mit dem Satzungssitz zusammenfallen. Dies ist aber nicht zwingend. Eben weil für den Verwaltungssitz der Ort maßgeblich ist, von dem aus sich der Schwerpunkt der Unternehmensleitung vollzieht, richtet er sich an rein tatsächlichen Gegebenheiten aus. Daraus folgt, dass eine Sitzverlagerung nicht einmal notwendig einen entsprechenden Beschluss der zuständigen Gesellschaftsorgane voraussetzt, sondern gegebenenfalls auch unabhängig von deren Willen sich eine gewisse Eigendynamik des Verwaltungssitzes feststellen lässt. Ein solcher Fall kann zum Beispiel bereits vorliegen, wenn der einzige Geschäftsführer einer mit ihren Betrieben in Köln ansässigen GmbH mit seinem privaten Wohnsitz von Köln nach München umzieht. Wegen der großen Entfernung der Städte entschließt er sich (im Einvernehmen mit den Gesellschaftern) dazu, dass er seinen Aufgaben bis auf weiteres von München aus nachgeht, indem er die in Köln anfallenden Geschäfte schwerpunktmäßig von seinem Heimbüro aus unter Einsatz des Internets bearbeitet. Lediglich in Ausnahmefällen wie zum Beispiel zur Vertretung der GmbH vor Gericht oder zur Wahrnehmung von Notarterminen tritt er noch die Reise nach Köln an. Das führt dazu, dass der effektive Verwaltungssitz der GmbH sich von Köln aus nach München verschiebt. Denn dies ist mittlerweile der Ort, an dem der Geschäftsführer ganz überwiegend seine Entscheidungen trifft und der Führung der Geschäfte nachgeht. Dass demgegenüber die gesamte tatsächliche Tätigkeit der GmbH unverändert in den in Köln gelegenen Betrieben abgewickelt wird, ist für die Bestimmung des Verwaltungssitzes unbeachtlich. Dies gilt unabhängig davon, ob die Gesellschafter die rechtliche Tragweite des privaten Wegzugs ___________ 42 BGH 21.03.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, S. 269 (272); vgl. in diesem Sinne auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 a aa. 43 BGH 21.03.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, S. 269 (272) = DB 1986, S. 2019; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (160, dort Fn. 2); Franzen, RdA 2004, S. 257 (259); Sandrock in: Festschrift Beitzke, S. 669 (683); Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

ihres Geschäftsführers erkannt haben oder die mit ihr einhergehende Verlagerung des Verwaltungssitzes gutheißen oder nicht. II. Abgrenzung zum satzungsmäßigen Sitz Demgegenüber ist der satzungsmäßige Sitz rein formeller Natur. Es handelt sich dabei um die in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag von den Gesellschaftsgründern festgelegte Ortsangabe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG und des § 5 Abs. 1 AktG. Dass diese vom Verwaltungssitz streng zu unterscheiden ist und mit ihm nicht übereinstimmen muss44, ergibt sich außerdem unmittelbar aus § 5 Abs. 2 AktG. Danach hat die Satzung als Sitz der Gesellschaft in der Regel einen Ort zu bestimmen, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat oder an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder an dem die Verwaltung geführt wird.

C. Denkbare Gestaltungsspielräume mit Blick auf die Unternehmensmitbestimmung Die Niederlassungsfreiheit der juristischen Person und die zu diesem Rechtsgebiet in den letzten Jahren ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs geben in vielfältiger Hinsicht Anreize für die gesellschaftsrechtliche Gestaltungspraxis. Da ein inländischer Sitz der tatsächlichen Verwaltung einer der entscheidenden Parameter für das Eingreifen der Regelungen über die deutsche Unternehmensmitbestimmung ist, gilt dies auch und vielleicht sogar gerade mit Blick auf mitbestimmungspflichtige Unternehmen. Im Zentrum der Debatte stehen dabei mit dem Wegzug deutscher und dem Herzug ausländischer Gesellschaften zwei grundverschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, welche im Anschluss an eine ausführliche Analyse der besagten Rechtsprechung des EuGH zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden sollen. I. Der Wegzugsfall Zum einen lässt sich daran denken, dass etwa eine deutsche mitbestimmungspflichtige GmbH oder Aktiengesellschaft sich entschließt, ihr Unternehmen in Zukunft vom Ausland aus zu lenken und zu diesem Zweck mit ihrer Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften umzieht45. Sollte sich dieses Vorhaben tatsächlich unter Wahrung der ___________ 44 45

Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 a aa. Vgl. dazu ausführlich unten § 14.

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Identität des Rechtsträgers umsetzen lassen, dann findet das deutsche Recht der Unternehmensmitbestimmung, obwohl es sich um Gründungsrecht im Sinne der Gründungstheorie handelt, dann in keinem Fall mehr auf das Unternehmen Anwendung. Die Mitbestimmungsgesetze folgen schließlich dem Territorialitätsprinzip. Infolgedessen geht mit der Flucht in das Ausland eine entscheidende Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Mitbestimmungspflicht verloren. II. Der Zuzugsfall Zum anderen ergibt sich die Möglichkeit, ein deutsches Unternehmen unmittelbar einem ausländischen Rechtsträger zu unterstellen. Aus der Anerkennungspflicht der Mitgliedstaaten gegenüber den Gesellschaften der anderen EG-Mitglieder folgt zwangsläufig, dass im EG-Ausland wirksam errichtete Gesellschaften im vollständigen Binnenmarkt verwendet werden können, ohne die ihnen nach dem Gründungsstatut verliehene Rechtspersönlichkeit einzubüßen. Es spricht also im Grundsatz nichts dagegen, wenn ein deutsches Unternehmen sich nicht als GmbH organisiert, sondern stattdessen etwa auf die entsprechende englische Rechtsform der private limited company zurückgreift. Die genauen Modalitäten eines solchen Zuzugsfalls sollen an dieser Stelle natürlich noch offen bleiben. Aber geht man davon aus, dass Auslandsgesellschaften gleichsam in das deutsche Inland importiert werden und hier für die Zwecke ausschließlich oder schwerpunktmäßig in Deutschland operierender Unternehmen nutzbar gemacht werden können, dann erhebt sich freilich auch die Frage nach ihrer mitbestimmungsrechtlichen Relevanz nach deutschem Maßstab46.

___________ 46

Vgl. dazu ausführlich unten § 15.

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit: Von Daily Mail bis Inspire Art und Lasteyrie du Saillant A. Die Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung für das Gestaltungsinstrument Sitzverlegung Die sich anschließende Untersuchung der Möglichkeiten einer Einflussnahme auf den Status der Unternehmensmitbestimmung anhand des Gestaltungsinstruments der Verwaltungssitzverlegung war als solche noch nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften. Dieser hatte bislang nur über eher klassische Bereiche des Zivil- und Gesellschaftsrechts und ihr Zusammenspiel mit der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags zu befinden, so zum Beispiel  in der Rechtssache Centros Ltd.1 über die Eintragung der dänischen Zweigniederlassung einer im Vereinigten Königreich gegründeten private limited company im Handelsregister des Aufnahmestaates,  in der Rechtssache Überseering BV2 über die Partei- und Prozessfähigkeit einer nach Deutschland zugezogenen Gesellschaft niederländischen Rechts und  in der Rechtssache Inspire Art Ltd.3 über Grundsätze der Kapitalaufbringung durch die nach Maßgabe einer ausländischen Rechtsordnung gegründeten Kapitalgesellschaft sowie das Recht der Firmierung im Aufnahmestaat. Gleichwohl ergeben sich aus den besagten Urteilen wertvolle Argumentationsstrukturen und sonstige Impulse, die entsprechend ebenfalls bei der Frage nach der Mitbestimmungspflichtigkeit zugezogener Gesellschaften nach dem Recht des Aufnahmestaates angewandt werden können. Bevor auf die verschiedenen Fallkonstellationen eingegangen wird, bietet sich deshalb eine genaue Analyse der bisherigen Urteile des EuGH zu den verwandten Rechtsfragen an. Behandelt werden die schon wiederholt angesprochenen Fälle Daily

___________ 1

EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97, EuGHE I 1999, S. 1459 ff. EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00, EuGHE I 2002, S. 9919 ff. 3 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01, EuGHE I 2003, S. 10155 ff. 2

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Mail and General Trust PLC4, Centros Ltd.5, Überseering BV6, Inspire Art Ltd.7 und Lasteyrie du Saillant8. Indessen verbietet sich ein schlicht chronologisches Vorgehen insofern, als sich jene Entscheidungen wiederum in zwei Gruppen einteilen lassen. So betreffen Centros, Überseering und Inspire Art Sachverhalte, in denen es um die Frage ging, ob und inwiefern der Aufnahmestaat in der Lage ist, zuziehende Auslandsgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten an den Maßstäben seiner eigenen Rechtsordnung zu messen und die Wertungen des Gründungsrechts auf diese Weise gegebenenfalls zu überlagern (Zuzugsfall). In Daily Mail und Lasteyrie du Saillant demgegenüber hatte der EuGH zu erörtern, ob die Niederlassungsfreiheit auch Wegzugsbeschränkungen – in casu jeweils solche steuerrechtlicher Natur – nach dem Recht des Gründungsstaats verbietet (Wegzugsfall)9.

B. Die Rolle der Grundfreiheiten in den Zuzugsfällen I. Die Entscheidung Centros Ltd. (1999) Die Rechtssache Centros10 gab dem Europäischen Gerichtshof erstmals die Gelegenheit, sein inzwischen weites Verständnis vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit für juristische Personen und die gesellschafts- sowie kollisionsrechtlichen Konsequenzen der daraus folgenden Freiheitsrechte zum Ausdruck zu bringen. Eine nach dem Recht eines EG-Mitgliedstaates wirksam gegründete juristische Person ist infolge der Auslegung der damaligen Art. 52, 58 EWGV (mittlerweile: Art. 43, 48 EGV) durch den Gerichtshof – und zuvor durch den Generalanwalt La Pergola11 – unter anderem berechtigt, Zweignie___________ 4

EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87, EuGHE 1988, S. 5483 ff. Siehe den Nachw. oben in Fn. 1. 6 Siehe den Nachw. oben in Fn. 2. 7 Siehe den Nachw. oben in Fn. 3. 8 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02, EuGHE I 2004, S. 2409 ff. 9 Vgl. zur Abgrenzung dieser Fallgruppen ebenfalls EuGH 05.11.2002 – Rs. C208/00 – Tz. 70 ff., EuGHE I 2002, S. 9919 (9967 f.); EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 103, EuGHE I 2003, S. 10155 (10225); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1497); Kleinert/Probst, NJW 2004, S. 2425 f. 10 EuGH 09.03.1999 – Rs. C.212/97, AG 1999, S. 226 ff. = BB 1999, S. 809 ff. = DB 1999, S. 625 ff. = EuGHE I 1999, S. 1459 ff. = EuGRZ 1999, S. 469 ff. = EuR 1999, S. 274 ff. = EuZW 1999, S. 216 ff. = EWS 1999, S. 140 ff. = GewArch 1999, S. 375 ff. = GmbHR 1999, S. 474 ff. = IPRax 1999, S. 361 ff. = IStR 1999, S. 253 ff. = JZ 1999, S. 669 ff. = NJW 1999, S. 2027 ff. = NZG 1999, S. 298 ff. = RIW 1999, S. 447 ff. = ZIP 1999, S. 438 ff. 11 Vgl. die Schlussanträge des GA La Pergola vom 16.07.1998 – Rs. C-212/97, EuGHE I 1999, S. 1459 (1461 ff.). 5

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derlassungen in jedem beliebigen anderen gemeinschaftsangehörigen Staat zu errichten. Dem Zuzugsstaat wird es durch die Grundfreiheiten des Vertrags untersagt, diesem Bestreben Steine in den Weg zu legen, indem seine Registerbehörden die Eintragung der Zweigniederlassung verweigern. Der Einwand der Behörden, die Verwendung der im Ausland gegründeten Gesellschaft im Zuzugsstaat unterlaufe die dort geltenden nationalen gesellschaftsrechtlichen Standards und mache die geplante Niederlassung auf diese Weise eintragungsunfähig, vermag die Niederlassungsfreiheit der juristischen Person nicht zu begrenzen. Bahnbrechende Bedeutung hatte das Urteil aber vor allem deswegen, weil es sich im konkreten Fall bei der klagenden juristischen Person um eine reine Briefkastengesellschaft bzw. Scheinauslandsgesellschaft handelte12, also eine solche, die im Staat ihrer Herkunft überhaupt keine Geschäftstätigkeit entfaltet und ihren dortigen Hauptsitz lediglich als Briefkastenadresse verwendet. Diese seitens der Klägerin niemals bestrittene Tatsache13 betrachtet der Gerichtshof selbst dann als unschädlich, wenn für die Gesellschafter schon im Zeitpunkt der Gründung feststand, dass die Gesellschaft lediglich als „Exportartikel“ verwendet werden soll mit dem klar definierten Ziel, operativ nur im Ausland tätig zu werden und dort eine Haftungsbegrenzung zu erreichen, ohne die Vorraussetzungen erfüllen zu müssen, an welche die Rechtsordnung des Zuzugsstaats den Eintritt vor allem der gewünschten Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen knüpft (insbesondere effektive Kapitalaufbringung)14. 1. Sachverhalt: Verweigerung der Registereintragung einer Zweigniederlassung Die dänischen Eheleute Bryde gründeten im Jahr 1992 anlässlich eines Besuches in England gemeinsam eine private company limited by shares nach Maßgabe des englischen Gesellschaftsrechts unter der Firma Centros Ltd. Als von der Satzung vorgesehener Sitz der Gesellschaft diente den Eheleuten die Adresse eines in England ansässigen Freundes. Das englische Gesellschaftsrecht kennt anders als etwa die deutsche Rechtsordnung keinen Zwang zur Einzahlung15 eines Gesellschaftskapitals bei der Errichtung einer GmbH, welcher die private limited company im Wesentlichen entspricht. Vor allem ist sie ___________ 12

Horn, NJW 2004, S. 893 (895). EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 18, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491); Bayer, BB 2003, S. 2357 (2360). 14 Bayer, BB 2003, S. 2357 (2360). 15 Gleichwohl musste im Fall Centros ein Mindestkapital von einhundert britischen Pfund in das Handelsregister eingetragen werden. Neben dieser Eintragungspflicht existiert aber gerade keine entsprechende Einzahlungs- bzw. Kapitalaufbringungspflicht. 13

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als juristische Person anerkannt, für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern im Regelfall lediglich das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Ein Gesellschaftseigenkapital als Haftungsfonds wurde von den Eheleuten dann auch zu keinem Zeitpunkt einbezahlt16. Eine geschäftliche Tätigkeit nahm die Centros allerdings im Vereinigten Königreich nicht auf17. Sie existierte zunächst ausschließlich als Vorratsgesellschaft. Im Sommer 1992 erreichte die dem dänischen Handelsministerium unterstehende Zentralverwaltung für Handel und Gesellschaften ein von Frau Bryde als Geschäftsführerin der Centros gestellter Antrag auf Eintragung einer Zweigniederlassung der englischen Gesellschaft im zuständigen dänischen Register18. Obgleich gemäß § 117 des dänischen GmbH-Gesetzes solche Gesellschaften, die einer dänischen GmbH vergleichbar sind und in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften ihre Hauptniederlassung haben (Anforderungen also, welchen die Centros auf den ersten Blick ohne weiteres genügte), eine Zweigniederlassung in Dänemark einrichten können19, entsprach die Zentralverwaltung dem Antrag nicht. Nach ihrer Auffassung stand der Eintragung nämlich entgegen, dass die Centros im Gründungsstaat England niemals operativ noch in sonstiger Weise tätig geworden war. Auf der Ebene des einfachen dänischen Rechts vermochte diese Argumentation in gewisser Weise auch durchaus zu überzeugen. Wenn nämlich entscheidend darauf abgestellt wird, dass die Hauptniederlassung der Gesellschaft nicht nur rein formeller Natur sein darf, sondern auch operative Tätigkeit an eben diesem Sitz voraussetzt – eine Bewertung, die sich zunächst einmal allein durch Auslegung des § 117 des dänischen GmbH-Gesetzes sicherlich erzielen lässt –, dann muss man der dänischen Zentralverwaltung zugestehen, dass es sich bei der von der Centros Ltd. zur Eintragung angemeldeten Niederlassung wohl kaum um eine reine Zweigniederlassung, sondern faktisch im die Hauptniederlassung handelte20. Und in diesem Fall wäre auch der Tatbestand des § 117 des dänischen GmbH-Gesetzes nicht erfüllt, da die Hauptniederlassung mangels Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich noch gar keinen Bestand hatte. ___________ 16

EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 3, EuGHE I 1999, S. 1459 (1487). EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 3, EuGHE I 1999, S. 1459 (1487); Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (34); Ebke, JZ 2003, S. 927; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (452). 18 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 6, EuGHE I 1999, S. 1459 (1488). 19 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 5, EuGHE I 1999, S. 1459 (1488). 20 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 7, EuGHE I 1999, S. 1459 (1488); auch Bayer, BB 2003, S. 2357 (2360); Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 12 Rdnr. 13; ähnlich argumentierend auch die deutsche, italienische und österreichische Regierung in EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 85, EuGHE I 2003, S. 10155 (10220) – Inspire Art. 17

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Daraus schlussfolgerte die Zentralverwaltung, dass die Gesellschaft von vornherein für den exklusiven Einsatz in Dänemark gegründet worden sei. In diesem Falle aber werde deutlich, dass die Gesellschafter, die Eheleute Bryde, damit das Ziel verfolgten, die Anforderungen des dänischen Gesellschaftsrechts an die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu unterlaufen, in erster Linie von der Einzahlung eines Mindestgesellschaftskapitals in damaliger Höhe von 200.000 dänischen Kronen absehen zu können21. Gegen die ablehnende Verfügung der Zentralverwaltung erhoben die Eheleute im Namen der Centros nunmehr Klage vor den dänischen Gerichten22. Das letztinstanzliche Gericht23 setzte das Verfahren wegen seines (möglichen) europarechtlichen Bezuges aus und stellte ein Ersuchen um Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof24. Die Vorlagefrage beinhaltete letztlich, ob die Verweigerung der Eintragung einer Zweigniederlassung in das dänische Register im konkreten Sachverhalt und mit der von der Zentralverwaltung gewählten Begründung mit der EG-vertraglich garantierten Niederlassungsfreiheit zu vereinbaren sei25. Im Rahmen dessen argumentierte der Staat Dänemark zweigleisig: Die dänische Regierung trug zunächst vor, die Niederlassungsfreiheit habe gar keinen Belang für den Ausgangsfall. Da vorliegend dänische Staatsangehörige versuchten, dänisches Gesellschaftsrecht zu umgehen, fehle ein hinreichender internationaler Bezug. Dieser werde auch nicht schlicht dadurch begründet, dass sich die Eheleute Bryde mit der englischen Limited gleichsam das Mittel zur beabsichtigten Gesetzesumgehung in einem anderen Mitgliedstaat beschafft hätten. Zur Beurteilung des insofern rein nationalen Sachverhalts komme es auf die Vorgaben der Gemeinschaftsrechtsordnung deshalb schon gar nicht an26. Für den Fall, dass der Gerichtshof diese Rechtsansicht nicht teilte, beriefen sich die im Ausgangsverfahren beklagten dänischen Behörden sozusagen hilfsweise erneut darauf, dass durch die Gründung der Centros offensichtlich das nationale Recht unterwandert werden sollte, so dass hier von der Niederlas___________ 21 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 12, 23, EuGHE I 1999, S. 1459 (1489, 1492). 22 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 8, EuGHE I 1999, S. 1459 (1488). 23 Vgl. EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 9, EuGHE I 1999, S. 1459 (1488). 24 Das BayObLG hat anders als das dänische Gericht in einem zum Fall Centros vollständig parallel gelagerten Verfahren eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht als notwendig angesehen, vgl. BayObLG 26.08.1998 – 3 Z BR 78/98, DB 1998, S. 2318 = NJW-RR 1999, S. 401. 25 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 13 f., EuGHE I 1999, S. 1459 (1489 f.). 26 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 16, EuGHE I 1999, S. 1459 (1490).

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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sungsfreiheit bestenfalls in rechtsmissbräuchlicher Weise Gebrauch gemacht worden sei27. 2. Entscheidung des EuGH: Kein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit Der Gerichtshof ist in seinem Urteil vom 9. März 1999 dem Vortrag der dänischen Regierung und der Registerbehörden nicht gefolgt: Die Errichtung einer Zweigniederlassung der Centros in Dänemark sei sehr wohl ein gemeinschaftsrechtsrelevanter Sachverhalt, der zudem vom EG-vertraglich festgelegten Umfang der Niederlassungsfreiheit gedeckt werde. Und auch die von den Registerbehörden behauptete rechtsmissbräuchliche Berufung auf das Niederlassungsrecht, welche dem dänischen Staat ausnahmsweise die Möglichkeit verschaffen solle, Abwehrmaßnahmen gegen das Unterlaufen der eigenen Rechtsordnung zu ergreifen, vermochte der Gerichtshof vorliegend nicht zu erkennen. a) Reichweite des grundfreiheitlichen Schutzes aa) Der Inhalt der Freiheitsgarantie Eng am Wortlaut des Art. 52 EWGV (mittlerweile: Art. 43 EGV) stellte der EuGH zunächst fest, die Niederlassungsfreiheit erkenne jedem Gemeinschaftsangehörigen das Recht zur Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit sowie zur Errichtung von Unternehmen und zur Ausübung der Unternehmertätigkeit nach den Bestimmungen zu, die der gewählte Niederlassungsstaat für seine eigenen Staatsangehörigen vorsieht28. Insofern war die Ausübung geschäftlicher Tätigkeit über eine Zweigniederlassung der Centros im Mitgliedstaat Dänemark sachlich ohne weiteres ein vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasstes Anliegen. bb) Die juristische Person als Trägerin der Niederlassungsfreiheit Die Stellungnahme des Gerichts zum Einwand der dänischen Regierung, die Berufung dänischer Staatsangehöriger auf ein gemeinschaftsrechtliches Gebot, ___________ 27 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 23, EuGHE I 1999, S. 1459 (1492); Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (34). 28 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 19, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491); ebenso EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 56, EuGHE I 2002, S. 9919 (9964) – Überseering.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

innerhalb Dänemarks mit der „importierten“ englischen Kapitalgesellschaft frei wirtschaften zu können, müsse schon daran scheitern, dass es sich um einen rein nationalen Sachverhalt handele, dem jeglicher Bezug zur Gemeinschaftsrechtsordnung fehle, erscheint in den Urteilsgründen eher beiläufig. Inhaltlich ist sie aber ebenso präzise wie einleuchtend. Die Regierung differenzierte offensichtlich nicht zwischen den Gesellschaftern als natürlichen Personen (vorliegend den Eheleuten Bryde) und der von ihnen nach Maßgabe des ausländischen Gesellschaftsrechts wirksam gegründeten juristischen Person (vorliegend der Centros Ltd.). Die Eheleute Bryde rügten eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit aber ausdrücklich im Namen der Centros Ltd., welche ihrerseits eigenständige Trägerin von Rechten und Pflichten ist und über Art. 58 EWGV (mittlerweile: Art. 48 EGV) als Gesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz innerhalb der Gemeinschaft ebenso wie eine natürliche Person das Privileg der Grundfreiheiten in Anspruch nehmen kann29. Der Satzungssitz dient in diesem Fall schlicht dazu, die Zugehörigkeit einer Gesellschaft zur Rechtsordnung eines bestimmten Mitgliedstaats zu bestimmen und erfüllt damit für die juristische Person die gleiche Aufgabe wie die Frage nach der Staatsangehörigkeit bei einer natürlichen Person30. Und da dieser Satzungssitz nun einmal im Vereinigten Königreich und deswegen in einem von Dänemark verschiedenen Staat der Europäischen Gemeinschaften lag, konnte eine interne Angelegenheit Dänemarks, die sich ohne Rücksicht auf den EG-Vertrag exklusiv nach nationalem Recht beurteilen ließ, natürlich nicht angenommen werden. Indem die dänischen Registerbehörden gegenüber der Centros die Eintragung der geplanten Zweigniederlassung verweigerten, behinderten sie nach alldem die dem englischen Recht zuzuordnende juristische Person in der autonomen Ausnutzung ihrer Niederlassungsfreiheit31.

___________ 29 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 19, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491); ebenso EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 56, EuGHE I 2002, S. 9919 (9964) – Überseering. 30 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 20, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) unter Hinweis auf die Urteile EuGH 28.01.1986 – Rs. 270/83 – Tz. 18, EuGHE 1986, S. 273 (304) = NJW 1987, S. 569 (570) – Kommission/Frankreich; EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 13, EuGHE 1986, S. 2375 (2387) – Segers; EuGH 13.07.1993 – Rs. C330/91 – Tz. 13, EuGHE I 1993, S. 4017 (4043) – Commerzbank; EuGH 16.07.1998 – Rs. C-264/96 – Tz. 20, EuGHE I 1998, S. 4695 (4721) – ICI; ebenso EuGH 29.04.1999 – Rs. C-311/97 – Tz. 23, EuGHE I 1999, S. 2651 (2672 f.) = NZG 1999, S. 708 (709) – Royal Bank of Scotland; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 57, EuGHE I 2002, S. 9919 (9964) – Überseering. 31 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 21, 22, EuGHE I 1999, S. 1459 (1492); Kögel, DB 2004, S. 1763.

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b) Europarechtliche Rechtfertigung Der Schwerpunkt der Entscheidung lag aber alsdann bei der Frage, ob nicht ausnahmsweise die Niederlassungsfreiheit der Centros in zulässiger Weise beschränkt wurde, weil die dänischen Behörden sich beim Erlass des den Eintragungsantrag ablehnenden Bescheides auf einen oder gleich mehrere auch europarechtlich relevante Rechtfertigungsgründe stützen konnten. Als solche zog der EuGH hier in Betracht die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf die Grundfreiheiten und die Frage, ob nicht das Freiheitsrecht des Einzelnen hinter konkreten zwingenden Gründen des Allgemeinwohls bzw. -interesses zurückstehen muss. aa) Der Aspekt des Rechtsmissbrauchs als Rechtfertigungsgrund Den Vorwurf einer missbräuchlichen Berufung auf die Gemeinschaftsrechtsordnung durch die Centros leiteten die Registerbehörden schon daraus ab, dass die Gesellschafter offensichtlich von Anfang an mit der Gründung der englischen Gesellschaft das Ziel verfolgten, ein Vehikel ausschließlich zum Zwecke der Errichtung einer Zweigniederlassung zu erhalten32, um die strengeren organisationsrechtlichen Vorschriften ihres Heimatstaates zu umgehen. Diesem Vortrag folgte der Gerichtshof zwar insofern, als er den Fall des Rechtsmissbrauchs bzw. des Betrugs in den Entscheidungsgründen ausdrücklich als einen Gegengrund anerkannte, der im Allgemeinen herangezogen werden kann, um einen Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit zu legitimieren33. Allein konnten die Richter in dem zielgerichteten Gebrauchmachen von der Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats kein missbräuchli___________ 32

Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (452). EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 24, EuGHE I 1999, S. 1459 (1492) unter Hinweis auf zahlreiche Urteile zu einzelnen Themenkomplexen des Gemeinschaftsrechts: Freier Dienstleistungsverkehr: EuGH 03.12.1974 – Rs. 33/74 – Tz. 13, EuGHE 1974, S. 1299 (1309) – Van Binsbergen; EuGH 03.02.1993 – Rs. C-148/91 – Tz. 12, EuGHE I 1993, S. 487 (519) – Veronica Omroep Organisatie; EuGH 05.10.1994 – Rs. C-23/93 – Tz. 21, EuGHE I 1994, S. 4795 (4833) – TV 10; Niederlassungsfreiheit: EuGH 07.02.1979 – Rs. 115/78 – Tz. 25, EuGHE 1979, S. 399 (410) – Knoors; EuGH 03.10.1990 – Rs. C-61/89 – Tz. 14, EuGHE I 1990, S. 3551 (3568) – Bouchoucha; Freier Warenverkehr: EuGH 10.01.1985 – Rs. 229/83 – Tz. 27, EuGHE 1985, S. 1 (35) – Leclerc; Soziale Sicherheit: EuGH 02.05.1996 – Rs. C-206/94 – Tz. 24, EuGHE I 1996, S. 2357 (2391) – Paletta; Freizügigkeit der Arbeitnehmer: EuGH 21.06.1988 – Rs. 39/86 – Tz. 43, EuGHE 1988, S. 3161 (3201) – Lair; Gemeinsame Agrarpolitik: EuGH 03.03.1993 – Rs. C-8/92 – Tz. 21, EuGHE I 1993, S. 779 (799) – General Milk Products; Gesellschaftsrecht: EuGH 12.05.1998 – Rs. C-367/96 – Tz. 20, EuGHE I 1998, S. 2843 (2869) – Kefalas; vgl. in diesem Sinne auch EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 136, EuGHE I 2003, S. 10155 (10234) – Inspire Art; Schlussanträge des GA Alber vom 30.01.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 115 ff., DB 2003, S. 377 (380 f.) – Inspire Art. 33

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

ches oder gar betrügerisches Verhalten zu Lasten des dänischen Staates oder seiner Staatsangehörigen entdecken. Bei der Einschätzung eines konkreten Vorgangs als rechtsmissbräuchliche Maßnahme sei man methodisch nämlich stets gehalten, sich auch den Sinn und Zweck des ausgeübten Freiheitsrechts vor Augen zu halten34. Deshalb musste der Missbrauchsvorwurf gegen die Centros dann ins Leere gehen, wenn die Möglichkeit der Wahl zwischen den verschiedenen Gesellschaftsrechtsordnungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaften gerade Element der Freiheitsgarantie des Art. 52 EWGV (mittlerweile: Art. 43 EGV) ist. An dieser Stelle griff der Gerichtshof deshalb – wenn auch nicht unter ausdrücklichem Hinweis – die Argumentation auf, die der Generalanwalt La Pergola im Rahmen seiner Schlussanträge35 präsentiert hatte. Schlussanträge des GA La Pergola vom 16.07.199836: „Im Übrigen ist, wie die Lehre aufgezeigt hat, die berühmte Definition des französischen Zivilrechtlers Planiol, dass „das Recht dort aufhört, wo der Missbrauch beginnt“, nach wie vor aktuell. Diese Aussage zeigt in aller Deutlichkeit, dass die Problematik des Missbrauchs letztlich in eine Definition der inhaltlichen Tragweite der subjektiven Rechtsposition und damit des Bereichs der Befugnisse mündet, die dem Inhaber zugestanden werden. Die Prüfung, ob die konkrete Ausübung eines Rechts missbräuchlich ist oder nicht, bedeutet mit anderen Worten nichts anderes, als die inhaltliche Tragweite des Rechtes selbst zu ermitteln.“

Die Niederlassungsfreiheit verkörpere aber gerade auch das Recht, als nach den Vorschriften eines Mitgliedstaats wirksam errichtete juristische Person grenzüberschreitend im gesamten Binnenmarkt tätig zu werden37. Die Gründung von Zweigniederlassungen, Agenturen oder Tochtergesellschaften sind dann die von der sekundären Niederlassungsfreiheit zur Verfügung gestellten Instrumente. Daraus zieht der EuGH den Schluss, dass es ein Recht auf die Gründung einer Gesellschaft nach Maßgabe einer Rechtsordnung und die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit mit dieser Gesellschaft im Geltungsbereich einer anderen Rechtsordnung gebe, welches sich unmittelbar aus der Niederlassungsfreiheit herleiten lasse38. Für eine Beschränkung, dass zumindest in geringem Umfang auch geschäftliche Tätigkeit im Herkunftsstaat entfaltet werden muss, finde sich demgegenüber im EG-Vertrag keine rechtliche Grund___________ 34 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 25, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491); ebenso EuGH 02.05.1996 – Rs. C-206/94 – Tz. 25, EuGHE I 1996, S. 2357 (2391) – Paletta. 35 Vgl. die Schlussanträge des GA La Pergola vom 16.07.1998 – Rs. C-212/97, EuGHE I 1999, S. 1459 (1461 ff.). 36 Fundstelle: EuGHE I 1999, S. 1459 (1477, dort Tz. 20). 37 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 26, EuGHE I 1999, S. 1459 (1493). 38 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 27, EuGHE I 1999, S. 1459 (1493); Hammen, WM 1999, S. 2487 (2494).

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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lage39. Der Missbrauchsgedanke rechtfertige die Ablehnung des Antrags auf Registereintragung vor diesem Hintergrund nicht. bb) Kollidierende zwingende Gründe des Allgemeinwohls als Rechtfertigungsgrund Darüber hinaus beschäftigte sich der EuGH mit dem Rechtfertigungsgrund der entgegenstehenden zwingenden Gründe des gemeinen Wohls40. Auf ihn stützte sich die Zentralverwaltung, als sie geltend machte, die im dänischen GmbH-Recht statuierte Pflicht zu effektiven Aufbringung eines Mindestgesellschaftskapitals sei zum Schutze insbesondere der öffentlichen Gläubiger der Gesellschaft zwingend geboten, nachdem jene ihre Forderungen gemäß dem nationalen Recht nicht etwa im Wege einer Bürgschaft oder einer vergleichbaren Kreditsicherheit absichern könnten. Aber auch den privaten Gläubigern garantiere das dänische Gesetz, dass ein Haftungsfonds in bestimmter Höhe bei der Gesellschaft selbst einmal errichtet worden sei. Dadurch werde dem betrügerischen Bankrott von Gesellschaften mit nicht hinreichendem Anfangskapital vorgebeugt41. Ferner aus diesem Grunde sei die Durchsetzung jenes Instrumentes auch gegenüber der Centros im allgemeinen Interesse unverzichtbar. Auch diesen Vortrag entkräftete der EuGH42, indem er getreu der europarechtlichen Dogmatik darauf verwies, die zum Schutze eines zwingenden All___________ 39

Vgl. EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 29, EuGHE I 1999, S. 1459 (1494) unter Berufung auf EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 16, EuGHE 1986, S. 2375 (2388) – Segers; Kögel, DB 2004, S. 1763. 40 Vgl. dazu auch EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 107, EuGHE I 2003, S. 10155 (10227) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, 60, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453, 2456) – Lasteyrie du Saillant; Bayer, BB 2003, S. 2357 (2360); Behrens, IPRax 2004, S. 20 (25); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2241); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (27); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (169 f.); Franz, EuZW 2004, S. 270 (272); v. Halen, WM 2003, S. 571 (573); Kanzleiter, DNotZ 2003, S. 885; Knapp, DNotZ 2003, S. 85 (90); Koch/Köngeter, Jura 2003, S. 692 (697); G. Kraft/Müller, RIW 2004, S. 366 (369); Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (929); Lutter, BB 2003, S. 7 (9); Merkt, RIW 2004, S. 1 (6); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (464 f.); Sandrock, AG 2004, S. 57 (58 f.); Schulz/Sester, EWS 2002, S. 545 (549); Schwark, AG 2004, S. 173 (177); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (15); Weller, IPRax 2003, S. 520 (522). 41 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 32, EuGHE I 1999, S. 1459 (1494). 42 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 34, EuGHE I 1999, S. 1459 (1495) unter Hinweis auf EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 32, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697) = EuZW 1993, S. 322 (324) – Kraus; EuGH 30.11.1995 . Rs. C-55/94 – Tz. 37, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197 f.) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (581) – Gebhard; vgl. ebenso EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 84, EuGHE I 2002, S. 9919 (9971)

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

gemeininteresses gewählten Maßnahmen seien nach allgemeinen Grundsätzen daraufhin zu überprüfen, ob sie keine diskriminierenden Auswirkungen haben, zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet sind und den Anforderungen an eine im engeren Sinne verhältnismäßige Regelung genügen43. Indem sich die im Ausgangsrechtsstreit beklagten Behörden aber dahingehend einließen, die Zweigniederlassung wäre problemlos eingetragen worden, wenn die Centros Ltd. nur auch in gewissem Umfang im Herkunftsstaat operativ tätig geworden wäre, schnitten sie sich gleichsam ins eigene Fleisch. Denn der EuGH befand überzeugend, die Interessen der dänischen Gläubiger, deren Schutz sich der dänische Staat gerade verschrieben habe, seien augenscheinlich im gleichen Ausmaß gefährdet, wenn sie mit einer sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Dänemark tätigen Centros ohne ein wie auch immer bemessenes Stammkapital in geschäftlichem Kontakt stünden44. Da deren Zweigniederlassung allerdings eintragungsfähig wäre, ergebe die Differenzierung zwischen Auslandsgesellschaften mit ausschließlicher und nur partieller Tätigkeit im Zuzugsstaat keinen Sinn und erweise sich damit als ein zum Zwecke des Gläubigerschutzes ungeeignetes Kriterium45. Daneben sei zu berücksichtigen dass als milderes Mittel zur Absicherung öffentlicher Gläubiger jedenfalls eine Anpassung des dänischen Kreditsicherungsrechts in Frage komme, so dass auch in diesem Fall von Bürgschaften und ähnlichen Sicherheiten Gebrauch gemacht werden könne46. c) Beantwortung der Vorlagefrage Die Vorlagefrage des dänischen Berufungsgerichts beantwortete der EuGH vor diesem Hintergrund dahingehend, dass der dänische Staat gegen die Nie___________ – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 133, EuGHE I 2003, S. 10155 (10233) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) – Lasteyrie du Saillant; Behrens, IPRax 2004, S. 20 (25); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2240 f.); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (27); Kanzleiter, DNotZ 2003, S. 885; Knapp, DNotZ 2003, S. 85 (90); G. Kraft/Müller, RIW 2004, S. 366 (369); Schulz/ Sester, EWS 2002, S. 545 (549); Schwark, AG 2004, S. 173 (177, 178); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Weller, IPRax 2003, S. 520 (522). 43 Vgl. zur dogmatischen Würdigung des Umstands, dass der EuGH auf der Ebene dieser Schrankenschranken-Prüfung zusätzlich erneut den Topos der entgegenstehenden zwingenden Gründe des Allgemeininteresses nennt (Tz. 34, EuGHE I 1999, S. 1459 (1495) – Centros), den er zuvor erkennbar schon als Rechtfertigungsgrund und damit als Schranke der Niederlassungsfreiheit eingeordnet hat (Tz. 31, 32, EuGHE I 1999, S. 1459 (1494) – Centros), unten D. II. 1. 44 Bayer, BB 2003, S. 2357 (2360); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (467). 45 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 35, EuGHE I 1999, S. 1459 (1495). 46 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 37, EuGHE I 1999, S. 1459 (1496).

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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derlassungsfreiheit des EG-Vertrags verstoßen hatte, indem er im konkreten Fall die Eintragung einer Zweigniederlassung der Centros Ltd. ablehnte47. II. Die Entscheidung Überseering BV (2002) Fortgesetzt wurde die Linie der Centros-Rechtsprechung im Verfahren Überseering BV48, in dem der EuGH im Jahr 2002 zu einer Entscheidung fand49. Wiederum ging es um eine dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage. Vorlegendes Gericht war diesmal der deutsche Bundesgerichtshof50. Dieser hatte im Rahmen der Klage einer niederländischen Gesellschaft mit deutschen Gesellschaftern und deshalb Verwaltungssitz im deutschen Inland darüber zu befinden, ob die ausländische juristische Person von den deutschen Gerichten überhaupt als solche anerkannt werden konnte bzw. musste oder ob ihr Gesellschaftstypus nicht vielmehr an den Vorstellungen des deutschen Sitzrechts zu messen war. Entscheidende Bedeutung kam dieser Frage in den Augen des Bundesgerichtshofs insofern zu, als es um die Partei- und die Prozessfähigkeit der im deutschen Zivilverfahren klagenden Überseering BV ging51. Wäre das bestehende gesellschaftsrechtliche Gebilde auch nach der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an deutsche Erwerber und der Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland unverändert gemäß dem Recht des Gründungsstaats Niederlande zu beurteilen (Gründungstheorie), so hätte man der Überseering die Par___________ 47

EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 39, EuGHE I 1999, S. 1459 (1496). Bei der Beslooten Vennootschap (BV) handelt es sich ebenfalls um eine „kleine“ Kapitalgesellschaft ohne besondere Anbindung an die Kapitalmärkte, so dass in ihr das niederländische Parallelinstitut zur deutschen GmbH gesehen werden muss. 49 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00, AG 2003, S. 37 ff. = BB 2002, S. 2402 ff. = EuGHE I 2002, S. 9919 ff. = EuLF 2002, S. 331 ff. = EWS 2002, S. 569 ff. = GmbHR 2002, S. 1137 ff. = IPRax 2003, S. 65 ff. = NJW 2002, S. 3614 ff. = RIW 2002, S. 945 ff. = WM 2002, S. 2372 ff. = ZIP 2002, S. 2037 ff. 50 Vgl. den Vorlagebeschluss des BGH 30.03.2000 – VII ZR 370/98, BB 2000, S. 1106 ff. = DB 2000, S. 1114 ff. = EuZW 2000, S. 412 ff. = EWS 2000, S. 278 ff. = GmbHR 2000, S. 715 ff. = IPRax 2000, S. 423 ff. = NZG 2000, S. 926 ff. = RIW 2000, S. 555 f. = WM 2000, S. 1257 ff. = ZIP 2000, S. 967 f. – Überseering; vgl. dazu wiederum Altmeppen, DStR 2000, S. 1061 ff.; Bechtel, NZG 2001, S. 21 ff.; Behrens, EuZW 2000, S. 385; Behrens, IPRax 2000, S. 384 (387); Behrens, IPRax 2003, S. 193 (202); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233; Forsthoff, DB 2000, S. 1109 ff.; Forsthoff, DB 2002, S. 2471; Großerichter, DStR 2003, S. 159; v. Halen, WM 2003, S. 571 f.; Hök, ZfBR 2001, S. 10 ff.; Jaeger, NZG 2000, S. 918 ff.; Kindler, RIW 2000, S. 649 ff.; Kindler, NJW 2003, S. 1073; Koch/Köngeter, Jura 2003, S. 692; Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (926); Lutter, BB 2003, S. 7 f.; Meilicke, GmbHR 2000, S. 693 ff.; Paefgen, WM 2003, S. 561 f.; Roth, ZIP 2000, S. 1597 ff.; Roth, IPRax 2003, S. 117; Walden, EWS 2001, S. 256 ff.; Zimmer, BB 2000, S. 1361 ff. 51 Ebke, JZ 2003, S. 927. 48

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

tei- und Prozessfähigkeit bedenkenlos zusprechen können. Anders hätte es sich verhalten, wenn der Bewertungsmaßstab der deutschen Rechtsordnung zu entnehmen gewesen wäre (Sitztheorie). In diesem Fall hätten Rechts- und Geschäftsfähigkeit, an welche §§ 50 Abs. 1 und 52 Abs. 1 ZPO die Frage nach der Partei- und Prozessfähigkeit knüpfen, anhand anderer Normen bemessen werden müssen. Angemerkt sei an dieser Stelle allerdings, dass es entgegen der Auffassung des vorlegenden Senats für die Entscheidung über die Parteifähigkeit der Überseering BV auf den Streit zwischen den Anhängern der Sitz- und der Gründungstheorie und damit auch auf eine Stellungsnahme des EuGH nicht ankam. Zwar wird in der Literatur oft darauf abgestellt, dass eine nach der Sitztheorie erforderliche Neugründung der Gesellschaft in Deutschland ausblieb52 und deswegen nach dem deutschen Sitzrecht keinesfalls ein parteifähiger Kläger gegeben war. Dabei wird aber übersehen, dass die neuen Gesellschafter im Zeitpunkt der Klageerhebung die geschäftliche Tätigkeit der Überseering in Deutschland längst aufgenommen hatten. Anderenfalls wäre schon kein Fall der Sitzverlegung gegeben gewesen, da der Ort der Geschäftsführung sich gerade noch nicht verschoben, sondern allenfalls das operative Geschäft vorübergehend geruht hätte. Verfolgen aber mehrere Personen mit einem entsprechenden Rechtsbindungswillen einen gemeinsamen Zweck, so liegt zumindest eine deutsche Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) vor, wahrscheinlicher angesichts des Umfangs der Geschäfte im konkreten Fall sogar eine offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB). Damit hatte eine Neugründung der Überseering in Deutschland in jedem Fall stattgefunden, und sei es konkludent. Eine völlig andere Frage ist, ob nicht gerade in einer solchen Umqualifizierung53 der niederländischen Gesellschaft ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liegt. Für die Problematik der Parteifähigkeit konnte diese Entscheidung jedoch unzweifelhaft offen bleiben54, denn es bestanden logisch ohnehin nur die zwei gedanklichen Varianten, dass entweder die niederländische BV als Ausfluss ihrer Niederlassungsfreiheit als solche anzuerkennen und deshalb nach dem niederländischen Gründungsrecht auch als parteifähig zu bewerten war oder aber das deutsche Sitzrecht einschlägig war, welches dann allerdings im konkreten Fall wenigstens die Existenz einer durch einvernehmliche Aufnahme bzw. Fortführung der Geschäfte neu gegründeten parteifähigen Perso___________ 52

So etwa Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (34). Vgl. dazu BGH 01.07.2002 – II ZR 380/00, AG 2003, S. 39 (40) = DB 2002, S. 2039 = GmbHR 2002, S. 1021 f. = IPRax 2003, S. 62 (63) = NJW 2002, S. 3539 f. = WM 2002, S. 1929; ausführliche Darstellung dessen unten 2. c). 54 Henze, DB 2003, S. 2159 (2165). 53

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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nengesellschaft (hier eine BGB-Gesellschaft oder eine offene Handelsgesellschaft) annehmen musste und auf diese Weise ebenfalls zur Zulässigkeit der Klage gelangt wäre. Der EuGH jedenfalls nahm zur Vorlagefrage gleichwohl Stellung und urteilte dem Schlussplädoyer55 seines Generalanwalts Colomer folgend zugunsten einer Anerkennungspflicht gegenüber den Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten56. Mit der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person sei es unvereinbar, wenn die für den Rechtsträger elementaren Eigenschaften wie Rechts- und Parteifähigkeit sich bloß aufgrund der Grenzüberschreitung nach einem abweichenden Normenkomplex ausrichten müssten. Der gesellschaftsrechtliche Status des Herkunftsstaats bleibe der Gesellschaft deshalb innerhalb des gesamten Binnenmarktes als Ausfluss der Niederlassungsfreiheit erhalten. 1. Sachverhalt: Maßstab der gesellschaftsrechtlichen Einordnung einer Auslandsgesellschaft Im Jahr 1990 erwarb die niederländische Gesellschaft Überseering BV ein Grundstück in Düsseldorf. Die darauf stehenden Gebäude ließ sie durch die deutsche Nordic Construction Company Baumanagement GmbH (NCC) sanieren. Als sich die die von der NCC durchgeführten Bauarbeiten als mangelhaft erwiesen, beanspruchte die BV zunächst die Beseitigung der festgestellten Mängel57. Weil die NCC dem nicht nachkam, ließ Überseering die Mängel auf eigene Kosten beheben und erhob alsdann Klage beim Landgericht Düsseldorf. Begehrt wurde die Verurteilung der NCC zum Ausgleich der bei der Überseering durch die Selbstvornahme entstandenen Schäden sowie zum Ersatz diverser Mangelfolgeschäden58.

___________ 55 Schlussanträge des GA Colomer vom 04.12.2001 – Rs. C-208/00, ZIP 2002, S. 75 ff. mit Anm. Eidenmüller. 56 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 80, 82, EuGHE I 2002, S. 9919 (9970 f.); vgl. Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (34); Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (254 f.); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2238); Kallmeyer, DB 2002, S. 2521; Kamp, BB 2004, S. 1496; Kleinert/Probst, NJW 2004, S. 2425 (2426); Lutter, BB 2003, S. 7 (9); MüllerBonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1236); Recq/Hoffmann, GmbHR 2004, S. 1070; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (33); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbeitsrechtKomm, MitbestG § 1 Rdnr. 9; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (17); Zimmer, BB 2003, S. 1 (5). 57 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 6, EuGHE I 2002, S. 9919 (9947); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (31). 58 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 8, EuGHE I 2002, S. 9919 (9948).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

In der Berufungsinstanz wies das OLG Düsseldorf die Klage der Überseering im Rahmen einer Prozessurteils wegen Unzulässigkeit ab59. Die Unzulässigkeit ergab sich nach der Überzeugung des Berufungsgerichts daraus, dass vor der Klageerhebung im Jahr 1994 sich der Gesellschafterkreis der BV geändert hatte. Tatsächlich waren sämtliche Geschäftsanteile auf zwei deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Düsseldorf übertragen worden60. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Gesellschaft auch effektiv durch diese Gesellschafter als Geschäftsführer von deutschem Territorium aus verwaltet. Daraus schloss das Berufungsgericht zu Recht, der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft sei grenzüberschreitend verlegt worden61. Weiter argumentierten die Richter, die Rechts- und Parteifähigkeit sei folglich nach deutschem Maßstab zu bestimmen. Die Überseering habe aber aufgrund der Grenzüberschreitung sich in den Geltungsbereich deutschen Sitzrechts begeben, weshalb sie als niederländische BV weder rechts- noch parteifähig sei62. Da es ferner an einer Neugründung als deutsche Gesellschaft fehle63, sei die durch eine solche Gesellschaft angestrengte Klage bereits unzulässig. Die Überseering BV empfand dieses Urteil als nicht hinnehmbar, zumal sie der Verlegung des Verwaltungssitzes zum Trotz in einem anderen Verfahren als parteifähige Beklagte problemlos anerkannt und zur Zahlung von Architektenhonoraren verurteilt worden war64. Sie legte daher Revision zum Bundesgerichtshof ein65. Dessen Siebter Zivilsenat setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 2 und 1 lit. a EGV die Fragen vor,  ob es im Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit der juristischen Person stehe, die Rechts- und Parteifähigkeit einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates wirksam gegründeten Gesellschaft nach dem Sitzrecht desjenigen Staates zu beurteilen, in den die Gesellschaft den Sitz ihrer tatsächlichen Verwaltung verlegt habe, mit der Folge, dass die Gesellschaft etwaige An-

___________ 59

OLG Düsseldorf 10.09.1998 – 5 U 1/98, JZ 2000, S. 203 mit Anm. Ebke. EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 7, EuGHE I 2002, S. 9919 (9947); Ebke, JZ 2003, S. 927; Kamp, BB 2004, S. 1496; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (31). 61 Ebke, JZ 2003, S. 927; Horn, NJW 2004, S. 893 (895); Paefgen, WM 2003, S. 561; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (31). 62 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 9, EuGHE I 2002, S. 9919 (9948); Kamp, BB 2004, S. 1496; Paefgen, WM 2003, S. 561; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (31). 63 Vgl. zu diesem Erfordernis als logische Konsequenz der Sitztheorie OLG Zweibrücken 27.06.1990 – 3 W 43/90, IPRax 1991, S. 406; Ebke in: Festschrift BGH Bd. II, S. 799 (806 f.); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 400. 64 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 12, EuGHE I 2002, S. 9919 (9948). 65 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 11, EuGHE I 2002, S. 9919 (9948). 60

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sprüche vor den Gerichten des Zuzugsstaates nicht geltend machen kann, und – sollte der Gerichtshof diese erste Frage bejahen –  ob es die Niederlassungsfreiheit der juristischen Person darüber hinaus zwingend gebiete, die Rechts- und Parteifähigkeit nach dem Recht des Gründungsstaats zu beurteilen66. 2. Entscheidung des EuGH: Anerkennungspflicht gegenüber Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten a) Die Negierung der Niederlassungsfreiheit durch die Sitztheorie Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit zwingend voraus, dass der Rechtsträger durch alle Mitgliedstaaten, in denen er sich niederlassen will, als solcher anerkannt wird67. Nicht anderes gilt wegen Art. 48 Abs. 1 EGV in Bezug auf juristische Personen. Weigert sich aber ein Mitgliedstaat, die Rechts- und Parteifähigkeit einer Gesellschaft nach Maßgabe ihres Gründungsstatuts anzuerkennen und fordert er auf der Grundlage der Sitztheorie, dass sich die Gesellschaft im Aufnahmestaat neu gründet, so spricht er der juristischen Person als solcher zunächst die Eigenschaft ab, selbständige Trägerin von Rechten und Pflichten sein zu können. Damit entfällt für sie zugleich die Möglichkeit, ihre Interessen vor den Gerichten des Aufnahmestaates durchzusetzen oder zu verteidigen. Die Anforderung, die Gesellschaft nach der grenzüberschreitenden Sitzverlegung neu zu gründen, um wieder in den Genuss jener Eigenschaften zu kommen, beschreibt der

___________ 66 Siehe den Vorlagebeschluss des BGH 30.03.2000 – VII ZR 370/98, DB 2000, S. 1114 ff. = EWS 2000, S. 278 ff. = GmbHR 2000, S. 715 ff. = ZIP 2000, S. 967 f.; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 21 f., 95, EuGHE I 2002, S. 9919 (9951 f., 9974); Ebke, JZ 2003, S. 927; Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2234); Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (926); Paefgen, WM 2003, S. 561; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (31); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; vgl. zur jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anerkennungspflicht des deutschen Staates gegenüber einer in das Inland zugezogenen US-amerikanischen Kapitalgesellschaft BGH 13.10.2004 – I ZR 245/01, GmbHR 2005, S. 51 ff. mit Anm. Kleinert – Gedios Corporation. 67 Vgl. EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 59, EuGHE I 2002, S. 9919 (9965); Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (254 f.); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2238); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2474); Kallmeyer, DB 2002, S. 2521; Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (929); Lutter, BB 2003, S. 7 (9); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (805); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1236); Paefgen, DB 2003, S. 487; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (33); Wernicke, EuZW 2002, S. 758 (761); Zimmer, BB 2003, S. 1 (5).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

EuGH daher als einen Zustand, welcher der Negierung der Niederlassungsfreiheit gleichkomme68. Nicht weniger deutlich äußerte man sich zur Intensität der Freiheitsbeschränkung im Schrifttum, beispielsweise mit der Formulierung, die mit der Aberkennung der Parteifähigkeit denknotwendig verbundene Verweigerung jeglichen Rechtsschutzes („access to justice“) im Zuzugsstaat erweise sich als eine Marktzugangsbeschränkung höchsten Grades69. Eine wie auch immer begründete Rechtfertigung eines derart weitreichenden Freiheitseingriffs lehnt der EuGH letztlich entschieden ab. Die deutsche Regierung, die zum Gegenstand des Vorlageverfahrens Stellung genommen hatte, argumentierte zwar, die Regeln des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts und damit die in Deutschland bisher herrschend verfolgte Sitztheorie dienten der Rechtssicherheit und dem Schutz unter anderem der Gesellschaftsgläubiger. Angesichts der fehlenden Harmonisierung des Gesellschaftsrechts auf Gemeinschaftsebene dürfe es den einzelnen Mitgliedstaaten nicht verwehrt sein, bestimmte nationale Interessen auch gegenüber ausländischen Rechtsträgern durchzusetzen70. Jene Interessen spiegelten sich wider in verschiedenen Normenkomplexen der deutschen Gesellschaftsrechtsordnung, so etwa  in den detaillierten Regelungen über Einbezahlung und Erhaltung eines Mindestgesellschaftskapitals71 (Gläubigerschutz72 sowie Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen, da alle Gesellschaften mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland den gleichen organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen unterworfen seien73),  in den Regeln des Konzernrechts74 (Schutz von abhängigen Gesellschaften und deren Minderheitsgesellschaftern75),  bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen in den Regelungen zur Entschädigung und zur Abfindung der durch die Verträge benachteiligten Gesellschafter76 und ___________ 68

EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 81, EuGHE I 2002, S. 9919 (9971); Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, S. 26 f.; Lutter, BB 2003, S. 7 (9); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1236); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (32). 69 Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, S. 26 (27). 70 Vgl. EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 87, EuGHE I 2002, S. 9919 (9972). 71 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 16, EuGHE I 2002, S. 9919 (9949). 72 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 16, 87, EuGHE I 2002, S. 9919 (9949, 9972). 73 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 87, EuGHE I 2002, S. 9919 (9972). 74 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 16, EuGHE I 2002, S. 9919 (9949). 75 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 16, 88, EuGHE I 2002, S. 9919 (9949, 9972). 76 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 16, EuGHE I 2002, S. 9919 (9949).

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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 in den Vorschriften über die Unternehmensmitbestimmung (Arbeitnehmerschutz)77. In diesen Zusammenhang gehört dann auch das viel zitierte Stichwort vom „race to the bottom“78. Dahinter verbirgt sich die Erwartung, bei einem Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Gesellschaftsrechtsordnungen um die Gunst der Rechtsanwender werde sich über kurz oder lang dasjenige Recht durchsetzen, das der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern den größtmöglichen Spielraum lässt. Damit sei auf der anderen Seite aber nur noch ein minimaler Schutz eben der Gläubiger, Minderheitsgesellschafter, Arbeitnehmer und so weiter denkbar. Jener Effekt erinnert an US-amerikanische Verhältnisse: Dort liegt die Regelungskompetenz für das Gesellschaftsrecht nicht zentral auf Bundesebene, sondern bei den einzelnen Gliedstaaten79, so dass dem Rechtsanwender innerhalb des amerikanischen Rechtsraums eine Vielzahl von Gesellschaftsrechtsordnungen zur Verfügung steht. In der Folge war über lange Zeit hinweg die Masse der Gesellschaftsneugründungen im Staat Delaware festzustellen, da hier die gesetzlichen Anforderungen im bundesweiten Vergleich als äußert lax galten80. Eine jenem Delaware-Syndrom vergleichbare Entwicklung wurde und wird nun auch innerhalb der Europäischen Gemeinschaften befürchtet. Die Anhänger der Sitztheorie sahen dabei vor Überseering in der konse___________ 77 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 16, 89, EuGHE I 2002, S. 9919 (9949, 9973). 78 So z.B. BGH 30.03.2000 – VII ZR 370/98, DB 2000, S. 1114 (1115) = EWS 2000, S. 278 (279) = GmbHR 2000, S. 715 (717) = ZIP 2000, S. 967 (968); Bayer, BB 2004, S. 1 (11); Behrens, IPRax 2003, S. 193 (195); Eidenmüller in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 1 Rdnr. 17; Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2234 ff., 2244); Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, S. 2167 (2172); Paefgen, WM 2003, S. 561 (562); Rehm in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 11 Rdnr. 2; Riegger, ZGR 2004, S. 510 (511); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (504); Thüsing, ZIP 2004, S. 381; Winter, Konzern 2004, S. 171 (172); vgl. auch Leible/Hoffmann, EuZW 2003, S. 677 (682). 79 Vgl. demgegenüber in der Bundesrepublik Deutschland Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (bürgerliches Recht), Nr. 11 (Recht der Wirtschaft, insbesondere Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) und Nr. 16 (Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung) GG, welcher das Gesellschaftsrecht zu einem Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit erklärt und damit die verfassungsrechtliche Basis für die bundeseinheitliche Regelung des Gesellschaftsrechts im BGB, HGB, PartGG, AktG, GmbHG, UmwG usw. schafft. Von dieser Zuständigkeit hat der Bundesgesetzgeber Gebrauch gemacht, eben weil die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse hier allein über eine im gesamten Bundesgebiet einheitlich geltende Regelung erreicht werden kann, Art. 72 Abs. 2 GG. 80 Vgl. zum Delaware-Effekt etwa Ebke, RabelsZ 62 (1998), S. 195 (225 ff.); Ebke, JZ 2003, S. 927 (930); Horn, NJW 2004, S. 893 (900 f.); Rehm in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 11 Rdnrn. 1 ff.; Riegger, ZGR 2004, S. 510 (511).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

quenten Verfolgung ihres Ansatzes eine stringente Möglichkeit, eben dieses unliebsame Ergebnis abzuwenden81. Die Luxemburger Richter akzeptierten die ihnen damit präsentierten Interessen jedoch nur dem Grunde nach als taugliche Rechtfertigungssätze82, um gleich im Anschluss festzustellen, es könne aber in keinem Fall gerechtfertigt sein, die Auslandsgesellschaft als solche im Aufnahmestaat erst gar nicht anzuerkennen83. Die Begründung fällt an dieser Stelle zwar reichlich knapp aus, überzeugt aber inhaltlich gleichwohl. Die Eigenschaft, eigenständiger Träger von Rechten und Pflichten sein zu können, ist ein entscheidendes Charakteristikum der juristischen Person, weshalb die Aberkennung der Rechts- und damit der Parteifähigkeit tatsächlich die Negierung der Existenz einer Auslandsgesellschaft im Inland bedeutet. In diesem Fall aber läuft die durch Art. 43, 48 EGV gewährleistete Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften nun völlig leer. Das Prinzip der europarechtlichen Rechtfertigung beruht dessen ungeachtet vorrangig auf dem Gedanken praktischer Konkordanz, also eines verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen einerseits europarechtlichen und andererseits konkurrierenden nationalen Interessen. Dabei ist nun wiederum vor dem Hintergrund der Lehre vom effet utile, also dem Dogma der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, die Waagschale zugunsten der Grundfreiheiten des EG-Vertrags vorbelastet. Folgte man im vorliegenden Fall nun dem Vortrag der deutschen Regierung, so könnte von einem angemessenen Interessenausgleich keine Rede mehr sein, würde die Niederlassungsfreiheit doch auf diesem Wege zu einer inhaltsleeren Hülse degradiert. In der deshalb bestehenden Entwederoder-Situation ist es nur überzeugend, wenn der EuGH dem Freiheitsrecht den Vorrang zuerkennt und jegliche Rechtfertigungsmöglichkeit im Ergebnis verwirft. b) Das Verhältnis von Überseering zu Daily Mail Ein Widerspruch zu der Rechtsprechung im Urteil Daily Mail and General Trust liegt darin nicht. In diesem früheren Verfahren gelangte der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit habe, den nach seiner Rechtsordnung gegründeten Gesellschaften Beschränkungen aufzuerlegen, ___________ 81

Vgl. in diesem Sinne vor allem den Vorlagebeschluss des BGH 30.03.2000 – VII ZR 370/98, BB 2000, S. 1106 ff. = DB 2000, S. 1114 ff. = EuZW 2000, S. 412 ff. = EWS 2000, S. 278 ff. = GmbHR 2000, S. 715 ff. = IPRax 2000, S. 423 ff. = NZG 2000, S. 926 ff. = RIW 2000, S. 555 f. = WM 2000, S. 1257 ff. = ZIP 2000, S. 967 f. 82 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974). 83 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 93, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (32).

