Tiere: Begleiter des Menschen in der Literatur des Mittelalters 9783412506582, 9783412505820

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Tiere: Begleiter des Menschen in der Literatur des Mittelalters
 9783412506582, 9783412505820

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Judith Klinger ∙ Andreas Kraß (Hg.)

Tiere  : Begleiter des Menschen in der Literatur des Mittelalters

2017

Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abruf bar. Umschlagabbildung  : © The British Library Board, Sloane 3544 f.15v © 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat  : Lektoratsbüro textbaustelle, Berlin Einbandgestaltung  : Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Satz  : Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung  : Generaldruckerei, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50582-0

Für Ute von Bloh

Inhalt Judith Klinger · Andreas Kraß 9 Einführung

Judith Klinger 139 Der Wolf

I  RITTER UND PFERD

Andreas Kraß 163 Der Löwe

Lieselotte E. Saurma-Jeltsch 33 Das Pferd Bucephalus

IV  TIERE DES HIMMELS

Bernd Bastert 47 Das Pferd Bayard

Silke Winst 185 Der Rabe

II  TIERE DES HAUSES

Otto Neudeck 201 Der Adler

Denise Grduszak 63 Die Katze

Ronny F. Schulz 215 Der Falke

Lina Herz 77 Der Hund

V  TIERE IN NAMEN

Werner Röcke 89 Der Esel

Wolfgang Haubrichs 229 Tiere in Namen

III  TIERE DES WALDES

255 Anmerkungen

Jan-Dirk Müller 103 Der Eber

285 Gesamtbibliographie

Harald Haferland 119 Der Fuchs

313 Abbildungsverzeichnis 315 Register

Judith Klinger · Andreas Kraß

Einführung Tiere haben auf vielfältige Weise Anteil an der mittelalterlichen Kultur und begleiten das Alltagsleben durch alle Jahreszeiten, an nahezu allen Orten. Die übliche Tierhaltung reicht von der agrarischen oder militärischen Nutzung bis zur Integration geschätzter Spiel- oder Jagdgefährten in den Haushalt. In engster Nachbar­ schaft, das zeigt schon die Architektur ländlicher Häuser und Siedlungen, teilen sich Mensch und Tier Lebensraum und Lebensgrundlagen. Doch sind Haus- und Nutztiere nicht nur in Stallungen und auf Feldern präsent. Die Fülle tierischer Erzeugnisse sichert allenthalben Ernährung und Überleben (auch in Form von Heilmitteln), sie reicht mit Wollgewändern bis an die Haut, hat durch Beinschnitzereien Anteil am Schmuck sakraler Gegenstände und versorgt Schreibstuben mit Tintenhörnern und Pergament, das aus gegerbten Tierhäuten hergestellt wird. Zug- und Reittiere erlauben und erweitern Mobi­ lität, Arbeits- und Lastentiere helfen unter anderem dabei mit, die Wildnis zurückzudrängen und den menschlich beherrschten Kulturraum immer weiter auszudehnen. Zur Präsenz der Tiere gehört nicht zuletzt eine Vielfalt der Geräusche, Gerüche und Berührungen, die die Alltagswelt durchdringen, aber nur selten Spuren hinterlassen haben. Heute noch zugänglich sind visuelle Darstellungen und Texte, die das Zusam­menspiel von Mensch und Tier begleiten, deuten und erweitern. Die Bildprogramme mittelalterlicher, insbesondere romanischer Kirchen zeigen ein Gewimmel bewegter Szenen, in denen sich wilde und zahme Tiere ebenso tummeln wie monströse oder mythologische Wesen, die menschliche mit animalischen ­Zügen verbinden. Ebenso reichhaltig sind die Tierdarstellungen bebilderter Handschriften, und das nicht nur in den beliebten Bestiarien, die Tierkunde mit religiöser Belehrung verknüpfen. Die Vielgestaltigkeit dieser Bilderwelten belegt, wie intensiv Tiere die Imagination angeregt und bevölkert haben  : darunter auch Tiere, die (wie der Bär) fernab menschlicher Siedlungen

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oder (wie Löwe und Elefant) in entlegenen Weltregionen leben. Bildliche und literarische Darstellungen bezeugen bisweilen die Praxis einer engen Gemeinschaft von Mensch und Tier (etwa des adligen Ritters mit seinem Pferd), sie dokumentieren aber auch, dass manchen Tieren gesteigerte kulturelle Bedeutung zukommt, während andere (wie das Eichhörnchen, die Schnecke, die Motte) nur selten, beispielsweise an den Rändern illustrierter Handschriften in Erscheinung treten. Selbst Tierarten wie die Biene, deren außerordentliche Nützlichkeit und komplexe Organisation weithin bekannt ist, tauchen nur in spezifischen Sparten der Textproduktion, wie naturkundlichen Schriften oder Zaubersprüchen auf. Die Präsenz der Tiere in der Lebenswelt und ihre Sichtbarkeit in der Kulturproduktion stehen zwar miteinander in Verbindung, ein Abbildungsverhältnis besteht jedoch nicht. Vielmehr spiegeln die Akzente, die Literatur und Bildkunst setzen, auch vorausliegende Ordnungen. Sie orientieren sich am überlieferten Wissen von den Tieren, an symbolischen Bedeutungen, die ihnen beigelegt werden, sowie nicht zuletzt an besonders faszinierenden Geschichten von Mensch-Tier-Verhältnissen, die immer wieder neu erzählt werden.

1 Tiere in der Literatur des Mittelalters

Wenn in der Literatur des Mittelalters von Tieren die Rede ist, folgt sie älteren Überlieferungen. Drei Traditionen lassen sich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) hervorheben  : die biblische, die von der Erschaffung der Tiere handelt, die naturkundliche, die antikes Wissen von Tieren versammelt, und die magische, die in Zauber- und Segenssprüchen bezeugt ist. In all diesen Fällen handelt es sich um vorchristliche Traditionen, die nachträglich christlich überformt wurden. Dieser Prozess lässt sich anhand der deutschen Literatur des frühen Mittelalters beispielhaft illustrieren  : Die biblischen Schöpfungsgeschichten wurden in der Altdeutschen Genesis bearbeitet  ; die antike Naturkunde wurde einer christlichen Deutung unterzogen, die in der Fassung des Althochdeutschen Physiologus vorliegt  ; Relikte der magischen Tradition lassen sich in den Merseburger Zaubersprüchen fassen. Biblisches  : Die Altdeutsche Genesis Die in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstandene Altdeutsche Genesis stellt eine Bearbeitung des biblischen Buches Genesis in deutschen Versen dar.1 Für die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Tier ist insbesondere

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der Bericht von der Erschaffung der Welt interessant. Die Altdeutsche Genesis fasst die beiden Schöpfungsgeschichten, die in der Bibel aufeinander folgen, in einer Erzählung zusammen. Die erste biblische Schöpfungsgeschichte (Genesis  1) behandelt die Erschaffung der Welt in sechs Tagen. Sie nähert sich den Tieren mit demselben systematischen Interesse, das den gesamten Bericht prägt. Am fünften Tag erschafft Gott die Tiere des Wassers und des Himmels, am sechsten Tag die Tiere des Feldes und den Menschen  : Dann sprach Gott  : Das Wasser wimmle von lebendigen Wesen und Vögel sollen über dem Land am Himmelsgewölbe dahinfliegen. Gott schuf alle Arten von großen Seetieren und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt, und alle Arten von gefiederten Vögeln. Gott sah, dass es gut war. Gott segnete sie und sprach  : Seid fruchtbar und vermehrt euch und bevölkert das Wasser im Meer und die ­Vögel sollen sich auf dem Land vermehren. Es wurde Abend und es wurde Morgen  : fünfter Tag. Dann sprach Gott  : Das Land bringe alle Arten von lebendigen Wesen hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des Feldes. So geschah es. Gott machte alle Arten von Tieren des Feldes, alle Arten von Vieh und alle Arten von Kriechtieren auf dem Erdboden. Gott sah, dass es gut war. Dann sprach Gott  : Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild  ; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott seg­ nete sie und Gott sprach zu ihnen  : Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen. Dann sprach Gott  : Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen. Allen Tieren des Feldes, allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, was Lebensatem in sich hat, gebe ich alle grünen Pflanzen zur Nahrung. So geschah es. Gott sah alles an, was er gemacht hatte  : Es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen  : der sechste Tag (Genesis 1,20–31).2

Die Reihenfolge der Erschaffung impliziert eine Hierarchie, die von den ­ ischen und Vögeln zu den Landtieren und Menschen reicht. Die Herrschaft F des Menschen über die Tiere wird als erklärter Wille Gottes ausgegeben  : »[H]errscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.« Eine zweite Schöpfungsgeschichte folgt im Zusammenhang der Erzählung vom Paradies (Genesis  2). In dieser

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eher mythologischen als theologischen Darstellung wird der Mensch nicht nach, sondern vor den Tieren erschaffen  : Dann sprach Gott, der Herr  : Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht. Gott, der Herr, formte aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte es heißen. Der Mensch gab Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes. Aber eine Hilfe, die dem Menschen entsprach, fand er nicht (Genesis 2,18–20).

Die Tiere sollen dem Menschen als Hilfe dienen  ; sie sollen ihm aber auch Gesellschaft leisten, damit er nicht allein sei. Diese Aufgaben vermögen sie jedoch nur in unzureichender Weise zu erfüllen, da sie nicht dem menschlichen Wesen entsprechen. Einen adäquaten Gefährten findet der erste Mensch erst im zweiten  : der Frau, die Gott aus der Rippe des Mannes formt. Auch in dieser Schöpfungsgeschichte sind die Tiere dem Menschen zum Dienst verpflichtet. Daher ist es das Vorrecht des Menschen, den Tieren Namen zu verleihen. Wiederum wird angedeutet, dass die Tierwelt verschiedene Gattungen umfasst, die verschiedenen Lebensräumen zugeordnet sind. Doch werden nur die Tiere des Feldes und die Vögel des Himmels angeführt, von Fischen ist keine Rede. Die Altdeutsche Genesis fasst die biblischen Schöpfungsgeschichten in einer harmonisierten Erzählung zusammen und reichert sie mit Details an, die der frühmittelalterlichen Kultur entnommen sind. Die Erschaffung der Tiere geht der Erschaffung des Menschen voraus. Die Dichtung zeichnet ein vielfältigeres Bild der Tierwelt als die biblische Vorlage, wenn sie nicht nur von den Tieren des Wassers, des Himmels und des Feldes, sondern auch von Pferden und Rindern spricht  : Dô sprach unser trechtîn – die gnade waren sîn – er hiez werden uische, wênige unde michele, uogele dem lufte, wildiu tier der erde, rôs unde rinder under ander manich wunder die iu nieman nemach erzelen.

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er hiez die erde allez daz neren mit dem wŏchere unde si bare, daz si im allem urume ware, also iegeliches natire ware getân, er hiez si ez allez biwaren mit ware joch mit reste, mit aller slahte wiste. (V. 155–170) (Da sprach unser Herr in seiner Gnade und er befahl, dass Fische werden, seltene und häufige, Vögel in der Luft, wilde Tiere auf der Erde, Pferde und Rinder neben vielen anderen Wundern, die euch niemand erzählen kann. Er befahl, dass die Erde sie alle ernähre mit Wachstum und Frucht trage, damit sie ihnen allen, ihrer jeweiligen Natur entsprechend, nützlich war, er befahl, dass sie all das mit vielfältiger Weisheit bewahre mit Schutz und Frieden.)

Bevor Gott den Menschen erschafft, setzt er bereits fest, dass die Tiere dem Menschen untertan sein sollen. Dieses Gebot, das im biblischen Text in einem Satz formuliert wird, gestaltet die Altdeutsche Genesis erheblich aus, indem sie drei Tiere hervorhebt, die trotz ihrer besonderen Eigenschaften dem Menschen gehorchen sollen. Auch der Löwe, der als König der Tiere gilt, der Vogel, der in höchste Höhen fliegen kann, und die Schlange, die Angst und Schrecken verbreitet, müssen dem Menschen folgsam sein  : Dehein lêu si so her noch nehein ander tier noch ne si so wilde ze uelde noch ze walde, iz ne sî ime unter tan suî er der mite welle gebaren. Der fogel ne uliege nie so hohe, suener ime růffe. erne chome sciere suâ er in hôre. Dehein wurm si so freissam, erne si im gehorsam. nieth ich uznime,

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iz ne volg ime  ; daz dehein êiter si so pittir daz ime scade oder wider ime chraft habe. (V. 189–206) (Kein Löwe sei so mächtig noch irgendein anderes Tier sei in Wald und Feld so wild, dass es ihm nicht untertan sei, wie immer er damit verfahren wolle. Der Vogel soll nicht so hoch fliegen, dass er, wenn er ihn ruft, nicht sogleich zurückkommt, sobald er ihn hört. Kein Wurm soll so schrecklich sein, dass er ihm nicht gehorsam sei. Nichts nehme ich davon aus, alles soll ihm folgsam sein  ; sodass kein Gift, sei es noch so bitter, ihm schade oder Gewalt über ihn habe.)

Nachdem Gott den Menschen erschaffen hat, überantwortet er ihm die Tiere. Davon, dass sie dem Menschen helfen und ihm Gesellschaft leisten sollen, ist keine Rede. Der Mensch schaut sich die Tiere an, und sein Blick differenziert bereits verschiedene Tierarten. Er unterscheidet zwischen wilden und zahmen Tieren einerseits, und er unterscheidet zwischen den Tieren des Landes (Vieh), des Himmels (Vögel) und des Wassers (Fische) andererseits. Die Schlange, die bereits früher erwähnt wurde und beim Sündenfall eine zentrale Rolle spielt, wird besonders hervorgehoben. Auch der Löwe wird erneut genannt, außerdem das Einhorn. Die Quelle, derer sich der Dichter hier bedient, scheint die naturkundliche Tradition des Physiologus zu sein. Interessant ist ferner der Gedanke, dass es eine gestufte Herrschaft Gottes über den Menschen und des Menschen über die Tiere gibt. Der Dichter schreibt  : er scowot al bisunter die manegen wnter, fihe iouch fogele, wilde iouch gezogene. er tet ouch gôme wrze iŏch pŏme, michel uunter in habete daz der fisk in dem wazzere spilete. dere wrme freissam er niewet erchom.

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Dů er iz allez ersach, got ime zuo sprach »du solt in minen stal disses phlegen al, du solt sin alles wesen herre. waz bedarftu denne mere  ? elliu dinch furhten dich alsame mich. nieth si so grulich iz newider sitze dich. Leuue noch einhurne scone sineme zorne  : suenner dich ferneme sine grimme er hinelege. wis du mir untertan, nieht mag dir wider stan.« (V. 415–440) (Er erblickte im Einzelnen die vielen Wunder  : Vieh und Vögel, wilde und zahme. Er nahm auch die Kräuter und Bäume wahr. Er bewunderte, wie der Fisch im Wasser spielte, vor der grausamen Schlange erschrak er nicht. Als er alles gesehen hatte, sprach Gott zu ihm  : »Du sollst dich um all dies in meinem Stall kümmern, du sollst über sie alle Herr sein, wessen bedarfst du noch  ? Alles fürchtet dich wie mich. Nichts ist so grausam, dass es sich dir widersetzt. Verschone nicht den Zorn des Löwen oder Einhorns  : Wenn er dich vernimmt, legt sich sein Grimm. Sei du mir untertan, dann kann dir nichts widerstehen.«)

Die Herrschaft des Menschen über die Tiere äußert sich wie im biblischen Buch Genesis im Privileg, den Tieren Namen geben zu dürfen. Dieser Vorgang wird mit einem ätiologischen Index versehen – noch heute, so heißt es, tragen die Tiere jene Namen, die ihnen der erste Mensch verlieh  : Al daz ter was lebentes, uliugentes oder gentes, wurm oder tiere, dei chomen skiere. dei brahte got zů Adame,

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daz er in namen gabe. den namen den er in dů gab den habent si elliu unze an disen hutigen tach. (V. 575–582) (Alles Lebendige, ob es fliegt oder geht, ob Kriechtiere oder Vierbeiner, kam schnell herbei. Gott brachte sie zu Adam, damit er ihnen Namen gebe. Namen gab er ihnen da. Den tragen sie alle bis zum heutigen Tag.)

Es folgt die Erschaffung der Frau, und erst jetzt betont der Dichter, dass es Gott nicht gut dünkte, dass der Mann allein und ohne Hilfe sei (V. 584–586  : »mich ne dunchet nieht gůt / daz so eine si der man, / wir sculen im eine hilfe tůn«). Die Tiere, die den Menschen umgeben, sind für ihn keine geeigneten Begleiter. Naturkundliches  : Der Althochdeutsche Physiologus Die naturkundliche Tradition reicht weit in die Antike zurück. Interesse an Erscheinungsbild, Verhalten und Lebensweise der Tiere zeigten bereits Gelehrte wie Aristoteles (Historia animalium) und Plinius (Naturalis historia), die im Mittelalter breit rezipiert wurden. Wenn die Altdeutsche Genesis im Unterschied zur Bibel bei der Erschaffung der Welt von bestimmten Tieren spricht, so webt sie außerbiblische Motive mit ein. Die Erwähnung von Löwen, Einhörnern und Schlangen verdanken sich gewiss der Tradition des Physiologus, die in die christliche Spätantike zurückreicht und in deutscher Sprache erstmals im Althochdeutschen Physiologus zu fassen ist, der im 11. ­Jahrhundert entstand. Der Physiologus, d. h. der Naturforscher, bietet eine Zusammenstel­ lung von Tierbeschreibungen (darunter auch Monstren wie Sirenen3 und Zentauren), die auf vorchristlicher Literatur basieren und mit christlichen Deutungen versehen werden. Man kann folglich auf zwei Ebenen nach dem Verhältnis von Mensch und Tier fragen. Auf der wörtlichen Ebene stellt sich die Frage, wie sich das jeweilige Tier zum Menschen verhält  ; auf der bildlichen Ebene geht es darum, welche menschlichen und göttlichen Eigenschaften die Tiere bezeichnen. Dies lässt sich an jenen drei Tieren verdeutlichen, die auch die Altdeutsche Genesis hervorhebt  : dem Löwen, dem Einhorn und der Natter. Der Physiologus eröffnet die Reihe der Tierbeschreibungen mit dem Löwen. Drei Eigenschaften schreibt er ihm zu  : dass er mit dem Schwanz die Spur verwische, dass er mit offenen Augen schlafe und dass seine Welpen erst drei Tage nach der Geburt zu leben begännen. Diese Beschreibungen beruhen auf einem

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bestimmten Zweig der antiken Naturkunde, der sich für das Wundersame in der Natur interessierte  : der zoologischen Paradoxien-Literatur hellenistischer Prägung, die seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. die Naturwissenschaft überwucherte.4 Die fabulösen Zuschreibungen verlangten nach Deutung und Erläuterung, und eben diesem Anliegen entspricht der Physiologus, der die Eigenschaften der Tiere heilsgeschichtlich auf Gott und die Menschen bezieht. Zu diesem Zweck werden biblische Stellen zu den betreffenden Tieren gesucht und zu den Tierbeschreibungen in Beziehung gesetzt. Stets gelingt es, den bizarren Eigenschaften religiöse Deutungen zur Seite zu stellen, die das Paradoxe plausibel machen. Die älteste greifbare Fassung dieser Tradition überhaupt ist der spätantike Griechische Physiologus, die älteste deutsche Bearbeitung der Althochdeutsche Physiologus. Dieser weiß über den Löwen Folgendes zu berichten. Hier begin ih einna reda umbe diu tier, uuaz siu gesliho bezehinen. Leo bezehinet unserin trohtin turih sine sterihchi, unde bediu uuiret er ofto an heligero gescrifte genamit. Tannan sagita Iacob, to er namæta sinen sun Iudam. Er choat »Iudas min sun ist uuelf des leuin«. Ter leo hebit triu dinc ann imo, ti dir unserin trotinin bezeichenint. Ein ist daz  : so ser gat in demo uualde un er de iagere gestincit, so uertiligot er daz spor mit sinemo zagele, ze diu, daz sien ni neuinden. So teta unser trotin, to er an der uuerilte mit menischon uuas, ze diu, daz ter fient nihet uerstunde, daz er gotes sun uuare. Tenne so der leo slafet, so uuachent sinu ougen. An diu, daz siu offen sint, dar anna bezeichenit er abir unserin trotin, als er selbo quad an demo buhche cantica canticorum »Ego dormio et cor meum uigilat«. Daz er rasta an demo menisgemo lihamin un er uuahcheta an der gotheite. So diu leuin birit, so ist daz leuinchelin tot, so beuuard su iz unzin an den tritten tag. Tene so chumit ter fater unde blaset ez ana, so uuirdit ez erchihit. So uuahta der alemahtigo fater sinen einbornin sun uone demo tode an deme triten tage. (Der altdeutsche Physiologus, S. 91) (Hier beginne ich eine Rede über die Tiere, was jedes von ihnen bezeichnet. Der Löwe bezeichnet unseren Herrn aufgrund seiner Stärke, und so wird er oft in der heiligen Schrift benannt. Denn so sprach Jakob, als er seinen Sohn Juda nannte. Er sagte  : »Juda, mein Sohn, ist ein Welpe des Löwen.« Der Löwe hat drei Eigenschaften an sich, die dir unseren Herrn bezeichnen. Eines ist dies  : Wenn er im Wald geht und er den Jäger wittert, so vertilgt er die Spur mit seinem Schwanz, damit sie ihn nicht finden. So handelte unser Herr, als er mit den Menschen in der Welt war, damit der Feind nicht erkannte, dass er Gottes Sohn war. Denn wenn der Löwe schläft, so wachen seine Augen. Damit, dass sie offen sind, bezeichnet er wiederum unseren

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Herrn, wie er selbst sagt im Buch Hohelied  : »Ich schlafe und mein Herz wacht.« Damit er im menschlichen Leib ruhe und in der Gottheit erwache. Wenn die Löwin gebiert, so ist das Löwenjunge tot, und sie beschützt es bis zum dritten Tag. Dann kommt der Vater und bläst es an, so wird es erquickt. So erweckte der allmächtige Vater seinen eingeborenen Sohn vom Tod am dritten Tag.)

Auf der wörtlichen Ebene kann festgehalten werden, dass der Löwe die Nähe der Menschen meidet  ; er verwischt seine Spur, damit ihn die Jäger nicht fangen. Auf der bildlichen Ebene steht der Löwe für Christus und somit über dem Menschen  ; die Parallelen bestehen darin, dass Christus seine Göttlichkeit mit einem menschlichen Leib verdeckte, dass die göttliche Natur weiterlebte, als der menschliche Leib starb, und dass Gottvater seinen Sohn am dritten Tag auferweckte. Es sind also die theologischen Vorstellungen der Inkarnation und der Auferstehung, die der Physiologus dem Löwen abliest. Ganz anders stellt sich das Einhorn dar  : So heizzit ein andir tier rinocerus, daz ist einhurno, un ist uile lucil un ist so gezal, daz imo niman geuolgen nemag, noh ez nemag ze neheinero uuis geuanen uuerdin. So sezzet min ein magitin dar tes tiris uard ist. So ez si gesihit, so lofet ez ziro. Ist siu denne uuarhafto magit, so sprinet ez in iro parm unde spilit mit iro. So chumit der iagere unde uait ez. Daz bezeichenet unserin trotin Christin, der dir lucil uuas durih di deumuti der menischun geburte. Daz eina horin daz bezeichenet einen got. Also demo einhurnin niman geuolgen nemag, so nemag ouh nehein man uernemin daz gerune unsiris trotinis, noh nemahta uone nehenigemo menislichemo ougin geseuin uuerdin, er er uon der magede libe mennesgen lihhamin finc, dar er unsih mite losta. (Der altdeutsche Physiologus, S. 92) (Ein anderes Tier heißt Rhinozeros, das ist ein Einhorn, und es ist sehr klein und so schnell, dass ihm niemand folgen kann, noch kann es auf irgendeine Weise gefangen werden. Setzt man aber eine Jungfrau dorthin, wo die Fährte des Tieres ist, so läuft es, wenn es sie sieht, zu ihr hin. Wenn sie eine wirkliche Jungfrau ist, so springt es in ihren Schoß und spielt mit ihr. Dann kommt der Jäger und fängt es ein. Das bezeichnet unseren Herrn Christus, der sich für dich klein machte durch die Demut der menschlichen Geburt. Das eine Horn bezeichnet den einen Gott. Wie niemand dem Einhorn zu folgen vermag, so vermag auch niemand das Flüstern unseres Herrn zu vernehmen, noch konnte er von irgendeinem menschlichen Auge gesehen werden, bevor er im Leib einer Jungfrau menschliche Gestalt annahm, womit er uns erlöste.)