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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durch welche die Verlegung des Verwaltungssitzes unter Wahrung der Gesellschaftsidentität erschwert werde84. Denn das Gründungsrecht der Gesellschaft bestimme nun einmal über ihre Entstehung und auch ihre weitere Existenz. Jenseits der Gründungsrechtsordnung habe die Gesellschaft keine Realität85. Wenn auch im unmittelbaren Anschluss an diese Entscheidung des EuGH von zahlreichen Stimmen in der Wissenschaft geschlussfolgert wurde, die Sitztheorie stehe nicht im Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften86, greift eben diese Einschätzung zu kurz. Die in Daily Mail behandelte Rechtsmaterie ist nämlich eine völlig andere als diejenige der Überseering-Entscheidung. Einmal geht es um Wegzugsbeschränkungen im Herkunftsstaat, einmal um Zuzugsbeschränkungen durch einen potentiellen Aufnahmestaat. Obgleich die jeweils angerissenen Fragestellungen in gewisser Weise verwandt sein mögen, sind sie streng isoliert voneinander zu betrachten87. Das Urteil in Sachen Daily Mail and General Trust sagt dementsprechend über die Handlungsmöglichkeiten des Aufnahmestaates rein gar nichts aus. Gleichwohl ist die vom EuGH im Überseering-Urteil vorgenommene Klarstellung88 des Verhältnisses von Daily Mail und Überseering unbedingt zu begrüßen. Schließlich waren die Ausführungen in der Daily-Mail-Entscheidung sehr allgemein gehalten und ließen nach dem Wortlaut der Urteilsgründe ohne weiteres ebenso den Schluss zu, dass die Grundfreiheiten des EG-Vertrags auch mit Blick auf den Zuzugsfall keine Auswirkungen zeitigen. So heißt es in Daily Mail, dass der EWG-Vertrag die Unterschiede, die die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der für ihre Gesellschaften erforderlichen Anknüpfung sowie der Möglichkeit und gegebenenfalls der Modalitäten einer Verlegung des satzungsmäßigen oder wahren Sitzes einer Gesellschaft nationalen Rechts von einem Mitgliedstaat in einen anderen aufweisen, als Probleme betrachte, die durch die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst seien, sondern einer Lösung im Wege der Rechtssetzung oder des Vertragsschlusses bedurft hätten. Eine solche Lösung sei allerdings bisher nicht gefunden worden89. Vor diesem Hintergrund wird dann auch die Formulierung, eine aufgrund ___________ 84

EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 70, EuGHE I 2002, S. 9919 (9967). EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 19, EuGHE 1988, S. 5483 (5511). 86 Vgl. etwa Ebenroth/Eyles, DB 1989, S. 363 (372); Ebke, JZ 1999, S. 656 (660); Großfeld/Luttermann, JZ 1989, S. 386 (387); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11 (3. Aufl.), IntGesR Rdnr. 363; Sandrock/Austmann, RIW 1989, S. 249 (250). 87 Vgl. EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 71 f., EuGHE I 2002, S. 9919 (9968); EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 103, EuGHE I 2003, S. 10155 (10225) – Inspire Art; Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694 (696); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (33); vgl. auch schon oben A. 88 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 70 ff., EuGHE I 2002, S. 9919 (9967 f.). 89 EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 - Tz. 23, EuGHE 1988, S. 5483 (5512). 85

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft habe jenseits dieser Rechtsordnung keine Realität, zumindest missverständlich90. c) Vermittlungsversuch: Der Ansatz des Zweiten Zivilsenats des BGH Als einen letzten Versuch, das in Anbetracht der Auswirkungen der Niederlassungsfreiheit nahende Ende der Sitztheorie im deutschen Kollisionsrecht doch noch abzuwenden, muss man wohl die vermittelnde Lösung des Zweiten Zivilsenats des deutschen Bundesgerichtshofs91 begreifen92. Dieser geschäftsplanmäßig für die Fragen des Gesellschaftsrechts zuständige Senat hatte in einer dem Überseering-Sachverhalt weitgehend93 vergleichbaren Konstellation den nachstehend beschriebenen Weg eingeschlagen. Die zugezogene Auslandsgesellschaft wird zwar als solche nicht akzeptiert. Stattdessen kann sie aber in jedem Fall als eine Personengesellschaft des nationalen Rechts (in der Regel also als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, §§ 705 ff. BGB, oder als eine offene Handelsgesellschaft, §§ 105 ff. HGB) eingeordnet werden94. Die mithin gebildete Gesamthand kann entweder kraft gesetzlicher Anordnung in § 124 HGB oder aufgrund der schon mehrfach angesprochenen neueren – ebenfalls vom Zweiten Senat begründeten – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Quasi- bzw. Teilrechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts95 in jedem Fall ihrerseits Trägerin von Rechten und Pflichten und damit wiederum auch Partei im Zivilprozess sein. ___________ 90

Vgl. dazu Paefgen, WM 2003, S. 561 (564). BGH 01.07.2002 – II ZR 380/00, AG 2003, S. 39 (40) = DB 2002, S. 2039 = GmbHR 2002, S. 1021 f. = IPRax 2003, S. 62 (63) = NJW 2002, S. 3539 f. = WM 2002, S. 1929. 92 Vgl. ähnlich auch Bayer, BB 2003, S. 2357 (2361 f., 2362); Heidenhain, NZG 2002, S. 1141 (1142); Henze, DB 2003, S. 2159 (2164); Paefgen, WM 2003, S. 561 (563). 93 Die vom Zweiten Zivilsenat zu beurteilende Fallkonstellation betraf indessen gar keinen Fall der EG-vertraglich gewährleisteten Niederlassungsfreiheit, nachdem die in die Bundesrepublik Deutschland zugezogene Gesellschaft nach dem Recht der Kanalinsel Jersey gegründet worden war, auf welche sich die für das Vereinigte Königreich geltende Niederlassungsfreiheit nicht erstreckt, vgl. dazu Behrens, IPRax 2003, S. 193 (199); Ebke, JZ 2003 S. 927 (928, 929), jeweils unter Hinweis auf Art. 299 Abs. 6 lit. c EGV in Verbindung mit dem Protokoll Nr. 3 betreffend die Kanalinseln und die Insel Man zur Beitrittsakte Großbritanniens von 1972 (BGBl. II 1972 S. 1338). 94 Vgl. dazu Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (37); Emde, EWiR § 50 ZPO 2/02, S. 971 (972); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 405; Kindler, NJW 1999, S. 1993 (1994); Kögel, DB 2004, S. 1763; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/ Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127 mit w. Nachw.; im Ansatz ebenso wie der Zweite Zivilsenat schon Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 a dd. 95 BGH 29.01.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, S. 341 ff. = NJW 2001, S. 1056 ff. – ARGE Weißes Ross; BGH 24.02.2003 – II ZR 385/99, BGHZ 154, S. 88 ff. = NJW 91

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Die Annahme einer (unmittelbaren) Umqualifizierung der zugezogenen Auslandsgesellschaft in eine inländische Körperschaft erscheint dagegen selbst in der Theorie kaum vorstellbar. Dies würde nämlich nicht nur eine vollständige Strukturäquivalenz zwischen dem zuziehenden Rechtssubjekt und beispielsweise der deutschen GmbH oder Aktiengesellschaft voraussetzen, sondern überdies auch die Eintragung der Gesellschaft als GmbH oder Aktiengesellschaft in das deutsche Handelsregister erforderlich machen. Jedenfalls an dieser zweiten Prämisse wird es aber im Augenblick der Verlegung des Verwaltungssitzes in jedem Fall fehlen96. Letztlich befürwortet der Zweite Senat mit seinem Ansatz einen Rechtsformwechsel97 kraft Gesetzes. Ähnlich einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ab dem Zeitpunkt, in dem ihr operatives Geschäft kaufmännische Dimensionen erreicht, als offene Handelsgesellschaft beurteilt wird, soll sich eine ausländische Kapitalgesellschaft in eine deutsche Personen- oder Personenhandelsgesellschaft umwandeln, wobei der entscheidende Anknüpfungsfaktor der Augenblick der Grenzüberschreitung ist. Dieser eigentlich elegante Lösungsweg vermag indessen im Ergebnis nicht zu überzeugen. Der Senat war hier nämlich augenscheinlich bemüht, allein eine Antwort auf die Frage nach der Rechtsfähigkeit einer nach Deutschland zugezogenen Auslandsgesellschaft zu finden. Schon dieses Unterfangen ist ihm nur unvollständig geglückt. Gänzlich unlösbare Probleme stellen sich nämlich bereits in dem praktisch gar nicht unwahrscheinlichen Fall, dass eine eingliedrige Kapitalgesellschaft aus dem Ausland nach Deutschland zuzieht. In diesem Fall geht der Gedanke vom gesetzlich ausgelösten, systemübergreifenden Formwechsel fehl98, nachdem die Existenz nur eines einzigen Gesellschafters die Annahme einer Personengesellschaft deutschen Rechts ausschließt. Hinter einer Personengesellschaft steht nämlich, wie schon mehrfach betont wurde, notwendig eine Mehrzahl von Gesellschaftern. Das eigentlich tragende Gegenargument, mit dem der Annahme eines Rechtsformwechsels begegnet werden kann, lässt sich aber unmittelbar aus dem Urteil Überseering selbst herleiten. Die Umwandlung einer Auslandsge___________ 2003, S. 1445 ff.; BGH 07.04.2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, S. 370 ff. = NJW 2003, S. 1803 ff. 96 Vgl. dazu allerdings die Bemerkungen von Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (37): „Man könnte diese Form auch im Lichte einer europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts als rechtsfähig anerkennen, selbst, wenn sie dafür an sich einer Eintragung in ein deutsches Handels- oder Vereinsregister bedürfte – als Grundlage könnte hier die Allgemeinsaussage in Art. 48 Abs. 2 EGV herangezogen werden.“ 97 Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (37); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (800). 98 Vgl. Emde, EWiR § 50 ZPO 2/02, S. 971 (972).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

sellschaft in eine inländische Personengesellschaft hat nämlich selbst vor dem Hintergrund des dem Formwechsel zugrunde liegenden Identitätsgedankens99 nur in äußerst beschränktem Maße etwas mit der Anerkennung von Rechtsträgern zu tun. Anerkennung einer Gesellschaft bedeutet nach den insoweit klaren europarechtlichen Vorgaben wesentlich mehr als die bloße Akzeptanz eines rechtlich greifbaren Gebildes als eigenständigen Träger von Rechten und Pflichten100. Die Vielfalt an Gesellschaftstypen, die allein das deutsche Gesellschaftsrecht dem Rechtsanwender zur Verfügung stellt, sowie die mit dem Umwandlungsgesetz eingeräumte Möglichkeit, nahezu beliebig zwischen den verschiedenen Typen zu wechseln und damit den eigenen Auftritt am Markt an geänderte wirtschaftliche Umstände anzupassen, veranschaulichen einmal mehr die eigentlich selbstverständliche Erkenntnis, dass es im täglichen Wirtschaftsverkehr um wesentlich mehr geht, als um die bloße Option, neben natürlichen Personen auch juristische Personen und Gesamthandsgemeinschaften als Träger von Rechten und Pflichten einzusetzen. Ausschlaggebend sind auch und vor allem stets die Fragen,  wie die einzelnen Gesellschafter in der konkret gewählten Rechtsform an der Entscheidungsfindung teilhaben können (Zur Veranschaulichung der erheblichen rechtsformspezifischen Unterschiede, die sich im Einflussbereich der Gesellschafter ergeben, sei nur an die folgenden bereits angesprochenen Tatsachen erinnert: So besteht im Personengesellschaftrecht das Prinzip der Selbstorganschaft der Gesellschafter, während im Recht der Kapitalgesellschaften nicht notwendig die Gesellschafter selbst als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder eingesetzt werden müssen (Möglichkeit der Fremd- bzw. Drittorganschaft). In der GmbH bestellen die Gesellschafter selbst den oder die Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5 GmbHG) und haben über den Bestellungsakt hinaus ein weit reichendes Weisungsrecht gegenüber den von ihnen eingesetzten Geschäftsführern. Demgegenüber werden in der Aktiengesellschaft die Amtswalter des Vorstandes schon nicht von der Hauptversammlung der Gesellschafter bestellt, sondern vom dritten Pflichtorgan, dem Aufsichtsrat (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG). Da sich der Vorstand als Leitungsorgan der Aktiengesellschaft auf diesem Wege schon weitge___________ 99

Vgl. dazu oben § 7 B. IV. 1. In diesem Sinne Leible, ZGR 2004, S. 531 (533) der eine vollumfängliche Anerkennung von zugezogenen Auslandsgesellschaften fordert, „d.h. nicht beschränkt auf ihre Rechts- und Parteifähigkeit, sondern einschließlich ihrer organisationsrechtlichen Eigenschaften und der vom Gründungsrecht gewährten Haftungsprivilegierungen“. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die von Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, S. 26 (27) gewählte Bezeichnung für den Rechtsformwechselansatz des Zweiten Zivilsenats als „Scheinlösung“. 100

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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hend von den Aktionären distanziert, besteht natürlich auch kein Weisungsrecht. Die Zuständigkeit der Hauptversammlung ist lediglich begründet in den wenigen ausdrücklich im Gesetz vorgesehenen Fällen (zum Beispiel §§ 199 Abs. 1, 179 Abs. 1 Satz 1, 293 Abs. 1 und 2, 319 Abs. 1, 327a Abs. 1 AktG und §§ 13 Abs. 1, 193 Abs. 1 UmwG) sowie ausnahmsweise auch in ungeschriebenen Fällen im Rahmen der so genannten HolzmüllerRechtsprechung101. Dabei ist fraglich, ob und unter welchen Voraussetzungen der Vorstand entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung wegen der besonderen Tragweite der anstehenden Entscheidung für die Interessen der Aktionäre nicht davon ausgehen kann, handeln zu dürfen, ohne wenigstens im Innenverhältnis die positive Zustimmung der Hauptversammlung eingeholt zu haben102.),  wie Gesellschaft und Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haften,  auf welche Weise und in welchem Umfang Gesellschaft und Gesellschafter einer Steuerpflicht unterliegen, und viele andere mehr. Mit anderen Worten dreht sich die Problematik der Anerkennung von Auslandsgesellschaften nicht allein um die Frage der schieren Existenz eines Rechtsträgers außerhalb des Rechtsraums seiner Gründungsrechtsordnung, sondern auch und mittlerweile sogar zentral um seine aktive Wirtschaftsfähigkeit und damit wiederum schwerpunktmäßig um die Grundelemente seiner Organisations-, Haftungs- und Finanzverfassung103. Und genau an diesen zentralen Punkten wird den ausländischen Teilnehmern am Wirtschaftsverkehr ihre Gestaltungsfreiheit entzogen, wenn die Auslandsgesellschaft zwangsläufig in einen unbekannten deutschen Gesellschaftstypus gedrängt und auf diese Weise die bewusste Entscheidung der Gesellschafter etwa für eine bestimmte kapitalgesellschaftsrechtstypische Haftungsverfassung ausgehebelt wird mit der Folge einer unbeschränkten persönlichen Haftung auch der Gesellschafter über § 128 Satz 1 HGB104. Unter solchen Umständen kann die Gesellschaft aber ihre eigentliche, originär von den Gesellschaftern im gegenseitigen Einvernehmen durch den Gesellschaftsvertrag festgelegte Funk___________ 101 BGH 25.02.1982 – II ZR 174/80, AG 1982, S. 158 ff. = BGHZ 83, S. 122 ff. = DB 1982, S. 795 ff. = NJW 1982, S. 1703 ff. = WM 1982, S. 388 ff. = ZIP 1982, S. 568 ff. – Holzmüller; vgl. aber nunmehr auch BGH 26.04.2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, S. 575 ff. – Gelatine I; BGH 26.04.2004 – II ZR 155/02, AG 2004, S. 384 ff. = NJW 2004, S. 1860 ff. – Gelatine II. 102 Vgl. Simon in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 4 Rdnr. 3. 103 Schön, ZHR 168 (2004), S. 268 (291). 104 Vgl. dazu Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, S. 26 (27, dort Fn. 12); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2475).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

tion nicht mehr erfüllen. In ihrer neuen Form ist sie für die von den Gesellschaftern verfolgten wirtschaftlichen Zwecke nicht mehr dienlich, erweist sich doch ihre Verwendung im Geschäftsverkehr als ein kaum kalkulierbares Risiko. Die Umformung in einen völlig neuen Gesellschaftstypus präsentiert sich damit ihrerseits für die Gesellschafter als eine keinesfalls hinnehmbare Marktzugangsbeschränkung105. Jene Freiheitsbeschränkung der Gesellschafter ist zwar als solche nicht einschlägig bei der Prüfung der Niederlassungsfreiheit der von ihnen gegründeten juristischen Person. Allerdings schlägt die Freiheitsbeschränkung auf der Ebene der Gesellschafter unmittelbar auf die Freizügigkeit der Gesellschaft als solcher durch. Denn allein die Aussicht, als Gesellschafter oder gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft in Drittstaaten in verstärktem Maße persönlich in Anspruch genommen zu werden, wird regelmäßig ausreichen, um die Entscheidung der zuständigen Gesellschaftsorgane über die Verlegung der Gesellschaft aus dem Heimatstaat heraus negativ zu beeinflussen106. Damit ist die in Art. 43, 48 EGV verkörperte Freiheitsgarantie der juristischen Person direkt betroffen. Folgerichtig wurde der Ansatz des gesetzlichen Formwechsels auch vom Siebten Senat des BGH in seinem Überseering-Urteil vom 13. März 2003 verworfen107. Zur genauen Reichweite der von ihm gepredigten Anerkennungspflicht nahm der Europäische Gerichtshof schließlich ein Jahr später im Urteil Inspire Art Ltd. umfassend Stellung108. ___________ 105 Vgl. in diesem Sinne auch Bayer, BB 2003, S. 2357 (2362); Forsthoff, BB 2002, S. 318 (321); Gronstedt, BB 2002, S. 2033 (2034); Leible/Hoffmann, ZIP 2003, S. 925 (928); Lutter, BB 2003, S. 7 (9); Schulz, NJW 2003, S. 2705 (2707); Zimmer, BB 2003, S. 1 (5). 106 Henze, DB 2003, S. 2159 (2165). 107 BGH 13.03.2003 – VII ZR 370/98, GmbHR 2003, S. 527 mit Anm. Stieb = NJW 2003, S. 1461 f.; vgl. auch den Vorlagebeschluss des BGH 30.03.2000 – VII ZR 370/98, DB 2000, S. 1114 ff. = EWS 2000, S. 278 ff. = GmbHR 2000, S. 715 ff. = ZIP 2000, S. 967 f.; in der zur Überseering-Entscheidung ergangenen Literatur gelangen zum gleichen Ergebnis Ahrens, RNotZ 2003, S. 388; Bayer, BB 2003, S. 2357 (2362); Buck, WuB II N § 14 BGB 1.03; Ebke, JZ 2003, S. 927 (928 f.); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2238); Forsthoff, BB 2002, S. 318 (321); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2474 ff.); Großerichter, DStR 2003, S. 159 (166 f.); Heidenhain, NZG 2002, S. 1141 (1142); Horn, NJW 2004, S. 893 (896); Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (929); Leible/Hoffmann, ZIP 2003, S. 925 (926); Lutter, BB 2003, S. 7 (9); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (799 ff.); Merkt, RIW 2003, S. 458 (459); Paefgen, DB 2003, S. 487 (dort Fn. 2); Paefgen, EWiR Art. 48 EG 1/03, S. 571; Paefgen, DZWIR 2003, S. 441 (444); Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 (466); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (32 f.); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (15); Wernicke, EuZW 2002, S. 758 (761); Zimmer, BB 2003, S. 1 (5). 108 Vgl. dazu sogleich unten III.

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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d) Beantwortung der Vorlagefrage Der EuGH beantwortete die erste Vorlagefrage des Siebten Senats deshalb damit, dass in der Aberkennung der Parteifähigkeit einer mit ihrem Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat umgezogenen Auslandsgesellschaft stets ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu erblicken sei109. Dementsprechend ergebe sich im Rahmen der zweiten Vorlagefrage, dass die Gerichte des Aufnahmestaates diejenige Rechts- und Parteifähigkeit zu achten verpflichtet seien, welche die Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitze110. III. Die Entscheidung Inspire Art Ltd. (2003) Den letzten Schritt zur Abrundung seiner Rechtsprechung betreffend die Zuzugsfälle tat der Europäische Gerichtshof schließlich mit seinem Urteil vom 30. September 2003 in Sachen Inspire Art Ltd111. Ähnlich dem Fall Centros Ltd. ging es auch hier um die Konstellation, dass eine englische private limited company eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat errichten wollte. Bei jenem anderen Mitgliedstaat handelte es sich diesmal um die Niederlande, die sich vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH erst gar nicht gegen die Anerkennung der Gesellschaft bzw. ihrer Zweigniederlassung sperren wollten112. Allerdings sahen sie ebenso wie die dänischen Behörden im Fall Centros und die deutschen Behörden im Fall Überseering die Gefahr, dass mittels der Verwendung einer Zweigniederlassung einer Auslandsgesellschaft die zugunsten der Gesellschaftsgläubiger erlassenen Schutzmechanismen des niederländischen Rechts ausgeschaltet werden könnten. Da spätestens durch die Entscheidung Überseering geklärt war, dass diesem Vorhaben nicht mit einer automatischen Umqualifizierung der Limited in eine Gesellschaft niederländischen Rechts oder dem Erfordernis der Neugründung eines eigenständigen inländischen Rechtsträgers für die geplante Zweigniederlassung begegnet werden konnte, sollte als Korrektiv ein besonderes niederlän___________ 109

EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 94, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974). EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 95, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974). 111 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01, AG 2003, S. 680 ff. = BB 2003, S. 2195 ff. = DB 2003, S. 2219 ff. = EuGHE I 2003, S. 10155 ff. = EuZW 2003, S. 687 ff. = EWS 2003, S. 513 ff. mit Anm. Hirte = GmbHR 2003, S. 1260 ff. mit Anm. Meilicke = IPRax 2004, S. 46 ff. = JZ 2004, S. 37 ff. = NJW 2003, S. 3331 ff. = RIW 2003, S. 957 ff. = WM 2003, S. 2042 ff. = ZIP 2003, S. 1885 ff. 112 Vgl. EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 75 f., 88, EuGHE I 2003, S. 10155 (10218, 10221). 110

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

disches Gesetz dienen, welches so genannten formal ausländischen Gesellschaften mit Tätigkeit im niederländischen Rechtsraum einen ganzen Katalog an speziellen Pflichten auferlegte, um die Gesellschaftsgläubiger gegen etwaige Missbrauchsgefahren abzusichern. Erneut ging es um die Möglichkeit der Anwendung jenes Gesetzes des Sitzstaates auf eine Auslandsgesellschaft und die Vereinbarkeit jenes Vorgangs mit der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person. Da diesmal materielle Regelungen des Gläubigerschutzes Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung waren, mag man in der Entscheidung Inspire Art die materiellrechtliche Parallele zum Überseering-Urteil sehen, dem bekanntlich ein durch prozessrechtliche Fragen geprägter Ausgangsfall zugrunde lag. 1. Sachverhalt: Überlagerungsfähigkeit einzelner materieller Bestimmungen des Gründungsstatuts Eine englische private limited company mit der Firma Inspire Art unterhielt in den Niederlanden eine Zweigniederlassung. Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Kunstgegenständen, der nahezu ausschließlich über die Zweigniederlassung in den Niederlanden abgewickelt wurde113. Die Inspire Art war dementsprechend im Handelsregister der Handelskammer Amsterdam eingetragen114. In den Niederlanden bestand nun ein Gesetz über formal ausländische Gesellschaften (wet op de formeel buitenlandse vennootschappen, WFBV). Dieses beinhaltete Sondervorschriften für nach einem anderen als dem niederländischen Recht gründete Kapitalgesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit, die ihre Tätigkeit vollständig oder nahezu vollständig in den Niederlanden ausüben und daneben keine tatsächliche Bindung an den Staat haben, in dem das Recht gilt, nach dem sie gegründet worden sind, Art. 1 WFBV115. Jene Sondervorschriften hatten den Zweck, die niederländischen Gläubiger vor den vermeintlichen Gefahren beim geschäftlichen Verkehr mit formal ausländischen Gesellschaften zu schützen. Im Einzelnen traf das Gesetz folgende Vorkehrungen:  Eine formal ausländische Gesellschaft im Sinne des WFBV muss sich mit eben diesem Zusatz in das niederländische Handelsregister eintragen lassen116. ___________ 113

EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 34, EuGHE I 2003, S. 10155 (10207). EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 35, EuGHE I 2003, S. 10155 (10208). 115 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 22, EuGHE I 2003, S. 10155 (10204); Horn, NJW 2004, S. 893 (895). 116 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 24, EuGHE I 2003, S. 10155 (10205). 114

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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 Die Gesellschaft muss ebenfalls mit dem Zusatz „formal ausländische Gesellschaft“ im Geschäftsverkehr firmieren und darüber hinaus ihren vollständigen Namen, ihre Rechtsform, ihren satzungsmäßigen Sitz, den Ort der Hauptniederlassung, ihre Registernummer und andere Angaben auf allen Schriftstücken und Mitteilungen offen legen117.  Das gezeichnete Kapital einer formal ausländischen Gesellschaft muss sich unter Abweichung von den Gründungsvorschriften wenigstens auf den Betrag belaufen, den das niederländische Gesellschaftsrecht als Mindestkapital für eine nationale Gesellschaft mit beschränkter Haftung festschreibt. Dieses Kapital muss auch tatsächlich in das Gesellschaftsvermögen einbezahlt werden. Die effektive Kapitalaufbringung unterliegt der staatlichen Kontrolle. Um sie zu gewährleisten, ist eine Erklärung eines Wirtschaftsprüfers beim Handelsregister zu hinterlegen118.  Werden die bisher genannten Anforderungen von der formal ausländischen Gesellschaft nicht erfüllt, so knüpft das WFBV daran schwerwiegende Sanktionen. Bis zur ordnungsgemäßen Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister haften die Geschäftsführer neben der Gesellschaft als Gesamtschuldner persönlich für alle im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen119. Gleiches gilt in dem Fall, dass das vom niederländischen Recht geforderte Mindestkapital nicht einbezahlt wurde oder nach der Einbezahlung wieder unter den erforderlichen Mindestbetrag sinkt120. Bei einer Prüfung der Registereintragung der Inspire Art stellte die Handelskammer Amsterdam fest, dass der Zusatz „formal ausländische Gesellschaft“ nicht eingetragen worden war. Da die Handelskammer jedoch in der Inspire Art gerade eine solche Gesellschaft sah, beschritt sie den Rechtsweg vor die nationalen Gerichte, um die aus ihrer Sicht korrekte Eintragung zwangsweise zu erwirken. Der Erfolg jenes Klagebegehrens hätte für die Inspire Art dann unausweichlich auch die Beachtung der weiteren Vorschriften des WFBV (besondere Firmierung im Geschäftsverkehr, Kapitalaufbringung nach niederländischem Maßstab, Haftung der Geschäftsführer bei Nichteinhaltung dieser Anforderungen) nach sich gezogen121. Dem Antrag der Inspire Art folgend ließ das Kantongericht Amsterdam im Rahmen des Rechtsstreits vom EuGH die Europarechtskonformität des WFBV überprüfen. Dazu legte es ihm zwei Vorlagefragen vor. ___________ 117

EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 26, EuGHE I 2003, S. 10155 (10205). EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 27, EuGHE I 2003, S. 10155 (10206). 119 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 25, EuGHE I 2003, S. 10155 (10205). 120 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 28, EuGHE I 2003, S. 10155 (10206). 121 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 36, EuGHE I 2003, S. 10155 (10208). 118

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

 Gegenstand der ersten Frage war, ob die Niederlassungsfreiheit der juristischen Person es den Niederlanden untersagt, auf eine formal ausländische Gesellschaft im Sinne des Art. 1 WFBV die strengen Sondervorschriften dieses Gesetzes anzuwenden, obwohl die Abwicklung der Geschäfte über eine Zweigniederlassung einer Auslandsgesellschaft offensichtlich dem Zweck diene, bestimmte Vorteile der ausländischen Gesellschaftsrechtsordnung gegenüber dem niederländischen Recht auszunutzen.  Die zweite Frage beinhaltete, ob im Falle der Unvereinbarkeit der Regelungen des WFBV mit den Art. 43, 48 EGV der Erlaubnissatz des Art. 46 EGV oder zwingende Gründe des Allgemeininteresses die den formal ausländischen Gesellschaften auferlegten Beschränkungen zu rechtfertigen wissen122. 2. Entscheidung des EuGH: Endgültiger Abschied von der Sitztheorie a) Differenzierung beim Prüfungsmaßstab Als Prüfungsmaßstab einer Freiheitsbeschränkung legt der EuGH in Inspire Art nicht lediglich die primärrechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit an. Stattdessen differenziert er zwischen den verschiedenen Regelungsgegenständen des WFBV. Soweit die Pflicht zur Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Auslandsgesellschaften errichtet wurden, in Rede stehe, sei vorrangig auf die Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates über die Offenlegung von Zweigniederlassungen vom 21. Dezember 1989 (Zweigniederlassungsrichtlinie) abzustellen123. Soweit sich die Inspire Art gegen die Vorschriften über das erforderliche Mindestkapital zum Zeitpunkt der Eintragung und während des Bestehens der formal ausländischen Gesellschaft und die gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Sanktion der Nichterfüllung der Pflichten aus dem WFBV wende, bestehe hingegen kein Bezug zur Elften Richtlinie, so dass die Europarechtskonformität jener Normen sich unmittelbar nach den Art. 43, 48 EGV und damit dem Primärrecht richte124.

___________ 122 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 39, 52, EuGHE I 2003, S. 10155 (10208, 10212). 123 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 55, 58, EuGHE I 2003, S. 10155 (10213 f.). 124 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 73, EuGHE I 2003, S. 10155 (10217).

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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b) Die Ausschlussfunktion der Zweigniederlassungsrichtlinie Die Elfte Richtlinie beinhaltet selbst den Befehl an die Mitgliedstaaten, bestimmte Offenlegungsanforderungen an Zweigniederlassungen in nationales Recht umzusetzen. Dieser Aufgabe kommt im niederländischen Recht gerade das WFBV nach. Die explizit von der Richtlinie vorgegebenen Regelungen des nationalen Gesetzes waren aber auch nicht von der Inspire Art angegriffen worden. Beanstandet wurden lediglich die Regelungen über die Firmierung im Geschäftsverkehr als formal ausländische Gesellschaft und die entsprechende Handelsregistereintragung und darüber hinaus die Notwendigkeit der Beibringung eines Wirtschaftsprüfergutachtens zum Nachweis der effektiven Kapitalaufbringung. Diese Aspekte werden aber von der Elften Richtlinie sämtlich nicht behandelt125. Der EuGH brauchte angesichts dessen erst gar nicht auf die EG-vertraglichen Grundfreiheiten zurückzugreifen, da er der Zweigniederlassungsrichtlinie einen abschließenden Charakter bescheinigte126, der es in Verbindung mit dem Gedanken der Rechtsharmonisierung den Mitgliedstaaten untersage, weitergehende Publizitätsgebote für Zweigniederlassungen aufzustellen127. Diese Interpretation beinhaltet eine eindeutige Absage an die bis dato vom Bundesgerichtshof vertretene so genannte Mindestnormtheorie128. Die Zweigniederlassungsrichtlinie gibt den Mitgliedstaaten nicht nur einen Mindestschutzstandard vor, sondern ihr gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV in das nationale Recht zu übernehmende Schutzzweck ist in diesem Fall sowohl nach unten (keine Abweichung zu Lasten der (potentiellen) Geschäftsgegner der Auslandsgesellschaft) als auch nach oben (keine Abweichung zu Lasten der Auslandsgesellschaft selbst) hin von der Richtlinie abschließend reglementiert129. Im Vordergrund steht somit der Gedanke der Rechtsharmonisierung130.

___________ 125

EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 65, EuGHE I 2003, S. 10155 (10216). EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 66 ff., EuGHE I 2003, S. 10155 (10216 f.); Horn, NJW 2004, S. 893 (894); Kögel, DB 2004, S. 1763; Meilicke, GmbHR 2003, S. 1271 (1273); Merkt, RIW 12/2003, S. I. 127 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 72, EuGHE I 2003, S. 10155 (10217); Horn, NJW 2004, S. 893 (894, 895 f.); Ziemons, ZIP 2003, S. 1913 (1915); Merkt, RIW 12/2003, S. I. 128 Vgl. zur Mindestnormtheorie BGH 11.01.1990 – IX ZR 58/89, BGHZ 110, S. 41 (45 f.); Lutter/Gehling, WM 1989, S. 1445 ff. 129 Meilicke, GmbHR 2003, S. 1271 (1273); vgl. allgemein zu der Frage, wann Richtlinien lediglich Mindestanforderungen an die nationalen Regelungen stellen wollen und wann stattdessen eine abschließende Vorgabe an den nationalen Gesetzgeber intendiert ist, Horn, Europäisches Finanzmarktrecht (2003), S. 24 ff., 62. 130 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 68 f., EuGHE I 2003, S. 10155 (10216 f.). 126

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Mit dieser Erkenntnis hatte der Gerichtshof die Sekundärrechtswidrigkeit eines Teils der Bestimmungen des WFBV hergeleitet. c) Die Ausführungen zur Niederlassungsfreiheit Die darüber hinaus von der Inspire Art als europarechtswidrig gerügten Normen mussten sich aber nun am Maßstab der EG-vertraglichen Niederlassungsfreiheit und damit des primären Europarechts messen lassen131. Unter Berufung auf seine Rechtsprechung in Sachen Segers132 und Centros133 erklärte der Gerichtshof nahezu selbstverständlich, der Umstand, dass die Inspire Art Ltd. im Vereinigten Königreich gegründet wurde, schließe es selbst dann nicht aus, dass die Errichtung einer Zweigniederlassung dieser Gesellschaft in den Niederlanden unter die Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EGV falle, wenn die Herstellung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit dem klaren Ziel geschehen sei, die strengen niederländischen Vorschriften etwa über die Einbezahlung des Gesellschaftskapitals zu umgehen134. Die Gründe für die Errichtung einer Gesellschaft im Ausland seien nämlich für die Niederlassungsfreiheit nur in dem Ausnahmefall relevant, dass sie sich als Missbrauch oder Betrug klassifizieren ließen135. Bereits in den Urteilen Segers und Centros sei die Auslandsgründung mit dem Ziel, in den Genuss vorteilhafter Rechtsvorschriften des Gründungsstatuts zu kommen, jedoch als legitimes Ansinnen anerkannt worden136. Etwas anderes gelte auch für die Inspire Art nicht, so dass in der Überlagerung der Rechtsnormen des englischen Gründungsrechts durch das niederländische WFBV eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu erblicken sei137. Mit der Frage der Rechtfertigung dieser Beschränkung über Art. 46 Abs. 1 EGV setzte sich der EuGH erst gar nicht auseinander, da die niederländische ___________ 131

EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 73, EuGHE I 2003, S. 10155 (10217). EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 16, EuGHE 1986, S. 2375 (2388). 133 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 18, 27, 29, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491, 1493, 1494). 134 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 98, EuGHE I 2003, S. 10155 (10224). 135 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 95, EuGHE I 2003, S. 10155 (10223) unter Hinweis auf EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 18, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros. 136 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 96, EuGHE I 2003, S. 10155 (10224) unter Hinweis auf EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 16, EuGHE 1986, S. 2375 (2388) – Segers; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 18, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros. 137 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 104, EuGHE I 2003, S. 10155 (10226); Horn, NJW 2004, S. 893 (896). 132

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Regierung diesbezüglich keine Argumente vorgetragen hatte138. Und auch auf eine rechtsmissbräuchliche oder betrügerische Vorgehensweise der Inspire Art könne sich der niederländische Staat entsprechend den zum Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit gemachten Ausführungen nicht berufen139. Der Schutz der Gläubiger könne im konkreten Fall nicht als im Allgemeininteresse zwingend zu berücksichtigender Gegengrund herangezogen werden, nachdem die Inspire Art am Markt ohnehin als Gesellschaft des englischen und nicht des niederländischen Rechts auftrete. Dann seien ihre potentiellen Gläubiger genügend über den gesellschaftsrechtlichen Status ihrer Schuldnerin informiert und auf diese Weise abgesichert140 (Informationsmodell141). Damit lehnt sich der Gerichtshof an den Vortrag der Inspire Art und der Kommission an, dem zufolge ein Gläubiger in gewissem Umfang auch selbst für seinen Schutz verantwortlich zeichne. Wenn ihm die gesetzlich niedergelegten Schutzinstrumente des englischen Gesellschaftsrechts als unvollkommen erschienen, so könne er den Vertragsschluss schließlich immer noch von der privatautonomen Gewährung zusätzlicher Sicherheiten abhängig machen oder im Zweifel auch ganz von einer geschäftlichen Bindung an die Auslandsgesellschaft Abstand nehmen142. Weiter erörtert der EuGH, die daraus folgende Unvereinbarkeit der Bestimmungen über Mindestkapital mit der Niederlassungsfreiheit bedeute automatisch zugleich die Europarechtswidrigkeit der an die

___________ 138

EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 131, EuGHE I 2003, S. 10155 (10233). EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 139, EuGHE I 2003, S. 10155 (10235) unter Hinweis auf EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 16, EuGHE 1986, S. 2375 (2388) – Segers; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 29, EuGHE I 1999, S. 1459 (1494) – Centros. 140 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 135, EuGHE I 2003, S. 10155 (10234); Meilicke, GmbHR 2003, S. 1271; Merkt, RIW 12/2003, S. I; Mülbert, Konzern 2004, S. 151 (151, 156, dort Fn. 37). 141 Ob die Argumentation des EuGH an dieser Stelle tatsächlich schlüssig ist, wird vielfach in Zweifel gezogen. Denn das Informationsmodell erweist sich als taugliches Schutzinstrument eben nur gegenüber solchen Gläubigern, die den rechtsgeschäftlichen Kontakt zur Auslandsgesellschaft suchen und damit überhaupt erst in einer Position sind, aus der heraus sie über das Bestehen oder Nichtbestehen von rechtlichen Verbindungen zwischen ihnen und der Gesellschaft selbst entscheiden können. Anders verhält es sich aber, wenn der Gläubiger in jene rechtliche Verbindung hineingezwungen wird, vor allem also in den Fällen eines kraft Gesetzes begründeten Anspruchs aus unerlaubter Handlung. Dann geht der Gedanke vom Gläubigerschutz auf der Basis von Informationspflichten anstelle von Kapitalschutzregeln ins Leere, vgl. dazu Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (27 f.); Mülbert, Konzern 2004, S. 151 (156, dort Fn. 37); Spindler/Berner, RIW 2004, S. 7 (14). 142 Siehe dazu den Vortrag der Inspire Art Ltd. und der Kommission in EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 125, EuGHE I 2003, S. 10155 (10231). 139

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Nichtaufbringung bzw. Nichteinhaltung der Kapitalgrenzwerte geknüpften Sanktionen143. Noch deutlicher wurden die europarechtlichen Bedenken gegen die besagten Sanktionen im Schrifttum formuliert. Dort wurde darauf abgestellt, dass in der Haftung der Geschäftsführer für die Verbindlichkeiten der nicht hinreichend mit Kapital ausgestatteten Auslandsgesellschaft letztlich eine Anlehnung an das Haftungsmodell der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und damit eine versteckte Rückkehr zu der mit dem Urteil in der Rechtssache Überseering ausdrücklich untersagten Umqualifizierung einer zuziehenden Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nationalen Rechts gesehen werden müsse144. d) Beantwortung der Vorlagefrage Vor diesem Hintergrund kam der EuGH zu dem Ergebnis, die vom WFBV vorgesehenen Offenlegungspflichten seien europarechtswidrig, soweit sie über die in der Elften Richtlinie 89/666/EWG des Rates über die Offenlegung von Zweigniederlassungen etablierten Anforderungen hinausgingen145. Dies betrifft namentlich die von der Inspire Art beanstandeten Gebote über die Art und Weise der Registereintragung und des Auftretens im Geschäftsverkehr. Ebenso verstoße der Versuch, die gerügten niederländischen Instrumente des materiellen Gläubigerschutzes (Mindestkapital, Haftung der Geschäftsführer) mittels des WFBV auf die Zweigniederlassung einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaft zu projizieren, gegen das Europarecht, diesmal in Gestalt der primärrechtlich verankerten Niederlassungsfreiheit146.

C. Die Europarechtskonformität von Wegzugsbeschränkungen I. Die Entscheidung Daily Mail and General Trust PLC (1988) Die als englische public limited company organisierte Daily Mail and General Trust PLC war eine Investmentholdinggesellschaft, die beabsichtigte, in größerem Umfang eigene Aktien zurück zu erwerben. Um diesen Rückerwerb zu finanzieren, sollten wiederum erhebliche Teile des vorhandenen Investmentvermögens veräußert und somit zu Geld gemacht werden. Da aber nach englischem Steuerrecht aufgrund des Wertzuwachses des über lange Zeit im Eigen___________ 143

EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 141, EuGHE I 2003, S. 10155 (10235). Meilicke, GmbHR 2003, S. 1271. 145 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 143, EuGHE I 2003, S. 10155 (10236). 146 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 142 f., EuGHE I 2003, S. 10155 (10236). 144

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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tum der Daily Mail PLC stehenden zu veräußernden Betriebsvermögens eine erhebliche Steuerlast angefallen wäre, plante die Gesellschaft, vor dem Abschluss der Transaktion mit dem Sitz ihrer tatsächlichen Verwaltung das Vereinigte Königreich zu verlassen und ihn in die Niederlande zu verlagern. Auf diese Weise hätte nach dem Stand des damals geltenden Steuerrechts147 anstelle des englischen Körperschaftsteuerrechts dasjenige der Niederlande auf das Veräußerungsgeschäft Anwendung gefunden mit der Besonderheit, dass der niederländische Staat lediglich auf den Wertzuwachs des veräußerten Vermögens ab dem Zeitpunkt des Zuzugs in die Niederlande hätte zugreifen können148. Im Rahmen dieses Vorhabens erwies es sich jedoch als problematisch, dass das englische Körperschaftsteuerrecht es in Sec. 482 (1) (a) des Income and Corporation Taxes Act149 von 1970 der Gesellschaft untersagte, den Sitz ihrer Geschäftsleitung und damit zugleich ihren steuerrechtlich relevanten Sitz ohne Zustimmung der englischen Finanzverwaltung aus dem Hoheitsgebiet zu entfernen150. Nachdem das zuständige Finanzministerium nach längeren Verhandlungen die Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis zunächst völlig ausschloss und später nur unter der Bedingung erteilen wollte, dass wenigstens ein gewisser Teil des Investmentvermögens vor der Sitzverlegung veräußert und somit der Veräußerungserlös der englischen Körperschaftsteuer zugänglich gemacht werden sollte, beschritt die Daily Mail PLC den Rechtsweg vor die englischen Gerichte. Im Zuge dessen machte sie geltend, die ihr im EWG-Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit gewähre ihr einen Anspruch darauf, das englische Hoheitsgebiet mit ihrem Verwaltungssitz entweder gänzlich ohne eine staatliche Zustimmung zu verlassen oder aber wenigstens die begehrte Zustimmung vorbehaltlos zu erhalten151. Eine dahingehende Vorlagefrage richtete der mit dem Rechtsstreit befasste High Court of Justice, Queen’s Bench Division, sodann an den Europäischen Gerichtshof152. Mit Urteil153 vom 27. September 1988 entschied der Gerichtshof, die Daily Mail PLC könne sich hinsichtlich des von ihr geplanten Wegzugs zwar auf den Schutzbereich der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit berufen. Schon diese Feststellung war aufgrund der relativ geringen Bedeutung, die der EuGH ___________ 147

Vgl. dazu Ebenroth/Eyles, DB 1989, S. 363 (368 f.). EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 7, EuGHE 1988, S. 5483 (5507 f.). 149 Englisch für Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz. 150 EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 5, EuGHE 1988, S. 5483 (5507). 151 EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 8, EuGHE 1988, S. 5483 (5508). 152 Vgl. zum genauen Wortlaut der Vorlagefragen EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 9, EuGHE 1988, S. 5483 (5508 f.). 153 Siehe die Nachw. oben in Fn. 4. 148

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

der Niederlassungsfreiheit zuvor in der Rechtssache Fearon154 beigemessen hatte, nicht unbedingt selbstverständlich155. Allerdings ging das Gericht dafür mit der Annahme eines freiheitsverkürzenden Eingriffs in diesen Schutzbereich umso zurückhaltender um. Das im englischen Steuerrecht verankerte Wegzugsverbot mit Erlaubnisvorbehalt behindere nämlich in keiner Weise die Errichtung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft im Sinne der sekundären Niederlassungsfreiheit156. Und die eigentlich der primären Niederlassungsfreiheit unterfallende grenzüberschreitende Verlegung der bestehenden Hauptverwaltung stehe hier nur insofern in Rede, als die Daily Mail PLC das Territorium des englischen Staates verlassen wolle, ohne zugleich ihren Status als Kapitalgesellschaft des englischen Rechts aufzugeben157. Dieses Bestreben der Gesellschaft veranlasste den EuGH zur Errichtung seiner berühmten so genannten Geschöpftheorie158. Danach sind zwar juristische Personen ebenso wie die natürlichen Personen taugliche Träger der Niederlassungsfreiheit. Es müsse aber bei der Anwendung der Grundfreiheiten stets der eklatante Unterschied berücksichtigt werden, dass eine juristische Person anders als die natürliche immer nur ein Geschöpf der Rechtsordnung des Staates ihrer Inkorporation sei. Als solches sei sie hinsichtlich ihrer Beendigung ebenso an die einschlägige einzelstaatliche Rechtsordnung gebunden, wie hinsichtlich ihres Untergangs. Da das Gesellschaftsrecht noch nicht zum Gegenstand einer europaweiten Rechtsvereinheitlichung geworden sei, sei jene Problematik nicht an den Bestimmungen des EWG-Vertrages zu messen. Infolgedessen vermochte der Gerichtshof nicht zu erkennen, dass der Daily Mail PLC ein Recht zusteht, auch außerhalb der territorialen Grenzen des englischen Gesellschaftsrechts ihren bisherigen gesellschaftsrechtlichen Status fortzuführen. Geht man von eben dieser Überlegung aus, ist es nur folgerichtig, auch die Fesselung an das englische Territorium durch das beschriebene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt als europarechtskonform einzustufen.

___________ 154

EuGH 06.11.1984 – Rs. 182/83, EuGHE 1984, S. 3677 ff. – Fearon. Ebenroth/Eyles, DB 1989, S. 363 (372). 156 EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 17, EuGHE 1988, S. 5483 (5511). 157 EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 18, EuGHE 1988, S. 5483 (5511). 158 Vgl. EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 19, EuGHE 1988, S. 5483 (5511 f.); vgl. auch die Ausführungen zum Verhältnis der Urteile Überseering und Daily Mail oben B. II. 2. b). 155

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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II. Die Entscheidung Lasteyrie du Saillant (2004) In seinem Urteil159 vom 11. März 2004 hatte der EuGH sich mit der Europarechtswidrigkeit einer anlässlich der Verlegung des Wohnsitzes eines französischen Steuerpflichtigen von Frankreich nach Belgien erhobenen Wegzugsbesteuerung zu beschäftigen. Hierbei griff der französische Staat auf die stillen Reserven zu, die in der Beteiligung des Steuerpflichtigen an diversen französischen Gesellschaften enthalten waren. Die Besonderheit lag darin, dass dieser Zugriff ausschließlich durch den Wegzug motiviert wurde und es in der Tat niemals zu einer Realisierung eines Veräußerungsgewinns gekommen war160. In dem sich anschließenden Rechtsstreit kam die Frage nach der Vereinbarkeit jener Regelungen mit der Niederlassungsfreiheit, diesmal der natürlichen Person, aus Art. 43 EGV auf, die durch den französischen Conseil d’État dem Europäischen Gerichtshof alsdann vorgelegt wurde161. Dieser bescheinigte der Niederlassungsfreiheit zunächst nicht nur eine abwehrende Wirkung gegenüber den einen Zuzug von EG-Ausländern unterbindenden oder erschwerenden Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates, sondern betonte zudem, dass der Wegzugsstaat dazu angehalten sei, die Niederlassung seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat nicht durch eigene Regelungen zu behindern162. Als eine solche Regelung verstand das Gericht aber eben die Gesetze über die französische Wegzugsbesteuerung. Der Gebrauch der Niederlassungsfreiheit werde dem Steuerpflichtigen durch diese Praxis zwar nicht vollständig verwehrt. Als Freiheitsbeschränkung reiche es jedoch schon aus, wenn sich aus dem Anfall der Wegzugsbesteuerung eine abschreckende Wirkung ergebe163. Diese könne vorliegend schon darin erblickt werden, dass ein Steuerpflichtiger, der seinen französischen Wohnsitz beibehält oder ihn nur innerhalb der französischen Staatsgrenzen verschiebt, Wertsteigerungen erst dann versteuern müsse, wenn er sie auch realisiert. Bei der Verlagerung des Wohnsitzes in das Ausland hingegen greife der französische Staat völlig unabhängig von einer solchen Realisierung auf ein Einkommen des ___________ 159

EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02, EuGHE I 2409 ff. = EuLF 2004, S. 148 ff. = EuZW 2004, S. 273 ff. = NJW 2004, S. 2439 ff. = RIW 2004, S. 392 ff. 160 Vgl. zum Sachverhalt ausführlich EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 3 bis 18, EuGHE I 2004, S. 2409 (2435 ff.); Franz, EuZW 2004, S. 270; Kleinert/Probst, NJW 2004, S. 2425 (2426); Rehm in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 2 Rdnr. 59; Wachter, GmbHR 2004, R 161; Wassermeyer, GmbHR 2004, S. 613. 161 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 1, EuGHE I 2004, S. 2409 (2434); Kleinert/ Probst, NJW 2004, S. 2425 (2426). 162 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 42, EuGHE I 2004, S. 2409 (2452); Kleinert/Probst, NJW 2004, S. 2425 (2426); G. Kraft/Müller, RIW 2004, S. 366 (369); Wachter, GmbHR 2004, R 161. 163 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 45, EuGHE I 2004, S. 2409 (2452).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Wegziehenden zu, das dessen Vermögen noch gar nicht tatsächlich zugeflossen sei164. Einen rechtfertigenden zwingenden Grund des allgemeinen Wohls165 vermochte der EuGH nicht zu erkennen. Im Einzelnen schmetterte er eine Berufung auf    

das Ziel, einer Flucht aus dem französischen Steuerrecht vorzubeugen166, die Verhinderung von Steuermindereinnahmen167, die Verhinderung einer Erosion der steuerlichen Bemessungsgrundlage168, das Erfordernis der Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuersystems169 und  die Überlegung der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Herkunftsund Aufnahmestaat170 vehement ab171. Ähnlich wie es den Gesellschaften nach Inspire Art freisteht, sich aus der Vielzahl der nationalen Gesellschaftsrechtsordnungen die für sie passenden Regelwerke herauszusuchen, ist eine der zentralen Aussagen von Lasteyrie du Saillant, dass der Steuerpflichtige sehr wohl die zwischen den Steuerregelungen der Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede zu seinen Gunsten ausnutzen kann172.

___________ 164

EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 46, EuGHE I 2004, S. 2409 (2452 f.). Dazu mit der aus den Urteilen Centros, Überseering und Inspire Art bekannten Formulierung EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) unter Hinweis auf EuGH 15.05.1997 – Rs. C-250/95 – Tz. 26, EuGHE I 1997, S. 2471 (2500) – Futura Participations und Singer und die dort zitierte Rechtsprechung; EuGH 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – Tz. 49, EuGHE I 2002, S. 10829 (10864 f.) – X und Y; G. Kraft/Müller, RIW 2004, S. 366 (369). 166 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 50 ff., EuGHE I 2004, S. 2409 (2454). 167 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 59 f., EuGHE I 2004, S. 2409 (2456). 168 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 59, EuGHE I 2004, S. 2409 (2456). 169 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 61 ff., EuGHE I 2004, S. 2409 (2456 f.). 170 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 68, EuGHE I 2004, S. 2409 (2458). 171 Kleinert/Probst, NJW 2004, S. 2425 (2427); G. Kraft/Müller, RIW 2004, S. 366 (369); Rehm in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 2 Rdnr. 59; Wachter, GmbHR 2004, R 161. 172 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 59, EuGHE I 2004, S. 2409 (2456); Wachter, GmbHR 2004, R 161. 165

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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D. Schlussfolgerungen für die mitbestimmungsrechtliche Frage I. Art. 43 und 48 EGV als Kollisionsnormen Die dargestellten drei Entscheidungen zum Zuzug von Kapitalgesellschaften aus einem EG-Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat bilden die Grundlage für nachfolgende Untersuchung, ob sich ein deutsches Unternehmen entweder durch die Flucht in einen anderen Mitgliedstaat173 oder durch Verwendung einer ausländischen Rechtsform im deutschen Inland174 dem Mitbestimmungszwang entziehen kann. Wenigstens im kollisionsrechtlichen Ansatz sind diese Fragen nach dem bisher Gesagten verhältnismäßig einfach zu beantworten. Verlässt eine Gesellschaft den Staat ihrer Gründung und lässt sich in einem anderen Staat nieder, so gibt die Niederlassungsfreiheit für EG-interne Sachverhalte dem Aufnahmestaat die Pflicht zur Anerkennung des fremden Gesellschaftsstatuts auf. Haftungs- und organisationsrechtlich dürften also mit der Verlagerung des Verwaltungssitzes weder die Gesellschaft noch ihre Gesellschafter ein besonderes Risiko eingehen. Und auch der „Import“ ausländischer Rechtsformen nach Deutschland erscheint spätestens nach Inspire Art gesichert, da die Bundesrepublik wie jeder andere Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften das fremde Personalstatut wird respektieren müssen. Auf diese Weise mag man die wesentlichen Aussagen der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person heute in erster Linie nicht mehr im Bereich der Diskriminierungsverbote sehen. Stattdessen geht es vor allem um die Frage des auf die Gesellschaft grundsätzlich anwendbaren Rechts sowie die Folgefrage, ob nicht ausnahmsweise im Zuge von Überlagerungseffekten die Vermengung von Gründungs- und Sitzrecht zulässig sein kann175. Im Schrifttum wurde die gesetzliche Garantie der Niederlassungsfreiheit deshalb schon als „versteckte Kollisionsnorm“ bezeichnet176. ___________ 173

Vgl. dazu unten § 14. Vgl. dazu unten § 15. 175 Vgl. dazu Leible, ZGR 2004, S. 531 (534): „Wie die Mitgliedstaaten den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nachkommen, bleibt ihnen überlassen. Ausdrückliche Aussagen zu einer bestimmten, im nationalen Recht verankerten Lehre des internationalen Gesellschaftsrechts – wie etwa zur Sitz- oder zur Gründungstheorie – enthält keine der vier EuGH-Entscheidungen (Anm.: Gemeint sind Daily Mail, Centros, Überseering und Inspire Art.). Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht zählt nur das Ergebnis. Den Mitgliedstaaten stehen daher grundsätzlich sowohl kollisions- als auch sachrechtliche Ansätze offen. Indes ist das nur Theorie. In der Praxis lässt sich das vom EuGH geforderte Ergebnis allein auf kollisionsrechtlichem Wege erreichen.“ 176 Basedow, RabelsZ 59 (1995), S. 1 (13); Behrens, IPRax 2003, S. 193 (204 f.); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2241); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (25); Leible, ZGR 2004, S. 531 (534); Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (928); Lutter/Bayer in: Lutter/ 174

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

II. Anforderungen auf der Rechtfertigungsebene Unabhängig von ihrer genauen dogmatischen Einordnung erweist sich die Niederlassungsfreiheit der juristischen Person aber in jedem Fall als das Instrument, das letztlich über die Anwendbarkeit des Sitzrechts des Aufnahmestaates auf eine zugezogene Auslandsgesellschaft entscheidet. Auch im mitbestimmungsrechtlichen Kontext ist nunmehr vor allem zu berücksichtigen, dass die Bundesrepublik Deutschland eine Anerkennungspflicht gegenüber allen gesellschaftsrechtlichen Gebilden trifft, die nach dem Verständnis auch nur eines Mitgliedstaates als intakter Gesellschaftstypus angesehen werden. Zieht eine solche Gesellschaft – unter der Prämisse, dass die Rechtsordnung des Herkunftsstaates der Gründungstheorie folgt und damit die identitätswahrende Sitzverlegung in das Ausland überhaupt zulässt177 – über die Binnengrenzen hinweg auf deutsches Territorium um, so verbietet sich inzwischen in jedem Fall die Annahme, die Gesellschaft und ihre rechtlichen Charakteristika seien nunmehr nach deutschem Sitzrecht zu bewerten. Der EuGH hat in der Entscheidung Überseering BV deutlich gemacht, dass die Theorie einer solchen gesellschaftsrechtlichen Mutation mit der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person oder (quasi-)rechtsfähigen Personengesamtheit unvereinbar ist. Das schließt es freilich nicht zwingend aus, dass die nationalen Gerichte wenigstens bei bestimmten einzelnen Fragestellungen das Gründungsrecht ausnahmsweise in legitimer Weise außer Acht lassen dürfen, weil sie eine Überlagerung jener Wertentscheidungen durch das nationale Sitzrecht annehmen. So lehnt es im Rahmen der mannigfach gestellten Frage nach der Durchsetzung inländischer Gläubigerschutzsysteme zwar die ganz herrschende Auffassung in der gesellschaftsrechtlichen Literatur mittlerweile ab, eine Übertragung der Grundsätze des deutschen Kapitalschutzes auf Auslandsgesellschaften zuzulassen. Auf der anderen Seite wird aber durchaus die Möglichkeit gesehen, zur Schließung von Schutzlücken auf inländische Vorschriften Zugriff zu nehmen, die den Gläubigerschutz delikts- oder insolvenzrechtlich verwirklichen178. Dies soll selbst dann gelten, wenn jene Schutzinstrumente gleichsam gesellschaftsrechtlich angehaucht sind, zum Beispiel die Insolvenzverschleppungshaftung179 oder die Haftung wegen existenzvernichtenden Ein___________ Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 15; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 661 (666); Spindler/Berner, RIW 2003, S. 949 (954 f.); Zimmer, BB 2003, S. 1 (4 f.); vgl. außerdem ausführlich zur kollisionsrechtlichen Bedeutung der Grundfreiheiten Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (164 ff.); Horn, NJW 2004, S. 893 (896); Kindler, NJW 2003, S. 1073 (1076). 177 Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (30); Koch/Köngeter, Jura 2003, S. 692 (698); Wernicke, EuZW 2002, S. 758 (760); vgl. dazu auch ausführlich unten § 14 C. 178 Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 17. 179 Vgl. dazu die Nachw. oben Einleitung D. (dort Fn. 70).

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griffs eines Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen180. Denn eine Berührung der Niederlassungsfreiheit ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit der Freiheitsverletzung. Es kommt deshalb entscheidend darauf an, ob die ausnahmsweise durchgesetzte Anwendung des Sitzrechtes sich als Eingriffsmaßnahme europarechtlich rechtfertigen lässt. Die Eckdaten einer solchen Rechtfertigungsprüfung hat der Gerichtshof in seinen Urteilen nun ebenfalls deutlich aufgezeigt. Für die Anwendbarkeit deutschen Mitbestimmungsrechts auf einen aus einem anderen Mitgliedstaat zugezogenen Rechtsträger ausländischer Rechtsform bedeutet das:  Grundsätzlich ist deutsches Mitbestimmungsrecht eine Materie, die als Sitzrecht auf den zugezogenen ausländischen Rechtsträger keine Anwendung finden darf, da dies im Widerspruch zur EG-vertraglich garantierten Niederlassungsfreiheit stünde. Ob die Sonderanknüpfung181 der arbeitnehmerfreundlichen Normen dabei im Zuge der Auslegung182 oder eines Analogieschlusses183 zum geltenden Mitbestimmungsrecht ermöglicht werden soll, ist für diese Beurteilung irrelevant. Selbst eine denkbare Gesetzesneufassung184 mit eindeutigem Wortlaut wäre einfaches nationales Sitzrecht und müsste als solches im Konfliktfall hinter den Wertentscheidungen des Europarechts zurückstehen. ___________ 180

Vgl. dazu die Nachw. oben Einleitung D. (dort Fn. 69). Vgl. dazu Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, S. 26 (28); Birk, RIW 1975, S. 589 (595); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2242); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (184); Forsthoff, DB 2000, S. 1109 (1114); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2477); Grasmann, ZGR 1973, S. 317 (332 f.); v. Halen, WM 2003, S. 571 (577); Horn, NJW 2004, S. 893 (898 f., 900); Kallmeyer, DB 2004, S. 636 (638); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 572; Kleinert/Probst, DB 2003, S. 2217 f.; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325 (347 f.); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1237); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 2; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 10; Roth, IPRax 2003, S. 117 (125); Schmidt-Hermesdorf, RIW 1988, S. 938 (944); Schulz/ Sester, EWS 2002, S. 545 (551, dort Fn. 81); Schwark, AG 2004, S. 173 (178); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Spindler/ Berner, RIW 2003, S. 949 (951); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382); Ulmer in: Hanau/ Ulmer, MitbestG, § 4 Rdnr. 11 (allerdings bezogen allein auf eine analoge Anwendung im Rahmen des § 4 Abs. 1 MitbestG); Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (16 f.); Wachter, GmbHR 2004, S. 88 (92); Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 13; Wiesner, GmbHR 1981, S. 36 (38); Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 1; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 146 ff., 161 ff.; Zimmer, NJW 2003, S. 3585 (3590). 182 Vgl. dazu unten § 15 C. II. 1. 183 Vgl. dazu unten § 15 C. II. 2. 184 Vgl. zu den Anforderungen an ein europarechtskonformes „neues“ Mitbestimmungsrecht mit dem Ziel, auch in ausländischer Rechtsform betriebene Unternehmen zu erfassen, unten § 15 D. 181

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

 Eine allgemeine mitbestimmungsrechtliche Relevanz auch ausländischer Rechtsträger kommt aber dann in Betracht, wenn sich ein derart weit verstandener persönlicher Geltungsbereich der deutschen Mitbestimmungsgesetze ausnahmsweise europarechtlich rechtfertigen lässt.  Dazu bedarf es zunächst einmal eines vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anerkannten Rechtfertigungsgrundes. Darüber hinaus muss sich die Mitbestimmungspflichtigkeit ausländischer Gesellschaften auch an den vom EuGH in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Schrankenschranken messen lassen. Das gilt ohne Unterschied für die methodischen Ansätze der Auslegung und der Analogie sowie auch für die Untersuchung eines hypothetischen neuen, um die Geltung für zugezogene Kapitalgesellschaften erweiterten Mitbestimmungsgesetzes. 1. Vom EuGH anerkannte Rechtfertigungsgründe Auf Rechtfertigungsebene ist zunächst festzustellen, dass die dogmatische Einordnung der zwingenden Gründe des Allgemeinwohls durch den Europäischen Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit nicht völlig klar wird, da dieser Gesichtspunkt einerseits bei einer Gesamtschau der Äußerungen in den Textziffern 31 und 32 des Centros-Urteils wohl als eigenständiger Rechtfertigungsgrund verstanden werden kann, der sich alsdann an den weiteren allgemeingültigen Kriterien der Diskriminierungsfreiheit, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Proportionalität messen lassen muss. Letztere hat man also in der klassischen staatsrechtlichen Terminologie als so genannte Schrankenschranken eines auf den Rechtfertigungsgrund (d.h. Freiheitsschranke) des entgegenstehenden allgemeinen Wohls gestützten Eingriffs einzuordnen. Deutlicher noch wird diese Unterteilung in den Urteilen Überseering und Inspire Art, wenn der EuGH ausdrücklich von einer Rechtfertigung der Behinderung in der Niederlassungsfreiheit durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses spricht185 und ihn in Inspire Art zudem auf eine Stufe mit dem im Vertragstext niedergelegten Vorbehalt des Art. 46 Abs. 1 EGV stellt186. Jene Norm gestattet es den Mitgliedstaaten, grundfreiheitlich geschütztes Verhalten im Sinne des Art. 43 EGV dann zu unterbinden, wenn Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit es rechtfertigen. ___________ 185 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974); EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 107, EuGHE I 2003, S. 10155 (10227); ebenso schon EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Tz. 35, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (580) – Gebhard. 186 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 107, EuGHE I 2003, S. 10155 (10227).

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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Auf der anderen Seite nennt der EuGH dieselben zwingenden Gründe des Gemeinwohls an anderer Stelle nicht als unmittelbaren Rechtfertigungsgrund, sondern stets in einem Atemzug mit den vorstehend erwähnten Schrankenschranken. Danach sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, zulässig, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, zwingenden Gründen des Allgemeinwohls entsprechen sowie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist187. Eine genaue Auseinandersetzung mit dem Für und Wider des jeweiligen europarechtsdogmatischen Verständnisses soll hier indessen dahinstehen. Nach traditioneller Einordnung muss auf der Rechtfertigungsebene in einem ersten Schritt zunächst ein Gegengrund als Schranke der Grundfreiheit benannt werden. Ist dies geschehen, so ist in einem zweiten Schritt gleichsam im Rahmen eines Wechselwirkungseffektes zu prüfen, ob die auf jenen Grund gestützte konkrete staatliche Maßnahme auch so gewählt wurde, dass sie das Freiheitsrecht nicht übermäßig beschneidet. Ziel jener Methode ist es, einen möglichst schonenden Ausgleich im Wechselspiel von Grund und Gegengrund zu schaffen und auf diese Weise beiden zu maximalem Entfaltungsspielraum zu verhelfen, ohne dass das jeweilige Gegengewicht völlig auf der Strecke bleibt. Dieser Tradition folgend werden deshalb die mit der Niederlassungsfreiheit kollidierenden zwingenden Gemeinwohlgründe im weiteren Verlauf der Untersuchung stets als eigenständige Eingriffslegitimation verstanden188, auf deren Basis – freilich unter Beachtung der methodisch erst später zu berücksichtigenden Schrankenschranken – gegen ein im Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit liegendes Verhalten vorgegangen werden kann. Sollte der EuGH bisweilen einem anderen Schema folgen, so ist dies unschädlich, da sich in der Sache keine abweichende Beurteilung ergeben wird189.