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Das Einhorn wird zwar als Nashorn eingeführt, dann aber als Fabeltier erklärt. Für die Frage nach dem Verhältnis von Tier und Mensch ist das Einhorn besonders interessant, weil es wie ein possierliches Schoßtier präsentiert wird  : klein und verspielt, in intimer Nähe zum Menschen. Es vereint Wildheit und Zahmheit in sich, denn nur im Schoß einer Jungfrau wird es zutraulich, während es allen anderen Menschen uneinholbar entspringt. Die Phantasie des Einhorns verbindet sich also mit der durchaus realistischen Vorstellung eines Schoßhundes, eines Spielgefährten des Menschen. Die christliche Deutung hingegen nimmt der Geschichte ihren Reiz, wenn sie die Jungfrau mit Maria und das Einhorn mit Christus identifiziert, der nach christlicher Vorstellung im Schoß einer Jungfrau Mensch wurde. Ein wesentlich anderes Verhältnis von Mensch und Tier zeichnet sich in der Beschreibung der Viper ab, die in der Deutung erwartungsgemäß auf den Sündenfall im Paradies bezogen wird  : Ein sclahda naderon ist, heizzet uipera, fone dero zelet phisiologus, so siu suanger uuerdan scule, daz er sinen munt duoge in den iro  : so uerslindet siu daz semen unde uuird so ger, daz siu imo abebizet sine gimaht under sa tod liget. So danne div iungide giuuahssent in iro uuanbe, so durehbizzent sie si unde gant so vz. die naderun sint gagenmazzot dien Iudon, die sih iu beuuullan mit unsuberen uuerchan vnde durehahton iro fader Christum unde iro muoter die heiligun christanheid. Ouh gibudet uns got in einemo euangelio, daz uuir also fruota sin same die selben naterun. Dria slahta nateron sint. ein slahta ist, so siu aldet, so suinet iro daz gisune  : so uastad siu uerceg dago unde uierceg nahto, so loset sih alliu ire hut abo  ; so suohchet siu einen locherohten stein unde sliuffet dar dureh unde streifet die hud abo unde iunget sih so. Ein ander slahta ist, so siu uuile drinkan, so uzspiget siu zerest daz eiter. Den uurm sculen uuir biledon  : so uuir uuellen drinkan daz geistliche uuazzer, daz uns giscenket uuirt fone demo munde unserro euuarton, so sculen uuir uzspiuuen zaller erist alle die unsuberheit, da mite uuir beuuollen sin. Diu dritta slahta ist, so diu den man gesihet nakedan, so fluhet siu in, gesihet siu in aber giuuatoten, so springet si annen in. Alsamo unser fater Adam, unz er nakeder uuas in paradyso, do negimahta der diufal nieht uuider imo. (Der altdeutsche Physiologus, S. 94) (Es gibt eine Natternart, die heißt Viper, von der Physiologus Folgendes erzählt. Wenn sie schwanger werden soll, dann steckt er seinen Mund in den ihren. Dann verschlingt sie den Samen und wird so begierig, dass sie ihm sein Gemächt abbeißt und er tot daliegt. Wenn die Jungen in ihrem Bauch gewachsen sind, so beißen sie

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ihn durch und kommen so nach draußen. Die Nattern sind den Juden vergleichbar, die sich beflecken mit unsauberen Werken und ihren Vater Christus und ihre Mutter, die heilige Christenheit, durchhauen. Auch gebietet uns Gott in einem Evangelium, dass wir so klug seien wie die Nattern. Die Nattern haben drei Eigenschaften. Eine Eigenschaft ist, dass, wenn sie altert, so schwindet ihr die Sehkraft, dann fastet sie vierzig Tage und vierzig Nächte, dann löst sich ihre ganze Haut ab  ; dann sucht sie einen löchrigen Stein und schlüpft hindurch und streift die Haut ab und verjüngt sich so. Eine andere Eigenschaft ist, dass, wenn sie trinken will, zuerst das Gift ausspeit. Den Wurm sollen wir nachahmen  : Wenn wir das geistliche Wasser trinken wollen, das uns durch den Mund unseres Priesters eingeschenkt wird, so sollen wir zuerst alle Unsauberkeit ausspeien, mit der wir befleckt sind. Die dritte Eigenschaft ist, dass sie, wenn sie den Menschen nackt sieht, vor ihm flieht  ; wenn sie ihn aber bekleidet sieht, springt sie ihn an. So konnte der Teufel unserem Vater Adam, solange er nackt war im Paradies, nichts anhaben.)

Das Kapitel zu den Nattern vereint zwei im Griechischen Physiologus aufeinanderfolgende Kapitel  : dasjenige zur Natter und dasjenige zur Schlange. Die Natter wird zunächst als Bild einer sexuellen Perversion vorgestellt. Das Weibchen ist so gierig, dass es dem Männchen bei der Begattung das Gemächt abbeißt. Danach fällt es selbst der Gier der Jungen zum Opfer, die sich durch die mütterliche Bauchdecke nach außen fressen. Die Eigenschaften, die der Natter zugesprochen werden, sind Schreckbilder, in denen der Mensch seine Ängste spiegelt. Diesen Schrecken nimmt die Deutung auf, wenn sie vor Unreinheit warnt. Außerdem setzt die Deutung einen judenfeindlichen Akzent, wenn sie die Juden mit einer Schlangenbrut vergleicht, die Christus (der mit Gottvater wesenseins ist) und die Christen (die von der Gottesmutter vertreten werden) verderben will. Der zweite Teil des Kapitels, der ursprünglich den Schlangen gewidmet war, kennt auch positive Eigenschaften. Der Mensch soll klug sein wie die Schlange, und er soll sich reinigen, bevor er zur Kirche geht, wie sie sich ihres Giftes entledigt, bevor sie zur Quelle kriecht. Die merkwürdige Vorstellung, dass die Schlange nackte Menschen meide, wird in folgender Weise plausibel gemacht  : Die ersten Menschen seien im Paradies so lange ihrer Nacktheit nicht gewärtig – und somit vor dem Zugriff der Schlange geschützt – gewesen, wie sie noch im Stand der Gnade lebten  ; erst die Bedeckung mit Feigenblättern verweise auf ihre Lüsternheit, die sie für die Verführung der Schlange empfänglich mache. Die Schlange ist somit ein symbolischer Begleiter des Menschen, der dessen Begehrlichkeit personifiziert.

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Magisches  : Zauber- und Segenssprüche Die Altdeutsche Genesis fügt der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht nur Löwen, Einhörner und Schlangen, sondern auch Pferde und Rinder hinzu. Diese fehlen in der Physiologus-Tradition, sieht man vom Zentauren ab.5 Bezugspunkt scheint hier eher die Alltagswelt der frühmittelalterlichen Menschen zu sein, denen Pferde als Reittiere und Rinder als Milch- und Fleischvieh unentbehrlich waren. Die herausragende Bedeutung der Pferde kommt bereits in alt­hochdeutschen Zauber- und Segenssprüchen zur Geltung, die in Handschriften des 10. und frühen 11. Jahrhunderts überliefert sind. Den ältesten Beleg bietet der Zweite Merseburger Zauberspruch, der auf die Heilung eines kranken Pferdes zielt.6 Er verbindet auf gattungstypische Weise eine mythische Geschichte mit einer magischen Beschwörung. Der erzählende Teil handelt vom Ausritt der germanischen Götter Wodan und Balder, bei der sich ein Pferd den Fuß verrenkt. Vier Göttinnen bemühen sich um die Heilung des verletzten Tiers, doch erst der mächtige Wodan vermag das Pferd wiederherzustellen. Aus der Analogie zur mythischen Szene bezieht die abschließende Beschwörungsformel ihre Wirkmacht, kranke oder verletzte Pferde zu heilen  : Phol ende Uuodan du uuart demo Balderes uolon thu biguol en Sinhtgunt, thu biguol en Friia, thu biguol en Uuodan sose benrenki, ben zi bena, lid zi geliden,

uuorun zi holza. sîn uuoz birenkit. Sunna era suister  ; Uolla era suister  ; sô he uuola conda. sose bluotrenki, sose lidirenki  : bluot zi bluoda, sose gelimida sin.

(Phol und Wodan fuhren in den Wald. Da wurde dem Fohlen des Balder sein Fuß verrenkt. Da beschwor ihn Sinthgunt und Sunna, ihre Schwester, da beschwor ihn Freia und Volla, ihre Schwester, da beschwor ihn Wodan, so gut er konnte. Wie Knochenverrenkung, so Blutverrenkung, so Gliederverrenkung  ; Knochen zu Knochen, Blut zu Blut, Glied zu Glied, auf dass sie zusammengefügt seien.) (Althochdeutsche Literatur, S. 270 f.; Text und Übersetzung nach Stephan Müller )

Der Zauberspruch stellt eine Parallele zwischen Göttern und Menschen her. Wie die Götter ihre Pferde heilen, sollen sie auch den kranken Reittieren der Men-

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schen Gesundheit schenken. Pferde gelten offenbar als besonders edle Tiere, sonst würde den Göttern nicht unterstellt, dass auch sie auf Pferden ritten. Deren außerordentlicher Wert wird zudem durch die Bemühungen von gleich fünf Gottheiten um das eine Reittier illustriert. Der Zauberspruch erzielt den magischen Effekt nicht zuletzt durch den Gleichklang der Bezeichnungen für das junge Pferd (Fohlen, ahd. uolon) und seinen Besitzer (Phol).7 So wird das enge Begleitungsverhältnis, das zwischen Tier und Gott besteht, auch sprachlich betont. Ein weiterer Spruch, der Trierer Pferdesegen, liest sich wie eine christliche Dublette des Zweiten Merseburger Zauberspruchs.8 Er ist nicht in Versen, sondern als Prosatext verfasst. Wieder geht es um die Heilung eines fußlahmen Pferdes, wieder wird aus einer mythischen Szene eine Beschwörungsformel abgeleitet. Das Pferd, von dem die legendenhafte Geschichte erzählt, gehört dem heiligen Stephan, der im Mittelalter als Schutzpatron der Pferde verehrt wurde  : Incantacio contra eqvorum egritvdinem qvam nos dicimus spvrihalz  : Quam Krist endi sancte Stephan zi ther burg zi Saloniun  : thar uuarth sancte Stephanes hros entphangan. Soso Krist gibuozta themo sancte Stephanes hrosse thaz entphangana, so gibuozi ihc it mid Kristes fullesti thessemo hrosse. Pater noster. Uuala Krist thû geuuertho gibuozian thuruch thîna gnâtha thessemo hrosse thaz antphagana atha thaz spurialza, sôse thû themo sancte Stephanes hrosse gibuoztos zi thero burg Saloniun. Amen. (Beschwörung gegen eine Pferdekrankheit, die wir als ›fußlahm‹ bezeichnen. Christus und der heilige Stephan kamen in die Stadt Jerusalem  : Da wurde das Pferd des heiligen Stephan befallen. Wie Christus des heiligen Stephan Pferd heilte, das befallen war, so heile ich mit der Hilfe Christi dieses Pferd. Vater unser. Wohl Christus, lasse dich durch deine Gnade herab, dieses Pferd zu heilen, das befallen wurde, oder das fußlahm ist, so wie du das Pferd des heiligen Stephan heiltest in der Stadt Jerusalem. Amen.) (Althochdeutsche Literatur, S. 272 f.; Text und Übersetzung nach Stephan Müller)

An Wodans Stelle tritt Christus, an Balders Stelle der heilige Stephan, und aus dem Ausritt in den Wald wird die Ankunft in Jerusalem. Ansonsten beschränken sich die Differenzen auf die komplexere Form, die dem Segensspruch ein liturgisches Gepräge verleiht. Wieder heiligt göttliches Wirken die Gemeinschaft von Reiter und Pferd. Auch der Trierer Hundesegen präsentiert sich als magischer Spruch in christlichem Gewand.9 Als Heilsbringer treten erneut Christus und ein Heiliger auf,

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diesmal der heilige Martin. Der Spruch soll die Hunde vor der Bedrohung durch Wölfe schützen  : Christ uuart gaboren. êr uuolf ode deiob. do uuas sancte marti christas hirti. der heiligo christ unta sancte marti, der gauuerdo uualten hiuta dero hunto. dero zohono. daz in uuolf. noh uualpa za scedin uuerdan nemegi. se uuara se geloufan uualdes. ode uueges. ode heido. der heiligo christ unta sancte marti de frumma mir sa hiuto hera heim gesunta. (Christus wurde geboren, eher als Wolf oder Dieb. Da war der heilige Martin Hirte Christi. Der heilige Christ und der heilige Martin, der ehrwürdige, sie sorgen heute für die Hunde und Hündinnen, damit ihnen weder Wolf noch Wölfin zum Schaden sein können, wo immer sie auch laufen, im Wald oder auf dem Weg oder der Heide. Der heilige Christ und der heilige Martin, die mögen bewirken, dass wir heute alle hier gesund heimkommen.) (Althochdeutsche Literatur, S. 272 f.; Text und Übersetzung nach Stephan Müller)

Eine eigentliche Geschichte bietet der Segensspruch nicht. Die Begründung für die Anrufung Christi und des Heiligen als Beschützer der Hunde ist bizarr. Christus, so heißt es, sei vor den Wölfen oder Dieben geboren worden. Diese Begründung impliziert, dass Wölfe ein räuberisches Wesen hätten und daher Dieben vergleichbar seien. Da Christus vor den Wölfen geboren wurde, scheint er ihnen überlegen zu sein. Im Hintergrund dürfte die Lehre von der Präexistenz des Gottessohns stehen, also die Vorstellung, dass Christus von Anfang an bei Gott und somit an der Schöpfung beteiligt war, auch wenn seine Menschwerdung erst viel später erfolgte (als es Wölfe durchaus schon gab). Wenn der heilige Martin als Hirte Christi angesprochen wird, so dürfte zum einen sein Bischofsamt gemeint sein, andererseits wird die Vorstellung eines Hirten evoziert, der mithilfe von Hunden Schafe bewacht. Es scheint, dass der Segensspruch auf Hirtenhunde bezogen ist und somit dem Schutz nicht nur der Hunde, sondern indirekt auch einer Viehherde dienen soll. Für die Frage nach Tierbegleitern ist der Spruch insofern interessant, als er eine parallele Opposition zwischen Hunden und Wölfen sowie Hirten und Dieben aufbaut. Hunde sind Begleiter des Menschen, insofern sie dienende Aufgaben übernehmen  ; Wölfe – die wilden Vorfahren der Hunde – sind Begleiter des Menschen, insofern sie ihn, seine Hunde und sein Vieh bedrohen. Zugleich wird impliziert, dass Hunde und Hirten einerseits und Wölfe und Diebe andererseits

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zusammengehören, dass also Tiere symbolisch auf menschliche Charaktere bezogen werden können.

2 Tiere als Begleiter des Menschen

Wenn Tiere als Begleiter des Menschen in Erscheinung treten, werden außer der Gemeinschaft auch Gemeinsamkeiten zugrunde gelegt, die einen Austausch erst ermöglichen. Damit stellen sich Fragen nach Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen. Elementar für die gedachte Differenz von Mensch und Tier sind Kriterien, die der Gegenüberstellung von ordnungsstiftender, hierarchisch strukturierter Kultur und wild wuchernder Natur entspringen. Durch seine sprachlichen, politischen oder technischen Fähigkeiten, seine Erkenntnis- und Verständnismöglichkeiten wird der Mensch seit der Antike vom Tier unterschieden.10 Die biblische Schöpfungsgeschichte setzt Grenzen, indem sie die Herrschaft des Menschen über die Tiere vorgibt, wobei der Mensch zugleich Namens- und Zeichengeber, das Tier aber stummer Empfänger der ordnenden Akte ist. Angelegt ist darin, dass ein substantieller Teil der Tierwelt gebändigt und dienstbar zu Helfern des Menschen werden muss. Doch selbst die gefährlichsten Geschöpfe der Wildnis unterliegen menschlicher Deutungshoheit, die sie klassifiziert und  – wie unter anderem die Physio­logus-Tradition zeigt – zu Trägern bedeutsamer Lehrinhalte macht. Der Mensch prägt dem Tier seine Ordnung auf. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, einen rigiden Unterscheidungsmechanismus anzunehmen, der auch der Bedeutung von Tierbegleitern enge Grenzen setzen müsste. Gegen diese Vermutung steht jedoch eine weit gefächerte Fülle mittelalterlicher Überlieferungen, die solchen Beschränkungen gerade nicht unterliegen. Tiere können unvermutet im Innersten menschlicher Identität auftauchen oder die äußere Gestalt des Menschen verwandeln. Sie sind Träger von Herrschaftssymboliken, Gegenstand theologischer Auslegung und Magie, aber auch Vermittler von Wundern und Initiatoren überraschender Wendungen, wo menschliche Ordnungen versagen. Literarische Texte können Tiere im emphatischen Sinne als Begleiter zeigen, als Freunde, Partner, Gefährten, deren Mut und Treue menschlichen Stärken gleichkommen oder sie gar übertreffen. Je intensiver und vollständiger sich menschliche Identität im Zeichenfeld des Animalischen spiegelt, desto weniger ist auch vorab ausgemacht, wo die jeweils entscheidende Grenze verläuft. Vielmehr hat die Textproduktion Anteil an einer Vielzahl gesellschaftlicher Diskurse, die an solchen Grenzverläufen

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mitarbeiten und sie in unterschiedlichen Zusammenhängen neu bestimmen – oder fallweise aufheben. Eine fundamentale Asymmetrie bleibt dabei erhalten, denn Tiere sind Fremde ohne eigene Stimme, die in ein dichtes Netz kultureller Bedeutungen eingesponnen und insbesondere dafür in Anspruch genommen werden, jedweder Anthropologie Horizont und Fundament zu liefern. Von der Tierwelt heben sich menschliche Zivilisationsleistungen ab  ; als Repräsentanten von Grenzverläufen zwischen Natur und Kultur sind Tiere unentbehrlich für die Bestimmung des Menschlichen. Wie beweglich oder durchlässig sich die Mensch-Tier-Differenz im mittelalterlichen Weltbild gestaltet, kann hier nur schlaglichtartig beleuchtet werden. Weltkarten und Enzyklopädien entfalten ein breites Spektrum des Lebendigen, das neben Menschen und Tieren auch Mischwesen enthält. Dazu gehören einige Spezies der sogenannten ›Wundervölker‹, die meist im fernen Osten, hinter Indien angesiedelt werden  : darunter Hundsköpfige (Kynokephaloi) oder Kranichmenschen.11 Auch die biblische Hierarchie Gott – Mensch – Tier ist bei näherem Hinsehen nicht unumstößlich festgefügt. Schon im Alten Testament nimmt Bileams Eselin den Engel wahr, den ihr Herr nicht sehen kann, und beginnt unter Gottes Einwirken zu sprechen (Numeri 22,22–31). Jesaja erscheinen in einer Vision sechsflügelige Seraphim bei Gottes Thron, deren Erscheinungsbild menschliche Gesichtszüge sowie Hände und Füße mit Vogelschwingen verbindet (Jesaja 6,2 und 6,6) und damit gerade keine Aussage darüber zulässt, ob das Menschliche oder das Animalische dem Göttlichen nähersteht. In der Erscheinungsflut der Johannes-Offenbarung sind Tiere (wie der Adler als Gottesbote12) und Mischwesen derart prominent, dass sich die apokalyptische Tiersymbolik in der christlichen Bild- und Textüberlieferung verselbständigt hat. Markanteste Beispiele sind die Evangelistensymbole Stier, Adler und Löwe sowie die Repräsentation Jesu als Lamm Gottes (Offenbarung 4,6–8 und 5,6–10), das in der katholischen Liturgie eine Zentralstellung einnimmt. Eine Teilhabe der Tiere am transzendenten Heil wird darüber hinaus in zahlreichen christlichen Legenden greifbar, wenn die Tierbegleiter und -helfer von Heiligen selbständig auf deren Charisma reagieren oder unmittelbar göttlichem Gebot folgen und dabei ihre animalische Natur überwinden. Noch weiter geht die früheste Überlieferung um den heiligen Christophorus, der selbst als Hundsköpfiger eingeführt wird.13 Die Möglichkeit menschlicher Verwandlung in ein Tier wird von Autoritäten wie dem Kirchenvater Augustinus zwar energisch bestritten, doch mythologische und literarische Überlieferungen des Mittelalters bieten eine Fülle solcher Tiertransformationen. In der altirischen wie der walisischen Literatur

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nehmen göttliche und andersweltliche Wesen mit Leichtigkeit die Gestalt von Tieren an oder vollziehen solche Verwandlungen an Menschen. Die altisländische Lieder-Edda kennt eine ganze Reihe derartiger Metamorphosen.14 Ebenfalls im skandinavischen Raum ist die Vorstellung des ›Berserkers‹ oder allgemeiner des Tierkriegers geläufig, der als Wolf oder Bär am Schlachtgeschehen teilnimmt. Besondere Verbreitung genießen in ganz Europa Geschichten über Werwölfe, doch höfische Romane und Erzählungen berichten auch von magischer Banngewalt, die Ritter und Damen in Jagdvögel, Tauben, Drachen oder Hirschkühe verwandeln kann.15 Gestaltwandlerisch zeigt sich in der altskandinavischen Überlieferung zudem die fylgja, ein weiblicher Folgegeist, der in Verbindung mit dem persönlichen Schicksal steht und sowohl menschliches als auch tierisches Erscheinungsbild annimmt.16 Grenzüberschreitungen dieser Art lassen sich jedoch nicht allein auf vor- und außerchristliche Überlieferungen zurückführen. Weit grundsätzlicher sind solche Denkmuster einem magischen Weltverständnis verhaftet, demzufolge alle Elemente des lebendigen Kosmos miteinander in Verbindung stehen und aufeinander einwirken können. Dass auch die christliche Religion für magisches Denken und entsprechende Praktiken empfänglich ist, belegen schon die zahlreichen christlichen Zaubersprüche, von denen wiederum viele Heilung, Gesundheit und Schutz für die Tiere bewirken sollen. Vor diesem Horizont erweisen sich die Tierbegleiter als eigenmächtiger und wandlungsfähiger, als es die systematisch niedergelegten theologischen oder naturkundlichen Ordnungen glauben machen könnten. Welchen Konzeptionen die literarisch gestalteten Begleitungsverhältnisse jeweils folgen, wird durch eine Reihe von Faktoren bestimmt. Grundsätzlich sind tatsächliche Mensch-Tier-Beziehungen von symbolisch vermittelten zu unterscheiden  : Letztere verwenden animalische Zeichenpotentiale zur Schilderung menschlicher Verhältnisse. Doch auch wenn auf Darstellungsebene von tatsächlichen Tierbegleitern die Rede ist, bilden menschliche Standards zumeist den finalen Bezugspunkt. In einem gedachten Koordinatensystem literarischer Mensch-Tier-Beziehungen müsste daher eine Achse den Grad der Verähnlichung, also die zunehmende Anthropomorphisierung des Tiers, erfassen. Der animalische Begleiter erlernt oder beherrscht – wie König Oswalds Rabe – die menschliche Sprache, er verhält sich gemäß menschlichen Maßstäben wie der Löwe des heiligen Hieronymus, der sich für die Behandlung einer Wunde dankbar zeigt, statt in seinem Gegenüber etwa die Beute zu sehen. Ritterlich treue und kühne Tiere wie das Pferd Bayard in der Geschichte von den Haymonskindern oder der Windhund in der Königin Sibille fechten gemeinsam mit ihren Herren oder an deren Stelle schwere Kämpfe im Krieg oder vor