___________ 187

Vgl. bereits im Urteil Centros selbst EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 34, EuGHE I 1999, S. 1459 (1495); vgl. außerdem EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 32, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697) = EuZW 1993, S. 322 (324) – Kraus; EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Tz. 37, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197 f.) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (581) – Gebhard; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 84, EuHGE I 2002, S. 9919 (9971) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 133, EuGHE I 2003, S. 10155 (10233) – Inspire Art. 188 Im Anschluss an Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (465, dort Fn. 61). 189 Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (465, dort Fn. 61).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Im Übrigen ist die vom Gerichtshof gewählte Vorgehensweise über die entgegenstehenden zwingenden Gründe des gemeinen Wohls oder Interesses im Sinne eines eigenständigen Erlaubnissatzes schon aus der berühmten, zur Warenverkehrsfreiheit ergangenen Entscheidung Cassis de Dijon190 hinreichend bekannt191. Dort heißt es, dass Hemmnisse für den Binnenhandel in der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung bestimmter Erzeugnisse ergeben, hinzunehmen seien unter der Voraussetzung, dass die besagten nationalen Regelungen unerlässlich seien, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden192. (Exemplarisch werden als solche zwingende Erfordernisse im Bereich des freien Warenverkehrs in Betracht gezogen eine wirksame steuerliche Kontrolle, der Schutz der öffentlichen Gesundheit, die Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Verbraucherschutz193.) Die Beachtung der nach den Cassis-Grundsätzen geltenden Rechtfertigungsgründe ist nur konsequent, wenn man dem Vortrag des Generalanwalts La Pergola in der Rechtssache Centros Ltd. folgt, wonach dem Geist des EG-Vertrags dadurch zum Sieg verholfen werden soll, dass der Gerichtshof auch in Bezug auf die Mobilität der Gesellschaften im Binnenmarkt in kohärenter Weise die Doktrin des Urteils Cassis de Dijon über die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung zur Anwendung bringt194. Die Möglichkeit einer rechtmäßigen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch die Anwendung der deutschen Mitbestimmungsgesetze auch auf ausländische Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland kann sich nach alldem aus den folgenden Eingriffsgrundlagen ergeben:  dem geschriebenen Vorbehalt des Art. 46 Abs. 1 EGV195,  dem Gedanken des rechtsmissbräuchlichen bzw. betrügerischen Gebrauchs der Niederlassungsfreiheit196 und ___________ 190

EuGH 20.02.1979 – Rs. 120/78, EuGHE 1979, S. 649 ff. – Cassis de Dijon. Paefgen, WM 2003, S. 561 (562, dort auch Fn. 21); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (32); Weller, DStR 2003, S. 1800 (1802); Windbichler, AG 2004, S. 190 (191, dort auch Fn. 11) mit w. Nachw.; vgl. auch die Schlussanträge des GA La Pergola vom 16.07.1998 – Rs. C-212/97 – Tz. 20, EuGHE I 1999, S. 1459 (1480) – Centros. 192 EuGH 20.02.1979 – Rs. 120/78 – Tz. 8, EuGHE 1979, S. 649 (662). 193 EuGH 20.02.1979 – Rs. 120/78 – Tz. 8, EuGHE 1979, S. 649 (662). 194 Schlussanträge des GA La Pergola vom 16.07.1998 – Rs. C-212/97 – Tz. 20, EuGHE I 1999, S. 1459 (1480). 195 EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 17, EuGHE 1986, S. 2375 (2388) – Segers (zu Art. 56 EWGV a.F.); EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 107, EuGHE I 2003, S. 10155 (10227) – Inspire Art. 196 EuGH 03.12.1974 – Rs. 33/74 – Tz. 13, EuGHE 1974, S. 1299 (1309) – Van Binsbergen; EuGH 07.02.1979 – Rs. 115/78 – Tz. 25, EuGHE 1979, S. 399 (410) – Knoors; EuGH 10.01.1985 – Rs. 229/83 – Tz. 27, EuGHE 1985, S. 1 (35) – Leclerc; EuGH 21.06.1988 – Rs. 39/86 – Tz. 43, EuGHE 1988, S. 3161 (3201) – Lair; EuGH 191

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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 aus dem Gesichtspunkt, dass dem Freiheitsgebrauch Gründe entgegenstehen, deren Beachtung im Interesse des Allgemeinwohls zwingend geboten ist197. 2. Die Systematik der Schrankenschranken Greift einer dieser Rechtfertigungsgründe durch, so ist weiter zu fragen, ob die Mitbestimmungspflicht ausländischer Gesellschaften ohne diskriminierende Auswirkungen durchgesetzt werden kann und die konkrete Ausgestaltung des mitbestimmungsrechtlichen Systems auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten ausländischer Gesellschaftsrechtssysteme zur Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen geeignet und erforderlich ist sowie keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot erkennen lässt198. Insofern muss man die vom Gerichtshof aufgestellten Hürden als eine exakte Übernahme der Doktrin aus den Urteilen in den Rechtssachen Kraus199 (Niederlassungsfreiheit der natürlichen Person) und Gebhard200 (Dienstleistungs- und

___________ 03.10.1990 – Rs. C-61/89 – Tz. 14, EuGHE I 1990, S. 3551 (3568) – Bouchoucha; EuGH 03.02.1993 – Rs. C-148/91 – Tz. 12, EuGHE I 1993, S. 487 (519) – Veronica Omroep Organisatie; EuGH 03.03.1993 – Rs. C-8/92 – Tz. 21, EuGHE I 1993, S. 779 (799) – General Milk Products; EuGH 05.10.1994 – Rs. C-23/93 – Tz. 21, EuGHE I 1994, S. 4795 (4833) – TV 10; EuGH 02.05.1996 – Rs. C-206/94 – Tz. 24, EuGHE I 1996, S. 2357 (2391) – Paletta; EuGH 12.05.1998 – Rs. C-367/96 – Tz. 20, EuGHE I 1998, S. 2843 (2869) – Kefalas; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 24, EuGHE I 1999, S. 1459 (1492) – Centros; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 136, EuGHE I 2003, S. 10155 (10234) – Inspire Art; Schlussanträge des GA Alber vom 30.01.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 115 ff., DB 2003, S. 377 (380 f.) – Inspire Art. 197 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 31 f., EuGHE I 1999, S. 1459 (1494) – Centros; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 107, EuGHE I 2003, S. 10155 (10227) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) – Lasteyrie du Saillant. 198 EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 32, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697) = EuZW 1993, S. 322 (324) – Kraus; EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Tz. 37, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197 f.) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (581) – Gebhard; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 34, EuGHE I 1999, S. 1459 (1495) – Centros; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 84, EuGHE I 2002, S. 9919 (9971) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 133, EuGHE I 2003, S. 10155 (10233) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) – Lasteyrie du Saillant. 199 EuGH 31.03.1993 – Rs. C. 19/92 – Tz. 32, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697) = EuZW 1993, S. 322 (324). 200 EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Tz. 37, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197 f.) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (581).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Niederlassungsfreiheit der natürlichen Person) auf die Niederlassungsfreiheit juristischer Personen begreifen201. a) Rechtssache Kraus In der Rechtssache Kraus hatte ein deutscher Jurist den Verwaltungsrechtsweg beschritten, weil ihm nach dem deutschen Recht das Führen seines in England im Rahmen eines Postgraduiertenstudiums erworbenen akademischen Grades „Master of Laws“ nicht unmittelbar möglich war. Vielmehr wurde er dazu angehalten, eine diesbezügliche behördliche Genehmigung einzuholen202. Anderenfalls war das Führen des ausländischen Grades nach dem deutschen Strafgesetzbuch sogar mit Strafe bedroht203. Das Verwaltungsgericht Stuttgart legte dem EuGH die Frage vor, ob diese Regelung des deutschen Rechts mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags in Einklang stehe204. Der Gerichtshof befand, ein obligatorisches staatliches Genehmigungsverfahren zur Führung in einem anderen Mitgliedstaat erworbener akademischer Grade stelle für sich genommen nicht unbedingt einen Verstoß gegen die EGvertraglichen Freiheitsrechte dar205. Das Bestreben des deutschen Gesetzgebers, die Öffentlichkeit vor einer möglicherweise missbräuchlichen Führung solcher akademischer Grade zu schützen, entspreche nämlich grundsätzlich einem berechtigten Allgemeininteresse206. Allerdings müsse die nationale Regelung sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren207 und damit vor allem einerseits geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zwecks zu gewährleisten. Andererseits dürfe sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung jenes Zwecks erforderlich sei208. Dabei betonte der EuGH insbesondere den Aspekt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne209.

___________ 201 Vgl. Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (169); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (465, dort Fn. 60; 466, dort Fn. 67; 468, dort Fn. 76); Schulz/Sester, EWS 2002, S. 545 (549). 202 EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 1, EuGHE I 1993, S. 1663 (1690). 203 EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 7, EuGHE I 1993, S. 1663 (1691). 204 EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 11, EuGHE I 1993, S. 1663 (1692) 205 EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 36, EuGHE I 1993, S. 1663 (1698). 206 EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 35, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697). 207 EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 37, EuGHE I 1993, S. 1663 (1698). 208 EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 32, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697) unter Hinweis auf EuGH 20.05.1992 – Rs. C-106/91 – Tz. 29 f., EuGHE I 1992, S. 3351 (3384) – Ramrath. 209 Vgl. EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 41, EuGHE I 1993, S. 1663 (1699).

§ 13 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

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b) Rechtssache Gebhard Wenige Jahre später hatte der Gerichtshof in einem Vorlageverfahren zu urteilen, dem die Problematik zugrunde lag, dass ein in Deutschland ausgebildeter und zugelassener Rechtsanwalt in Italien eine Kanzlei eröffnet hatte und nunmehr Schwierigkeiten mit der italienischen Anwaltskammer bekam, weil er trotz seines ausschließlich deutschen Hochschulabschlusses die Bezeichnung „avvocato“ führte. Die Richter des EuGH erkannten hier vor allem ein Spannungsfeld des nationalen italienischen Berufsrechts mit der Niederlassungsfreiheit der natürlichen Person und lösten dieses in den Entscheidungsgründen dergestalt auf, dass Freiheitsrechte im berufsrechtlichen Bereich zwar tatsächlich zugunsten im allgemeinen Interesse liegender Faktoren wie Organisation, Qualifikation, Standespflichten, Kontrolle und Haftung beschränkbar seien210, dabei aber stets zu berücksichtigen sei, dass keine Diskriminierung stattfindet sowie die Kriterien der Geeignetheit und des Übermaßverbots beachtet werden211. Die für den mitbestimmungsrechtlichen Untersuchungsgegenstand entscheidenden Schlussfolgerungen aus der Rechtsprechung des EuGH zu den Wegzugsfällen ergeben sich unmittelbar aus dem nachfolgenden Gliederungsparagraphen.

___________ 210 EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Tz. 35, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (580) unter Hinweis auf EuGH 28.04.1977 – Rs. 71/76 – Tz. 12, EuGHE 1977, S. 765 (777) – Thieffry. 211 EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Tz. 37, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197 f.) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (581) unter Hinweis auf EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 32, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697) – Kraus. Zusätzlich nennt der EuGH auch an dieser Stelle als Schrankenschranke, dass die nationale Maßnahme zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen muss, obwohl er diesen Punkt bereits zuvor unmittelbar als Rechtfertigungsgrund darstellt (Tz. 35: „Beachtung bestimmter durch das Allgemeininteresse gerechtfertigter Rechts- und Verwaltungsvorschriften“). Vgl. zur Einordnung dieser dogmatischen Ungenauigkeit und zur hier verwendeten Systematik oben 1.

§ 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften aus dem räumlichen Geltungsbereich deutschen Mitbestimmungsrechts A. Der Sachverhalt eines Wegzugsfalls Aufgrund der vorstehend betrachteten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bietet sich für mitbestimmungspflichtige deutsche Unternehmen zunächst die Flucht in die mitbestimmungsfeindliche1 Rechtsordnung bestimmter anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften als Gestaltungsmittel an. Voraussetzung dafür ist lediglich die Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes weg von deutschem Territorium und hin auf beispielsweise englisches oder französisches Hoheitsgebiet. Denn auf diese Weise entzieht sich das Unternehmen dem räumlichen Geltungsanspruch der am völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip2 ausgerichteten deutschen Mitbestimmungsgesetze, und zwar im Grunde ohne befürchten zu müssen, einen Statutenwechsel zu erfahren und als Konsequenz dessen die Mitbestimmungsfreiheit mit schwerwiegenden Nebenwirkungen wie dem Verlust der eigenen Rechtspersönlichkeit oder dem Wechsel in eine für die Gesellschafter nachteilige Haftungsverfassung zu erkaufen. ___________ 1 Problematischer stellt sich der Fall dar, wenn ein Unternehmen seinen Verwaltungssitz über die Grenze hinweg in einen Mitgliedstaat verlegt, der der institutionellen Unternehmensmitbestimmung anhängt, gleich in welcher konkreten Ausgestaltung. Dann ist fraglich, ob und unter welchen Voraussetzungen die Mitbestimmungsvorschriften als Element des Sitzrechts des Aufnahmestaates das Gründungsrecht überlagern und deshalb auch auf den zugezogenen Rechtsträger Anwendung finden können. Neben den europarechtlichen Vorgaben durch die Niederlassungsfreiheit der juristischen Person hängt die Beantwortung jener Frage auch von der genauen Fassung von Tatbestand und Rechtsfolge der konkreten nationalen Normen ab. Siehe ausführlich zum Einsatz von zugezogenen Auslandsgesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland und zu ihrer mitbestimmungsrechtlichen Relevanz unten § 15. 2 Aus der Rechtsprechung OLG Stuttgart 30.03.1995 – 8 W 355/93, ZIP 1995, S. 1004 – Charles Vögele Holding AG; LG Düsseldorf 05.06.1979 – 25 AktE 1/78, DB 1979, S. 1451 – VFW Fokker GmbH; aus der Literatur Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 3; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 13; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 16 f.; Seibt in: Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 7, § 5 Rdnr. 14; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 123; Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 33; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 2; vgl. auch oben § 1 B. IV.

§ 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften

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Vor allem aus der Entscheidung Überseering BV gegen Nordic Construction Company Baumanagement GmbH (NCC)3 des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich nämlich, dass den Aufnahmestaat eine unbedingte Anerkennungspflicht gegenüber dem zuziehenden Gebilde trifft. Sie resultiert unmittelbar aus der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person. Setzt sich der Aufnahmestaat darüber hinweg, so erblickt der Gerichtshof darin eine schwerwiegende Beschränkung der Art. 43, 48 EGV. Diese kommt bereits einer Verleugnung des Niederlassungsrechts überhaupt gleich4 und ist in ihrer Intensität keiner Rechtfertigung durch die anerkannten europarechtlichen Erlaubnissätze (Art. 46 Abs. 1 EGV5, Lehre vom Missbrauch oder der betrügerischen Verwendung der Grundfreiheiten6, Lehre von den zwingenden Gründen des allgemeinen Wohls7) zugänglich8. Mehr noch ergibt sich aus dem Urteil in Sachen Inspire Art Ltd.9, dass über die Anerkennungspflicht im engeren Sinne hinaus das originäre Gründungsstatut der wegziehenden deutschen Gesellschaft auch nur im Rahmen der restriktiv zu interpretierenden Rechtfertigungsgründe und unter Beachtung wiederum ihrer methodischen Schranken durch das Sitzrecht des Zuzugstaates überlagert ___________ 3

EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00, EuGHE I 2002, S. 9919 ff. EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 81, EuGHE I 2002, S. 9919 (9971); Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, S. 26 f.; Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1236); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (32). 5 Vgl. dazu EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 17, EuGHE 1986, S. 2375 (2388) – Segers (zu Art. 56 EWGV a.F.); EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 107, EuGHE I 2003, S. 10155 (10227) – Inspire Art. 6 Vgl. dazu EuGH 03.12.1974 – Rs. 33/74 – Tz. 13, EuGHE 1974, S. 1299 (1309) – Van Binsbergen; EuGH 07.02.1979 – Rs. 115/78 – Tz. 25, EuGHE 1979, S. 399 (410) – Knoors; EuGH 10.01.1985 – Rs. 229/83 – Tz. 27, EuGHE 1985, S. 1 (35) – Leclerc; EuGH 21.06.1988 – Rs. 39/86 – Tz. 43, EuGHE 1988, S. 3161 (3201) – Lair; EuGH 03.10.1990 – Rs. C-61/89 – Tz. 14, EuGHE I 1990, S. 3551 (3568) – Bouchoucha; EuGH 03.02.1993 – Rs. C-148/91 – Tz. 12, EuGHE I 1993, S. 487 (519) – Veronica Omroep Organisatie; EuGH 03.03.1993 – Rs. C-8/92 – Tz. 21, EuGHE I 1993, S. 779 (799) – General Milk Products; EuGH 05.10.1994 – Rs. C-23/93 – Tz. 21, EuGHE I 1994, S. 4795 (4833) – TV 10; EuGH 02.05.1996 – Rs. C-206/94 – Tz. 24, EuGHE I 1996, S. 2357 (2391) – Paletta; EuGH 12.05.1998 – Rs. C-367/96 – Tz. 20, EuGHE I 1998, S. 2843 (2869) – Kefalas; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 24, EuGHE I 1999, S. 1459 (1492) – Centros; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 136, EuGHE I 2003, S. 10155 (10234) – Inspire Art. 7 Vgl. dazu EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 31 f., EuGHE I 1999, S. 1459 (1494) – Centros; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 107, EuGHE I 2003, S. 10155 (10227) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) – Lasteyrie du Saillant. 8 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 93, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (32). 9 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01, EuGHE I 2003, S. 10155 ff. 4

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

und damit modifiziert werden darf. Lässt man daher die Schwierigkeiten, die sich beim Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften bereits aus ihrem Gründungsrecht ergeben, einmal außer Betracht, so liegen die Rechtsfolgen relativ klar auf der Hand: Im Grundsatz wäre es einer deutschen Gesellschaft möglich, mit ihrem vollständigen Gründungsstatut im Gepäck in das EG-Ausland umzuziehen, ohne durch den Aufnahmestaat behelligt werden zu können. Ob einer in Deutschland mitbestimmungspflichtigen Aktiengesellschaft oder GmbH der geplante Wegzug wirklich empfohlen werden kann, hängt allerdings von einer Vielzahl von Faktoren ab. In den Grundzügen geklärt ist, wie gesehen, die Behandlung der juristischen Person durch den Aufnahmestaat. Das erweist sich jedoch bei genauer Betrachtung nur als ein Ausschnitt aus einem Problemkreis, dessen Aufschlüsselung durch den EuGH für den Wegzugsfall erst gar keine praktische Bedeutung erlangt, wenn die deutsche Gründungsrechtsordnung ihre Gesellschaften zulässigerweise an der eigenen Staatsgrenze aufhalten sollte10. Probleme aufwerfen kann und wird in Deutschland nämlich die Tatsache, dass in Bezug auf die Behandlung eigener deutscher Gesellschaften die Rechtsprechung mit Zustimmung eines erheblichen Teils des Schrifttums immer noch der Sitztheorie anhängt, und auf diese Weise dem „Export“ deutscher Kapitalgesellschaften in das Ausland Steine in den Weg legt. Unter anderem stellen sich somit die Fragen,  auf welche Weise die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft überhaupt vollzogen werden kann,  welche gesellschaftsrechtlichen Folgen die Gesellschaft nach herkömmlichem gesellschafts- und kollisionsrechtlichem Verständnis (Sitztheorie) durch das Verlassen des Bundesgebiets zu erwarten hat und  ob gegen eben diese tradierte gesellschaftsrechtliche Behandlung wegen des in den letzten Jahren gewandelten Verständnisses vom Schutzzweck der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person (Art. 43, 48 EGV) Bedenken bestehen11.

B. Die Durchführung des Verlegungsvorhabens Erste Voraussetzung für die erfolgreiche Flucht aus dem Geltungsbereich deutschen Rechts ist die Verlegung des effektiven Sitzes in das (EG-)Ausland. Der Verlegungsvorgang als solcher ist dabei völlig unproblematisch, da der ___________ 10 Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (30); Recq/Hoffmann, GmbHR 2004, S. 1070 (1071); vgl. auch Kamp, BB 2004, S. 1496 (1497). 11 Vgl. Koch/Köngeter, Jura 2003, S. 692 (698); Wernicke, EuZW 2002, S. 758 (760).

§ 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften

493

Verwaltungssitz, wie gesehen12, nur denjenigen Ort meint, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung tatsächlich in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden13. So wanderte in dem der Rechtssache Überseering BV zugrunde liegenden Sachverhalt der Verwaltungssitz der niederländischen Kapitalgesellschaft bereits dadurch über die deutsch-niederländische Staatsgrenze hinweg nach Düsseldorf, dass die Geschäftsanteile der Überseering BV von den ursprünglichen Anteilsinhabern auf zwei deutsche Erwerber übertragen wurden, welche alsdann die Leitung der Geschäfte der BV übernahmen, sie aber nunmehr vom deutschen Inland aus lenkten14. Für eine zum Wegzug bereite deutsche Kapitalgesellschaft bedeutet das, dass die Tätigkeit der Geschäftsführung zukünftig im Ausland, hier Frankreich, vollzogen werden muss. Das zur Leitung der Aktiengesellschaft und damit zu Geschäftsführung und Vertretung berufene Organ ist der Vorstand, § 76 Abs. 1, 77, 78 AktG. Bei der GmbH übernehmen der bzw. die Geschäftsführer die entsprechende Rolle, § 35 Abs. 1 GmbHG Kurzum: Die vom Vorstand oder den Geschäftsführern zu bewältigende Leitung der Geschäfte der Aktiengesellschaft bzw. der GmbH muss sich fortan beispielsweise auf französischem Boden abspielen. Entweder müssen die gegenwärtigen Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer darum ihrer Arbeit fortan von dort aus nachgehen oder sie sind schlicht gegen dort ansässige neue Organwalter auszutauschen. Nicht ist es demgegenüber erforderlich, das gesamte operative Unternehmen über die Grenze hinweg zu verschieben. Völlig unschädlich ist es deshalb, wenn die einmal errichteten Betriebe des Unternehmens an ihren ursprünglichen Standorten auf deutschem Hoheitsgebiet erhalten bleiben. Entscheidender Anknüpfungspunkt für die Beurteilung des Verwaltungssitzes eines Unternehmens ist – etwas vereinfacht ausgedrückt – der Ort, an dem im Unternehmen die Entscheidungen getroffen werden. Gerade die unternehmensbezogenen Entscheidungen sind es schließlich, hinsichtlich derer der Arbeitnehmerschaft ein Mitspracherecht eingeräumt werden soll. Mitwirkungsmöglichkeiten bei der tatsächlichen Durchführung der Arbeit ergeben sich hingegen vornehmlich aus dem Betriebsverfassungsgesetz 1972, das sich allerdings auch diesem seinem Ziel entsprechend an die organisatorische Einheit des Betriebs und nicht an das Unternehmen bzw. den Rechtsträger anschließt15 und völlig unabhängig von ___________ 12

Siehe oben § 12 B. BGH 21.03.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, S. 269 (272) = DB 1986, S. 2019; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (160, dort Fn. 2); Sandrock in: Festschrift Beitzke, S. 669 (683); Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409. 14 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 7, 9, EuGHE I 2002, S. 9919 (9947 f.); Ebke, JZ 2003, S. 927; Horn, NJW 2004, S. 893 (895); Kamp, BB 2004, S. 1496; Paefgen, WM 2003, S. 561; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (31). 15 Vgl. zur Abgrenzung der Regelungsgegenstände oben § 1 A. 13

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

der Verlegung des Verwaltungssitzes für alle im deutschen Inland gelegenen Betriebe Geltung beanspruchen kann16. Deshalb findet deutsches Betriebsverfassungsrecht nach einhelliger Auffassung auch Anwendung etwa auf die Betriebe inländischer Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger, die ihren Hauptsitz im Ausland unterhalten17. Etwas anderes kann dann natürlich auch nicht für die inländischen Betriebe eines vom Gründungsstatut her inländischen Rechtsträgers gelten, der seinen Verwaltungssitz im Zuge einer Unternehmensneuausrichtung in einen ausländischen Staat verschoben, seine Betriebsstätten hingegen im Inland belassen hat.

C. Das deutsche Sitzrecht als gesellschaftsrechtliches Wegzugshindernis So unkompliziert sich der Akt der Sitzverlegung selbst darstellen mag, können der erfolgreichen Durchführung der Gestaltungsmaßnahme jedoch ganz erhebliche Probleme entgegenstehen. Nicht nur als steinig, sondern als erst gar nicht gangbar erweist sich der Weg des Wegzugs für solche Gesellschaften, die in einem der Sitztheorie anhängenden Staat gegründet worden sind. Denn es liegt in der Natur der Sitztheorie, dass sie einer nach ihren Vorgaben errichteten Gesellschaft nur solange Leben schenkt, wie sich die Gesellschaft auch im räumlichen Geltungsbereich ihrer Gründungsrechtsordnung aufhält18. Die transnationale Verlagerung des Verwaltungssitzes hat deshalb unumgänglich19 die ___________ 16

Auch in diesem Zusammenhang greift also das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip, vgl. z.B. BAG 22.03.2000 – 7 ABR 34/98, AP Nr. 8 zu § 14 AÜG; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, Rdnr. 9; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnrn. 12 ff.; Gaul in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG § 1 Rdnr. 3; Hess in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG, Vorb. vor § 1 Rdnr. 1; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 3 I; A. Kraft/Franzen in: GK-BetrVG Bd. I, § 1 Rdnr. 4; Trümner in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, § 1 Rdnrn. 23 ff.; Wiese in: GK-BetrVG Bd. I, Einl. Rdnrn. 33, 106. 17 In diesem Sinne BAG 09.05.1959 – 2 AZR 474/58, AP Nr. 3 zu IPR/Arbeitsrecht mit Anm. Gamillscheg; BAG 01.10.1974 – 1 ABR 77/73, EzA § 106 BetrVG 1972 Nr. 1 mit Anm. Buchner = DB 1975, S. 453; BAG 11.06.2002 – 1 ABR 43/01, AP Nr. 118 zu § 99 BetrVG 1972 mit Anm. Oetker. Ebenfalls spielt es keine Rolle, welche Rechtsordnung auf die im Betrieb bestehenden Arbeitsverhältnisse Anwendung findet, sog. Irrelevanz des Arbeitsvertragsstatuts, vgl. BAG 09.11.1977 – 5 AZR 132/76, AP Nr. 13 zu IPR/Arbeitsrecht mit Anm. Beitzke = DB 1978, S. 451 = EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 31; Däubler in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, Einl. Rdnr. 202; Hess in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG, Vorb. vor § 1 Rdnr. 2; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 3 I; A. Kraft/Franzen in: GK-BetrVG Bd. I, § 1 Rdnr. 5. 18 Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409 (2410). 19 Zum Teil wird eine Ausnahme befürwortet für den Fall, dass das Recht des Aufnahmestaates auf das Gesellschaftsrecht des Gründungsstaates verweist. Dies geschieht schlicht in sämtlichen Staaten, die grundlegend der Gründungstheorie folgen. Dann bleibt auch nach der Verlegung des Verwaltungssitzes in den Geltungsbereich einer

§ 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften

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Auflösung der Gesellschaft und ihre Liquidation zur Folge20. Dabei ist zwar umstritten, ob die Auflösung erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Sitzverlagerung stattfindet21 oder ob nicht schon der Sitzverlegungsbeschluss im Zuge der Auslegung als Beschluss über das Ende der Gesellschaft in ihrer bisherigen Form verstanden werden muss22. Letztlich trägt dieser dogmatische Aspekt aber hier auch nichts zur Problemanalyse oder gar zur Problemlösung bei. Da auch die deutsche Rechtsprechung bislang der Sitztheorie folgt, ist der Untergang der Gesellschaft spätestens im Moment des tatsächlichen Wegzugs besiegelt. Die Anerkennungspflicht des „Aufnahmestaates“ gegenüber der „zuziehenden“ Gesellschaft geht somit gleich in zweierlei Hinsicht ins Leere:  Zu respektieren hat der Aufnahmestaat gerade das gesellschaftsrechtliche Gründungsstatut der fremden juristischen Person. Genau dieses Gründungsrecht befiehlt aber hier die Auflösung der Gesellschaft, noch bevor sie mit dem Recht des von ihr anvisierten Aufnahmestaats in Kontakt kommt. In

___________ anderen Rechtsordnung das Gründungsrecht auf die Gesellschaft anwendbar. Aufgrund dieser gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB bindenden Rückverweisung auf das deutsche Gesellschaftsrecht kommt es erst gar nicht zu einem Austausch des Personalstatuts, so dass der tragende Grund für die Auflösung der Gesellschaft entfällt, vgl. dazu OLG Hamm 01.02.2001 – 15 W 390/00, NJW 2001, S. 2183 f.; Ebenroth/Auer, DNotZ 1993, S. 191 (193); Ebenroth/Eyles, DB 1989, S. 363 (372); Ebenroth/Eyles, DB 1989, S. 413 ff.; Horn, NJW 2004, S. 893 (897); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnrn. 400 ff.; Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 (466, dort Fn. 44); Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409 (2411 f.) – jeweils mit w. Nachw. 20 Vgl. z.B. BFH 29.01.2003 – I R 6/99, GmbHR 2003, S. 722 (724) – Dalaware Corporation; Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (33); Franz, EuZW 2004, S. 270 (271); Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 58; Horn, NJW 2004, S. 893 (897); Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 20; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 126; Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409 (2409, 2411); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. II, § 2 IV 2 a; vgl. auch EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 20, EuGHE 1988, S. 5483 (5511) – Daily Mail. 21 Franz, EuZW 2004, S. 270 (271) mit w. Nachw.; Hüffer, AktG, § 5 Rdnr. 12; Leible, ZGR 2004, S. 531 (536, dort Fn. 30) mit w. Nachw. 22 Vgl. BGH 11.07.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, S. 134 (144) = NJW 1957, S. 1433 (1434); RG 05.06.1882 – Rep. I. 291/82, RGZ 7, S. 68 (69); RG 22.01.1916 – Rep. V. 293/15, RGZ 88, S. 53 (55); BayObLG 07.05.1992 – 3 Z BR 14/92, GmbHR 1992, S. 529 (530) = EuZW 1992, S. 548 mit Anm. Behrens; OLG Düsseldorf 26.03.2001 – 3 Wx 88/01, NJW 2001, S. 2184 f.; OLG Hamm 30.04.1997 – 15 W 91/97, ZIP 1997, S. 1696 (1697) mit Anm. Neye; OLG Hamm 01.02.2001 – 15 W 390/00, NJW 2001, S. 2183 f.; Fleischer, AcP 204 (2004), S. 502 (519); Franz, EuZW 2004, S. 270 (271) mit w. Nachw.; Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 507; Leible, ZGR 2004, S. 531 (536, dort Fn. 30) mit w. Nachw.; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 126 mit w. Nachw.; Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409 (2411 f.).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

der Folge ist ein Konfliktfall zwischen Gründungs- und Sitzstatut von vornherein ausgeschlossen.  Geht der Rechtsträger als solcher beim Überschreiten der Staatsgrenzen unter, so kann er sich freilich gegenüber dem Aufnahmestaat auch nicht mehr auf seine Niederlassungsfreiheit berufen, und die aus der Niederlassungsfreiheit abgeleiteten Anerkennungspflichten sowie die mittelbar in ihnen enthaltenen kollisionsrechtlichen Entscheidungen werden gegenstandslos23. Allenfalls kommt dann eine Neugründung einer Gesellschaft nach dem Recht des neuen Sitzstaates in Betracht24, die das operative Geschäft des erloschenen deutschen Rechtsträgers übernimmt. Mangels Bezugs zum deutschen Rechtskreis ist die Neugründung nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats dann aber als ein rein nationaler Sachverhalt einzuordnen, auf den die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags keine Anwendung finden kann.

D. Europarechtskonformität der Wegzugssperre für deutsche Kapitalgesellschaften Nachdem der EuGH den Konkurrenzkampf zwischen den kollisionsrechtlichen Ansätzen der Sitz- und der Gründungstheorie im Zusammenhang mit den Zuzugsbeschränkungen durch den Aufnahmestaat mittlerweile zugunsten der Gründungstheorie entschieden hat25, ergeben sich möglicherweise aber auch Zweifel daran, ob der bisherigen Auffassung der deutschen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung weiterhin gefolgt und die Sitztheorie uneingeschränkt auf wegziehende Inlandsgesellschaften angewendet werden kann. Festgehalten werden muss aber zunächst einmal, dass die Sitztheorie in ihrer Ausprägung als Wegzugsbeschränkung durch die bislang ergangene EuGHRechtsprechung nicht ausdrücklich verboten wird. Die Urteile Centros Ltd. und Inspire Art Ltd. sind zu einer Klärung dieser Rechtsfrage schon nicht geeignet, nachdem es hier jeweils um die Errichtung und Unterhaltung von Zweigniederlassungen und damit um einen Fall der sekundären Niederlassungsfreiheit ___________ 23 Vgl. zur Unmöglichkeit der Berufung eines untergegangenen Rechtsträgers auf die aus der Niederlassungsfreiheit resultierende Anerkennungspflicht auch die in einem anderen Zusammenhang (Niederlassungsfreiheit eines im Zuge der grenzüberschreitenden Verschmelzung sich selbst zerstörenden übertragenden Rechtsträgers (coporate suicide)) getätigten Ausführungen von Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 (467, 469). 24 Vgl. dazu OLG Zweibrücken 27.06.1990 – 3 W 43/90, IPRax 1991, S. 406; Bayer, BB 2003, S. 2357 (2359 f.); Großfeld/König, IPRax 1991, S. 380 ff.; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 58; Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 14; Paefgen, DB 2003, S. 487. 25 Vgl. dazu oben § 13 B. II. 2. a) und III. 2.

§ 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften

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ging26. Währenddessen kann der endgültige Wegzug von deutschem Territorium nicht allein mittels der Errichtung von Zweigniederlassungen, Agenturen oder abhängigen Konzernunternehmen bewerkstelligt werden. Dann steht vielmehr ein Umzug mit der Geschäftsführung als Ganzes in Rede und damit ein Fall der primären Niederlassungsfreiheit27. Aber auch Überseering enthält dazu keine Aussagen und trennt ausdrücklich zwischen der Frage nach der Legitimität von Wegzugs- und Zuzugsbeschränkungen28. Da das der Gründungstheorie anhängende niederländische Recht keine Wegzugsbeschränkungen kennt29, wurde eine Stellungnahme des Gerichtshofs in diesem Sinne entbehrlich. Und das neueste Urteil Lasteyrie du Saillant30 vom 11. März 2004 betrifft schließlich allein die Frage nach der Niederlassungsfreiheit der natürlichen Person. Zwar wurde in der Literatur bisweilen erklärt, die Aussagen jenes Urteils seien wegen der Gleichstellung von natürlichen und juristischen Personen über Art. 48 Abs. 1 EGV vollständig auf die juristische Person übertragbar31. Inwiefern allerdings tatsächlich auch eine Verwertbarkeit für die in Deutschland für Wegzugsfälle nach wie vor aktuellen Beschränkungen von wegzugswilligen Kapitalgesellschaften gegeben ist, wird noch zu klären sein. I. Die gesellschaftsrechtliche Liquidation wegziehender Kapitalgesellschaften Der automatische Untergang des Rechtsträgers ist natürlich eine Wegzugsbeschränkung von nicht zu übertreffenden Ausmaßen32, da sich die betroffene juristische Person als solche unter keinen Umständen und auch nicht unter Inkaufnahme etwaiger tatsächlicher oder rechtlicher Nachteile darüber hinwegsetzen kann. Etwas anderes könnte hier aber gelten, weil möglicherweise die daraus resultierende unausweichliche Bindung der deutschen Gesellschaften an ihre Gründungsrechtsordnung sich als europarechtswidrig erweist. Von einer hinlänglichen europarechtlichen Bezugnahme kann aber allein ausgegangen ___________ 26

Siehe oben § 12 A. I. 2. Siehe oben § 12 A. I. 1. 28 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 71 f., EuGHE I 2002, S. 9919 (9968); ebenso EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 103, EuGHE I 2003, S. 10155 (10225) – Inspire Art; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (33). 29 Recq/Hoffmann, GmbHR 2004, S. 1070 (1071); Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409. 30 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02, EuGHE I 2004, S. 2409 ff. 31 Kleinert/Probst, DB 2003, S. 2217 (2218). 32 Roth in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 709 (715). 27

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

werden unter der Prämisse, dass das Verlassen des Gründungsstaates für die juristische Person durch die Grundfreiheiten garantiert wird. Mit anderen Worten: Wenn ein Ausweichen einer deutschen Kapitalgesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat, dem das Recht der Unternehmensmitbestimmung unbekannt ist, den klaren Vorgaben der Sitztheorie zum Trotz möglich sein soll, dann setzt das zwingend voraus, dass die Niederlassungsfreiheit nicht nur Ge- und Verbote an den Zuzugsstaat richtet, sondern auch als Befehl an den Herkunftsstaat verstanden werden kann, zur Vervollständigung der Mobilität von EG-Gesellschaften innerhalb des gesamten Binnenmarktes den Bestand seiner Gesellschaften über die Staatsgrenzen hinaus sicherzustellen und ihnen auf diese Weise den Wegzug zu ermöglichen. Immerhin hat sich das Verständnis von der Bedeutung und Regelungsreichweite der Grundfreiheiten in den letzten Jahren in erstaunlichem Maße gewandelt. In erster Linie die Auslegung der Niederlassungsfreiheit hat eine bemerkenswerte Metamorphose durchgemacht, ausgehend von einer Deutung als bloßes Diskriminierungsverbot bis hin zu der Interpretation als mittelbare bzw. versteckte kollisionsrechtliche Vorschrift33. Schon in seinem Urteil in Sachen Daily Mail und jüngst noch einmal in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant gab der Europäische Gerichtshof zu erkennen, dass das Argument der Niederlassungsfreiheit nicht nur gegenüber Zuzugshindernissen im Aufnahmestaat virulent wird, sondern im Grundsatz ebenso gegen Wegzugsbeschränkungen durch den Herkunftsstaat ins Feld geführt werden kann34. EuGH, Urteil vom 27.09.198835: „Zwar sollen diese Bestimmungen ihrer Fassung nach insbesondere die Inländerbehandlung im Aufnahmestaat sicherstellen. Sie verbieten es aber auch dem Herkunftsstaat, die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten, der Definition des Art. 5836 genügenden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, wären die in Art. 52 ff.37 gewährten Rechte sinnentleert, wenn der Herkunftsstaat Unternehmen verbieten könnte, auszuwandern, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen. Für natürliche Personen ist das Recht zur Ausreise aus dem Hoheitsgebiet zu diesem Zweck ausdrücklich in der Richtlinie 73/148/EWG geregelt, die Gegenstand der zweiten Vorlagefrage ist.“ EuGH, Urteil vom 11.03.200438: „Auch wenn Art. 52 EGV39 ebenso wie die anderen Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nach seinem Wortlaut insbesondere

___________ 33

Siehe oben § 13 D. I. Franz, EuZW 2004, S. 270 (271); Kleinert/Probst, NJW 2004, S. 2425 (2426); G. Kraft/Müller, RIW 2004, S. 366 (369); Wachter, GmbHR 2004, R 161 (161, 162). 35 Fundstelle: EuGHE 1988, S. 5483 (5510, dort Tz. 16) 36 Anm.: jetzt Art. 48 EGV. 37 Anm.: jetzt Art. 43 ff. EGV. 38 Fundstelle: EuGHE I 2004, S. 2409 (2452, dort Tz. 42). 39 Anm.: jetzt Art. 43 EGV. 34

§ 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften

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die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern soll, so verbietet er es doch auch, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat behindert40.“

Allerdings ist bei einer Übertragung jener Aussage auf die vorliegende Fragstellung Vorsicht geboten. Zugrunde liegt der Entscheidung Lasteyrie du Saillant, wie dargestellt, der Gedanke, dass die Niederlassungsfreiheit auch ein Abwehrrecht gegen eine einzelstaatliche Regelung enthalte, die im Fall der Verlegung des steuerlichen Wohnsitzes einer natürlichen Person in das Ausland latente Wertsteigerungen besteuere und auf diese Weise einer Steuerflucht vorbeugen wolle41. Im vorliegenden Fall geht es hingegen um eine Behinderung der Grenzüberschreitung durch eine gesellschaftsrechtliche Komponente der Sitztheorie, mithin um eine gesellschaftsrechtliche Regelung. Das Leitbild der Gleichsetzung von natürlichen und juristischen Personen in Art. 48 Abs. 1 EGV steht indessen stets im Spannungsfeld mit der Tatsache, dass eine juristische Person anders als eine natürliche Person nicht per se existiert, sondern Rechtsfähigkeit nur auf der Basis ihrer Gründungsrechtsordnung erlangt und dies auch nur in dem Umfang, den die jeweiligen nationalen Gesellschaftsrechtsnormen ihr ausdrücklich gewähren42 (Geschöpftheorie43). Dann erscheint es aber nur konsequent, dass dasselbe Gründungsrecht auch darüber entscheidet, wann die Gesellschaft aufgelöst wird und ihre Rechtsfähigkeit damit wieder einbüßt. Und nichts anderes geschieht im deutschen Recht mit der Anwendung der Sitztheorie. Die Begrenzung des Bewegungsspielraums deutscher Gesellschaften auf das Bundesgebiet stellt sich damit lediglich als Reflex jener Grundentscheidung des deutschen Gesetzgebers dar. Und dass die Gesellschaften als Produkte der auf dieser Entscheidung fußenden Rechtsordnung den ihnen gegebenen status quo nicht mittels der Berufung auf ihre Niederlassungsfreiheit erweitern können, hat der Gerichtshof im Urteil Daily Mail and General Trust PLC44 im Rahmen seiner Geschöpftheorie klargestellt. ___________ 40

Es folgt im Originaltext des Urteils ein Hinweis auf EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87 – Tz. 16, EuGHE 1988, S. 5483 (5510) – Daily Mail; EuGH 16.07.1998 – Rs. C-264/96 – Tz. 21, EuGHE I 1998, S. 4695 (4721) – ICI; EuGH 18.11.1999 – Rs. C-200/98 – Tz. 26, EuGHE I 1999, S. 8261 (8285 f.) – X und Y; EuGH 13.04.2000 – Rs. C-251/98 – Tz. 28, EuGHE I 2000, S. 2787 (2817) = NZG 2000, S. 731 (732) – Baars. 41 Vgl. dazu oben § 13 C. II. 42 Vgl. in diesem Sinne auch die Stellungnahmen von Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2243); Rehm in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 2 Rdnr. 61; Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409 (2410); Wachter, GmbHR 2004, R 161 (162); auch Riegger, ZGR 2004, S. 510 (528, dort Fn. 77). 43 Vgl. dazu oben § 13 C. I. 44 EuGH 27.09.1988 – Rs. 81/87, EuGHE 1988, S. 5483 ff.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Im Gegensatz zu natürlichen Personen müssten Gesellschaften aufgrund einer Rechtsordnung, beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts aufgrund einer nationalen Rechtsordnung, erst gegründet werden. Jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regele, könne ihnen keine Realität garantiert werden45. Hinsichtlich dessen, was für die Gründung einer Gesellschaft an Verknüpfung mit dem nationalen Gebiet erforderlich sei, wie hinsichtlich der Möglichkeit einer nach einem nationalem Recht gegründeten Gesellschaft, diese Verknüpfung nachträglich zu ändern, bestünden erhebliche Unterschiede im Recht der Mitgliedstaaten. In einigen Staaten müsse nicht nur der satzungsmäßige, sondern auch der wahre Sitz, also die Hauptverwaltung der Gesellschaft, im Hoheitsgebiet liegen. Die Verlegung der Geschäftsleitung aus diesem Gebiet hinaus setze somit die Liquidierung der Gesellschaft mit allen Folgen voraus, die eine solche Liquidierung auf gesellschafts- und steuerrechtlichem Gebiet mit sich bringe. Gewisse Staaten gewährten den Gesellschaften zwar das Recht, ihre Geschäftsleitung ins Ausland zu verlegen, aber einige beschränkten eben dieses Recht – so auch das in der Rechtssache Daily Mail in den Blick genommene Vereinigte Königreich. Die rechtlichen Folgen der Sitzverlegung, insbesondere auf steuerlichem Gebiet, seien in jedem Mitgliedstaat anders46. Nach alledem betrachte der EWG-Vertrag die Unterschiede, die die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der für ihre Gesellschaften erforderlichen Anknüpfung sowie der Möglichkeit und gegebenenfalls der Modalitäten einer Verlegung des satzungsmäßigen oder wahren Sitzes einer Gesellschaft nationalen Rechts von einem Mitgliedstaat in einen anderen aufwiesen, als Probleme, die durch die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst seien, sondern einer Lösung im Wege der Rechtsetzung oder des Vertragsschlusses bedürften. Eine solche Lösung sei bislang jedoch noch nicht gefunden worden47. Bestätigung fand diese ältere Rechtsprechung erst kürzlich im Jahre 2002 durch das Urteil Überseering des EuGH48. Dort gibt der Gerichtshof in der ___________ 45 Vgl. in diesem Sinne auch die Ausführungen des Gerichtshofs im Überseering-Urteil: EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 67, EuGHE I 2002, S. 9919 (9967). 46 Vgl. in diesem Sinne auch die Ausführungen des Gerichtshofs im Überseering-Urteil: EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 68, EuGHE I 2002, S. 9919 (9967). 47 Vgl. in diesem Sinne auch die Ausführungen des Gerichtshofs im Überseering-Urteil: EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 69, EuGHE I 2002, S. 9919 (9967). 48 Vgl. in diesem Sinne auch Fleischer, AcP 204 (2004), S. 502 (520); Horn, NJW 2004, S. 893 (897) unter Hinweis auch auf die Tz. 52, 62 des Überseering-Urteils, Rs. C-208/00, ZIP 2002, S. 2037 (2041 f.); Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 20; Riegger, ZGR 2004, S. 510 (528) unter Hinweis auf die Tz. 67, 81 des Überseering-Urteils, Rs. C-208/00, ZIP 2002, S. 2037 (2043 f.); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b (dort Fn. 306).

§ 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften

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Textziffer 70 der Urteilsgründe die in Daily Mail aufgestellten Grundsätze wieder. EuGH, Urteil vom 05.11.200249: „Dabei hat sich der Gerichtshof darauf beschränkt, festzustellen, dass sich die Möglichkeit für eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft, ihren satzungsmäßigen Sitz oder ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, ohne die ihr durch die Rechtsordnung ihres Gründungsstaats zuerkannte Rechtspersönlichkeit zu verlieren, und gegebenenfalls die Modalitäten dieser Verlegung nach den nationalen Rechtsvorschriften beurteilt, nach denen diese Gesellschaft gegründet worden ist. Er zog daraus den Schluss, dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, einer nach seiner Rechtsordnung gegründeten Gesellschaft Beschränkungen hinsichtlich der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes aus dem Hoheitsgebiet aufzuerlegen, damit sie die ihr nach dem Recht dieses Staates zuerkannte Rechtspersönlichkeit beibehalten kann.“

Daraus ist zu entnehmen, dass nach derzeitiger Interpretation des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof der deutsche Staat die Bewegungsfreiheit seiner eigenen Gesellschaften in zulässiger Weise beschneidet, wenn er Wegzugsfälle weiterhin nach der Sitztheorie beurteilt. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Organe der Europäischen Gemeinschaften im Bereich der grenzüberschreitenden Sitzverlegung offensichtlich das Bedürfnis nach einer Regelung im Wege einer Richtlinie sehen, deren Vorentwurf schon im Jahr 1997 vorgelegt wurde50. Im Umkehrschluss betrachten sie die Behinderung des Wegzugs von Gesellschaften durch das Gesellschaftsrecht ihres Gründungsstaates offensichtlich als einen vom geltenden EG-Recht und damit auch von der Niederlassungsfreiheit nicht geregelten Sachverhalt51. Ein Konflikt mit der Niederlassungsfreiheit juristischer Personen ergibt sich somit nicht52. Eine Änderung dieser Rechtslage ist dann in Kürze natürlich zu erwarten durch die bevorstehende Umsetzung der Richtlinienentwürfe in eine für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindliche Richtlinie

___________ 49

Fundstelle: EuGHE I 2002, S. 9919 (9967 f., dort Tz. 70). Vorentwurf der Richtlinie Nr. 14 zur Verlegung des Gesellschaftssitzes innerhalb der Gemeinschaft vom 22.04.1997 und seine Begründung, ZIP 1997, S. 1721 ff. 51 OLG Düsseldorf 26.03.2001 – 3 Wx 88/01, NJW 2001, S. 2184 (2185), anderer Ansicht Wachter, GmbHR 2004, R 161 (162). 52 Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2242); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2474); Horn, NJW 2004, S. 893 (897); Kallmeyer, DB 2002, S. 2521 (2522); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1497); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b. Mit anderen Worten: Der etwa von Recq/Hoffmann, GmbHR 2004, S. 1070 (1071) beschriebene (vermeintliche) Widerspruch zwischen den EuGH-Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit der juristischen Person und der Entscheidung Lasteyrie du Saillant lässt sich bei hinreichender Beachtung der genannten Besonderheiten nicht natürlicher Rechtsträger ohne weiteres auflösen. 50

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Gesellschaften53, an der im Ministerrat derzeit abschließend gefeilt wird. Zentrales Anliegen des Rates ist es dabei, die Auflösung der Gesellschaft im Herkunftsstaat als Voraussetzung für einen transnationalen Umzug von Kapitalgesellschaften mit dem Sitz ihrer effektiven Verwaltung auszuschließen54. Gleiches gilt dann natürlich für das erst daraus resultierende Erfordernis der Neugründung im Aufnahmestaat55. Die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben in nationales und damit auch deutsches Recht wird dann den deutschen Gesetzgeber und die Rechtsprechung gleichermaßen zwingen, von der Sitztheorie in Zukunft wenigstens für EG-interne Verlegungsvorgänge ausdrücklich Abstand zu nehmen56. II. Die Besteuerung stiller Reserven als Wegzugshindernis Bleibt die Sitztheorie – gemünzt auf den Wegzugsfall – auch unter dem gesellschaftsrechtlichen Blickwinkel europarechtlich unbedenklich, so mag man allerdings des Weiteren in der steuerrechtlichen Behandlung der an der Grenze aufgehaltenen juristischen Person eine deutliche Parallele des gescheiterten Wegzugs einer deutschen Kapitalgesellschaft zum Fall Lasteyrie du Saillant wahrnehmen. Da die Überschreitung der deutschen Staatsgrenze, wie gesagt, die Auflösung und Liquidation der betroffenen Kapitalgesellschaften zur Folge hat, kommt es automatisch zu einer Liquidationsbesteuerung sämtlicher im Unternehmen enthaltener stiller Reserven auf der Grundlage der §§ 11 und 12 KStG57. (Für die mitbestimmungsrechtlich irrelevanten und daher hier nicht zu berücksichtigenden Personengesellschaften ist natürlich kein Körperschaftsteuerrecht einschlägig, da es sich bei ihnen nicht um eigenständige Steuerrechtssubjekte handelt. Im Falle ihrer Auflösung durch Grenzüberschreitung erfolgt stattdessen eine Besteuerung des Aufgabegewinns am Maßstab des Einkommensteuergesetzes58.) Ähnlich wie bei Lasteyrie du Saillant greift der Staat ___________ 53 Horn, NJW 2004, S. 893 (897); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 126 unter Hinweis auf den Vorentwurf der Richtlinie Nr. 14 zur Verlegung des Gesellschaftssitzes innerhalb der Gemeinschaft vom 22.04.1997 und seine Begründung, ZIP 1997, S. 1721 ff.; vgl. ausführlich zur geplanten Sitzverlegungsrichtlinie und ihrem Verhältnis zur primärrechtlich gewährleisteten Niederlassungsfreiheit den Beitrag von Leible, ZGR 2004, S. 531 ff. 54 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 60. 55 Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 60. 56 Vgl. auch die rechtspolitischen Handlungsempfehlungen von Fleischer, AcP 204 (2004), S. 502 (520 f.). 57 Fleischer, AcP 204 (2004), S. 502 (519); Franz, EuZW 2004, S. 270 (271) mit w. Nachw.; Olgemöller in: Streck, KStG, § 12 Rdnrn. 1 ff.; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 126. 58 Vgl. Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 126 mit w. Nachw.

§ 14 Der Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften

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deshalb beim Ausscheiden des Steuerechtsubjekts aus der deutschen Staatshoheit auf solche Reserven zu, die vom Steuerpflichtigen noch nicht aufgedeckt und realisiert wurden59. Der Zeitpunkt des Grenzübertritts bildet für den Staat zu diesem Zweck den letztmöglichen Zeitpunkt, um ein Besteuerungsvorhaben noch umzusetzen60. In seinem Urteil vom 11. März 2004 erklärte der EuGH gerade die französische Wegzugsbesteuerung des in das Ausland ausweichenden Steuerpflichtigen zu einer mit der Niederlassungsfreiheit inkompatiblen Wegzugsbeschränkung. Das Verbot, die Niederlassungsfreiheit durch Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten zu beschränken, gelte auch in Bezug auf steuerrechtliche Vorschriften. Nach ständiger Rechtsprechung falle zwar der Bereich der direkten Steuern nicht in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft. Die Mitgliedstaaten seien durch den EG-Vertrag aber dazu angehalten, die ihnen verbliebenen Kompetenzen unter Rücksichtnahme auf die gemeinschaftsrechtlichen Zielsetzungen auszuüben61. Es erscheint zwar im Lichte von Lasteyrie du Saillant durchaus fraglich, ob der EuGH über die ebenfalls steuerrechtlich verankerte Wegzugsbeschränkung für die juristische Person auch im Fall Daily Mail and General Trust PLC heute nicht unter Umständen anders entscheiden würde. Denn das Recht der Besteuerung ist sicherlich kein Topos, der die vom Gründungsstaat legitim geprägte Entscheidung über Entstehen und Fortbestehen einer Gesellschaft im Sinne der Textziffer 19 der Daily Mail-Rechtsprechung betrifft. Somit gilt auch hier, dass eine Wegzugsbesteuerung zwar den Gebrauch der Niederlassungsfreiheit nicht vollständig unterbindet aber immerhin geeignet ist, die umfassende Rechtsausübung einzuschränken, weil die Aussicht auf das Anfallen zusätzlicher steuerlicher Verbindlichkeiten zumindest eine abschreckende Wirkung auf den Steuerpflichtigen hat62. Zu differenzieren ist diesbezüglich aber zwischen solchen ___________ 59

Vgl. Franz, EuZW 2004, S. 270 (272); Lenz in: HeidelbergKomm KStG, Kap. I § 12 Rdnr. 6. 60 Lenz in: HeidelbergKomm KStG, Kap. I § 12 Rdnr. 6. 61 In diesem Sinne EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 44, EuGHE I 2004, S. 2409 (2452) – Lasteyrie du Saillant; EuGH 04.10.1991 – Rs. C-246/89 – Tz. 12, EuGHE I 1991, S. 4585 (4611) – Kommission/Vereinigtes Königreich mit w. Nachw. zur früheren Rechtsprechung; EuGH 14.02.1995 – Rs. C-279/93 – Tz. 21, EuGHE I 1995, S. 225 (257) – Schumacker; EuGH 11.08.1995 – Rs. C-80/94 – Tz. 16, EuGHE I 1995, S. 2493 (2514) – Wielockx; EuGH 27.06.1996 – Rs. C-107/94 – Tz. 36, EuGHE I 1996, S. 3089 (3124) – Asscher; EuGH 15.05.1997 – Rs. C-250/95 – Tz. 19, EuGHE I 1997, S. 2471 (2499) – Futura Participations und Singer; EuGH 16.07.1998 – Rs. C-264/96 – Tz. 19, EuGHE I 1998, S. 4695 (4721) – ICI; EuGH 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – Tz. 32, EuGHE I 2002, S. 10829 (10860) – X und Y; Franz, EuZW 2004, S. 270 (271); vgl. auch Kleinert/Probst, NJW 2004, S. 2425 (2426). 62 EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 45, EuGHE I 2004, S. 2409 (2452) – Lasteyrie du Saillant; Wachter, GmbHR 2004, R 161.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Mitgliedstaaten, die ihren Gesellschaften aufgrund der Gründungstheorie den Wegzug immerhin prinzipiell gestatten, und solchen Mitgliedstaaten, die ihn der Sitztheorie folgend schon gesellschaftsrechtlich zu einem Ding der Unmöglichkeit erklärt haben. Eine Liquidationsbesteuerung beim „Wegzug“ von Kapitalgesellschaften setzt natürlich eben den Liquidationsfall und voraus und ergibt sich deshalb allein bei Sachverhalten, die der Herkunftsstaat der Sitztheorie unterstellt. Sie ist daher schon gar keine Wegzugsbesteuerung in einem für die Grundfreiheiten erheblichen Sinne. Wenn die Steuerpflicht nämlich ohnehin nur an den vorangegangenen Untergang der Gesellschaft kraft Verlassens des deutschen Hoheitsgebiets anknüpft, dann findet sich eben an dieser Stelle erneut ein Unterschied, der zeigt, dass die zum Auswandern entschlossene Kapitalgesellschaft keine volle Gleichstellung mit einer natürlichen Person erfahren kann. Da die Gesellschaft anders als die natürliche Person nach deutschem Recht ohnedies zum Untergang verdammt ist und deswegen als Rechtsträger der Niederlassungsfreiheit ausfällt, ist die sich anschließende Liquidationsbesteuerung schon völlig ungeeignet, dass Niederlassungsrecht noch in irgendeiner Weise zu begrenzen63.

E. Zusammenfassung Im Ergebnis kann es de lege lata europarechtlich nicht beanstandet werden, wenn die Bundesrepublik ihre Gesellschaften über die Sitztheorie an das nationale Staatsgebiet bindet und ihnen so den Umzug in einen anderen Mitgliedstaat unter Wahrung ihrer Identität versagt. Aus der Sicht der deutschen Gestaltungspraxis kann deshalb die Verlegung des Verwaltungssitzes eines deutschen Unternehmens in das EG-Ausland nach dem gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nur eingeschränkt – nämlich unter Inkaufnahme erheblicher Risiken insbesondere haftungsrechtlicher Natur – als Gestaltungsmaßnahme herangezogen werden.

___________ 63

Franz, EuZW 2004, S. 270 (271).

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die Bundesrepublik Deutschland A. Der Sachverhalt eines Zuzugsfalls Das zweite mitbestimmungsrechtliche Problemfeld, welches durch das Gestaltungsmittel der Sitzverlegung aufgeworfen wird, stellt sich, wenn eine nach dem Recht eines ausländischen Mitgliedstaates errichtete Kapitalgesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz in das deutsche Inland verlagert. Möglicherweise bietet sich die Verwendung einer ausländischen Rechtsform vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur für umziehende oder als Zweigniederlassung in Deutschland zu errichtende ausländische Unternehmen an. Es erscheint sogar in vielerlei Hinsicht als empfehlenswert, dass bestehende oder noch in Gründung befindliche deutsche Unternehmen von der ihnen gebotenen Rechtswahlfreiheit Gebrauch machen und auf dem deutschen Recht unbekannte Gesellschaftsformen zurückgreifen. Inwiefern sich dabei für (potentiell) mitbestimmungspflichtige deutsche Unternehmen Gestaltungsspielräume eröffnen, wird nachstehend näher untersucht. Entsprechend den oben getroffenen Feststellungen zum Wegzugsfall muss selbstredend auch eine zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, sofern sie aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften zuzieht, in Deutschland als solche anerkannt werden1, d.h. sie ist insbesondere nach Maßgabe ihres Gründungsrechts rechts- und parteifähig, und überhaupt richtet sich ihr Gesellschaftsstatut ganz allgemein im Grundsatz nach dem Gesellschaftsorganisationsrecht des Gründungsstaats. Diese Einordnung einer „importierten“ Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts wird durch die Niederlassungsfreiheit der juristischen Person gemäß den Art. 43, 48 EGV zwingend geboten. Selbst eine Umqualifizierung der zugezogenen Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft deutschen Rechts (etwa in eine offene Handelsgesellschaft, die freilich ihrerseits gemäß dem § 124 HGB rechts- und parteifähig ___________ 1 So z.B. Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (254 f.); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2238); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2474); Kallmeyer, DB 2002, S. 2521; Lutter, BB 2003, S. 7 (9); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (805); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1236); Paefgen, DB 2003, S. 487; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (33); Wernicke, EuZW 2002, S. 758 (761); Zimmer, BB 2003, S. 1 (5).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

wäre2), wie sie der Zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Vorfeld der Überseering-Entscheidung des EuGH erwogen hat3, kommt nicht in Betracht und stellt eine unter keinen Umständen zu rechtfertigende4 Verkürzung der europarechtlich geschützten Niederlassungsfreiheit dar5. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Kapitalgesellschaften eines jeden EG-Mitgliedstaates sich mit ihrem Verwaltungssitz frei innerhalb des europäischen Binnenmarktes bewegen können, ohne dabei Gefahr zu laufen, ihre Rechtspersönlichkeit zu verlieren oder in andere Gesellschaftsformen umqualifiziert zu werden. Wenn nicht ausnahmsweise eine Überlagerung der Vorschriften des Herkunftsstaats durch das Sitzrecht des Aufnahmestaats zu rechtfertigen ist, stellt die Niederlassungsfreiheit den Gesellschaften gleichsam einen „Europapass für ihr Gründungsstatut“6 aus. Fakt ist somit, dass Auslandsgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten derzeit weitgehend bedenkenlos auf deutsches Territorium importiert werden können. Nach der aktuell geltenden Rechtslage können Unternehmen, wenn sie sich einer solchen Rechtsform bedienen, die haftungsrechtlichen Vorteile einer Kapitalgesellschaft nutzen und dennoch völlig unabhängig von ihrer Größe und dem Gegenstand ihres operativen Geschäfts sicherstellen, dass sie von dem ihnen nachteiligen Gesellschaftsstatut des aufnehmenden Mitgliedstaates verschont bleiben. Hält man dieses Prinzip konsequent durch, so können die aus dem EG-Ausland in die Bundesrepublik Deutschland zuziehenden Unternehmensträger dem Grunde nach auch die hier geltenden Regelungen über die Arbeitnehmerbeteili___________ 2 Vgl. BGH 01.07.2002 – II ZR 380/00, AG 2003, S. 39 (40) unter Hinweis auch auf § 14 Abs. 2 BGB: „rechtsfähige Personengesellschaft“; Ahrens, RNotZ 2003, S. 32 (36 ff.). 3 BGH 01.07.2002 – II ZR 380/00, AG 2003, S. 39 (40) = DB 2002, S. 2039 = GmbHR 2002, S. 1021 f. = IPRax 2003, S. 62 (63) = NJW 2002, S. 3539 f. = WM 2002, S. 1929. 4 Ebke, JZ 2003, S. 927 (928). 5 Vgl. BGH 13.03.2003 – VII ZR 370/98, GmbHR 2003, S. 527 mit Anm. Stieb = NJW 2003, S. 1461 f. – Überseering; vgl. auch den Vorlagebeschluss des BGH 30.03.2000 – VII ZR 370/98, DB 2000, S. 1114 ff. = EWS 2000, S. 278 ff. = GmbHR 2000, S. 715 ff. = ZIP 2000, S. 967 f. – Überseering; Ahrens, RNotZ 2003, S. 388; Bayer, BB 2003, S. 2357 (2362); Buck, WuB II N § 14 BGB 1.03; Ebke, JZ 2003, S. 927 (928 f.); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2238); Forsthoff, BB 2002, S. 318 (321); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2474 ff.); Großerichter, DStR 2003, S. 159 (166 f.); Heidenhain, NZG 2002, S. 1141 (1142); Horn, NJW 2004, S. 893 (896); Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (929); Leible/Hoffmann, ZIP 2003, S. 925 (926); Lutter, BB 2003, S. 7 (9); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (799 ff.); Merkt, RIW 2003, S. 458 (459); Paefgen, DB 2003, S. 487 (dort Fn. 2); Paefgen, DZWIR 2003, S. 441 (444); Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 (466); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (32 f.); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (15); Wernicke, EuZW 2002, S. 758 (761); Zimmer, BB 2003, S. 1 (5). 6 Horn, NJW 2004, S. 893 (896).

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die BRD

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gung auf Unternehmensebene unter Berufung auf ihre Niederlassungsfreiheit abwehren. Dies als zutreffend unterstellt, eröffnet sich eine breit gefächerte Palette an Möglichkeiten, solche Auslandsgesellschaften für die Zwecke eigentlich mitbestimmungsrelevanter deutscher Unternehmen einzusetzen. In Betracht kommen vor allem  die Nutzung der Auslandsgesellschaft schlicht als unmittelbare Trägerin des operativen Geschäfts,  im Geltungsbereich der mitbestimmungsrechtlichen Konzernzurechnungsklauseln (§ 5 MitbestG, § 2 Abs. 2 DrittelbG) der Einsatz der Auslandsgesellschaft als Holdinggesellschaft an der Spitze der Konzernstruktur und  im Bereich der Arbeitnehmerzurechnung in der Kapitalgesellschaft & Co. KG (§ 4 Abs. 1 MitbestG) die Nutzung der Auslandsgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der operativ tätigen Kommanditgesellschaft. Soweit die grundsätzliche Überlegung. Ob und unter welchen Voraussetzungen die deutsche Mitbestimmung mit Hinweis auf ihren ganz besonderen, sozial angebundenen Normzweck nicht aber tatsächlich doch gegenüber der Niederlassungsfreiheit der zuziehenden juristischen Person durchgesetzt werden kann, ist zur Zeit heftig umstritten, und auch das Ergebnis einer Beurteilung dieser Rechtsfrage durch den EuGH ist augenblicklich alles andere als gewiss7.

B. Der gegenwärtige Stand des Schrifttums In den wissenschaftlichen Beiträgen, die sich an die Entscheidungen in Sachen Centros, Überseering und Inspire Art anschlossen, wird mittlerweile zunehmend auch das Problem der Anwendbarkeit deutschen Mitbestimmungsrechts auf die nach Deutschland zugezogene Auslandsgesellschaft beleuchtet8. ___________ 7

Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG Bd. I, § 1 Rdnr. 31. Vgl. etwa Bayer, BB 2003, S. 2357 (2365); Bayer, BB 2004, S. 1 (4); Bayer, AG 2004, S. 534 ff.; Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2236 f., 2242); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (28 f.); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (184 f.); Franzen, RdA 2004, S. 257 ff.; Großerichter, DStR 2003, S. 159 (168 f.); v. Halen, WM 2003, S. 571 (577); Horn, NJW 2004, S. 893 (899 f.); Kallmeyer, DB 2004, S. 636 (638); Kamp, BB 2004, S. 1496 ff.; Kindler, NJW 2003, S. 1073 (1079); Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 19; Maul/C. Schmidt, BB 2003, S. 2297 (2300); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (805); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 ff.; Paefgen, DB 2003, S. 487 (491 f.); Roth, IPRax 2003, S. 117 (125); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (486 ff.); Sandrock, AG 2004, S. 57 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (35 f.); Schulz/ Sester, EWS 2002, S. 545 (551); Schwark, AG 2004, S. 173 ff.; Seibt in: Henssler/ Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnrn. 8 f.; Seibt in: Willemsen/ Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 126 ff.; Thüsing, ZIP 2004, S. 381 ff.; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 ff.; Wachter, GmbHR 2004, S. 88 (92); Zimmer, NJW 2003, S. 3585 (3590 f.). 8

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Eingehende Auseinandersetzungen mit genau dieser Thematik fanden sich im unmittelbaren Anschluss an die jüngsten EuGH-Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit zunächst aber in den meisten Fällen nicht9. Stattdessen beschränkte sich die Masse der Abhandlungen im Anschluss an eine detaillierte Würdigung der Anwendbarkeit etwa inländischer Gläubiger- bzw. Kapitalschutzregelungen zunächst darauf, die Mitbestimmungsfrage als Annex und, so scheint es, lediglich der Vollständigkeit halber zu erwähnen. In diesem Rahmen stößt man zumeist nur auf einige pauschale Behauptungen, mittels derer die bisher gefundenen Ergebnisse dann im Bereich der Unternehmensmitbestimmung für Auslandsgesellschaften mit Sitz im Inland allzu stereotyp reproduziert werden. Ohne an dieser Stelle die jeweils gefundenen Ergebnisse in Zweifel ziehen zu wollen, muss es aber doch unmittelbar einleuchten, dass das Recht der Unternehmensmitbestimmung als ein wegen seiner Rechtsfolgenkomponente sowohl im Gesellschaftsorganisationsrecht als auch seinem Normzweck nach in gewisser Weise im Arbeitnehmerschutzrecht (im weitesten Sinne) beheimateter Zwitter ganz spezifische teleologische und rechtssystematische Eigenarten aufweist. Gerade diese gilt es aber herauszuarbeiten, in dem vom Europäischen Gerichtshof geschaffenen methodischen Gerüst zur Einschränkbarkeit der Freizügigkeit juristischer Personen genauestens zu verorten und schließlich wertend gegen die den Kapitalschutz und das Steuerrecht dominierenden Überlegungen abzugrenzen. Die Zahl der Beiträge, die mit diesem oder einem ähnlich tiefgehenden Anspruch die Anwendbarkeit deutschen Mitbestimmungsrechts auf dem EG-Ausland entstammende Rechtsträger genauer unter die Lupe nehmen10, ist bislang – soweit ersichtlich – stark begrenzt. Es hat den Anschein, als sei das Interesse an der mitbestimmungsrechtlichen Frage bei vielen Autoren erst geweckt worden, als primär gesellschaftsrechtlich eingebettete Themen (wie vor allem der Gläubigerschutz) im Kontext der neu entdeckten Dogmatik des internationalen Gesellschaftsrechts durch die kaum noch verfolgbare Anzahl der Stellungnahmen bereits gewissermaßen abgegrast waren. Hinzu kommt, dass die mittlerweile veröffentlichten Standpunkte und die zugehörigen Begründungen geprägt sind durch völlig unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. Dabei wird teilweise der Frage nach der praktischen Handhabbarkeit11 der deutschen Mitbestimmung in ___________ 9

Dies beklagt auch Kamp, BB 2004, S. 1496. Zu nennen sind in erster Linie wohl die Untersuchungen von Bayer, AG 2004, S. 534 ff.; Franzen, RdA 2004, S. 257 ff.; Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 ff.; Kamp, BB 2004, S. 1496 ff.; Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 ff.; Roth in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 709 ff.; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (486 ff.); Sandrock, AG 2004, S. 57 ff.; Schwark, AG 2004, S. 173 ff.; Thüsing, ZIP 2004, S. 381 ff.; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 ff. 11 Vgl. dazu z.B. Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (257); Ebenroth/Bippus, DB 1988, S. 842 (848 f.); Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 14; Hoffmann/ 10

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die BRD

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der Auslandsgesellschaft deutlich der Vorrang vor einer logischerweise vorzuschaltenden theoretischen Untersuchung eingeräumt. Ziel der nachstehenden Ausführungen ist es, die dadurch im Schrifttum klaffende Lücke zu schließen12.

C. Die Anwendbarkeit deutschen Mitbestimmungsrechts auf zugezogene Auslandsgesellschaften Die Rahmenbedingungen, unter denen hier eine Mitbestimmungspflichtigkeit nach deutschem Maßstab überhaupt in Betracht kommen kann, sehen dabei wie folgt aus. Zum einen muss es sich bei der zugezogenen Gesellschaft um eine solche handeln, die vergleichbar den ausdrücklich in den deutschen Mitbestimmungsgesetzen genannten Rechtsformen kapitalistisch strukturiert ist. Beispielhaft wird im Verlauf der Untersuchung vor allem immer wieder auf die private limited company (Ltd.) des englischen Gesellschaftsrechts eingegangen werden, die angesichts ihrer prägenden Charakteristika von den deutschen Rechtsformen der GmbH am nächsten steht. Die so genannte public limited company (PLC) des englischen Rechts ist mit der deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar und soll ebenfalls im Rahmen einiger Beispiele näher in Augenschein genommen werden. Über die Rechtsform hinaus ist freilich zu berücksichtigen, dass die in Rede stehenden Auslandsgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz unbedingt den weiteren mitbestimmungsrechtlichen Parametern genügen müssen, demnach  die jeweilige Gesellschaft eine ausreichende Zahl von Arbeitnehmern beschäftigen muss (mehr als 500 Arbeitnehmer13, um zumindest in den sachlichen Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes zu gelangen) und ___________ Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 8; Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499); Kronke, IPRax 1995, S. 377 (379); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1237); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 5; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 15; SchmidtHermesdorf, RIW 1988, S. 938 (943 ff.); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 9; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 123, 127b; Sigle in: Festschrift Peltzer, S. 539 (552); Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 8; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (18); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 b cc; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 367 Rdnr. 2. 12 Aus jüngerer Zeit ebenfalls ausführlich zur Problematik Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 1 bis 181. 13 Da das Gesellschaftsstatut sich nach dem Recht des Gründungsstaats richtet, spielt eine Eintragung in ein deutsches Handelsregister etwa für eine englische public limited company ebenso wenig eine Rolle wie das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 02.08.1994. Vor diesem Hintergrund kommt der besonderen Bestimmung über Altgesellschaften aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3, Nr. 2 Satz 2 DrittelbG bzw. § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 (ggf. i.V.m. Satz 3)

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

 der unmittelbare und dominierende Gegenstand des geführten Unternehmens nicht dem aus §§ 1 Abs. 4 MitbestG und 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 DrittelbG bekannten besonderen Tendenzschutz unterliegen darf. I. Problemüberblick Setzt man nun den Fall, dass ein Rechtsträger sich einer Rechtsform bedient, welche das Gesellschaftsorganisationsrechts eines anderen Mitgliedstaates ihm zur Verfügung stellt, ein hinreichendes Arbeitnehmerquorum aufweist und einer nicht tendenzorientierten Tätigkeit nachgeht und sich nunmehr entscheidet, den Schwerpunkt seiner Verwaltungs- und Lenkungstätigkeit zukünftig vom deutschen Inland aus zu praktizieren, so ist mit der Umsetzung dieser Entscheidung ein Zuzugsfall im hier relevanten Sinne geschaffen worden. Bevor aber die maßgeblichen Überlegungen im Bereich des Kollisionsrechts und der europäischen Grundfreiheiten angestellt werden, muss man sich zunächst bewusst machen, dass der Annahme eines gesetzlichen Zwangs zur Errichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats und gegebenenfalls zur Bestellung eines Arbeitsdirektors schon diverse Hürden auf einfachgesetzlicher Ebene im Wege stehen. Angenommen, der zugezogene Rechtsträger ist eine private limited company des englischen Organisationsrechts. Dann stellt sich fernab von jedem Gemeinschaftsrechtsbezug zunächst einmal die Frage, wie die Erstreckung des deutschen Mitbestimmungsrechts auf eine ihm völlig fremde Rechtsform rein instrumentell bewerkstelligt werden soll. In diesem Rahmen bieten sich im Prinzip zwei Optionen an:  Zum einen mag man das Mitbestimmungsrecht in seiner aktuell geltenden Fassung heranziehen wollen, um es im Wege entweder schon der Auslegung14 oder erst – selbst dies wird aber noch zu gewichtigen Problemen führen – der Analogie15 auch auf zugezogene Auslandsgesellschaften als einen dem deutschen Recht zunächst einmal unbekannten Gesellschaftstypus anzuwenden.  Da aber ein solches weitreichendes Verständnis vom sachlichen Geltungsbereich der Unternehmensmitbestimmung, wie noch zu zeigen sein wird, de lege lata im Ergebnis nicht überzeugen kann, ist darüber hinaus zu fragen, ob es dem deutschen Gesetzgeber offen stünde, im Zuge einer Gesetzesneu___________ BetrVG 1952 für zugezogene Auslandsgesellschaften sicherlich keine eigenständige Bedeutung zu. 14 Vgl. dazu unten II. 1. 15 Vgl. dazu unten II. 2.

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fassung16 den sachlichen Geltungsbereich um bestimmte Gesellschaften ausländischer Rechtsform mit Verwaltungssitz im Inland zu erweitern17. Erst in einem zweiten gedanklichen Schritt ist es alsdann fraglich, auf welche Weise das eigentlich nach der Gründungstheorie für die Gesellschaft geltende Mitbestimmungsstatut des Gründungsstaates – im Vereinigten Königreich also das Statut der Mitbestimmungslosigkeit auf Unternehmensebene – durch die bestehenden oder gedachten strengeren Regeln des Aufnahmestaates verdrängt bzw. überlagert werden soll18. Freilich wäre nämlich auch durch diesen Verdrängungseffekt die Niederlassungsfreiheit der zugezogenen Gesellschaft berührt19, so dass sich zwangsläufig die Frage nach der europarechtlichen Rechtfertigung jener Freiheitsverkürzung erhebt. II. Das Wortlautproblem 1. Gesetzesauslegung: Die gesetzliche Selbstbeschränkung auf Rechtsformen deutschen Gesellschaftsrechts Wie schon mehrfach betont wurde, ist seine Rechtsformbezogenheit ein wesentliches Charakteristikum des geltenden deutschen Mitbestimmungsrechts. Unternehmensmitbestimmung kraft gesetzlichen Zwangs ist einzig denkbar in solchen Unternehmen, deren Rechtsträger sich der Rechtsform  einer Aktiengesellschaft im Sinne der §§ 1 ff. AktG (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, 1 Abs. 2 MontanmitbestG, 1 MitbestErgG),  einer Kommanditgesellschaft auf Aktien im Sinne der §§ 278 ff. AktG (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG),  einer GmbH im Sinne des GmbH-Gesetzes (§§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, 1 Abs. 2 MontanmitbestG, 1 MitbestErgG),  einer eingetragenen Genossenschaft im Sinne des Genossenschaftsgesetzes (§§ 1 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 DrittelbG, 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG) oder  eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 DrittelbG)

___________ 16

Vgl. dazu unten III. und sodann D. Vgl. in diesem Sinne auch Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499); Roth in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 709 (718); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382 ff.); Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (17 ff.); vgl. auch Schwark, AG 2004, S. 173 (178). 18 Diese Zweistufigkeit der Prüfung wird betont von Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (343). 19 Sandrock, AG 2004, S. 57 (58); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b. 17

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

bedient20. Eine wirkliche Ausnahme bildet auch die Vorschrift des § 4 MitbestG nicht21, nachdem die unmittelbar mitbestimmte Komplementärgesellschaft ebenfalls in einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG genannten Rechtsformen betrieben werden muss22. Aus jener Rechtsformgebundenheit lässt sich eigentlich ohne weiteres der Umkehrschluss23 ziehen, dass sämtliche nicht explizit genannten Rechtsformen von Gesetzes wegen mitbestimmungsfrei bleiben. Dies ist auch etwa für den Bereich der deutschen Personengesellschaften allgemein anerkannt und völlig unumstritten24. Denklogisch müsste demnach ebenfalls ein jeglicher unter Wahrung seiner rechtlichen Identität25 aus dem Ausland nach Deutschland zugezogener Gesellschaftstypus sich dem Geltungsanspruch des deutschen Mitbestimmungsrechts entziehen26. Zwar begibt er sich mittels der Verlagerung seines Verwaltungssitzes nunmehr in den territorialen Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes, des Mitbestimmungsgesetzes 1976 und der Montanmitbestimmungsgesetze27. Bleibt er jedoch aufgrund der Niederlassungsfreiheit – wenigstens im Kern – dem Organisationsrecht seines Gründungsstaats unterworfen, so hat er gerade etwa als englische Limited oder französische société anonyme weiterhin Bestand28. Jene Rechtsformen ausländischer Gesellschaftsrechtsordnungen sind aber in den Katalogen des geltenden Rechts der Unternehmensmitbestimmung nicht genannt und erweisen sich damit nach der Wortlautauslegung als mitbestimmungsrechtlich irrelevant29. ___________ 20

Vgl. schon oben Einleitung B., § 11 A. Vgl. aber auch die insofern strengeren Formulierungen von Bartodziej, ZIP 1994, S. 580 (581, 582); Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 138; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 28. 22 Vgl. oben § 3 A. II. 2. b) aa). 23 Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382): „enumeratio unius est exclusio alterius“. 24 Vgl. etwa Köstler/Kittner/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rdnr. 73; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 163; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 4; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 55; Schwark, AG 1983, S. 303 ff.; Veit/ Wichert, AG 2004, S. 14 (16); Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 10. 25 Dieser Begriff soll, anders als im Recht des Formwechsels gemäß §§ 190 ff. UmwG, hier auch gerade die Beibehaltung der vom jeweiligen (EG-)ausländischen Recht vorgegebenen Rechtsform beschreiben. Vgl. zum engeren umwandlungsgesetzlichen Begriff der Identität des Rechtsträgers beim Formwechsel (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) oben § 7 B. IV. 1. 26 Paefgen, DB 2003, S. 487 (491); Schwark, AG 2004, S. 173 (177 f.). 27 Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b. 28 Vgl. Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 (466). 29 Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (343); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1498); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1237); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 21

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die BRD

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2. Mangelnde Analogiefähigkeit a) Die Ausschlussfunktion der gesetzlichen Typenkataloge Eine Sonderanknüpfung für die Grundsätze der unternehmerischen Mitbestimmung durch entsprechende Anwendung der Mitbestimmungsgesetze auf im Inland ansässige Unternehmen mit ausländischer Rechtsform würde insoweit eine vom Gesetzgeber nicht bedachte Lücke im kodifizierten Recht der Unternehmensmitbestimmung voraussetzen30. Mit deren Nachweis wäre allerdings die Problematik noch nicht erschöpfend behandelt. Nur selten wurde bislang in der wissenschaftlichen Diskussion betont, dass es sich vorliegend nicht bloß um einen herkömmlichen Analogieschluss, sondern genauer um eine Frage der gesellschaftsrechtlichen Substitution handelt31. Anknüpfend an eine konkrete ausländische Rechtsform wäre es erforderlich, dass man anhand sachlicher Kriterien eine Differenzierung dahingehend vornimmt, ob der konkrete Gesellschaftstypus in den im Wege der Analogie erweiterten persönlichen Geltungsbereich des deutschen Mitbestimmungsrechts fallen soll oder nicht. Das setzt voraus, dass er einem der explizit genannten und gesetzlich abstrakt definierten deutschen Gesellschaftstypen wesensmäßig entspricht32. Denn bei der Beurteilung von Rechtsformen aus anderen Mitgliedstaaten muss unter anderem dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass selbst die deut___________ (382); Schwark, AG 2004, S. 173 (174, 178); Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (16); vgl. auch Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b. 30 Vgl. zur Sonderanknüpfung Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, S. 26 (28); Birk, RIW 1975, S. 589 (595); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2242); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (184); Forsthoff, DB 2000, S. 1109 (1114); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2477); Grasmann, ZGR 1973, S. 317 (332 f.); v. Halen, WM 2003, S. 571 (577); Horn, NJW 2004, S. 893 (898 f., 900); Kallmeyer, DB 2004, S. 636 (638); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 572; Kleinert/Probst, DB 2003, S. 2217 f.; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325 (347 f.); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1237); Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 10; Roth, IPRax 2003, S. 117 (125); Schmidt-Hermesdorf, RIW 1988, S. 938 (944); Schön, Konzern 2004, S. 162 (163); Schulz/Sester, EWS 2002, S. 545 (551, dort Fn. 81); Schwark, AG 2004, S. 173 (178); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Spindler/Berner, RIW 2003, S. 949 (951); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382); Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 4 Rdnr. 11; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (16 f.); Wachter, GmbHR 2004, S. 88 (92); Wichert in: AnwKomm Aktienrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 13; Wiesner, GmbHR 1981, S. 36 (38); Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 377 Rdnr. 1; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 146 ff., 161 ff.; Zimmer, NJW 2003, S. 3585 (3590). 31 Deutlich hervorgehoben wird dieser Umstand vor allem von Franzen, RdA 2004, S. 257 (260); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 105. Der Gedanke klingt an bei Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (184). 32 Gätsch/Schulte, ZIP 1999, S. 1909 (1913); Heldrich in: Palandt, BGB, (IPR) Einl. vor EGBGB Art. 3 Rdnr. 31; vgl. Merkt, ZIP 1994, S. 1417 (1420 ff.).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

schen Gesellschaftsformen zum einen nicht allesamt und zum anderen nicht unterschiedslos von der Mitbestimmungspflichtigkeit berührt werden. Die Personengesellschaften, die Vereine und die Stiftungen etwa bleiben anders als die Kapitalgesellschaften schon aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Organisation vollkommen von der Mitbestimmung verschont. Und innerhalb der mitbestimmungspflichtigen Unternehmen treten rechtsformspezifische Ungleichbehandlungen auf zum Beispiel in  § 1 Abs. 2 MontanmitbestG und § 1 MitbestErgG, welche das besondere Modell der Montanmitbestimmung nur für Unternehmen bzw. Konzernspitzengesellschaften vorsehen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH geführt werden, und damit die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft unberücksichtigt lassen,  § 1 Abs. 1 Nr. 4 DrittelbG und § 77 Abs. 2 BetrVG 1952, die eine Beteiligungspflicht nach dem Drittelbeteiligungsstatut auch für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit kennen, während dieselbe Rechtsform in die anderen Mitbestimmungsgesetze keinen Eingang gefunden hat,  § 76 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 und gegebenenfalls Satz 3 BetrVG 1952, einerseits und § 77 Abs. 1 bis 3 BetrVG 1952 andererseits, weil hier die Arbeitnehmerschwellenwerte für die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (nicht weniger als 500 Arbeitnehmer) anders bemessen werden als für die GmbH, den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft (mehr als 500 Arbeitnehmer). Diese Differenzierung wurde jedoch im Rahmen der Überführung der Regelungsmaterie in das Drittelbeteiligungsgesetz aufgehoben (einheitlicher Schwellenwert von mehr als 500 Arbeitnehmern),  der besonderen Behandlung von Altgesellschaften nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3, Nr. 2 Satz 2 DrittelbG und § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 (gegebenenfalls in Verbindung mit Satz 3) BetrVG 1952, welche nur für die aktiengesetzlich geregelten Rechtsformen (Aktiengesellschaft: §§ 1 ff. AktG; KGaA: §§ 278 ff. AktG) gilt und wiederum nicht für die GmbH, den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit oder die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft33. Allerdings legt die vom Gesetzgeber gewählte Aufzählungstechnik in § 1 Abs. 1 DrittelbG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanmitbestG und § 1 MitbestErgG die Schlussfolgerung nahe, dass eben dieser Liste eine abschließende Funktion zukommen soll34. Dies ist in erster Linie zu vermuten, ___________ 33

Allerdings kann jene Regelung für zuziehende Auslandsgesellschaften keine Rolle spielen, vgl. oben Fn. 13. 34 Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382): „enumeratio unius est exclusio alterius“.

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weil der Gesetzgeber die betroffenen Rechtsformen unmissverständlich beim Namen nennt und nicht abstrakt anhand gemeinsamer Merkmale beschreibt. Sollte sich die These vom abschließenden Charakter der genannten Gesellschaften in der Weise bestätigen, dass sowohl andere Rechtsformen der deutschen Rechtsordnung als auch ganz allgemein sämtliche außerhalb des deutschen Gesellschaftsrechts bekannten Rechtsformen ausgeschlossen werden sollen, wäre für einen Analogieschluss keinerlei Raum mehr. b) Der Gedanke der Typensubstitution Ein in ausländischer Rechtsform betriebenes Unternehmen kann allenfalls im Wege der Typensubstitution in den Kreis der mitbestimmungspflichtigen Rechtsträger einbezogen werden. In diesem Fall muss man die für die in Rede stehende Rechtsform charakteristischen Merkmale ihres Organisations- und Strukturrechts herausarbeiten und auf ihre Vergleichbarkeit mit den prägenden Merkmalen einer Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, GmbH usw. als mitbestimmungstaugliche Gesellschaften hin überprüfen. Ein solches Vorgehen ist in anderen Rechtsgebieten durchaus gängig (so zum Beispiel im Beurkundungsrecht35, soweit es um die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften zwischen zwei dem deutschen Recht unterliegenden Rechtsträgern geht36). Kommt man auf diesem Wege zu dem Ergebnis, dass etwa die englische private limited company oder die französische société à responsabilité limitée im Wesentlichen einer deutschen GmbH und die public limited company sowie die französische société ___________ 35 Dazu etwa Gätsch/Schulte, ZIP 1999, S. 1909 (1912 f.); vgl. ferner OLG Celle 20.11.1991 – 20 U 26/91, NJW-RR 1992, S. 1126 f. (Polnische GmbH); OLG München 05.03.1993 – 23 U 5958/92, NJW-RR 1993, S. 998 f. = ZIP 1993, S. 508 (Kanadische Limited); Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 15 Rdnr. 92; Bungert, DZWiR 1993, S. 494 ff.; Depping, GmbHR 1994, S. 386 ff.; Ebbing in: Michalski, GmbHG Bd. 1, § 15 Rdnr. 98; Merkt, ZIP 1994, S. 1417 (1419); Rowedder/Bergmann in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 15 Rdnr. 52; Schütze, DB 1992, S. 1970 (1971); Wrede, GmbHR 1995, S. 365 ff. 36 Als problematisch erweist sich in diesem Fall die Frage, ob beim Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrags und bei der dinglichen Zession gegebenenfalls deutsche Formvorschriften berücksichtigt werden müssen. Zieht man dies wenigstens in Erwägung, so ist die Durchführung einer Substitutionsanalyse deshalb notwendig, weil das deutsche Recht kein einheitliches Formerfordernis für den Verkauf und die Abtretung von Gesellschaftsanteilen kennt. So sieht § 15 Abs. 3, 4 GmbHG die notarielle Beurkundung dieser Geschäfte vor, während das Verpflichtungs- wie das Verfügungsgeschäft über Anteile an der AG, der KGaA und auch im Recht der Personengesellschaften von Gesetzes wegen an keine besondere Form gebunden ist. Entspricht der ausländische Gesellschaftstypus, dessen Anteile es zu übertragen gilt, also wesensmäßig am ehesten der GmbH, so kann dieses Ergebnis des Substitutionsprozesses eine zentrale Bedeutung für alle Folgeüberlegungen haben; vgl. Gätsch/Schulte, ZIP 1999, S. 1909 (1912 f.).

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anonyme im Wesentlichen der Aktiengesellschaft entsprechen, so könnte man auf diesem Weg bereits eine erste Tür zur analogen Anwendbarkeit des deutschen Mitbestimmungsrechts auch auf diese Rechtsformen aufgestoßen haben. Damit kann das Substitutionsverfahren aber noch keinesfalls als abgeschlossen betrachtet werden. Beantwortet werden muss letztlich die Frage, ob ein ausländisches Rechtsinstitut einem solchen des deutschen Rechts gleichwertig ist und es daher im Tatbestand einer deutschen Sachnorm ersetzen (substituieren) kann37. Gleichwertigkeit meint aber dabei – eben mit Blick auf das wertende Element, dessen Bedeutsamkeit sich schon sprachlich ableiten lässt – sicherlich mehr als reine Vergleichbarkeit. Das Abklopfen einer deutschen und einer ausländischen Rechtsform auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Organisation, Struktur und Haftungsverfassung kann deswegen nur ein erster Schritt auf dem Weg zur erfolgreichen Typensubstitution sein. Zwar werden auch dabei bereits in gewissem Umfang subjektive Auffassungen des jeweiligen Analytikers eine Rolle für das Ergebnis spielen, da freilich nirgends allgemeinverbindlich niedergelegt ist, welche Eigenschaften für einen konkreten Gesellschaftstypus nun eigentlich prägend sein sollen38. Die entscheidende Wertung muss aber in einem zweiten Schritt vorgenommen werden. Es ist mittels der allgemeingültigen Instrumente der Gesetzesauslegung zu beurteilen, ob das im ersten Schritt gefundene Parallelinstitut einer ausländischen Rechtsordnung, das eben wegen seiner parallelen Ausgestaltung grundsätzlich als Ersatzinstitut tauglich ist, denn auch nach der ratio legis und dem Willen des nationalen Gesetzgebers wirklich als Ersatz herangezogen werden darf und soll. aa) Historische Auslegung Genau diese Frage kann der Gesetzgeber allerdings bei eingehender Betrachtung der Entstehungsgeschichte des Mitbestimmungsrechts ursprünglich kaum vor Augen gehabt haben. Der in den Mitbestimmungsgesetzen aufgezeigte Typenzwang ist nämlich vor dem Hintergrund des damals vor allem in der rechtlichen Praxis absolut vorherrschenden, von der Sitztheorie geprägten Verständnisses zu beurteilen, nach welchem eine grenzüberschreitende Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland zur Auflösung der Gesellschaft im Gründungsstaat und zum Entstehen einer neuen Gesellschaft im Inland führte,

___________ 37 Franzen, RdA 2004, S. 257 (260) mit w. Nachw.; v. Hoffmann, IPR, S. 220 f.; Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung (2001), S. 155 f.; Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 (465, dort Fn. 31). 38 Vgl. Gätsch/Schulte, ZIP 1999, S. 1909 (1913).

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die sich dann zwingend einer dem deutschen Recht bekannten Rechtsform bedienen musste39. Freilich diente der gesetzliche Typenzwang schon bei der Schaffung der ursprünglichen Mitbestimmungsgesetze in den Jahren 1951 (Montanmitbestimmungsgesetz), 1952 (Betriebsverfassungsgesetz 1952), 1956 (Mitbestimmungsergänzungsgesetz) und 1976 (Mitbestimmungsgesetz) dem Ziel, mitbestimmungsuntaugliche Rechtsformen wie vor allem die Personengesellschaften aller Art auszugrenzen. Da aber nach der Sitztheorie eine zugezogene Auslandsgesellschaft sich als Konsequenz der erfolgreichen Sitzverlegung ebenfalls als neu gegründete Gesellschaft deutschen Rechts darstellte (und zudem die Diskussion um die Zulässigkeit grenzüberschreitender Unternehmensverschmelzungen und -spaltungen nicht annähernd mit der in jüngerer Vergangenheit aufgekommenen Heftigkeit geführt wurde40), gab es zunächst keinerlei Anlass, den mitbestimmungsrechtlichen Status dieser Gesellschaften in irgendeiner Weise kritisch zu hinterfragen. Entweder wurde die Gesellschaft nunmehr in einer der in den gesetzlichen Katalogen genannten Rechtsformen betrieben oder aber in einem anderen dem deutschen Gesellschaftsrecht bekannten Rechtsformtypus, welcher im Umkehrschluss problemlos mitbestimmungsfrei bleiben musste. Mit anderen Worten: Eben weil die hier erörterte Problemstellung gerade voraussetzt, dass eine vom deutschen Inland aus verwaltete Kapitalgesellschaft alle Kriterien der unternehmerischen Mitbestimmungspflichtigkeit erfüllt mit Ausnahme lediglich der Rechtsform, welche wiederum nach ausländischem Recht zu beurteilen ist, wurde sie gleichsam im Keim erstickt. Für den Gesetzgeber des vergangenen Jahrhunderts stellte sich die erst durch den gegenwärtigen Durchbruch des Herkunftslandprinzips hervorgerufene Problematik schon systembedingt nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang41. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die auf dem Boden der Sitztheorie geforderte Neugründung42 einer Gesellschaft deutschen Rechts im Inland für den zuziehenden Rechtsträger regelmäßig bedeutete, dass er in seiner konkreten ___________ 39 Bayer, AG 2004, S. 534 (535); Franzen, RdA 2004, S. 257 (259); Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (344); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382); vgl. auch Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 6a. 40 Bayer, BB 2004, S. 1 (4). 41 Bayer, AG 2004, S. 534 (535); Bayer, BB 2004, S. 1 (4); Franzen, RdA 2004, S. 257 (259); Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (344); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1498). 42 Vgl. zum Erfordernis der Neugründung als Folge der Sitztheorie z.B. OLG Zweibrücken 27.06.1990 – 3 W 43/90, IPRax 1991, S. 406; Bayer, BB 2003, S. 2357 (2359 f.); Großfeld/König, IPRax 1991, S. 380 ff.; Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 58; Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rdnr. 14; Paefgen, DB 2003, S. 487.

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Gestalt im Zeitpunkt der Sitzverlegung nicht die strengen Kriterien deutschen Kapitalgesellschaftsrechts erfüllte. Diese allein sind aber nach der Sitztheorie bereits in dem Zeitpunkt, ab dem die Leitungsmacht über das Unternehmen maßgeblich von deutschem Territorium ausgeübt wird, ausschlaggebend für die gesellschaftsrechtliche Klassifikation des Rechtsträgers. Rechtsfolge war deshalb nach der durch die moderne Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit inzwischen überkommenen Praxis: Selbst wenn die zuziehende Gesellschaft in ihrem Herkunftsstaat als Kapitalgesellschaft verfasst war, wurde sie in Deutschland in der Regel nicht als juristische Person deutschen Rechts anerkannt. Dazu fehlte es üblicherweise schon an einem hinreichenden Nennkapital, so dass nach deutschem Verständnis der Gläubigerschutz durch das Unternehmen nicht gewährleistet werden konnte, wenigstens aber an der nach deutschem Gesellschaftsrecht für die Entstehung der juristischen Person konstitutiven Eintragung in einem deutschen Handelsregister. Infolgedessen musste die Gesellschaft umqualifiziert werden in eine Gesamthandsgemeinschaft, je nach Unternehmensgegenstand also in eine offene Handelsgesellschaft oder in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts43, §§ 105 HGB, 705 BGB, gegebenenfalls sogar in ein einzelkaufmännisches Unternehmen, sofern es sich bis zum Zeitpunkt der Sitzverlegung um eine eingliedrige Auslandsgesellschaft handelte. Weil all diese Rechtsformen aber nach deutschem Recht mitbestimmungsfrei bleiben und auch nicht automatisch in eine mitbestimmungspflichtige Rechtsform überwechseln können – dazu wäre heute vielmehr der Einsatz des Umwandlungsgesetzes angezeigt –, hatte der Gesetzgeber offensichtlich anfänglich im Blick, dass das deutsche Mitbestimmungsmodell für zuziehende Auslandsgesellschaften nahezu gänzlich ohne Auswirkungen bleibt44. Ein Ausnahmefall im weitesten Sinne45 wäre unter der Geltung der Sitztheorie lediglich in folgender Konstellation denkbar gewesen: Hinter einer ausländischen Kapitalgesellschaft stehen als Gesellschafter eine deutsche GmbH sowie deren einziger Gesellschafter als natürliche Person. Im Zuge der Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland wird die ausländische Gesellschaft entsprechend den Vorgaben der Sitztheorie wegen der fehlenden Eintragung im deutschen Handelsregister nunmehr als Personengesellschaft behandelt. Sie nimmt die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft gemäß §§ 161 ff. HGB an. Die GmbH übernimmt die Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters, die ___________ 43

Vgl. in diesem Sinne vor kurzem noch den Ansatz des Zweiten Zivilsenats: BGH 01.07.2002 – II ZR 380/00, AG 2003, S. 39 f. = DB 2002, S. 2039 = GmbHR 2002, S. 1021 f. = IPRax 2003, S. 62 f. = NJW 2002, S. 3539 f. = WM 2002, S. 1929; dazu wiederum oben § 13 B. II. 2. c), § 15 A. 44 So im Ergebnis auch Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, DrittelbG Einl. Rdnr. 4, MitbestG § 1 Rdnr. 2. 45 Vgl. oben § 3 A. II. 2. b) aa).

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natürliche Person diejenige des Kommanditisten. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG werden die Arbeitnehmer der neu entstandenen Kommanditgesellschaft der GmbH zugerechnet und die Mitbestimmung in deren Organen schlägt wiederum auf die operativ tätige Kommanditgesellschaft durch. Auf diese Weise könnte auch unter der Geltung der Sitztheorie eine (wenngleich nur indirekte) Relevanz des deutschen Mitbestimmungsrechts für die zuziehende Auslandsgesellschaft begründet werden46. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch dieser mitbestimmungsrechtlich erhebliche Zuzugsfall nach der Sitztheorie allein durch Rückgriff auf die Rechtsformkategorien des deutschen Gesellschaftsrechts beurteilt werden konnte, wird die zuziehende Auslandsgesellschaft doch entsprechend den Vorstellungen des Sitzrechts umqualifiziert. Aufgrund dessen ergab sich selbst vor dem Hintergrund jener Überlegung kein gesonderter Regelungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber. bb) Paradigmenwechsel von der Sitz- zur Gründungstheorie Dagegen mag man freilich einwenden, dass mit der Absage, welche der EuGH der Sitztheorie zumindest in Bezug auf EG-interne Sachverhalte durch seine jüngere Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit erteilt hat, das Fundament der dargestellten Sichtweise des historischen Gesetzgebers in sich zusammengefallen ist. In der Literatur wurde deshalb zutreffend der Vorwurf erhoben, es sei zu kurz gedacht, wenn heute nach dem vom EuGH erzwungenen Wegfall der sitzrechtlichen Anknüpfung für EG-Auslandsgesellschaften der Anwendungsbereich der deutschen Unternehmensmitbestimmung unverändert nach einem Argumentationsmuster beurteilt werde, dessen elementare Grundlagen weggebrochen seien. Nur vordergründig stünden daher der Wortlaut der Mitbestimmungsvorschriften sowie die zugehörigen Gesetzesmaterialien einer Erstreckung der inländischen Unternehmensmitbestimmung entgegen47. Im Zuge dessen wird es möglicherweise erforderlich, den Sinn und Zweck deutschen Mitbestimmungsrechts mit Blick auf internationale Sachverhalte neu zu bestimmen48. Dieser Überlegung ist ohne Frage insofern beizupflichten, als eine ungewollte Regelungslücke nicht nur durch eine originär unvollkommene Regelungsarbeit des jeweiligen Gesetzgebers hervorgerufen werden kann. Stattdessen ist es ___________ 46 Ähnliche Ergebnisse ließen sich gegebenenfalls im Anwendungsbereich der Konzernzurechnungsklauseln (§ 5 MitbestG, § 2 Abs. 2 DrittelbG bzw. § 77a BetrVG 1952) erzielen. 47 Bayer, AG 2004, S. 534 (535). 48 Vgl. auch Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382).

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prinzipiell auch und gerade denkbar, dass anfangs ein lückenloser Normenkomplex bereitgestellt wird und erst nachträglich durch die dynamische Entwicklung anderer Rechtsgebiete und der zugehörigen Rechtsprechung Lücken im gesetzlichen System hervorgerufen werden. Diese Vermutung liegt im Falle des Spannungsfeldes von deutschem Unternehmensmitbestimmungsrecht und den neuen Maximen zur Anerkennung und Behandlung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets pendelnder Auslandsgesellschaften sicherlich nahe. Das Fazit, schon auf dieser Grundlage sei eine planwidrige Regelungslücke im deutschen Recht nachgewiesen, erscheint aber seinerseits zu kurz gedacht. Ihm ist entgegenzuhalten, dass der deutsche Gesetzgeber über den Erlass der ursprünglichen Mitbestimmungsgesetze hinaus Gelegenheit hatte, sich mit der aktuellen Problematik auseinanderzusetzen. Wenig überzeugend ist es zwar, auf die erhebliche wirtschafts- und sozialpolitische Bedeutung abzustellen, die der Gesetzgeber der institutionellen Unternehmensmitbestimmung auch noch in den letzten Jahren des Öfteren versteckt bescheinigte49, etwa durch den Erlass der Fortgeltungsklausel des § 325 Abs. 1 UmwG im Jahr 1994 oder des Gesetzes zur Beibehaltung der Mitbestimmung beim Austausch von Anteilen und der Einbringung von Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffen (Mitbestimmungsbeibehaltungsgesetz – MitbestBeiG) vom 23. August 1994. Daraus lässt sich im Wesentlichen allein ableiten, dass in den Legislativorganen die Mitbestimmung für deutsche Unternehmen befürwortet und als erhaltenswert angesehen wird. Nicht aber lässt sich daraus ein Rückschluss ziehen auf die Einstellung des Gesetzgebers zur Behandlung des hier fraglichen grenzüberschreitenden Sachverhalts, in dem der nach ausländischem Recht verfasste Unternehmensträger im Mittelpunkt steht. Im Gegenteil muss man feststellen, dass unmittelbare sachliche Aussagen des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang bis zum heutigen Tage nicht getätigt worden sind. Richtigerweise wird man deshalb zur Interpretation der gesetzgeberischen Vorstellungen anknüpfen müssen an solche Projekte der mitbestimmungsrechtlichen Gesetzgebung, die in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem vom Europäischen Gerichtshof veranlassten Paradigmenwechsel von der Sitz- zur Gründungstheorie stehen. Und tatsächlich lassen sich indirekt wertvolle Rückschlüsse ziehen aus dem im Jahr 2004 verabschiedeten Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat. So wird in der zugehörigen Gesetzesbegründung am Beispiel des Drittelbeteiligungsstatuts deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber den inhaltlichen Gehalt des bis dato geltenden Mitbestimmungsrechts weitgehend beibehalten will. So heißt es etwa zum neu eingeführten Drittelbeteiligungsgesetz ___________ 49

So aber Franzen, RdA 2004, S. 257 (259).

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und seinem Verhältnis zu den Vorgängernormen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952: Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat50: „Das Betriebsverfassungsgesetz 1972 (BetrVG) regelt ausschließlich die Mitbestimmung im Betrieb, so dass das BetrVG 1952 nur noch teilweise gültig ist. Bei den verbleibenden Vorschriften über die Unternehmensmitbestimmung im BetrVG 1952 (§§ 76 bis 87a) handelt es sich insofern um einen Regelungsrest. Dieser ist auf Grund mehrerer gesetzlicher Änderungen (BetrVG, Reform des BetrVG im Jahr 2001, Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat im Jahr 2002) nicht mehr aktuell. Die Praxis fordert daher seit langem eine Neufassung der unübersichtlich gewordenen Materie und eine Verfahrensmodernisierung der Aufsichtsratswahl ... Mit dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) wird das BetrVG 1952 abgelöst. Es handelt sich im Wesentlichen um eine redaktionelle Neufassung unübersichtlich gewordener Regelungen und damit um Rechtsbereinigung und Vereinfachung.“

Wichtige Änderungen wurden allerdings insbesondere am Wahlverfahren für das Drittelbeteiligungsstatut vorgenommen. Gleiches gilt für den Bereich der Montanmitbestimmungsergänzung. Durch Art. 2 Nr. 2 lit. b des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat wurde die wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrige und deswegen nichtige Klausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MitbestErgG a.F., die einen hinreichenden Montanbezug des Gesamtkonzerns bereits annahm, wenn mehr als 2.000 Arbeitnehmer aller Konzernunternehmen dem Montansektor zuzurechnen waren, durch eine Zwanzig-Prozent-Klausel ersetzt, die der Relation von Arbeitnehmerquorum und Gesamtkonzerngröße in verfassungskonformer Weise Rechnung trägt51. Daraus lässt sich wiederum der Schluss ziehen, dass auch inhaltliche Korrekturen – soweit erforderlich – dem Gesetzgeber durchaus am Herzen lagen. Das spiegelt sich wider in der Äußerung, die Gesetzesreform solle die Anwendbarkeit des Mitbestimmungsrechts für die Rechtspraxis erleichtern. Dann wäre es aber nur konsequent, wenn im Rahmen jener Reform auch die Anwendbarkeit des Mitbestimmungsrechts auf Kapitalgesellschaften ausländischer Rechtsform angeordnet worden wäre52. Wenn schließlich sogar hinreichend Muße für gewisse Schönheitsreparaturen am bisherigen Gesetzestext blieb – angespielt wird damit auf die Streichung der ohnehin gegenstandslos gewordenen Rechtsform der bergrechtlichen Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit aus dem Katalog der mitbestimmungspflichtigen Gesellschaftstypen53 –, muss sich doch die Frage aufdrängen, ___________ 50

Fundstelle: BR-Drucks. 10/04, S. 18. Vgl. dazu oben § 2 C. I. 1. 52 Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499). 53 Vgl. ausdrücklich für den Bereich der Montanmitbestimmung Art. 2 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 lit. a, Art. 4 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl 51

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ob es dann nicht erst recht nahe gelegen hätte, die bestehenden Rechtsformenkataloge abzuändern, um die rechtspolitisch wesentlich virulentere Frage der Anwendbarkeit der Gesetze auch auf ausländische Rechtsformen endlich unstreitig zu stellen. Dies hätte geschehen können, indem entweder die vorhandenen Aufzählungen durch eine eher abstrakte Umschreibung ersetzt oder aber um einen Zusatz ergänzt worden wären, der vergleichbare ausländische Rechtsformen in den Geltungsbereich der deutschen Beteiligungsstatute einbezieht, wenn und soweit dem Gesetzgeber denn daran gelegen gewesen wäre. Die Einbeziehung54 ausländischer Kapitalgesellschaften hätte dabei durch eine schlichte Formulierung wie etwa die folgende erreicht werden können: „Ein Mitbestimmungsrecht nach Maßgabe dieses Gesetzes haben die Arbeitnehmer ebenfalls in solchen Unternehmen, die sich im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes einer Rechtsform einer ausländischen Gesellschaftsrechtsordnung bedienen, wenn (1.) die verwendete Gesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit hat und (2.) als Haftungsmasse den Gläubigern der Gesellschaft grundsätzlich nur das Vermögen der Gesellschaft selbst zur Verfügung steht, nicht hingegen die Privatvermögen der Gesellschafter.“

Schließlich war die Problematik bei den Vorbereitungen des Gesetzesentwurfs im Winter 2003/04 auch dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft als federführender Behörde durchaus bekannt55. Der EuGH hatte seine Urteile in den einschlägigen Rechtssachen einschließlich Inspire Art vom 30. September 2003 bereits gesprochen und auch die Diskussion im Schrifttum war längst entfacht. Indem der deutsche Gesetzgeber diese brisante Frage im Zuge der vorgenommenen Gesetzesreform nicht mit einer positiven Neuregelung bedacht hat, bringt er mithin zum Ausdruck, dass er am Dogma der Mitbestimmungsfreiheit für Auslandsgesellschaften im räumlichen Geltungsbereich deutschen Rechts festhalten will. Denn soweit das Mitbestimmungsrecht durch die jüngste Gesetzesreform nicht ausnahmsweise eine ausdrückliche inhaltliche ___________ der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat. Aber auch im Bereich des Drittelbeteiligungsstatuts wurde die von § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952 noch erfasste bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit nicht in den Katalog des § 1 Abs. 1 DrittelbG übernommen. 54 Die Rede ist gegenwärtig zunächst einmal einzig und allein von der tatbestandlichen Einbeziehung ausländischer Kapitalgesellschaften in das deutsche Mitbestimmungsrecht. Damit soll an dieser Stelle noch keine Wertung verbunden sein, ob das bestehende Rechtsfolgensystem, das sich eben ausschließlich an Gesellschaften mit dualistischem Aufbau orientiert, unterschiedslos auf alle denkbaren kapitalistischen Rechtsformen der EG-Mitgliedstaaten angewendet werden könnte. Starke Bedenken müssen insofern wenigstens aufkommen, wenn die Gesellschaft einem monistischen System folgt und ihr deshalb ein Aufsichtsrat, der nach deutschem Recht das elementare Substrat der Unternehmensmitbestimmung darstellt, fremd ist; vgl. zu diesem Folgeproblem Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2242); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (35 f.); Zimmer, NJW 2003, S. 3585 (3591); vgl. auch ausführlich unten D. III. 1. b). 55 Vgl. in diesem Sinne Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499).

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Änderung erfahren hat, ist vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung davon auszugehen, dass es in den verbleibenden Bereichen allenfalls um Korrekturen rein systematischer Art gehen sollte. Wenn der persönliche Geltungsbereich der Gesetze nach dem weit gehenden56 Siegeszug der Gründungstheorie insofern hätte erweitert werden sollen, hätte dies im Änderungsgesetz klargestellt werden müssen. Nachdem man eine entsprechende Regelung allerdings immer noch vermisst, unterstreicht das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat deshalb, dass sich an den Ansichten in den Legislativorganen diesbezüglich nichts geändert hat57. Dieser offenkundige und klar belegbare Wille darf nicht einfach unterlaufen werden, indem man dem Gesetzgeber eine vermeintlich ungewollte Regelungslücke unterschiebt. Die Anwendung des Substitutionsgedankens im Bereich der Arbeitnehmerbeteiligung auf Unternehmensebene widerspricht deshalb der historischen wie gegenwärtigen Auffassung des Gesetzgebers. Eine auch nur entsprechende Anwendung des deutschen Mitbestimmungsrechts auf zuziehende Auslandsgesellschaften muss dem Paradigmenwechsel im Verhältnis von Sitz- und Gründungstheorie zum Trotz ausscheiden. 3. Mitbestimmungsfreiheit ausländischer Gesellschaften nach gegenwärtigem Stand des deutschen Mitbestimmungsrechts Als Zwischenergebnis kann deshalb schon an dieser Stelle festgehalten werden: Wird der Verwaltungssitz einer nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates errichteten Kapitalgesellschaft auf deutsches Hoheitsgebiet und damit in den räumlichen Geltungsbereich des deutschen Rechts der Unternehmensmitbestimmung verschoben, so nehmen die Mitbestimmungsgesetze in ihrer geltenden Fassung gleichwohl keinerlei Einfluss auf den zugezogenen Rechtsträger. Der exklusive Gesetzeswortlaut sieht eine Geltung für nach ausländischem Gesellschaftsrecht organisierte Rechtsträger schlicht nicht vor und auch für eine nur entsprechende Anwendung fehlt jegliche rechtliche Basis. De lege lata sind in die Bundesrepublik Deutschland zugezogene Auslandsgesellschaften aus

___________ 56 Der Sieg über die Sitztheorie ist deshalb nicht zwingend vollständig, weil das schlagende Argument, die Sitztheorie verletze die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften, selbstverständlich auf Sachverhalte innerhalb der EG beschränkt ist. Die vertraglich garantierten Grundfreiheiten nehmen keinerlei Einfluss auf die Behandlung von Gesellschaften aus der EG nicht zugehörigen Drittstaaten, die ihren Verwaltungssitz in einen Mitgliedstaat verlegen wollen. 57 Flaßhoff/Krömker, Die Mitbestimmung ist neuerdings vermeidbar, Neues Drittelbeteiligungsgesetz folgt Urteilen des EuGH, FAZ vom 20.10.2004, S. 23; Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499).

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anderen Mitgliedstaaten also unter keinen Umständen mitbestimmungspflichtig58. III. Gesetzgeberische Initiative Mithin wird die weiterführende Untersuchung von dem fiktiven Fall ausgehen, dass der deutsche Gesetzgeber die nationalen Mitbestimmungsgesetze dergestalt modifiziert, dass sie nach ihrem Wortlaut auch auf zugezogene Auslandsgesellschaften – natürlich in ihrer dem Gründungsstatut folgenden Rechtsform – Anwendung finden59. Im Fokus stehen dabei die beiden Fragen, ob ein solches modifiziertes deutsches Mitbestimmungsrecht auch in europarechtlich gerechtfertigter Weise auf zugezogene Auslandsgesellschaften erstreckt werden kann und wie es zu diesem Zweck seitens des Gesetzgebers (vor allem auf der Rechtsfolgenseite) im Einzelnen ausgestaltet werden müsste. Vorweggenommen werden soll an dieser Stelle bereits die noch herzuleitende Erkenntnis, dass für einen Mitbestimmungszwang in einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland durchaus ein Regelungsspielraum des deutschen Gesetzgebers besteht. Nicht von diesem Spielraum umfasst ist allerdings die Möglichkeit, schlicht die Tatbestandsseite des Mitbestimmungsrechts zu erweitern, indem etwa die Kataloge des § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG oder des § 1 Abs. 1 DrittelbG um diverse ausländische Rechtsformen wie die private limited company, die public limited company oder auch die französische société anonyme ergänzt werden60. De lege ferenda bedarf es vielmehr eines differenzierten Regelungskonzepts, welches der besonderen organisatorischen Struktur der einzelnen ausländischen Kapitalgesellschaften Rechnung trägt. Sollte der Gesetzgeber demgegenüber alle deutschen und ausländischen Rechtsformen über einen Kamm scheren, so würde eine derartige Mitbestimmungspflicht schon an der vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Schranke des Diskriminierungsverbots (Art. 12 Abs. 1 EGV) scheitern61. Ein Mitbestimmungszwang nach dem Vorbild des aktuell geltenden deutschen Rechts träfe nämlich Unternehmen mit bestimmten ausländischen Rechtsfor-

___________ 58

Schwark, AG 2004, S. 173 (178); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382); Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (17); Zimmer, NJW 2003, S. 3585 (3590); vgl. auch Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1237). 59 Eben diesen Ansatz verfolgen auch Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499); Roth in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 709 (718); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382 ff.); Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (17 ff.); vgl. auch Schwark, AG 2004, S. 173 (178). 60 Vgl. dazu ausführlich unten D. III. 1. a). 61 Vgl. dazu ausführlich unten D. III. 1. b).

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men – in erster Linie solche, die einem monistischen Aufbausystem folgen – ungleich härter als ihre deutschen Äquivalente62.

D. Das europarechtliche bzw. kollisionsrechtliche Problem: Niederlassungsfreiheit gegen Arbeitnehmerschutz I. Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit Damit die europarechtlichen Freiheiten einer ausländischen Gesellschaft mit Sitz im Inland verkürzt sind, muss die beabsichtigte Anwendung des Sitzrechts anstelle des eigentlich durch Art. 43, 48 EGV gebotenen Gründungsrechts zu einer Einschränkung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft führen. Die dogmatische Streitfrage, ob man im Recht der Unternehmensmitbestimmung nun wegen seiner Schutzrichtung eher einen Normenkomplex des kollektiven Arbeitsrechts erblicken will oder es angesichts seiner Rechtsformbezogenheit eher dem Gesellschaftsrecht zuordnet63, hat an dieser Stelle keine Bedeutung. Jedenfalls nämlich modifiziert deutsches Mitbestimmungsrecht in der Rechtsfolge stets die Organisationsverfassung des betroffenen Rechtsträgers. Dies kann in unterschiedlicher Intensität erfolgen. Beispielhaft sei dies noch einmal an den Rechtsformen des nationalen Gesellschaftsrechts erläutert: So beschränken sich die Auswirkungen des Mitbestimmungszwangs in einer Aktiengesellschaft etwa darauf, dass die Entscheidungsfreiheit, in welcher Weise die ohnehin schon nach dem Aktienrecht obligatorischen Kontroll- und Vertretungsorgane im Einzelnen zu besetzen sind, beschnitten wird. Tiefer reicht die Manipulationswirkung demgegenüber im GmbH-Recht, weil hier darüber hinaus den Gesellschaftern die Freiheit genommen wird, gemäß § 52 GmbHG gänzlich auf einen Aufsichtsrat zu verzichten. Das ist § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 1 DrittelbG, § 6 Abs. 1 MitbestG, § 3 Abs. 1 MontanmitbestG und § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG zu entnehmen. In welcher konkreten Gestalt auch immer nationales Mitbestimmungsrecht für einen zugezogenen ausländischen Rechtsträger eine Rolle spielen soll, ist es doch evident, dass sein Organisationsrecht in vergleichbarer Weise beeinflusst werden müsste, um dem gesetzlichen Ziel einer Mitwirkung der Arbeitnehmer___________ 62 Vgl. dazu z.B. Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (257); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1237); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 5; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 83; Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 9; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Sigle in: Festschrift Peltzer, S. 539 (552); Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 8; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (18); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 b cc. 63 Vgl. Sandrock, AG 2004, S. 57 (58, 63).

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schaft bei der Entscheidungsfindung in den Unternehmensorganen Vorschub zu leisten64. Ob dabei auf Rechtsfolgenseite schlicht das geltende deutsche Mitbestimmungsmodell auch für Auslandsgesellschaften beibehalten wird oder ob eine wohl sachgerechtere differenzierte Regelung nach dem Vorbild der Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer erforderlich wird65, ist für die Frage des Eingriffs in das Niederlassungsrecht gänzlich unerheblich. Das deutsche Normensystem zur Beteiligung der Arbeitnehmer beruht gerade auf einer wie auch immer gearteten Abänderung des bestehenden Gesellschaftsverfassungsrechts. Da jenes aber unbedingt zum Gründungsstatut gehört, würde die Niederlassungsfreiheit des zugezogenen Rechtsträgers final verkürzt, sollte man ihm die Pflicht zur Beteiligung der Arbeitnehmerschaft auf Unternehmensebene auferlegen66. II. Europarechtliche Rechtfertigung 1. Europarechtliche Rechtfertigungsgründe und deutsches Kollisionsrecht Die Überlagerung des gesetzlichen Mitbestimmungssystems des Gründungsstaates durch das deutsche Mitbestimmungsrecht ist nur sinnvoll und steht deshalb auch nur zur Diskussion in solchen Fällen, in denen die vom ausländischen Recht gewährten Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer hinter dem deutschen Schutzniveau zurückbleiben. In zahlreichen der denkbaren Sachverhalte wird die erforderliche Diskrepanz schlicht deshalb bestehen, weil eine Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene nach dem einschlägigen ausländischen Recht überhaupt nicht vorgesehen ist und demnach auch nicht praktiziert wird. Damit eine solche Regelung des Gründungsrechts nun hinter die arbeitnehmerfreundlicheren deutschen Regelungen zurücktritt, bedarf es allerdings zunächst einer eben diese Rechtsfolge (unmittelbar oder mittelbar) aussprechenden Rechtsgrundlage. Der gesuchte Vorrang des deutschen Mitbestimmungsrechts bei der Frage nach der Anwendbarkeit von Gründungs- oder Sitzrecht auf die zugezogene ___________ 64

Vgl. Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1237); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (35). 65 Vgl. etwa Kersting, NZG 2003, S. 9 (10); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (35 f.); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (387 f.). 66 Vgl. Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (349); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 567; Meilicke, GmbHR 2000, S. 693 (695); Sandrock, AG 2004, S. 57 (58); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (35); Seibt in: Willemsen/ Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Wymeersch in: Festschrift Buxbaum, S. 629 (643).

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Auslandsgesellschaft kann dabei potentiell aus unterschiedlichen Überlegungen heraus hergeleitet werden. Zu unterscheiden sind dabei zwei Gruppen von Erlaubnissätzen. Einerseits erscheint es denkbar, auf die im EGBGB niedergelegten Normen des deutschen internationalen Privatrechts zurückzugreifen. In diesem Fall ergäbe sich die Legitimation (oder genauer: der Befehl) der Anwendung einer deutschen Mitbestimmungsnorm und der damit einhergehenden Einschränkung des höherrangigen europäischen Primärrechts in Gestalt der Niederlassungsfreiheit aus dem einfachen deutschen Gesetzesrecht selbst. Die in Betracht kommenden Anwendungsgebote des deutschen internationalen Privatrechts werden im Folgenden67 näher vorgestellt und lassen sich zu einer ersten Gruppe zusammenfassen. Andererseits eröffnet aber auch das Europarecht selbst die Möglichkeit, die in der Normenhierarchie nachrangigen Rechtsvorschriften der gemeinschaftsangehörigen Staaten ausnahmsweise gegenüber den im EG-Vertrag enthaltenen Grundfreiheiten durchzusetzen. Zum Teil sind diese Rechtsgrundlagen ausdrücklich im EG-Vertrag formuliert worden, zum Teil ergeben sie sich aus systemimmanenten logischen Zusammenhängen. Welche Rechtfertigungsgründe das Europarecht selbst bereithält, wurde im Rahmen der Darstellung der EuGH-Judikatur zur Niederlassungsfreiheit bereits analysiert68. All diese europarechtlich fundierten Erlaubnistatbestände bilden damit eine zweite, von den einzelstaatlichen Normen des internationalen Privatrechts streng zu unterscheidende Gruppe. In der Literatur wurden sie benannt als die „Selbstheilungskräfte des europäischen Gemeinschaftsrechts“69. Im Einzelnen sind hier zu verorten  der an den Maßstäben der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit ausgerichtete Rechtfertigungsgrund des Art. 46 Abs. 1 EGV,  das Prinzip der rechtsmissbräuchlichen Ausübung der europarechtlich garantierten Freiheiten sowie  die vom Europäischen Gerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt herausgearbeitete Freiheitsschranke der entgegenstehenden zwingenden Gründe des Gemeinwohls bzw. Gemeininteresses70. Sollte sich im Laufe der weiteren Untersuchung zeigen, dass wenigstens einer dieser europarechtlichen Ansätze die Niederlassungsfreiheit einzuschränken vermag, so ist mit dieser Feststellung allerdings ein abschließendes Urteil über die Europarechtskonformität des durch die Anwendung des Mitbestimmungsrechts auf einen ausländischen Rechtsträger erzielten Freiheitseingriffs noch ___________ 67

Siehe unten 2. Vgl. oben § 13 D. II. 1. 69 Schön, ZHR 168 (2004), S. 268 (293). 70 Siehe dazu schon oben § 13 D. II. 1. mit Nachw. 68

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nicht gefällt worden. Der Gerichtshof hat insofern klargestellt, dass jede einschränkende Maßnahme der Mitgliedstaaten sich zusätzlich an den nachstehenden Kriterien messen lassen muss71:  Die Maßnahme darf keine diskriminierenden Wirkungen zeitigen (Art. 12 Abs. 1 EGV),  sie muss einen legitimen Zweck in geeigneter Weise verfolgen, und  der konkret gewählte Freiheitseingriff muss erforderlich sein, wobei Erforderlichkeit in diesem Sinne sowohl auf die Prüfung der Existenz einer zur Zielerreichung gleich geeigneten, dabei aber in ihren Auswirkungen auf die Grundfreiheit milderen Maßnahme abzielt als auch auf die Fragestellung, ob die Intensität der Freiheitsbeschränkung und das mit der Beschränkung verfolgte Ziel in einem proportionalen und mithin wohl ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen (kein Verstoß gegen das Übermaßverbot)72. 2. Mögliche Ansätze im deutschen Kollisionsrecht Die vorliegende Fragestellung, ob das originäre Statut einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland bei Sachverhalten innerhalb der Europäischen Gemeinschaften durch deutsches Mitbestimmungsrecht ersetzt werden kann, ist theoretisch von zwei unterschiedlichen Standpunkten aus beleuchtbar. Bisher wurde insbesondere die europarechtliche Sichtweise betont, welche sich mit dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit und dessen Einschränkbarkeit beschäftigt. Zum anderen mag man aber auch eine eher ergebnisorientierte Betrachtungsweise in den Vordergrund stellen wollen und die Problematik dahingehend beschreiben, dass im Zentrum des Streits das Konkurrenzverhältnis zweier nationaler Rechtsordnungen und seine Auflösung entweder zugunsten des Sitz- oder zugunsten des Gründungsrechts steht. Auf diese Weise könnte man geneigt sein, die Lösung der Rechtferti___________ 71 EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 32, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697) = EuZW 1993, S. 322 (324) – Kraus; EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Tz. 37, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197 f.) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (581) – Gebhard; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 34, EuGHE I 1999, S. 1459 (1495) – Centros; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 84, EuGHE I 2002, S. 9919 (9971) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 133, EuGHE I 2003, S. 10155 (10233) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) – Lasteyrie du Saillant. 72 So z.B. Bayer, AG 2004, S. 534; Behrens, IPRax 2004, S. 20 (25); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2240 f.); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (27); Franzen, RdA 2004, S. 257 (262); Kanzleiter, DNotZ 2003, S. 885; Knapp, DNotZ 2003, S. 85 (90); Schulz/ Sester, EWS 2002, S. 545 (549); Schwark, AG 2004, S. 173 (177, 178); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Weller, IPRax 2003, S. 520 (522).

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gungsproblems weniger im europäischen Recht zu suchen, sondern schwerpunktmäßig auf das klassische nationale Kollisionsrecht abzustellen. So wurde in der Literatur bereits überlegt, ob nicht Art. 6 Satz 1 EGBGB73, Art. 34 EGBGB (gegebenenfalls in analoger Anwendung) oder die kollisionsrechtliche Lehre von den Eingriffsnormen74 als rechtliche Grundlage für einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit herangezogen werden können75. a) Art. 6 Satz 1 EGBGB als Erlaubnissatz Durchkämmt man die verschiedenen Ansätze des deutschen internationalen Privatrechts, so stößt man in erster Linie auf den so genannten ordre-publicVorbehalt des Art. 6 Satz 1 EGBGB. Bei diesem erscheint es auf den ersten Blick allerdings schon fraglich, ob er – die Tatbestandsseite einmal völlig außer Acht gelassen – von seiner Rechtsfolge her die Anwendbarkeit nationalen Mitbestimmungsrechts begründen könnte. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Mit derartigen Problematiken hatte sich zwar schon das Reichsgericht zu befassen. Die von ihm aufgestellte Formel, wonach es darauf ankommen sollte, ob die Unterschiede zwischen den staatspolitischen und den sozialen Anschauungen, auf denen das fremde und das konkurrierende deutsche Recht beruhten, so erheblich seien, dass durch die Anwendung des ausländischen Rechts die Grundlagen des deutschen staatlichen und gesellschaftlichen Lebens angegriffen würden76, erwies sich aber einerseits als wenig praktikabel und andererseits als zu eng gefasst77. Infolge dessen erkannte die höchstrichterliche Rechtsprechung die Notwendigkeit einer Neudefinition. Verdient gemacht hat sich um deren Entwicklung und praxisgerechte Umsetzung insbesondere der Vierte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, der sich mit dem Problemfeld gleich in einer ganzen Reihe von ___________ 73 So z.B. Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2242); Kindler, NJW 2003, S. 1073 (1079); Paefgen, DB 2003, S. 487 (489); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 106 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268 (292 f.); Schulz, NJW 2003, S. 2705 (2707, 2708); Ulmer, JZ 1999, S. 662 (665); vgl. auch Schulz/Sester, EWS 2002, S. 545 (551); Weller, IPRax 2003, S. 520 (522). 74 Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 111 ff.; vgl. auch Weller, IPRax 2003, S. 520 (522). 75 Zu allen Ansätzen Sandrock, AG 2004, S. 57 (58, 62 ff.). 76 RG 21.03.1905 – Rep. II 387/04, RGZ 60, S. 296 (300); RG 26.10.1932 – IX 304/32, RGZ 138, S. 214 (216). 77 In diesem Sinne BGH 17.09.1968 – IV ZB 501/68, BGHZ 50, S. 370 (375 f.).

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familienrechtlich eingebetteten Entscheidungen auseinandersetzen musste78. Wiederholt wurde dabei seitens der Bundesrichter betont, dass die bloße Abweichung einer ausländischen Regelung von den Normen der deutschen Verfassung oder des einfachen deutschen Rechts für sich genommen niemals als Verstoß gegen den deutschen ordre public aufgefasst werden könne79. Vielmehr greife das Verbot der Anwendung ausländischen Rechts unabhängig von dem formellen oder verfassungsrechtlichen Rang des Gesetzes, gegen dessen Zweck verstoßen sein könnte80, immer nur dann ein, wenn das Ergebnis der Anwendung in einer besonders gravierenden Weise dem Sinn und Zweck der deutschen Regelung zuwiderlaufe. Insgesamt sei deshalb entscheidend, ob im jeweiligen Einzelfall das Ergebnis der Anwendung des fraglichen ausländischen Rechtssatzes zu den Grundgedanken der entsprechenden deutschen Regelung und der in ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in einem so schwerwiegenden Widerspruch stehe, dass die Anwendung als unerträglich angesehen werden müsse81. Sollte man zu einer solchen Einschätzung eines ausländischen Mitbestimmungssystems gelangen82, so hätte die ordre-public-Klausel des EGBGB diesbezüglich eine negative, das heißt abwehrende Funktion83. Für den hier diskutierten Fall würde dies zunächst einmal nur bedeuten, dass die Entscheidung der Gründungsrechtsordnung für eine mitbestimmungsfreie Unternehmensverfassung – oder für ein Mitbestimmungsniveau, das qualitativ deutlich hinter demjenigen des deutschen Rechts zurückbleibt – von der Rechtsanwendung im Zuzugsstaat Deutschland ausgeschlossen wäre. Denn ___________ 78 Dazu die Entscheidungen BGH 17.09.1968 – IV ZB 501/68, BGHZ 50, S. 370 (375 f.); BGH 18.06.1970 – IV ZB 69/69, BGHZ 54, S. 123 (129 f.); BGH 18.06.1970 – IV ZB 6/70, BGHZ 54, S. 132 (140); BGH 12.05.1971 – IV AR (Vz) 38/70, BGHZ 56, S. 180 (191); BGH 20.06.1979 – IV ZR 106/78, BGHZ 75, S. 32 (43); vgl. ferner BGH 20.03.1963 – VIII ZR 130/61, BGHZ 39, S. 173 (176 f.). 79 BGH 18.06.1970 – IV ZB 69/69, BGHZ 54, S. 123 (129 f.). 80 BGH 18.06.1970 – IV ZB 6/70, BGHZ 54, S. 132 (140). 81 BGH 18.06.1970 – IV ZB 69/69, BGHZ 54, S. 123 (129 f.); BGH 18.06.1970 – IV ZB 6/70, BGHZ 54, S. 132 (140); BGH 20.06.1979 – IV ZR 106/78, BGHZ 75, S. 32 (43); ebenso BAG 24.08.1989 – 2 AZR 3/89, AP Nr. 30 zu IPR/Arbeitsrecht = BAGE 63, S. 17 (31 f.) = IPRax 1991, S. 407 (410 ff.) = NZA 1990, S. 841 (844) = SAE 1990, S. 317 (321 f.) mit Anm. Junker; BAG 29.10.1992 – 2 AZR 267/92, AP Nr. 31 zu IPR/ Arbeitsrecht = IPRax 1994, S. 123 (128) = NZA 1993, S. 743 (748) = SAE 1994, S. 28 (36) mit Anm. Junker und w. Nachw. aus der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. 82 Vgl. dazu allerdings auch die von Sandrock, AG 2004, S. 57 (62 f.) geäußerten Vorbehalte gegen eine solche Beurteilung des in einem anderen Mitgliedstaat herrschenden Mitbestimmungsniveaus. 83 Heldrich in: Palandt, BGB, (IPR) EGBGB Art. 6 Rdnrn. 3, 13; Neumayer in: Festschrift Dölle Bd. II, S. 179 ff.; Roth, NJW 1967, S. 134 (135 ff.); Sandrock, AG 2004, S. 57 (62); Sonnenberger in: MünchKomm BGB Bd. 10, EGBGB Art. 6 Rdnrn. 3, 9, 17; Vallindas, RabelsZ 18 (1953), S. 1 (3 ff.); vgl. Hohloch in: Erman, BGB Bd. II, EGBGB Art. 6 Rdnr. 2.

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auch und gerade in dem Fehlen einer Regelung im anderen Rechtssystem kann ein Verstoß gegen den Gedanken des deutschen ordre public liegen84. Die dadurch entstehende Regelungslücke kann freilich kaum durch analoge Anwendung anderer Rechtsnormen des Gründungsstaats (kollisionsrechtliche Lösung85) geschlossen werden, da sich das Fehlen eines Normensystems auf Unternehmensebene ja gerade als der maßgebliche Kritikpunkt im Verhältnis zum deutschen Verständnis einer funktionierenden öffentlichen Ordnung darstellen muss86. In diesem Ausnahmefall könnte dann zur Auffüllung der Regelungslücke sehr wohl deutsches Sachrecht (lex fori) in Gestalt der einschlägigen Mitbestimmungsgesetze als Ersatzrecht zur Anwendung kommen87 (materiellrechtliche Lösung88). b) Art. 34 EGBGB und die Lehre von den Eingriffsnormen Eine weitere möglicherweise taugliche Rechtsgrundlage hält das deutsche Kollisionsrecht mit dem Art. 34 EGBGB bereit. Nach dieser Vorschrift berührt der aus den Art. 27 bis 37 bestehende Unterabschnitt des EGBGB über die internationalen vertraglichen Schuldverhältnisse nicht die Anwendung solcher Regelungen des deutschen Rechts, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln. Eine direkte oder auch analoge Anwendung des Art. 34 EGBGB auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt verbietet sich allerdings schon vom methodischen Ansatz her. Für sich genommen zumindest unvollkommen ist zwar das Argu___________ 84

Heldrich in: Palandt, BGB, (IPR) EGBGB Art. 6 Rdnrn. 5, 13; Hohloch in: Erman, BGB Bd. II, EGBGB Art. 6 Rdnr. 14; vgl. aus der Rechtsprechung z.B. OLG Hamm 10.11.1958 – 15 W 561, 562/58, FamRZ 1959, S. 28 (29); LG Hannover 27.03.1969 – 9 T 4/68, FamRZ 1969, S. 668 (669). 85 Hohloch in: Erman, BGB Bd. II, EGBGB Art. 6 Rdnr. 26 mit Hinweis unter anderem auf RG 19.12.1922 – III 137/22, RGZ 106, S. 82 (85 f.); BGH 14.10.1992 – XII ZB 18/92, FamRZ 1993, S. 316 (318); OLG Hamm 29.04.1992 – 15 W 14/92, FamRZ 1993, S. 111 (115). 86 Vgl. OLG Zweibrücken 16.11.2001 – 2 UF 80/00, NJW-RR 2002, S. 581; Heldrich in: Palandt, BGB, (IPR) EGBGB Art. 6 Rdnr. 13. 87 Vgl. OLG Schleswig 31.05.2001 – 2 W 69/01, NJW-RR 2001, S. 1372; Heldrich in: Palandt, BGB, (IPR) EGBGB Art. 6 Rdnr. 13; Sonnenberger in: MünchKomm BGB Bd. 10, EGBGB Art. 6 Rdnr. 94; Weller, IPRax 2003, S. 520 (522, dort Fn. 28) mit w. Nachw.; vgl. aus der Rechtsprechung z.B. RG 28.03.1930 – 343/31 I, JW 1932, S. 591 f. mit Anm. Stulz; OLG Hamm 07.02.1977 – 22 U 93/76, NJW 1977, S. 1594 (1595); OLG Karlsruhe 02.03.1970 – 5 W 44/69, FamRZ 1970, S. 251 (254). 88 Hohloch in: Erman, BGB Bd. II, EGBGB Art. 6 Rdnr. 26 mit Hinweis unter anderem auf RG 19.12.1922 – III 137/22, RGZ 106, S. 82 (86); BGH 21.11.1958 – IV ZR 107/58, BGHZ 28, S. 375 (387); KG Berlin 06.11.1967 – 1 W 1904/67, NJW 1968, S. 361 (362).