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Gericht aus. Nicht ›realistische‹ Naturbeobachtung gibt den Rahmen für das verständige, heroische oder aufopferungsvolle Verhalten der Begleittiere ab, sondern das literarische Genre und die Konzeption eines exklusiven Umfelds. Höfische oder heldenepische Texte exponieren die Tierbegleiter hochadliger Protagonisten durch adelsgleiche Wesensmerkmale, die sich bis ins Wunderbar-Übermenschliche steigern lassen. In christlichen Legenden folgt die Abweichung vom ›natürlichen‹ Tierverhalten bis hin zur völligen Umkehrung dagegen auf die Präsenz des Heils und der Heiligen und spiegelt die religiöse Orientierung an Tugenden wie Duldsamkeit, Demut und Friedlichkeit. Eine zweite Achse im Koordinatensystem müsste Symmetrien und Asymmetrien der Mensch-Tier-Beziehungen ins Auge fassen. Sieht sich der adlige Ritter als Herr und stolzer Besitzer von Pferden, Hunden oder Jagdvögeln, so ist auch in der literarischen Stilisierung mit einem hierarchischen Verhältnis zu rechnen, das den Tieren auf der untersten Stufe der Rangordnung die Funktion dienstbarer Helfer zuweist. Zwar trifft das durchaus zu, doch haben auch die literarischen Tierbegleiter Anteil an einem Herrschaftsverständnis, das wechselseitige Abhängigkeiten und Anerkennung betont. So können Pferde oder Hunde in die Position geschätzter Gefolgsleute einrücken und ihre Dienste dann nicht erzwungenermaßen, sondern ebenso freiwillig wie diese leisten. Werden politische Bündnisse in der feudaladligen Kultur nicht versachlicht, sondern als höchstpersönliche, emotional fundierte Bindungen aufgefasst, so gilt dasselbe Prinzip für die literarischen Mensch-Tier-Verhältnisse. Um den Verlust seines treuen Pferdes Gringuljete klagt im Parzival der Ritter Gawan daher ebenso heftig wie andernorts Herrscher um ihre Gefolgsleute oder Vasallen. Als Bote kann der Rabe im Textuniversum des Wiener Oswald die sonst menschlich besetzte Funktion eines Brautwerbungshelfers seines Herrn gewinnbringend übernehmen. Eine merklich andere Stellung haben dagegen solche Haus- oder Nutztiere, denen – wie der Katze – keine Beteiligung an Herrschaftshandeln und -prestige zugedacht wird. Eine Kombination aus lebensweltlicher Praxis, Genrekonventionen und kulturell etablierter Symbolik bedingt es also, dass spezifischen Tierbegleitern nicht allein dienende und helfende Funktion in einem strikt hierarchischen Gefüge zukommt. Sie können unter besonderen Umständen auch die Rolle von Freunden und Verwandten übernehmen, womit sich ein (fast) symmetrisches, auf Wechselseitigkeit gegründetes Verhältnis zwischen Mensch und Tier herstellt. Ein besonders prägnantes Beispiel dafür bildet die Erzählung von Anshelm und seinem Hund Swam in Partonopier und Meliur, einem höfischen Roman Konrads von Würzburg. Knappe und Hund finden in einer Notlage

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zueinander, denn Anshelm befindet sich auf der Suche nach seinem verlorenen Herrn Partonopier  ; der schöne weiße Jagdhund entkommt als einziger Überlebender einem Schiffbruch und wird von Anshelm gerettet. Beider Gemeinschaft beruht auf vollständiger Wechselseitigkeit, wie sie im Idealfall auch unter menschlichen Freunden besteht. Insbesondere dann – darauf weist dieses Beispiel hin –, wenn gesellschaftliche Bindungen gestört oder mit Defiziten behaftet sind oder adlige Protagonisten unverschuldet in Not geraten, können ausgezeichnete Tierbegleiter an die Stelle menschlicher Gefährten treten. Sie gleichen damit nicht nur einen sozialen Mangel aus, sondern bringen auch erwünschte Qualitäten  – insbesondere uneingeschränkte Treue  – gleichsam in Naturform zur Anschauung. So eindringlich sich darin eine Wertschätzung der Tiere artikuliert, so deutlich werden die Beziehungen zum Tier von der Anthropologie her gedacht, denn sie orientieren sich konzeptionell an den gängigen Standards menschlicher Beziehungstypen mitsamt den kulturell geprägten Formen der Emotionalität. Anders liegt der Fall, wenn sich animalische Begleiter wie die tiergestaltige fylgja als Ergänzung oder Weiterung menschlicher Identität darstellen. Zumeist in mythologischen Zusammenhängen können Tiergefährten als das Andere des Selbst in Erscheinung treten, als Begleiter oder Erscheinungsformen übermenschlicher Wesen repräsentieren sie zudem eine fremde Sphäre eigenen Rechts.17 Diese Eigen-Macht des Tiers, das in selbständigen Bezügen zur ›übernatürlichen‹ Welt und zum Göttlichen steht, hat unverkennbar Anteil an der mittelalterlichen Tiersymbolik. Gemäß christlicher Auffassung stellt sich die gesamte Natur als Schrift dar, die es zu entziffern gilt. Sinn und Ordnung der göttlichen Schöpfung sind in deren mannigfaltigen Erscheinungsformen wie in einem Buch niedergelegt. Auf dieser Grundlage kann der Physiologus animalische Eigenschaften und Verhaltensweisen unmittelbar auf Gott bzw. Christus (oder den Teufel) beziehen. Die Tierwelt offenbart in allegorischer Lektüre auch geheimen göttlichen Sinn. Eine eher animistische, außerchristliche Weltsicht verleiht Tieren daneben ein übermenschliches Machtpotential, auf das man identifikatorisch zuzugreifen sucht. Über ganz Europa verbreiten sich seit der Spätantike von Tieren abgeleitete Personennamen, wobei die Vorliebe für Wolfs-, Eber- und Bärennamen einen deutlichen Akzent auf kriegerische Wildheit und Grausamkeit legt. Dass die Aneignung der bewunderten Tierattribute die bloß symbolische Ebene überschreitet, macht der Schmuck von Helmen und Rüstungsbestandteilen deutlich. Eingearbeitet sind neben stilisierten Tiergestalten und -darstellungen auch Bestandteile aus Horn und Knochen oder – wie beim

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Kammhelm von Benty Grange (7.  Jahrhundert)  – die Borsten eines Keilers. Der frühmittelalterliche Krieger, der außer dem Namen und dem Bildzeichen des Tiers auch dessen Haut und Haar in die Schlacht trägt, überschreitet seinerseits eine Grenze und zeigt sich in zoomorpher Gestalt. In gemäßigter Form setzt sich diese Angleichung an die Tierwelt mit den Wappenbildern des hohen und späten Mittelalters fort. Bilderhandschriften zeigen beispielsweise höfische Ritter, die ihr Wappentier nicht nur auf dem Schild, sondern auch auf Helmen, Fahnen und Pferdedecken zur Schau stellen. Die Repräsentation geschätzter Adelsqualitäten – wie Stärke, Mut, Treue, Freigebigkeit – durch heraldische Tiere verselbständigt sich mit der Zeit zum politischen Symbolcode, der in der Literatur anspielungsreich zum Einsatz kommt. Einer poetisch verfestigten Symbolik entspricht es auch, dass ein standesgemäßer Tierbegleiter wie der abgerichtete Jagdfalke beispielsweise im Minnesang als literarischer Stellvertreter des Ritters in Erscheinung tritt. Mit großer Regelmäßigkeit figurieren Traumbeschreibungen in Epen und Romanen ihr adliges Personal zudem in Tiergestalt. Kriemhild träumt im Nibelungenlied von Siegfried als Falken, von Gunther und Hagen als wilden Ebern. Im Parzival kann der Drache, der im Traum Herzeloydes Leib zerreißt, sowohl für ihren Mann Gahmuret als auch für ihren noch ungeborenen Sohn Parzival stehen. Ein Traum Karls des Großen im Rolandslied zeigt den Verräter Genelun als gefährlichen Bären. Solche Traumschilderungen beziehen sich einerseits auf eine schon konventionalisierte Tiersymbolik, modifizieren die Bedeutung der Traumtiere jedoch im Situationskontext. So erhalten die Protagonisten und ihre jeweiligen Konflikte eine animalische Signatur, die die erzählte Handlung kommentierend ergänzt. Auch als Zeichenspender und Zeichenmaterial begleiten Tiere die mittelalterliche Kulturproduktion also in einer erstaunlichen, hoch differenzierten Fülle. Selten sind die Symbolbezüge eindimensional und widerspruchsfrei. Bestiarien wie auch manche Tierfabeln ergänzen die Beschreibung tierischer Verhaltensweisen durch allegorische Auslegungen, die jedoch unterschiedlich, sogar gegensätzlich ausfallen können, je nachdem, welche animalische Eigenschaft oder Verhaltensform ihren Ausgangspunkt bildet. Naturkundliche Überlieferungen, die ihrerseits Beobachtungswissen und Fabulöses enthalten, liefern nicht nur das Material für moralisch-theologische Belehrung und anthropologische Reflexion, sie vermitteln auch praktisches Orientierungswissen, beispielsweise mit Bezug auf Jagd und Ernährung.18 Darüber hinaus faszinieren sie mit erstaunlichen und denkwürdigen Tieranekdoten, die in illustrierten Handschriften auch ins Bild gesetzt werden und ihrerseits dazu angetan

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sind, Erzählprozesse anzuregen. So zeigt eine Illustration im Rochester-Bestiar (13. Jahrhundert) eine seit der Antike überlieferte List des Fuchses, der sich totstellt, um Vögel anzulocken und sie anschließend zu fangen und zu verspeisen. Diese und andere Listen finden sich ebenso in verschiedenen Versionen der mittelalterlichen Reineke Fuchs-Dichtung, in der der Fuchs und die übrigen Tiere in einer adelsanalogen Gesellschaftsordnung leben und menschliche Verhaltensmuster  – nicht selten in parodistischer Verschärfung  – der Kritik preisgeben. Dennoch handelt es sich bei Tierdichtungen dieser Art nicht um bloße Maskeraden, die das Tier auf einen entseelten Zeichenkörper reduzieren. Um Gestalten wie den listenreichen, unzuverlässigen Reineke dehnt sich vielmehr ein komplexes Gewebe, das Elemente von Menschen- und Tierkunde mal kunstvoll, mal eher abenteuerlich miteinander verschlingt. Insgesamt eröffnet die Frage nach Tierbegleitern ein weites Spektrum an Möglichkeiten, Mensch-Tier-Verhältnisse zu denken  : von Identifikationspotentialen bis hin zu rigider Grenzziehung, von weitreichender Anverwandlung bis zu metaphorischer Bändigung. Dazu gehören auch lang anhaltende Anta­ gonismen und Rivalitäten sowie Austauschprozesse mit dem Fremden und Wilden, die sich stets in der Ambivalenz von Annäherung und Distanzierung vollziehen. Vor diesem Hintergrund konzentriert sich der vorliegende Band auf literarische und visuelle Inszenierungen, die Tiere als Führer, Helfer und Beschützer sowie als symbolische Gefährten des Menschen hervortreten lassen. Ohne das Spektrum auch nur ansatzweise ausschöpfen zu können, richtet unsere Auswahl das Augenmerk auf jene Tierarten, die als Nutz-, Haus- und Jagdtiere oder auch als Konkurrenten besonders präsent sind und neben der mittelalterlichen Lebenswelt Kunst und Literatur bereichern.

Das Pferd Bucephalus Lieselotte E. Saurma-Jeltsch

Bucephalus als ›Alter Ego‹ Alexanders des Großen

Einleitung

Wunderpferde mit mythischer Kraft, Ausdauer und absoluter Loyalität gehörten  – jedenfalls bis Automarken wie Jaguar, Mustang oder Dodge Viper zu Statussymbolen wurden  – zu mächtigen und berühmten Männern. Welch heroische Bilder gab der in Realität eher bescheidene Reiter Napoleon mit seinen legendären arabischen Schimmeln Marengo und Vizir ab  !1 Saladin verschmilzt in Bildern wie Texten mit seiner fabulösen Zuchtstute zu einem einzigen Heroenkörper. Attila und Dschinghis Khan werden als Reiterherrscher sogar mit Pferden gleichgesetzt.2 Die Bezähmung eines Pferdes, vor allem wenn es – wie in Jacques Louis Davids Versionen der Alpenüberquerung Napoleons  – steigt, ist die seit der Antike vertraute Formel für den sieg- und ruhmreichen Herrscher.3 Mit kulturell jeweils anderen Konnotationen spiegelt der Akt der Unterwerfung eines mächtigen Pferdes die Macht seines Reiters. Eine symbiotische Beziehung zwischen Ross und Reiter ist für Kulturen, die sich über das Reiten definieren, wozu auch die mittelalterliche Rittergesellschaft gehört, unabdingbar.4 Alexanders Verbindung zu seinem Lieblingspferd Bucephalus geht tiefer. Sie kann als Schicksalsgemeinschaft oder auch als eine zweier gleichartiger Wesenheiten verstanden werden. In den seit der Antike diversen Überlieferungszweigen der Alexandergeschichte wird diese Beziehung jeweils neu interpretiert, wahrt aber, wenngleich in unterschiedlicher Deutlichkeit, nahezu durchweg Züge des Unerklärlichen, Wundersamen, manchmal paradox Erscheinenden. Im Folgenden soll versucht werden, das Besondere dieser Gemeinschaft mit dem etwas aus der Mode geratenen Konzept des ›Alter Ego‹ besser zu verstehen.

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Umgangssprachlich verwenden wir den Begriff ›Alter Ego‹ unbekümmert für jegliche Formen von Identifikationsfiguren, etwa im Sinne des ›Anderen Ich‹ oder ›Anderen Selbst‹5. Als ein System der Welterklärung galt der ›Alter Ego‹-Komplex in der Ethnologie der 50er und 60er Jahre.6 Die entsprechenden Berichte aus unterschiedlichen Regionen gehen weit über vertraute Vorgänge wie psychische Übertragungen, Verschmelzungsprozesse oder telepathische Erfahrungen hinaus. Man kann von Schicksalsgemeinschaften sprechen, die nicht nur zwischen Menschen, sondern auch mit Tieren, Objekten und durchaus auch mit außerweltlichen Wesenheiten wie etwa Geistern bestehen.7 Erst in jüngster Zeit sind solch umfassende Systeme, die eng mit dem umstrittenen Phänomen des Totemismus8 verbunden waren, durch die Arbeiten von ­Philippe Descola wieder aufgegriffen worden.9 Descolas Anliegen, die dem okzidentalen Denken inhärente Trennung von Natur und Kultur infrage zu stellen, ist für unseren Zusammenhang besonders wichtig. Sind doch in der Beziehung zwischen Alexander und Bucephalus genau diese Grenzen aufgebrochen oder im Gegenteil durch Umdeutung gefestigt. Insbesondere in der mittelalterlichen Kultur, in der die Ich-Erfahrung hinter die Vorstellung, einer »Kette des Seins«10 anzugehören, zurücksteht und Standes- sowie Familienzugehörigkeit die Identitäten bestimmen, kann das Ego nicht so scharf umrissen sein, wie wir es verstehen. Konsequenterweise ist ›das Andere‹ ebenso wenig klar definiert.11 Es geht um einen Prozess des Abwägens und Aushandelns, der sich immer wieder neu gestaltet und darum, Ähnlichkeiten und Diskontinuitäten12 jeweils neu zu definieren. Der gesamte Alexander-Stoff kann in den mittelalterlichen Versionen im Sinne eines solchen Aushandelns zwischen Natur und Kultur, Gesellschaften, Freundschaften, Mensch- und Objektwelt etc. gelesen werden, um die jeweils für das betreffende Publikum in dem entsprechenden Zeitraum eigene Identität zu definieren.13 Dieser Prozess des Aushandelns von Grenzen, Gemeinsamkeiten und Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier schafft in der Beziehung von Alexander und Bucephalus eine Art neue ›Wesenseinheit‹ mit jeweils sich wandelnden Wesenheiten. Das ›Alter Ego‹-Konzept der Anthropologie umfasst mehrere Module, die in unterschiedlicher Zusammensetzung auch für die Gemeinschaft von Alexan­ der und Bucephalus zutreffen. Schicksalhaft verbunden sind sie nicht nur in gleichartigem Erleben, sondern durch eine Vorbestimmtheit und gegenseitige Bedingtheit ihrer Lebensläufe  : Geburt und Tod beider Einheiten gestalten sich symmetrisch. Die Verbindung zwischen den beiden Akteuren ist eine der Wesenheit  : Sie sind entweder einander grundsätzlich ähnlich oder ergänzen sich. Es handelt sich um eine Simultanexistenz,14 die weit über das h ­ inausgeht, was

Das Pferd Bucephalus 

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sich mit einer intensiven Tierliebe erklären ließe. Im Falle Alexanders nehmen die übereinstimmenden Elemente zwischen ihm und Bucephalus in den unterschiedlichen Überlieferungssträngen jeweils andere Codierungen an.15 Keineswegs im Gleichschritt hierzu allerdings verhalten sich die Bilder, die, einer nahezu kanonischen Ikonographie folgend, nur ausnahmsweise auf die jeweiligen Umdeutungen der Texte reagieren.

Alexander und Bucephalus als hybride Geschöpfe

Dass Menschen mit ihren tierischen Gefährten manchmal bis zur physiogno­ mischen Angleichung verbunden sind, gehört zu unseren alltäglichen Erfahrungen. Das auf Empathie beruhende Erkennen und Kommunizieren zwischen Mensch und Tier kann sich in solchen Fällen bis zum scheinbaren Einswerden entwickeln.16 Alexander und Bucephalus jedoch sind von Anbeginn an füreinander prädestinierte, verwandt strukturierte Körper. Beide sind gleichsam aus mehreren Wesen montierte Gestalten. Alexander wurde schon in der Antike als eine Art mythisches Misch­wesen mit ungeklärter Abstammung als gottähnlich verehrt.17 Mit Widderhörnern wurde er auf Münzen dargestellt, hatte er selbst sich doch als Sohn des ägyptischen Widdergottes Ammon bezeichnet.18 Seine immer wieder geschilderten leoninischen Anteile, seine Schlangen- oder Löwenzähne, seine unterschiedlich farbigen Augen – mit Adler und Drachen gleichgesetzt – und seine Körperbehaarung, die zu Vergleichen mit einem Seehund, einem Fisch oder einem Löwen führte, schaffen in allen Fassungen das Bild eines wundersamen, außerordentlichen Menschen, in dem animalische Natur inkorporiert ist.19 Folglich kann er  – und dies betonen die mittelalterlichen Fassungen20  – weder Vater noch Mutter gleichen, liegt doch seine Einzigartigkeit gerade in einer Mittler­ existenz zwischen Mensch und Tier, deren Anteile sich in ihm in manchmal paradoxer, manchmal wunderbar-phantastischer Weise vereinen oder miteinander konkurrieren. In den variierenden mittelalterlichen literarischen Darstellungen Alexanders kommen Diskurse sehr diverser Ordnungssysteme zum Ausdruck.21 Die Bilder gehen einen von diesen Beschreibungen unabhängigen Weg. Prominent tritt Alexander erst in der Begegnung mit seinem ›Alter Ego‹ Bucephalus auf. Von dem seit der Antike überlieferten, erstaunlich kanonischen Programm zur Ikonographie Alexanders22 weichen einzig die Illustratio­ nen zu jener Version der Alexandergeschichte ab, die in der Mitte des 15. Jahr-

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Abb.  1  : Alexander.

hunderts Johannes Hartlieb verfasste. Voller Prätention setzt die Darmstädter Handschrift mit einem Bildnis Alexanders ein (Abb. 1), das mit Ausnahme des Bämler-Drucks von 1473,23 der sich auf die Darmstädter Handschrift bezieht, als Einzige den Besonderheiten von Alexanders Physiognomie Rechnung trägt. Hartlieb beschreibt sein furchterregendes Antlitz  : sein har auf seinem hawbtt was ain dicker schopf, rechtt als aines leben [Löwen]. Seinew augen waren gar vngleich, wann daz ain was gancz schwarcz vnd daz ander was gancz weyss vnd stuendt vbersich hoch vmb drey vinger. Sein czenndt waren gar scharpff als aines eberschweins vnd sein angesichtt was grawsamleich als aines leben [Löwen]. (Pawis 1991, S. 110, Z. 464–468)

Die 1461 wahrscheinlich im Auftrag der Augsburger Familie Welser24 geschriebene und in Augsburg illustrierte Handschrift schafft mit dem Eingangsbild eine übercodierte Ikone. Die Alterität des Makedonen wird ins Bild gesetzt, indem das genau mit diesen Vorstellungen verbundene ikonographische Modell gewählt wird, das Pisanello in seiner Medaille des Palaiologen Johannes VIII. festgehalten hat.25 Der charakteristische Palaiologenhut war zwar schon im 14. Jahrhundert bekannt, wurde aber erst durch Pisanellos um 1438 geschaf-

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fene und in Augsburg verfügbare Medaille breiter rezipiert.26 In der Miniatur sitzt Alexanders reich verzierter Hut auf einer turbanartigen Binde, die ihn als orientalischen Herrscher charakterisiert. Sein Umhang ist aus einem rot-goldenen Brokat gearbeitet, mit Goldborten geschmückt und einem hohen Kragen versehen, an dessen Spitze ein roter Seidenknoten sitzt. Darunter trägt er ein ebenfalls mit Gold gewirktes Obergewand. Diese Kostümdetails übersetzen Pisanellos Vorgabe nahezu wörtlich und sind zugleich in vertraute westliche Kleidungsstücke umgedeutet. Alexander trägt den kurzen Kinnbart der byzantinischen Herrscher und das lockige halblange Haupthaar quillt unter dem Hut hervor. Das kantige Gesicht mit einer scharfen Adlernase ist durchfurcht  ; besonders stark ausgeprägt sind die Falten an der Nasenwurzel sowie auf der Stirn. Der Tradition und nicht Hartliebs Beschreibung folgend ist ein Auge blau und das andere schwarz.27 Am auffälligsten jedoch ist der offene Mund mit den gebleckten und zwei hoch aufragenden spitzen Eckzähnen. Nicht Eberzähne sind hier gezeigt, sondern – wiederum zurückgreifend auf die Tradition des Pseudo-Kallisthenes – die spitzen Zähne einer Schlange.28 Die Mähne sowie die gerunzelten Brauen gelten der antiken Physiognomie gemäß als Ausdruck einer leoninischen Persönlichkeit. Ebenso sind die rot gefärbten Wangen und die gelbliche Gesichtsfarbe Ausdruck jenes kontrollierten Zornes, der mit dem Löwen in Verbindung gebracht wird.29 Die scharf blickenden zweifarbigen Augen und die einem Herrscher wohl anstehende Adlernase30 versinnbildlichen animalische Qualitäten, wogegen die Schlangen­zähne Ale­ xanders graduelle Zugehörigkeit zur Tierwelt zur Schau stellen. Mit dem Bildnis, das nur wenig später in dem Kupferstich des Gran Turco31 zu einer weit verbreiteten Ikone für die ›türkische Gefahr‹ werden sollte, ist mit dem Kostüm, der Physiognomie und den tierischen Anteilen jene Ambivalenz visualisiert, die der Westen gegenüber dem Osmanischen Reich und insbesondere seinem Sultan Mehmet II. hegte. Die ungebändigte kämpferische Angriffslust, die bei Alexander sowohl mit den gebleckten als auch den Schlangenzähnen angesprochen ist, wird im Gran Turco mit den gleichen Mitteln betont.32 Die ungeheuer prachtvolle Gewandung, vor allem aber die Kostbarkeit der Kopfbedeckung stellt Maßlosigkeit und Prachtentfaltung zur Schau, die zum Vorurteilskomplex über die osmanischen Fürsten gehören.33 Das Bildnis bringt mit seiner ikonischen Überfrachtung sowohl ein Tremendum als auch ein Faszinosum zum Ausdruck. Es transferiert die im Text angesprochenen tierisch-dämonischen Züge in das vorurteilsgeladene Bild des Osmanen. Ale­ xander ist damit – ähnlich wie in einer nächsten Generation die Türkenbilder eingesetzt werden – zum Inbegriff eines Herrschers geworden, der Schrecken