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ment, das Recht der Unternehmensmitbestimmung gehöre dem Bereich entweder des Arbeitsrechts oder des Gesellschaftsrechts an und sei somit sicherlich nicht den Regelungen der vertraglichen Schuldverhältnisse im Sinne der Art. 27 ff. EGBGB zuzuordnen89. Im weitesten Sinne lassen sich auch hier nämlich sehr wohl gewisse Beziehungen zum Schuldvertragsrecht herstellen. So liegt es nicht unbedingt fern, darauf abzustellen, dass auch die Gesellschaft – und um die sozialadäquate Ausgestaltung ihrer Binnenorganisation ist das Mitbestimmungsrecht maßgeblich bemüht – zunächst einmal ein schuldrechtlicher Vertrag ist. Das ergibt sich schon aus der systematischen Stellung der Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im besonderen Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Natürlich stellt diese BGB-Gesellschaft eine mitbestimmungsfeindliche Personengesellschaft dar, die anders als die mitbestimmungstauglichen Kapitalgesellschaften nicht in jeglicher Hinsicht vom Bestand und vom Wechsel ihrer Gesellschafter unabhängig ist. Aber selbst wenn bei den Kapitalgesellschaften ihr Charakter als vertragsrechtliches Konstrukt zugunsten ihrer Eigenschaft als privatrechtliche Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit in den Hintergrund tritt, so ist und bleibt das Wesen der Kapitalgesellschaft ebenso maßgeblich durch den auch schuldrechtlich wirkenden Gesellschaftsvertrag bestimmt, dessen Abschluss sich neben der Registereintragung als ein tragendes Element der Gesellschaftsgründung offenbart (§§ 2 und 23 AktG, §§ 2 und 3 GmbHG). Nach der ausdrücklichen Ausnahmeregelung des Art. 37 Satz 1 Nr. 2 EGBGB sind jedoch die kollisionsrechtlichen Vorschriften über die vertraglichen Schuldverhältnisse nicht anzuwenden auf Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen. Im Rahmen einer Regelbeispielstechnik werden als solche Fragen neben der persönlichen gesetzlichen Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Schulden der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person vornehmlich benannt die Errichtung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen. Die deutsche Unternehmensmitbestimmung lässt sich unmittelbar unter diesen Ausschlusstatbestand subsumieren90. Durch sie wird, abweichend vom organisationsrechtlichen Normalfall, eine bestimmte Zusammensetzung des Aufsichtsrats der mitbestimmungspflichtigen Gesellschaft angeordnet. Des Weiteren verschieben sich zum Teil die Kompetenzen der mitbestimmten Gesellschaftsorgane im Verhältnis zur mitbestimmungsfreien Gesellschaft. Damit nimmt das Mitbestimmungsrecht unmittelbar Einfluss auf die innere Verfas___________ 89

So aber Sandrock, AG 2004, S. 57 (58, 63). Vgl. Franzen, RdA 2004, S. 257 (259); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 111. 90

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sung der mitbestimmungspflichtigen Gesellschaft im Sinne des gesetzlichen Ausnahmenkatalogs. Auf diese Weise ist es von der direkten Anwendbarkeit des Art. 34 EGBGB ausdrücklich ausgeschlossen und auch einer nur entsprechenden Anwendung der Norm steht das eindeutige gesetzliche Verbot entgegen. Zu einem mit dem Analogieschluss in jeder Hinsicht vergleichbaren Ergebnis kann man allerdings gelangen, wenn man im Anschluss an eine in der Literatur oft geäußerte Auffassung den Art. 34 EGBGB nur als eine auf den Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse beschränkte gesetzliche Niederlegung eines allgemeingültigen Rechtssatzes des internationalen Privatrechts begreifen möchte. Diese Theorie wird regelmäßig bezeichnet als die Lehre von den Eingriffsnormen. Die wesentliche Aussage jener Lehre liegt darin, dass ein allgemein gültiger Rechtsgedanke bestehe, dem zufolge bestimmte Normen des nationalen Sachrechts einen internationalen Sachverhalt ungeachtet des objektiven oder subjektiven Vertragsstatuts zwingend regeln wollen und können91. Gefordert wird von diesen Normen, dass sie auch für internationale Sachverhalte mit Inlandsbezug einen zwingenden Regelungscharakter haben, wie es in Art. 34 EGBGB für die Vorschriften über das vertragliche Schuldverhältnis deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Um die genaue Auslegung des kaum griffigen und mithin unbestimmten Tatbestandsmerkmals einer „zwingenden Regelung“ und ihre Grenzen besteht natürlich Streit. Fraglich ist in diesem Rahmen insbesondere, ob eine deutsche Sachnorm schon als zwingend im Sinne der beschriebenen Lehre verstanden werden darf, wenn sie nach ihrem Sinn und Zweck überwiegend dem Schutz privater und nicht öffentlicher Interessen zu dienen bestimmt ist. Bejaht hat dies im Kontext von Vorschriften des Verbraucherschutzes der Elfte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs92. Um den Regelungsbereich dieser Kollisionsnorm nicht zu überdehnen, wird abweichend von dessen Stellungnahme hingegen überwiegend befürwortet, dass ein zwingender Charakter nicht schon auf der Grundlage eines ausschließlichen Schutzes von Individualinteressen legitimiert werden kann, seien sie auch noch so schwerwiegend. Stattdessen soll es entscheidend darauf ankommen, dass die nationale Vorschrift Ausdruck einer (gewichtigen) sozial- oder wirtschaftspolitischen staatlichen Ordnungsvorstellung ist93. Zieht man den auf Art. 34 EGBGB bezogenen Art. 7 Abs. 2 des ___________ 91 So z.B. Franzen, RdA 2004, S. 257 (259); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr 111; Sandrock, AG 2004, S. 57 (63 ff.). 92 BGH 26.10.1993 – XI ZR 42/93, BGHZ 123, S. 380 (390 f.) = IPRax 1994, S. 449 (452). 93 BAG 24.08.1989 – 2 AZR 3/89, AP Nr. 30 zu IPR/Arbeitsrecht = BAGE 63, S. 17 (31 f.) = IPRax 1991, S. 407 (410 ff.) = NZA 1990, S. 841 (844) = SAE 1990, S. 317 (322) mit Anm. Junker; BAG 29.10.1992 – 2 AZR 267/92, AP Nr. 31 zu IPR/Arbeits-

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Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht94 (EGÜbk) vom 19. Juni 1980 als Auslegungshilfe heran, so findet man dort als Beispiele derartiger staatlicher Ordnungsvorstellungen etwa das Kartell- und Wettbewerbsrecht sowie das Recht zur Bekämpfung der den Wettbewerb beschränkenden Praktiken genannt. In den hier fokussierten Fällen kann der erforderliche Bezug zur inländischen Rechtsordnung gerade über den im Inland etablierten tatsächlichen Verwaltungssitz der zuziehenden ausländischen Kapitalgesellschaft sichergestellt werden. Unzweifelhaft dienen die deutschen Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf der Ebene des Unternehmens auch keinem individuellen Arbeitnehmerschutz, sondern sind durch eine weit darüber hinausgehende sozialpolitische Entscheidung des Bundesgesetzgebers geprägt. Wählt man für die Rechtfertigungsprüfung den Weg über die Lehre von den Eingriffsnormen, kommt es deshalb entscheidend allein darauf an, ob man dem deutschen Mitbestimmungsrecht und seiner sozialen Zielsetzung auch eine hinreichende Bedeutung für die staatliche Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland beimessen kann. c) Die tatsächliche Rolle des deutschen ordre public Die vorliegende Frage primär auf der Grundlage der jeweils einschlägigen nationalen Kollisionsrechte beantworten zu wollen, erscheint allerdings wenig überzeugend. Die überragende Bedeutung der nach modernem Verständnis in der Niederlassungsfreiheit enthaltenen Freizügigkeitsgewährleistungen und Anerkennungsgebote hat sich unzweifelhaft zum Dreh- und Angelpunkt der Debatte erhoben. Die entscheidende Schlacht wird also auf der Ebene des europäischen Rechts geschlagen. Den Rechtsnormen des deutschen internationalen Privatrechts kommt dabei als Rechtfertigungsgrund kein eigenständiger Gehalt zu. Deshalb werden sie im weiteren Verlauf der Untersuchung im Einzelnen nicht mehr berücksichtigt.

___________ recht = IPRax 1994, S. 123 (128) = NZA 1993, S. 743 (748) = SAE 1994, S. 28 (35) mit Anm. Junker; BAG 03.05.1995 – 2 AZR 15/94, AP Nr. 32 zu IPR/Arbeitsrecht = BAGE 80, S. 84 (92) = IPRax 1996, S. 416 (419) = NZA 1995, S. 1191 (1193) = SAE 1997, S. 31 (34) mit Anm. Magnus; BAG 12.12.2001 – 5 AZR 255/00, AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB n.F. mit Anm. Schlachter = IPRax 2003, S. 258 (261) = NZA 2002, S. 735 (737) = SAE 2002, S. 253 (256) mit Anm. Junker; Franzen, RdA 2004, S. 257 (259); Heldrich in: Palandt, BGB, (IPR) EGBGB Art. 34 Rdnr. 3 mit w. Nachw.; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 112; Sandrock, AG 2004, S. 57 (64); Sonnenberger, IPRax 2003, S. 104 (107). 94 BGBl. II 1986 S. 810.

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Zum einen hat nämlich selbst ein positiver Befund der Prüfung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser kollisionsrechtlichen Institute erfüllt sind, für sich genommen noch gar keine Aussagekraft bezogen auf die Schranken der Niederlassungsfreiheit. Vielmehr ist er deutlich von einem zweiten Problemfeld zu trennen, welches seinerseits im Europarecht wurzelt und durch ein vermeintliches Ausweichen auf die Erlaubnissätze des jeweiligen einzelstaatlichen Rechts keinesfalls umgangen werden darf. Internationales Privatrecht ist schlicht die Lehre von den nationalen Rechtssätzen für grenzüberschreitende Sachverhalte95. Das deutsche internationale Privatrecht präsentiert sich deswegen ebenfalls als einfaches formelles Gesetzesrecht eines Mitgliedstaates und muss als solches freilich seinerseits im Einklang mit dem höherrangigen Europarecht und auf diese Weise insbesondere auch mit der primärrechtlich kodifizierten Niederlassungsfreiheit selbst stehen96. Man spricht aus der europarechtlichen Perspektive vom Vorbehalt der Konkordanz mit den Grundfreiheiten97 und aus der Perspektive des einzelstaatlichen Rechts von der fehlenden Immunität98 des nationalen Kollisionsrechts gegen das Europarecht. Steht also ein kollisionsrechtliches Gebot, nach welchem ausnahmsweise auf einen zugezogenen Rechtsträger deutsches Sachrecht anzuwenden sein soll, wegen der Auswirkungen eben dieses Sachrechts auf den internationalen Sachverhalt im Widerspruch zu den Freiheitsrechten des EG-Vertrags, so kann dem deutschen Sachrecht natürlich wegen der Europarechtswidrigkeit dieses Befehls im Ergebnis gerade kein Anwendungsanspruch zukommen. Zum anderen hat der EuGH in seiner Rechtsprechung den Kreis der tauglichen Rechtfertigungsgründe wiederholt deutlich beschrieben99 und damit zu erkennen gegeben, dass er ihn auf die vorstehend genannten europarechtlichen Gesichtspunkte beschränkt verstanden wissen will100 (Ausschlussfunktion). Das ___________ 95

Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. II, § 1 IV. EuGH 23.11.1999 – Rs. C-369/96, C-376/96, EuGHE I 1999, S. 8453 ff. = RIW 2000, S. 137 ff. – Arblade und Leloup; Behrens, IPRax 2003, S. 193 (206); Ebke, JZ 2003, S. 927 (931); Jayme/Kohler, IPRax 2000, S. 454 (455); Weller, IPRax 2003, S. 520 (522). 97 Weller, IPRax 2003, S. 520 (523). 98 Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 109. 99 Vgl. EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 24, 31 f., EuGHE I 1999, S. 1459 (1492, 1494) – Centros mit w. Nachw.; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 107, 136, EuGHE I 2003, S. 10155 (10227, 10234) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) – Lasteyrie du Saillant; vgl. auch die Schlussanträge des GA Alber vom 30.01.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 113 ff., DB 2003, S. 377 (380 ff.) – Inspire Art. 100 Vgl. in diesem Sinne auch Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, S. 26 (28 f.): „Aus Sicht eines rechtsprechenden Organs ist damit größtmögliche Klarheit erreicht“. 96

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Europarecht folgt insofern seiner eigenen Dogmatik101. Ziel dieser Untersuchung ist es nicht, die Rechtsprechung des EuGH diesbezüglich kritisch zu würdigen, sondern vielmehr zu erörtern, welche Gestaltungsoptionen sich auf der Basis eben dieser als zutreffend unterstellten Rechtsprechung hinsichtlich der Unternehmensmitbestimmung in Deutschland ergeben. Wenn deshalb das nationale Kollisionsrecht, das seinerseits durch europäische Rechtssätze gebrochen werden kann102, im Folgenden nicht unmittelbar als Rechtsgrundlage eines in die grundfreiheitlichen Gewährleistungen einschneidenden Eingriffs herangezogen wird, so bedeutet das indessen nicht, dass seine Wertungen außer Betracht bleiben müssen. Maßgeblich orientieren sich diese nämlich an der Zugehörigkeit einer nationalen Rechtsvorschrift zum deutschen ordre public. Besonders deutlich wird dies in Art. 6 Satz 1 EGBGB. Wie gesehen, liegt ein vergleichbarer Gedanke (etwas besser verborgen) aber auch der kollisionsrechtlichen Lehre von den Eingriffsnormen und ihrer speziellen Ausprägung in Art. 34 EGBGB zugrunde. Der besagte ordre public setzt sich zusammen aus all denjenigen Rechtsnormen, die der deutsche Gesetzgeber zu zentralen Elementen seiner deutschen Rechtsordnung gemacht hat und deren uneingeschränkte Geltung daher im zum Wohl der Allgemeinheit unerlässlich ist. Dass jener Kerngedanke des deutschen Kollisionsrechts handfeste Parallelen zu dem europarechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrund von den zwingenden Gründen des Gemeinwohls aufweist, kann wohl kaum bestritten werden. Es liegt deshalb die Schlussfolgerung nahe, dass grundsätzlich die Niederlassungsfreiheit immer dann eingeschränkt werden kann, wenn ihre ungehinderte Entfaltung dazu führen würde, dass die tragenden Säulen der Rechtsordnung eines Mitgliedstaates angegriffen werden. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich gerade über den ordre-public-Gedanken, der für das internationale Privatrecht nahezu eines jeden Mitgliedstaates prägend ist. Sollte man das geltende Recht der Unternehmensmitbestimmung als einen Gegenstand der deutschen öffentlichen Ordnung in diesem Sinne begreifen, so legitimiert es die Sonderstellung, die das strenge deutsche Mitbestimmungsrecht im internationalen Vergleich einnimmt, noch lange nicht, wenn das Gemeinschaftsrecht gegenüber dem deutschen ordre public rücksichtslos durchgesetzt würde. Denn zum einen ist die ___________ 101

Vgl. in diesem Sinne auch Schön, ZHR 168 (2004), S. 268 (293), der auf der Suche nach einer Sonderanknüpfung zum Zwecke der Anwendung der deutschen Existenzvernichtungshaftung auf eine zugezogene Auslandsgesellschaft ebenfalls den Ansatz über die kollisionsrechtlichen Regelungen des nationalen Rechts (Art. 6 Satz 1 EGBGB) streng von europarechtlichen Lösungsmöglichkeiten („Selbstheilungskräfte des europäischen Gemeinschaftsrechts“) unterscheidet und ihn schließlich auch zugunsten letzterer Lösung verwirft. 102 Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (489 f.).

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die BRD

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Beteiligung von Arbeitnehmern auf Unternehmensebene wenigstens dem Ansatz nach nicht nur dem deutschen Recht bekannt. Zum anderen definiert sich die Europäische Gemeinschaft gerade wesentlich auch über ihre einzelnen Mitgliedstaaten, so dass den Besonderheiten der nationalen Rechtsordnungen in angemessenem Umfang Rechnung getragen werden muss. Auch insofern mag man also geneigt sein, von einem gewissen Wechselwirkungseffekt zu sprechen, diesmal zwischen der supranationalen Rechtsordnung, um deren effektive Um- und Durchsetzung gegenüber dem einzelstaatlichen Recht es geht (effet utile), und den Grundfesten der Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten, die zwar im Grundsatz gegenüber den europäischen Rechtssätzen nachrangig sind aber andererseits einem (vermeintlichen) Gemeinschaftsinteresse auch nicht völlig bedenkenlos geopfert werden können. Ein entgegenstehender zwingender Grund des Gemeinwohls im Sinne der Rechtsprechung des EuGH kann also auch bereits dann gegeben sein, wenn in dem alleinigen Abstellen auf die mitbestimmungsfeindlichen Normen des Gründungsstatuts ein Verstoß gegen das zwingende deutsche Gemeininteresse gesehen werden muss103. Ferner wurde in der einschlägigen Literatur schon darauf hingewiesen, dass sich aufgrund der Wortlautähnlichkeit ebenfalls eine wenigstens vordergründige Verwandtschaft des Art. 6 Satz 1 EGBGB mit der Schrankenklausel aus Art. 46 Abs. 1 EGV feststellen lässt. So erklärt letztere solche Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit als europarechtskonform, welche die öffentliche Ordnung oder öffentliche Sicherheit eines EG-Mitgliedstaates herstellen oder bewahren. Auch insofern zeichnet sich möglicherweise eine gewisse Überschneidung der Regelungsgegenstände der europarechtlichen Norm mit dem ordre-public-Vorbehalt ab104. Und schließlich wurde im Schrifttum herausgearbeitet, dass ein Anwendungsfall der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die EG-vertraglichen Grundfreiheiten auch und sogar vorrangig dann in Betracht kommt, wenn der Einsatz der Freiheitsrechte gerade dem Zweck dient, Rechtsnormen zu unterlaufen, die dem ordre public eines Mitgliedstaates angehören105. Vor diesem Hintergrund wird die seit jeher umstrittene Zugehörigkeit des Mitbestimmungsgesetzes, der Montanmitbestimmungsgesetze und des Drittelbeteili-

___________ 103 Sandrock, AG 2004, S. 57 (58): „Da der deutsche ordre public ebenfalls zum Schutz des deutschen Gemeinwohls berufen ist, stehen sich auch die vom EuGH entwickelten „zwingenden Gründe des (deutschen) Gemeinwohls“ einerseits und Art. 6, 34 EGBGB verwandtschaftlich nahe“. 104 Sandrock, AG 2004, S. 57 (58). 105 Sandrock, AG 2004, S. 57 (58).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

gungsstatuts zum deutschen ordre public eine zentrale Rolle auch für die anstehende Prüfung der europarechtlichen Rechtfertigungsgründe spielen. 3. Art. 46 Abs. 1 EGV als Grenze der Niederlassungsfreiheit Gemäß Art. 46 Abs. 1 EGV beeinträchtigen die im Kapitel über das Niederlassungsrecht zusammengefassten Vorschriften und die aufgrund derselben getroffenen Maßnahmen nicht die Anwendbarkeit solcher Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer – das bedeutet in diesem Zusammenhang für die nach Maßgabe ausländischer Rechtsordnungen gegründeten Gesellschaften – vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind106. Auf diese Weise kann dem Niederlassungsrecht unter anderem mit dem Argument der entgegenstehenden öffentlichen Ordnung begegnet werden. Der Sinn und Zweck dieser Regelung erschöpft sich aber nach herrschender Überzeugung in einer polizeiund ordnungsrechtlichen Funktion107, unter die sich gesellschafts- oder gar mitbestimmungsrechtliche Aspekte kaum subsumieren lassen werden. Das folgt in erster Linie aus einem Umkehrschluss aus dem vom EuGH anhand diverser Beispiele positiv beschriebenen Regelungsbereich der Lehre von den zwingenden Gründen des gemeinen Wohls. Wenn der EuGH diesen zweiten Rechtfertigungsgrund im Rahmen seiner Rechtsprechung immer wieder betont und beständig weiter entwickelt, dann ist auch anzunehmen, dass ihm eine eigenständige Bedeutung zukommt, die über die Vorbehaltsklausel des Art. 46 Abs. 1 EGV hinausragt108. Gleichzeitig ist zu beachten, dass jene Lehre von den Gemeinwohlinteressen als ungeschriebener Rechtssatz (Rechtsfortbildung) gegenüber einem ausdrücklich geschriebenen Vorbehalt nachrangig ist (Subsidiaritätsprinzip). Stellt also der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung wirtschaftsrechtlich relevante Fragen wie den Schutz von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern und auch Arbeitnehmern explizit als Gemeinwohlinteressen im Sinne der besonderen Rechtfertigungslehre dar109, so schließt das ihre gleichzeitige Zugehörigkeit zur öffentlichen Ordnung des Art. 46 EGV aus.

___________ 106 EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 17, EuGHE 1986, S. 2375 (2388) – Segers (zu Art. 56 EWGV a.F.). 107 So etwa Sandrock, AG 2004, S. 57 (65); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (459, 494) unter Hinweis auch auf Forsthoff, EWS 2001, S. 59 f. 108 Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (464). 109 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974).

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In diesem Sinne sind in der Rechtssache Inspire Art Ltd. auch die Bemerkungen des Generalanwalts110 zu der Frage zu verstehen, ob die niederländischen Vorschriften zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger (Mindestkapitalaufbringung und Mindestkapitalerhaltung) sowie zur Absicherung steuerrechtlicher Aspekte und der Lauterkeit des Handelsverkehrs sich gegenüber dem englischen Gründungsrecht der private limited company auf der Grundlage des Art. 46 Abs. 1 EGV durchsetzen können. Schlussanträge des GA Alber vom 30.01.2003111: „Der Schutz der Gläubiger ist in Art. 46 EGV nicht ausdrücklich erwähnt. Nach ständiger Rechtsprechung fällt er als Schutz wirtschaftlicher Interessen auch nicht unter die Begriffe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit. Eine Rechtfertigung nach Art. 46 EGV scheidet deshalb aus. Dasselbe gilt für die Gewährleistung der Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen und der Lauterkeit des Handelsverkehrs.“

Demzufolge kann die Eingliederung ausländischer Rechtsträger in das deutsche Mitbestimmungssystem nicht über den Vorbehalt des Art. 46 EGV legitimiert werden und auch die durch den ähnlichen Wortlaut ausgelöste Vermutung einer Verwandtschaft zwischen der EG-vertraglichen Klausel und der kollisionsrechtlichen ordre-public-Maxime bestätigt sich nicht. 4. Der Ansatz des Freiheitsmissbrauchs a) Missbrauch und legitimer Gebrauch der Grundfreiheiten Ebenfalls kein tauglicher Ansatz ist im vorliegenden Zusammenhang der Gedanke über den Missbrauch bzw. betrügerischen Gebrauch der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43, 48 EGV. Dieser wäre lediglich dann einschlägig, wenn die Gründung einer Gesellschaft nach dem Maßstab ausländischen Rechts und die darauf folgende Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes in das deutsche Inland einzig dem Zweck dienen würden, die Regelungen des deutschen Gesellschaftsrechts zu unterlaufen und eben dieser Zweck als Missbrauch der im EG-Vertrag gewährten Freiheitsrechte einzuordnen wäre. Dass dies mitnichten der Fall ist, hat der EuGH jedoch mehrfach in den einschlägigen Urteilen zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften betont, vor allem in den Rechtssachen Segers112, Centros113 und Inspire Art114. ___________ 110 Schlussanträge des GA Alber vom 30.01.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 113 f., DB 2003, S. 377 (380). 111 Fundstelle: DB 2003, S. 377 (380, dort Tz. 113 f.). 112 EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 16, EuGHE 1986, S. 2375 (2388). 113 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 27, 29, EuGHE I 1999, S. 1459 (1493 f.). 114 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 95, EuGHE I 2003, S. 10155 (10223).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Die vom Gerichtshof gelieferte Begründung wurde bereits zuvor geschildert115, so dass an dieser Stelle auf eine eingehende Wiederholung verzichtet werden kann. Zusammenfassend sei lediglich noch einmal angemerkt: Die Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EGV gewährt auch und gerade das Recht, zwischen den verschiedenen gesellschaftsorganisationsrechtlichen Systemen, welche die einzelnen Mitgliedstaaten in ihren jeweiligen nationalen Privatrechtsordnungen zu Verfügung stellen, frei zu wählen. Dieses Recht besteht ganz unabhängig davon, ob im schließlich auserkorenen Gründungsstaat auch die Geschäftstätigkeit des gegründeten Unternehmens entfaltet werden soll oder ob von vornherein geplant ist116, die Gesellschaft – gleichsam unter maximaler Ausnutzung der sekundären Niederlassungsfreiheit – lediglich als pseudo-foreign-corporation zu verwenden und tatsächlich ausschließlich in anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden117. Die Bezeichnungen pseudo-foreigncorporation oder Briefkastenmodell haben sich eingebürgert für Gesellschaften, deren einzige Anbindung an die Rechtsordnung ihres Herkunftsstaates in der von dieser zur Verfügung gestellten Rechtsform und gegebenenfalls in der Wahl des formellen Satzungssitzes liegt118. Die taktische Entscheidung, etwa einem in gewisser Hinsicht119 strengen deutschen Gesellschaftsrecht zugunsten eines liberaleren englischen Rechts den Rücken zu kehren, obgleich die Gesellschaft operativ wie verwaltungstechnisch nur auf deutschem Hoheitsgebiet Geschäftstätigkeit entfalten soll, ist kein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit120, sondern gerade der bloße Gebrauch ___________ 115

Vgl. dazu oben § 13 B. I. 2. Vgl. aber noch Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (256); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2234 f.); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2475). 117 Vgl. in diesem Sinne aus der Rechtsprechung EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 16, EuGHE 1986, S. 2375 (2388); EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 18, 27, 29, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491, 1493 f.); EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 95 ff., EuGHE I 2003, S. 10155 (10223 f.); aus der Literatur z.B. Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (163); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1236); Seibt in: Henssler/ Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 9; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (15). 118 EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 102, EuGHE I 2003, S. 10155 (10225). 119 Vgl. dazu die rechtsvergleichenden Untersuchungen von Kallmeyer, DB 2004, S. 636 ff.; Kanzleiter, DNotZ 2003, S. 885 ff.; Maul/C. Schmidt, BB 2003, S, 2297 ff.; auch Heckschen, GmbHR 2004, R 25. Kallmeyer (a.a.O.) etwa kommt zu dem Ergebnis, dass sich Vorzüge und Nachteile einer deutschen GmbH und einer englischen Ltd. im Kern die Waage halten, weil die Ltd. zwar bei den Faktoren Kapitalaufbringung und Anteilsübertragung obsiegt, während aber bei der GmbH mit Blick auf die Parameter Kapitalerhaltung und Organisationsverfassung Vorzüge zu verzeichnen sind. 120 Behrens, IPRax 2004, S. 20 (23); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (163 f.); Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, S. 2167 (2168 f.); Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (930); Schulz, NJW 2003, S. 2705 (2708); Schwark, AG 2004, S. 173 (178); Spindler/ Berner, RIW 2003, S. 949 (954). 116

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die BRD

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einer Freiheitsgarantie121, als deren rechtstatsächlich wohl wichtigste und interessanteste Materie sich aktuell eben die Freiheit der Wahl zwischen den verschiedenen Gesellschaftsrechtssystemen herauskristallisiert. So sehr einzelne Mitgliedstaaten den „Import“ ausländischer Gesellschaftstypen in den räumlichen Geltungsbereich ihrer nationalen Rechtsordnung subjektiv auch als Umgehungstatbestand empfinden mögen, sind sie angesichts der mittlerweile wenigstens im Grundsatz geklärten Auswirkungen der Art. 43, 48 EGV aus dem Missbrauchsgedanken heraus nicht berechtigt, einem solchen Verhalten entgegenzuwirken122. Ein Wettbewerb zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten123 ist bis zu der noch ausstehenden Rechtsharmonisierung nicht nur ein unerwünschter Nebeneffekt der Niederlassungsfreiheit, sondern sogar eines ihrer zentralen Elemente124. Mit Nachdruck wurde eine dahingehende Auslegung der Niederlassungsfreiheit bereits von den Generalanwälten im Rahmen der Schlussanträge in den Rechtssachen Segers und Centros gefordert125. Generalanwalt Darmon kam zu dem Schluss, die Ausnutzung der Nachgiebigkeit des englischen Gesellschaftsrechts liege durchaus auf der Linie der Logik der durch den EWG-Vertrag garantierten Rechte126. Und Generalanwalt La Pergola ließ sogar ausdrücklich eben das Stichwort vom Wettbewerb der normativen Systeme (competition among rules) fallen127. In diesem Sinne führte dann auch der EuGH in seiner Entscheidung Centros aus dem Jahr 1999 aus: ___________ 121

EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 16, EuGHE 1986, S. 2375 (1388); EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 18, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491); EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 96, EuGHE I 2003, S. 10155 (10224); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (163 f., 179); Meilicke, GmbHR 2003. S. 1271; Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1236); Spindler/Berner, RIW 2003, S. 949 (954). 122 Behrens, IPRax 2004, S. 20 (23); Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, S. 2167 (2168 f.); Schulz, NJW 2003, S. 2705 (2708). 123 So schon BGH 30.03.2000 – VII ZR 370/98, DB 2000, S. 1114 ff. = EWS 2000, S. 278 ff. = GmbHR 2000, S. 715 ff. = ZIP 2000, S. 967 f.; Heine, Regulierungswettbewerb im Gesellschaftsrecht (2003); Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen im Europäischen Binnenmarkt (2002). 124 Vgl. Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, S. 2167 (2169); Meilicke, GmbHR 2003, S. 1271. In diesem Sinne sind auch die Ausführungen des Gerichtshofs in EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 26, EuGHE I 1999, S. 1459 (1493) – Centros und EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 137, EuGHE I 2003, S. 10155 (10234) – Inspire Art zu verstehen. 125 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (164, dort Fn. 25). 126 Schlussanträge des GA Darmon vom 10.06.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 6, EuGHE 1986, S. 2375 (2380 f.) – Segers; ebenso unter Berufung auf diese Äußerung GA La Pergola in seinen Schlussanträgen vom 16.07.1998 – Rs. C-212/97 – Tz. 20, EuGHE I 1999, S. 1459 (1478 f.) – Centros. 127 Schlussanträge des GA La Pergola vom 16.07.1998 – Rs. C-212/97 – Tz. 20, EuGHE I 1999, S. 1459 (1479) – Centros.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

EuGH, Urteil vom 09.03.1999128: „Dass die Eheleute Bryde die Centros im Vereinigten Königreich zu dem Zweck gegründet haben, das dänische Recht über die Einzahlung eines Mindestgesellschaftskapitals zu umgehen, was weder in den schriftlichen Erklärungen noch in der mündlichen Verhandlung bestritten wurde, ändert ebenfalls nichts daran, dass die Gründung einer Zweigniederlassung in Dänemark durch diese britische Gesellschaft unter die Niederlassungsfreiheit im Sine der Artikel 52 und 58 EGV129 fällt. Die Frage der Anwendung der Artikel 52 und 58 EGV130 ist nämlich eine andere als die, ob ein Mitgliedstaat Maßnahmen ergreifen kann, um zu verhindern, dass sich einige seiner Staatsangehörigen unter Missbrauch der durch den EGVertrag geschaffenen Erleichterungen der Anwendung des nationalen Rechts entziehen.“

Und in den Urteilsgründen der Rechtssache Inspire Art heißt es: EuGH, Urteil vom 30.09.2003131: „Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass es für die Anwendung der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit ohne Bedeutung ist, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur errichtet wurde, um sich in einem zweiten Mitgliedstaat niederzulassen, in dem die Geschäftstätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich ausgeübt werden soll132. Die Gründe, aus denen eine Gesellschaft in einem bestimmten Mitgliedstaat errichtet wird, sind nämlich, sieht man vom Fall des Betruges ab, für die Anwendung der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit irrelevant133. Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur gegründet wurde, um in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, keinen Missbrauch darstellt, und zwar auch dann nicht, wenn die betreffende Gesellschaft ihre Tätigkeiten hauptsächlich oder ausschließlich in diesem zweiten Staat ausübt134. Hieraus folgt, dass diese Gesellschaften das Recht haben, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Zweigniederlassung auszuüben, wobei ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung, ebenso wie die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen, dazu dient, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaats zu bestimmen135. Somit schließt im Ausgangsverfahren der Umstand, dass die Inspire Art im Vereinig-

___________ 128

Fundstelle: EuGHE I 1999, S. 1459 (1491, dort Tz. 18). Anm.: jetzt Art. 43, 48 EGV. 130 Anm.: jetzt Art. 43, 48 EGV. 131 Fundstelle: EuGHE I 2003, S. 10155 (10223 f., dort Tz. 95 bis 98). 132 Es folgt im Originaltext des Urteils ein Hinweis auf EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 16, EuGHE 1986, S. 2375 (2388) – Segers; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 17, EuGHE I 1999, S. 1459 (1490) – Centros. 133 Es folgt im Originaltext des Urteils ein Hinweis auf EuGH 09.03.1999 – Rs. C212/97 – Tz. 18, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros. 134 Es folgt im Originaltext des Urteils ein Hinweis auf EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 16, EuGHE 1986, S. 2375 (2388) – Segers; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 18, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros. 135 Es folgt im Originaltext des Urteils ein Hinweis auf EuGH 28.01.1986 – Rs. 270/83 – Tz. 18, EuGHE 1986, S. 273 (304) = NJW 1987, S. 569 (570) – Kommission/ Frankreich; EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 13, EuGHE 1986, S. 2375 (2387) – Segers; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 20, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros. 129

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die BRD

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ten Königreich gegründet wurde, um die Vorschriften des niederländischen Gesellschaftsrechts zu umgehen, das unter anderem bezüglich des Mindestkapitals und der Einzahlung der Aktien strengere Voraussetzungen enthält, nicht aus, dass die Errichtung einer Zweigniederlassung dieser Gesellschaft in den Niederlanden unter die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EGV fällt.“

b) Der Fall Vierländer Bau Union Ltd. (AG Hamburg) Wenngleich das vermeintliche Schlupfloch des Missbrauchsverbots mit Blick auf das weite Verständnis des EuGH vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit wohl praktisch von den Mitgliedstaaten kaum noch genutzt werden kann, lassen diese Ausführungen freilich nicht den Schluss zu, dass die Verwendung einer ausländischen Rechtsform für das im Inland geführte Unternehmen sich wirklich in keinem Fall mehr dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ausgesetzt sehen kann. Abzustellen ist auch insofern immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls136. So hat etwa das Amtsgericht Hamburg137 in seiner jüngeren Rechtsprechung in der Rechtssache Vierländer Bau Union Ltd. bereits erwogen, dass ein Missbrauchstatbestand mit Blick auf den Aspekt des Kapital- bzw. Gläubigerschutzes dann gegeben sein kann, wenn etwa die Rechte und Verbindlichkeiten aus der unternehmerischen Tätigkeit derart aufgespalten werden, dass die Aktiva einer nach deutschem Recht gegründeten inländischen GmbH zugewiesen werden, während allein eine ausländische Briefkastengesellschaft ohne nennenswertes eigenes Kapital für die gleichzeitig begründeten Verbindlichkeiten einzustehen hat138. Als Insolvenz___________ 136

Vgl. die Schlussanträge des GA Alber vom 30.01.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 117, DB 2003, S. 377 (380) – Inspire Art; Schwark, AG 2004, S. 173 (178). 137 AG Hamburg 14.05.2003 – 67g IN 358/02, BB 2003, S. 1457 f. = GmbHR 2003, S. 957 = NJW 2003, S. 2835 f. – Vierländer Bau Union Ltd.; vgl. dazu auch Weller, IPRax 2003, S. 520 ff. und Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (463), der daneben noch auf Fälle der Existenzvernichtungshaftung (BGH 17.09.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, S. 10 ff. = ZIP 2001, S. 1874 ff. – Bremer Vulkan) hinweist: a.a.O., S. 463 f. und 484 ff.; vgl. dazu wiederum vertiefend Weller, IPRax 2003, S. 207 ff.; ferner Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2242); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (26); Meilicke, GmbHR 2003, S. 1271 (1272); Wachter, GmbHR 2003, S. 1254 (1257); Zimmer, NJW 2003, S. 3585 (3588 f.). 138 Vgl. allgemein zu dem – als alternativer Ansatzpunkt für die Fälle des Gläubigerschutzes in Betracht kommenden – Rechtsinstitut der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs BGH 17.09.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, S. 10 ff. = ZIP 2001, S. 1874 ff. – Bremer Vulkan; BGH 25.02.2002 – II ZR 196/00, NJW 2002, S. 1803 ff. = ZIP 2002, S. 848 ff.; BGH 24.06.2002 – II ZR 300/00, GmbHR 2002, S. 902 mit Anm. Schröder = JZ 2002, S. 1047 ff. mit Anm. Ulmer = ZIP 2002, S. 1578 ff. – KBV; LAG Köln 20.06.2003 – 4 Sa 128/03, ZIP 2003, S. 1893 ff. mit Anm. Hölzle; aus der Literatur Altmeppen, ZIP 2001, S. 1837 ff.; Altmeppen, NJW 2002, S. 321 ff.; Altmeppen, ZIP 2002, S. 961 ff.; Altmeppen, ZIP 2002, S. 1553 ff.; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rdnrn. 72 ff.; Benecke, BB 2003, S. 1190 ff.; Bitter, WM 2001, S. 2133

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

gericht hatte das Amtsgericht nun über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ausschließlich in Deutschland operierenden Auslandsgesellschaft zu entscheiden139. Im konkreten Sachverhalt wurde der Weg der Aufspaltung von vorteilhaften und nachteiligen Vermögenspositionen auf die beiden genannten Rechtsträger solange verfolgt, bis schließlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Briefkastengesellschaft – auch hier handelte es sich um eine englische private limited company mit einem Stammkapital von lediglich einhundert britischen Pfund – mangels Masse zurückgewiesen wurde. Das Amtsgericht kam zu dem Schluss, die beschriebene „Betriebsaufspaltung“140 führe kombiniert mit der Tatsache, dass sämtliche Gläubiger nun ausgerechnet auf die als solvente Schuldnerin von Anfang an überhaupt nicht taugliche Auslandsgesellschaft angewiesen seien, dazu, dass sich die Gesellschafter der Limited auf die ihnen nach englischem Recht eigentlich zustehende Haftungsbeschränkung nicht berufen können141. Das Verfahren ist mittlerweile rechtskräftig abgeschlossen, obschon die Tragfähigkeit der Entscheidungsgründe äußerst fragwürdig ist. So sehr das subjektive Gerechtigkeitsempfinden durch derartige Konstruktionen auch verletzt werden mag, muss sich nämlich doch die Frage erheben, ob es in der beschriebenen Konstellation überhaupt auf die Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit entscheidend ankommt. Schließlich wäre ein vergleichbares Modell der getrennten Zuweisung von Aktiva und Passiva aus demselben Unternehmen auch im Falle der Verwendung zweier nach deutschem Recht gegründeter Gesellschaften denkbar142, so dass der Einsatz ausgerechnet einer Auslandsgesellschaft im Fall Vierländer Bau Union Ltd. als solcher für etwaige Schäden der Gläubiger gewissermaßen gar nicht kausal geworden ist. Ohnehin kann aber eine Beurteilung, ob damit die Grenze des europarechtlich zulässigen Freiheits___________ ff.; Drygala, GmbHR 2003, S. 729 ff.; Goette, DStR 2002, S. 1010 ff.; Haas, WM 2003, S. 1929 ff.; Henze, NZG 2003, S. 649 (656 f.); Hoffmann, NZG 2002, S. 68 ff.; Hölzle, ZIP 2004, S. 1729 ff.; Keßler, GmbHR 2001, S. 1095 ff.; Keßler, GmbHR 2002, S. 945 ff.; Koppensteiner in: Festschrift Honsell, S. 607 ff.; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402 ff.; Lutter/Banerjea, ZIP 2003, S. 2177 ff.; Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rdnrn. 15 ff.; Mödl, JuS 2003, S. 14 ff.; Nassall, ZIP 2003, S. 969 ff.; Röhricht in: Festschrift BGH, S. 83 ff.; Römermann/Schröder, GmbHR 2001, S. 1015 ff.; Roth, NZG 2003, S. 1081 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, S. 3577 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268 ff.; Schröder, GmbHR 2002, S. 904 ff.; Ulmer, ZIP 2001, S. 2021 ff.; Vetter, ZIP 2003, S. 601 ff.; Westermann, NZG 2002, S. 1129 ff.; Wiedemann, ZGR 2003, S. 283 ff.; Wilhelm, NJW 2003, S. 175 ff.; Wilhelmi, DZWIR 2003, S. 45 ff.; Wilken, DB 2001, S. 2383 ff. 139 Weller, IPRax 2004, S. 520 (521). 140 Vgl. auch Weller, IPRax 2003, S. 520 (523). 141 Vgl. Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003 S. 2167 (2171). 142 Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (26).

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gebrauchs überschritten ist, hier offen bleiben. Ein vergleichbarer Fall, der einen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit nahe legt mit dem Ziel, mitbestimmungsrechtliche Regelungen zu unterlaufen, ist schwerlich vorstellbar143. Und selbst wenn dies einmal der Fall sein sollte, würde eine solche ungemein exotische Konstellation bei der Beantwortung der Frage, ob das nationale Recht der Unternehmensmitbestimmung erfolgreich dahingehend modifiziert werden kann, dass es gerade im Regelfall auch auf importierte Auslandsgesellschaften Anwendung findet, kaum weiter führen. c) Die Kollision von Missbrauchsvorwurf und dem Dogma des effet utile Außerdem ist allgemein zu berücksichtigen, dass der EuGH nicht nur in seiner bisherigen Rechtsprechung mit der Annahme von Missbrauchsfällen äußerst restriktiv umgegangen ist. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass der Missbrauchsgedanke auch zukünftig nur in besonders extrem gelagerten Ausnahmefällen überhaupt vom Gerichtshof in Betracht gezogen werden wird. Anderenfalls bestünde nämlich die nahe liegende Möglichkeit, dass die Zielsetzung des effet utile – also der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts – als eine der tragenden Säulen des Gemeinschaftsrechts durch den Missbrauchsvorwurf langsam aber sicher unterwandert wird144. Der Einzelne kann von seinen EG-vertraglich begründeten Freiheiten nur dann sinnvoll und vollumfänglich Gebrauch machen, wenn es den jeweiligen Mitgliedstaaten verweigert wird, eben dieses Vorgehen regelmäßig als Freiheitsmissbrauch einzuordnen145.

___________ 143 Überdies wird zu bedenken gegeben, dass auch ausländische Rechtsordnungen, die auf dem Boden der Gründungstheorie über eine grenzüberschreitende Sitzverlegung hinaus weiter Geltung für den unter ihrem Regime errichteten Rechtsträger beanspruchen, regelmäßig Schutzmechanismen kennen werden, die sich zwar vom Recht des Zuzugsstaates unterscheiden, in der Sache aber doch identische Ziele verfolgen (z.B. Handelndenhaftung anstelle eines Mindestkapitalerfordernisses, gesteigerter Gläubigerschutz in der Insolvenz der Gesellschaft). Allein deren Existenz wird im Grundsatz gegen die Annahme eines Missbrauchsfalls sprechen; vgl. Schwark, AG 2004, S. 173 (178) unter Hinweis auf Hirsch/Britain, NZG 2003, S. 1100 (1102). Vgl. allerdings zu der Besonderheit des englischen Kapitalgesellschaftsrechts, welches als Gläubigerschutzinstrument unter anderem eine öffentlich-rechtliche Staatsaufsicht über die Kapitalgesellschaften kennt, die aber nach einem Umzug von Gesellschaften in das Ausland leer läuft, Altmeppen, NJW 2004, S. 97 (99); Schön, ZHR 168 (2004), S. 268 (291). 144 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (179): „Der Missbrauchsgedanke ist gleichsam der natürliche Feind des vom EuGH stets hervorgehobenen effet utile-Gedankens. Es ist offensichtlich, dass das Gemeinschaftsrecht seine Wirkung umso weniger entfalten kann, je mehr seine Anwendung oder das Gebrauchmachen der von ihm eröffneten Freiheiten als Missbrauch gewertet wird.“ 145 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (179).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Mehr noch gilt vor allem auch im gesellschaftsrechtlichen Zusammenhang, dass letztlich schon die Notwendigkeit der Führung jahrelanger Prozesse die Aussichten auf ein freies Wirtschaften im europäischen Binnenmarkt faktisch erheblich einengt und die umfassende Ausnutzung der Grundfreiheiten erschwert. Denn schließlich macht eine ganze Reihe von Faktoren mehr als deutlich, dass aktuell im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Maßnahmen der Unternehmensumstrukturierung die beteiligten Rechtsträger in erheblichem Maße Gefahr laufen, in einen entsprechenden Rechtsstreit hineingezogen zu werden. Zu nennen sind vornehmlich  die Welle von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und die entsprechenden vor- und nachgelagerten Entscheidungen der nationalen Gerichte zur Niederlassungsfreiheit (Daily Mail, Centros, Überseering, Inspire Art, Lasteyrie du Saillant sowie zuletzt das auf Vorlage des LG Koblenz146 vom EuGH entschiedene Verfahren147 zur Unvereinbarkeit des § 1 Abs. 1 UmwG und seiner Selbstbeschränkung auf Rechtsträger mit Sitz im Inland mit der Niederlassungsfreiheit der juristischen Person),  die nicht weniger bedeutsamen Urteile zur Gewährleistung der Freizügigkeit des Kapitalverkehrs gemäß Art. 56 EGV148. Diese betreffen die Problematik der so genannten Goldenen Aktien (golden shares). Unter diesem Stichwort wird eine Reihe von Vertragsverletzungsverfahren zusammengefasst, welche die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in den letzen Jahren gegen verschiedene Mitgliedstaaten (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Portugal, Spanien) vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet hat. Gegenstand der Entscheidungen war die Frage, ob bestimmte Regelungen der Mitgliedstaaten die in Art. 56 EGV kodifizierte Kapitalverkehrsfreiheit verletzen. Verallgemeinernd wurde ein Verstoß dann in Betracht gezogen, wenn die besagten Mitgliedstaaten auf gesetzlichem Wege ver___________ 146

LG Koblenz 16.09.2003 – 4 HK.T 1/03, ZIP 2003, S. 2210 – Sevic. EuGH 13.12.2005 – Rs. C-411/03, ZIP 2005, S. 2311 ff. – Sevic. 148 Vgl. dazu die Entscheidungen Goldene Aktien I (Energieversorgung in Belgien): EuGH 04.06.2002 – Rs. C-503/99, BB 2002, S. 1286 f. = EuGHE I 2002, S. 4809 ff. = EuZW 2002, S. 429 ff. = NJW 2002, S. 2303 ff. = NZG 2002, S. 624 ff. – Kommission/ Belgien; Goldene Aktien II (Energieversorgung in Frankreich): EuGH 04.06.2002 – Rs. C-483/99, BB 2002, S. 1284 ff. = EuGHE I 2002, S. 4781 ff. = NJW 2002, S. 2305 f. – Kommission/Frankreich (Elf Aquitaine); Goldene Aktien III (Portugiesische Sonderstimmrechte in privatisierten Unternehmen): EuGH 04.06.2002 – Rs. C-367/98, BB 2002, S. 1282 ff. = EuGHE I 2002, S. 4731 ff. = EuZW 2002, S. 437 ff. = NJW 2002, S. 2306 f. = NZG 2002, S. 632 ff. – Kommission/Portugal; Goldene Aktien IV (System vorheriger Genehmigungen in Spanien): EuGH 13.05.2003 – Rs. C-463/00, EuGHE I 2003, S. 4581 ff. = NJW 2003, S. 2663 ff. = NZG 2003, S. 679 ff. – Kommission/Spanien (Repsol); Goldene Aktien V (Flugverkehrskontrolle in Großbritannien): EuGH 13.05.2003 – Rs. C-98/01, EuGHE I 2003, S. 4641 ff. = NJW 2003, S. 2666 ff. = NZG 2003, S. 685 ff. – Kommission/Großbritannien (BAA). 147

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die BRD

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suchten, die Übernahme staatlicher Beteiligungen an Unternehmen etwa aus den Sektoren der Energieversorgung, des Transportwesens und der Bankenbranche durch private Investoren aus dem EG-Ausland abzuwehren. Als Goldene Aktie werden also Regelungen bezeichnet, welche bei der Privatisierung staatlicher Unternehmen dem Staat Sonderrechte gewähren149 mit dem Ziel, ihm ein Vetorecht gegen Übernahmen insbesondere durch etwaige ausländische Konkurrenten zu verschaffen150. Hinzu kommt  die umfangreiche Resonanz seitens der Wissenschaft auf diese europarechtlich verankerten Problemkreise des Wirtschaftsrechts151. Bis sich diese Tendenz umkehrt, kann tatsächlich von einer effektiven Nutzbarkeit des Gemeinschaftsrechts durch die betroffenen Unternehmen wohl kaum noch die Rede sein. Schon deswegen wird der EuGH auch in Zukunft bemüht sein klarzustellen, dass das Argument einer missbräuchlichen Berufung auf die Niederlassungsfreiheit und andere Grundfreiheiten zwar theoretisch die Begrenzung jener Freiheitsrechte im Einzelfall rechtfertigen mag, praktisch aber eben nur in absoluten Ausnahmefällen bei den Luxemburger Richtern mit Erfolg Gehör finden wird. Über die Lehre vom Missbrauch der Niederlassungsfreiheit kann die Anwendung deutschen Mitbestimmungsrechts auf eine ausländische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland jedenfalls nicht begründet werden. 5. Der Arbeitnehmerschutz als zwingender Grund des Gemeinwohls Der EuGH erkennt, wie gesehen, allerdings durchaus an, dass die Niederlassungsfreiheit in zulässiger Weise auch dann beschnitten werden kann, wenn gegen die uneingeschränkte Verwirklichung des Freiheitsrechts ein Gegengrund vorgebracht werden kann, dessen Vorrang vor dem Freiheitsgebrauch des Einzelnen sich zwingend aus einem allgemeinen Interesse bzw. aus Gründen des gemeinen Wohls ableiten lässt152. Potentiell sieht der Gerichtshof sol___________ 149

Kilian, NJW 2003, S. 2653. EuGH 04.06.2002 – Rs. C-503/99, NJW 2002, S. 2303 – Kommission/Belgien. 151 Vgl. zur Problematik der Goldenen Aktien Armbrüster, JuS 2003, S. 224 ff.; Bayer, BB 2002, S. 2289 ff.; Bayer, BB 2004, S. 1 (2 ff.); Ebke/Traub, EWS 2002, S. 335; Grundmann/Möslein, ZGR 2003, S. 317 ff.; Kilian, NJW 2003, S. 2653 ff.; Krause, NJW 2002, S. 2747 ff.; Ruge, EuZW 2002, S. 421 ff.; Ruge, EuZW 2003, S. 540 ff.; Spindler, RIW 2003, S. 850 ff.; Paefgen, GmbHR 2004, S. 463 (472 ff.). 152 EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 31 f., EuGHE I 1999, S. 1459 (1494) – Centros; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 107, EuGHE I 2003, S. 10155 (10227) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) – Lasteyrie du Saillant; Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, S. 26 (28); Behrens, IPRax 2004, S. 20 (25); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2241); Eidenmüller, JZ 2004, 150

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

che Gegengründe etwa in einem Schutzbedürfnis der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter und desgleichen des Fiskus153. Daneben nennt er ausdrücklich ebenso die Interessen der Arbeitnehmer154. Ob das Unternehmensmitbestimmungsrecht nun gerade klassisches Arbeitnehmerschutzrecht darstellt, soll an dieser Stelle einmal dahinstehen. In jedem Fall ist sein tragender Gedanke, dass den Arbeitnehmern als Mitgliedern des Sozialverbands Unternehmen über die betrieblichen Beteiligungsrechte hinaus in gewissem Umfang eine Einflussnahme auf die Lenkung des Geschicks „ihres“ Unternehmens zugebilligt werden muss155. Ein aus sozialer Sicht anerkennenswertes Interesse an dieser Handhabe wird man den Arbeitnehmern wohl kaum absprechen können. Achtet man jedoch präzise auf die vom EuGH gewählte Terminologie, ist es natürlich eine völlig andere Frage, ob jenes Interesse derart hoch bewertet werden kann, dass sich die Notwendigkeit seiner Berücksichtigung geradezu zwingend ergibt. Denn nur dann darf es als europarechtlich relevanter Rechtfertigungsgrund herangezogen werden. Wie eingangs bereits dargelegt wurde, kann diese weiterführende Frage möglicherweise unter der Voraussetzung bejaht werden, dass sich die Rechtsfigur der Unternehmensmitbestimmung als ein Element der deutschen öffentlichen Ordnung im kollisionsrechtlichen Sinne erweist. Insofern sind die Anforderungen des Europarechts einerseits und des deutschen internationalen Privatrechts andererseits wenigstens im Ausgangspunkt deckungsgleich. Die Klassifizierung des Mitbestimmungsrechts als Teil der unentbehrlichen, geradezu staatstragenden Säulen der deutschen Rechtsordnung ist nun derzeit umstrittener denn je. a) Die Beurteilung des Mitbestimmungsrechts in der Rechtsprechung Diejenigen Stimmen in der Literatur, die die Zugehörigkeit des Mitbestimmungsrechts zum deutschen ordre public befürworten, stützen sich üblicherweise auf Erwägungen, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seines ___________ S. 24 (27); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159 (169 f.); Franz, EuZW 2004, S. 270 (272); v. Halen, WM 2003, S. 571 (573); Kanzleiter, DNotZ 2003, S. 885; Knapp, DNotZ 2003, S. 85 (90); Koch/Köngeter, Jura 2003, S. 692 (697); G. Kraft/Müller, RIW 2004, S. 366 (369); Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (929); Lutter, BB 2003, S. 7 (9); Merkt, RIW 2004, S. 1 (6); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (464 f.); Sandrock, AG 2004, S. 57 (58 f.); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (32, dort Fn. 22); Schulz/Sester, EWS 2002, S. 545 (549); Schwark, AG 2004, S. 173 (177); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (15); Weller, IPRax 2003, S. 520 (522). 153 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974); Leible, ZGR 2004, S. 531 (533). 154 EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 92, EuGHE I 2002, S. 9919 (9974). 155 Vgl. oben § 1 B. I. 1.

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Mitbestimmungsurteils156 anstellte, sowie auf die (auf jene Entscheidung Bezug nehmende) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs157 in Sachen Siemens. Die jeweiligen Gerichte heben in ihren Urteilsbegründungen den besonders hohen rechtlichen und gesellschaftspolitischen Rang heraus, den sie der deutschen Unternehmensmitbestimmung zuerkennen – in den konkreten Fällen pars pro toto158 entschieden am Beispiel des Mitbestimmungsgesetzes 1976. aa) Das Mitbestimmungsurteil des Bundesverfassungsgerichts Wegweisende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem so genannten Mitbestimmungsurteil aus dem Jahr 1979 zu. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in mehreren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren mit der Vereinbarkeit der grundlegenden Normen des Mitbestimmungsgesetzes 1976159 mit dem Grundgesetz auseinanderzusetzen160. Als Prüfungsmaßstab dienten ihm dabei verschiedene Grundrechte, auf die sich die Beschwerdeführer zugunsten der unternehmenstragenden juristischen Personen sowie deren Anteilsinhaber beriefen. Namentlich wurde in Betracht gezogen eine Verletzung  der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG161,  der Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG162,  der Koalitionsfreiheit und der Garantie der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 GG163,  der so genannten Wirtschaftsgrundrechte, also der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG164, die im wirtschaftrechtlichen Kontext die verfassungsrechtlichen ___________ 156

BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., AG 1979, S. 95 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG = BVerfGE 50, S. 290 ff. = NJW 1979, S. 699 ff. 157 BGH 25.02.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, S. 106 ff. – Siemens; anderer Ansicht in der Berufungsinstanz noch OLG München 29.04.1981 – 20 U 1464/80, NJW 1981, 2201 ff. – Siemens. 158 Vgl. Sandrock, AG 2004, S. 57 (60): „Das BVerfG hatte damit ... das Mitbestimmungsgesetz von 1976 – und damit wohl auch die anderen mitbestimmungsrechtlichen Regelungen des deutschen Rechts – als zum Dienste am „Wohl der Allgemeinheit“ für geeignet und auch als dafür erforderlich erklärt.“ 159 Konkret: § 7 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 31 MitbestG. 160 BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (294). 161 Vgl. BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (339 ff.). 162 Vgl. BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (353 ff.). 163 Vgl. BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (366 ff.). 164 Vgl. BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (361 ff.).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Grundlagen der unternehmerischen Betätigungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit darstellen, sowie schließlich  des Rechtsstaatsprinzips, Art. 20 Abs. 3 GG165 und  des Gleichheitssatzes, Art. 3 Abs. 1 GG166. Einen Schwerpunkt seiner Prüfung setzte das Bundesverfassungsgericht bei der möglichen Verletzung der Eigentumsgarantie. Dort fielen auch letztlich in den Urteilsgründen die entscheidenden Worte, die auf die Zugehörigkeit der Unternehmensmitbestimmung zum deutschen ordre public schließen lassen. Innerhalb des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 GG findet sich zunächst problemlos das Eigentum der mitbestimmungspflichtigen juristischen Person selbst167, da über Art. 19 Abs. 3 GG das Grundrecht seinem Wesen nach auch auf Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung usw. anwendbar ist. Aus dem Eigentum resultierende Rechte können auch und gerade sinnvoll im Verband ausgeübt werden. Darüber hinaus ist auch das Anteilseigentum vom grundrechtlichen Schutzbereich erfasst168 mit der Folge, dass die Grundrechte der hinter der juristischen Person stehenden Anteilseigner durch die obligatorische Beteiligung von Arbeitnehmervertretern an den Vorgängen in den Unternehmensorganen verletzt sein können. Auf dieser Basis erörtert das Bundesverfassungsgericht, es sei zwar die tatsächliche Reichweite der Kompetenzen eines Anteilseigners stets in hohem Maße abhängig nicht nur vom Umfang der von ihm gehaltenen Gesellschaftsanteile, sondern außerdem von der konkreten Rechtsform, in der das Unternehmen betrieben werde. Als Beispiel wird im Mitbestimmungsurteil angeführt, dass in einer GmbH mit einer nur geringen Gesellschafterzahl die mitgliedschaftlichen Rechte zum einen wesentlich unmittelbarer ausgeübt werden können und zum anderen nach den gesetzlichen Vorgaben deutlich weiter reichen als etwa dies etwa bei den Aktionären einer Publikumsaktiengesellschaft der Fall ist. So sind etwa in der GmbH – lässt man die mitbestimmungsrechtlichen Spezialregelungen einmal außer Acht – die Gesellschafter selbst in der Lage, den bzw. die Amtswalter für den Posten eines Geschäftsführers zu bestimmen. Außerdem besteht ein weitreichendes Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern als Vertretungsorgan. Hinter diesem Standard bleiben die einem Aktionär vom Aktiengesetz gewährten Rechte erheblich zurück. Gleichwohl rechtfertigen nach der Überzeugung des Gerichts jene Unterschiede keine grundsätzlich abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung der Eigenart des Anteilseigentums bei diesen Gesellschaftsformen. ___________ 165

Vgl. BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (378 ff.). BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (380 f.). 167 BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (341). 168 BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (341). 166

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Stets gelte, dass die mitgliedschaftlichen Rechte über das Organ der Anteilseignerversammlung wahrzunehmen seien und dass der Gebrauch des Eigentums und die Verantwortung für diesen Gebrauch als notwendige Konsequenz des geltenden Kapitalgesellschaftsrechts auseinander fielen. Charakteristisch für das Eigentum – und damit auch für die Inhaberschaft an Anteilsrechten – sei nun, dass gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG die private Nutzung durch den Rechtsinhaber im Vordergrund stehe, zugleich aber diese Freiheit dort ihre Grenzen finden könne und solle, wo das Wohl der Allgemeinheit nach einer sozialgebundenen Verwendung des Eigentums verlange. Seien nun die mitgliedschaftlichen Rechte der Anteilsinhaber und die weitreichende Freiheit der mitbestimmungspflichtigen juristischen Person, mit ihrem Eigentum nach eigenem Belieben zu verfahren, durch die Notwendigkeit der Beteiligung von Arbeitnehmerrepräsentanten an der Entscheidungsfindung eingeengt, so stellten sich die dem zugrunde liegenden Vorschriften des Mitbestimmungsrechts als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar169. Damit diese einfachgesetzliche Beschneidung des Eigentums sich als verfassungskonform erweise, müsse die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG mit dem Gedanken der Sozialbindung zu einem ausgewogenen, verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden170. Dieser Anforderung genügt das Mitbestimmungsgesetz 1976 aber in den Augen des Gerichtes. Die erforderliche Proportionalität stellen die Verfassungsrichter schließlich anhand der folgenden Argumentation fest. BVerfG, Urteil vom 01.03.1979171: „Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollte das Gesetz „eine gleichberechtigte und gleichgewichtige Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen“ einführen172. Diesen Zweck hat das Gesetz in der verabschiedeten Fassung nicht voll verwirklicht. Es hat indessen ebenfalls die Aufgabe, die mit der Unterordnung der Arbeitnehmer unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt in größeren Unternehmen verbundene Fremdbestimmung durch institutionelle Beteiligung an den unternehmerischen Entscheidungen zu mildern und die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale zu ergänzen. Dies dient nicht nur einem reinen Gruppeninteresse. Vielmehr haben die durch die institutionelle Mitbestimmung angestrebte Kooperation und Integration, die eine Berücksichtigung auch anderer als der unmittelbaren eigenen Interessen erfordern, allgemeine gesellschaftspolitische Bedeutung; die Mitbestimmung ist namentlich als geeignet angesehen worden, die Marktwirtschaft politisch zu sichern. In dieser Bedeutung soll sie – ungeachtet ihrer Ausgestaltung im Einzelnen – dem Wohl der Allgemeinheit dienen.“

___________ 169

BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (341 f.). BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (340). 171 Fundstelle: BVerfGE 50, S. 290 (350 f.). 172 Es folgt im Originaltext des Urteils ein Hinweis auf BR-Drucks. 200/74, S. 16. 170

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Nimmt man das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle beim Wort, so erschließt sich die Bedeutung seiner Überlegungen für die vorliegende Fragestellung unmittelbar. Das Rechtsinstitut der Mitbestimmung hat allgemeine gesellschaftspolitische Bedeutung und dient in dieser seiner Funktion dem Wohl der Allgemeinheit. Genau diese Kriterien sind es nun, die nach wohl einhelliger Auffassung eine Rechtsnorm in den Status eines Elements der deutschen öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 6 Satz 1 EGBGB erheben. Denn eine Norm, die dem Wohl der (deutschen) Allgemeinheit gewidmet ist, wird man schlechterdings als einen wesentlichen und damit unentbehrlichen Grundsatz der deutschen Privatrechtsordnung verstehen müssen. Der Bestandsschutz für das Wohl der (nationalen) Allgemeinheit ist aber nicht nur ein zentraler Gedanke des internationalen Privatrechts. Wie oben dargelegt wurde173, decken sich insofern die Voraussetzungen des nationalen Kollisionsrechts mit denen eines europarechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrundes zur Verkürzung der EGvertraglichen Grundfreiheiten. Hat die Aussage des Bundesverfassungsgerichts über Ziele und Eigenschaften der Unternehmensmitbestimmung also auch heute noch Gültigkeit, so müsste man die Mitbestimmung nahezu zwangsläufig als einen der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften entgegenstehenden zwingenden Grund des Gemeinwohls einordnen. Dann spräche alles dafür, das Mitbestimmungsstatut auch ausländischer Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland entgegen dem durch Art. 43, 48 EGV vorgegebenen Primat des Gründungsrechts nach deutschem Sitzrecht zu beurteilen. bb) Die Stellungnahme des Bundesgerichtshofs (Siemens) Auf die Ausführungen des Verfassungsgerichts nahm außerdem wenige Jahre später der Zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem seiner so genannten Siemens-Urteile noch einmal Bezug. In diesem Rechtsstreit hatten ein Aktionär sowie zwei Mitglieder des Aufsichtsrats eine Nichtigkeitsklage erhoben. Sie war gegen eine von der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft beschlossene Gesellschaftssatzung gerichtet, nach welcher in der dem Mitbestimmungsgesetz 1976 unterliegenden Gesellschaft unter anderem mehr als ein Stellvertreter für den Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt werden sollte. Jener zweite Stellvertreter sollte alsdann zwingend zum Kreis der Repräsentanten der Anteilsinhaber gehören. Weiterhin hieß es, dass der Vorsitzende und seine Stellvertreter ein Präsidium bilden. Diesbezüglich urteilte der Zweite Senat, es sei zum einen die Organisationsfreiheit des Aufsichtsrats schon dann berührt, wenn bereits durch die Satzung vorgegeben werde, ob bestimmte Ausschüsse innerhalb des Aufsichtsrats (hier das Präsidium bestehend aus dem Vorsitzen___________ 173

Vgl. oben 2. c).

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den und seinen Stellvertretern) errichtet werden müssen. Ein Kerngesichtspunkt der Entscheidung findet sich jedoch vor allem bei einer Gesamtschau des zweiten, dritten und vierten Leitsatzes. Danach schließe es das Mitbestimmungsgesetz 1976 zwar nicht unbedingt aus, dass die Satzung einen zweiten – im Gesetz freilich nicht vorgesehenen – Stellvertreter für den Aufsichtsratsvorsitzenden festschreibe174. Allerdings sei es mit der Wahlfreiheit des Aufsichtsrates und dem Grundsatz der Gleichberechtigung aller seiner Mitglieder unvereinbar, den Kreis der tauglichen Kandidaten für das Amt des zweiten Stellvertreters von vornherein allein auf die Aufsichtratmitglieder der Anteilseigner zu beschränken175. Der Ausgang des Verfahrens hing nunmehr ab von der Untersuchung, ob in diesem Verstoß gegen die Wertungen der §§ 25 ff. MitbestG betreffend die innere Ordnung sowie die Rechte und Pflichten des mitbestimmten Aufsichtsrats eine Gesetzesverletzung von solchem Gewicht liegt, dass darin gemäß den Vorgaben des § 241 Nr. 3 AktG ein Nichtigkeitsgrund erblickt werden kann. Dazu musste der Beschluss der konkreten Satzungsregelungen durch die Hauptversammlung mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar sein oder eine ausschließlich oder wenigstens überwiegend im öffentlichen Interesse ergangene Rechtsvorschrift verletzen. Das OLG München als Berufungsgericht hatte zwar noch die Verletzung mitbestimmungsrechtlicher Normen, namentlich des § 27 Abs. 3 MitbestG, bejaht, darin jedoch nur einen unwesentlichen Rechtsverstoß gesehen, der den Anforderungen einer begründeten Nichtigkeitsklage nicht genüge176. Dieser Einschätzung trat der Zweite Zivilsenat indessen vehement entgegen177. BGH, Urteil vom 25.02.1982178: „Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 hat als das Ergebnis grundlegender, nach langjährigen Auseinandersetzungen gefundener Entscheidungen ein besonderes gesellschaftspolitisches Gewicht. Es soll über das Inte-

___________ 174 Vgl. BGH 25.02.1982 – II ZR 123/81 (dritter Leitsatz): „§ 27 MitbestG steht der Wirksamkeit einer Satzungsbestimmung, die vorschreibt, für den Vorsitzenden des Aufsichtsrats mehr als einen Stellvertreter zu wählen, nicht grundsätzlich entgegen.“ 175 Vgl. BGH 25.02.1982 – II ZR 123/81 (vierter Leitsatz): „Eine Satzungsvorschrift, wonach ein solcher weiterer Stellvertreter dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre angehören soll, ist wegen Verstoßes gegen die Wahlfreiheit des Aufsichtsrats und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung seiner Mitglieder nichtig.“ 176 OLG München 29.04.1981 – 20 U 1464/80, NJW 1981, 2201 (2202) – Siemens. 177 Vgl. dazu auch BGH 25.02.1982 – II ZR 123/81 (zweiter Leitsatz): „Die Vorschriften der §§ 25 ff. MitbestG über die innere Ordnung und die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats sind solche, die im öffentlichen Interesse gegeben sind und deren Verletzung daher ohne Rücksicht darauf, ob hierdurch die Anteilseigner oder die Arbeitnehmer benachteiligt werden, nach § 241 Nr. 3 AktG ein Nichtigkeitsgrund ist.“ 178 Fundstelle: BGHZ 83, S. 106 (110).

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resse der unmittelbar Betroffenen hinaus dem Wohl der Allgemeinheit dienen179 und nimmt mit seiner gesamtwirtschaftlichen Zielsetzung innerhalb der Rechtsordnung einen Rang ein, der es grundsätzlich ausschließt, einzelnen seiner materiell-rechtlichen Bestimmungen das öffentliche Interesse im Sinne von § 241 Nr. 3 AktG abzusprechen. Das gilt jedenfalls für die hier in Frage kommenden Vorschriften der §§ 25 ff. MitbestG, die als in sich geschlossenes System von Normen über Rechte, Pflichten und innere Ordnung des Aufsichtsrats ein Kernstück des Gesetzes bilden180. Ein Verstoß gegen sie führt darum stets zur Nichtigkeit.“

Ebenfalls in dieser Urteilsbegründung wurde demnach der ausnehmend hohe Stellenwert betont, der dem Mitbestimmungsrecht wenigstens zum damaligen Zeitpunkt nach Auffassung der Bundesrichter in der deutschen Rechtsordnung zukam. Besonders deutlich wird dies, wenn man jene Bewertung den – im Ansatz durchaus zutreffenden – Erörterungen der Berufungsinstanz gegenüberstellt, wonach bei der Auslegung des § 241 Nr. 3 AktG zu berücksichtigen sei, dass letztlich alle gesetzlichen Vorschriften in gewissem Umfang im öffentlichen Interesse gegeben seien181. Denklogisch musste man sich also im Rahmen der Nichtigkeitsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss ganz ähnlich wie im Falle des Art. 6 Satz 1 EGBGB auf die Suche nach Normen begeben, welche sich mit dem Gehalt ihrer Regelung insofern deutlich von der Masse aller anderen Rechtsnormen abheben. Wenn der Zweite Zivilsenat des BGH in der Unternehmensmitbestimmung ausweislich seines Revisionsurteils ein solches herausragend wichtiges Rechtsinstitut sieht, liegt die Einordnung als eine tragende Säule der deutschen Rechtsordnung und damit als Gegenstand des ordre public offensichtlich nicht mehr allzu fern. cc) Die instanzgerichtliche Rechtsprechung Eine vergleichbare Einschätzung findet sich darüber hinaus in der obergerichtlichen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe182. Ähnlich wie in der Entscheidung des BGH lag auch dessen Urteil vom 20. Juni 1980 eine Nichtigkeitsklage gegen einen satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung zugrunde. Die geänderte Satzung enthielt die Bestimmung, dass der mitbestimmte Aufsichtsrat beschlussfähig sei, wenn die Hälfte der Mitglieder, aus denen er insgesamt zu bestehen habe, an der Beschlussfassung teilnehme, ___________ 179

Es folgt im Originaltext des Urteils ein Hinweis auf BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 (350 f.). 180 Es folgt im Originaltext des Urteils ein Hinweis unter anderem auf Raiser, NJW 1981, S. 2166 (2167); ähnlich im Ergebnis, begründet aber über eine Einordnung des § 25 MitbestG als eigenständigen Nichtigkeitsgrund Geßler, ZGR 1980, S. 427 (445 ff.); anderer Ansicht Canaris, DB 1981, Beilage Nr. 14, S. 5 f. 181 OLG München 29.04.1981 – 20 U 1464/80, NJW 1981, 2201 – Siemens. 182 OLG Karlsruhe 20.06.1980 – 15 U 171/79, NJW 1980, S. 2137 ff.

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mindestens die Hälfte der an der Beschlussfassung teilnehmenden Aufsichtsratsmitglieder Vertreter der Anteilsinhaber seien und sich unter ihnen der Vorsitzende des Aufsichtsrats befinde. Die Kläger rügten im Interesse der Arbeitnehmervertreter, die Bestimmung, nach welcher der Aufsichtsrat nur beschlussfähig sei, wenn die Hälfte der Teilnehmer an der Beschlussfassung Repräsentanten der Anteilseigner seien, verstoße gegen § 28 MitbestG in Verbindung mit § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG. Die für die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats notwendige Teilnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden verletze den Grundsatz der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit aller Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder und stelle somit mitbestimmungsrechtlich eine Diskriminierung der Arbeitnehmervertreter dar. Das Oberlandesgericht gab der Berufung der Kläger in vollem Umfang statt. Im Rahmen der Urteilsgründe führte es aus, das Tatbestandsmerkmal des ausschließlichen oder überwiegenden öffentlichen Interesses aus § 241 Nr. 3 AktG sei in erster Linie dazu bestimmt, dem Verstoß gegen solche Vorschriften die strenge Rechtsfolge der Nichtigkeitswirkung zu versagen, die nur im Interesse der gegenwärtigen Aktionäre der Gesellschaft erlassen worden seien und auf deren Schutz die Aktionäre wirksam verzichten könnten. Das Anliegen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 hingegen bewege sich von vornherein außerhalb dieses Bereichs. Nach der oben183 dargestellten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts184 aus dem Jahre 1979 habe das Mitbestimmungsgesetz die Aufgabe, die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale zu ergänzen. Die durch die institutionelle Unternehmensmitbestimmung angestrebte Kooperation und Integration habe allgemeine gesellschaftspolitische Bedeutung. In dieser Bedeutung solle sie, auch als Mittel zur politischen Sicherung der Marktwirtschaft, dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Von dem zum Allgemeinwohl bestimmten Anliegen des Mitbestimmungsrechts sei die Vorschrift des § 28 MitbestG nicht auszunehmen. Da dem Aufsichtsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben vom Gesetz entscheidend das Instrument des Beschlusses an die Hand gegeben worden sei, berühre eine Satzungsregelung zur Beschlussfähigkeit die Durchführbarkeit dieser Aufgabenzuweisung unmittelbar. Wenn ferner die unternehmerische Mitbestimmung in ihrem Kernbereich durch ein Recht der Arbeitnehmervertreter zur gleichberechtigten Mitwirkung an der Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat verwirklicht werde, dann stelle jene Mitwirkungskompetenz den Kernbereich der den Arbeitnehmern eingeräumten Mitbestimmung dar. Die zu seiner Regelung erlassene gesetzliche Vorschrift nehme somit an ___________ 183 184

Siehe oben aa). BVerfG 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, S. 290 ff.

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der Gemeinwohlbezogenheit des Mitbestimmungsgesetzes 1976 als Ganzem teil185. b) Die Kritik am geltenden Mitbestimmungssystem Gleichwohl ist die Zugehörigkeit der Gesetze über die Unternehmensmitbestimmung zum deutschen ordre public von namhaften Stimmen aus Wissenschaft und Praxis seit jeher bestritten worden. Vornehmlich in den letzten Jahren ist jene Debatte wieder aufgeflammt, seit die zunehmende Bedeutung internationaler Unternehmenstätigkeit einen Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Zivilrechtsordnungen ausgelöst hat. In dessen Rahmen geht es auch und gerade um die Wahl zwischen den verschiedenen Gesellschaftsrechtssystemen. Dabei wird die Mitbestimmungspflichtigkeit für größere Unternehmen nach deutschem Vorbild regelmäßig vor allem von ausländischen Investoren als gravierender Minuspunkt für den Wirtschaftsstandort Deutschland verbucht186. In der Folge hagelte es geradezu Kritik an der konkreten Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung – begleitet von diversen Reformvorschlägen187 – bis hin zum Postulat, in Zukunft auch in Deutschland Arbeitnehmermitbestimmung auf die betriebliche Ebene zu reduzieren188 und sie auf Unternehmens___________ 185

OLG Karlsruhe 20.06.1980 – 15 U 171/79, NJW 1980, S. 2137. Vgl. nur Adams, AG 1990, S. 243 (255); Adams, ZBB 1994, S. 77 (82); Becker, ZHR 165 (2001), S. 280; Franzen, RdA 2004, S. 257; Heinze, ZGR 2002, S. 66 (83); Henssler in: Festschrift BGH Bd. II, S. 387 (420); Henssler, ZfA 2000, S. 241 (243); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (429); Hopt in: Festschrift Everling Bd. I, S. 475 und 478; Hopt, EuZW 2002, S. 1; Horn, ZIP 2000, S. 473 (484); Horn, Europäisches Finanzmarktrecht (2003), S. 135 f.; Horn, NJW 2004, S. 893 (899 f.); Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht Bd. II, § 15 Rdnr. 25; Lutter, BB 2002, S. 1 (5, 6); Michalski, AG 1997, S. 152 (156); Paefgen, DB 2003, S. 487 (492); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (780); Röhrich, RIW 1993, S. 93 (95); Romano in: Bratton/Mc Caherty/Picciotto/Scott, International Regulatory Competition and Coordination, S. 127 (138); Sandrock, AG 2004, S. 57 (61); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (492); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnrn. 122, 163; Stengel in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 77 Rdnr. 45; Thoma/Leuering, NJW 2002, S. 1449 (1454); Thüsing, ZIP 2004, S. 381; Ulmer, ZHR 166 (2002), S. 271 ff.; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (17); Wiesner, ZIP 2004, S. 243. 187 Etwa von Kirchner, AG 2004, S. 197 ff.; Kirchner u.a. (Berliner Netzwerk Corporate Governance), AG 2004, S. 200 f. 188 Vgl. zu der These, dass die betriebliche Mitbestimmung die Arbeitnehmerinteressen ausreichend schützt und eine zusätzliche Interessenvertretung auf der Ebene des Unternehmens somit nicht erforderlich ist, Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (257); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2242); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (29); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2477); Meilicke, GmbHR 2000, S. 693 (695 f.); Paefgen, DB 2003, S. 487 (492); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 9; Ulmer, ZHR 166 (2002), S. 271 (277); anderer Ansicht Hammen, WM 1999, 186

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ebene gänzlich aufzugeben189. Die mannigfachen „Mängel“, die der Unternehmensmitbestimmung bei dieser Gelegenheit nachgesagt worden sind, werden von einigen Stimmen in der Literatur herangezogen, um den – vermeintlichen – Nachweis zu erbringen, dass ein derart mit Fehlern belastetes und umstrittenes Institut nicht (länger) als Element der deutschen öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 6 Satz 1 EGBGB begriffen werden kann190. Fortan wird vor allem der Frage nachgegangen, inwiefern diese Argumentation zu überzeugen vermag. aa) Kernpunkte der Kritik Auf Ablehnung stößt der gesetzliche Mitbestimmungszwang für größere deutsche Unternehmen vor allem aus den nachstehenden Gründen:  Die primäre Aufgabezuweisung des Aktiengesetzes an den Aufsichtsrat, die Geschäftsführung durch den Vorstand gemäß § 111 Abs. 1 AktG zu überwachen191, steht im Spannungsverhältnis mit der Funktion der Arbeitnehmermitbestimmung, personelle und soziale Fragen bei der Arbeit des Gremiums weiter in den Vordergrund zu rücken. Die Effektivität der Kontrolle wird dadurch eingeschränkt192. ___________ S. 2487 (2494); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (387); Ulmer, JZ 1999, S. 662 (663); vgl. dazu auch unten III. 3. a). 189 Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (809). 190 Vgl. Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (486 ff.); Sandrock, AG 2004, S. 57 (62, 64) unter Hinweis auf Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2236 f., 2242); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (798, 805); Paefgen, DB 2003, S. 487 (491 f.); Windbichler/ Bachmann in: Festschrift Bezzenberger, S. 797 (799 ff.); Windbichler, AG 2004, S. 190 (191). 191 Vgl. zu den Aufgaben des Aufsichtsrats, welche maßgeblich eben in der Überwachung der Geschäftsführung gemäß § 111 Abs. 1 AktG, und darüber hinaus in der Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Vorstands gemäß § 84 AktG sowie in der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern des Vorstands gemäß § 112 AktG liegen, Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnrn. 608, 610 ff. (insb. 611); v. Hoyningen-Huene in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 297 Rdnr. 28; Hüffer, AktG, § 84 Rdnrn. 12 f., § 111 Rdnrn. 2 ff., § 112 Rdnrn. 1 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rdnrn. 61 ff., 412 ff., 424 ff.; Pühler in: Happ, Aktienrecht, Form. 1.01 Rdnr. 61, Form. 1.02 Rdnr. 3, Form. 8.03 Rdnr. 1; Säcker, NJW 1979, S. 1521; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 IV 2 a bb. 192 Paefgen, DB 2003, S. 487 (492); Sandrock, BB 2002, S. 1601 (1602): „Die Mitbestimmung auf Unternehmensebene findet bekanntlich im Aufsichtsrat statt. Aber schon seit vielen Jahren munkelt man, der der Aufsichtsrat gewährleiste weder „Aufsicht“ noch „Rat“.“; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (490); Sandrock, AG 2004, S. 57 (60); Schiessl, AG 2002, S. 593 (595 f.); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 163 mit w. Nachw.; Ulmer, ZHR 166 (2002), S. 271 (274, 276).

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 Die Mitbestimmungspflichtigkeit ist für das betroffene Unternehmen gleichbedeutend mit einer beträchtlichen finanziellen Mehrbelastung, zum einen wegen der schieren Größe, die ein mitbestimmtes Aufsichtsorgan in der Praxis regelmäßig erreicht (Aufsichtsratsvergütung), zum anderen wegen der Kosten, die das komplexe Wahlverfahren zwangsläufig mit sich bringt193.  Die tatsächlich im Rahmen einer funktionsfähigen Corporate Governance wünschenswerten persönlichen Anforderungen an die Mitglieder des Aufsichtsrates kommen in § 100 AktG und den einschlägigen Sondervorschriften der Mitbestimmungsgesetze (§ 100 Abs. 3 AktG) nur unvollkommen zum Ausdruck und werden in der rechtlichen Realität von zahlreichen aus der Mitte der Belegschaft gewählten Repräsentanten der Arbeitnehmerschaft nicht erfüllt194.  Die im Zuge der Corporate-Governance-Diskussion geänderte Vorschrift des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG geht nach ihrem neuen Wortlaut („hat zu bestimmen“) nunmehr von einer Pflicht aus festzulegen, dass bestimmte Arten von Geschäften nach Maßgabe der Satzung oder des Aufsichtsrats selbst nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden können. Damit ist der Vorstand als Vertretungsorgan der Aktiengesellschaft jedoch dazu angehalten, zahlreiche Aspekte der Geschäftsführung gegenüber einem mitbestimmten Aufsichtsrat preiszugeben, die im Interesse einer ökonomischen Leitung des Unternehmens gegebenenfalls den Arbeitnehmern gar nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt offenbart werden sollten.  Ganz prinzipiell kollidieren die Interessen der Belegschaftsvertreter in ihrer Rolle als Arbeitnehmer des Unternehmens mit den Pflichten eines Aufsichtsratsmitglieds zu Neutralität und Verschwiegenheit195. Dies deshalb, weil zwischen den Organen des Unternehmens der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gilt, während schon die bloße Existenz eines besonderen Arbeitnehmerschutzrechts zum Ausdruck bringt, dass der Rechtsträger des Unternehmens in seiner Rolle als Arbeitgeber einerseits und die ___________ 193

Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 163; vgl. auch Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (349). 194 Anders verhält es sich nach der praktischen Erfahrung mit den Gewerkschaftsvertretern, die in der Regel sehr wohl die persönliche Eignung für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat aufweisen. 195 Vgl. dazu Hengeler in: Festschrift Schilling, S. 175 ff.; Hueck, RdA 1975, S. 35 ff.; Kittner, ZHR 136 (1972), S. 208 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rdnrn. 249 f.; Raiser, MitbestG, § 25 Rdnr. 125; Theisen, AG 1987, S. 137 (143); vgl. ferner BGH 05.06.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, S. 325 ff.; BGH 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, S. 1629; Gaul, GmbHR 1986, S. 296 ff.; Henn, Handbuch Aktienrecht, Rdnrn. 615 f.; Lutter, BB 1980, S. 291 ff.; Säcker, NJW 1986, S. 803 ff.; Ulmer, NJW 1980, S. 1603 ff.; Wais, NJW 1982, S. 1263.

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Arbeitnehmer andererseits nach klassischem Verständnis weniger als gleichwertige Partner, sondern vielmehr als soziale Gegenspieler eingestuft werden. Die Neutralitätspflicht kann etwa betroffen sein, wenn Maßnahmen des Arbeitskampfes gegen das eigene Unternehmen anstehen, an denen sich auch die Arbeitnehmer aus dem Aufsichtsrat aus eigener Initiative oder auf den Wunsch der Gewerkschaften hin beteiligen196. Probleme mit dem Dogma der Verschwiegenheit über Belange des Unternehmens, die dem Arbeitnehmer in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats bekannt werden, können sich zum Beispiel ergeben, wenn es um die Rationalisierung von Arbeitsplätzen oder die Verlagerung der Produktion an einen anderen Standort – vor allem in das Ausland – geht, weil dann natürlich auf der anderen Seite auch aus seiner Sicht ein Informationsbedürfnis für die Gewerkschaften, die Betriebsräte und die sonstigen Institutionen der kollektiven Interessenvertretung gegenüber dem Arbeitgeber besteht. In der Folge wird das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen den Unternehmensorganen und den einzelnen Organmitgliedern oftmals beschädigt. Bisweilen wird sogar in Gegenwart der Arbeitnehmervertreter überhaupt nicht mehr offen informiert und debattiert197, was eine ordnungsgemäße Corporate Governance unmöglich macht198 und die Arbeitnehmervertreter contra legem faktisch zu Aufsichtsratsmitgliedern zweiter Klasse abwertet.  Die institutionelle Mitbestimmung auf Unternehmensebene ist den meisten ausländischen Rechtsordnungen unbekannt. Das führt dazu, dass aus der Sicht potentieller ausländischer Geschäftspartner und Investoren die deutschen Regelungen zumindest exotisch anmuten199 und nicht selten deren ___________ 196 In diesem Sinne Sandrock, AG 2004, S. 57 (61); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), S. 447 (492), jeweils mit w. Nachw. 197 Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (809). 198 Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (809) mit w. Nachw. 199 An dieser Stelle erscheinen jedoch einige Bemerkungen zum historischen Hintergrund der Unternehmensmitbestimmung in Deutschland angebracht: Originär wurde das Rechtsinstitut eingeführt durch das MontanmitbestG aus dem Jahr 1951. Dieses Gesetz wurde erlassen vor dem Hintergrund, dass in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg die siegreichen Alliierten die Gefahr sahen, dass die deutsche Montanindustrie erneut zur Herstellung von Waffen und anderem Kriegsgerät herangezogen werden könnte. Deshalb wurden zum einen bestehende Konzernierungen von montanindustriellen Unternehmen zwangsweise zerschlagen, zum anderen sollte die Unternehmensführung nicht mehr nur Einzelnen obliegen, sondern durch die Teilhabe von Arbeitnehmern und Gewerkschaftern eine weit reichende Kontrolle der Vorstände und Geschäftsführer gewährleistet werden, von der man sich nicht zuletzt auch eine spürbare Reduzierung der Wahrscheinlichkeit eines erneuten Missbrauchs der unternehmerischen Fähigkeiten für Kriegszwecke versprach. Die Schaffung der sog. Holding-Novelle, also des MitbestErgG, im Jahr 1956 war eine bloße Reaktion auf die Tatsache, dass sich die zerschlagenen Konzernverbindungen zwischen den Montanunternehmen nach einigen Jahren wieder neu bildeten und deshalb ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer auch an der Konzernspitze sinnvoll erschien. Stellt man also heutzutage heraus, dass der Wirt-

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Entscheidungen negativ beeinflussen. Spürbar wird diese Einstellung, wenn der Wirtschaftsstandort Deutschland etwa bei der Errichtung von Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen zugunsten anderer Standorte gemieden wird oder bei der Suche nach einem geeigneten Fusionspartner deutsche Unternehmen bisweilen auf der Strecke bleiben200. Ein Beispiel dafür bilden die Fusionsüberlegungen der Deutsche Bank AG im Sommer 2004. Nach einer Stellungnahme ihres Aufsichtsratsvorsitzenden werden grenzüberschreitende Zusammenschlüsse von europäischen Banken dem Grunde nach absolut befürwortet. Die beteiligten Unternehmen könnten sich auf diese Weise ergänzen und zugleich ihre Größenvorteile gegenüber amerikanischen Banken in die Waagschale werfen. Als Fusionspartner zog die Deutsche Bank Mitte des Jahres 2004 konkret die britische Barclays Bank, die niederländische ING oder die Credit Suisse aus der Schweiz in Betracht. Rechtlich wurde dabei an eine Verschmelzung im untechnischen Sinne gedacht, bei der die beteiligten Unternehmen als eigenständige Rechtsträger erhalten bleiben, sich jedoch einer gemeinsamen Holdinggesellschaft unterwerfen201. Deutschland wurde als Standort jener Konzernspitze allerdings ausgeschlossen. Als tragender Grund wurde neben den im internationalen Vergleich vermeintlich unflexiblen Arbeitsmarktregeln und einem undurchsichtigen deutschen Steuersystem vor allem der Faktor der obligatorischen Unternehmensmitbestimmung genannt202. Zuletzt bestand deswegen eine klare Präferenz für Holdingstandorte in Luxemburg oder in den Niederlanden203.  Das Problemfeld Unternehmensmitbestimmung bei grenzüberschreitenden Fusionen hat vorrangig im Zusammenhang mit der dem Themenkomplex Europäische Aktiengesellschaft wieder verstärkt zu Diskussionen geführt. Hier gibt die Richtlinie 2001/86/EG des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer vom 8. Oktober 2001 vor, dass bei Verschmelzungen zur Gründung einer Europäischen Gesellschaft im Grundsatz ein Bestandsschutz für die bei ___________ schaftsstandort Deutschland insbesondere nach der Auffassung US-amerikanischer Investoren durch die Eigenart eines Mitbestimmungssystems auf Unternehmensebene an Attraktivität verliert, so sollte man dabei aber immerhin bedenken, dass jenes Regelungsmodell der deutschen Wirtschaft ursprünglich eben durch die Alliierten aufgezwungen wurde. Der Sache nach wird sich allerdings auch dadurch die Einstellung gegenüber der Rechtsfigur Unternehmensmitbestimmung kaum ändern. 200 Siehe zu dieser Problematik die Nachw. oben in Fn. 186. 201 Siehe den Bericht: Die deutschen Banken zieht es nach Europa, FAZ vom 06.06.2004. 202 Siedenbiedel, Der Reiz der Schweiz, Eine Holding sitzt im Ausland besser, FAZ vom 06.06.2004. 203 Vgl. zu den erwarteten Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Frankfurt/M. Siedenbiedel, Ohne die Deutsche, FAZ vom 06.06.2004.

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den übertragenden Rechtsträgern geltenden Mitbestimmungsstandards gewünscht ist. Scheitern die vorrangigen Verhandlungen mit dem Besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmerschaft, so setzt sich (vereinfacht ausgedrückt) das strengste Mitbestimmungsniveau aller an der Fusion beteiligten Rechtsträger auch in der dadurch neu entstehenden Europäischen Aktiengesellschaft durch. Diese Auffangvariante wird bei einer Verschmelzung unter Beteiligung mitbestimmungspflichtiger deutscher Rechtsträger für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen mit den Arbeitnehmern schon jetzt geradezu als Horrorszenario für die anderen Fusionspartner gewertet, ein Umstand, der einem Zusammenschluss deutscher und ausländischer Unternehmen zu einer einheitlichen Europäischen Gesellschaft nicht gerade förderlich sein dürfte204. bb) Interessenkollision am Beispiel des Verbraucherschutzrechts Ob man aus all diesen Angriffsflächen, die die Unternehmensmitbestimmung ihren Kritikern unzweifelhaft bietet, indessen den Schluss ziehen darf, das Rechtsinstitut erfülle nicht die Anforderungen an ein zum Schutz der deutschen öffentlichen Ordnung berufenes Normensystem, ist mehr als fragwürdig. Zum einen muss man sich vor Augen halten, dass ein Gesetz nicht schon deswegen als „mangelhaft“ eingestuft werden kann, weil es die Interessen einer Gruppe (Anteilsinhaber) zugunsten des Schutzes einer anderen Gruppe (Arbeitnehmer) vernachlässigt. Es sei schlicht darauf hingewiesen, dass der deutsche Gesetzgeber die breite Palette der wohlbekannten Nachteile offensichtlich in Kauf zu nehmen bereit ist, um dem Ziel, auch der Arbeitnehmerschaft eine Teilhabemöglichkeit an der Gestaltung des Sozialverbands Unternehmen zu verschaffen, gerecht zu werden. Eine solche gesetzgeberische Entscheidung, bei der wohl begründete Interessen (hier der Anteilseigner) zur Durchsetzung einer anderen Position unter die Räder geraten, ist in der Landschaft der deutschen Gesetze nun auch kein Einzelfall.

___________ 204 Vgl. dazu die Gemeinsame Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), des Bundesverbands deutscher Banken und des Deutschen Aktieninstituts zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 03.05.2004; Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 09.07.2004 (BR-Drucks. 438/04); ferner Fleischer, AcP 204 (2004), S. 502 (535 f.); Grobys, NZA 2004, S. 779; Heinze, ZGR 2002, S. 66 (83); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (429); Lutter, BB 2002, S. 1 (5, 6); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (780); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 122.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Betrachtet man etwa das Recht des Verbraucherschutzes, so muss man auch hier sagen, dass der Schutz des Verbrauchers als völlig nachvollziehbares Anliegen automatisch eine Benachteiligung des eigentlich mit legitimen Mitteln am Markt operierenden Unternehmers nach sich zieht. Denn außerhalb gesetzlicher Verbote wie denen der §§ 134, 138 BGB ist es doch im Grundsatz nur verständlich, dass eine Vertragspartei sich gewisse Schwächen der anderen Partei (namentlich die vom Gesetz pauschal unterstellte geschäftliche Unerfahrenheit des Verbrauchers) zu eigenen Gunsten nutzbar macht. Im Grundsatz gilt nun einmal das Prinzip der Vertragsfreiheit. Und wenn sich ein Marktteilnehmer nicht in der Lage sieht, seine eigenen Interessen in einer Vertragsverhandlung hinreichend zu vertreten, so ist es eigentlich an ihm selbst, hier Abhilfe zu schaffen, sei es durch die Einschaltung eines geschäftlich erfahrenen Vertreters, sei es durch eigene Fortbildung. Kommt er dieser im eigenen Interesse liegenden Angelegenheit nicht nach, so könnte man argumentieren, dann habe er die ihm daraus erwachsenden geschäftlichen Nachteile auch selbst zu verantworten. Nichts desto trotz hat sowohl der europäische als auch der nationale Gesetzgeber dem Verbraucher unter die Arme gegriffen. Die Einbuße an geschäftlicher Bewegungsfreiheit, die damit auf Seiten des Unternehmers zwangsläufig einhergeht, ist nun der Preis, der in einem auf freie Entfaltung eines jeden Individuums ausgerichteten System für den erzielten Verbraucherschutz gezahlt werden muss. In diesem Fall kommt jedoch niemand auf den Gedanken, den Verbraucherschutz als „mangelhaftes Rechtsinstitut“ zu begreifen, obwohl er den Handlungsspielraum der am Markt auftretenden Anbieter erheblich einengt. Beim Recht der Unternehmensmitbestimmung liegt der Fall nun nicht unbedingt gravierend anders205. Denkt man sich einmal in die Rolle des Gesetzgebers hinein und versucht, die zugestanden ungleich vielschichtigere Materie auf ihre Kernaussage zu reduzieren, so steht man auch hier schlicht vor der Frage, ob es angemessen erscheint, die vorstehend aufgezählten – und, wie gesagt, inhaltlich unbestrittenen – Nachteile für das Unternehmen, seinen Rechtsträger ___________ 205 Der Vergleich der Auswirkungen von Verbraucherschutzrecht einerseits und obligatorischer Unternehmensmitbestimmung andererseits hinkt zugegebenermaßen insofern, als der nationale Verbraucherschutz weitgehend Ausfluss europarechtlicher Vorgaben ist. Da diese sich an alle Mitgliedstaaten richten, entwickelt sich derzeit ein gleichmäßiger europaweiter Verbraucherschutzstandard, so dass der in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsverkehr beschränkte Unternehmer in der politischen Diskussion wenigstens nicht einwenden kann, seine Tätigkeit werde gemessen an derjenigen seiner Konkurrenten in den anderen Mitgliedstaaten erheblich stärker kanalisiert. Im Rahmen der Mitbestimmungsdebatte hingegen taucht immer wieder das Schlagwort des Standortfaktors auf. Hier wird gerade die Außenseiterstellung Deutschlands hervorgehoben, da in der Bundesrepublik ansässige Unternehmen von der Pflicht zur Arbeitnehmerbeteiligung sowohl im allgemeinen internationalen als auch im EG-internen Vergleich ausgesprochen intensiv betroffen sind.

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und dessen Anteilsinhaber in Kauf zu nehmen, um den im Ansatz sicherlich genauso nachvollziehbaren Wunsch nach einer Beteiligung der Arbeitnehmerschaft in den Organen des Unternehmens, nach einem Miteinander statt einem Gegeneinander der im Unternehmen zusammengefassten sozialen Gruppen, Realität werden zu lassen. Letztlich geht es bei der politischen Entscheidung über das Pro und Contra der Mitbestimmung um nichts anderes als um die Aufgabe, widerstreitende Interessen auszugleichen. Und wenn nun der Gesetzgeber auf diesem Gebiet mit der Schaffung des Instituts der Unternehmensmitbestimmung Position bezogen hat, dann mag man die getroffene Entscheidung zwar für politisch unglücklich oder gar verfehlt halten. Aber allein die Tatsache, dass eine Norm bei bestimmten Interessengruppen auf unbedingte Ablehnung stößt, sagt noch nichts über ihre Zugehörigkeit zu den die Gesamtrechtsordnung tragenden Rechtssätzen aus. Überdies werden doch wohl gerade mit schwerwiegenden Entscheidungen, die damit aber auch zwangsläufig auf Widerstand stoßen, die fundamentalen Prinzipien einer Zivilrechtsordnung festgelegt. Begibt man sich hingegen auf die Suche nach sozusagen „geschmacksneutralen“ und deshalb im allgemeinen Konsens verabschiedeten, wirklich jedermann einsichtigen Vorschriften, so wird man wohl von wenigen markanten Ausnahmen abgesehen nur solche ohne entscheidenden Regelungsgehalt finden. Dass diese erst recht nicht die öffentliche Ordnung im kollisionsrechtlichen Sinne beschreiben können, muss unmittelbar einleuchten. c) Die Einordnung durch den Gesetzgeber Letztlich kommt es darauf aber ausschlaggebend nicht an. Denn die Entscheidung, welche Normen zum Bestandteil seiner öffentlichen Ordnung (ordre public) gemacht werden, kann allein der demokratisch legitimierte deutsche Gesetzgeber treffen206. Nicht sind demgegenüber im internationalen Vergleich weniger strenge Rechtsordnungen oder gar die einer solchen Rechtsordnung unterworfenen ausländischen Investoren dazu berufen. Es ist deshalb methodisch wenig überzeugend, die im praktischen Wirtschaftsleben laut gewordene Kritik an der Unternehmensmitbestimmung in den Vordergrund zu stellen, da dem Gesetzgeber theoretisch auch das Privileg zukommt, mangelhafte und kontrovers diskutierte Rechtsinstitute in den Rang eines Elements des ordre public zu erheben.

___________ 206 Bayer, AG 2004, S. 534 (537); vgl. auch Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 115.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Die Streitfrage, ob die vom Gesetzgeber verfolgte Wirtschaftspolitik aus rechtssystematischer und ökonomischer Sicht207 zu überzeugen vermag, ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang ein absoluter Nebenkriegsschauplatz. Entscheidend ist es in erster Linie, den gesetzgeberischen Willen zu interpretieren, der sich in der Regel vor allem aus den Gesetzesmaterialien sowie der über die Begründung des streitigen Rechtsinstituts hinausgehenden Politik ergibt. Und gerade der zweite Gesichtspunkt wird im Falle der Unternehmensmitbestimmung eine tragende Bedeutung haben. Die Gesetzgebungsakte der jüngeren Vergangenheit haben nämlich ausreichend deutlich gemacht, dass der deutsche Gesetzgeber nach wie vor ein überzeugter Anhänger des Mitbestimmungsprinzips ist, wahrscheinlich sogar entschiedener als noch Mitte des letzten Jahrhunderts hinter dem Rechtsinstitut steht und außerdem in keiner Weise gewillt ist, es in absehbarer Zukunft aufzugeben. Das ergibt sich vor allem aus den nachstehend beleuchteten Aspekten seiner Wirtschaftspolitik. aa) Schaffung eines zukunftsfähigen Drittelbeteiligungsstatuts Im Frühjahr 2004 wurde das neue Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat verabschiedet. Materiell übernimmt es weitgehend lediglich die Regelungen der §§ 76 ff. BetrVG 1952, stellt diese jedoch in einer neuen Systematik dar208. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, der Praxis auf diesem Weg die Rechtsanwendung zu erleichtern und damit das Drittelbeteiligungsstatut zukunftsfähig zu gestalten209. bb) Erweiterung des Geltungsbereichs des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes Durch Art. 2 Nr. 2 lit. b des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat wurde die vom Bundesverfassungsgericht in der Rechtssache Mannesmann210 wegen fehlenden Montanbezugs für verfas___________ 207 Vgl. insofern die oben unter b) aa) aufgeführten Kritikpunkte zum nicht gerade reibungslosen Zusammenspiel von Mitbestimmungsrecht und Aktienrecht. 208 Melot de Beauregard, DB 2004, S. 1430; Seibt, NZA 2004, S. 767 (768). 209 BR-Drucks. 10/04, S. 18. 210 BVerfG 02.03.1999 – 1 BvL 2/91, AP Nr. 2 zu § 3 MitbestErgG = BB 1999, S. 598 ff. = BVerfGE 99, S. 367 ff. = DB 1999, S. 1404 ff. = EzA § 3 MitbestErgG Nr. 1 = NJW 1999, S. 1535 ff. = NZA 1999, S. 435 ff. = RdA 1999, S. 389 ff. mit Anm. Raiser = ZIP 1999, S. 410 ff. – Mannesmann; vgl. aus der Rechtsprechung ferner den Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf 19.01.1991 – 19 W 3/90, AG 1991, S. 153 ff. = AP Nr. 1 zu § 3 MitbestErgG = DB 1991, S. 445 ff. = NJW 1991, S. 1136 ff. – Mannesmann; OLG Düsseldorf 29.04.1999 – 19 W 3/90, BB 1999, S. 1398 f. = NZG 1999, S. 766 f. – Mannesmann; OLG Celle 22.03.1993 – 9 W 130/92, AG 1994, S. 131 ff. = BB 1993, S. 957 ff. – Salzgitter GmbH/Preussag; aus der Literatur z.B. Krüger in: Fest-

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sungswidrig erklärte Klausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MitbestErgG dahingehend geändert, dass der Unternehmenszweck des Konzerns bereits dann durch die unter das Montanmitbestimmungsgesetz fallenden Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen gekennzeichnet wird, wenn diese in der Regel mehr als zwanzig Prozent der Arbeitnehmer sämtlicher Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen beschäftigen211. Ist diese Voraussetzung gegeben, so wird auch die nicht unmittelbar dem Montanmitbestimmungsgesetz unterliegende212 Konzernspitzengesellschaft gleichwohl nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MitbestErgG in das spezielle Montanbeteiligungsstatut einbezogen. Insofern wurden bereits Stimmen laut, die erklärten, aufgrund der sehr arbeits- und personalintensiven Produktionsformen im Bereich der Montanindustrie dürfe die neu in den Gesetzestext eingearbeitete Klausel (zwanzig Prozent der Arbeitnehmer) wohl in der Praxis wesentlich schneller erfüllt werden als die seit dem Mannesmann-Urteil allein ausschlaggebende Wertschöpfungsquote von ebenfalls zwanzig Prozent aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MitbestErgG213. Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat und zum Entwurf einer Rechtsverordnung zum Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 20.10.2003: „Mit der Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 besteht ein ausreichendes Kriterium, um den Montanbezug des Konzerns zu bestimmen. Hierin kommt die Prägung des betroffenen Unternehmens hinreichend zum Ausdruck. Einer Anknüpfung an die Beschäftigtenzahl bedarf es darüber hinaus nicht, zumal hinsichtlich der vorgeschlagenen 20 Prozent, deren Unbedenklichkeit sich nicht aus der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung ergibt, verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Aufgrund der sehr arbeitsintensiven Produktionsformen im Bereich der Montanindustrie dürfte bei dieser Beschäftigungsquote die Wertschöpfungsquote von 20 Prozent, die nach dem BVerfG als Kriterium für den Montanbezug als gerade ausreichend angesehen werden kann, regelmäßig noch lange nicht erreicht sein.“

___________ schrift Friauf, S. 611 ff.; Nagel, Mitbestimmung im Montankonzern und Grundgesetz (1992); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 30; Oetker, ZGR 2000, S. 19 (26 ff.); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MontanMitbestG § 1 Rdnr. 22; Spindler, AG 1994, S. 258 ff. 211 Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, S. 1065 (1069); Melot de Beauregard, DB 2004, S. 1430 (1431); Seibt, NZA 2004, S. 767 (774); vgl. oben § 2 C. I. 1. 212 Vgl. §§ 2 und 3 Abs. 1 Satz 1 MitbestErgG. 213 Vgl. in diesem Sinne die Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat und zum Entwurf einer Rechtsverordnung zum Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 20.10.2003, in der man die vorgesehene Neuregelung für das MitbestErgG eben aus diesem Grund ablehnt.

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Trifft diese Einschätzung zu, so ist mit der gegen den Protest der BDA vollzogenen Gesetzesänderung automatisch eine erhebliche Ausdehnung des praktischen Geltungsbereichs der Montanmitbestimmung verbunden214. cc) Berücksichtigung der deutschen Mitbestimmungsstandards in der SE Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das jahrzehntelange Ringen um die Frage der Mitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE), dem Vorschlag215 der EU-Staats- und -Regierungschefs auf dem Gipfel von Nizza216 vom 7. bis zum 9. Dezember 2000 folgend, nunmehr durch einen im Ministerrat der Europäischen Union am 20. Dezember 2000 gefundenen Kompromiss beendet wurde, der auch dem hohen deutschen Beteiligungsniveau Rechnung trägt. Das Ergebnis jenes Kompromisses war zunächst der Erlass der Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer vom 8. Oktober 2001. Die Richtlinie ist letztlich die Umsetzung eines von der DavignonSachverständigengruppe217 ausgearbeiteten Vorschlags. Das Maß der Arbeitnehmerbeteiligung wird danach in einem gegebenenfalls zweistufigen Verfahren bestimmt, welches zunächst den Weg freier Verhandlungen über den Mitbestimmungsstatus verfolgt und für den Fall des Scheiterns der Gespräche eine gesetzliche Auffanglösung als Rettungsanker der Arbeitnehmerinteressen vorsieht. Ziel dieses Systems ist es, einen weitreichenden Bestandsschutz für die Beteiligungsrechte im Unternehmen sicherzustellen und gleichzeitig ein flexibles individuelles Beteiligungskonzept für die konkret betroffenen Unternehmen zu ermöglichen218. ___________ 214 Das verkennt Melot de Beauregard, DB 2004, S. 1430 (1431), wenn er feststellt, die heftige Diskussion, die derzeit um das im europäischen Vergleich unter Druck geratene deutsche Mitbestimmungssystem geführt werde, finde sich an keiner Stelle des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat wieder. Konkrete Beispiele für ein zu erwartendes Hineinwachsen von Unternehmen in den Anwendungsbereich des MitbestErgG aufgrund der neuen Regelung finden sich bei Seibt, NZA 2004, S. 767 (774, dort Fn. 66) und in: Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht-Komm, Montan-MitbestG § 1 Rdnr. 23: Thyssen Krupp Steel AG und Salzgitter AG. 215 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Aktiengesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer – Rat der Europäischen Union, Dokument 14719/00. 216 Vgl. dazu Wiesner, ZIP 2001, S. 397 f. 217 Vgl. dazu Fleicher, AcP 204 (2004), S. 502 (534); Heinze, ZGR 2002, S. 66 (70 ff.); Kolvenbach, NZA 1998, S. 1323 (1324); Lutter, BB 2002, S. 1 (2 f.); Pluskat, EuZW 2001, S. 524 (525 f.). 218 Vgl. Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (429).

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Ein entsprechender Überblick über die Integration von Arbeitnehmervertretern in die Unternehmensleitung einer Europäischen Aktiengesellschaft wurde einführend schon gegeben219. Die nachstehenden Ausführungen erschöpfen sich jedoch nicht in einer bloßen Wiederholung dessen. Vielmehr wird im Folgenden noch einmal pointiert herausgearbeitet, inwieweit bei der Festlegung der Rahmenbedingungen für die Mitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft das dem deutschen Recht eigene Verständnis von der Beteiligung der Arbeitnehmer an der Unternehmensleitung Berücksichtigung gefunden hat, und auf dieser Grundlage untersucht, welche Rückschlüsse aus dem Grad der Rücksichtnahme bei wertender Betrachtung für den Stellenwert des deutschen Mitbestimmungsrechts auf nationaler wie auf europäischer Ebene gezogen werden können. (1) Modalitäten der Gesellschaftsgründung Es besteht eine gesellschaftsrechtlich greifbare Abhängigkeit des Umfangs der Arbeitnehmerbeteiligung in der SE dergestalt, dass sowohl der Grundsatz der Verhandlung als auch der der gesetzlichen Auffanglösung gewisse Modifikationen erfahren je nachdem, von welcher der im Rahmen der Verordnung EG 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft zur Verfügung gestellten Gründungsoptionen in der konkreten Gesellschaft Gebrauch gemacht wird220. Wie zuvor bereits ausgeführt wurde, kommen dabei abschließend folgende fünf Instrumente in Betracht221:  Verschmelzung mindestens zweier Aktiengesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und deren Sitz sowie Hauptverwaltung sich innerhalb der Gemeinschaft befindet, sofern mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, Art. 2 Abs. 1, 17 ff. SE-Verordnung,  Bildung einer gemeinsamen Holdinggesellschaft in der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (Holding-SE) durch Aktiengesellschaften oder GmbH, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden ___________ 219

Siehe oben § 5. Siehe schon im Überblick oben § 5 A. II. 221 Vgl. Blanquet, ZGR 2002, S. 20 (48); Heckschen, DNotZ 2003, S. 251 (256); Heinze, ZGR 2002, S. 66 (79 f.); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (426); Hommelhoff, AG 2001, S. 279 (280); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (6); Kloster, EuZW 2003, S. 293 (294); Lutter, BB 2002, S. 1 (4); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1485); Pluskat, EuZW 2001, S. 524 (526 f.); Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 175 I 2; Schulz/Geismar, DStR 2001, S. 1078 (079); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 137b; Teichmann, ZGR 2002, S. 383 (409); Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnrn. 403 ff. 220

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sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung innerhalb der Gemeinschaft haben, unter der Bedingung, dass mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, Art. 2 Abs. 2 lit. a, 32 ff. SEVerordnung, oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, Art. 2 Abs. 2 lit. b, 32 ff. SEVerordnung,  Bildung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft (Tochter-SE) im Wege der Zeichnung ihrer Aktien durch Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs. 2 EGV222 sowie sonstige juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung innerhalb der Gemeinschaft haben, unter der Bedingung, dass mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, Art. 2 Abs. 3 lit. a, 35 f. SE-Verordnung, oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben, Art. 2 Abs. 3 lit. b, 35 f. SE-Verordnung,  Bildung einer (Einpersonen-)Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft (Tochter-SE) im Wege der Ausgründung223 aus einer bereits bestehenden Europäischen Aktiengesellschaft selbst, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 SE-Verordnung. In jedem Fall ist unabhängig vom nationalen Aktienrecht des Sitzstaates der Muttergesellschaft die Gründung einer einhundertprozentigen Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer SE mit der Muttergesellschaft als einziger Aktionärin möglich. Zwar ergibt sich aus Art. 36 SE-Verordnung, dass auf die an der Gründung beteiligten Gesellschaften und sonstigen juristischen Personen die Vorschriften über deren Beteiligung an der Gründung einer Tochtergesellschaft in Form einer Aktiengesellschaft nationalen Rechts Anwendung finden. Solche nationalen Bestimmungen, nach denen eine Aktiengesellschaft mehr als einen Aktionär haben muss und die damit die Einpersonenkapitalgesellschaft konstruktiv ausschließen, haben aber gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 SEVerordnung gerade keinen Geltungsanspruch bezogen auf die Errichtung einer Tochtergesellschaft durch eine bereits bestehende Europäische Aktiengesellschaft, ___________ 222 Damit steht die Gründung einer (gemeinsamen) Tochter-SE nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch Personengesellschaften offen, vgl. Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (199); Kloster, EuZW 2003, S. 293 (296, dort Fn. 43); Schulz/Geismar, DStR 2001, S. 1078 (1081); Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 405 (dort Fn. 1). 223 Zu dieser Terminologie Hommelhoff, AG 2001, S. 279 (278); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 137b.

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 Umwandlung (im Sinne eines Rechtsformwechsels224) einer Aktiengesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden ist und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung innerhalb der Gemeinschaft hat, in eine Europäische Aktiengesellschaft unter der Bedingung, dass sie seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft hat, Art. 2 Abs. 4, 37 SE-Verordnung225. Im Übrigen wird in der Literatur zum Recht der Europäischen Aktiengesellschaft überwiegend die Ausgründung einer Tochter-SE aus einer bestehenden Europäischen Aktiengesellschaft gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 SE-Verordnung nicht als gegenüber der Bildung einer (gemeinsamen) Tochtergesellschaft gemäß Art. 2 Abs. 3 SE-Verordnung selbständige Gründungsmodalität angesehen, sondern lediglich als eine Spielart dieser Tochtergründung. Gesprochen wird dann von einer abgeleiteten, derivativen oder sekundären Gründungsform226. Legt man der Auflistung sämtlicher Gründungstatbestände dieses Verständnis zugrunde, gelangt man natürlich nur zu einer Gesamtzahl von vier Gründungsoptionen. Da aber Art. 2 Abs. 3 SE-Verordnung stets von der Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft durch mehrere Rechtsträger ausgeht, während Art. 3 Abs. 2 Satz 1 SE-Verordnung die Gründung einer Einpersonengesellschaft ermöglicht, erscheint es angebracht, jenen Tatbestand gesondert zu berücksichtigen und somit als vollwertige fünfte Variante der Gesellschaftserrichtung anzuerkennen. Allen Gründungstatbeständen ist zunächst gemein, dass die Richtlinie zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer in jedem Fall die Aufnahme von Verhandlungen und zu diesem Zweck wiederum die Einsetzung eines besonderen Verhandlungsgremiums der Arbeitnehmer verlangt. Insofern ist sie angelehnt an die Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats vom 30. Sep___________ 224

Hasselbach, NZG 1999, S. 291; Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (199); Kloster, EuZW 2003, S. 293 (294, 296); Köstler in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, E II 3 c cc; Schulz/Geismar, DStR 2001, S. 1078 (1081); Teichmann, ZGR 2003, S. 367 (368); Thoma/Leuering, NJW 2002, S. 1449 (1452); Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 406. 225 Vgl. zum Ganzen ausführlich Blanquet, ZGR 2002, S. 20 (44 ff.); Heckschen in: Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnrn. 41 ff.; Heckschen, DNotZ 2003, S. 251 (256 ff.); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (632 f.); Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (198 f.); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (6); Kloster, EuZW 2003, S. 293 (294 ff.); Schulz/Geismar, DStR 2001, S. 1078 (1080 f.); Schwarz, ZIP 2001, S. 1847 (1851 ff.); Teichmann, ZGR 2002, S. 383 (415 ff.); Teichmann, ZGR 2003, S. 367 (370 ff.); Thoma/Leuering, NJW 2002, S. 1449 (1451 ff.); Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Bd. 2, UmwG § 20 Rdnr. 403 ff. 226 Vgl. etwa Hommelhoff, AG 2001, S. 279 (280); Lutter, BB 2002, S. 1 (4); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1485 f.); Thoma/Leuering, NJW 2002, S. 1449 (1451).

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tember 1994227. So legt Art. 3 Abs. 1 SE-Richtlinie fest, dass die Leitungs- und Verwaltungsorgane aller an der Gründung der SE beteiligten Gesellschaften  nach der Offenlegung des Verschmelzungsplans oder  nach der Offenlegung des Gründungsplans für die Holdinggesellschaft oder  nach der Vereinbarung eines Plans zur Gründung einer Tochtergesellschaft oder  nach der Vereinbarung zur Umwandlung einer bestehenden Aktiengesellschaft in eine Europäische Aktiengesellschaft so rasch wie möglich die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um in Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern der betroffenen Gesellschaften über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gesellschaft einzutreten228. Zu diesen Maßnahmen gehört vor allem eine umfassende Unterrichtung über die Identität der beteiligten Gesellschaften, Tochtergesellschaften und auch Betriebe sowie die Zahl ihrer Beschäftigten229. Als Verhandlungspartner der Unternehmensführung fungiert eben das in Art. 3 Abs. 2 SE-Richtlinie näher beschriebene230 besondere Verhandlungsgremium, welches demnach völlig unabhängig von der gewählten Gründungsform eingesetzt werden muss231. Im Grundsatz kommt den Parteien im Rahmen der Verhandlungen Gestaltungsfreiheit zu232 (Gestaltungsprinzip), das heißt sie können den für die konkrete Europäische Aktiengesellschaft geltenden Beteiligungsstatus der Arbeitnehmer frei bestimmen, zum Teil theoretisch sogar vollumfänglich von der

___________ 227 Heinze, ZGR 2002, S. 66 (90); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (429); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (7); Köstler, ZGR 2003, S. 800 (802); Lutter, BB 2002, S. 1 (5). 228 Heinze, ZGR 2002, S. 66 (80); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (634); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (772). 229 Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (772 f.). 230 Allerdings regelt die SE-Richtlinie das genaue Wahl- und Bestellungsverfahren für die Mitglieder des Besonderen Verhandlungsgremiums nicht selbst. In diesem Bereich hat der nationale Gesetzgeber daher aufgrund Art. 3 Abs. 2 lit. b SE-Richtlinie einen eigenen Gestaltungsspielraum, vgl. Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (426 f.); Herfs-Röttgen, NZA 2002, S. 358 (359 ff.); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (634 ff.); Köstler in: Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, E II 1 b ba; Pluskat, DStR 2002, S. 1483 (1486 f.); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (773). 231 Vgl. Blanquet, ZGR 2002, S. 20 (58); Bungert/Beier, EWS 2002, S. 1 (4); Heinze, ZGR 2002, S. 66 (80); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (426 ff.); Herfs-Röttgen, NZA 2002, S. 358 (361 ff.); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (634); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (772, 773). 232 Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (774).

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Mitbestimmung absehen233. Dies ist jedoch, wie gesagt, nur ein gedanklicher Grundsatz, der im weiteren Text der SE-Richtlinie in mannigfaltiger Weise durchbrochen wird. Denn das Prinzip der Selbstbestimmung eines jeden Unternehmens über das in ihm zu praktizierende Beteiligungsniveau und das Interesse an einem Bestandsschutz für die bisher bestehenden Arbeitnehmerrechte (Sicherungsprinzip) prallen insoweit unversöhnlich aufeinander. Der europäische Gesetzgeber hat deshalb zahlreiche Hürden in seine Richtlinie eingebaut, welche sich als Schranken der Verhandlungsfreiheit verstehen. In Abhängigkeit vom jeweiligen Gründungsvorgang für die Europäische Aktiengesellschaft lassen sich zwei unterschiedlich strenge Bestandsschutzmodelle unterscheiden:  der rigorose Bestandsschutz im Falle der Umwandlung (Rechtsformwechsel) einer bestehenden nationalen Aktiengesellschaft in die supranationale Rechtsform gemäß Art. 2 Abs. 4, 37 SE-Verordnung und  der gemessen am Umwandlungsvorgang mildere Bestandsschutz in den Fällen der Verschmelzung zur Europäischen Aktiengesellschaft (Art. 2 Abs. 1, 17 ff. SE-Verordnung), Gründung einer Holdinggesellschaft (Art. 2 Abs. 2, 32 ff. SE-Verordnung) und Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft (Art. 2 Abs. 3, 35 f. SE-Verordnung). (2) Bestandsschutz im Fall der Gründung durch Umwandlung Aus Art. 4 Abs. 4 SE-Richtlinie ist zu entnehmen, dass die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Aktiengesellschaft im Falle einer durch Umwandlung gegründeten SE in Bezug auf alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung zumindest das gleiche Ausmaß gewährleisten muss, welches bei der umzuwandelnden Ausgangsgesellschaft

___________ 233

Zu diesem Ergebnis kann man im Rahmen des Art. 3 Abs. 6 SE-Richtlinie gelangen, wenn das besondere Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer mit Zweidrittelmehrheit den Abbruch der Verhandlungen mit der Unternehmensführung beschließt. Auf diese Weise kommen die Vorschriften des Sitzstaates über die betriebliche Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern zur Anwendung, nicht aber die nationalen Vorschriften zur Unternehmensmitbestimmung oder die Auffangregelung aus Art. 7 SERichtlinie. Mitbestimmungsfreiheit kann auf diese Weise aber lediglich in den Fällen der Verschmelzung, der Gründung einer Holding-SE und der Gründung einer TochterSE erreicht werden. Für den Fall der Umwandlung im Sinne eines Formwechsels gilt absoluter Bestandsschutz; siehe Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (197); HerfsRöttgen, NZA 2002, S. 358 (363); Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (200); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (774).

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bestand234. Für den gestalterischen Spielraum der Verhandlungspartner bedeutet das, dass eine Abweichung von den Vorgaben des bisherigen Mitbestimmungsstatuts nur zugunsten der Arbeitnehmer denkbar ist, nicht hingegen zu ihren Lasten. Den gleichen Mindeststandard garantiert Art. 7 Abs. 2 lit. a SE-Richtlinie in Verbindung mit der in Teil 3 des Richtlinienanhangs getroffenen Regelung für den Fall, dass die Verhandlungen fehlschlagen und damit die in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegte Auffangregelung zur Geltung kommt. Fanden nämlich im Umwandlungsfall die Vorschriften eines Mitgliedstaates über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Verwaltungs- oder im Aufsichtsorgan schon vor der Registereintragung der Umwandlung auf den Rechtsträger Anwendung, darf die nationale Auffangregelung eine Verschlechterung des damit etablierten Schutzniveaus nicht zulassen235. Das leuchtet unmittelbar ein. Der Rechtsträger bleibt schließlich im Umwandlungsfall erhalten und tauscht lediglich das auf ihn bis zur Registereintragung anzuwendende Normensystem des nationalen Aktienrechts gegen das europarechtliche Aktienrechtssystem aus236. Es ist nicht ersichtlich, warum in diesem Fall die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmerschaft geschmälert werden sollten. Deshalb ist es oberstes Ziel der Richtlinie, für den Fall des bloßen Rechtsformwechsels in die SE ein Abschmelzen237 bisher garantierter Mitbestimmungsrechte auszuschließen. Durch jenen unumgänglichen Bestandsschutz soll einer ansonsten allzu leichten Flucht aus der Mitbestimmung durch Gebrauchmachen von der neuen Rechtsform der SE vorgebeugt werden238. Unterliegt zum Beispiel eine deutsche Aktiengesellschaft mit 700 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern dem Drittelbeteiligungsstatut, so ist ein Ver___________ 234 Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 434 (427); vgl. auch Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (636); Kallmeyer, AG 2003, S. 197(199); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (8); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1487). 235 Vgl. Hasselbach, NZG 1999, S. 291; Heinze, ZGR 2002, S. 66 (90 f.); Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (197); Hirte, NZG 2002, S. 1 (7); Kleinsorge, RdA 2002, S. 343 (350); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (8); Lange, EuZW 2003, S. 301 (304); Lutter, BB 2002, S. 1 (6); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1488); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 6; Seibt in: Willemsen/ Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 137c. 236 Vgl. zum Grundsatz der Identität beim Formwechsel des nationalen Umwandlungsrechts oben § 7 B. IV. 1. 237 Lutter, BB 2002, S. 1 (6); Nagel, ArbuR 2001, S. 406 (407). 238 Blanquet, ZGR 2002, S. 20 (58); Heinze, ZGR 2002, S. 66 (69); Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (197); Hirte, NZG 2002, S. 1 (6); Hopt, ZGR 1992, S. 265 (278); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (636); Kleinsorge, RdA 2002, S. 343 (350); Lange, EuZW 2003, S. 301 (303 f.); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1486 f.); Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 175 II 2; Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (776); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 137c; Teichmann, ZGR 2002, S. 383 (392 f.).

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lust an Mitbestimmungsrechten für die Arbeitnehmer bei einem Rechtsformwechsel in die Europäische Aktiengesellschaft nicht zu befürchten. Insofern beinhaltet das Gesetz sowohl für die Verhandlungslösung als auch für die subsidiäre Auffanglösung eine zwingende Besitzstandsregelung239. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass das Unternehmen in seiner neuen Rechtsform dem identischen Mitbestimmungsstandard ausgesetzt ist. Der Bestandsschutz sichert die Beteiligungsrechte nämlich nur gegen eine Verschlechterung ab. Demgegenüber steht es Unternehmensführung und besonderem Verhandlungsgremium aber zum Beispiel frei, anstelle der Drittelbeteiligung eine quasiparitätische Besetzung des Aufsichtsrats nach dem Vorbild des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu vereinbaren. Ein solches Ergebnis ist selbst in der Praxis nicht unbedingt ausgeschlossen, nachdem die Richtlinie im Umwandlungsfall keine Möglichkeit einräumt, die Verhandlungen vorzeitig abzubrechen oder gar nicht erst aufzunehmen240. Art. 3 Abs. 6 Satz 5 SE-Richtlinie schreibt insofern vor, dass im Fall einer durch Umwandlung gegründeten SE dieser Absatz keine Anwendung findet, wenn in der umzuwandelnden Gesellschaft Mitbestimmung besteht. „Dieser Absatz“ meint natürlich den vollständigen Absatz 6 des Art. 3 SE-Richtlinie und damit vor allem das in ihm niedergelegte Recht auf die Verweigerung oder den Abbruch von Verhandlungstätigkeiten241. Obschon damit offenkundig Rechte der Arbeitnehmerseite beschnitten werden, gibt das Gesetz dem besonderen Verhandlungsgremium auf diese Weise simultan ein gewichtiges Druckmittel gegenüber der Unternehmensführung an die Hand. Zugeständnisse im Bereich der Mitbestimmung können mit der Drohung erwirkt werden, dass die Verhandlungen über den maximalen Zeitraum von sechs242 (bzw. zwölf243) Monaten hinaus fortgesetzt werden und bis dahin das Vorhaben des Rechtsformwechsels ausgesetzt werden muss244. Die SE kommt als solche nämlich erst im Zeitpunkt der Registereintragung zustande. Es fehlt indes nach Art. 12 Abs. 2 SE-Verordnung an der Eintragungsfähigkeit, solange nicht ___________ 239 Zu dieser Terminologie Büdenbender, ZIP 2000, S. 385; Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (200). 240 Heinze, ZGR 2002, S. 66 (80); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (634); Lange, EuZW 2003, S. 301 (304); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1486). 241 Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (635); Lange, EuZW 2003, S. 301 (304). 242 Art. 5 Abs. 1 SE-Richtlinie. 243 Art. 5 Abs. 2 SE-Richtlinie. Da allerdings zur Ausdehnung des Verhandlungszeitraums auf insgesamt zwölf Monate ein einvernehmlicher Beschluss von besonderem Verhandlungsgremium und Unternehmensführung erforderlich ist, wird es zu einem sechs Monate überschreitenden Verhandlungszeitraum in der beschriebenen Konfliktsituation wohl kaum jemals kommen. 244 Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (776).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

 eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer gemäß Art. 4 SERichtlinie geschlossen wurde oder  der im Umwandlungsfall gerade versagte Beschluss nach Art. 3 Abs. 6 SERichtlinie gefasst wurde oder  eben die Verhandlungsfrist nach Art. 5 Abs. 1 oder 2 SE-Richtlinie fruchtlos verstrichen ist245. (3) Bestandsschutz in den übrigen Gründungsfällen Etwas beweglicher aber damit auch komplizierter präsentiert sich die Rechtslage in den anderen Gründungfällen, namentlich also bei der Verschmelzung und der Gründung einer Holding oder Tochtergesellschaft in der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft. Im Rahmen der Verhandlungen können die Parteien hier zwar auch eine Vereinbarung treffen, die hinter den für die Gründungsgesellschaften geltenden gesetzlichen Bestimmungen zurückbleiben. Dabei sind indessen einige Besonderheiten zu berücksichtigen, die wiederum dem Ziel des Schutzes erworbener Mitbestimmungsrechte dienen246. Nach Art. 3 Abs. 4 Satz 1 SE-Richtlinie erfolgt die Beschlussfassung im besonderen Verhandlungsgremium, also die interne Meinungsbildung auf Arbeitnehmerseite247, grundsätzlich mit der absoluten Mehrheit der Stimmen, sofern diese Mehrheit auch die absolute Mehrheit der Arbeitnehmer vertritt248. Wird hingegen eine Absenkung des bisher praktizierten Mitbestimmungsstandards beschlossen, kann dies nur mit einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen geschehen249, die zudem repräsentativ für zwei Drittel der Arbeitnehmer – verteilt auf mindestens zwei Mitgliedstaaten – sein muss250. Eine ___________ 245

Vgl. Pluskat, EuZW 2001, S. 524 (527). Vgl. Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (199); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 137c. 247 Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (7). 248 Heinze, ZGR 2002, S. 66 (82); Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (196 f.); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (426); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (634); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (7); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1487). 249 Nach der Auffassung von Heinze, ZGR 2002, S. 66 (82 f.) ist der Vereinbarungsspielraum der Parteien allein durch das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit bereits derart gravierend eingeschränkt, dass von einer sachlichen Vereinbarkeit mit dem Vorrang der Vereinbarungslösung schon gar keine Rede mehr sein könne. Diese Aussage unterstreicht wiederum die herausragende Rolle des Bestandsschutzes auch für die deutsche Mitbestimmung. 250 Heinze, ZGR 2002, S. 66 (82); Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (197); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (426); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (634); Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (201); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (7); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (777). 246

§ 15 Der Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften in die BRD

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Minderung der Mitbestimmungsrechte liegt dabei vor, wenn die getroffene Vereinbarung hinter dem höchsten in den Ausgangsgesellschaften vertretenen Standard zurückbleibt251. Ein anderes gilt lediglich in dem Fall, dass bei einer Kooperation von mitbestimmungspflichtigten und mitbestimmungsfreien Ausgangsgesellschaften die mitbestimmungspflichtige Gesellschaft prozentual so wenig Arbeitnehmer in die neue Europäische Aktiengesellschaft einbringt, dass die Übertragung ihres Beteiligungsniveaus auf die neu entstehende gemeinsame Gesellschaft unbillig erscheint. Die Richtlinie legt zu diesem Zweck in ihrem Art. 3 Abs. 4 Satz 3 Grenzwerte fest und zwar  im Falle der Verschmelzung bei einem Anteil von mindestens 25 Prozent an der Gesamtarbeitnehmerschaft und  im Falle der Gründung einer SE als Holdinggesellschaft oder Tochtergesellschaft bei einem Anteil von mindestens 50 Prozent an der Gesamtarbeitnehmerschaft252. Eine identische Wertung trifft die Richtlinie im Bereich der Auffangregelung. Die aufgrund der Richtlinie geschaffenen Vorschriften der Mitgliedstaaten greifen vor allem in dem Fall Platz, dass die Verhandlungen über den Mitbestimmungsstatus ergebnislos verlaufen253. Auch hier gilt allerdings eine Einschränkung, nach der die Auffangregelung nicht automatisch254 zur Anwendung kommt, wenn vor der Eintragung der SE in das Handelsregister nicht in mindestens einer der an der Gründung beteiligten Gesellschaften überhaupt eine Mitbestimmungspflicht bestand und ihre Arbeitnehmer nicht mindestens den bekannten Anteil von 25 Prozent (Verschmelzung) bzw. 50 Prozent (Er___________ 251 Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (426 f.); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (7); Köstler, ZGR 2003, S. 800 (807); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1487, 1488); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 6. 252 Heinze, ZGR 2002, S. 66 (82); Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (197); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (427); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (635); Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (201); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (8); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1487, 1488 f.); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (777). 253 Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (198); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (427). 254 Es bleibt allerdings noch die Alternative, dass bei einem geringeren Arbeitnehmerquorum als den im Richtlinientext festgelegten 25 bzw. 50 Prozent die Auffangregelung im Zuge eines entsprechenden Beschlusses des besonderen Verhandlungsgremiums zur Anwendung kommt, Art. 7 Abs. 2 lit. b Spiegelstr. 2 und lit. c Spiegelstr. 2 SERichtlinie. Unabdingbar ist indessen, dass wenigstens in einer der beteiligten Gründungsgesellschaften vor der Eintragung der Europäischen Gesellschaft in das Handelsregister eine Form der Unternehmensmitbestimmung praktiziert wurde, da ansonsten der für die Auffanglösung tragende Gedanke des Bestandsschutzes gänzlich ins Leere geht.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

richtung einer Holding- oder Tochtergesellschaft) an der Gesamtzahl der Arbeitnehmer aller beteiligten Gesellschaften haben255. Bei der Ermittlung des ausschlaggebenden Arbeitnehmeranteils dürfen die Arbeitnehmer etwaiger mit den Gründungsgesellschaften in Konzernverbindungen stehender Unternehmen (zum Beispiel Tochtergesellschaften) nicht berücksichtigt werden256. Mit anderen Worten findet keine konzerninterne Zurechnung von Arbeitnehmern, wie sie etwa aus § 5 MitbestG und aus § 2 Abs. 2 DrittelbG bzw. § 77a BetrVG 1952 bekannt ist, statt. Das ergibt sich deutlich aus dem Richtlinientext, welcher auf den prozentualen Anteil an der Gesamtzahl der Arbeitnehmer der beteiligten Gesellschaften abstellt. Nach der Legaldefinition des Art. 2 lit. b SE-Richtlinie sind beteiligte Gesellschaften nämlich einzig und allein solche, die unmittelbar an der Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft beteiligt sind257. In diesem Sinne unmittelbar beteiligt sind aber im Einzelnen nur  im Verschmelzungsfall die als übertragender und im Fall der Verschmelzung zur Aufnahme auch als übernehmender Rechtsträger im Verschmelzungsvertrag festgelegten Parteien,  im Fall der Errichtung einer gemeinsamen Holdinggesellschaft diejenigen Gesellschaften, die in der entstehenden Konzernstruktur als Tochtergesellschaften der neu gegründeten Holding auftauchen, nicht hingegen etwaige Enkelgesellschaften usw.,  im Fall der Errichtung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft diejenigen Gesellschaften, die in der entstehenden Konzernstruktur als Anteilsinhaber der neu gegründeten Tochter fungieren, nicht hingegen etwaige andere Tochter- oder Schwestergesellschaften dieser Anteilsinhaber. Darüber hinaus sind die Anforderungen der SE-Richtlinie an die Auffangregelung der Mitgliedstaaten auch sonst weniger streng als im Fall der Umwandlung. Es gilt kein unbedingter Bestandsschutz, sondern das nationale Recht muss gemäß Teil 3 des Richtlinienanhangs gewährleisten, dass die Arbeitnehmer der SE sowie ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe das Recht haben, einen Teil der Mitglieder des Verwaltungs- oder des Aufsichtsorgans der SE zu wählen oder zu bestellen oder deren Bestellung zu empfehlen oder abzulehnen, ___________ 255

Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (198); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (427); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (635); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (8); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1488); Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (779). 256 Anders verhält sich die insofern europarechtswidrige Regelung im deutschen SEBG. Vgl. dazu Grobys, NZA 2004, S. 779 (780 f.); Krause, BB 31/2004, S. I. 257 Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (201); Krause, BB 31/2004, S. I.