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verbreitet, aber Achtung verdient und gerade damit zur Ermahnung und Besserung des Christentums dienen soll.34 Alexanders ›Alter Ego‹, Bucephalus, ist am eindrucksvollsten im Roman d’Alexandre des Alexandre de Paris von Festion, einem Gefährten Alexanders, beschrieben. Festion berichtet, das Tier sei eine fürchterliche Bestie, dermaßen wild und schreckenerregend, dass man Vergleichbares nie gesehen habe  ; es scheine sich um ein Pferd zu handeln.35 Im Weiteren schildert er allerdings eine aus verschiedenen Tieren zusammengesetzte Chimäre  : Die Flanken seien gefleckt, die Kruppe fahlgelb, der Schwanz violett wie bei einem Pfauen, das Wesen habe den Kopf eines Stieres, die Augen eines Löwen und den Körper eines Pferdes, weshalb es Bucephal heiße.36 Die antiken Quellen sprechen  – ebenso wie die darauf basierenden Fassungen  – von einem Pferd mit dem Brandzeichen eines Ochsen, was in den Darstellungen sehr bald schon zu einem Ochsenkopf oder zumindest zu Hörnern wird.37 Solche hybriden Wunderpferde begleiten seit der Antike dämonische oder halbgöttliche Helden und dienen immer dazu, die übermenschlichen Qualitäten des Protagonisten zu betonen.38

Die Gemeinsamkeit des Schicksals

Alexanders Verbindung zu Bucephalus ist mehr als nur ein Zeichen seiner halbgöttlichen Abstammung. Im Roman d’Alexandre (12.  Jahrhundert), einer Versfassung, wird neben beider unklarer, chimärischer Wesenheit noch eine gegenseitige schicksalhafte Verbindung konstruiert. Alexander und Bucephalus sollen am selben Tag39 und – nach dem Text des Pseudo-Kallisthenes – am gleichen Ort, am Hofe Philipps,40 geboren worden sein und folglich unter denselben Sternen stehen. Beide sind nicht nur in ihrem Aussehen und den entsprechenden Charaktereigenschaften verwandt, sondern sie sind zugleich absolut einzigartige Wesen.41 Die Bezwingung des Wundertieres und damit der Beginn ihrer Beziehung ist nicht nur die Voraussetzung für Ale­ xanders künftige Herrschaft, sondern auch für seine weiteren Taten. Philipp, Ale­xanders Vater, hatte geträumt, dass derjenige, der dieses Tier zähme, seine Herrschaft erbe.42 In dem Bucephalus reitenden Jungen erkennt er die Antwort der Götter auf seine Nachfolge.43 Auch im Tod sind sie verbunden, weiß doch Alexander, als er sein ›Alter Ego‹ verliert, dass sein eigener Tod nahe ist.44 Die sogenannte ›Zähmung des von niemandem zu reitenden Tieres‹ ist die Schlüsselszene. Philipp von Makedonien hatte bestimmt, dieses wilde, nicht

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Abb. 2  : Bucephalus wird Philipp (Olympias) zugeführt. Bucephalus erkennt in Alexander seinen Meister.

kontrollierbare Wesen solle dazu dienen, Verbrecher zu fressen und hatte es eingekerkert. Der junge Alexander, berichtet der Text, »wurde eines Tages von einem durchdringenden Schrei, der das Blut in den Adern gefrieren ließ und auch die Mutigsten zum Zittern brachte, angezogen«.45 Dann erst erfuhr er von Bucephalus. Während er in den antiken Quellen erkannte, dass das Pferd sich vor seinem eigenen Schatten fürchtete,46 unterwarf es sich in den mittelalterlichen Versionen allein aufgrund gegenseitigen Erkennens. Das fürchterliche, nicht zu bändigende Tier, dessen Schrei durch Mark und Bein drang, reagierte auf Alexanders Stimme mit sanften Tönen.47 Als es seines Meisters ansichtig wurde, verbeugte es sich vor diesem und legte sich auf die Knie.48 Weder wird Bucephalus gezähmt noch unterwirft er sich, sondern beide neh-

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men sich gegenseitig als einander zugehörig wahr. Sie haben sich als Teile eines gemeinsamen Ganzen gefunden und das Pferd lässt sich daraufhin – allerdings nur von seinem Meister – mühelos reiten.49 Die sie verbindende Schicksalsgemeinschaft vollendet die gemeinsame Bestimmung, Alexander zum Nachfolger Philipps werden zu lassen.50 Für Pferd wie Mensch schließt diese Episode den Prozess der Erziehung ab51 – Bucephalus’ fürchterliche Natur, die zur gerechten Menschenfresserei pervertiert wurde, ist von Alexander kontrolliert – und sie gehen gemeinsam den ihnen vorbestimmten Weg. Die erste Begegnung Alexanders mit Bucephalus ist auch in den Bildprogrammen als wichtiger Einschnitt angelegt und gehört zu den bereits in der Spätantike kanonisch verdichteten Ikonographien.52 Auch nur wenig abweichende Varianten sind folglich wegen der festgefügten Tradition bedeutungsschwer.53 Die in Paris im zweiten Viertel des 14.  Jahrhunderts entstandene Londoner Version des Themas (Abb. 2)54 in einer Prosafassung (13. Jahrhundert) legt großen Wert darauf, die Begegnung als diejenige zweier gleichrangiger kultivierter Wesen darzustellen. Im Text wird das wilde Pferd, das wie ein Meeresstier drei Hörner auf dem Kopf gehabt habe, in all seiner Schrecklichkeit geschildert.55 Ebenso wird im Titel erwähnt, dass es Menschen gefressen habe und vor Alexander niedergekniet sei.56 Eines der seltenen zweiregistrigen Bilder der Handschrift zeigt oben den steigenden Bucephalus, der – ohne jegliche Ketten oder sonstige Zwangsinstrumente – von einem Gesandten nicht eindeutig Philipp präsentiert wird, sondern eher Alexanders Mutter Olympias. Im unteren Register steht Alexander vor dem Käfig des Pferdes, das in keiner Weise absonderlich ist, und redet mit ihm. Alexander, der nach dem Text den Willen des Pferdes kannte,57 ist dabei, den Käfig zu öffnen. Allenfalls die auffällig gelbe Farbe erinnert an den Löwenvergleich, mit dem Bucephalus beschrieben wird. Weder ist die Unterwerfung noch die Zähmung gezeigt, die in manchen anderen Versionen durch einen beherzten Griff an eines der Hörner von Bucephalus verdeutlicht wird.58 Wie in allen anderen Bildern dieses Prosa-Alexanders wird Wert auf eine enge Verbindung zwischen dem Pferd und seinem einzigen erwählten Reiter gelegt. In allen Schlachten und den vielen Begegnungen mit den schrecklichsten Bestien stehen Alexander und Bu­ce­pha­ lus unverrückbar an der vordersten Front und beweisen so gemeinsam ihren vorbildlichen Mut. In einer für die Adaptation des Textes besonders bedeutsamen Miniatur,59 in der Alexander den Lehenseid seiner Untertanen entgegennimmt (Abb. 3), hat er thronend seine Füße auf den liegenden Bucephalus gestellt. Die Ikonographie dieses Bildes ist eine hochpolitische und zitiert Herrschersiegel, in

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Abb. 3  : Alexander nimmt die Lehenseide seiner Untertanen entgegen.

denen Löwen sich zu Füßen des Herrschers befinden.60 Kaiser Ludwig  IV. hatte sich naturalistische Adler wie Totemtiere zu Füßen beigeben lassen.61 Die Miniatur rekurriert auf solch imperiale Siegel. Bucephalus, ganz in Bleiweiß,62 ist zu einem Monument der gemeinsamen Herrschaft geworden. Erst während seines Sterbens wird Bucephalus in der Londoner Handschrift zu einem hybri­den Wesen (Abb.  4)63. Alexander steht vor den Zelten und Bucephalus wendet sich hier das einzige Mal von ihm ab. Im Lager, so wird erzählt, sei eine Pferdekrankheit ausgebrochen, an der auch Bucephalus verstirbt.64 Alexander ist untröstlich und weiß, dass damit auch sein eigener Niedergang besiegelt ist, denn, so der Text, Alexander habe jeweils dank der Zeichen, die ihm Bucephalus gegeben habe, gewusst, ob er eine Schlacht gewinnen oder verlieren werde.65 Die Kommunikation reißt auch im Bild zum ersten Mal ab. Bucephalus, der nur in diesem Bild einen Sattel trägt, während Alexander ihn in allen anderen Darstellungen lediglich an einem Zügel führt, ist zu einem gedrungenen, bulligen Tier mit kleinen Ohren und einem eingerollten Horn auf dem Kopf geworden. Er hat sich im Sterben in jenes Mischwesen zurückverwandelt, das ihn mit Alexander selbst verbindet. Damit muss in dieser Version der Kontakt abbrechen, finden sich doch sonst

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die beiden im gemeinsamen Komment des höfischen Umgangs. Die Gemeinschaft kann erst nach dem Tod wieder hergestellt werden. Alexander trauert – wie er es auch für Darius und Porus tat – drei Tage lang um Bucephalus  ; drei Tage wird das Gefolge von Alexander schon bald um ihn selbst trauern. Daraufhin lässt er – in der rechten Spalte zu sehen – ein riesiges Grabmonument bauen. Die üppige Architektur ist für die Handschrift atypisch und findet nur noch in der Darstellung von Alexanders eigenem Grab eine ähnlich anspruchsvolle Ausprägung,66 was wiederum die enge Verbindung zwischen den beiden in Erinnerung rufen soll. In keiner anderen Handschrift fügen sich Bucephalus und Alexander vergleichbar in das Ideal des Rittertums ein. In den meisten Bildern wird die Alterität von Bucephalus dazu benutzt, sowohl das Wundersame-Unheimliche als auch die animalische Kraft des Helden zu verstärken. In den, wie schon erwähnt, weitgehend kanonischen Programmen und Ikonographien ist des Wundertiers Fremdheit meist nur bis zur sogenannten Zähmung thematisiert, dann ist es ein Pferd. In einigen Varianten67 begegnen Alexander und Buce­ pha­lus den ausschließlich als Monsterwesen dargestellten Wundervölkern im Fernen Osten nicht in der für die Londoner Royal 19 D I Version so kennzeichnenden disziplinierten Gefasstheit. Stattdessen verstärkt Bucephalus Ale­ xanders Furor. In einem niederländischen oder flandrischen Manuskript des 14. Jahrhunderts (Abb. 5)68 ist Bucephalus zu einer Art Rammbock geworden und rennt mit gesenktem Haupt, seine Hörner als Waffen verwendend, gegen die Hundsköpfigen an. Alexanders Waffentechnik wird durch die animalische Kraft des Wundertieres nicht nur unterstützt, sondern das Tier geht ihm sogar voran.69 Es ist denn auch kein Zufall, dass in Johannes Hartliebs Versionen die Alte­ rität des Wunderpferdes eine besondere Rolle spielt, ist sie doch die spiegelbildliche Ergänzung zu Alexanders Physiognomie. In einem geradezu heraldischen Porträt wird Bucephalus im Darmstädter Manuskript (Abb. 6) vorgestellt. Auf der linken Seite richtet das mit einer Löwenmähne und üppigem Schweif versehene, paarhufige Ungeheuer seinen Blick lammfromm auf den zum Käfig schreitenden Alexander. Es hat sich nicht nur bereits auf die Knie gelegt, sondern aus dem Käfig reckt es sogar sehnsüchtig Alexander das linke Bein entgegen. Dieser begrüßt das Tier, das Hartliebs Beschreibung eines Mischwesens zwischen Hirsch und Löwe entspricht,70 und macht sich daran, das Gitter zu öffnen. Auf der rechten Seite – gegen die Erzählrichtung – sprengt Alexander auf Bucephalus ohne Zaumzeug und Sattel einher und hat seine rechte Hand zum Gruß erhoben. Der Typus des galoppierenden Reiters hat auf Herrschafts-

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Abb. 4  : Bucephalus sterbend und im Grabmonument.

siegeln,71 aber auch für Personifikationen, etwa der Planeten,72 eine lange Tradition. Alexander und Bucephalus sind gleichsam zu einem Porträt der geballten gemeinschaftlichen Kraft von Tier und Mensch erstarrt, wie sie in Reitersiegeln emblematisch visualisiert wird. Dass Bucephalus nicht nur in Dreiviertelansicht gezeigt wird, sondern den Betrachter mit seinen großen, rollenden Löwenaugen in den Blick nimmt, verschafft der Darstellung eine ungewöhnliche Überzeugungskraft. Wir sind einbezogen in diese Figur gezähmter, zielgerichteter Mensch-Tiergestalt.

Eine animistische Weltsicht

Das Verhältnis zwischen Alexander und Bucephalus wurzelt in den Vorstellungen einer animistischen Ontologie. Beide bilden eine gemeinsame Wesens­ einheit und unterscheiden sich nicht einmal durch ihre Erscheinungsformen klar voneinander.73 In den Bildern ist der Möglichkeit der Metamorphose durchaus Rechnung getragen, wenn Alexanders animalische Anteile nur im Titelbild erkennbar gemacht werden und Bucephalus lediglich in der ersten Begegnung als Hybridwesen auftritt. Nachdem sie sich gegenseitig erkannt h ­ aben, fügen sie sich in fast allen Darstellungen zu einem gemeinsamen G ­ anzen  : zum Ritter mit Pferd und Pferd mit Ritter. Der Darmstädter Alexander setzt diese Vorstellung mit dem topischen Bild eines Reiterdenkmals um, während die Lon­do­ner Handschrift mit dem Herrschaftsbild eine geradezu totemistische

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Abb. 5  : Alexander und Bucephalus greifen die Kynokephalen an.

Ikone wählt. Die Beziehung ist eine der grundsätzlichen Analogie, der Komplementarität und sogar Symmetrie. Die Lebensläufe gestalten sich, wie wir gesehen haben, nicht nur parallel, sondern bedingen sich wechselseitig  : Geburt, Erfolg, Bewältigung der Erfahrungen bis zum Tod sind durch Bucephalus für Alexander vorgegeben. Bucephalus prophezeit Erfolge oder Misserfolge, was in den Bildern entweder mit seiner Standhaftigkeit beim Anblick jeglicher Monster oder seinem Vorpreschen in die Schlacht visualisiert wird. Alexandre de Paris lässt das immer überlegene Wundertier nur zwei Mal zum Hasenfuß mutieren, so wenn er Alexander die Gelegenheit zur liebevollen Empathie und Fürsorge gibt, indem er den von Waldkäuzen oder im gefährlichen Tal erschrockenen Bucephalus mit dem königlichen Mantel bedeckt.74 Ebenso wie in der unsäglichen Trauer um den Verstorbenen, dessen Tod als Vorzeichen für den eigenen verstanden wird, erweist sich in diesen Szenen die Sorge für den anderen als eine gegenseitige. Im Tod schließlich sind die beiden Wesen sowohl getrennt als auch miteinander verbunden  : Die Memorien ihrer Gräber und die um diese errichteten Städte, Bucephala und Alexandria, befinden sich zwar an verschiedenen Orten, stehen aber in ihrer Gleichartigkeit für ihre immerwährende Verbindung. Die Londoner Handschrift erfüllt mit ihrer ikonischen Verschmelzung von Pferd und Reiter und deren gemeinsamer Standfestigkeit auf

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Abb. 6  : Alexander öffnet den Käfig und reitet Bucephalus.

geradezu ideale Weise die für den Adel bis weit ins 19. Jahrhundert gültige Vorstellung einer unabdingbaren Zusammengehörigkeit von Pferd und Reiter im Bild des mittelalterlichen Ritters.75

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Ritter hoch vier – das Wunderpferd Bayard und die Haymonskinder

Für die Vorstellungen vom mittelalterlichen Rittertum und vielleicht sogar vom Mittelalter insgesamt ist vermutlich nur wenig typischer als das Bild vom gerüsteten Kämpfer hoch zu Ross – dem Ritter, der das Reiten schon im Namen trägt. Diese populäre Ansicht ist zwar in mancherlei Hinsicht klischeehaft, trotzdem ist sie nicht völlig falsch. Denn ohne die im Frühmittelalter, nicht zuletzt durch die Erfindung des Steigbügels entstandene neue Technik des Lanzenkampfes zu Pferd mit gut trainierten Panzerreitern und die daraus resultierende Aufwertung des Ritters, der vom hoch spezialisierten Militär zum umfassenden kulturellen, auch für die gesellschaftliche Elite attraktiven Leitbild avancierte, hätte sich die Kultur der höfischen Gesellschaft vermutlich anders entwickelt. So aber bestimmte das als Einheit inszenierte »Gefüge Ritter und Pferd«1 spätestens ab dem 12. Jahrhundert die (Selbst-)Darstellung der feudalen Führungsschicht  : »Reiten [wird] zum Index einer ökonomischen und sozialen Privilegierung, […] die privilegierte Verbindung von Adel und Pferd lässt sich dadurch als feudaler Ursprungsmythos konstruieren, als ein historisch festmachbarer Gründungsakt des Rittertums.«2 »Omnis nobilitas ab equo  ! Aller Adel stammt vom Rosse  ! behauptet ein mittelalterlicher Spruch.«3 Diese Selbsteinschätzung des mittelalterlichen Ritteradels manifestiert sich in zahllosen Artefakten, etwa in Siegeln, die das Gefüge von Ross und Reiter zeigen, in der Buchmalerei, in der Plastik (Bamberger Reiter) und nicht zuletzt in literarischen Entwürfen, die als die vielleicht wichtigsten Instanzen des adeligen Leitbildes gelten können.4

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Pferde sind, meist in Verbindung mit ihrem Reiter, in der weltlichen mittelalterlichen Literatur allgegenwärtig. Bereits einige der ältesten überhaupt bekannten schriftlichen Zeugnisse in deutscher Sprache, der zweite der alt­ hochdeutschen Merseburger Zaubersprüche und der sogenannte Trierer Pferdesegen sowie der altsächsische Wiener Pferdesegen, alle aus dem 9./10. Jahrhundert stammend, thematisieren das Wohlergehen und damit auch die große Bedeutung und hohe Wertschätzung von Pferden. Pferde und Reiter begegnen ebenfalls in der Lyrik, im Fachschrifttum (zum Beispiel in veterinärmedizinischen Abhandlungen) und vor allem auch in der großepischen Dichtung. Drei Stoffkreise benennt der französische Autor Jean Baudel um 1200 als die wichtigsten der weltlichen Großerzählungen  : Die matière de Rome, die matière de Bretagne und die matière de France. Die moderne Forschung ist dem mittelalterlichen Autor in dieser Einschätzung gefolgt. Der Antikenroman (matière de Rome), der Artusroman (matière de Bretagne) und die ­Heldenepik (matière de France)5 sind in der Tat jene Genres, durch die ein sehr großer Anteil der weltlichen Erzählungen abgedeckt wird. Und jedes dieser drei Genres kennt ein besonderes Pferd, das einem herausragenden Protagonisten zugeordnet wird. Für den Bereich des Antikenromans wird dieses Gefüge durch das berühmte Paar Alexander und Bucephalus repräsentiert,6 für den Artusroman bilden Gawan und Gringalet/Gringuljete eine vergleichbare Konstellation, an keiner zweiten Dyade des europäischen Artusromans wird das Gefüge Ritter-Pferd so ausführlich durchgespielt.7 Und während es in der deutschen Heldenepik kein ähnlich bedeutendes und bekanntes Gefüge gibt, existiert in der romanischen Heldenepik, der Chanson de geste, die generell reich an namentlich erwähnten Pferden ist,8 eine Ritter-Pferd-Dyade, die für die Zeitgenossen  – und selbst noch im kulturellen Gedächtnis der Moderne im französischen Sprachraum (und davon ausgehend auch im niederländischsprachigen Gebiet) – alle anderen bei weitem überragt. Die Rede ist vom Wunderpferd Bayard und seinem Reiter Renaut de Montauban bzw. Renaut und seinen drei Brüdern, den vier Haymonskindern, die der überaus große und kräftige Bayard alle zugleich tragen kann. Stofflich gehört die Erzählung zur Rebellen- oder Empörerepik, einer beson­ deren Untergruppe der Chanson de geste, die den letztlich vergeblichen Aufstand eines Großvasallen gegen einen als ungerecht, aber überlegen gezeichneten französischen König (meist Charlemagne) thematisiert. Der wohl noch im späten 12. Jahrhundert entstandene Renaut de Montauban ist das bekannteste Werk jener Gruppe.9 Wie oft in mittelalterlicher (und moderner) Literatur hat der Erfolg des Werkes dazu beigetragen, dass mit dem Maugis d’Aigremont, der

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in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts verfasst worden sein dürfte, in der Folge ein Text entstand, der daran anknüpft. Er erzählt die Vorgeschichte aus, die nicht nur vom Schicksal der Großeltern- und Elterngeneration der Haymonskinder, also von Hayme selbst und seinem Onkel, dem zauberkundigen Maugis, berichtet, sondern auch über die Herkunft des außergewöhnlichen Rosses Bayard aufklärt.10 Im französischen Sprachraum und, wohl vermittelt über das zweisprachige Flandern, auch in den Niederlanden, sind beide Werke während des Mittelalters intensiv rezipiert und, sofern sie in handschriftlicher Form erhalten sind, fast immer gemeinsam gelesen worden.11 Im deutschen Sprachraum scheinen sie dagegen weniger bekannt gewesen zu sein.12 Die wichtigsten Überlieferungszeugen bilden zwei umfangreiche Übersetzungen aus dem Niederländischen  : Reinolt von Montelban und Malagis, die beide um 1470 im Umfeld des Heidelberger Hofes entstanden.13 Da der Inhalt der beiden Texte auch heute noch einer deutschen Leserschaft vergleichsweise unbekannt sein dürfte,14 soll den weiteren Ausführungen eine knappe Inhaltsangabe des verwickelten Geschehens, beruhend auf den beiden spätmittelalterlichen deutschen Überlieferungszeugen, vorangestellt werden.

Malagis15

Unmittelbar nach der Geburt werden die Zwillingsbrüder Malagis und V ­ yvien während eines Angriffs feindlicher Sarazenen entführt. Malagis wird von der Fee Oriande auf ihre Burg Roseflor gebracht und wächst dort im Glauben auf, der Sohn von Oriandes zauberkundigem Bruder Baldaris zu sein. Mit Hilfe von Baldaris’ Bibliothek, später auch an der Universität von Paris, bildet Mala­ gis sich zum Meister in der Zauberkunst aus, der alle seine Lehrer bald übertrifft. Oriande klärt ihn über seine Herkunft auf, beide verlieben sich ineinander. Von König Karl in seinen Künsten auf die Probe gestellt, macht Malagis den König mehrfach lächerlich. Karl hasst Malagis deswegen abgrundtief. Vyvien wächst währenddessen in heidnischer Umgebung auf und zeugt mit der Königstochter Beaflür einen Sohn namens Hayme, den späteren Vater der Haymonskinder. Malagis sieht eines Tages aus der Ferne die aus einem Berg bestehende ­Insel Volkan. Oriande klärt ihn darüber auf, dass im Schlund des Berges das unbezähmbare und wunderbare Ross Bayard von Teufeln bewacht und gefangen gehalten werde. Malagis will es erobern, maskiert sich zu diesem Zweck selbst

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als Teufel, bleibt jedoch, geschwächt und verletzt durch heftige Kämpfe mit den das Pferd bewachenden Drachen und Teufeln, liegen und schafft es nicht, den wilden Bayard zu bezwingen. Er betet um Rettung, die ihm sein Freund Spiet in Gestalt eines wirkmächtigen Heiltrankes dann auch bringt. Danach ringt Malagis erneut mit dem Hengst  ; erst als Bayard zufällig das Gesicht des Angreifers erblickt, lässt er sich zähmen. Wenig später belagert Sultan Anthenor, in dessen Gefolge sich Vyvien befindet, Burg Roseflor, wo Beaflür und Malagis sich aufhalten. Es kommt zum Kampf zwischen den Zwillingen, der aber keinen Sieger findet. Beide erkennen sich schließlich, Vyvien wird getauft und Anthenor von Malagis getötet. Malagis und Vyvien wollen zu ihren Eltern nach Egermont. Die Stadt wird allerdings gerade von Heiden belagert, was sie aber nicht wissen. Durch einen Boten erfahren sie zudem, dass ihr Vater von Karl in Paris gefangen gehalten wird und dass der König Montpelier, die Stadt ihres Onkels, belagert. Die Zwillinge ziehen nach Montpelier. In den Kämpfen gegen Karls Truppen erweckt Bayard Furcht und Schrecken, zu einem Friedensschluss mit Karl kommt es indes nicht. Malagis und Vyvien befreien wenig später ihren Vater aus seinem Gefängnis. Endlich gelingt die Versöhnung der gesamten Sippe mit Karl, Malagis wird jedoch ausdrücklich davon ausgeschlossen. Gemeinsam befreit die Sippe schließlich das belagerte Egermont, auch bei diesen Kämpfen tut sich Bayard wieder als furchtbarer Gegner hervor. Bei weiteren Kämpfen gegen heidnische Gegner kommen Malagis’ Stiefvater Baldaris und sein Zwillingsbruder Vyvien ums Leben, auch Beaflür stirbt. Ihr gemeinsamer Sohn Hayme heiratet Karls Schwester Aye. Während der Hochzeitsfeier erreicht Malagis auf listige Weise eine, freilich nur formelle, Aussöhnung mit Karl. Bei einem Wettrennen während des Festes tritt Bayard gegen den schnellen Spiet, Malagis’ besten Freund, an. Durch einen unglücklichen Zufall bringt Bayard Spiet dabei ums Leben und soll daraufhin seinerseits von Malagis getötet werden. Hayme kann ihn jedoch überreden, ihm das Pferd zu überlassen. Er will es so lange eingemauert gefangen halten, bis er einen Sohn bekommt, der es zähmen kann. Mit einem Vorverweis darauf, dass Hayme vier starke Söhne zeugen werde, schließt die Handlung.