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wobei die Zahl dieser Mitglieder sich nach dem höchsten maßgeblichen Anteil in den Gründungsgesellschaften vor der Eintragung der SE bemisst258. Gemäß Art. 7 Abs. 3 SE-Richtlinie steht es den Mitgliedstaaten allerdings frei, ob sie auch für die Gründungsvariante der Verschmelzung eine Auffangregelung erlassen oder nicht. Zwingend ist die Transformation der Richtlinie in nationales Recht aber in allen anderen Gründungfällen259. Das schließt indessen die Wahrung des Bestandsschutzinteresses der Arbeitnehmer im Fusionsfall nicht aus. Erlässt nämlich ein Mitgliedstaat hinsichtlich der Verschmelzung keine Auffangregelung, so ist eine durch Verschmelzung errichtete Europäische Aktiengesellschaft in seinen Registern nur dann eintragungsfähig, wenn entweder eine Mitbestimmungsvereinbarung im Wege der Verhandlungslösung erreicht wird oder sämtliche an der Gründung der SE beteiligten Gesellschaften ohnehin mitbestimmungsfrei waren260. Während in letzterer Situation schon thematisch gar kein Fall eines wie auch immer beschaffenen Bestandswahrungsinteresses vorliegt, steigt im ersteren Fall der Druck auf die Unternehmensführung, den Wünschen der Arbeitnehmer im Ergebnis der Verhandlungen zu entsprechen, enorm an. Ein Verlust von Beteiligungsrechten gegen oder ohne den Willen der Arbeitnehmerschaft ist auf diese Weise ebenfalls nicht zu befürchten261. Beispielssachverhalt: Eine mitbestimmungspflichtige deutsche Aktiengesellschaft mit Sitz in München verschmilzt mit einer mitbestimmungsfreien französischen société anonyme mit Sitz in Paris zu einer Europäischen Aktiengesellschaft. Als Sitz der somit neu gegründeten Gesellschaft wählen die Parteien ebenfalls Paris. Sind die Verhandlungen über ein privatautonom festzulegendes Mitbestimmungsmodell nicht erfolgreich, greift die Auffangregelung, und zwar diejenige des französischen Rechts, da gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 2 SE-Richtlinie als maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Sitz der SE heranzuziehen ist262. Das setzt allerdings voraus, dass die am Gründungsvorgang beteiligte deutsche Aktiengesellschaft mindestens ein Viertel der Arbeitnehmer der SE in diese einbringt. Ansonsten ist der Anteil der ursprünglich mitbestimmungsberechtigten Arbeitnehmer an der Gesamtbelegschaft zu gering, als dass die Richtlinie dem Bestandsschutzinteresse dieser Arbeitnehmer den Vorrang einräumt. ___________ 258 Vgl. dazu Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (428 ff.); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (636); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1488). 259 Vgl. Heinze, ZGR 2002, S. 66 (77). 260 Vgl. Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (636); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (8); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1488). 261 Vgl. Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (8). 262 Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (427); Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (635).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Im Ergebnis bedeutet das, dass sich der hohe deutsche Beteiligungsstandard in einer Europäischen Gesellschaft, an deren Gründung eine mitbestimmte deutsche Gesellschaft nicht nur in der untergeordneten Rolle des kleinen „Juniorpartners“ beteiligt ist, regelmäßig wieder finden lassen wird263. Man spricht insofern von einer Vorher-Nachher-Betrachtung264, von einer Fortführung des status quo ante265 und vom Schutz erworbener Rechte266. Damit hat sich der Ministerrat zwar nicht allgemein zugunsten einer möglichst strengen Mitbestimmung nach deutschem Vorbild entschieden. Aber zumindest im Falle der Beteiligung deutscher Unternehmen wird er zu berücksichtigen sein. Auf diese Weise haben sich die deutschen Stimmen im Rat letztlich durchgesetzt, indem sie mittels des gefundenen Kompromisses doch die bisweilen befürchtete Flucht deutscher Unternehmen aus der Mitbestimmung durch ein Ausweichen in die supranationale Kapitalgesellschaft für den Großteil der denkbaren Fälle zu verhindern gewusst haben. Diese Einschätzung entspricht auch der Auffassung des deutschen Gesetzgebers. In § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 des zur Umsetzung der SE-Richtlinie in das nationale Recht erlassenen SE-Beteiligungsgesetzes bekennt er sich ausdrücklich zu der Zielsetzung des Gesetzes, in einer Europäischen Aktiengesellschaft die erworbenen Rechte der Arbeitnehmer auf Beteiligung an den Unternehmensentscheidungen zu sichern. Maßgeblich für die Ausgestaltung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer in der SE seien eben die bestehenden Beteiligungsrechte in den Gesellschaften, die die SE gründeten. Mit der auf diese Weise geschaffenen Rechtslage geht jedoch nicht nur der praktische Bestands___________ 263 Vgl. in diesem Sinne insbesondere die Ausführungen von Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (429): „Aus deutscher Sicht sind damit ... die Mitwirkungsrechte deutscher Arbeitnehmer in der SE grundsätzlich gesichert. Denn soweit Mitwirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer vergleichbar mit denen in der Bundesrepublik nicht einvernehmlich zu erreichen sind, greift die Auffangregelung, die sich bei der Ausgestaltung der Mitbestimmung nach dem höchsten Mitbestimmungsgrad der beteiligten Gesellschaften richtet. Da die Bundesrepublik über eines der höchsten Mitbestimmungsniveaus in Europa verfügt, wird dieses für die SE regelmäßig prägend sein.“; Lutter, BB 2002, S. 1 (6): „Die Mitbestimmung deutscher Unternehmen ist auch beim Übergang in die SE gemauert, gleich welche Partner daran beteiligt sind.“; BR-Drucks. 438/04 (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft (SEEG)): „Der Bundesrat erkennt an, dass die Sicherung erworbener Mitbestimmungsrechte fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel der Richtlinie 2001/86/EG ist und damit nicht zur Disposition des nationalen Gesetzgebers steht.“ 264 Fleischer, AcP 204 (2004), S. 502 (535); Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (427, 429); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (7); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 137c. 265 Fleischer, AcP 204 (2004), S. 502 (535). 266 Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 424 (427, 429); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (7); Nagel, ArbuR 2004, S. 281 (284); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1488); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 137c.

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schutz für die deutsche Mitbestimmung einher, sondern dogmatisch auch die Ausweitung des persönlichen Geltungsspektrums der Mitbestimmungsgesetze auf die neu zur Verfügung gestellte Rechtsform der Societas Europaea267. d) Schlussfolgerung für die Zugehörigkeit zum ordre public aa) Nationaler ordre public Insgesamt ergibt sich daraus folgender Befund: Der Gesetzgeber hat deutlich gezeigt, dass er an der institutionellen Mitbestimmung in Deutschland festhalten will. Ein Abschied von diesem Rechtsinstitut ist gegenwärtig kaum in Sicht. Stattdessen wurde der faktische Anwendungsbereich deutschen Mitbestimmungsrechts (zum einen im Bereich des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes, zum anderen durch Einbeziehung auch der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft) sogar erheblich ausgedehnt. Daraus lässt sich ableiten, dass es dem Gesetzgeber nicht lediglich darum geht, eine Konfrontation mit den Gewerkschaften zu vermeiden, als deren Herzblut sich die Unternehmensmitbestimmung immer wieder erweist. Vielmehr handelte er offensichtlich aus innerer Überzeugung heraus268. Schon isoliert betrachtet legen diese Feststellungen den Schluss nahe, dass der hohe deutsche Mitbestimmungsstandard trotz seiner exponierten Stellung gegenüber den Statuten der anderen Mitgliedstaaten von derartigem Gewicht ist, dass man ihn im Anschluss an das Mitbestimmungsurteil des Bundesverfassungsgerichts und die Siemens-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unvermindert als eine zu Schutz und Förderung des deutschen Gemeinwohls berufene Rechtsmaterie begreifen kann. Darüber hinaus lässt sich die massive am Mitbestimmungsrecht geübte Kritik – bei aller Sympathie für die auf eine internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands abzielende politische Einstellung – sogar dazu verwenden, die Klassifizierung der geltenden Unternehmensmitbestimmung als Element der deutschen öffentlichen Ordnung zu untermauern. Denn schließlich hat der Gesetzgeber die Erweiterung des Geltungsbereichs der Holdingnovelle und die Berücksichtigung des deutschen Schutzniveaus auch in der Europäischen Gesellschaft in vollem Bewusstsein der seitens der Wirtschaft geäußerten Beanstandungen am Prinzip Mitbestimmung durchgesetzt. Dieser ___________ 267

Vgl. zur Umsetzung der Richtlinie 2001/86/EG in nationales Recht durch das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gesellschaft (SEBG) oben § 5. 268 Vgl. aber auch die weniger zuversichtliche Einschätzung von Melot de Beauregard, DB 2004, S. 1430 (1431), der zumindest den durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat veranlassten Gesetzesänderungen keine derartige Bedeutung beimisst. Es bleibe daher abzuwarten, wie lange die neu gefassten Regelungen ihrerseits einer weiteren Reform standhielten.

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Umstand lässt erst recht den Schluss auf die immense Bedeutung zu, die man im Bundesparlament dem Aspekt des Arbeitnehmerschutzes mittels Beteiligung auf Unternehmensebene beimisst, weil nahe liegender Weise jene Zielsetzung aus dem Blickwinkel des Gesetzgebers immer noch schwerer wiegt, als die vollständige Masse der gegen sie geäußerten Bedenken. Je fataler die Gegengründe ausfielen, die im Vorfeld der jüngsten Gesetzgebungsverfahren gegen die Mitbestimmung vorgebracht wurden, desto höher hebt der Gesetzgeber die vermeintlich mangelhafte Rechtsfigur nunmehr in den Himmel. Damit kann als weiteres Zwischenergebnis festgehalten werden, dass die Gesetze über die Unternehmensmitbestimmung sehr wohl immer noch zu den Vorschriften gezählt werden müssen, die dem nationalen ordre public angehören und deren Beachtung im Interesse zumindest des deutschen Allgemeinwohls zwingend geboten ist269. bb) „Gemeinschaftsrechtlicher ordre public“ Zuletzt bleibt zu klären, ob mit dieser Feststellung die Unternehmensmitbestimmung auch schon den Anforderungen genügt, welche der europarechtliche Rechtfertigungsgrund von den entgegenstehenden zwingenden Gründen des Allgemeinwohls stellt. Die verwandtschaftliche Nähe des kollisionsrechtlichen und des europarechtlichen Gedankens wurde bereits nachgewiesen270. Das bedeutet aber nicht notwendig, dass sich der nationale und der europäische ordre public in jeder Beziehung als deckungsgleich erweisen271. Zum Teil wird in der Wissenschaft die Frage nach der Zugehörigkeit des Mitbestimmungsrechts zum deutschen kollisionsrechtlichen ordre public auch offen gelassen mit dem Argument, die Berufung auf eine offensichtliche Unvereinbarkeit der Mitbestimmungsfreiheit mit den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung im Sinne des Art. 6 Satz 1 EGBGB versage ohnehin, wenn und soweit es um die Kompatibilität deutschen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht gehe272. Dem ist sicherlich zuzugeben, dass die Definition der zwingenden Gründe des Allgemeinwohls im Sinne der Rechtsprechung in Sachen Centros, Überseering und Inspire Art wie immer autonom europarechtlich zu bestimmen ist und sich nicht am Verständnis etwaiger vergleichbarer Regelungen auf der Ebene des Kollisionsrechts der Mitgliedstaaten ausrichten ___________ 269 Im Ergebnis ebenso Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (347) mit w. Nachw. 270 Vgl. dazu oben 2. c). 271 Vgl. auch Roth in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 709 (723 f.). 272 Ebke, JZ 2003, S. 927 (931); Hammen, WM 1999, S. 2487 (2494, dort Fn. 101) unter Hinweis auf Risse, MDR 1999, S. 752 (753).

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muss und darf. Das ist auch ohne weiteres einleuchtend, denn anderenfalls hätte der nationale Gesetzgeber es weitgehend in der Hand, seine Rechtssätze so auszugestalten, dass sie die Grundfreiheiten des EG-Vertrags verdrängen. Jene sollen indessen gerade den Maßstab für das nationale Recht vorgeben und dürfen somit nicht vorbehaltlos zur faktischen Disposition der dem Vertrag unterworfenen Staaten gestellt werden273. Auch der nationale ordre public müsse demnach darauf überprüft werden, ob ihm eine seinem Gewicht für das nationale Recht vergleichbare Bedeutung auch noch im „Lichte des europäischen Rechts“274 zukomme275. Jene Prämisse ist uneingeschränkt zu befürworten. Allerdings kann es methodisch nicht überzeugen, wenn vor diesem Hintergrund ausgeführt wird, es seien schließlich alle Bemühungen missglückt, die Unternehmensmitbestimmung durch gemeinschaftsrechtliche Rechtssätze europaweit einheitlich zu regeln. Als Beleg dafür wird die soeben näher dargestellte276 Richtlinie 2001/86/EG des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer herangezogen. Die dort gefunden Kompromisslösung, die sich im Auffangtatbestand lediglich an den Mitbestimmungsstatuten der am konkreten Gründungsvorgang auch beteiligten Rechtsträger ausrichtet und darüber hinaus im Wege der vorrangigen Verhandlungslösung zum Teil erhebliche, privatautonom festzulegende Abweichungen gestattet, verdeutliche, dass es gerade kein gemeinschaftsweit gefestigtes Verständnis von Inhalt und Umfang der Mitbestimmungsrechte gebe277. Dann

___________ 273

Hammen, WM 1999, S. 2487 (2494). Hammen, WM 1999, S. 2487 (2494). 275 Vgl. zum Vorbehalt der Konkordanz mit den Grundfreiheiten EuGH 23.11.1999 – Rs. C-369/96 u.a., EuGHE I 1999, S. 8453 ff. = RIW 2000, S. 137 ff. – Arblade und Leloup; Behrens, IPRax 2003, S. 193 (206); Ebke, JZ 2003, S. 927 (931); Jayme/Kohler, IPRax 2000, S. 454 (455); Weller, IPRax 2003, S. 520 (522). 276 Vgl. dazu oben c) cc) sowie auch oben § 5. 277 In diesem Zusammenhang ist auch noch einmal zu betonen, dass die Einigung über eine Verordnung und eine Richtlinie betreffend die Europäische Aktiengesellschaft und die Beteiligung der Arbeitnehmer in dem in dieser Rechtsform betriebenen Unternehmen eben deswegen über Jahrzehnte nicht zustande kam, weil die Frage nach dem Mitbestimmungsstatus nicht zur allgemeinen Zufriedenheit beantwortet werden konnte. Dass insbesondere das deutsche Mitbestimmungsmodell bei einigen Mitgliedstaaten auf Ablehnung stieß, wird schon dadurch ersichtlich, dass der erste Entwurf einer SE-Verordnung – dieser behandelte damals die Mitbestimmungsfrage noch selbst und überantwortete sie nicht einer separaten Richtlinie –, den die Kommission dem Ministerrat am 30.06.1970 vorlegte (AmtsBl. EG Nr. C 124 vom 10.10.1970; BT-Drucks. 6/11109), sich maßgeblich am deutschen Drittelbeteiligungsstatut der §§ 76 ff. BetrVG 1952 orientierte und sich gerade nicht durchgesetzt hat, vgl. Reichert/Brandes, ZGR 2003, S. 767 (769). 274

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könne die Arbeitnehmermitbestimmung auch nicht als Voraussetzung des europarechtlich verstandenen Gemeinwohls begriffen werden278. Diese Argumentation fußt nun auf einem ebenfalls stark kollisionsrechtlich geprägten Verständnis vom Begriff der zwingenden Gründe des Allgemeinwohls. Gemeinsamkeiten bestehen hier jedoch nur insofern, als sowohl Art. 6 Satz 1 EGBGB als auch der europarechtliche Rechtfertigungsgrund auf Rechtsfolgenseite letztlich die Möglichkeit geben, bestimmte Rechtsnormen eines Mitgliedstaates durch die eines anderen Mitgliedstaates zu überlagern. Im internationalen Privatrecht setzt das voraus, dass bei Beachtung des fremden Rechtssystems eine Grundfeste der deutschen Gesamtrechtsordnung berührt wird279. Auf europäischer Ebene kann jedoch nicht genau der gleiche Gedanke (d.h. also das Abstellen auf eine Grundfeste der europäischen Gesamtrechtsordnung) zum Tragen kommen. Denn die Aufgabe des Rechtfertigungsgrundes von den der Niederlassungsfreiheit entgegenstehenden zwingenden Gründen des Allgemeinwohls ist es nicht, eine Rechtsnorm, über die europaweiter Konsens besteht, gegenüber einem Drittstaat durchsetzen, sondern er regelt die Eingriffsbefugnisse der Mitgliedstaaten untereinander. Eben nur die Mitgliedstaaten sind überhaupt Adressaten des in Art. 43, 48 EGV ausgesprochenen Gebots, die Gesellschaften anderer Rechtsordnungen als solche anzuerkennen280. Die These, ein zwingend zu berücksichtigendes Allgemeininteresse lasse sich nur aus einer gemeinschaftsweit gefestigten, einheitlichen Auffassung von Inhalt und Umfang der Mitbestimmung ableiten281, muss damit denklogisch fehlgehen. In diesem Fall nämlich bestünden in sämtlichen Mitgliedstaaten per se identische Mitbestimmungsstandards. Alternativ könnte die Erschaffung eines derartigen einheitlichen Schutzniveaus auch mittels unmittelbar geltender Verordnungen oder umsetzungsbedürftiger Richtlinien durch den europäischen Gesetzgebe erfolgen, dem es für die primär gesellschaftsrechtliche Sachfrage jedoch an einer Regelungskompetenz fehlen dürfte. ___________ 278 Ebke, JZ 2003, S. 927 (931) unter Hinweis unter anderem auf Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (257); Ebke, BB 1/2003, S. I; Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2242); Kallmeyer, DB 2002, S. 2521 (2522); Schulz/Sester, EWS 2003, S. 545 (551). 279 Vgl. BGH 17.09.1968 – IV ZB 501/68, BGHZ 50, S. 370 (375 f.); BGH 18.06.1970 – IV ZB 69/69, BGHZ 54, S. 123 (129 f.); BGH 18.06.1970 – IV ZB 6/70, BGHZ 54, S. 132 (140); BGH 12.05.1971 – IV AR (Vz) 38/70, BGHZ 56, S. 180 (191); BGH 20.06.1979 – IV ZR 106/78, BGHZ 75, S. 32 (43). 280 Zur Anerkennungspflicht EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 59, EuGHE I 2002, S. 9919 (9965) – Überseering; Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (254 f.); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2238); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2474); Kallmeyer, DB 2002, S. 2521; Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925 (929); Lutter, BB 2003, S. 7 (9); Meilicke, GmbHR 2003, S. 793 (805); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1236); Paefgen, DB 2003, S. 487; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (33); Wernicke, EuZW 2002, S. 758 (761); Zimmer, BB 2003, S. 1 (5). 281 Ebke, JZ 2003, S. 927 (931) mit w. Nachw.

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Wäre erst einmal eine einvernehmliche Regelung für alle Mitgliedstaaten erzielt, so ergäbe sich ab diesem Zeitpunkt bei der grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer Gesellschaft schon überhaupt kein Spannungsverhältnis zwischen dem Gründungs- und dem Sitzrecht mehr, was wiederum bedeutet, dass es auf einen entsprechenden Rechtfertigungssatz zum Zwecke der Überlagerung nicht mehr ankäme. Jener Teufelskreis veranschaulicht, dass es unschädlich sein muss, wenn die Mitgliedstaaten schon kein einheitliches Bekenntnis zugunsten des Prinzips Unternehmensmitbestimmung abgeben, und erst recht kann es keine Rolle spielen, dass in den der Mitbestimmung positiv gesonnenen Staaten kein gleichmäßiges Schutzniveau besteht, die den Arbeitnehmern konkret eingeräumten Beteiligungsrechte also unterschiedlich weit reichen. Kann aber auf der einen Seite vom nationalen ordre public nicht bedenkenlos auf ein entsprechendes gemeinschaftsrelevantes zwingendes Interesse geschlossen werden und geht auf der anderen Seite das Postulat nach einem von sämtlichen Mitgliedstaaten einvernehmlich anerkannten Mitbestimmungssystem zu weit, so erhebt sich die Frage, nach welchem vermittelnden Kriterium sich die gemeinschaftsrechtliche Anerkennung des Schutzinteresses dann bestimmen soll. In diesem Zusammenhang sei noch einmal an folgendes erinnert: Der EG-Vertrag ist als europäisches Primärrecht zwar im Grundsatz gegenüber jeglicher Form des nationalen Rechts vorrangig282. Die für den einzelnen Gliedstaat tragenden Rechtsprinzipien jedoch stehen im Kollisionsfall mit dem Europarecht unter einem stärkeren Schutzinteresse als ein herkömmlicher nationaler Rechtssatz, der für die öffentliche Ordnung des Einzelstaates keine unmittelbare Bedeutung hat. Die institutionelle Mitbestimmung auf Unternehmensebene ist, wie dargelegt, ein für die deutsche Gesamtrechtsordnung in höchstem Maße staatstragendes Prinzip. Gerade weil nun die internationale Debatte um Sinn und Unsinn der Mitbestimmung in vollem Gange ist, muss man es doch bereits als respektables Zeichen des europäischen Gesetzgebers verstehen, wenn er im gesellschaftsrechtlichen Mammutprojekt Europäische Aktiengesellschaft vom Dogma der Rechtsvereinheitlichung abweicht und dort selbst dem ausgeprägt arbeitnehmerfreundlichen deutschen Beteiligungsstatut trotz sichtbarer Nachteile für die Corporate Governance in der SE Rechnung trägt. Eine allgemein ablehnende Haltung des politischen Europas gegenüber dem Rechtsinstitut Mitbestimmung kann vor diesem Hintergrund wohl kaum noch vertreten werden283. Überdies gibt der Rat zu erkennen, dass er gewillt ist, auch auf die deutlich über den europäischen Durchschnitt hinausgehenden deutschen Vorstellungen ___________ 282

Vorrang meint in diesem Zusammenhang lediglich Anwendungsvorrang, nicht Geltungsvorrang. 283 In diesem Sinne auch Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (347).

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von Arbeitnehmerschutz immerhin Rücksicht zu nehmen284. Damit einher geht das in der Literatur prophezeite Phänomen, dass in den praktischen Fällen der Gründung einer Europäischen Gesellschaft durch Verschmelzung, Bildung einer Holding und Bildung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft unter Beteiligung einer mitbestimmten deutschen Gesellschaft das Kompromissergebnis der Verhandlungen aus der Sicht der den Partnerunternehmen entstammenden Mitglieder des Verhandlungsgremiums sich regelmäßig als Mitbestimmungszuwachs darstellen dürfte285. Selbst wenn das Gremium nämlich einige dem deutschen Recht bekannte Beteiligungsrechte für die Zukunft auf Verlangen der Unternehmensführung hin aufgibt, wird der somit verschlechterte bzw. abgeschmolzene deutsche Mitbestimmungsstandard sich vielfach immer noch arbeitnehmerfreundlicher darstellen als die aus anderen Mitgliedstaaten bekannten Mitbestimmungsrechte286. Obgleich das Gemeinschaftsrecht sich den deutschen Schutzstandard damit nur in Ausnahmefällen (Umwandlung einer deutschen mitbestimmungspflichtigen Aktiengesellschaft in eine SE) tatsächlich zu Eigen macht, erkennt es ihn doch zumindest an287. Auf diese Weise ist die Mitbestimmung als Element des deutschen ordre public hinreichend im Gemeinschaftsrecht verankert und das derzeit (noch) bestehende Interesse des deutschen Gesetzgebers an ihrer Einhaltung und Beibehaltung ist auch im Bereich der Durchsetzung der EG-vertraglichen Grundfreiheiten zwingend als Gegengrund zu berücksichtigen288. Demnach ist mit den entgegenstehenden zwingenden Gründen des allgemeinen Wohls bzw. Interesses zunächst einmal ein Erlaubnissatz gefunden, auf dessen Grundlage deutsches Mitbestimmungsrecht als Sitzrecht ausnahmsweise auch auf einen nach dem Gründungsrecht eines anderen Mitgliedstaats errichteten, jedoch nach Deutschland zugezogenen Rechtsträger angewendet werden darf.

___________ 284

Vgl. Bayer, AG 2004, S. 534 (537); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1500). Nagel, ArbuR 2001, S. 406 (407). 286 Nagel, ArbuR 2001, S. 406 (407); vgl. zum Niveau der Unternehmensmitbestimmung in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften aus dem jüngeren Schrifttum die Beiträge in: Baums/Ulmer, Unternehmens-Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Recht der EU-Mitgliedstaaten, Employees’ Co-Determination in the Member States of the European Union (2004). 287 Vgl. im diesem Sinne auch Bayer, AG 2004, S. 534 (537); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1500). 288 Im Ergebnis ebenso Bayer, AG 2004, S. 534 (537); Bayer, BB 2003, S. 2357 (2365); Bayer, BB 2004, S. 1 (5); Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (352); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1500); Kersting, NZG 2003, S. 9 (10); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 568; Kindler, NJW 2003, S. 1073 (1079); Schanze/ Jüttner, AG 2003, S. 30 (35). 285

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III. Die weitergehenden Anforderungen des EuGH Das bedeutet für die vorliegende Untersuchung, dass der Zweck des Arbeitnehmerschutzes als zwingender Grund des Allgemeinwohls vom deutschen Gesetzgeber gleichsam als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden kann, um bei Bedarf entgegen dem Gebot der europäischen Grundfreiheit einen Mitbestimmungszwang auf Unternehmensebene auch für ausländische Kapitalgesellschaften anzuordnen, die sich in den räumlichen Geltungsbereich deutschen Rechts begeben289. Mit der Auffindung jenes Erlaubnissatzes ist allerdings noch nicht abschließend darüber entschieden, ob ein derart erweitertes Mitbestimmungsgesetz sich tatsächlich als europarechtskonform erweist. Die Niederlassungsfreiheit kann nämlich gleichwohl verletzt sein, wenn entweder eine Diskriminierung der betroffenen ausländischen Rechtsträger nachzuweisen wäre oder den Kriterien der Geeignetheit und des der Erforderlichkeit nicht genügt werden könnte290. 1. Das Diskriminierungsverbot Bereits aus Art. 12 Abs. 1 EGV ergibt sich, dass unbeschadet der besonderen Bestimmungen des Vertrags in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. Da eine Staatsangehörigkeit im engeren Sinne lediglich natürliche Personen aufweisen, hat der Gedanke jener Norm für juristische Personen in der Weise Bedeutung, dass der in der Satzung vorgesehene formelle Sitz, die Hauptverwaltung und die Hauptniederlassung Parameter sind, anhand derer ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung ___________ 289 Vgl. zu der wohl allein theoretisch interessanten Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen zudem eine Regelungskompetenz des deutschen Gesetzgebers für das Mitbestimmungsstatut auch ausländischer Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz im Ausland denkbar ist, Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (382 f.); Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 151 ff. 290 Vgl. EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 32, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697) = EuZW 1993, S. 322 (324) – Kraus; EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Tz. 37, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197 f.) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (581) – Gebhard; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 34, EuGHE I 1999, S. 1459 (1495) – Centros; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 84, EuGHE I 2002, S. 9919 (9971) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 133, EuGHE I 2003, S. 10155 (10233) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) – Lasteyrie du Saillant; Behrens, IPRax 2004, S. 20 (25); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2240 f.); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (27); Kanzleiter, DNotZ 2003, S. 885; Knapp, DNotZ 2003, S. 85 (90); G. Kraft/Müller, RIW 2004, S. 366 (369); Schulz/Sester, EWS 2002, S. 545 (549); Schwark, AG 2004, S. 173 (177, 178); Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Weller, IPRax 2003, S. 520 (522).

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eines bestimmten Mitgliedstaats zu bestimmen ist291. Stellt man nun fest, dass im Zuge der Gründung eines nicht natürlichen Rechtsträgers beispielsweise auf das englische Gesellschaftsorganisationsrecht abgestellt wird, dementsprechend der Satzungssitz in England liegt, der Rechtsträger operativ aber nur auf deutschem Territorium agiert, so darf er als „Angehöriger“ der englischen Rechtsordnung im Grundsatz nicht schlechter behandelt werden als ein jeder vergleichbarer, unmittelbar der deutschen Rechtsordnung zugehöriger Rechtsträger. Gesetzt den Fall, der deutsche Gesetzgeber ordnet den Mitbestimmungszwang für zugezogene ausländische Kapitalgesellschaften an: Dann wird man bei einer oberflächlichen ersten Betrachtung möglicherweise zu dem Schluss kommen, dass damit ausländischen Rechtsträgern nur eine Pflicht auferlegt wird, von der ihre deutschen Gegenstücke ohnehin schon betroffen sind292, und dass auf diese Weise wohl eher ein mustergültiger Fall von Gleichbehandlung als von Diskriminierung anzunehmen ist. Ein derart einfach gelagertes Verständnis des Diskriminierungsverbots wird allerdings den europarechtlichen Anforderungen nicht einmal im Ansatz gerecht. Auch hier muss wieder differenziert werden. Eine diskriminierende Wirkung kann sich zum einen bereits einfach deshalb ergeben, weil bestimmte ausländische Gesellschaftstypen unter weiteren Voraussetzungen (Arbeitnehmerzahl, Tätigkeitsgegenstand) vom Mitbestimmungszwang erfasst würden, während bestimmte deutsche Gesellschaften entweder schon kraft ihrer Rechtsform oder aber, weil sie den weitergehenden Anforderungen nicht genügen, mitbestimmungsfrei blieben. Möglicherweise lässt sich aus diesem Gedanken heraus eine europarechtlich unzulässige Ungleichbehandlung von wesensmäßig gleichen Sachverhalten herleiten. Das Verbot, ausländische Rechtsträger eines EG-Mitgliedstaats schlechter zu behandeln als äquivalente inländische Rechtsträger, lässt sich nämlich umformulieren in das Gebot, den ausländischen Rechtsträger wenigstens in gleicher Weise zu behandeln. Verletzt ist dieses Gebot, wenn zu Lasten des ausländischen Rechtsträgers von ihm abgewichen wird, nicht hingegen bei einer Abweichung zu Lasten des inländischen Rechtsträgers. Jenes Problemfeld lässt sich auf der Tatbestandssei___________ 291 EuGH 28.01.1986 – Rs. 270/83 – Tz. 18, EuGHE 1986, S. 273 (304) = NJW 1987, S. 569 (570) – Kommission/Frankreich; EuGH 10.07.1986 – Rs. 79/85 – Tz. 13, EuGHE 1986, S. 2375 (2387) – Segers; EuGH 13.07.1993 – Rs. C-330/91 – Tz. 13, EuGHE I 1993, S. 4017 (4043) – Commerzbank; EuGH 16.07.1998 – Rs. C-264/96 – Tz. 20, EuGHE I 1998, S. 4695 (4721) – ICI; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 20, EuGHE I 1999, S. 1459 (1491) – Centros; EuGH 29.04.1999 – Rs. C-311/97 – Tz. 23, EuGHE I 1999, S. 2651 (2672 f.) = NZG 1999, S. 708 (709) – Royal Bank of Scotland; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 57, EuGHE I 2002, S. 9919 (9964) – Überseering. 292 So z.B. Hammen, WM 1999, S. 2487 (2494).

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te der deutschen Mitbestimmungsgesetze verorten, da hier die Voraussetzungen geregelt sind, die zur Mitbestimmungspflichtigkeit führen (Schlechterstellung rechtlicher Natur293). Zum anderen ist aber auch denkbar, dass die Pflicht zur Einrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats und eventuell zur Bestellung eines Arbeitsdirektors im Vertretungsorgan ausländische Rechtsträger entweder allgemein oder wenigstens diejenigen mit einer monistischen Unternehmensverfassung wesentlich härter trifft als ihre deutschen Pendants mit dualistischer Organisation294 (Schlechterstellung faktischer Natur295). Sollte sich diese Einschätzung dem Grunde nach bestätigen, so muss man zudem über eine alternative Ausgestaltung der Rechtsfolgenseite nachdenken. Möglicherweise kann hier nämlich ein gemessen am geltenden Recht verfeinertes Lösungsmodell entwickelt werden, dass den europarechtlichen Anforderungen Rechnung trägt. Diese Frage, die im Schrifttum zumeist erst im Rahmen der Proportionalität, also der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, gestellt wird296, ist richtigerweise schon als Element des Diskriminierungsverbots zu begreifen297. Denn das Gebot, wesensmäßig gleiche Sachverhalte auch gesetzlich gleich zu behandeln, kann nicht auf die Tatbestandsseite einer gesetzlichen Norm beschränkt sein. Entscheidend ist vor allem, dass im auf Rechtsfolgenseite festgelegten Ergebnis eine auch in faktischer Hinsicht gleichmäßige Belastung aller vom Tatbestand erfassten Rechtsträger erzielt wird298. Ist das nicht der Fall, so gebietet es das Diskriminierungsverbot dem nationalen Gesetzgeber, die faktisch stärkere Belastung der ausländischen Rechtsträger durch eine einheitliche nationale Regelung aufzugeben und gegebenenfalls einen flexibleren Maßstab anzulegen. (Argumentieren ließe sich aber sicherlich auch genau spiegelverkehrt, wenn man unterstreicht, dass Kapitalgesellschaften mit monistischer Struktur und Kapitalgesellschaften mit dualistischer Struktur ohnehin nicht ohne weiteres vergleichbar sind. In diesem Fall müsste man folgerichtig die Frage stellen, ob nicht das Verbot der Gleichbehandlung wesensmäßig verschiedener Sachverhalte verletzt wird.) ___________ 293

Franzen, RdA 2004, S. 257 (262). Siehe schon oben C. III. 295 Franzen, RdA 2004, S. 257 (262); vgl. auch Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (384). 296 So z.B. Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 83 ff. 297 In diesem Sinne Franzen, RdA 2004, S. 257 (262); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (384). Wiederum anderer Ansicht ist Bayer, AG 2004, S. 534 (538), der diesen Aspekt schwerpunktmäßig als eine Frage der Geeignetheit zur Zweckerreichung einordnet. 298 In diesem Sinne Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (384): „Auch die Gleichbehandlung mit ungleichen Auswirkungen kann eine Diskriminierung darstellen“. 294

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a) Tatbestand Auf der Tatbestandsseite wäre es wegen der de lege lata mangelnden Analogiefähigkeit299 der deutschen Mitbestimmungsgesetze notwendig, ausländische Kapitalgesellschaftstypen de lege ferenda ausdrücklich in den Gesetzestext aufzunehmen. Da spätestens im Zuge der im Frühjahr 2004 vollzogenen Eingliederung zehn weiterer Mitgliedstaaten300 in die Europäische Gemeinschaft ein ausdrücklicher Rechtsformenkatalog wohl kaum zu überblickende Dimensionen annehmen würde, bietet sich in erster Linie eine abstrakt gefasste Regelung an, für die ein Formulierungsvorschlag bereits erarbeitet wurde301. Eine Schlechterstellung der betroffenen ausländischen Rechtsträger ergäbe sich nicht bereits deshalb, weil sie erst bei Überschreitung der aus dem geltenden Recht bekannten Schwellenwerte von 500 (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1302, Nr. 2 Satz 1303, Nr. 3 Satz 1, Nr. 4, Nr. 5 Satz 1 DrittelbG), 1.000 (§ 1 Abs. 2 MontanmitbestG) und 2.000 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG) als mitbestimmungsrelevant betrachtet würden. Freilich fällt auf, dass eine Vielzahl inländischer Rechtsträger, eben weil sie hinter diesen Schwellenwerten zurückbleibt, nicht unter die Beteiligungsregelung fällt. Gleichwohl gilt hier für inländische und ausländische Unternehmen der gleiche Maßstab, so dass eine Schlechterstellung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 EGV nicht gegeben ist. Allerdings könnte man versucht sein, die bereits auf nationaler Ebene bisweilen angerissene Diskussion neu zu beleben, dass es natürlich an einer einleuchtenden Erklärung fehle, warum ein Unternehmen mit in der Regel 501 Arbeitnehmern als mitbestimmungserheblich betrachtet werde, während ein in jeder Hinsicht vergleichbares zweites Unternehmen mit in der Regel exakt 500 oder weniger Arbeitnehmern (soweit es sich nicht um eine Altgesellschaft handelt) durch das Raster fallen könne304. Dieses im nationalen Recht auf dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz fußende Problemfeld könnte dann entsprechend auf das auf supranationaler Ebene geltende Diskriminierungsverbot ___________ 299

Vgl. oben C. II. 2. Die Beitrittsländer sind Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. 301 Siehe oben C. II. 2. b) bb). 302 Vgl. aber für die AG die unterschiedlichen Fassungen des aktuellen DrittelbG (mehr als (>) 500 Arbeitnehmer) und der Vorgängernorm in § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG 1952 (nicht weniger als (•) 500 Arbeitnehmer). 303 Vgl. aber für die KGaA die unterschiedlichen Fassungen des aktuellen DrittelbG (mehr als (>) 500 Arbeitnehmer) und der Vorgängernorm in § 76 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Satz 3 BetrVG 1952 (nicht weniger als (•) 500 Arbeitnehmer). 304 Vgl. dazu Henssler, ZfA 2000, S. 241 (245). 300

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projiziert werden. Die Fragestellung müsste lauten, ob nicht eine Ausländerdiskriminierung bereits deshalb vorliegt, weil beispielsweise die mit regelmäßig 501 Arbeitnehmern versehene zugezogene public limited company gesetzlich erfasst wird, während die soeben neu gegründete deutsche Aktiengesellschaft mit „nur“ 500 Beschäftigten die Zusammensetzung ihres Aufsichtsrats frei zu bestimmen vermag. Ein zwingender Grund, aus dem heraus sich die Notwendigkeit einer ersten Grenzziehung eben bei einer Gesamtzahl von 500 Arbeitnehmern ableiten lässt, existiert natürlich nicht. Jedoch ist dies ein Problem, das sich in jedem abgestuften Schwellenwertsystem findet und mit Blick auf den Regelungsauftrag des Gesetzgebers teleologisch bewältigt werden muss. Aufgrund der Vielschichtigkeit der denkbaren praktischen Sachverhalte kann nicht im Gesetz für jedes Unternehmen ein individuell gerechter Maßstab angesetzt werden. Um alle denkbaren Fälle zu erfassen, zugleich aber auch das Recht handhabbar auszugestalten, muss der Gesetzgeber eine hinreichend abstrakte Regelung setzen dürfen305. Bedient er sich vor diesem Hintergrund des Schwellenwertprinzips, ist dies völlig legitim, solange die festgelegten Werte nicht willkürlich gewählt werden. Die Annahme, dass in einem nicht mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigenden Unternehmen grundsätzlich das sozial begründete Beteiligungsinteresse der Belegschaft ein gemessen an den verfassungsrechtlich durch die Wirtschaftsgrundrechte geschützten unternehmerischen Gestaltungs- und Leitungsrechten nur untergeordnetes Gewicht aufweist, während es bei mehr als 500 Arbeitnehmern regelmäßig Berücksichtigung finden muss, ist vielleicht politisch streitbar. In keinem Fall ist aber ersichtlich, dass hier wider jede Vernunft eine willkürliche Grenze gezogen wurde306. Gleiches gilt für die weiteren Schwellenwerte von 1.000 Arbeitnehmern im Bereich der Montanmitbestimmung und 2.000 Arbeitnehmern im Bereich des Mitbestimmungsgesetzes 1976. Eine Diskriminierung der betroffenen, auf deutsches Territorium zugezogenen Rechtsträger scheidet in dieser Hinsicht aus. Ebenso wenig läge eine Diskriminierung im Verhältnis mitbestimmungspflichtiger ausländischer Kapitalgesellschaften zu den stets mitbestimmungsfreien inländischen Personengesamtheiten vor. Denn selbst wenn man die Kör___________ 305

Henssler, ZfA 2000, S. 241 (245): „Die mit solch festen Quoten notwendigerweise verbundenen Ungerechtigkeiten werden vom Gesetzgeber bewusst aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung in Kauf genommen.“ 306 Vgl. aber auch die Formulierung von Henssler, ZfA 2000, S. 241 (245), der (allerdings im Kontext der Abgrenzung von unzulässiger Gesetzesumgehung und legitimer Tatbestandsvermeidung) ausführt, dass das Gesetz auf der Tatbestandsseite im Interesse der Rechtssicherheit auf feste Zahlengrößen abstelle, die zwangsläufig willkürlich gegriffen seien.

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perschaften einerseits und die Gesamthandsgemeinschaften andererseits nur als im Grundsatz vergleichbare Untergruppen des für die Diskriminierungsprüfung ausschlaggebenden Oberbegriffs „Gesellschaftstypen“ einordnet307, so ist die Ausgrenzung gerade der Personengesellschaften aus dem Kreis der erfassten Rechtsträger aufgrund der im Personengesellschaftsrecht geltenden Haftungsverfassung sachlich gerechtfertigt308. Im Übrigen ist freilich auch nicht an einen Mitbestimmungszwang für ausländische Gesamthandsgemeinschaften gedacht, so dass die hinter der zuziehenden ausländischen Körperschaft stehenden Personen ebenso wie deutsche Gesellschafter theoretisch die Möglichkeit hätten, sich unter Inkaufnahme der entsprechenden haftungsrechtlichen Risiken für die Zukunft als (gegebenenfalls ausländische) Gesamthand zu organisieren, um sich auf diese Weise der drohenden obligatorischen Mitbestimmung doch noch zu entziehen309. b) Rechtsfolge aa) Diskriminierende Wirkung des geltenden Rechtsfolgensystems Nachdem die Einbeziehung ausländischer Kapitalgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz in den Tatbestand der deutschen Mitbestimmungsgesetze als solche keine rechtliche Ausländerdiskriminierung darstellt, ist nunmehr auf die zugehörige Rechtsfolge einzugehen. Diese setzt sich im Wesentlichen aus den folgenden drei Befehlen an das unter den gesetzlichen Tatbestand fallende Unternehmen zusammen:  Bildung eines Aufsichtsrats, soweit sich dies nicht schon aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 1 DrittelbG, § 6 Abs. 1 MitbestG, § 3 Abs. 1 MontanmitbestG und § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG),  Besetzung des spätestens jetzt zu bildenden Aufsichtsrats nach den engen Vorgaben des jeweils einschlägigen Mitbestimmungsgesetzes in dem dafür ___________ 307

Anders herum erscheint es auch denkbar, die Personengesamtheit und die Körperschaft von vornherein als etwas wesensmäßig völlig Unterschiedliches (aliud) zu begreifen, so dass eine Diskriminierungsprüfung im Sinne der Überprüfung auf eine Ungleichbehandlung im Verhältnis dieser Vergleichsgruppen untereinander ohnehin unzulässig ist. 308 Vgl. zum Haftungsmodell als Differenzierungsmaßstab Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 163; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 4; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 55; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (16); Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 375 Rdnr. 10; auch oben § 1 B. I. 2. 309 Vgl. zu dieser Gestaltungsmöglichkeit unter Einsatz des Gestaltungsinstruments Rechtsformwechsel (§§ 190 ff. UmwG) auf der Ebene des nationalen Rechts oben § 11 B.

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gesetzlich vorgesehenen Verfahren (§§ 4 bis 12 DrittelbG in Verbindung mit der Wahlordnung310, §§ 6 bis 24 MitbestG in Verbindung mit den drei Wahlordnungen311, §§ 3 bis 11 MontanmitbestG und §§ 5 bis 11 MitbestErgG) und  Bildung des Postens eines Arbeitsdirektors im Leitungsorgan, sofern das einschlägige Mitbestimmungsgesetz dieses Institut kennt (§ 33 Abs. 1 MitbestG, § 13 Abs. 1 MontanmitbestG, § 13 MitbestErgG). Sollte man dieses Rechtsfolgensystem unverändert für zugezogene Auslandsgesellschaften übernehmen wollen, so ergäben sich daraus zahlreiche Probleme bei der Anpassung des Gründungsrechts an die historisch bedingt allein von deutschem Gesellschaftsorganisationsrecht ausgehende gesetzliche Vorgabe312. Eben in dieser Problematik der Implementierung deutschen Mitbestimmungsrechts in die Organisationsverfassung von Auslandsgesellschaften könnte eine Diskriminierung faktischer Natur zu sehen sein. Als äußerst heikel erweist sich in diesem Zusammenhang bereits die schiere Existenz eines Aufsichtsrats im organisatorischen Gefüge einer bislang monistisch strukturierten Gesellschaft überhaupt. Erneut sei dies am Beispiel der englischen private und public limited companies veranschaulicht. Die Aufgabenbereiche des nach dem englischen Gründungsrecht erforderlichen boards of directors und des nach deutschem Mitbestimmungsrecht nachträglich eingefügten Aufsichtsrats sind in keiner Weise aufeinander abgestimmt. Demgegenüber verfängt nicht einmal im Ansatz das Argument, dass auch der deutschen GmbH ein (obligatorischer) Aufsichtsrat nach dem GmbHGesetz fremd sei, ohne dass dies den Gesetzgeber gehindert habe, selbst für Unternehmen dieser Rechtsform unter den Voraussetzungen des Drittelbeteiligungsgesetzes, des Mitbestimmungsgesetzes 1976 und der Montanmitbestimmungsgesetze eine Pflicht zur Einführung eines mitbestimmten Aufsichtsrats zu etablieren313. Natürlich trifft dies der Sache nach zu. Jedoch geht die Intensität des Eingriffs in die Struktur der englischen Kapitalgesellschaften in tatsäch___________ 310 Rechtsverordnung zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Drittelbeteiligungsgesetz – Wahlordnung DrittelbG (BGBl. I 2004 S. 1393), vgl. oben § 4 C. II. 3. 311 Erste Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz 1976 vom 27.05.2002 (BGBl. I 2002 S. 1682); Zweite Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz 1976 vom 27.05.2002 (BGBl. I 2002 S. 1708); Dritte Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz 1976 vom 27.05.2002 (BGBl. I 2002 S. 1741), vgl. oben § 3 B. I. 3. 312 Etwa Roth in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 709 (715). 313 Vgl. zu dieser Argumentation v. Halen, WM 2003, S. 571 (577); Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (345); Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325 (349); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 85; Roth, IPRax 2003, S. 117 (125).

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licher Hinsicht regelmäßig bei weitem über das hinaus, was der deutsche Gesetzgeber „seiner“ GmbH zuzumuten bereit ist. Dies beruht darauf, dass das Rechtsinstitut eines vom Leitungsorgan verschiedenen Aufsichtsrats oftmals dem ausländischen Kapitalgesellschaftsrecht gänzlich unbekannt ist, ein Aufsichtsrat also von den Gesellschaftern noch nicht einmal auf freiwilliger Basis geschaffen werden könnte. In diesem Fall nun ist zu berücksichtigen, dass die deutsche Vorstellung von einer Unternehmensleitung auf der einen Seite und einer davon unabhängigen Überwachung dieser Leitung auf der anderen Seite durch die monistische Prägung der Unternehmensverfassung nicht notwendig ausgeschlossen ist. In zahlreichen Fällen lässt sich innerhalb der Besetzung des boards of directors (Verwaltungsorgans) nämlich eine Untergliederung vornehmen in die so genannten executive directors bzw. inside directors (geschäftsführende Direktoren) und die non-executive directors bzw. outside directors (nicht geschäftsführende Direktoren)314. Erstere sind unmittelbar zur Geschäftsführung und Willensbildung bei der Vertretung der Gesellschaft berufen, während letztere von der Wahrnehmung jener Aufgabe ausgeschlossen werden. Stattdessen werden sie mit der Überwachung des Handelns der executive directors betraut. In diesem Sinne versteht sich ein solchermaßen untergliedertes einheitliches Verwaltungsorgan also gleichsam als Leitungs- und Kontrollorgan in Personalunion, wobei eine entsprechende Aufgabenverteilung erst organintern vorgesehen ist315. Geht man von einer derartigen Gesellschaftsorganisation aus, leuchtet es unmittelbar ein, dass die de lege lata im deutschen Mitbestimmungsrecht vorhandene Anordnung, ein mitbestimmungspflichtiges Unternehmen habe neben seinem Leitungsorgan einen Aufsichtsrat mit fest umrissenen Kontrollkompetenzen zu installieren, denkbar weit über die mit der Unternehmensmitbestimmung verfolgten Ziele hinausschießt. Insbesondere würde dadurch erreicht, dass neben die im board of directors intern ohnehin schon vom Gründungsrecht angelegten Kontrollmechanismen des Weiteren noch ein eigens zum Zweck der Kontrolle gegründeter (mitbestimmter) Aufsichtsrat treten würde. Auf diese Weise geriete das von der Gesellschaftsrechtsordnung des Herkunftsstaats wohl ausbalancierte Verhältnis von Unternehmensleitung und Unternehmenskontrolle zu Gunsten eines sinnlosen Machtübergewichts der Kontrollseite völlig aus den Fugen. Zudem würden unweigerlich weit reichende Kompetenzkonflikte316 zwischen den nach wie vor dem Eintritt der Gesellschaft in den Geltungsbe___________ 314

Vgl. dazu etwa Theisen in: Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rdnrn.

93 f. 315 Vgl. dazu etwa Hammen, WM 1999, S. 2487 (2494); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 87; Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (383) mit w. Nachw. 316 Vgl. dazu auch Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499).

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reich deutschen Mitbestimmungsrechts vorhandenen non-executive directors und dem neu eingefügten, von seiner Funktion her aber mit diesem Teil des boards identischen Aufsichtsrat provoziert. Ganz gleich, ob im Zuge dessen der Arbeitnehmerschaft ein politisch ohnedies streitbares Mitspracherecht bei der Unternehmenskontrolle eingeräumt wird, kann ein derartig schwer wiegender Eingriff in die Unternehmensverfassung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen ordentlicher Corporate Governance keinesfalls in Einklang gebracht werden. Völlig anders liegt demgegenüber der Fall bei der deutschen GmbH. Für diese gibt bereits die Regelung des § 52 GmbHG zu erkennen, dass sich ihre Organstruktur trotz der nach dem gesetzlichen Grundsatz monistischen Verfasstheit ohne weiteres um ein selbständiges Kontrollgremium ergänzen lässt. Dadurch wird die Funktionsfähigkeit des organschaftlichen Handelns für die Gesellschaft lediglich auf eine modifizierte Grundlage gestellt, nicht aber ein gesellschaftsrechtlich in sich unzweckmäßiges System geschaffen. Damit ist erwiesen, dass das geltende deutsche Mitbestimmungsrecht auch von seiner Rechtsfolgenkomponente her auf die Besonderheiten wenigstens eines Großteils der EG-Auslandsgesellschaften nicht zugeschnitten ist und deshalb in diesem Rahmen letztlich auch keine Anwendung finden darf. Eine derartige gesetzliche Regelung bedeutete jedenfalls für eine monistisch strukturierte, das Prinzip der Trennung von Unternehmensleitung und Unternehmenskontrolle jedoch innerhalb des formal einheitlichen Unternehmensorgans umsetzende Gesellschaft einen bedeutend tieferen Einschnitt in ihre Organisationsverfassung, als dies etwa bei der deutschen GmbH der Fall ist317. Genau darin läge aber faktisch eine verbotene Diskriminierung jener Gesellschaften aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 EGV318. Soll deutsches Mitbestimmungsrecht in Zukunft auch bei nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats verfassten Unternehmensträgern zur Anwendung ___________ 317 Im Ergebnis ebenso die Beiträge von Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (257); Ebenroth/Bippus, DB 1988, S. 842 (848 f.); Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 14; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 1 Rdnr. 8; Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499); Kronke, IPRax 1995, S. 377 (379); Leible, ZGR 2004, S. 531 (552 f.); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1237); Oetker in: ErfKomm Arbeitsrecht, MitbestG § 1 Rdnr. 5; Raiser, MitbestG, § 1 Rdnr. 15; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 83; Schmidt-Hermesdorf, RIW 1988, S. 938 (943 ff.); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 9; Seibt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, F Rdnr. 127b; Sigle in: Festschrift Peltzer, S. 539 (552); Ulmer in: Hanau/Ulmer, MitbestG, § 1 Rdnr. 8; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (18); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 14 II 1 b cc; Wißmann in: MünchHandbuch Arbeitsrecht Bd. 3, § 367 Rdnr. 2; anderer Ansicht Franzen, RdA 2004, S. 257 (262). 318 Vgl. dazu einleitend schon oben C. III.

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kommen, so wird der deutsche Gesetzgeber damit vor die Aufgabe gestellt, eine Regelung zu erlassen, die derartigen Besonderheiten ausländischer Organisationsformen Rechnung trägt. Gemünzt auf den im Diskriminierungsverbot enthaltenen Gleichheitssatz gilt es deshalb, organisationsrechtlich unterschiedliche Rechtsformen entsprechend den Auswirkungen ihrer Ungleichheiten auch adäquat ungleich zu behandeln. Nach dem bisher Gesagten muss man dabei im Kern drei organisationsrechtliche Modelle unterscheiden:  Die für eine Arbeitnehmermitbestimmung nach deutschem Maßstab vorgesehene Auslandsgesellschaft verfolgt ein dualistisches Organisationskonzept. Sie ist also vergleichbar einer deutschen Aktiengesellschaft mit einem eigenständigen Leitungsorgan und einem davon verschiedenen Aufsichtsorgan ausgestattet. In diesem Fall würde eine Regelung wie die des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 1 DrittelbG, des § 6 Abs. 1 MitbestG, des § 3 Abs. 1 MontanmitbestG oder des § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG, wonach in den mitbestimmungspflichtigen Unternehmen ein Aufsichtsrat erst aufgrund der Mitbestimmungspflichtigkeit zu bilden ist, obsolet. Stattdessen ginge es auch in der Auslandsgesellschaft allein um die Frage der Umbesetzung des bestehenden Aufsichtsorgans sowie gegebenenfalls um eine gewisse Modifikation der Reichweite seiner Kompetenzen. In diesem Falle würde der ausländische Rechtsträger vergleichbar einem entsprechenden inländischen Rechtsträger belastet und somit nicht diskriminiert.  Die für die Arbeitnehmermitbestimmung nach deutschem Maßstab vorgesehene Auslandsgesellschaft verfolgt ein monistisches Organisationskonzept und ihr Verwaltungsorgan ist ausschließlich mit geschäftsführenden Direktoren besetzt. In diesem Fall liegt der Vergleich zur deutschen GmbH nahe, deren Gesellschafter von der Möglichkeit der Einrichtung eines Aufsichtsrats auf freiwilliger Basis keinen Gebrauch gemacht haben. Infolgedessen wäre hier auf einer Vorstufe zu den Regelungen über die Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats ein gesetzlicher Befehl erforderlich, überhaupt einen Aufsichtsrat zu errichten. Da aber das deutsche Mitbestimmungsrecht in Gestalt der GmbH auch seine eigenen monistisch verfassten Unternehmensträger in dieser Weise in Anspruch nimmt, wäre eine Ausländerdiskriminierung nicht feststellbar. Nicht überzeugend ist demgegenüber eine weitere Abstufung innerhalb dieses Modells zwischen solchen Gesellschaften, die schon nach ihrem Gründungsrecht wie die deutsche GmbH wenigstens fakultativ ein zusätzliches Organ zum Zwecke der Überwachung der Geschäftsführung errichten dürfen, und solchen Gesellschaften, denen selbst ein derartiges Vorgehen vom Gründungsrecht untersagt ist. Diese Abgrenzung kann allenfalls auf der Ebene der Angemessenheit im engeren Sinne getroffen werden, da es einen Unterschied machen kann, ob das Sitzrecht das Gründungsrecht nur ergänzt oder ein ausdrückli-

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ches gesetzliches Verbot des Herkunftsstaates überlagert. Für die Diskriminierungsebene allerdings ist jener Gedanke belanglos.  Die für eine Arbeitnehmermitbestimmung nach deutschem Maßstab vorgesehene Auslandsgesellschaft weist eine monistische Verfassung auf, tatsächlich lässt sich indessen das formal einheitliche Verwaltungsorgan unterteilen in die mit der Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft versehenen executive directors und die funktional den Aufsichtsräten gleichstehenden non-executive directors. Wie dargestellt wurde, besteht keine Möglichkeit, die im geltenden Mitbestimmungsrecht enthaltene Rechtsfolge, also die Pflicht zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats, europarechtskonform auf diese Gesellschaften zu übertragen. Deshalb bedürfte es insofern einer Berücksichtigung dieser Besonderheit im Gesetzestext. bb) Berücksichtigung organisatorischer Besonderheiten nach dem Vorbild der Mitbestimmung in der SE Eine gewisse Vorbildfunktion für eine entsprechende Sonderregelung kann möglicherweise der Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer319 (SERichtlinie) vom 8. Oktober 2001 und dem deutschen Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz – SEBG) zukommen320. Diese berücksichtigen, dass die europäische Aktiengesellschaft nach dem so genannten Optionsmodell321 abweichend vom System des deutschen Aktiengesetzes auch mit einem einheitlichen Verwaltungsorgan versehen werden kann, so dass ein zusätzliches Kontrollorgan entbehrlich wird. Die Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer innerhalb dieses monistischen Systems setzen dann denklogisch bei der Überlegung an, dass der Vorstand und der Aufsichtsrat aus der Sicht des dualistischen Systems faktisch zu einem einzigen Zentralorgan, dem Verwaltungsrat, verschmolzen worden sind. Dann ist es nur konsequent, die Posten der nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder als logisches Äquivalent zu den Aufsichtsratsmandaten zu begreifen. Eine paritätische oder quasiparitätische Mitbestimmung oder auch die Mitbestimmung zu einem Drittel müsste demnach von einem gedachten Aufsichtsrat aus reflektiert werden auf die nicht geschäftsführende Direktorengruppe des Verwaltungsrats. ___________ 319

AmtsBl. EG Nr. L 294 vom 10.11.2001, S. 22. Ebenso z.B. Bayer, BB 2003, S. 2357 (2365). 321 Henssler in: Festschrift Ulmer, S. 193 (198 f.). 320

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Der gegen diese Auffassung bereits erhobene Einwand, die Stellung eines Arbeitnehmerrepräsentanten als Mitglied des Vertretungsorgans sei mit derjenigen als Mitglied des Aufsichtsrats nicht vergleichbar, überzeugt bei genauer Betrachtung nicht. Daraus ließe sich nur dann eine diskriminierende Wirkung herleiten, wenn allein durch diesen Rollentausch der Arbeitnehmervertreter die nahe liegende Möglichkeit hätte, negativ auf das Unternehmen als solches einzuwirken, eine besondere von der Mitbestimmung veranlasste Gefahr für das Unternehmen also bereits allein durch den Umstand der vom dualistischen Modell abweichenden Organisation feststellbar wäre. Dahingehend ist zunächst anzumerken, dass ein Arbeitnehmervertreter als nicht geschäftsführender Direktor im monistischen System in gleicher Weise von einer organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist wie der dem bloßen Kontrollorgan angehörige Arbeitnehmervertreter im dualistischen System. (Ausnahmen ergeben sich allenfalls, wenn eine gerichtliche oder außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft gegenüber einem Mitglied des Leitungsorgans gemäß § 112 AktG in Rede steht.) Durch die ihm eingeräumte Stellung im infrastrukturellen Gefüge des einheitlichen Verwaltungsorgans wird die monistisch verfasste Auslandsgesellschaft deshalb im Verhältnis zu den dualistisch verfassten deutschen Rechtsträgern in keiner Weise diskriminiert. Etwas anderes gilt auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der zum nicht geschäftsführenden Direktor berufene Arbeitnehmervertreter die Auslandsgesellschaft nach den Grundsätzen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht verpflichten könnte322. Denn soweit ein Geschäft auf diesem Wege mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft rechtswirksam vorgenommen wird, beruht dies im Falle der Duldungsvollmacht schlicht darauf, dass die Gesellschaft den nicht zu ihrer Vertretung berechtigten Direktor trotz Kenntnis von dessen Handeln in ihrem Namen gewähren lässt. Im Falle der Anscheinsvollmacht wird eine Rechtsscheinhaftung an einen Fahrlässigkeitsvorwurf gegen die Gesellschaft geknüpft, die das unberechtigte Handeln in ihrem Namen hätte erkennen und unterbinden können. Soweit über diese Rechtsinstitute eine vertragliche Bindung der Gesellschaft begründet wird, ist dies keine konkret auf die Mitbestimmung in der Auslandsgesellschaft zurückführbare Gefahr. Dies ergibt sich schon daraus, dass das beschriebene Szenario in einer mitbestimmungsfreien Gesellschaft sich in gleicher Weise abspielen könnte und sich die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts sicherlich nicht pauschal deshalb erhöht, weil ein bestimmtes Quorum der Posten der nicht geschäftsführenden Mitglieder im Leitungsorgan für die Interessenvertreter der Arbeitnehmerschaft reserviert wird. ___________ 322 Dieser Gedanke findet sich bei Hammen, WM 1999, S. 2487 (2494); vgl. auch den Hinweis bei Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 87 (dort Fn. 108).