Reinolt von Montelban16

Bei einem Hoffest zu Pfingsten kommt es zu einem Konflikt zwischen Hayme und König Karl. Hayme verlässt den Hof und führt mit Hilfe von Malagis sech-

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zehn Jahre lang eine Fehde gegen Karl. Auf Druck seiner Gefolgsleute schließt Karl endlich Frieden und verheiratet seine Schwester Aye mit Hayme. Wenig später bricht der Konflikt wieder auf, Hayme kämpft sieben weitere Jahre lang gegen Karl und zeugt in dieser Zeit vier Söhne  : Ritzhart, Fritzhart, Adelhart und Reinolt. Seine Frau Aye verschweigt dem Vater aus Angst, dass er die neugeborenen Verwandten Karls töten werde, jeweils ihre Schwangerschaft, gebiert die Kinder heimlich in einem Kloster und versteckt sie vor Hayme. Zur Krönung seines Sohnes Ludwig lädt Karl auch Hayme ein. Der aber will nicht kommen, weil das als Unterwerfung gedeutet werden könnte und er zudem vermeintlich selbst keine Erben hat. Seine Frau entdeckt ihm nunmehr das Geheimnis um die verborgenen Söhne. Hayme schlägt sie unverzüglich zu Rittern. Dem größten von ihnen, Reinolt, kann er aber kein passendes Pferd geben, denn Reinolt erschlägt sie alle. Daraufhin führt ihn Hayme zum eingemauerten Bayard. Nach hartem Kampf kann Reinolt den Hengst schließlich besiegen und zähmen. Danach begibt sich Hayme mit seinen vier Söhnen zum ersten Mal nach über drei Jahrzehnten wieder an den Hof seines Schwagers Karl, um an der Krönungszeremonie für Ludwig teilzunehmen. Ludwig sieht in Haymes Söhnen, seinen Vettern, potentielle Machtkonkurrenten, die er ständig provoziert und schikaniert. Er verleitet schließlich Adelhart zu einem Schachspiel auf Leben und Tod. Als Ludwig verliert, ist es der erboste Reinolt, der dem Sohn des Königs den Kopf abschlägt. Auf Bayard, der alle vier Haymonskinder zugleich trägt, entfliehen sie und gehen ins Exil zu einem heidnischen König, kehren aber, da der König sie nicht entlohnt und sie ihn daraufhin töten, nach Frankreich zurück, werden von Karl entdeckt und müssen sich gegen ihn in einer jahrelangen blutigen Fehde zur Wehr setzen – auf ihre Unterwerfungsangebote geht der König nicht ein. Karl gelingt es im Verlauf der Auseinandersetzungen schließlich durch eine List, Bayard zu fangen. Doch mit Hilfe von Malagis, der nun plötzlich erneut ins Geschehen eingreift, kann Bayard dem König wieder entwendet werden. Malagis schafft es dabei zudem, Karl zum wiederholten Male der Lächerlichkeit preiszugeben. Die Kämpfe zwischen dem König und den Haymonskindern, deren effektivste Helfer Malagis und Bayard sind, ziehen sich daraufhin über viele Jahre weiter hin. Als Malagis sich dann jedoch unvermittelt zurückzieht und Eremit werden will, ist Karl schließlich zur Versöhnung bereit. Reinolt, als Anführer der Haymonskinder, schwört daraufhin seinem bisherigen Leben ab und unterwirft sich dem König. Er übergibt ihm dabei auch Bayard, auf dessen Auslieferung und Tötung Karl besteht, geht ins Heilige Land, kehrt später allerdings zurück, hilft beim Bau des Kölner Domes und wird schließlich sogar zum Heiligen.

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Bayards erzählerische Bedeutung

Bayard, das mächtige, mit übernatürlichen Fähigkeiten begabte Pferd, kann demnach wohl mit Fug und Recht als wichtiger Akteur des zweiteiligen Erzählzyklus um Malagis und die Haymonskinder betrachtet werden.17 Der starke Hengst agiert dabei immer als Begleiter und Helfer des jeweiligen Helden, mehr noch, das Verhalten des Rosses zeigt deutlich an, auf welcher Figur der narrative Fokus liegt. So ist das im ersten Teil des Zyklus stets Malagis, den Bayard als seinen Herrn anerkennt, vor dem das Pferd gar niederkniet (Mal. V.  7663  ff., 10603, 20955), wohingegen es Malagis’ Feinde bekämpft und sie sogar tötet (Mal. V. 9142–9146, 9254 f., 13402–13405). Mit dem Verschwinden des Pferdes, das am Ende des Malagis-Teils eingekerkert wird, verliert aber zugleich auch Malagis seine herausragende Rolle im Erzählzyklus. Bis Reinolt im nächsten Teil des Zyklus Bayard für sich erobern und unterwerfen kann, mangelt es der Erzählung an einem alles überragenden Protagonisten. Malagis verschwindet eine ganze Zeit lang völlig aus der Geschichte. Wer der neue Held wird, zeigt Bayard an  : Er unterwirft sich nach harten Auseinandersetzungen Reinolt, dem jüngsten, größten und stärksten der vier Haymonskinder. Dem exorbitanten Pferd entspricht der exorbitante Reiter/Ritter – und umgekehrt  : Da sprach Reynolt  : / ›Das orse ist recht myn genot‹ (Rei. V. 802 f.: »Da sagte Reinolt  : ›Das Ross ist zu Recht mein Begleiter‹«). Jetzt kniet Bayard vor Reinolt und akzeptiert keinen anderen Reiter mehr (Rei. V. 5012–5015 u. ö.). Wenn Malagis wieder auftritt und in einer Sondersituation noch einmal auf Bayard reiten darf, wird er von diesem abgeworfen, sobald Bayard Reinolt erblickt (Rei. V.  8984–8998).18 Als Reinolt das Ross später auf Befehl Karls nicht mehr ansehen darf und will, ist das der Grund für Bayards Tod (Rei. V. 13214–13245) – und Reinolts Status als ritterlicher Held stirbt mit. Bayard verweist also auf den zentralen Protagonisten der Erzählung sowie auf dessen heroischen oder nicht mehr heroischen Status. Insofern besitzt das Pferd eine wichtige narratologische Bedeutung.

Bayards kulturhistorische Bedeutung

Doch seine Bedeutung für den Erzählzyklus geht noch über diese Funktion hinaus. Die Darstellung Bayards und die Beschreibung seiner Taten und seines Schicksals lassen sich auch kulturhistorisch lesen und als genereller Einblick in die spätmittelalterliche Auffassung vom Verhältnis zwischen Tier und Mensch

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verstehen. Dazu ist es notwendig, sich einige der Szenen noch einmal zu vergegenwärtigen, in denen Bayard im Mittelpunkt steht. Es ist offensichtlich, dass Bayard für Reinolt die perfekte Ergänzung darstellt. Nachdem er Bayard überwunden und gezähmt hat, ist der Hengst ihm, wie bereits beschrieben, treu ergeben, hilft ihm in vielen Gefahren und rettet Reinolt und seinen Brüdern mehrfach das Leben. Bayard kämpft zum Beispiel an Reinolts Seite, indem das Pferd, scheinbar als ob es selbst ein Ritter wäre, gegen Ogiers Pferd Broyfort antritt, während Reinolt gegen Ogier selbst ficht (Rei. V. 9174–9193).19 Es weckt den schlafenden Reinolt, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sein Bruder Ritzart in höchster Gefahr schwebt. Durch sein Pferd gewarnt, kann Reinolt den Bruder vor dem Galgen retten (Rei. V. 11066–11083). Aufgrund seiner unglaublichen Schnelligkeit düpieren Bayard und sein Reiter Reinolt bei anderer Gelegenheit ihren Widersacher Karl (Rei. V. 7135 ff.) und schließlich ermöglicht es Bayards Stärke und Körperbau, alle vier Brüder gleichzeitig, auf jeweils einem eigenen Sattel sitzend, zu tragen (Rei. V. 2040–2045). Auch mit seinem früheren Herrn Malagis gemeinsam greift Bayard häufig in Schlachten und Kriege ein und tut sich dabei als unerbittlicher Kämpfer hervor, der Hunderte von Gegnern durch Treten und Beißen ausschaltet. Man könnte diese Dyade aus Ross und Reiter beinahe als identische Einheit verstehen, Bayard als Ritter in Gestalt eines Tieres bezeichnen bzw. Malagis und Reinolt als so eng mit Bayard verbunden, dass sie sich geradezu als eine Art Kentauren darstellen. Und doch ist dem nicht so, wie Udo Friedrich für weiter ausgreifende Zusammenhänge gezeigt hat  : »Das ideale ritterliche Verhältnis zum Tier bildet bei aller Assimilation ein Gefüge, ein Austauschverhältnis, keine Identität, die wiederholt in der Figur des Kentauren distanziert wird.«20 Wer das aus Ross und Reiter bestehende dyadische Gefüge dominiert und wo die Grenze zwischen Mensch und Tier verläuft, steht in beiden Teilen des Erzählzyklus dann auch außer Zweifel. Malagis ist am Ende bereit, Bayard zu töten, und die Haymonskinder scheuen sich nicht, Bayard in Lebensgefahr zu bringen und ihn während einer Belagerung durch Karl zur Ader zu lassen, damit sie selbst und andere Belagerte, denen es an Nahrung gebricht, sich wochenlang vom Blut des starken Pferdes ernähren können (Rei. V.  12860– 12868). Diese Tortur überlebt Bayard, nicht aber seine Auslieferung an Karl, der Reinolt schließlich zustimmt, weil sie eine Grundbedingung für die Versöhnung mit dem König bildet. Reinolt wie auch Malagis wahren insofern stets eine gewisse Distanz zu Bayard, sie sind keine ›Pferdemänner‹. Ebenso wird Bayard nicht anthropomorphisiert. Zwar ist er intelligent wie ein Mensch, versteht die menschliche Sprache und kann Tränen vergießen. Das ist jedoch

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im mittelalterlichen Verständnis kein ganz außergewöhnliches Verhalten. Schon Isidor von Sevilla, der während des gesamten Mittelalters viel gelesene Enzy­klo­pädist des 6./7. Jahrhunderts, schreibt diese Eigenschaft bestimmten Pferden zu  : »Wenn ihre Herren getötet wurden oder sterben, vergießen viele Tränen.«21 Sprechen wie die Tiere in der Fabel kann Bayard jedoch ausdrücklich nicht. Im Malagis heißt es über den Hengst  : Der list hat als ein man / Sonder das es nit sprechen kann (V. 7673 f.: »Er ist so klug wie ein Mensch, nur dass er nicht reden kann«). Die von Gott gesetzte, natürliche Grenze zwischen Tier und Mensch wird in der literarischen Darstellung Bayards demnach nie überschritten. Das ist kein Zufall. Denn neben den eben genannten, aus adliger Perspektive höchst attraktiven und positiven Seiten besitzt Bayard noch eine andere Facette, die das Tier allerdings geradezu dämonisiert – und in gewisser Weise an Bucephalus denken lässt, das Pferd Alexanders des Großen, dem ebenfalls bedrohliche und monströse Züge zugeschrieben werden.22 Am deutlichsten zum Tragen kommt jene vom anonymen Autor als eindeutig negativ und bedrohlich geschilderte Seite des berühmten Pferdes im Malagis und mithin zu Beginn des Erzählzyklus, in dem von der Abstammung Bayards und seinem ersten Kontakt mit Malagis berichtet wird. Zu bedenken ist dabei, dass diese Passage erzählchronologisch zwar dem im Reinolt dargestellten Geschehen vorausliegt, produktionschronologisch indes, wie die gesamte Malagis-Erzählung, nachträglich anzusetzen ist und insofern im Reinolt kommentarlos vorausgesetzte Verhaltensweisen und ›Charakterzüge‹ des außergewöhnlichen Pferdes herleitet, sie überformt und, in negativer Hinsicht, vereindeutigt. Dabei werden die den gesamten Erzählzyklus bestimmenden übernatürlichen Fähigkeiten des Pferdes ganz augenscheinlich auf widernatürliche, ja teuflische Ursachen zurückgeführt. Denn Bayard hat, wie der Text expliziert, nicht nur einen tufel trachen glich (Mal. V. 5748) zum Vater, einen drachenähnlichen Teufel also, er ist überdies auch noch der Halbbruder eines Drachen, den sein teuflischer Vater ebenfalls gezeugt hatte (Mal. V. 6161 f.). Diesen Vater beschreibt der Text als dromedariß (Mal. V. 5746  ; vgl. auch Reinolt V. 791  : Ein drommedarius was sin vater geheißen). Der Grund für die, modernen biologischen Kategorien zufolge, höchst merkwürdige Abstammung Bayards ist sehr wahrscheinlich in der mittelalterlichen Naturwissenschaft zu suchen. Gilt doch das Dromedar in den einschlägigen Naturlehren als besonders schnelles und ausdauerndes Reittier23 und vermag so die exorbitanten – anderen Pferden bei Weitem überlegenen – läuferischen Fähigkeiten Bayards, der anscheinend stets im Galopp geht, zu erklären.24 Bald nach seiner Geburt wird Bayard, dessen Augen wie Feuer brennen,25 vom fiant, vom Teufel, geholt,

Das Pferd Bayard 

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wie es im Text weiter heißt, und in den Berg Volkan, einen höllenähnlichen Ort, verbracht, wo er gefangen gehalten und von einem weiteren Teufel, dessen Körper sich aus unterschiedlichsten tierischen Attributen und Gliedmaßen zusammensetzt, bewacht wird (Mal. V. 5749–5795). Malagis, der ausgezogen war, um Bayard in Christi Namen aus dem höllischen Ort zu befreien,26 droht im Kampf mit dem gewaltigen Hengst zu unterliegen, gerettet wird er durch einen Zufall, letztlich somit durch das Eingreifen Gottes und die von ihm erschaffene Ordnung der Welt und der Natur. Bayard, der an dieser Stelle als ›schlecht und bösartig‹ – Vel und böse von natür (Mal. V. 6767) – beschrieben wird, zerbeißt Malagis den schützenden Helm, gerade dadurch aber wird Malagis gerettet. Denn sobald das Pferd das bislang durch den Helm verborgene Gesicht von Malagis erblickt, gibt er den Kampf unverzüglich auf, kniet sogar vor dem Gegner nieder und bittet auf solche Weise um Versöhnung (Mal. V.  7621–7669). Hinter dieser zunächst ungewöhnlich erscheinenden Verhaltensweise steht die, durch zeitgenössische naturwissenschaftliche und theologische Schriften gestützte, letztlich auf die biblische Schöpfungsgeschichte (vgl. Genesis 1,20–28) zurückgehende Vorstellung, dass der Mensch über die Tiere herrschen solle und – dies allerdings kein Bibelwort, sondern spätere Auslegung – aufgrund göttlicher Ordnung alle Tiere vor dem Menschen fliehen, sobald sie ihm ins Angesicht sehen, wie der Text behauptet  : Got der herre, der clein und groß Alle ding geordinieret Hat und gefigurieret, Als uns bewist die schrift der abentüre, Dem menschen gegeben von nature, Das in alle tier fliehen, Die ine ins angesicht sehen. (Mal. V. 7651–7658) (Gott, der Herr, der Klein und Groß, die gesamte Schöpfung, geordnet und eingerichtet hat, wie uns die schriftlichen Quellen belegen, [hat] dem Menschen von Natur aus gegeben, dass alle Tiere vor ihm fliehen, die ihm ins Angesicht sehen.)

Deutlich wird in jener, für die Mensch-Tier Relation des Zyklus zentralen, Szene zweierlei  : Zum einen erklärt sie die übernatürlichen, aus dem Blickwinkel der ritterlich-feudalen Elite sicherlich faszinierenden und höchst attrakti-

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ven Eigenschaften Bayards als dämonisch und widernatürlich. Das mächtige Pferd ist das hybride Produkt einer offenbar von teuflischen Mächten bewirkten unnatürlichen Verbindung zwischen einer Stute und einem Dromedar.27 Zum anderen bestätigt diese wichtige Szene, dass Gottes Macht – und durch ihn übertragen die Macht des Menschen – über alle Tiere, und seien es selbst Hybride, dominiert und solcherart der göttliche Schöpfungsplan Bestätigung findet. Es ist eine eindeutig wissenschaftlich-klerikale Perspektive, die, nicht nur in dieser Passage, im ersten Teil des Zyklus aufscheint. Der Malagis gilt in der Forschung ganz zu Recht generell als Text, der, spürbar unter anderem in zahlreichen enzyklopädischen Einschüben,28 den heroischen Stoff mit zeitgenössischer Gelehrsamkeit auflädt und in dem ein intellektueller Unterton vorherrscht.29 Keineswegs zufällig ist der zauberkundige Protagonist des Malagis dann auch an der Universität Paris akademisch ausgebildet, während sich Reinolt im zweiten Teil des Zyklus durch heroisch-kämpferische Qualitäten auszeichnet und alles andere als ein intellektueller Akademiker ist. Zeichenhaft dafür stehen die differierenden Arten, durch die die beiden so unterschiedlichen Protagonisten das exorbitante Pferd zähmen können. Reinolt besiegt und zähmt Bayard durch schiere Körperkraft, der ›klerikale‹ Malagis ringt zwar auch mit dem starken Hengst, kann ihn aber allein nicht überwinden, sondern ist dazu auf Gottes Hilfe angewiesen.

Bayards Tod

Vor dem Hintergrund einer nachträglichen klerikalen Überformung des Stoffes durch den vorangeschalteten Malagis wird dann vielleicht auch das Ende Bayards besser verständlich, das in der niederländisch-deutschen Fassung, die hier behandelt wird, noch drastischer ist als in den gleichzeitigen französi­ schen. Nachdem Malagis Reinolt und seine Brüder verlässt, wird, wie bereits gesehen, endlich der Weg frei für Friedensverhandlungen zwischen den rebel­lischen Vasallen und König Karl. Die bis dahin bestehende massive Gefährdung der königlichen Stellung spiegelt sich in der Versöhnungsszene wider, in der Reinolt schließlich Karls Überlegenheit öffentlich anerkennt (Rei. V.  13015–13024). Die getroffene Übereinkunft besteht aus zwei unterschiedlichen Elementen. Karls Forderung nach Überlassung von Reinolts Eigentum, das er ihm anschließend als Lehen wieder ausgibt, symbolisiert die wiedergewonnene potestas des Königs innerhalb des politisch-feudalen Systems.

Das Pferd Bayard 

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Die zweite Komponente der Sühnevereinbarung zielt hingegen auf eine Restitution der sakralen auctoritas des Königs. Gegen den hartnäckigen Widerstand von Reinolts Brüdern besteht Karl nachdrücklich auf der Auslieferung des exorbitanten Pferdes – und damit auf der Ausschaltung des, nach dem Verschwin­den von Malagis, einzig noch verbliebenen Helfers der Rebellen, der mit übernatürlichen Kräften begabt ist. Während im Renaut de Montauban ­Bayard dem vom König geplanten Tod durch Ertränken aber entgehen kann, die ihm zu diesem Zweck umgehängten Mühlsteine abwirft, auf die andere Seite des Flusses gelangt und in die Ardennen entschwindet, ertrinkt in der niederländisch-deutschen Fassung das mächtige Ross in einer dramatischen Aktion nach zwei vergeblichen Versuchen, nachdem Reinolt, auf Verlangen Karls, den Blickkontakt zu ihm abbricht und damit die Herrschaft über und die Verbindung zu seinem tierischen Begleiter aufgibt (Rei. V. 13138–13241). Mit dieser Szene ist die Peripetie der Erzählung erreicht, Reinolts Widerstand endgültig gebrochen und die Autorität des Königs wiederhergestellt. Statt in seinem Kampf gegen den mit Gott im Bund stehenden Karl auf widernatürliche Helfer von der Art eines Bayard oder auch des ­zauberkundigen Malagis zu vertrauen, führt Reinolt nun ein dezidiert christliches Leben. Und obschon er sich auch zuvor als treuer Sohn der Kirche gezeigt hat, wirkt Gott erst jetzt, da Reinolt auf seine übernatürlichen Helfer verzichtet und sich dem rex christianissimus unterworfen hat, gleichfalls für den ehemaligen ­Gegner Karls Wunder, das Rebellenepos nimmt damit hagiographische Züge an. ­Reinolt erlebt in der Waldeinsamkeit, in die er sich zurückzieht, seine ­conversio. Er beichtet einem Eremiten seine Sünden, und diesem wird später von Gott offenbart, dass Reinolt zur Befreiung des heiligen Grabes berufen sei (Rei. V. 13363–13570). Der von nun an oft als heilig man bezeichnete Reinolt pilgert daraufhin nach Palästina (Rei. V. 14428–14479), kehrt aber bald nach Europa zurück und verdingt sich als anonymer Arbeiter beim Bau des Kölner Domes, wo ihn bald neidische Kollegen erschlagen. Nach seinem Tod geschehen viele Wunderzeichen, sodass Reinolt rasch zum weithin verehrten Heiligen wird. Als Karl von der Tat erfährt, rächt er den Mord an seinem ehemaligen Feind (Rei. V. 15225–15307). Zur Existenz des heiligmäßig lebenden Reinolt passt das mächtige Ross, Symbol der adelig-ritterlichen Lebensweise, nicht länger – zumal es diabolische Anteile hat. Deshalb erscheint es nur folgerichtig, wenn der gleichsam animalische Anteil der ehemaligen ritterlichen Existenz Reinolts radikal abgetötet und nicht lediglich, wie in den (meisten) französischen Versionen, abgespalten wird. Selbst der Karren, der den Leichnam des getöteten Heiligen von

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Köln nach Dortmund bringt, rollt auf wunderbare Weise von selbst dorthin, Pferde werden dazu nicht gebraucht (Rei. V. 15199–15216). Im wahrscheinlich etwa zur gleichen Zeit aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzten und synchron rezipierten Doppelwerk Malagis/Reinolt von Montelban werden damit, so lässt sich abschließend konstatieren, jene beiden Sichtweisen auf das Tier und hier speziell auf das Pferd als Begleiter des Menschen enggeführt, die sonst häufig auf unterschiedliche Textsorten verteilt sind  : die adelige und die klerikale.30 In beiden Texten sind jeweils beide Perspektiven auszumachen, allerdings in unterschiedlicher Intensität. Im Reinolt, der mit dem Rückgriff auf die französische Renaut-Tradition entstehungschronologisch als älterer der beiden Texte angesehen werden muss und wohl auch früher in die Niederlande gelangte, steht die eingangs skizzierte konstitutive Bedeutung des Pferdes für den Ritteradel sowie die adelige Faszination für das militärische Potential des Gefüges Ritter/Pferd im Vordergrund. Mit dem – auf dem etwas jüngeren französischen Maugis basierenden – Malagis wird der im Reinolt greifbaren Ideologie dann aber ein, in der niederländisch-deutschen Fassung noch erheblich stärker konturiertes, klerikales Korrektiv entgegengesetzt. Dort dominiert augenscheinlich eine christlich fundierte Lehrmeinung, die am Beispiel des ›Teufelspferdes‹ Bayard die Gefahren des Animalischen betont und auf dessen Separierung vom Menschlichen dringt.

Bayards Nachleben

Beide Werke haben auch im Druckzeitalter ihre Anziehungskraft nicht verloren, wie zahlreiche französische, niederländische und deutsche Ausgaben des 15. bis 18. Jahrhunderts belegen. Dabei scheint das Faszinationspotential der Haymonskinder auf ihrem Ross Bayard letztlich allerdings noch größer gewesen zu sein, wie die Rezeptionsgeschichte nahelegt.31 Überdies sind bildliche Darstellungen der vier Brüder auf Bayard geradezu ikonisch geworden. Man findet sie nicht nur in den Illustrationen vieler Handschriften und auf Titelblättern von Inkunabeln und Postinkunabeln, zusammen mit Bayard haben sie auch den Sprung aus der Literatur in andere Kontexte geschafft. Eine aus dem 18.  Jahrhundert stammende Darstellung des berühmten Pferdes mit seinen vier Reitern kann man z. B. noch heute ebenso im Giebel eines Hauses im niederländischen Maastricht wie am Eingang einer ehemaligen Gastwirtschaft im nordfranzösischen Lille entdecken. Und im belgischen Dendermonde findet seit dem 16. Jahrhundert und bis heute ununterbrochen alle zehn Jahre ein gro-

Das Pferd Bayard 

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ßer Umzug statt, bei dem ›Beiaard‹ durch die Stadt geführt wird – ein riesiges Holzpferd, auf dem vier Reiter sitzen, die, mindestens sieben und höchstens vierundzwanzig Jahre alte, Brüder aus einer Dendermonder Familie sein müssen.32 Der Umzug, und somit auch Bayard und seine Reiter, sind mittlerweile sogar Teil des UNESCO-Weltkulturerbes geworden. Bis heute fasziniert also offenkundig die eingangs erwähnte Vorstellung vom gerüsteten Ritter hoch zu Ross – ganz besonders anscheinend, wenn man sie gleich in vierfacher Gestalt und auf einem außerordentlichen Pferd anschauen und bewundern kann. Im kulturellen Gedächtnis der Neuzeit scheint sich damit das Bild des Wunderpferds als eines starken und schützenden Helfers durchgesetzt zu haben, der von allen Ambivalenzen frei bleibt. Die spätmittelalterlichen Texte zeigen dagegen einen kaum zu bändigenden Tierbegleiter, der gleichermaßen fasziniert und beunruhigt. Bayards maßlose Kühnheit und Kraft machen ihn nicht nur zum perfekten Helfer, sie verleihen ihm auch eine Eigenmächtigkeit, der mit Distanzierung und Abspaltung begegnet wird. Das dienstbare Pferd gewinnt dämonische Züge also gerade da, wo seine favorisierten Eigenschaften und Leistungen auf die Spitze getrieben werden und die Möglichkeit einer Gleichrangigkeit von Ross und Reiter aufscheint.

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Die Katze Denise Grduszak

Die Katze. Eine unabhängige Komplizin »Ein Mensch fühlt sich zum Menschen hingezogen, und wenn ihm das einmal bei einem Tier passiert, ziehen ihn dessen menschliche Eigenschaften an.« (Midas Dekkers)1

1 Auf den Spuren der Katze

Kaum eine Verbindung zwischen Mensch und Haustier begründet sich derart paradox wie jene zwischen Mensch und Hauskatze. Denn einerseits zeigen sich Katzen in menschlichen Behausungen aufgrund ihres Drangs zur Mäusejagd als unabhängige und dienstbare Hausgenossen, andererseits geben sie sich erwartungsvoll der Zuwendung des Menschen hin und erinnern in ihren Reaktionen darauf an kleine Kinder. Auch in der mittelalterlichen Gesellschaft besetzen Katzen den Platz »an der Schwelle zwischen dem ›Familiären‹ und dem ›Wilden‹«.2 Diese nicht unproblematische Position führt zwar zur Anerkennung ihres Nutzens, zugleich scheint sie aber den Ausdruck von Zuneigung zu behindern. Die Autonomie der Katze, die sich der Kontrolle des Menschen entziehen muss, um ihren Beitrag zum gegenseitigen Zweckbündnis zu erfüllen, erschwert offenbar aufseiten des Menschen eine vertrauliche Bindung oder führt gar zur Dämonisierung des Tieres.3 Und doch erscheint ausgerechnet die Unabhängigkeit der Katze als wesentliche Voraussetzung für ein eher freundliches Miteinander von Katze und Mensch. Von Natur aus sind wilde Katzen lichtscheue Einzelgänger, die ihr Revier gegen Artgenossen verteidigen und nur in der Paarungszeit mit ihnen Kontakt aufnehmen. Dennoch bezogen Katzen bereits in archaischer Zeit aufgrund der komfortablen Versorgungslage agrarischer Siedlungen den Raum in der Nähe des Menschen. Das natürliche Nahrungsangebot für die Katze in menschli-

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cher Umgebung erwies sich als nützliche Voraussetzung für ein beidseitiges Bündnis und führte am Ende der Antike zur Ausbreitung von Katzen im gesamten europäischen Raum. Spätestens seit dem 11.  Jahrhundert profitieren Katzen auch von Fütterungen in menschlichen Behausungen und erweisen sich als Haus- und Tischgenossen, wie physiologische Veränderungen an Katzenskeletten belegen.4 Während sich die Archäozoologie mit Fragen der Bedürfnisbefriedigung befasst, vermitteln Illustrationen in mittelalterlichen Handschriften sublimere Einsichten. Vornehmlich an den Blatträndern zahlloser Manuskripte zeigt sich eine Vielfalt liegender, stehender oder jagender Katzen.5 Diese Abbildungen erfüllen nicht nur indexikalische oder mnemotechnische Funktionen, sondern verweisen in der Farbe und Gestalt ihrer individuellen Ausführungen sowie in den gelegentlich beigefügten Namen auf engere Bindungen oder zumindest sporadische Begegnungen zwischen Mensch und Katze. Nicht erst in den spätmittelalterlichen Werkstätten leisten die lebendigen Mausefallen ­einen unschätzbaren Beitrag zum Schutz der Beschreibstoffe, erstmals hinterlassen sie hier auch selbst Spuren, die sich eher dem Zufall als einer Absicht verdanken. Zwei Manuskripte aus dem 15.  Jahrhundert sind bekannt, in denen mit Tinte oder anderen Substanzen verschmutzte Pfoten die Anwesenheit von Katzen in Schreibstuben bezeugen.6 Für eklatante Verärgerung sorgte indes eine Katze, die auf eine Buchseite urinierte und damit den Text auf dem Papier auslöschte. Der entsetzte Schreiber hinterlässt neben dem Fleck einen wort­reichen Kommentar, indem er die Katze verflucht und Leser vor unbeaufsichtigten Katzen in der Nähe von Büchern warnt. Das Ausmaß des Schadens verdeutlicht er zudem durch die Einzeichnung von Zeigehänden, und inmitten des Flecks skizziert er eine Katze, die fortan Tatbestand und Schuldigkeit vor Augen führt.7

2 Weltabkehr mit Katzenbegleitern

Wie die Katzenbilder und Körperspuren belegen auch die mittelalterlichen Texte selbst unterschiedliche Beziehungsformen zwischen Mensch und Katze. Bereits im 6. Jahrhundert erscheinen Katzen als anschmiegsame und folgsame Begleiter sowie als dienst- und dankbare Wesen in irischen Heiligenerzählungen. Ihre Gegenwart betont die Auserwähltheit der Heiligen, doch profitieren sie darüber hinaus von der Gastfreundschaft irischer Mönche.8 Wie frühzeitig sich dauerhafte, bisweilen auch enge Bindungen zwischen Mensch und Katze entwickeln,

Die Katze  

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belegen die feinsinnigen Zeilen, die ein irischer Mönch am Ende des 8. Jahrhunderts in einer kleinen mehrsprachigen Textsammlung aufzeichnete  : Messe ocus Pangur Bán · cechtar nathar fria sainda bíth a menmasam fri seilgg · mu menma céin im saincheirdd. Caraimse fos ferr cach clú · oc mu lebran leir ingnu ni foirmtech frimm Pangur Bán · caraid cesin a maccdán. Orubiam scél cen scís · innar tegdais ar noendís taithiunn dichrichide clius · ni fristarddam arnáthius. Gnáth huaraib ar gressaib gal · glenaid luch inna línsam os mé dufuit im lín chéin · dliged ndoraid cu ndronchéill. Fuachaidsem fri frega fál · a rocs anglése comlán fuachimm chein fri fegi fis · mu rocs reil cesu imdis. Faelidsem cu ndene dul · hinglen luch inna gerchrub hi tucu cheist ndoraid ndil · os me chene am faelid. Cia beimmi amin nach ré · ni derban cách a chele maith la cechtar nár a dán · subaigthius a óenurán. He fesin as choimsid dáu · in muid dungní cach oenláu du thabairt doraid du glé · for mu mud cein am messe. (Altirischer Text nach Stokes/Strachan 1903, S. 293 f.) (Ich und Pangur Bán, jeder von uns beiden [folgt] seiner Berufung  ; sein Sinnen [gilt] der Jagd, mein eigenes meinem besonderen Handwerk. Ich liebe die Ruhe mehr als allen Ruhm, bei meinem Büchlein mit eifriger Wissbegier  ; Pangur Bán neidet es mir nicht, er liebt selbst seine jungenhafte Beschäftigung. Geschichte ohne Ermüdung  : Wenn wir in unserer Behausung sind, nur wir beide – unbegrenzt die Leistungen –, haben wir etwas, worauf wir unseren Scharfsinn richten. Zur gewohnten Stunde geht ihm durch seine kämpferischen Taten eine Maus ins Netz  ; auch bei mir fängt sich im Netz eine Aussage mit vertrackter Bedeutung. Das Auge, mit vollständig geschärftem Blick, [richtet] er auf die Heckenwand. Mein Auge schärfe ich für die Klarheit des Wissens, obwohl es schon geschwächt ist. Er freut sich an [seiner] Schnelligkeit, wenn eine Maus sich in seinen Klauen fängt. Wenn ich ein erlesenes, schwieriges Problem verstehe, bin auch ich erfreut. Obwohl wir auf diese Weise auf Dauer [zusammen] sind, stört keiner den anderen, erfreut sich jeder allein an seinem Handwerk. Er ist selbst Herr über seine Arbeit, die er täglich ausführt. Um Klarheit in Schwierigkeiten zu bringen, bin ich bei meiner eigenen Arbeit.)9

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In den liebenswürdigen Zeilen des unbekannten Verfassers spiegeln sich typische Merkmale einer Mensch-Haustier-Beziehung  : Der Kater hat einen Namen,10 und der Besitzer schätzt die angenehme Gesellschaft des Tieres einzig zum Vergnügen. Dazu vermitteln die Verse den Eindruck einer Spannung von Einsamkeit und Zweisamkeit, wobei sich zwischen den Aktivitäten von Mensch und Tier völlige Harmonie herstellen kann, wenn beispielsweise bei einer plötzlichen Regung lautloses Ausharren in eifriges Kämpfen oder Denken umschlägt. Der Verfasser beschreibt die Tätigkeiten beider Gefährten durch variierte Wortwiederholungen und erzielt dadurch den Effekt, Ähnlichkeiten in den unterschiedlichen Beschäftigungen hervorzuheben. Für den Verfasser mindert die Analogie zwischen dem mörderischen Spiel des Katers und der geistigen Arbeit des Mönchs in keiner Weise die Vollkommenheit und Beständigkeit der Verbindung. Zudem zeugen seine Beobachtungen von Anerkennung und Bewunderung für den unverzagten Jäger und verweisen letztlich auf das Wohlgefallen an der eigenen Arbeit. Pangur Báns Wesen  – still, eigenständig, geduldig und geschickt – empfiehlt ihn als idealen Begleiter und liefert für das Zusammenleben von Mensch und Tier in der Abgeschiedenheit des Klosters gute Gründe. Diese Beschreibung der Verbindung zwischen Mönch und Kater bleibt indes eine Ausnahmeerscheinung. Weithin weisen Texte aus dem monastischen Umfeld eher die Tendenz auf, Katzen als unangenehme oder zumindest zwiespältige Begleiter des Menschen zu deklassieren oder die Gemeinschaft als Verstoß gegen die Schöpfungsordnung zu werten. Zwar finden sich zwischen den Zeilen gelegentlich Anspielungen auf freundschaftliche und zärtliche Regungen, zumeist führen solche Vertraulichkeiten aber zur Ablehnung der Bindung an das Tier. Seit dem 9.  Jahrhundert verselbständigt sich in chronikalischen Überlieferungen das »literarische Wandermotiv […]  : Der Eremit und seine Katze«,11 wobei zumeist auf die Gefahren der Verbindung zwischen Einsiedlern und Katzen abgehoben wird. So verurteilen die theologischen Geschichtswerke eines Johannes Diaconus oder Ermoldus Nigellus die Beziehung gerade wegen der Zuneigung und Wertschätzung, die der Eremit der Katze entgegenbringt.12 Ermoldus warnt um 830 König Pippin vor seiner überschwänglichen Liebe zu Hunden mit einem Exempel über einen Einsiedler, der zunächst allein in der Wüste lebt und Visionen von Gott empfängt. Als er eines Tages eine Katze in seinem Haus aufnimmt, die fortan Tischgenossin und Gesellschafterin ist und seine wachsende Fürsorge und Liebe auf sich zieht, bleiben ihm die Visionen versagt. Als der Einsiedler deswegen in heftige Verzweiflung gerät, macht ihn Christus selbst auf seine Verfehlung aufmerksam  : Seine Liebe zum Tier sei grö-

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ßer als seine Liebe zu Gott. Der Eremit zieht mitleidlose Konsequenzen, indem er das Tier verprügelt und aus dem Haus vertreibt, damit es seine Mäuse wieder draußen fängt.13 Ein ähnliches Exempel bietet Ende des 9.  Jahrhunderts Johannes Diaconus in der Lebensgeschichte Gregors des Großen. Das Unglück eines Einsiedlers, dem die Anwesenheit und Zuneigung seiner Katze allzu viel bedeuten, besteht darin, dass die Wertschätzung, vor allem aber der Besitz des Tieres seine asketische Lebensanstrengung in Frage zu stellen drohen.14 Beide Chronisten fassen die Hinwendung zum Tier als menschliche Schwäche auf, die die religiöse Bestimmung zur Bedürfnislosigkeit gefährdet. Doch trifft die Gefahr nicht nur den Einsiedler, sondern ebenso das Tier, das seinen von Gott in der Schöpfungsordnung vorgesehenen Platz verlassen hat. Auch Regelwerke für Einsiedlerinnen widmen sich der Vereinbarkeit von Tierhaltung und asketischer Lebensweise. Sie untersagen entweder grundsätzlich die Anwesenheit von Haustieren oder reglementieren deren Auswahl. So warnt Goscelin, ein benediktinischer Schriftsteller des 11. Jahrhunderts, in seinem Liber confortatorius eine gewisse Eva, die ihr Leben als Inkluse fortführen möchte, davor, Katzen, Vögel oder andere kleine Tiere in ihrer Zelle zu halten, da sie nicht nur von der Einsamkeit, sondern vor allem von Gott ablenken würden. Das generelle Verbot von Haustieren legitimiert Goscelin mit dem traditionellen Argument, dass sie die spirituelle Ernsthaftigkeit gefährdeten. Ausnahmslos sieht er in Tieren Rivalen Gottes, die Gefühlsbindungen auslösen und so die asketische Lebensform behindern.15 In einem mittelenglischen Ratgeber für Klausnerinnen mit dem Titel Ancrene Wisse (13. Jahrhundert) plädiert der Verfasser allerdings dafür, dass der Besitz einer Katze geduldet werden könne  : e mine leoue sustren […] ne schulen habbe na beast bute cat ane. Ancre þe haueð ahte. þuncheð bet husewif ase Marthe wes. ne lihtliche ne mei ha nawt beo Marie marthe suster wið griðfullnesse of heorte. (Ancrene Wisse 1962, S. 213) (Ihr, meine lieben Schwestern, […] sollt kein Tier haben außer einer Katze. Eine Klausnerin, die Vieh hat, erscheint als Hausfrau, wie Martha eine war. Schwerlich kann sie Maria sein, Marthas Schwester, mit [ebensolcher] Gleichmut des Herzens.)

Der Besitz von Haustieren und die damit verbundenen ökonomischen und organisatorischen Verpflichtungen sollen die Klausnerin nicht von der Zeit der

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Kontemplation abhalten. Die Argumentation impliziert, dass die Gefahr vor allem in der zeitlichen und nicht in der gefühlsmäßigen Hingabe an die Katze, deren Gesellschaft erlaubt ist, besteht. Dieser Gedanke wird durch die Gegenüberstellung der emsigen und gastfreundlichen Martha mit ihrer Schwester Maria, die für ein kontemplatives Leben steht, verstärkt.16 Der Verfasser verwischt den Widerspruch zwischen asketischem Leben und Katzenhaltung, indem er die Bedingungen reformuliert. So erscheint nur die Katze ihrer Unabhängigkeit wegen geeignet für das Zusammenleben, da sie weder das seelische und körperliche Wohl der Einsiedlerin bedrohe noch von der Askese ablenke. In jedem Fall ist anzunehmen, dass die monastischen Tierverbote aus der Notwendigkeit entstanden, die offenbar gängige Praxis der Haltung von Haustieren zu reglementieren.17

3 Naturkundliches Wissen von der Katze

Bereits in spätantiken Naturenzyklopädien setzt sich die umgangssprachliche Bezeichnung catta für die Hauskatze im Gegensatz zur Bezeichnung felis für die Wildkatze durch.18 Die Nähe zum Tier erscheint somit erstmals als Kriterium der begrifflichen Unterscheidung. Im frühen Mittelalter setzt sich die Differenzierung weiter fort, was der Katze aufgrund ihrer Namensvielfalt eine Sonderstellung in den naturkundlichen Schriften einträgt. So schreibt Isidor von Sevilla zu Beginn des 7. Jahrhunderts  : Die Katze (musio) heißt so, weil sie den Mäusen gefährlich ist. Diese nennt der Volksmund catta, [und zwar] vom Fangen (captio) her. Andere sagen, weil sie cattat, d. h. sieht. Denn sie sieht so scharf, dass sie durch das Blitzen ihrer Augen die Dunkelheit der Nacht überwindet. Daher kommt auch das griechische cattus, d. h. ingeniosus (begabt) von kaiesthai (angezündet werden). (Isidor von Sevilla  : Enzyklopädie, S.  461  ; Übersetzung L. Müller.)

Neben der volkssprachlichen Bezeichnung catta führt Isidor die Bezeichnung musio an, die er aus dem Beutetier, der Maus (mus), ableitet.19 Grundsätzlich zielen beide etymologischen Herleitungen auf die besonderen Fähigkeiten der Katzen  : erstens ihre Begabung zur Mäusejagd (musio), zweitens ihre Fähigkeit zum nächtlichen Sehen (catta). Im hohen und späten Mittelalter wurden Isidors Auslegungen durch weitere Autoritäten ergänzt.20 So beginnt noch Konrad von Megenberg in seinem Buch der Natur den Eintrag zur Katze mit

Die Katze  

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der Aufzählung  : Musio oder murilegus oder cattus haizt ain katz (Megenberg 1861, S. 151). Konrad wiederholt die bemerkenswerte Sehfähigkeit der Katze in der Nacht und führt ihre Aggressivität während der Paarungszeit und bei Revierkämpfen aus. Ferner charakterisiert er die Katze als Wesen, das sich als unerfahrenes Jungtier oder auch bei der Suche nach Sexualpartnern blindlings in Brunnen stürzt.21 Einen Zusammenhang stellt Konrad zudem zwischen dem Verlust der Schnurrhaare und dem Verlust der küenhait des Tieres her und empfiehlt eine absonderliche Praxis, um wildgewordene Katzen wieder zu zähmen  : wenne ain zameu katz wild well werden, sô sneid ir die ôren ab, sô vallent ir die regentropfen in daz haupt und mag niht ze wald beleiben, dar umb wirt si wider zam (Megenberg 1861, S. 152  : »Wenn eine zahme Katze wild werden will, schneide ihr die Ohren ab, dann fallen ihr die Regentropfen in den Kopf und sie mag nicht im Wald bleiben und wird wieder zahm«). Der Wert von Katzen bemaß sich offenbar vor allem an ihrem Nutzen als lebende Mausefallen, doch wurde ihnen vielerorts auch wegen ihres Fells nachgestellt. Seit dem 11. Jahrhundert ist der Handel mit Katzenfellen belegt. Da Hauskatzen eine leichtere Beute waren als ihre scheuen Artgenossen im Wald, versuchten manche städtische Katzenliebhaber das Fell ihrer Katze absichtlich zu verderben, um sie für Kürschner und Fellspekulanten uninteressant zu machen.22

4 Katzen in der moraltheologischen Dichtung des Odo von Cheriton

Nicht erst Konrad von Megenberg präsentierte sein Wissen von der Katze als Kompilation unterschiedlicher Quellen. Einer ebenso langen Erzähltradition entstammen die Fabeln des Odo von Cheriton. Der Theologe und Dichter des 12. Jahrhunderts empfahl seine Fabeln für ein klerikales Publikum.23 Auffällig ist zunächst die Nähe der Katze zum Menschen. Klöster oder andere Wohnstätten stellen nicht lediglich Lebensräume der Katzen dar, sondern erweisen sich auch als Orte vestimentärer und sozialer Anpassung. Die Fabel von der Katze und der Ratte (De Quodam Murilego et Ratone)24 erzählt, wie eine Katze in einem Refektorium Mäuse fängt, bis nur noch eine große Ratte übrig bleibt. Nachdem die Katze ausführlich darüber nachgesonnen hat (cogitabat multum), wie sie auch die Ratte fangen könnte, verkleidet sie sich schließlich als Mönch und setzt sich unter die speisenden Klosterbrüder (monachalem habitum suscipiens, inter alios monachos sedit et com[m]

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edit). Als die gefangene Ratte später fragt, wie denn ein Mönch so grausam sein könne, antwortet die Katze  : quando volo, monachus sum, et dum volo, Catus sum (»wenn ich will, bin ich Mönch, und wenn ich will, bin ich Katze«  ; Hervieux, S. 598). Nach diesen Worten verschlingt sie die Ratte. Die geglückte Täuschung gilt Odo allerdings als Warnung vor Heuchlern, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Dass eine Katze unter Mönchen lebt und sich dem monastischen Milieu anverwandelt, spricht für ihre alltägliche Präsenz im klerikalen Umfeld. Als unauffällige Tischgenossin begibt sie sich unter die Mönche, um ihre Nützlichkeit durch die Täuschung zu steigern. Doch der erwünschte Jagderfolg führt nicht zur Anerkennung, sondern zur negativen Auslegung ihrer hinterhältigen Verstellung. Diese Deutung erklärt vielleicht auch, weshalb Odo noch in weiteren Fabeln von scheiternden Listen der Katze erzählt, so etwa in der Geschichte vom Storch und der Katze (De Ciconia et Catto)25 oder der Geschichte von der Maus, die in den Bierschaum gefallen ist (Qualiter Mus Cecidit in Spumam Serviciæ).26 Als Gegenspielerin der Maus unterliegt zuletzt die Katze trotz eines listig eingefädelten Täuschungsmanövers. Sie bietet der Maus nämlich die Rettung aus dem Bierschaum an, sofern diese sich beim nächsten Rufen der Katze ausliefert. Zwangsläufig willigt die Maus ein und kommt mit dem Leben davon. Als die hungrige Katze aber nach ihr ruft, bricht sie ihr Versprechen mit der Erklärung  : Eberia fui, quando juravi (»Ich bin betrunken gewesen, als ich schwor«  ; Hervieux, S. 635). Zentral für die Taktik der Katze ist nicht ihre Fresslust, sondern das grausame Kalkül. Statt die Maus sofort zu fressen, nötigt die Katze ihr das Versprechen ab, sich freiwillig ihrer ärgsten Feindin zu überantworten. Von der Inszenierung dieses mörderischen Spiels verspricht sich die Katze offenbar einen zusätzlichen Genuss, der ihr letztlich jedoch entgeht. Auf andere Art scheitert die Katze als Widersacherin des Storchs. Mit schmeichelnden Worten (O avis pulcherrima, »Oh du schöner Vogel«, Hervieux, S.  654) versucht sie zunächst, den Storch zum Öffnen des Schnabels zu bewegen, um den darin befindlichen Aal zu erbeuten. Da der Vogel nicht antwortet und an seinem Fang festhält, gerät die Katze zunehmend in Verärgerung und beschimpft den Storch als unreines und schändliches Tier.27 Ausgerechnet der Vorwurf der Unreinheit trifft gewöhnlich jedoch die Katze selbst. Er beruht auf der Auffassung, dass sie sich von unreinen Tieren ernährt und auf diese Weise selbst unrein wird. Die Schädlichkeit der Nager wird von der Katze gewissermaßen einverleibt und erzeugt Abscheu und Unbehagen, wie die Fabel vom Bankett des Löwen (Qualiter Animalia Invitata Sunt a Leone ad Magnum Convivium)28 veranschaulicht. Bei einem Festmahl des Löwen dient

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die Katze als Ratgeberin bei der Speisenauswahl, doch ihre Empfehlung von Mäusen und Ratten führt bei den Gästen zu Ekel und Verärgerung.29 Odos Auslegung bedient sich der Nahrungsgewohnheiten der Katze zur Veranschaulichung der seelischen Verunreinigungen, denen manche Menschen aufgrund der Ausschweifungen bei Gastmählern unterliegen. Die Gefräßigkeit der Katze, wie sie sich hier schon abzeichnet, steht im Mittelpunkt der Fabel vom Käse in der Kiste (De Quodam Habente Caseum in Archa).30 In einer Truhe sitzt eine Ratte und nagt an einem Käse. Der geschädigte Hausherr holt die Katze und setzt sie ebenfalls in die Kiste, wo sie die Ratte und den verbliebenen Käse verspeist. Ohne List, lediglich durch die Ausübung ihrer Berufung macht die Katze doppelte Beute. Ihre ungezügelte Gefräßigkeit erscheint als kategorisches, wiewohl ambivalentes Merkmal. Diese Ambivalenz wird durch die Unreinheit der Katze noch gesteigert. Angespornt durch Fresslust und Faulheit nähert sie sich dem Storch lieber als jähzornige Heuchlerin, statt selbst einen Fisch zu fangen, oder tritt der Ratte und der Maus als kalkulierende Jägerin entgegen. Aus völlig anderer Perspektive ist das Exempel vom schönen und stattlichen Mäusefänger (De Murelego pulchro et pingui) erzählt.31 In einem Gespräch zwischen Nachbarn geht es um die Furcht vor dem Verschwinden der schönen Katze. Deren Streunen soll verhindert werden, indem ihr der Schwanz abgeschnitten und das Fell verbrannt wird (caudam abscidit et partem pellis comhussit  ; Hervieux 1884, S. 689). Das Exempel schließt mit der Empfehlung, allzu unternehmungslustigen Frauen die gleiche Behandlung zuteilwerden zu lassen, da entstellte Frauen nicht gerne vor die Tür gehen. Die Katze, die sich gerne zeigt und herumstreicht, wird damit zum Sinnbild gefallsüchtiger Frauen.