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Im Übrigen wird über die Rechtsfiguren der Duldungs- und der Anscheinsvollmacht lediglich sanktioniert, dass der zu Unrecht Vertretene vorsätzlich oder fahrlässig den Vertreter ohne Vertretungsmacht gewähren lässt und damit eine in seinem eigenen Interesse zu beachtende Obliegenheit verletzt. Im Ergebnis kann deshalb eine durch den Mitbestimmungszwang veranlasste Schlechterstellung des ausländischen gegenüber dem inländischen Rechtsträger nicht aufgezeigt werden. Betont werden soll an dieser Stelle jedoch noch einmal, dass die Normen über die Mitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft lediglich eine Orientierungshilfe bei der Erstellung einer inhaltlich entsprechenden Regelung für EG-Auslandsgesellschaften auf der Ebene des einfachen deutschen Rechts haben können. In keinem Fall kommt demgegenüber schlicht eine analoge Anwendung des auf die supranationale Rechtsform der SE bezogenen Sonderrechts auf Auslandsgesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz im deutschen Inland in Betracht323. 2. Die Geeignetheit Keine Schwierigkeiten bereitet die weitergehende Hürde der Geeignetheit. In diesem Rahmen ist zu fragen, ob das vom Staat gewählte Eingriffsmittel tauglich ist, die Erreichung des mit seinem Einsatz verfolgten Ziels wenigstens zu fördern. Eine vollständige Zielerreichung ist dabei gerade nicht notwendig. Bei allen Streitigkeiten um die wirtschaftspolitische Stimmigkeit der institutionellen Mitbestimmung kann ihr aber sicherlich nicht abgesprochen werden, dass die mit ihr etablierten Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer deren soziale Stellung im Unternehmen festigen und dem Unternehmen entsprechend den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers neben seiner Prägung als reiner Wirtschaftsbetrieb auch das Gesicht des viel zitierten Sozialverbandes324 verleihen325.

___________ 323 In diesem Sinne Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 (257); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 (1238); Seibt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, MitbestG § 1 Rdnr. 9; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 (19); Zimmer, NJW 2003, S. 3585 (3591); anderer Ansicht Bayer, BB 2003, S. 2357 (2365); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (35 ff.). 324 Vgl. dazu oben § 1 B. I. 1. 325 Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 570; Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (387).

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3. Die Erforderlichkeit Des Weiteren muss die Erstreckung der deutschen Unternehmensmitbestimmung auf Auslandsgesellschaften mit Sitz im Inland erforderlich sein. Das bedeutet, es darf neben der Mitbestimmungspflichtigkeit von Auslandsgesellschaften keine weitere Eingriffsmaßnahme zur Verfügung stehen, die den verfolgten Zweck in gleicher Weise fördert, dabei aber weniger gravierende Begleiterscheinungen für die betroffenen Rechtsträger mit sich bringt326. a) Erforderlichkeit trotz betrieblicher Mitbestimmung Gegen die Erforderlichkeit eines Mitbestimmungszwangs für Auslandsgesellschaften auf Unternehmensebene wurde zu einem relativ frühen Zeitpunkt der Diskussion ins Feld geführt, die deutsche betriebliche Mitbestimmung greife schon jetzt auf alle im Inland gelegenen Betriebe einer Auslandsgesellschaft zu. Damit werde den Beteiligungsinteressen der Arbeitnehmer in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Einer darüber hinausgehenden Mitbestimmung auf Unternehmensebene bedürfe es nicht mehr327. Wie gesehen, setzt das deutsche Betriebsverfassungsgesetz 1972 tatsächlich unabhängig von der Ausgestaltung des dem Betrieb übergeordneten Unternehmensträgers in örtlicher Hinsicht allein an der Lage des Betriebs im deutschen Inland an (Territorialitätsprinzip)328. Die Tatsache, dass ein Unternehmen seinen Verwaltungssitz im ___________ 326

Vgl. EuGH 31.03.1993 – Rs. C-19/92 – Tz. 32, EuGHE I 1993, S. 1663 (1697) = EuZW 1993, S. 322 (324) – Kraus; EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Tz. 37, EuGHE I 1995, S. 4165 (4197 f.) = EWS 1996, S. 26 (28) = NJW 1996, S. 579 (581) – Gebhard; EuGH 09.03.1999 – Rs. C-212/97 – Tz. 34, EuGHE I 1999, S. 1459 (1495) – Centros; EuGH 05.11.2002 – Rs. C-208/00 – Tz. 84, EuGHE I 2002, S. 9919 (9971) – Überseering; EuGH 30.09.2003 – Rs. C-167/01 – Tz. 133, EuGHE I 2003, S. 10155 (10233) – Inspire Art; EuGH 11.03.2004 – Rs. C-9/02 – Tz. 49, EuGHE I 2004, S. 2409 (2453) – Lasteyrie du Saillant; Behrens, IPRax 2004, S. 20 (25); Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 (2241); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (27); Eidenmüller in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 3 Rdnrn. 30 ff.; Kamp, BB 2004, S. 1496 (1499 f.); Kanzleiter, DNotZ 2003, S. 885; Knapp, DNotZ 2003, S. 85 (90); Kögel, DB 2004, S. 1763 (1765); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 57; Schulz/ Sester, EWS 2002, S. 545 (549); Weller, IPRax 2003, S. 520 (522). 327 Siehe in diesem Sinne die Argumentationen von Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2232 (2242); Eidenmüller, JZ 2004, S. 24 (29); Forsthoff, DB 2002, S. 2471 (2477); Meilicke, GmbHR 2000, S. 693 (695 f.); Paefgen, DB 2003, S. 487 (492). 328 BAG 22.03.2000 – 7 ABR 34/98, AP Nr. 8 zu § 14 AÜG; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, Rdnr. 9; Fitting u.a., BetrVG, § 1 Rdnrn. 12 ff.; Gaul in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Komm, BetrVG § 1 Rdnr. 3; Hess in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG, Vorb. vor § 1 Rdnr. 1; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 3 I; A. Kraft/Franzen in: GK-BetrVG Bd. I, § 1 Rdnr. 4; Trümner in: Däubler/ Kittner/Klebe, BetrVG, § 1 Rdnrn. 23 ff.; Wiese in: GK-BetrVG Bd. I, Einl. Rdnrn. 33, 106.

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deutschen Inland hat, bedeutet allerdings noch nicht zwangsläufig, dass auch die tatsächliche Vollziehung der im Unternehmen anfallenden Arbeit sich im Inland abspielen muss. Sollten also die eigentlichen Betriebe des Unternehmens im Ausland liegen, so hätte das Betriebsverfassungsgesetz 1972 insoweit keinen Geltungsanspruch. Entscheidend ist indessen ein ganz anderer Gesichtspunkt. Es wurde bereits ausführlich dargelegt, dass sich betriebliche und unternehmensbezogene Arbeitnehmermitbestimmung in mannigfacher Hinsicht unterscheiden329. Auch wenn unter dem Gesichtspunkt ihrer Zielsetzung wegen gewisser Überschneidungen eine scharfe Abgrenzung nicht immer denkbar ist, muss man immerhin feststellen, dass die Mitbestimmung in den Unternehmensorganen in weiten Bereichen einen völlig anderen Sinn und Zweck verfolgt als die betriebliche Mitbestimmung. Die Einzelheiten können der einleitenden Darstellung entnommen werden330. Im Ergebnis ist die betriebliche Mitbestimmung einer von Grund auf anderen Zielsetzung verpflichtet als die Unternehmensmitbestimmung. Deshalb kann sie nicht als Vergleichsinstitut im Sinne der Erforderlichkeitsprüfung herangezogen werden331. b) Erforderlichkeit trotz Unternehmensmitbestimmung im Gründungsrecht Als ein weiteres Hindernis kommt unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit eine Art Wechselwirkung zwischen der eingeschränkten Niederlassungsfreiheit der juristischen Person und der deutschen Unternehmensmitbestimmung als zwingend zu berücksichtigender Aspekt des Allgemeinwohls in Betracht. Das Argument lautet, dass eine Berufung auf eine Gefährdung oder Verletzung des (deutschen) Gemeinwohls dann scheitern muss, wenn schon nach der Rechtsordnung des Gründungsstaats ein dem deutschen Mitbestimmungsrecht in Wesen und Gehalt vergleichbares sonderprivatrechtliches Insti-

___________ 329 Vgl. dazu oben § 1 A. II. (Abgrenzung über die Merkmale Betrieb und Unternehmen als solche), III. (Abgrenzung über die jeweiligen Regelungsgegenstände der betriebsbezogenen und der unternehmensbezogenen Mitbestimmung) und IV. (Abgrenzung über die unterschiedliche strukturelle Organisation der Arbeitnehmervertretungen auf der Ebene der Betriebs- und auf der Ebene der Unternehmensverfassung). 330 Vgl. oben § 1 A. I. 331 Im Ergebnis ebenso Bayer, AG 2004, S. 534 (538); Franzen, RdA 2004, S. 257 (262); Kamp, BB 2004, S. 1496 (1500); Kindler in: MünchKomm BGB Bd. 11, IntGesR Rdnr. 571; Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 70 ff.; Roth in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 709 (725); Thüsing, ZIP 2004, S. 381 (387).

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

tut vorgesehen ist und auf den nach Deutschland umziehenden Rechtsträger Anwendung findet332. Jener Gedanke findet auch dem Grunde nach eine gewisse Stütze in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser führte schon in den Entscheidungsgründen der Rechtssache Webb im Jahr 1981 aus, die damals streitgegenständliche Garantie des freien Dienstleistungsverkehrs als fundamentaler Grundsatz des EG-Vertrags dürfe nur soweit zugunsten einer im Allgemeininteresse liegenden Regelung beschränkt werden, als diese Regelung für alle im Hoheitsgebiet des Einzelstaats tätigen Personen und Unternehmen verbindlich sei und als dem besagten Allgemeininteresse nicht bereits durch diejenigen Rechtsvorschriften Rechnung getragen sei, denen der Leistungserbringer in dem Staat seiner Herkunft unterliege333. Ausreichend Rechnung getragen ist dem Allgemeininteresse durch das Herkunftsrecht dabei nicht erst dann, wenn dieses einen in jeder Hinsicht identischen Schutzstandard aufweist. Aus dem Sinn und Zweck des europäischen Gemeinschaftsrechts leitet der Gerichtshof vielmehr her, dass nur in den wesentlichen Zügen ein vergleichbarer Schutzstandard errichtet werden muss. Ausschlaggebend für diese Bewertung ist vor allem das Ergebnis der von den Einzelstaaten gesetzten Rechtsnormen, während die Staaten bei der Wahl der Mittel weitgehend frei sind und insofern eine rechtsordnungsübergreifende Vergleichbarkeitsprüfung auch nicht angezeigt ist334. Konkretisiert für die Frage nach der Vergleichbarkeit zweier Mitbestimmungssysteme bedeutet das, dass sich der deutsche Staat nicht darauf berufen könnte, dass eine bestimmte Gründungsrechtsordnung in der Reichweite der von ihr garantierten Mitbestimmungsstandards nur unwesentlich hinter dem deutschen status quo zurückbleibt. Und erst recht ist es ihm verwehrt, das Gründungsrecht einer zuziehenden Auslandsgesellschaft durch sein eigenes Mitbestimmungsrecht mit der Begründung zu überlagern, die Gründungsrechtsordnung verfolge bei der Umsetzung des identischen Ziels einen systematisch anderen – im Ergebnis aber nicht oder nur unwesentlich weniger tauglichen – methodischen Ansatz. Die tatsächliche Bedeutung dieser Rechtsprechung für den hier vorliegenden Untersuchungsgegenstand wird jedoch regelmäßig weit überschätzt. Festzuhalten ist, dass die dem Rechtsanwender für den jeweiligen Einzelfall aufgegebene Untersuchung der qualitativen Austauschbarkeit von fremdländischer und deut___________ 332 Allgemein Eidenmüller in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 3 Rdnrn. 43 ff.; im Besonderen zur Frage der Unternehmensmitbestimmung Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 61 ff.; Roth in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 709 (725). 333 EuGH 17.12.1981 – Rs. 279/80 – Tz. 17, EuGHE 1981, S. 3305 (3325) – Webb. 334 Eidenmüller in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 3 Rdnr. 49.

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scher Rechtsordnung im Falle der Arbeitnehmermitbestimmung wohl von fast ausschließlich theoretischer Natur sein dürfte. Die immer wieder betonte absolute Ausnahmestellung, welche das deutsche Mitbestimmungsrecht mit seiner umfassenden Rücksichtnahme auf die Belange der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Gemeinschaften, ja sogar weltweit einnimmt, dokumentiert bereits zuverlässig, dass eine auch nur in etwa gleichwertige Sicherstellung von Beteiligungsrechten der Arbeitnehmer durch das Gründungsrecht in der Praxis kaum jemals wird festgestellt werden können. Allenfalls ist eine solche Konstellation denkbar, wenn eine ausländische Kapitalgesellschaft (ohne montanindustriellen Einschlag) in der Regel mit maximal 2.000 Arbeitnehmern ausgestattet ist. In diesem Fall wäre sie auch nach deutscher Vorstellung nur dem Drittelbeteiligungsstatut ausgesetzt, welches sich in ähnlicher Weise immerhin in einigen wenigen anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft wieder findet335. Selbst in diesem Fall wäre aber darüber hinaus zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Absicherung der Arbeitnehmermitbestimmung durch die Rechtsordnung des Herkunftsstaats wiederum freilich nur unter der weitergehenden Voraussetzung angenommen werden könnte, dass jener Mitbestimmungsbefehl des ausländischen Rechts den über die Staatsgrenzen hinweg nach Deutschland gezogenen Rechtsträger noch erreicht. An dieser Prämisse wird es immer dann fehlen, wenn das Gründungsrecht mit seinen Mitbestimmungsregelungen an einen tatsächlichen Verwaltungssitz im Gründungsstaat anknüpft, also ganz wie das deutsche Recht dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip folgt. c) Erforderlichkeit im Hinblick auf eine Verhandlungslösung Schließlich wurde im Schrifttum erwogen, dass ein deutsches Mitbestimmungsgesetz, welches für Auslandsgesellschaften das Ob und das Wie der Arbeitnehmermitbestimmung abschließend diktiert, auch deshalb nicht erforderlich sei, weil die Normierung einer aus dem Recht der Europäischen Aktiengesellschaft bekannten Verhandlungslösung eine für die betroffenen Unternehmen flexiblere und deshalb mildere Vorgehensweise auf nationaler Ebene darstelle, um die Beteiligung der Arbeitnehmerschaft an der Entscheidungsfindung auf Unternehmensebene sicherzustellen336. Argumentativ untermauert wird diese These mit der Überlegung, dass der Sachverhalt einer SE-Gründung ___________ 335

Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 65. Etwa Bayer, BB 2003, S. 2357 (2365); Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (354 f.); Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnrn. 66 ff.; Sandrock, AG 2004, S. 57 (66); Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 30 (35 f.); vgl. auch Bayer, AG 2004, S. 534 (538): Dem Gesetzgeber ist „zu empfehlen, flexible Regelungen zu schaffen, d.h. zwingendes Mitbestimmungsrecht auf das unbedingt Notwendige zu begrenzen“. 336

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

mit demjenigen der grenzüberschreitenden Sitzverlegung deutliche Parallelen aufweise. Gemein sei ihnen nämlich, dass in beiden Fällen Gesellschaften über Staatsgrenzen hinweg operierten und sich somit in mehreren Rechtskreisen bewegten337. Dabei wird natürlich eingeräumt, das gesetzlich vorgesehene Verhandlungsmöglichkeiten nur dann sinnvoll seien, wenn der Arbeitnehmerseite in diesem Rahmen der Rücken gestärkt und durch gesetzliche Auffanglösungen zwischen den Parteien eine wenigstens in etwa ausgewogene Verhandlungsbasis geschaffen werde338. Dieser Gedanke überzeugt im Ergebnis nicht. Eine pauschale Parallele zu „der“ für die Europäische Aktiengesellschaft konzipierten Verhandlungslösung kann im deutschen Mitbestimmungsrecht für zugezogene Auslandsgesellschaften schon deswegen nicht umgesetzt werden, weil bei diesem Postulat verkannt wird, dass eine einheitliche Verhandlungslösung auch im Recht der SE nicht existiert. Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, muss man stattdessen abhängig von den Gründungsmodalitäten unterscheiden zwischen den weit reichenden Verhandlungsmöglichkeiten, welche die Richtlinie 2001/86/EG im Rahmen einer Verschmelzung sowie der Bildung einer Holdinggesellschaft und einer Tochtergesellschaft in Form einer SE vorsieht339, und den eingeschränkten Verhandlungsmöglichkeiten im Rahmen einer identitätswahrenden Umwandlung in eine SE340. Lediglich in denjenigen Fällen, in denen an der Gründung eines neuen Rechtträgers (sei es durch Verschmelzung, Bildung einer Holdinggesellschaft oder Bildung einer Tochtergesellschaft) mehrere Rechtsträger unterschiedlicher Mitgliedstaaten beteiligt sind, ist die Verhandlungslösung im Recht der Europäischen Aktiengesellschaft auch zum Schutze der Interessen der an der Gesellschaftsgründung beteiligten Unternehmensträger geschaffen worden. Hier ist es interessengerecht, dass im Zuge von freien Verhandlungen jeder der beteiligten Rechtsträger seine Auffassungen von einer angemessenen Mitbestimmung darlegen und gegebenenfalls durchsetzen kann. Diese Auffassungen werden sich im Wesentlichen daran ausrichten, welcher Rechtsordnung der jeweilige Rechtsträger mit seinem Unternehmen bislang unterworfen war und welche Erfahrungen er bei der praktischen Anwendung des dort geltenden Mitbestimmungsrechts sammeln konnte. Gänzlich anders präsentiert sich demgegenüber die zu berücksichtigende Interessenlage in den Fällen der Umwandlung in eine SE unter Wahrung der Identität des Rechtsträgers. Hier dominiert, wie gesehen, der Leitgedanke des Bestandsschutzes für die einmal gewährten Arbeitnehmerrechte. Deshalb kann ___________ 337

Henssler in: Gedächtnisschrift Heinze, S. 333 (354). Rehberg in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rdnr. 69. 339 Vgl. ausführlich oben II. 5. c) cc) (3). 340 Vgl. ausführlich oben II. 5. c) cc) (2). 338

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im Ergebnis der Verhandlungen vom bisherigen Mitbestimmungsniveau nur zu Gunsten und niemals zu Lasten der Arbeitnehmerschaft abgewichen werden341. Erwägt man de lege ferenda die Übertragung des Verhandlungsansatzes auf das deutsche Mitbestimmungsrecht, so muss man vor diesem Hintergrund erst einmal untersuchen, ob zu diesem Zweck das für die identitätswahrende Umwandlung oder das für die anderen Gründungsformen vorgesehene Verhandlungsprinzip in Betracht kommt. Eine vom Europarecht vorgesehene Rechtsfolge lässt sich nämlich nur als Anleitung für die Ausgestaltung nationaler Rechtsnormen heranziehen unter der Voraussetzung, dass auch der europarechtlich behandelte Sachverhalt wenigstens im Kern demjenigen entspricht, den es auf einzelstaatlicher Ebene zu regeln gilt. Der bloße Hinweis, dass die Überquerung von EG-Binnengrenzen und der Wechsel zwischen nationalen Rechtsordnungen die Sitzverlegung in gleicher Weise kennzeichne wie die SEGründung, ist deshalb mit Blick auf die hier entscheidende Abgrenzung zu pauschal und führt die Problemlösung nicht weiter. Vorliegender Fall, namentlich der Zuzug einer nach dem Recht eines anderen EG-Mitgliedstaates gegründeten Kapitalgesellschaft nach Deutschland, ist nun mit den Gründungsformen der Verschmelzung, der Holdingbildung und der Tochtererrichtung für die Europäische Aktiengesellschaft tatsächlich kaum vergleichbar. Denn der Rechtsträger bleibt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der daraus resultierenden Anerkennungspflicht des Aufnahmestaates trotz der grenzüberschreitenden Sitzverlegung in seiner ursprünglichen Gestalt und nach Maßgabe seiner Gründungsrechtsordnung erhalten. Lediglich ist es denkbar, dass in absoluten Ausnahmefällen das Recht des Gründungsstaats durch das Sitzrecht des Aufnahmestaates überlagert wird. Daraus folgt, dass in engen Grenzen als Rechtsfolge der grenzüberschreitenden Verlegung des Verwaltungssitzes ein Austausch der auf die umziehende Kapitalgesellschaft anwendbaren Rechtsnormen vorgenommen wird. In diesem Sinne entspricht die grenzüberschreitende Sitzverlegung am ehesten noch der für die Europäische Aktiengesellschaft vorgesehenen Gründungskonstellation der Umwandlung im Sinne eines bloßen Wechsels der Rechtsform. Auch der Rechtformwechsel ist nämlich letztlich nichts anderes als ein Instrument zur Auswechselung des auf den umgewandelten Rechtsträger anwendbaren Gesellschaftsrechts342 (Diskontinuität der Rechtsordnung343). ___________ 341

Vgl. Herfs-Röttgen, NZA 2001, S. 434 (427); vgl. auch Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, S. 631 (636); Kallmeyer, AG 2003, S. 197 (199); Kleinsorge/Neye, BArbBl. 4/2001, S. 5 (8); Pluskat, DStR 2001, S. 1483 (1487). 342 Dormann in: MünchAnwHandbuch Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rdnr. 102; Laumann in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, UmwG § 202 Rdnr. 3; Meister/Klöcker in: Kallmeyer, UmwG, § 202 Rdnr. 21. 343 Decher in: Lutter/Winter, UmwG Bd. II, § 202 Rdnr. 11.

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Kap. 3: Grenzüberschreitende Umstrukturierung durch Sitzverlegung

Die für den Rechtsformwechsel in die SE vorgesehene Verhandlungslösung für das deutsche Mitbestimmungsrecht fruchtbar zu machen, stellt nun aus Sicht der betroffenen Unternehmen und ihrer Anteilsinhaber jedoch keinen milderen Eingriff dar als eine sofortige gesetzliche Festsetzung eines bestimmten Mitbestimmungsniveaus. Soweit im Ergebnis der Verhandlungen sich die Belastung des Unternehmens mit der institutionellen Mitbestimmung ohnehin nur zu Gunsten der Arbeitnehmer und damit zu Lasten der Anteilseignerseite abändern lässt, ist aus der Perspektive des Unternehmensträgers mit der obligatorischen Aufnahme von Verhandlungen kein Vorteil verbunden. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Konzipierung eines neuen Mitbestimmungsrechts mit Blick auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland für ausländische Unternehmen wahrscheinlich gut daran täte, eine flexible Verhandlungslösung einzuführen. Diese sollte den Auslandsgesellschaften die Möglichkeit einräumen, ihren Mitbestimmungsstatus in gewissen Grenzen selbst zu bestimmen und dabei auch zu Lasten der Arbeitnehmerschaft von den bestehenden strengen deutschen Standards abzuweichen. Europarechtlich geboten ist dies jedoch unter keinem Gesichtspunkt.

Zusammenfassung und Ergebnisse A. Zur Umwandlung mitbestimmter Unternehmen nach nationalem Umwandlungsrecht I. Unternehmensverschmelzung 1. Die an einer Unternehmensverschmelzung beteiligten übertragenden Rechtsträger erlöschen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung, also mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers. Mit dem Rechtsträger gehen auch seine Gesellschaftsorgane unter. Für eine unternehmensbezogene Mitbestimmung unter diesem Rechtsträger gehen damit jegliche Anknüpfungspunkte verloren1. 2. Die Auswirkungen einer Verschmelzung auf den mitbestimmungsrechtlichen Status des übernehmenden Rechtsträger sind in höchstem Maße von den Umständen des konkret zu beurteilenden Einzelfalls abhängig. Im Schrifttum häufiger anzutreffende generalisierende Aussagen, etwa dahingehend, dass eine Verschmelzung angesichts des Zugewinns an Arbeitsverhältnissen oder der Steigerung des beim Zielrechtsträger vorhandenen Nennkapitals üblicherweise einen Mitbestimmungszuwachs mit sich bringe, erweisen sich bei näherer Betrachtung schlicht als falsch und sind daher unbedingt zu vermeiden. Wenngleich der Mitbestimmungszuwachs ein praktisch häufig anzutreffendes Phänomen im Zusammenhang mit der Fusion von Unternehmen ist, so darf diese Feststellung allenfalls als ein gedanklicher Grundsatz herangezogen werden, der in jedem Einzelfall unbedingt auf die zahlreichen Möglichkeiten seiner Durchbrechung hin zu untersuchen ist. 3. Die vom Umwandlungsgesetz angeordnete Perpetuierung der Mitgliedschaft der Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger macht es regelmäßig erforderlich, dass der übernehmende Rechtsträger sein Nennkapital erhöht, um auf diese Weise neue Gesellschaftsanteile zu bilden, die an die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträgers ausgekehrt werden können. Mit Ausnahme des Mitbestimmungsgesetzes 1976 machen die deutschen Mitbestimmungsgesetze die Größe des mitbestimmten Aufsichtsrats sowie die genauen Modalitäten seiner Besetzung von der Höhe des statutarischen ___________ 1

Vgl. dazu oben § 8 B.

Zusammenfassung und Ergebnisse

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Gesellschaftskapitals abhängig. Als Folge einer Kapitalerhöhung ist die Überschreitung von mitbestimmungsrechtlich erheblichen Schwellenwerten im Nennkapital möglich. Soweit eine Erhöhung des Nennkapitals erfolgt, kann allein deshalb zwar das Unternehmen nicht schon einem anderen Mitbestimmungsgesetz unterworfen werden. Dennoch mag die Kapitalerhöhung die Durchführung des aktiengesetzlich geregelten Statusverfahrens erforderlich machen, um die Besetzung des Aufsichtsrats an die geltende Rechtslage anzugleichen2. 4. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das Verschmelzungsrecht verschiedene Konstellationen kennt, in denen dem übernehmenden Rechtsträger die Erhöhung seines Nennkapitals ausdrücklich untersagt wird (upstream merger3) oder ihm ein Wahlrecht zusteht, mittels dessen er von einer Kapitalerhöhung Abstand nehmen kann (downstream merger4). 5. Steigt infolge der Verschmelzung die Anzahl der im Unternehmen des übertragenden Rechtsträgers regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, so ist auch aus diesem Grunde ein Wechsel des Unternehmens in den sachlichen Geltungsbereich eines strengeren Mitbestimmungsgesetzes möglich5. 6. Eine merkwürdige Besonderheit kann allerdings festgestellt werden, wenn der übernehmende Rechtsträger sich als der Komplementär einer Kapitalgesellschaft & Co. KG erweist. Die Sperrklausel des § 4 Abs. 1 Satz 1 (am Ende) MitbestG, der zufolge eine Zurechnung von Arbeitnehmern von der unternehmenstragenden Kommanditgesellschaft zur Komplementärgesellschaft nicht mehr möglich ist, wenn die Komplementärin einen eigenen Geschäftsbetrieb mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern hat, kann hier zu der paradoxen Situation führen, dass ein Zuwachs an Arbeitnehmern den Wechsel der Komplementärgesellschaft aus der Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 zu den weniger strengen Beteiligungsstandards des Drittelbeteiligungsgesetzes bewirkt6. 7. Schon allein eine Verschiebung des Schwerpunkts der Unternehmenstätigkeit kann eine Änderung des aktuellen Mitbestimmungsniveaus auslösen. So ist es sowohl denkbar, dass ein Unternehmen durch die Unterstellung neuer Geschäftsbereiche unter die Herrschaft seines Unternehmensträgers

___________ 2

Vgl. dazu oben § 8 C. I. 1. Vgl. dazu oben § 7 B. I. 4. b) bb), § 8 D. II. 4 Vgl. dazu oben § 7 B. I. 4. c) bb), § 8 D. III. 5 Vgl. dazu oben § 8 C. I. 2. 6 Vgl. dazu oben § 8 C. III. 2. 3

Zusammenfassung und Ergebnisse

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seinen Charakter als tendenzgeschütztes oder montangeprägtes Unternehmen verliert oder aber erstmalig eine dieser Eigenschaften annimmt7. 8. Sofern eine Verschmelzung von Unternehmen in Rede steht, die demselben Konzern angehören, sind zahlreiche Eigentümlichkeiten bei der Beurteilung der einschlägigen Mitbestimmungsstatuta zu berücksichtigen. Sonderregelungen des Umwandlungsrechts, des Mitbestimmungsrechts und zum Teil auch des je nach Organisationsform der Konzernunternehmen einschlägigen Gesellschaftsrechts können bei konzerninternen Verschmelzungsvorgängen in komplexer Art und Weise ineinander greifen und dadurch zahlreiche zusätzliche Probleme aufwerfen8. 9. Hinzu kommt, dass durch Verschmelzungen innerhalb eines Unternehmensverbundes nicht nur das Mitbestimmungsstatut des unmittelbar als übertragender und übernehmender Rechtsträger an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen beeinflusst werden kann, sondern außerdem das Statut weiterer Konzernunternehmen, da die konzernrechtlichen Unternehmensverbindungen oftmals zugleich als mitbestimmungsrechtliche Zurechnungswege verstanden werden müssen9. 10. Ein besonderes Problemfeld der Fusion von Konzernunternehmen stellt die Herstellung einer wechselseitigen Unternehmensverbindung zwischen einer Mutteraktiengesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft bei der Verschmelzung der Enkelgesellschaft auf die Muttergesellschaft dar10. Der Erwerb von Anteilsrechten an der Muttergesellschaft durch die Tochtergesellschaft ist nach dem geltenden Umwandlungsrecht eine zwingende Rechtsfolge der Verschmelzung. Jedoch eröffnet das somit geschaffene Verhältnis gegenseitiger Beteilung am Vermögen des jeweils anderen Unternehmens mitbestimmungsrechtlich keinesfalls die Möglichkeit gegenseitiger Arbeitnehmerzurechnung über § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. Denn der Erwerb von Anteilen am Vermögen der übernehmenden Muttergesellschaft durch die Tochtergesellschaft steht im Widerspruch zu dem aktiengesetzlichen Verbot des auch nur mittelbaren Erwerbs eigener Aktien durch eine Aktiengesellschaft. Nach der ausdrücklich im Aktiengesetz vorgesehenen Rechtsfolge wird ein Verstoß gegen das Erwerbsverbot zwar nicht mit der Nichtigkeit des dinglichen Geschäfts sanktioniert. Die wechselseitige Unternehmensbeteiligung als Grundlage einer wechselseitigen Arbeitnehmerzurechnung kommt also zunächst einmal zustande. Da sie aber gemäß den §§ 71c Abs. 1 und 3, 71d Satz 4, 237 AktG jedoch längstens auf einen ein___________ 7

Vgl. dazu oben § 8 C. I. 3., III. 1. Vgl. dazu oben § 8 D. 9 Vgl. dazu oben § 8 D. 10 Vgl. dazu oben § 8 D. IV. 8

Zusammenfassung und Ergebnisse

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jährigen Bestand angelegt sein kann, scheitert die Berücksichtigung der bei der Muttergesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer für die Ermittlung des Mitbestimmungsstatuts der Tochtergesellschaft an dem mitbestimmungsrechtlichen Merkmal „in der Regel“. II. Unternehmensspaltung 1. In allen Fällen der Spaltung gilt, ganz wie im Verschmelzungsrecht, dass sich pauschale Feststellungen zur Beeinflussung der Unternehmensmitbestimmung verbieten. Dies gilt hier umso mehr, als die Spaltung als solche gar kein Gestaltungsinstrument beschreibt, sondern im Gesetz nur als Oberbegriff für die Aufspaltung, die Abspaltung und die Ausgliederung Verwendung findet, zwischen denen bei der Rechtsanwendung wegen der Unterschiedlichkeit ihrer Rechtsfolgen streng zu trennen ist11. 2. Bei der Aufspaltung geht der übertragende Rechtsträger unter, so dass er nicht länger zum Objekt der Unternehmensmitbestimmung gemacht werden kann12. Für die übernehmenden Rechtsträger gelten in Abhängigkeit von der Beschaffenheit der auf sie übergehenden Vermögensmasse die gleichen Überlegungen, die zum Mitbestimmungsstatus des übernehmenden Rechtsträgers bei der Verschmelzung angestellt wurden13. Anders als dort muss allerdings – wie in allen Fällen der Spaltung – gesondert geprüft werden, ob auf der Rechtsgrundlage des § 613a BGB in Verbindung mit § 324 UmwG die übernehmenden Rechtsträger auch in Arbeitsverhältnisse eintreten, die ihnen laut dem Spaltungsvertrag eigentlich nicht zugewiesen werden sollten14. 3. Da bei der Abspaltung und der Ausgliederung der übertragende Rechtsträger erhalten bleibt, kann hier keine allgemeingültige Aussage zur Entwicklung der Unternehmensmitbestimmung bei diesem Rechtsträger getroffen werden. In Abhängigkeit von den Gegebenheiten des Einzelfalls sind hier sämtliche mitbestimmungserheblichen Parameter des Unternehmens auf Veränderungen hin zu überprüfen15. 4. Steht eine Ausgliederung zur Debatte, sind in Abgrenzung zur Abspaltung gewichtige Unterschiede auf Rechtsfolgenseite zu beachten. Eine Herabsetzung des Nennkapitals beim übertragenden Rechtsträger wird regelmä___________ 11

Vgl. dazu oben § 9 A. Vgl. dazu oben § 9 B. I. 1. 13 Vgl. dazu oben § 9 B. I. 2. 14 Vgl. dazu oben § 9 B. I. 2. a) bb) (2). 15 Vgl. dazu oben § 9 B. II. 1., III. 1. 12

Zusammenfassung und Ergebnisse

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ßig als Folge der Ausgliederung nicht stattfinden, da die Ausgliederung für ihn bilanziell ein bloßer Aktivtausch ist16. Gehen infolge der Ausgliederung Arbeitsverhältnisse auf den übernehmenden Rechtsträger über, so ist stets zu erwägen, dass diese dem übertragenden Rechtsträger mitbestimmungsrechtlich nicht endgültig verloren gehen könnten. Die umwandlungsgesetzlich angeordnete Pflicht zur Gewährung von Gesellschaftsanteilen am übernehmenden Rechtsträger an den übertragenden Rechtsträger selbst kann nämlich ein faktisches Konzernrechtsverhältnis schaffen, welches dann im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 MitbestG die Zurechnung der übergegangenen17 (und gegebenenfalls sogar weiterer18) Arbeitnehmer zum übertragenden Rechtsträger gebietet. 5. Sonderprobleme stellen sich auch im Spaltungsrecht bei Spaltungsvorgängen innerhalb eines bestehenden Unternehmensverbundes19. Wie die Verschmelzung sind alle Formen der Spaltung natürlich auch sidestream zwischen Schwestergesellschaften sowie upstream oder downstream zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft denkbar. Da sich hier normativ die gleichen Probleme stellen wie bei konzerninternen Unternehmensverschmelzungen, kennt das Umwandlungsgesetz auch für diese Fälle der Unternehmensumwandlung insbesondere das Verbot der Anteilsgewährung und Kapitalerhöhung sowie Kapitalerhöhungswahlrechte für den oder die übernehmenden Rechtsträger. 6. Schließlich ist auch dem Spaltungsrecht in der Konstellation einer Ausgliederung von der Tochtergesellschaft upstream auf die Muttergesellschaft das Problem bekannt, dass die Unternehmensspaltung zur Herstellung einer wechselseitigen Unternehmensbeteiligung im Sinne des § 19 AktG führt, die allerdings gegen die aktiengesetzlichen Verbote des § 71 Abs. 1 in Verbindung mit § 71d Satz 2 Var. 1 AktG verstößt. Erneut stellt sich damit die Frage, ob auf der Grundlage dieses Beteiligungsverhältnis eine wechselseitige Arbeitnehmerzurechnung zu Mitbestimmungszwecken vorgenommen werden kann20. Aufzulösen ist das aufgezeigte Spannungsfeld nach den gleichen Grundsätzen, die zum Recht der Unternehmensverschmelzung zur Verschmelzung der Enkelgesellschaft auf die Muttergesellschaft aufgezeigt wurden.

___________ 16

Vgl. dazu oben § 9 B. III. 1. a). Vgl. dazu oben § 9 B. III. 1. c). 18 Vgl. dazu oben § 9 B. III. 1. c) bb). 19 Vgl. dazu oben § 9 C. 20 Vgl. dazu oben § 9 C. I. 2. 17

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Zusammenfassung und Ergebnisse

III. Rechtsformwechsel 1. Für mitbestimmungspflichtige Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, KGaA, GmbH) besteht die Möglichkeit, durch den Rechtsformwechsel in eine Personengesellschaft die Flucht aus der Unternehmensmitbestimmung anzutreten. Nach dem strengen numerus clausus des Umwandlungsrechts ist der mitbestimmten Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft und dem mitbestimmten Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit der (unmittelbare) Formwechsel in die Personengesellschaft als Gestaltungsmaßnahme hingegen untersagt21. 2. Organisiert sich ein mitbestimmtes Unternehmen auf diesem Wege neu in der Rechtsform einer Personengesamtheit, so ist eine Fortgeltung des gesetzlichen Mitbestimmungszwangs grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn der umzuwandelnde Rechtsträger aufgrund seiner Arbeitnehmerzahl dem Mitbestimmungsgesetz 1976 unterworfen und die Zielrechtsform diejenige einer Kapitalgesellschaft & Co. KG im Sinne des § 4 Abs. 1 MitbestG ist22. In diesem Fall kann die bisherige Mitbestimmung im Unternehmen des umzuwandelnden Rechtsträgers lediglich in eine mittelbare Mitbestimmung im Unternehmen der Kommanditgesellschaft umschlagen, vermittelt über die mitbestimmten Gesellschaftsorgane der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft. Dann ist durch den Rechtsformwechsel faktisch kein mitbestimmungsrechtlicher Vorteil zu gewinnen. 3. Auch der Rechtsformwechsel einer mitbestimmten Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform kann im Einzelfall sinnvoll sein. So ist zunächst zu beachten, dass nur die Aktiengesellschaft und die GmbH für die Gesetze über die Montanmitbestimmung eine Rolle spielen. Eine solche montanmitbestimmte Kapitalgesellschaft kann sich deshalb durch ein Ausweichen schon in die Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien diesem speziellen Beteiligungsstatut entziehen23. 4. Besondere Probleme wirft der wiederholte Rechtsformwechsel von Altaktiengesellschaften auf, der letztlich zu einer Rückkehr in die ursprüngliche Organisationsform führt24. Bei strenger Anwendung des geschriebenen Rechts kommt man hier zu dem Ergebnis, dass eine Altgesellschaft mit maximal 500 Arbeitnehmern nach dem Abschluss der taktischen Rückumwandlung sich der sie zuvor treffenden Arbeitnehmermitbestimmung er___________ 21

Vgl. dazu oben § 11 B. Vgl. dazu oben § 11 B. II. 23 Vgl. dazu oben § 11 C. I. 24 Vgl. dazu oben § 11 C. II. 22

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folgreich entzogen hat. Diesem offensichtlich unbilligen Ergebnis kann man allein über das Instrument der Gesetzesauslegung nicht Herr werden. Deshalb muss hier der Gedanke des Rechts- und Gestaltungsmissbrauchs fruchtbar gemacht werden. Eröffnet man sich auf diesem Weg die Möglichkeit der Rechtsfolgenkorrektur, muss aus Billigkeits- und Gerechtigkeitserwägungen heraus befürwortet werden, dass nach der Rückkehr des Rechtsträgers zu seiner originären Rechtsform auch der ursprüngliche Mitbestimmungsstatus wieder auflebt. Damit wahrt man zugleich die Maxime, dass der vorgenommene Eingriff in die gesetzliche Vorgabe seinerseits der Schranke der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne zu genügen hat. 5. Da die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmervertreter auf Unternehmensebene sich stets im Rahmen derjenigen Kompetenzen halten, die dem mit ihnen besetzten Gesellschaftsorgan gesetzlich zugewiesen sind, können im Zuge eines Formwechsels schließlich bewusst die Unterschiede ausgenutzt werden, die im infrastrukturellen Kompetenzsystem der verschiedenen Kapitalgesellschaftsformen bestehen. Gestaltungsüberlegungen können dabei vor allem ansetzen bei der in der Kommanditgesellschaft auf Aktien fehlenden Pflicht zur Einführung des Postens eines Arbeitsdirektors im Vertretungsorgan, bei der im Vergleich der Rechtsformen unterschiedlich verteilten Kompetenz zur Bestellung und Abberufung der Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans, bei der Kompetenz des Aufsichtsrats zur Mitwirkung bei der Feststellung des Jahresabschlusses und bei Art und Umfang der Weisungsrechte der Gesellschafter gegenüber dem Vertretungsorgan25. 6. Innerhalb eines Konzerns kann der Rechtsformwechsel bestimmter Konzernunternehmen auch gezielt auf den Mitbestimmungsstatus anderer Konzernunternehmen Einfluss nehmen. So liegt etwa der Fall, wenn durch den Formwechsel Konzernspitzengesellschaften mitbestimmungsfrei gestellt werden und aufgrund der Regelung in § 5 Abs. 3 MitbestG fiktive Teilkonzernspitzen in deren bisherige mitbestimmungsrechtliche Rolle eintreten26. Auch können durch den Formwechsel abhängiger eingliedriger Konzernunternehmen in eine Personengesellschaft Anwachsungseffekte zugunsten des unmittelbar übergeordneten Konzernunternehmens provoziert werden, so dass man den Formwechsel auf diese Weise gleichsam als Ersatzinstrument zu den vermögensübertragenden Umwandlungen zweckentfremdet27. 7. Wiederum als ein spezielles Problem ist die Frage zu verorten, ob in bestimmten Konzernsachverhalten eine Aufsichtsratskontinuität nach dem Vorbild des § 203 Satz 1 UmwG in Frage kommt mit dem Ziel, den in der ___________ 25

Vgl. dazu oben § 11 C. III. Vgl. dazu oben § 11 E. I. 27 Vgl. dazu oben § 11 E. II. 1. 26

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umgewandelten Konzerngesellschaft funktionslos gewordenen mitbestimmten Aufsichtsrat auf eine übergeordnete Konzernebene zu verlagern und dort weiter zu verwenden, um auf diese Weise die Zeit und die Kosten für eine Neuwahl einzusparen28. Rechtspolitisch mag dieser Ansatz zu begrüßen sein. Allerdings findet er keinerlei Stütze im geltenden Umwandlungsrecht. Auch für eine nur entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des § 203 Satz 1 UmwG ist kein Raum. Die Eigenheiten des zugrunde liegenden Konzernsachverhalts gegenüber der mit § 203 Satz 1 UmwG tatsächlich getroffenen Regelung lassen eine (dem deutschen Gesellschaftsrecht auch im Übrigen unbekannte) schlichte Verschiebung von Organen zwischen verschiedenen Rechtsträgern unter keinem Gesichtspunkt zu, sondern verlangen insofern nach einer ausdrücklichen Regelung durch den Gesetzgeber.

B. Zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung als Gestaltungsmaßnahme I. Inlandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Ausland 1. Die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Centros, Überseering und Inspire Art gebietet es einem jeden Mitgliedstaat, die Gesellschaften der jeweils anderen Mitgliedstaaten nach dem Personalstatut ihres Herkunftslandes anzuerkennen29. Eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates könnten die Gebote des deutschen Mitbestimmungsrechts wegen des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips nicht mehr erreichen30. Vor diesem Hintergrund erscheint die Flucht deutscher Unternehmen aus der Mitbestimmung durch Wegzug ihres deutschen Rechtsträgers in einen anderen EG-Mitgliedstaat aber nur auf den ersten Blick abgesichert. 2. Einem derartigen grenzüberschreitenden Umzug deutscher Kapitalgesellschaften steht nämlich das deutsche Recht selbst entgegen. Dieses verfolgt mit Blick auf die eigenen Gesellschaften nach wie vor den genannten Entscheidungen des EuGH den kollisionsrechtlichen Ansatz der Sitztheorie. Deshalb bedeutet die Grenzüberschreitung einer deutschen Gesellschaft mit ihrem Verwaltungssitz die Auflösung der Gesellschaft, so dass sich die

___________ 28

Vgl. dazu oben § 11 E. II. 2. Vgl. dazu oben § 13 B. II. 2. 30 Vgl. dazu oben § 14 A. 29

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Frage nach der Anerkennung durch einen potentiellen Aufnahmestaat gar nicht mehr stellt31. 3. Diese im deutschen Recht verankerte Wegzugssperre für die eigenen Gesellschaften steht nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht nach seinem derzeitigen Stand. Die mit der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Daily Mail aufgestellte Geschöpftheorie hat durch die nachfolgenden Urteile zur Niederlassungsfreiheit (insbesondere auch durch das Urteil in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant) in keiner Weise an Bedeutung eingebüßt. Insofern ist es (noch) legitim, wenn die deutsche Gründungsrechtsordnung ihre Gesellschaften gleichsam an das deutsche Hoheitsgebiet kettet32. 4. Allerdings wird eine Veränderung der Rechtslage aller Voraussicht nach mit der in Kürze zu erwartenden Verabschiedung einer Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Gesellschaften eintreten33. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die Verlegung des Verwaltungssitzes auf das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Gemeinschaften nicht als Gestaltungsinstrument für eine Flucht deutscher Unternehmen aus der Unternehmensmitbestimmung fruchtbar gemacht werden. II. Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland 1. Nach dem gegenwärtigen Stand des deutschen Mitbestimmungsrechts sind solche Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet worden sind und den Sitz ihrer tatsächlichen Verwaltung auf deutsches Hoheitsgebiet verlegt haben, in keinem Fall mitbestimmungspflichtig. Dies ergibt sich bereits durch wortlautgetreue Auslegung des deutschen Mitbestimmungsrechts, ohne dass es auf die europarechtlichen Grundfreiheiten und hier insbesondere die Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit der juristischen Person ankäme. Denn Unternehmen, die nach Maßgabe ausländischer Gesellschaftsrechtsordnungen verfasst sind, werden in den Katalogen der mitbestimmungspflichtigen Rechtsformen nicht erwähnt. Diese Hürde kann weder im Wege der Gesetzesauslegung34 noch unter Einsatz des Instruments der Analogie bzw. der gesellschaftsrechtlichen Substitution35 überwunden werden. ___________ 31

Vgl. dazu oben § 14 C. Vgl. dazu oben § 14 D. 33 Vgl. dazu oben § 14 D. I. 34 Vgl. dazu oben § 15 C. II. 1. 35 Vgl. dazu oben § 15 C. II. 2. 32

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2. Mitbestimmungsrechtliche Relevanz können aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland zugezogene Gesellschaften deshalb nur unter der Voraussetzung erlangen, dass der deutsche Gesetzgeber die Rechtsformenkataloge der Mitbestimmungsgesetze um die den deutschen Kapitalgesellschaften entsprechenden Rechtsformtypen der anderen Mitgliedstaaten ergänzt36. Innerhalb bestimmter, durch die Niederlassungsfreiheit zwingend vorgegebener Gestaltungsgrenzen wäre ein entsprechendes deutsches Gesetzgebungsprojekt europarechtlich unbedenklich. 3. Der deutsche Gesetzgeber kann gegen die einem solchen Vorhaben widersprechende Niederlassungsfreiheit der juristischen Person und gegen die aus ihr hergeleitete Anerkennungspflicht die Lehre von den zwingend zu berücksichtigenden Gemeinwohlgründen als einen vom EuGH in ständiger Rechtsprechung anerkannten Rechtfertigungsgrund ins Feld führen37. Die institutionelle Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene ist nämlich gegenwärtig unbedingt als ein Teil der deutschen öffentlichen Ordnung im kollisionsrechtlichen Sinne des Art. 6 Satz 1 EGBGB anzusehen38. Dieser ist zwar seinerseits als einfachgesetzliche Norm des mitgliedstaatlichen Rechts keine taugliche Eingriffsgrundlage für Verkürzungen des grundfreiheitlichen Schutzbereichs. Jedoch ist die Rücksichtnahme auf diese Grundfeste der deutschen sozialen Privatrechtsordnung nicht nur im Interesse des deutschen Allgemeinwohls geboten. Darüber hinaus wird ihre Schutzbedürftigkeit auch vom EG-Recht selbst anerkannt39. 4. Das Stichwort vom europarechtlichen ordre public ist in diesem Zusammenhang eher irreführend und wird in der Literatur bislang oftmals unzutreffend eingeordnet. Es geht hierbei nicht um ein Parallelinstitut zum nationalen ordre public des internationalen Privatrechts, über das ein gemeinschaftsweiter Konsens bestehen müsste. Zwar wird nicht nur die Frage nach dem korrekten Maß an Beteiligungsrechten, sondern sogar die generelle Frage nach der Existenzberechtigung der Unternehmensmitbestimmung von den einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft äußerst unterschiedlich beantwortet wird und hat Deutschland mit seinen weit reichenden Arbeitnehmerschutzstandards in der Diskussion eine extreme Position bezogen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass ein gemeinschaftserhebliches Interesse an der Anerkennung deutscher Schutzstandards nicht bestehe. ___________ 36

Vgl. dazu oben § 15 C. III. Vgl. dazu oben § 15 D. II. 5. 38 Vgl. dazu oben § 15 D. II. 5. d) aa). 39 Vgl. dazu oben § 15 D. II. 5. d) bb). 37

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5. Anhand des differenzierten Mitbestimmungssystems, welches der europäische Gesetzgeber durch die Richtlinie 2001/86/EG für die Europäische Aktiengesellschaft vorgesehen hat, wird deutlich, dass die Gemeinschaft zunächst kein Interesse daran hat, einzelne der nationalen Schutzstandards als überzogen oder zu schwach zu verurteilen und sich für einen eigenen allgemeinverbindlichen Standard zu entscheiden. Deshalb verfolgt sie gegenwärtig vorrangig den Weg des Bestandsschutzes einmal erworbener Rechte auch nach der Transformation eines oder mehrerer Unternehmen in eine Europäische Aktiengesellschaft, wobei sich im Falle der Beteiligung mehrerer Unternehmen regelmäßig das intensivste Schutzniveau durchsetzen wird40. Das bedeutet eine Anerkennung auch der deutschen Mitbestimmungsgesetze. Damit spiegelt sich die Unternehmensmitbestimmung als Element des deutschen ordre public ausreichend im Gemeinschaftsrecht wider. Der mit ihr institutionalisierte Arbeitnehmerschutz ist als Gegengrund zur Freiheitsgarantie der Art. 43, 48 EGV zwingend zu berücksichtigen. 6. Erheblichen Einfluss nimmt die Niederlassungsfreiheit allerdings auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf der Rechtsfolgenseite eines neuen Mitbestimmungsrechts, das auch für Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im räumlichen Geltungsbereich deutschen Rechts Geltung beansprucht41. Vor allem unter dem Gesichtspunkt des europarechtlichen Diskriminierungsverbots empfiehlt sich hier die Erstellung eines Regelungssystems, das die organisationsrechtlichen Besonderheiten des Gründungsrechts der einzelnen ausländischen Rechtsformen berücksichtigt. Insbesondere für Rechtsträger mit einem monistisch ausgestalteten board-System würde anderenfalls der Eingriff in ihre Organisationsverfassung unverhältnismäßig tiefer gehen als bei einer ohnehin dualistisch konzipierten Kapitalgesellschaft mit einem vom Vertretungsorgan getrennten Aufsichtsrat. Vorbildfunktion kann dabei dem Mitbestimmungsmodell für die Europäische Aktiengesellschaft nach der Richtlinie 2001/86/EG und dem neuen Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBG) zukommen. 7. Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit einer Erstreckung des deutschen Mitbestimmungsrechts auf Auslandsgesellschaften mit Sitz im Inland ergeben sich nur geringfügige weitere Einschränkungen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums42. An der Erforderlichkeit einer entsprechenden deutschen Regelung wird es allenfalls dann fehlen, wenn das ___________ 40

Vgl. dazu oben § 15 D. II. 5. c) cc). Vgl. dazu oben § 15 D. III. 1. b). 42 Vgl. dazu oben § 15 D. III. 3. 41

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Gründungsstatut des ausländischen Rechtsträgers für ihn eine dem deutschen Standard nach Art und Umfang im Wesentlichen vergleichbare Mitbestimmungspflicht kennt. Das gilt wiederum freilich nur unter der Voraussetzung, dass jener Mitbestimmungsbefehl des ausländischen Rechts auch an einen über die Staatsgrenzen hinweg gezogenen Rechtsträger adressiert ist. Das ist indessen ausgeschlossen, wenn das Gründungsrecht mit seinen Mitbestimmungsregelungen an den tatsächlichen Verwaltungssitz anknüpft und ganz wie das deutsche Recht dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip folgt. In der Rechtsrealität dürften die damit beschriebenen Fälle eine seltene Ausnahme bilden, weshalb der deutsche Gesetzgeber vor dem Hintergrund dieser geringen praktischen Relevanz die Europarechtskonformität seines Mitbestimmungsrechts schon durch eine generalklauselartige Ausnahmeformulierung im Gesetzestext sicherstellen können sollte. 8. Auch wenn auf der europäischen Ebene in Mitbestimmungsfragen sich das Verhandlungsmodell in weiten Bereichen durchgesetzt hat und auf diese Weise im Grundsatz eine flexible Lösung für den Grad der Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft angestrebt wird, ist de lege ferenda im deutschen Mitbestimmungsrecht eine solche Verhandlungslösung für die nach Deutschland zugezogenen Auslandsgesellschaften europarechtlich nicht geboten.

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Winter: Diskussionsbericht zu den Referaten Mülbert (Konzern 2004, S. 151) und Schön (Konzern 2004, S. 162) zur Zukunft der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, in: Der Konzern (Konzern) 2004, S. 171 Wißmann: Der Anwendungsbereich der Unternehmensmitbestimmung als Dauerpatient, in: Recht und soziale Arbeitswelt, Festschrift für Wolfgang Däubler zum 60. Geburtstag, Frankfurt am Main 1999, S. 385. Zitiert: Wißmann in: Festschrift Däubler  Wegdriftende gesetzliche Verweisungen, Gelöste und ungelöste Probleme im Recht der Montan-Mitbestimmung, in: Zeitschrift für Gesetzgebung (ZG) 1986, S. 167 Wlotzke: Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Umwandlungsrechts, in: Der Betrieb (DB) 1995, S. 40 Wlotzke / Wißmann: Die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Montan-Mitbestimmung – Entwicklungsgeschichtliche Zusammenhänge und Inhalt –, in: Der Betrieb (DB) 1981, S. 623 Wolff, A.: Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat – Weitere Vereinfachung des Wahlverfahrens, in: Der Betrieb (DB) 2002, S. 790 Wrede: Zur Beurkundungspflicht bei der Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, in: GmbH-Rundschau (GmbHR) 1995, S. 365 Wymeersch: Centros: A Landmark Decision in European Company Law, in: Corporations, Capital Markets and Business in the Law, Liber Amicorum Richard M. Buxbaum, London; The Hague; Boston 2000, S. 629. Zitiert: Wymeersch in: Festschrift Buxbaum Ziemons: Freie Bahn für den Umzug von Gesellschaften nach Inspire Art?! Zugleich Besprechung EuGH, Urteil vom 30.09.2003 – Rs. C-167/01, ZIP 2003, 1885 – Inspire Art, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP) 2003, S. 1913 Zimmer: Internationales Gesellschaftsrecht, Das Kollisionsrecht der Gesellschaften und sein Verhältnis zum internationalen Kapitalmarktrecht und zum internationalen Unternehmensrecht, Heidelberg 1996  Internationales Gesellschaftsrecht und Niederlassungsfreiheit: Das Rätsel vor der Lösung?, in: Betriebs-Berater (BB) 2000, S. 1361  Nach „Inspire Art“: Grenzenlose Gestaltungsfreiheit für deutsche Unternehmen?, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2003, S. 3585  Wie es Euch gefällt? Offene Fragen nach dem Überseering-Urteil des EuGH, in: Betriebs-Berater (BB) 2003, S. 1 Zöllner: Aktienrechtsreform in Permanenz – Was wird aus den Rechten des Aktionärs?, in: Die Aktiengesellschaft (AG) 1994, S. 336  Bemerkungen zu allgemeinen Fragen des Referentenentwurfs eines Umwandlungsgesetzes, in: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (ZGR) 1993, S. 334  Gemeinsame Betriebsnutzung, Kritische Bemerkungen zur Rechtsfigur des gemeinsamen Betriebs, in: Festschrift für Johannes Semler zum 70. Geburtstag am 28.04.1993, Unternehmen und Unternehmensführung im Recht, Berlin; New York 1993, S. 995. Zitiert: Zöllner in: Festschrift Semler  GmbH und GmbH & Co. KG in der Mitbestimmung, in: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (ZGR) 1977, S. 319

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Literaturverzeichnis

 Grundsatzüberlegungen zur umfassenden Umstrukturierbarkeit der Gesellschaftsformen nach dem Umwandlungsgesetz, in: Festschrift für Carsten Peter Claussen zum 70. Geburtstag, Köln 1997, S. 423. Zitiert: Zöllner in: Festschrift Claussen  Rechtssubjektivität von Personengesellschaften, in: Festschrift für Joachim Gernhuber zum 70. Geburtstag, in: Tübingen 1993, S. 563. Zitiert: Zöllner in: Festschrift Gernhuber Zöllner / Loritz: Arbeitsrecht, 5. Auflage, München 1998 Zöllner / Noack (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz,  Band 1: §§ 1-75 AktG (Stand der Bearbeitung: §§ 1-22 AktG: Januar 1986; §§ 2353 AktG: Mai 1986; §§ 53a-75 AktG: Juli 1988), 2. Auflage, Köln; Berlin; Bonn; München 1988;  Band 2: §§ 76-117 AktG und Mitbestimmung im Aufsichtsrat (Stand der Bearbeitung: §§ 76-94 AktG: Dezember 1988; Anhang zu § 94, §§ 95-117, Anhang zu § 117 AktG: Dezember 1995), 2. Auflage, Köln; Berlin; Bonn; München 1996;  Band 6: §§ 15-22 AktG; §§ 291-328 AktG und Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG, SpruchG, 3. Auflage, Köln; Berlin; München 2004. Zitiert: Bearbeiter in: KölnKomm AktG

Sachverzeichnis Aktienrechtliche Eingliederung 156 Anerkennungsabkommen 434 Anwachsung 235  einfaches Anwachsungsmodell 238  erweitertes Anwachsungsmodell 241 Arbeitnehmerzurechnung  im Konzern 133, 152, 166, 316, 355, 362, 507  in der Kapitalgesellschaft & Co. KG 81, 120, 395, 507 Arbeitsdirektor 79, 95, 106, 114, 144 Aufsichtsrat  Amtskontinuität bei Formwechsel 410  Kontinuität unter Wechsel der Konzernebene 417  Rechte nach dem DrittelbG 171  Wahl nach dem BetrVG 1952 161  Wahl nach dem DrittelbG 172  Wahl nach dem MitbestErgG 114  Wahl nach dem MitbestG 143  Wahl nach dem MontanmitbestG 105  Zusammensetzung nach dem BetrVG 1952 161  Zusammensetzung nach dem MitbestErgG 113  Zusammensetzung nach dem MitbestG 139  Zusammensetzung nach dem MontanmitbestG 103 Beherrschungsvertrag 153 Besonderes Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer siehe Europäische Aktiengesellschaft Betriebliche Mitbestimmung 67, 598 Betriebsaufspaltung 211 Betriebsbegriff  herkömmlicher 69  teleologischer 71 Betriebsrat 74

 Aufgaben 74  Beteiligungsrechte 76  Europäischer Betriebsrat 136  Gesamtbetriebsrat 73  Konzernbetriebsrat 106, 136  Wirtschaftsausschuss siehe dort Briefkastengesellschaft siehe Scheinauslandsgesellschaft Corporate Governance 40, 79, 180, 558, 583, 593 Diskriminierungsverbot 585 Downstream merger siehe Verschmelzung Effet utile 545 Eingriffsnormen 531 Einheitsprinzip siehe Integrationsprinzip Einkommensteuer 118 Einzelrechtsübertragung  als Alternative zur Spaltung 373  als Alternative zur Verschmelzung 322  asset deal 324, 373  share deal 323, 381 Europäische Aktiengesellschaft 42, 49, 51, 174, 560, 566, 595, 601  Besonderes Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer 182, 574  Gestaltungsprinzip 182, 570  Gründung 177, 567  als Holdinggesellschaft 177, 567  als Tochtergesellschaft 177, 568  durch Formwechsel 177, 569  durch Umwandlung siehe durch Formwechsel  durch Verschmelzung 177, 567  Mitbestimmungsvereinbarung 183  Optionsmodell 595  Rechtsgrundlagen 174

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Sachverzeichnis

 Sicherungsprinzip 182, 571 Europäischer Betriebsrat siehe Betriebsrat Executive director 592 Existenzvernichtung 56, 179 Familiengesellschaft 148 Formwechsel 215, 232, 390, siehe auch Europäische Aktiengesellschaft – Gründung  als Alternative zum upstream merger 416  Amtskontinuität des Aufsichtsrats 410  Aufsichtsratskontinuität unter Wechsel der Konzernebene 417  der Konzernspitzengesellschaft 413  durch grenzüberschreitende Verlegung des Verwaltungsitzes 465  im Konzern 413  Verfahren 263  von abhängigen Kozernunternehmen 415  von Altaktiengesellschaften 398  einfacher Formwechsel 398  wiederholter Formwechsel 399 Gesamtbetriebsrat siehe Betriebsrat Gesamtrechtsnachfolge 226 Geschöpftheorie 478, 499 Gestaltungsmissbrauch 403 Gestaltungsprinzip siehe Europäische Aktiengesellschaft Goldene Aktie 546 Grenzüberschreitende Umwandlung 64 Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit 45 Gründungstheorie 55, 438, 455 Halbeinkünfteverfahren 119 Herkunftslandprinzip siehe Gründungstheorie Holdinggesellschaft 55, siehe auch Europäische Aktiengesellschaft – Gründung Holdinggesetz siehe Holdingnovelle Holdingnovelle 107 Identität 226

Informationsmodell 475 Insolvenzverschleppung 57, 179 Integrationsprinzip 80 Kapitalgesellschaft & Co. KG 81, 116, 287, 348, 395  Arbeitnehmerzurechnung in der Kapitalgesellschaft & Co. KG 81, 120, 395  beteiligungsgleiche 125, 348  doppelstöckige siehe mehrstöckige  echte siehe beteiligungsgleiche  Einpersonen-GmbH & Co. KG 126  mehrstöckige 128  personengleiche siehe beteiligungsgleiche Konzern  Arbeitnehmerzurechnung im Konzern 133, 152, 166, 316, 355, 362  auf faktischer Grundlage 137, 157  auf vertraglicher Grundlage 137, 153, 156  Formwechsel der Konzernspitzengesellschaft siehe Formwechsel  Formwechsel von abhängigen Konzernunternehmen siehe Formwechsel  Gleichordnungskonzern 136  Spaltung im Konzern siehe Spaltung  Unterordnungskonzern 136  Verschmelzung im Konzern siehe Verschmelzung Konzernbetriebsrat siehe Betriebsrat Körperschaftsteuerrecht 118 Lehre von den Eingriffsnormen siehe Eingriffsnormen Mehrheitsidentität 124 Mehrheitskongruenz siehe Mehrheitsidentität Mindestnormtheorie 473 Mitbestimmungsurteil des BVerfG 549 Montanmitbestimmung 91, 97, 189, 278, 286, 340 Niederlassungsfeiheit  primäre, Begriff 432  sekundäre, Begriff 433

Sachverzeichnis Non-executive director 592 Optionsmodell 595 Ordre public  im Gemeinschaftsrecht 580  im nationalen Recht 529, 534, 579 Organkompetenzen 77, 84, 407 Personalhoheit 86 Rechtsformwechsel siehe Formwechsel Regelmäßige Arbeitnehmerbeschäftigung 89 Satzungssitz 94, 442 Scheinauslandsgesellschaft 446, 540, 543 SE-Beteiligungsgesetz 42, 174 Selbstorganschaft 83 SE-Verordnung 52, 175 Sicherungsprinzip siehe Europäische Aktiengesellschaft Sidestep merger siehe Verschmelzung Sidestream merger siehe Verschmelzung Sitztheorie  Anwendbarkeit durch den Aufnahmestaat im Zuzugsfall 55, 456, 459  Anwendbarkeit durch den Herkunftsstaaat im Wegzugsfall 494  Begriff 436 Sitzverlegung siehe Verwaltungssitz Societas Europaea siehe Europäische Aktiengesellschaft Sozialverband 81 Spaltung 205, 326  Abspaltung 207, 342  Abspaltung downstream 372  Abspaltung upstream 360  Aufspaltung 206, 327  Aufspaltung downstream 372  Aufspaltung upstream 363  Ausgliederung 208, 350  Ausgliederung downstream 372  Ausgliederung upstream 366  im Konzern 360  Verfahren bei Abspaltung 252  Verfahren bei Aufspaltung 252  Verfahren bei Ausgliederung 257

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 zur Aufnahme 210  zur Neugründung 210 Tatbestandsvermeidung 185 Tendenzschutz 91, 133, 151, 166, 189, 279, 285, 340 Territorialitätsprinzip 43, 93, 102, 443, 490, 598, 601 Typensubstitution 513, 515 Überlagerungstheorie  modifizierte 440  originäre 438 Unternehmensbegriff 72 Unternehmensverfassung  dualistische 79, 181  monistische 181, 592 Upstream merger siehe Verschmelzung Verhandlungslösung 601 Vermögensübertragung 213, 382  Teilübertragung 214, 384  abspaltende 385  aufspaltende 385  ausgliedernde 386  Vollübertragung 214, 384 Verschmelzung 196, 269  downstream merger 204, 302  Enkel-Mutter-Verschmelzung 304  im Konzern 294  sidestep merger siehe sidestream merger  sidestream merger 201, 294  upstream merger 202, 300  Verfahren 247  zur Aufnahme 197  zur Neugründung 197 Verschmelzungsrichtlinie 55 Verwaltungssitz 93, 283  Begriff 440  Sitzverlegung als Gestaltungsmaßnahme 431  Wegzug 490  Zuzug 505  Territorialitätsprinzip siehe dort Vetorecht 96, 107, 114, 186, 547

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Sachverzeichnis

Wegzugsfall  Begriff 442  Daily Mail-Entscheidung 476  Saillant-Entscheidung 479  Wegzug als Gestaltungsmaßnahme 490  Wegzugshindernisse im deutschen Recht 494  Besteuerung stiller Reserven 502  Gesellschaftsrechtliche Liquidation 497 Wirtschaftssausschuss 74, 78

Zuzugsfall  Begriff 443  Centros-Entscheidung 445  Gebhard-Entscheidung 489  Inspire Art-Entscheidung 469  Kraus-Entscheidung 488  Überseering-Entscheidung 455  Zuzug als Gestaltungsmaßnahme 505 Zweigniederlassung 53, 445 Zweigniederlassungsrichtlinie  Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit 473