5 Die Katze in der höfischen Literatur

Die Eigenschaften, die der Katze in der moraltheologischen Literatur und naturkundlichen Werken attestiert werden – wie ihre Neigung zur Zurschaustellung, Gefräßigkeit und Listigkeit, ihr unvernünftiges Begehren nach flüchtigen Geschlechtspartnern und unsteten Bindungen  – bilden lange Zeit den Fundus für weitere Allegorien. Katzen und Kater verkörpern unkontrollierte und untreue, törichte und hoffärtige, aber auch Behaglichkeit liebende Menschen, auf deren moralische Besserung die höfischen Lehrdichtungen des 13.  Jahrhunderts abzielen. So verfasste der Stricker die Kurzerzählung Der Kater als

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Freier und Herrand von Wildonie eine weitere mit dem Titel Diu katze.32 Die Texte stützen sich auf unterschiedliche Quellen, weisen aber ein ähnliches Erzählschema auf.33 Ein sich selbst überschätzender Kater begibt sich auf die Suche nach der besten Partnerin. Der Stricker lässt den Kater nur Rat bei einer Füchsin suchen, während Herrand den Kater tatsächlich auf Brautschau ziehen lässt. Im Prolog beider Erzählungen geben die Kater jeweils Auskunft über sich selbst, so bei Herrand  : ein tier sô wolgetân als ich, daz wæne ich, iendert sî, und bin doch dirre katzen bî. ich bin küene und dar zuo starc, ich bin snel und dar zuo karc, schœne und edeles lîbes  : sol ich dâ bî des wîbes mich betragen, diu hie lît, sô het ich gar mîne zît verzert mit swachen dingen. mir sol noch baz gelingen. sô edel sô schœne ist niendert wîp, si enminne gerne mînen lîp. (Herrand v. Wildonie  : Diu katze, V. 6–18) (Ein Tier so wohlgeschaffen wie mich gibt es nirgendwo, und doch bin ich zusammen mit dieser Katze. Ich bin mutig und stark, schnell und schlau, habe einen schönen und edlen Leib. Wenn ich mich mit der Frau, die hier liegt, begnüge, hätte ich meine Zeit recht unnütz vertan. Ich bin zu Besserem bestimmt. So edel und schön ist keine Frau, dass sie mich nicht lieben möchte.)

Im Vertrauen auf seine unwiderstehlichen körperlichen Vorzüge und aufgrund der Unzufriedenheit mit seiner angestammten Partnerin bricht der Kater zur Brautfahrt auf. Die Eigenschaften, derer er sich ungeniert brüstet (küene, karc, schoene, edel), entstammen dem Fundus ritterlicher Attribute, sodass der Kater zum Sinnbild eines ritterlichen Brautwerbers wird, dem als Bester die Schönste zusteht. Überzeugt von der eigenen Vortrefflichkeit versündigt er sich der superbia (Hoffart) und verleugnet seine natürliche Bestimmung. Diese Fehleinschätzung führt ihn zur Abkehr von der eigenen Art und zum Unvermögen,

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eine angemessene Partnerin zu finden. Mit der Maus als Gattin entpuppt sich der Kater als Exempel eines eingebildeten und törichten Abenteurers. Zur moralischen Belehrung des höfischen Publikums eignete sich die Allegorie eines standesabtrünnigen Katers besonders, zumal in theologischen Exempeln seit dem Frühmittelalter der Verstoß der Katzen gegen christliche Ordnungsvorstellungen moniert wurde.34 Das Misstrauen der Theologen erwächst aus der angeblichen Neigung der Katze zu artunspezifischen Bindungen. Entsprechend zeigt sich der Kater in der hochmittelalterlichen Lehrdichtung als Repräsentant des falschen Begehrens nach ständischer Mobilität. Sowohl beim Stricker als auch bei Herrand von Wildonie ist es explizit der Kater, der sich überschätzt und zur Untreue neigt. Die Katze hingegen begnügt sich mit der Gemütlichkeit eines warmen Ortes, wie Herrand eingangs schildert  : Ein katze lac und het gemach  ; ûf einem oven daz geschach (Herrand v. Wildonie 1969, V.  1  f.: »Eine Katze hatte es sich auf einem Ofen bequem gemacht«). Auch bei der Heimkehr des Katers liegt sie an ihrem Platz und zeigt kein Interesse an den Erfahrungen ihres reuigen Mannes. Unaufgeregt und gleichmütig vergibt sie ihm sogar seine anfänglichen Schmähungen.35 Der Stricker widmet der Katze eine eigene Kurzerzählung, in der sie als Allegorie eines unzüchtigen Menschen erscheint  :36 Daz ist ieslicher katzen muot  : sæhe si vor ir unbehuot hundert tûsent ezzen stên, si wolde zuo in allen gên. daz si niht gezzen möht und ir ze nihte entöhte, daz machete si doch unreine, daz si würden elliu gemeine den liuten ungenæme und ze ezzen widerzæme. alsam tuot ein unreiner man, der nimmer sô vil wîbe enkan gewinnen, als sîn herze gert. Er versuochet wert und unwert  : die er niht minne mac gewern, die will er dannoch niht verbern – er benaschet bœse unde guot. […]

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bejaget er katzenlop dâ mite, daz dunket mich vil billîche  : er tuot der katzen vil gelîche. (Der Stricker  : Der Kater als Freier, V. 1–17, 24–26) (Dies ist die Veranlagung jeder Katze  : sieht sie hunderttausend Essen unbewacht vor sich stehen, würde sie gerne zu allen hinrennen. Was sie nicht essen könnte und nichts für sie wäre, das würde sie doch verunreinigen, so daß alles für die Leute abstoßend und ungenießbar wäre. In derselben Weise verhält sich ein unkeuscher Mann, der nicht so viele Frauen bekommen kann, wie sein Herz begehrt. Er probiert es bei allen Sorten  : auf die, die seine Liebe nicht wollen, will er dennoch nicht verzichten – er nascht an schlechten und guten. […] Erntet er dadurch Katzenlob, so scheint mir das nur gerecht  : er verhält sich ja auch wie eine Katze.)37

Seit dem frühen Mittelalter haftet den Katzen der Vorwurf an, sich der Völlerei (gula) zu versündigen und zwar bevorzugt an frisch aufgetischten Speisen.38 Neben der Naschlust wird der Katze aber auch Unreinheit vorgehalten, wie schon die Fabel vom Bankett des Löwen zeigte. Diesen Vorwurf konzentriert der Stricker auf die Verunreinigung menschlicher Speisen. Dass Katzen als unverzichtbare Reinigungskräfte geduldet werden müssen, aufgrund ihrer Unreinheit aber als abschreckende Exempel dienen können, verdeutlichen die Verse des Spruchdichters Reinmar von Zweter (13. Jahrhundert) über den Nutzen der Katze als Haustier  : Merk, tumbes muotes junger man, War umb drî crêâtiure, der hunt, diu katze unt ouch der han, Heizen hûsgeræte  : dâ râtent si, daz manegem kumt ze guot. […] Diu katze mint unreine, entreint daz reine  : daz tuo dû niht, hab reine site gemeine  ! (Reinmar 165,7 f., S. 493) (Merke dir, du unerfahrener junger Mann, / warum drei Wesen, der Hund, die Katze und auch der Hahn / Hausrat genannt werden  : Dieser Ratschlag kommt manchem zu Gute. […] Die Katze liebt das Unreine und verunreinigt das Reine, / folge nicht ihrem Beispiel, sondern handle stets nach reiner Sitte.)

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Anhand der Aufgaben von Hund, Katze und Hahn beschreibt Reinmar die Vorteile des Haustierbesitzes  : Der Hund warnt vor fremden Menschen, die Katze beseitigt Mäuse, und der Hahn verkündet die Tageszeiten. Während Hund und Hahn ausschließlich durch ihre positive Darstellung auffallen, ist die Katze gleich doppelt negativ markiert  : in ihrer Vorliebe für unreine Nahrung und durch ihre Veranlagung zur Verunreinigung. Allen schlechten Angewohnheiten zum Trotz gehört die Katze dennoch in die Reihe der empfohlenen Haustiere, wobei der logische Widerspruch nur marginal durch ihre allegorische Funktion als Negativbeispiel gemildert erscheint. Auch hier zeigt sich die Katze als ein zwiespältiges Wesen, dessen unbändiges Verhalten zwar zu reglementieren, aufgrund seiner Unerlässlichkeit für den Haushalt aber auch zu erdulden ist. Dass Katzen nicht nur Mäusen, sondern auch Rittern gefährlich werden können, behauptet ein Gedicht, das Guillaume  IX., Herzog von Aquitanien, um das Jahr 1100 verfasste.39 Ein als Pilger verkleideter Ritter wird von zwei adligen Damen gastfreundlich aufgenommen und gut versorgt. Da er sich stumm stellt, wittern sie die Gelegenheit zur heimlichen Befriedigung ihres ­sexuellen Begehrens. Doch zuvor muss die Verschwiegenheit des vermeintlichen Pilgers überprüft werden. Zu diesem Zwecke holt eine der Damen nostre gat ros (»unseren roten Kater«  ; Guillaume, V.  51, S.  11) herbei, ein schnurrbärtiges Wesen, das dem Ritter bösartig und grausam erscheint. Die Diskretion des Katers voraussetzend, benutzen die Damen das Tier, um dem Ritter zunächst Angst einzujagen  : Et eu, can lo vi entre nos, Aig n’espavent, Q’a pauc non perdei la valor E l’ardiment. (Guillaume, V. 57–60, S. 11) (Und ich, als ich ihn unter uns sah, fürchtete ihn sehr, und es fehlte nicht viel, dass ich meine Tugend und meine Kühnheit verlor.)

Dennoch bleibt der Mann stumm. Als die Damen ihm den Kater auf den entblößten Rücken setzen und das Tier am Schwanz ziehen, fährt der Kater seine Krallen aus und fügt dem Ritter hundert Wunden zu  ; selbst jetzt entfährt dem Ritter kein Schmerzenslaut (Guillaume, V. 63–72, S. 12). Die Damen sind nun

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von seiner Sprachlosigkeit überzeugt und behalten ihn für mindestens acht Tage bei sich, in denen sie unzählige Male mit ihm verkehren. Der rote Kater erweist sich als ein Komplize der Damen, der sofort zur Stelle ist und über sich verfügen lässt, wenn seine Hilfe benötigt wird. Zwar bleibt das Tier namenlos, wird aber durch Farbe, Erscheinung und Geschlecht zu einem Typus ausgestaltet, der es mit einem Ritter aufnehmen kann. Von Katzen ist auch in einigen mittelalterlichen Alexanderdichtungen zu lesen. Sie berichten von einer mehrtägigen Tauchfahrt Alexanders zum Meeresgrund, bei der ihn zumeist das Haustiergespann Hund, Kater und Hahn begleitet.40 Als das Seil der Tauchglocke, das seine Rückkehr ermöglichen soll, von seiner untreuen Gattin fallengelassen wird, erinnert sich Alexander daran, dass das Meer nichts Unreines duldet. Daher entschließt er sich kurzerhand, den Kater zu töten und dessen Blut auf die Wände der Tauchglocke aufzutragen. Sogleich treibt ihn das Meer an die Oberfläche und sein Leben ist gerettet.

6 Resümee

Katzen treten in der Literatur des Mittelalters in vielfacher Weise als Begleiter des Menschen auf. Neben ihrem Dasein als unabhängige Gesellschafterinnen in Schreibstuben, Wohnräumen oder Klöstern waren sie vor allem in ihrer Funktion als lebende Mausefallen angesehen und im Haus geduldet. Die untersuchten Quellen leiten daraus eine ambivalente Haltung des Menschen gegenüber den Mäusefängern ab. Einerseits finden Katzen für ihre stille Tüchtigkeit Anerkennung, andererseits wirken sie abstoßend wegen ihres Speiseplans, der Ängste vor Verunreinigung weckt. Darüber hinaus ergeben sich Beziehungsformen, die von der nützlichen Hausgemeinschaft bis zu freundschaftlich-komplizenhafter Koexistenz reichen. Als Allegorien menschlichen Fehlverhaltens stehen Katzen für heuchlerische und gefallsüchtige Menschen, deren Gefräßigkeit und Bequemlichkeit entweder uneingelöst bleibt oder aber bestraft wird. Als Begleiter des Menschen brauchten die Katzen, so scheint es, bereits im Mittelalter ein dickes Fell.

Der Hund Lina Herz

Der beste aller Freunde. Von Menschen und Hunden in mittelalterlicher Literatur

In der Diskussion um Tier-­MenschBeziehungen wird schnell deutlich, dass wohl kein anderes Tier so oft als Freund des Menschen bezeichnet wird wie der Hund,1 und kaum einer fasst dies so schön wie der Humorist Loriot zusammen, der einmal gesagt hat  : »Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.« Die Beziehung zwischen Mensch und Hund scheint eine besondere zu sein. Seit der Antike ist der Hund fester Bestandteil des alltäglichen Lebens nahezu aller gesellschaftlichen Schichten. In der mittelalterlichen Lebenswelt ist der Hund sowohl bäuerliches Nutztier als auch Hof- und Hütehund mit Wächterfunktion,2 gleichzeitig dem höfischen Adel bei der Jagd unerlässlich,3 während insbesondere der städtische Adel und das später aufkommende Bürgertum für die hochgestellten Damen Schoßhunde züchtete.4 Angesichts seiner Domestizierung und seiner ständigen, direkten Beziehung zum Menschen erscheint es wenig verwunderlich, dass menschliche Eigenschaften oder Tugenden auf den Hund übertragen werden. So beschreiben schon antike Bestiarien die Treue des Hundes, betonen die Ergebenheit seinem Herrn gegenüber und seine allgemeine Verlässlichkeit im Gegensatz zu seiner stets weniger deutlich ausgeführten animalischen Natürlichkeit, Wildheit und Triebhaftigkeit.5 Gerade die ihm zugeschriebene Eigenschaft der grenzenlosen Treue stilisiert den Hund nicht nur zum vorbildlichen Gefährten des Menschen, sondern macht ihn auch literarisch interessant. Die Geschichte einer Freundschaft zwischen Mensch und Hund erwies sich immer wieder als erzählenswert. Beispielhaft dokumentiert dieses fast schon intime Verhältnis eine von Homer in der Odyssee erzählte Episode, in der der uralte Hofhund Argos der Einzige ist,

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der nach zwanzig Jahren im wiederkehrenden Odysseus seinen Herrn erkennt und erst dann beruhigt sterben kann.6 Auch in literarischen Texten des Mittelalters, die von Hunden erzählen, wird stets die Besonderheit des Verhältnisses zwischen dem Hund und seinem Herrn beleuchtet. Dabei steht nicht nur die Treue des Hundes im Fokus, sondern auch ihr Gegenstück  : die Liebe des Menschen zu seinem Tier. Davon erzählen die zwei wohl bekanntesten Hunde-Episoden der hochmittelalterlichen Literatur. Im Tristan Gottfrieds von Straßburg (um 1210) trifft der wegen der Trennung von Isolde untröstliche Tristan in Wales auf Herzog Gilan. Dieser lässt sogleich seinen Hund Petitcreiu holen, ein Wunderwesen, das jeden Menschen glücklich zu stimmen vermag  : daz [hundelîn] was gefeinet, hôrte ich sagen, und wart dem herzogen gesant ûz Avalûn, der feinen lant, von einer gottinne durch liebe und durch minne. daz was mit solher wîsheit an den zwein dingen ûf geleit, an der varwe und an der craft, daz zunge nie sô wîse wart, daz sîne schoene und sîn art kunde beschrîben oder gesagen. (V. 15805–15817) (Das [Hündchen] war bezaubernd, wie ich höre, und dem Herzog geschickt worden aus Avalon, dem Feenreich, von einer Göttin aus Zuneigung und Liebe. Es war mit solcher Kunstfertigkeit ausgestattet in Farbe und Zauberkraft, daß eine Zunge niemals so beredt und ein Herz nie so klug war, daß es seine Schönheit und sein Wesen hätte beschreiben und erzählen können. Übersetzung F. Ranke.)

Tristan ist fasziniert von diesem Zaubertier und möchte es unbedingt an sich bringen, um Isolde damit eine Freude zu machen. Da Gilan sich nicht von seinem Schatz aus Avalon trennen will, greift Tristan zu einer List, um sein Ziel zu erreichen. Gilans Klage um Petitcreiu lässt den Rezipienten im Folgenden fast vergessen, dass es sich zwar um ein besonderes, aber eben doch um ein Tier handelt.7 Wenn Gilan den verlorenen Hund als daz beste mîner ougen spil

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und mînes herzen wunne vil (V.  16261–16262) beschreibt, erinnert die zärtliche Bezeichnung als »liebster Augenstern« und »ganze Herzenswonne« an die Worte eines Liebenden gegenüber der Geliebten oder an Liebkosungen, die an das eigene Kind gerichtet werden. Während über Petitcreius Reaktion nichts zu lesen ist, macht der Erzähler deutlich, dass Tristan einen zutiefst bekümmerten Gilan zurücklässt, der den Verlust seines Hundes kaum verwinden kann. Auch im zweiten Beispiel steht der schmerzliche Verlust eines geliebten Hundes im Mittelpunkt. Als im Roman Partonopier und Meliur des Konrad von Würzburg (1277) Partonopier seinen einstigen Weggefährten Anshelm wiedertrifft, erzählt dieser ihm, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen ist. Er berichtet von einem wunderschönen weißen Jagdhund, den er aus einem sinkenden Schiff rettete. Gemeinsam mit Swam, wie er den Hund fortan nennt, kämpft er am Hofe des römischen Kaisers gegen einen Löwen und einen Bären. Dabei stehen sie sich gegenseitig treu zur Seite  : Einmal rettet Anshelm Swam (V. 18335–18341), dann wiederum Swam Anshelm (V. 18058–18063).8 Die innige Verbindung zwischen Mensch und Hund folgt hier – trotz einiger Parallelen – deutlich anderen Parametern als im Tristan. Denn in Partonopier und Meliur wird eine auf Gegenseitigkeit beruhende, gleichsam anthropomorphe Freundschaftsbeziehung entworfen, wie Anshelm selbst betont  : sus wart er mîn geselle und ich zehant der sîne da (V. 17878 f.: »so wurde er mein Freund und ich sogleich der seine«). Der Eindruck einer Freundschaft, in der der Hund die Rolle eines menschlichen Partners einnimmt, einer Freundschaft auf Augenhöhe, verfestigt sich im weiteren Handlungsverlauf. Durch eine Intrige aufgewiegelt lässt der Kaiser Swam zuletzt töten, woraufhin Anshelm zusammenbricht und dem Kaiser, völlig außer sich, ewige Rache schwört. Trotzdem kann er den Verlust nicht verwinden  : für wâr ich daz reden sol  : durch sîne hôhe triuwe in jâmer unde in riuwe versinket noch daz herze mîn, swenn ich gedenke rehte sîn. (V. 18640–18644) (So wahr ich hier sage  : Um seiner großen Treue willen versinkt mein Herz noch immer in Jammer und Schmerz, wann auch immer ich an ihn denke.)

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Während also in der Petitcreiu-Episode im Tristan von einem Hund erzählt wird, der aufgrund seiner wundersamen Wirkung auf den Gemütszustand seines Besitzers besonders geschätzt wird, gleichzeitig aber durch seine besondere Fähigkeit mehr als kostbarer Besitz, ja geradezu als trophäenhaftes Objekt behandelt wird, liegt der Fokus in der in Partonopier und Meliur erzählten Hunde-Episode um Anshelm und Swam auf der besonderen Beziehung der beiden, ihrer innigen Bindung, die gleichsam analog zu menschlichen Freundschaftsbündnissen konzipiert ist. Im Folgenden soll nun eine spätmittelalterliche und bislang wohl wenig bekannte, gleichwohl sehr markante Episode um die Freundschaft mit einem Hund in den Blick genommen werden. Es handelt sich um die Geschichte des Windhundes im Prosaroman Königin Sibille.9 Im Kern geht es in dieser Erzählung darum, eine aus Mutter, Vater und Kind bestehende Familie, die auseinandergerissen wurde, wieder zusammenzuführen. Wie sich zeigen wird, gestaltet die Geschichte vom Windhund das primäre Erzählziel, die dynastische Erbfolge König Karls, mit.

1 Karl, Sibille und ein Windhund

Die Geschichte der Königin Sibille nimmt ihren Ausgang zu Pfingsten am Karls­hof. Vor versammelter Ritterschaft legt König Karl seine Heiratsabsichten dar, die der Fortführung der Dynastie gelten. Karl führt aus  : mich beduncket es were zijt das ich ouch nun eyn husfrouwe keuffte / vff das ich von ir erben zeylte / die noch myme dode die krone drügen (Bl. 58ra, S. 117  : »ich glaube, es ist an der Zeit, mir eine Ehefrau zu suchen, damit sie mir einen Erben schenkt, der nach meinem Tod König wird«). Die Frage nach der Legitimität der dynastischen Folge wird die gesamte Erzählung mitbestimmen.10 Karl wirbt um die Tochter des Kaisers von Konstantinopel,11 deren Schönheit – wie es ihre Rolle verlangt – unvergleichlich ist. Ihre Tugend und Reinheit wird mit einem Vergleich betont  : Sie ist weiß wie Schnee (Bl. 58ra, S. 118  : wiß glich als der snee). Über die beginnende Beziehung wird nichts berichtet. Die Verbindung scheint sich auf den dynastischen Zweck zu beschränken, und es wird kein erzählerischer Aufwand betrieben, um etwa zu zeigen, dass Karl und Sibille in Liebe zueinander finden. Bald nach der prächtigen, dreiwöchigen Hochzeit bricht das Unglück von außen in Gestalt des Zwergs Syweron in die junge Ehe ein.12 Der freundlichen Aufnahme am Hofe erweist sich Syweron nicht würdig, zumal er die Königin bei der ersten sich bietenden Gelegenheit bedrängt. Diese weist

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ihn deutlich zurück. Aus Schmach ist es fortan Sywerons Ziel, die frouwe vmb yre ere (Bl. 60ra, S. 122) zu bringen.13 Dies gelingt ihm, als er den König glauben macht, Sibille habe ihn betrogen. Zur Strafe soll sie, die bereits ein Kind von ihrem Mann erwartet, getötet werden. Nachdem auf Empfehlung der königlichen Räte die Todesstrafe zur Verbannung abgemildert wurde, muss die Königin Karls Reich verlassen. Sie soll nach Rom pilgern und dort Buße tun.14 Als Reisebegleiter werden ihr der Ritter Abrye von Mondidire und sein Windhund zur Seite gestellt. Der Ritter hat, wie es heißt, eynen wint erzogen den hat er gar liep / den nam er mit yme / Der wint hatt synen herren viel lieber / dan eyn muder ir kint habe (Bl.  61vb, S.  127  : »[Abrye] hatte sich einen Windhund erzogen, den er sehr lieb und stets bei sich hatte. Der Windhund hatte seinen Herrn viel lieber als eine Mutter ihr Kind«). Die gemeinsame Reise wird jäh von Marckair unterbrochen, einem bösen schalck / vnd verreder (Bl. 62rb, S. 128  : »böser Schuft und Verräter«) am Hofe Karls, der schon lange ein Auge auf die Königin geworfen hatte und nun seine Chance gekommen sieht. Abrye, der die Königin zu beschützen versucht, fällt im Kampf gegen Marckair. Der treue Windhund lässt jedoch nicht von dem Angreifer ab, bis Sibille fliehen und sich in Sicherheit bringen kann. Während der Windhund bei seinem toten Herrn wacht, muss Marckair notgedrungen und unverrichteter Dinge nach Paris zurückkehren. Sibille bleibt allein zurück im Wald.15 Die Episode um den treuen Windhund erscheint dafür, dass die gesamte Geschichte sonst knapp und ohne große Umschweife erzählt wird, recht ausführlich. Eine kürzere Bemerkung, dass der Hund Abryes den Verräter in die Flucht schlägt, hätte für den Handlungsverlauf genügt, ohne dessen Plausibilität zu schmälern. Daher verkürzt die Wertung der Episode als bloß »romaneske[s] und groteske[s] Motiv«16 ihre Bedeutung für die gesamte Erzählung, auch wenn im deutschsprachigen Kulturraum nicht so leicht zu entschlüsseln ist, dass sie auf eine französische Legende aus dem 12. Jahrhundert verweist. Der lateinische Traktat Die Sieben Gaben des Heiligen Geistes aus der ­Feder des Dominikanerbruders Étienne de Bourbon, entstanden im Jahr 1261 in Lyon, erzählt von der Verehrung eines Windhundes namens Guinefort.17 Der Mönch, der diesen »Götzendienst« geißelt, berichtet Folgendes  : Das ist es, was sich vor kurzem in der Diözese von Lyon ereignete und was ich erfahren mußte, als ich gegen die Hexerei predigte und die Beichte zahlreicher Frauen hörte. Ich erfuhr, daß sie ihre Kinder zu Sankt Guinefort gebracht haben. In der Annahme, daß es sich um einen mir unbekannten Heiligen handelte, ging ich der Sache nach und erfuhr, daß es sich um einen Windhund handelte, der auf folgende Weise

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getötet worden war  : In der Diözese von Lyon, nahe dem Klosterdorf, das den Namen Neuville trägt, gab es auf dem Gebiet des Herrn von Villars ein Schloß, dessen Herrn von seiner Frau ein kleiner Junge geboren worden war. Eines Tages, als der Schloßherr und die Herrin abwesend waren und auch die Amme nicht da war und das Kind unbeaufsichtigt in der Wiege lag, kam eine große Schlange ins Schloß und näherte sich der Wiege des Kindes. Bei diesem Anblick griff der bei dem Kind gebliebene Windhund die Schlange an, warf dabei die Wiege um, biß die Schlange wiederholt, die sich verteidigte und ihrerseits den Hund biß. Schließlich gelang es dem Hund, die Schlange zu töten, und er schleuderte sie von der Wiege fort. Kopf und Hals vom Blut der Schlange besudelt, übel zugerichtet, setzte er sich neben die Wiege. Als die Amme eintrat und das sah, glaubte sie, das Kind sei vom Hund zerfleischt worden, und sie brach in lautes Wehklagen aus. Die Mutter des Kindes kam auf das Schreien herbeigelaufen, glaubte dasselbe und begann ebenfalls zu wehklagen. Auch der heimkehrende Schloßherr glaubte, der Hund habe das Kind getötet. Er zog sein Schwert und tötete den Hund. Als sie sich dann dem Kind näherten, sahen sie, daß es heil und gesund war und friedlich schlief. Sie versuchten, eine Erklärung zu finden und entdeckten die zerfleischte Schlange, die vom Hund totgebissen worden war. Als sie die Wahrheit erkannten, bedauerten sie, einen so nützlichen Hund getötet zu haben.18

Wie Étienne de Bourbon darüber hinaus berichtet, führte diese Erzählung um den treuen Windhund, der dem Kind das Leben rettet und mit seinem eigenen dafür bezahlt, dazu, dass im Frankreich des 12. und 13. Jahrhunderts Eltern ihre Kinder unter seinen Schutz stellen wollten. Dies habe, so schreibt er, eine Form ritueller Verehrung des Windhundes zur Folge gehabt. Selbst wenn der nachfolgende Kult um den Windhund nur auf einer Legende beruhen sollte, zeigt Étiennes tendenziöse Beschreibung doch deutlich, welche Wirkkraft dieser Begebenheit zugeschrieben wurde. Er berichtet weiter  : Sie besuchten die Stätte, verehrten den Hund wie einen Märtyrer, beteten dort für ihre Krankheiten und Nöte. […] Vor allem aber brachten Frauen ihre kranken oder schwächlichen Kinder an diesen Ort.19

Diese eigenwillige (wenngleich im deutschsprachigen Raum durchaus nicht neue) Erzählung von einem Tier, das sein Leben für dasjenige seines Schützlings gibt oder zu geben bereit ist – man denke hier etwa an Iweins Löwen – wurde gewiss nicht ohne Grund in Form der Windhund-Episode in die Sibille und schon in ihre französische Vorlage, die Chanson de la Reine Sibille, eingefügt. Gerade im Hinblick auf die Entstehungszeit der französischen Vorlage,

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die nicht lange nach Étiennes Sieben Gaben verfasst wurde, ist wohl von einer gewissen Präsenz des Themas auszugehen, und so mag diese Episode  – vor allem durch den später folgenden Gerichtskampf, in dem der Hund die Rolle eines ritterlichen Duellanten einnimmt – in der Sibille vielleicht auch als Persiflage auf die Verehrung des ›Heiligen Windhundes‹ verstanden werden. Diese Legende wirft, auch wenn sie wie eine Persiflage wirkt und schwer zu durchschauen ist, ein bezeichnendes Licht auf die familialen Gegebenheiten und inhaltlichen Zusammenhänge der Sibille, insbesondere wenn man die Aussage Karls bedenkt, dass es ihm um eine Familiengründung zwecks Fortführung der Dynastie gehe. Dass die schwangere Sibille neben dem Ritter Abrye auch von einem Windhund begleitet wird, der zu jener Zeit möglicherweise als Beschützer von Kindern verehrt wurde, wäre dann nicht nur ein komisch-groteskes und interessant zu erzählendes Element, sondern vielmehr notwendig für den weiteren Handlungsverlauf. Denn schließlich sorgt der Windhund dafür, dass Sibille, die den künftigen König Frankreichs in sich trägt, unversehrt dem Angriff Marckairs entkommen kann und trotz Abryes Tod beschützt bleibt, bis sie ihrem neuen Begleiter Warakir begegnet. Das Auserzählen dieses ersten Teils der Windhund-Episode erfüllt noch eine weitere Funktion  : Implizit kann Kritik an Karls Verhalten geübt werden, wenn sogar ein Hund  – der zwar besonders heldenhaft und treu, aber eben doch seiner Natur nach ein wildes Tier ist – eher in der Lage ist, die Ehre und Unversehrtheit der Königin zu schützen, als ihr Ehemann. Die Begebenheit um den Windhund wird in einem separaten Erzählstrang ausführlich fortgesetzt. Er ist es, der seinem getöteten Herrn Abrye vor Karl Recht verschafft. Wie schon im Konflikt mit Sibille ist Karl nämlich geneigt, leichtfertig und ohne weitere Prüfung der Umstände den Verrätern und Intriganten – in diesem Fall Marckair – Glauben zu schenken. Es kommt zu einem Gerichtskampf zwischen Marckair und dem Windhund, den dieser für sich entscheidet. Damit ist Marckair als Verräter und Mörder enttarnt und wird in der Folge hingerichtet. Zwar mag der Gerichtskampf der ungleichen Gegenspieler bizarr und zu ausführlich (im Kontrast zum sonst gerafften Erzähltext und seinem Gesamtumfang sowie im Vergleich mit den anderen Saarbrücker Prosaepen) wirken.20 In Hinsicht auf die Zielführung des Textes erweist sich diese Episode aber als erzählstrukturell signifikant, zumal eine Versöhnung von Karl und Sibille und somit eine Wiederherstellung der Kernfamilie angestrebt wird. Vor dem Gerichtskampf kommt es zu einer Beratung Karls mit seinen königlichen Räten über die Schuld oder Unschuld des Windhundes und Mar-

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ckairs. Wiederum vermag die Weitsicht Nymos von Beyern – der stets auf der Seite der moralisch Integren, unverschuldet in Not Geratenen steht – den Konflikt zu lösen. Nymo erzählt eine parabelgleiche Geschichte  : Es was zü eyme male ein konnig der hat Merlin21 gefangen / vnd hat yne jn eyn thorn gelegt vff das er versüchen möchte obe Merlin also wyse were / als man dan von ym sagte. – Merlin sprach der konnig / dü solt mir in trüwen globen / das du mir bringest din liebestes / vnd die grosseste freude diner getruwesten frünt / vnd dynen meysten fygent / – Herre sprach Merlin das will ich dun / – Da mit ging Merlin heym / vnd bracht sin wip sind kind / vnd sinen hünt. Als Merlin widder kame / da trade er vor dem konnige vnd sprach / – Herre ich han bracht was ir mich geheyssen hant // Hie steet myn wip. Wann ich gedun alles das sy22 will / so hat sy mich sere liep / vnd ich wenen sy sie myn bester frünt / Aber gebe ich ir einen streich in zornes wyse wist sye dann einen mort vff mich / vnd wiste vor war / das ich dar vmb müste hangen / so segte sy es doch zü stünt / Dar vmb halt ich sie vor mynen figent / Herre so han ich hie mynen sone / der ist alles myn getzel vnd myn freude / vnd ist der liebste den ich han / die wile er jung ist / vnd mir nit enheyschet / So ist das myn hünt / der ist der getrüweste den ich han / Dann hette ich yme alle sine glieder enzwey geslagen / vnd hette yne vßgejaget wan ich yme dann widder rieff / so keme er doch widder zu mir. (Bl. 65ra, S. 137 f.) (Es war einmal ein König, der hatte Merlin gefangen genommen und in einen Turm gesperrt, um seine Fähigkeiten auf die Probe zu stellen. »Merlin«, sprach der König, »du sollst mir versprechen, mir das Liebste, was du hast, deinen treuesten Freund und deinen ärgsten Feind zu bringen.« Merlin sprach  : »Herr, das will ich tun.« So ging Merlin nach Hause und brachte seine Frau, sein Kind und seinen Hund mit. Als er wieder da war, trat er vor den König und sprach  : »Herr, ich habe gemacht, was ihr mir gesagt habt. Hier ist meine Frau. Wenn ich alles tue, was sie will, ist sie so lieb zu mir, dass ich meine, sie sei mein bester Freund. Schlage ich sie im Streit, wird sie so zornig, dass sie mir den Tod wünscht. Darum halte ich sie für meinen Feind. Herr, hier ist mein Sohn, mein Geselle und meine Freude. Er ist das Liebste, was ich habe, solange er jung ist und mir nicht davonläuft. Der Treueste ist mir aber mein Hund, den ich habe, denn auch wenn ich ihn prügele und fortjage, kommt er immer wieder zu mir, sobald ich ihn nur rufe.«)

Nymo fügt seiner Erzählung folgende Erläuterung hinzu  : dis bispil han ich uch gesagt vmb Abries vnd sins hundes willen (Bl. 65va, S. 138  : »Diese Geschichte

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habe ich euch wegen Abrye und seinem Hund erzählt«). Auch ohne die ausdrückliche Erklärung erscheint evident, dass sich die Parabelerzählung auf die Treue und Freundschaft des Windhundes zu seinem Herrn Abrye bezieht, wenn dieser seinem Herrn über den Tod hinaus nicht von der Seite weicht und ihm durch unablässiges Tun und wortwörtliche Verbissenheit noch zur Gerechtigkeit gegenüber dem Verräter Marckair verhilft. Des Weiteren kann diese Parabel auch sinnvoll mit der Protagonistin sowie dem übergeordneten Problem der Erzählung, nämlich der schwierigen Situation zwischen Karl und Sibille und der verhinderten Familienbildung, in Zusammenhang gebracht werden. Anhand der Geschichte über die familiäre Stellung Merlins wird offensichtlich auf die Konstellation in Sibilles Familie angespielt. Der König, der Merlin gefangen genommen hat, fordert von ihm, das ganze Spektrum seiner persönlichen Beziehungen im positiven wie negativen Sinne vor ihm auszubreiten. Er möge ihm liebestes, den getruwesten frünt und seinen fygent bringen. Merlins Pointe besteht nun darin, dass die gleichsam am heimischen Herd versammelte Familie genügt, um all diese Aspekte des (Gefühls-)Lebens zu vereinen. Die Familie vermag das Liebste, das Treueste und die ganze Freude eines Familienmitglieds zu beinhalten, bildet aber zugleich auch die größte Reibungsfläche für Kritik und Auseinandersetzung. Für Merlin ist der liebste sein Sohn, der getrüweste sein Hund und der figent seine Frau.23 Für Sibille ist nun die Stelle der Ehefrau Merlins – zumindest temporär, während der Zeit ihres Exils – durch ihren Mann Karl zu ersetzen, die Positionen des Hundes und des Kindes bleiben unverändert. So kann einerseits indirekte Kritik an Karls Haltung geübt werden, andererseits die positive Einschätzung des Hundes bereits auf Warakir vorausverweisen. Der treueste Freund, hier am Beispiel des Hundes dargestellt, ist derjenige, der von außerhalb zur Familie hinzukommt oder ihr nur mittelbar angehört. Gleiches gilt für den Bauern Warakir, mit dessen Eintritt in die Handlung der tierische Begleiter durch einen menschlichen Beschützer ersetzt wird.24 Insgesamt liegt es nahe, dass die Nymo von Beyern in den Mund gelegte Erzählung die familiären Zusammenhänge der Protagonistin Sibille umreißt. Schließlich wird ihr Ehemann Karl zumindest vorübergehend zu ihrem Feind (figent), ihr Sohn Ludwig ist dagegen ihr Geselle und ihre Freude (getzel vnd freude), und ihren Getreuesten (getrüwesten) findet auch sie außerhalb ihrer leiblichen Familie  : zuerst im Windhund, dann im Bauern Warakir, der ihr Scheinehemann und Ersatzvater ihres Sohnes, vor allem aber ein treuer, stets verlässlicher Freund wird.

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2 Sibille und Warakir

Parallel zur Episode um Karl, den treuen Windhund und den verräterischen Marckair wird in einem zweiten Erzählstrang die Geschichte der Sibille weitergeführt. Nachdem sie Marckair entkommen konnte, begegnet ihr, die verzweifelt über Abryes Tod ist, am Waldrand ein gross vngeschaffen man / der hat ein ouge das was ytel wyß / vnd das ander zü male swartz / Er ginge an einem fuß barffuß / vnd an dem anderen hait er eynen schug an (Bl. 63ra, S. 130  : »ein großer, wilder Mann, der ein gänzlich weißes und ein schwarzes Auge hat. Er hatte nur einen Schuh an, mit dem anderen Fuß ging er barfuß«).25 Das äußere Erscheinungsbild dieses Mannes verhält sich konträr zu seinem Wesen und Benehmen.26 Er erkennt an Sibilles Schönheit sogleich, dass es sich um die Königin Frankreichs handeln muss und bezeichnet den König, noch bevor Sibille sich zu erkennen gibt, als böse, weil er sie zu Unrecht verbrennen wollte. Der Fremde, der sich als Warakir vorstellt, bietet der ratsuchenden Sibille sogleich Hilfe an und schlägt ihr vor, sie zu ihrem Vater nach Konstantinopel zu begleiten, damit der König seiner Tochter zu ihrem Recht verhelfe. Er zögert nicht, seine eigene Familie, Ehefrau und Kind, zurückzulassen, um der mittlerweile hochschwangeren Sibille Hilfe und Schutz zu bieten. Was sich in der Wahl eines Windhundes als temporärem Beschützer der Königin schon andeutet, wird hier durch die Figur des durch seine äußerliche Wildheit und seinen Bauernstand ebenfalls animalisch wirkenden Warakir deutlich formuliert. Der König hat der Königin Unrecht getan und so wird nach dem Hund nun ein nichtadliger Protagonist die Aufgabe des Königs übernehmen und Gerechtigkeit herstellen. Dass die Position von Sibilles Begleiter nach dem Windhund mit dem wild und unhöfisch erscheinenden Warakir besetzt wird, ist erzählerisch geschickt, denn die Beschützerfiguren (Windhund und Warakir) einerseits und König Karl andererseits, die eigentlich eine klare Opposition von Wildnis und Zivilisation, Natur und Kultur repräsentieren sollten, werden hier nicht nur gemischt, sondern, bis zur Versöhnung des Königspaares, vollständig umgekehrt. Auf diese Weise wird durchgängig präsent gehalten, was eigentlich königliches Verhalten sein sollte.

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3 Fazit

Windhund und Warakir werden zu Stellvertretern des Beschützers und Ehemanns, indem sie mühelos höfische Tugenden wie Hilfsbereitschaft, Treue und Verlässlichkeit als natürliches Verhalten abrufen. Dennoch können sie letzten Endes nicht mit dem König konkurrieren. Die Grenze zwischen Mensch und Tier wie auch zwischen den Ständen setzen dieser Konstellation eine unüberschreitbare Grenze. Auch wenn der Windhund als treuer Beschützer und Warakir als Vater und Ehemann die Vorbilder verkörpern, die Karl aufgrund der Intrige und ihrer misslichen Konsequenzen nicht erfüllt, bleiben  – über die Achse der äußeren Wahrnehmung durch die überdeutliche Differenz der Stellvertreter geführt  – die Rehabilitierung Sibilles, die Herstellung der Familie sowie die damit verbundene Fortsetzung der dynastischen Linie als oberstes Erzählziel bestehen. Zu keinem Zeitpunkt lässt der Text Zweifel daran aufkommen, dass es einen zwar schwierigen, aber letztlich doch gelingenden Rückweg zu Karl geben wird. Die zentrale Aussage der Königin Sibille besteht in der Herstellung einer dynastischen Folge, die mit den hier beleuchteten Episoden nur verzögert werden kann. Die ritterliche Treue des Windhundes qualifiziert diesen zum temporären Beschützer der Königin und ihres noch ungeborenen Kindes. Insbesondere die Anspielung auf die Windhund-Legende verstärkt die Möglichkeit, den Hund angesichts defizitärer Verhältnisse als Familienmitglied aufzufassen. Das narrative Experiment mit alternativen familiären Konstellationen setzt sich in der Merlin-Parabel vom treuen Hund fort, die als Kommentar zu Sibilles Situation zu lesen ist. Dass ein Hund überhaupt in die Familienkonstellation eingefügt werden kann, erklärt sich auch vor dem eingangs beschriebenen Horizont literarischer Deutungen, die den Hund – wie in Partonopier und Meliur – zum menschengleichen Beschützer stilisieren, eben zum besten aller Freunde.

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Der Esel oder die Klugheit des Dummen

Dass die Bezeichnung eines Mitmenschen als Esel auf dessen Dummheit verweisen soll, ist uns allen unmittelbar einsichtig und bedarf nicht der näheren Erläuterung. Wir kennen, obwohl Esel aus zumindest der urbanen Umgebung verschwunden sind, seine langen Ohren, die triefenden Augen und das grobe Maul, den trägen Gang und seinen störrischen Widerstand, wenn er nicht so will, wie sein Herr will. Diese Dummheit und Trägheit des Esels ist in zahlreichen sprichwörtlichen Redewendungen bis heute aufbewahrt, auch wenn der lebensweltliche Kontext längst verändert worden ist  : Dass jemand »bei den Eseln in die Schule gegangen ist«, unterstreicht ebenso den Gegensatz zu Klugheit und Vernunft wie der Umstand, dass jemand seinen Schwanz verstecken könnte, die Ohren aber sehen lässt, oder im Gegenteil  : »Zum Esel fehlen ihm nur die Ohren, den Kopf hat er.«1 Dabei sind die Ohren untrügliche Indikatoren naturwüchsiger Blödheit, die sich durch nichts beheben lässt. Diese Abkehr des Esels von jeder Form von Vernunft, Belehrung oder Kunstfertigkeit wird im Mittelalter in zwei Bildern zusammengefasst, die immer wieder neu reproduziert worden sind  : der Esel als Lautenschläger und die Lesekünste des Esels. Die verächtliche Wendung, dass jemand zu einer beliebigen Tätigkeit passe »wie der Esel zum Lautenschlagen«,2 ist bereits aus der Antike überliefert und im Mittelalter gern paraphrasiert worden. Aber als vil als ein esel leyern kann, als vil kanstu die warheyt vernemen (»Du verstehst genauso viel von der Wahrheit wie ein Esel von der Leier«), wirft in Johannes von Tepls Ackermann der Tod dem Ackermann vor.3 Und Sebastian Brant kritisiert in seinem Narrenschiff die jungen Geistlichen, die Wissen als vil von kyrch regyeren / Alls müllers esel kann quintryeren (auf der Laute spielen).4 Die Lächerlichkeit des lesenden Esels, der trotz seiner Leseübungen nur sein bekanntes »I-A« hervorbringt, entspricht der albernen Kunst des musi-

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zierenden Esels. Der Stricker hat den lesenden Esel als List des schlauen Pfaffen in seinem Pfaffen Amis erzählt (V. 227–303), die im 16. Jahrhundert Herman Bote in seinem Ulenspiegel aufgegriffen hat (Historie 29). Auch hier ist die Opposition zwischen dem klug-raffinierten Pfaffen und dem sich weise dünkenden Bischof bzw. im Ulenspiegel zwischen Ulenspiegel und den Prager Professoren, die aber gleichwohl den Dummheiten des Esels auf den Leim gehen, offensichtlich. Esel gelten, das macht dieser knappe Überblick deutlich, als dumm und beschränkt, als träge und antriebsarm, sodass sie nur mehr Verachtung verdienen und die ihnen gebührende Verachtung sogar noch auf ihre Reiter übertragen. Ein weit verbreiteter Rügebrauch des Mittelalters macht das besonders nachdrücklich deutlich. Rügebräuche sind Inszenierungen der Wiederherstellung und ›Heilung‹ des Rechts und Anstands in der Gesellschaft, die vom kodifizierten Recht nicht legitimiert werden, gleichwohl aber allgemein anerkannt sind. Sie betreffen die unterschiedlichsten Formen der familiären und der Geschlechterordnung, der Demütigung von Gefangenen, der Verstöße gegen den inneren Frieden des Gemeinwesens und Ähnliches. So wurden beispielsweise Männer, die ihrem Gewaltprivileg in der Familie nicht gerecht wurden und sich von ihren Frauen schlagen ließen, dazu verurteilt, rückwärts auf einem Esel sitzend durch die Straßen getrieben und dabei lautstark verspottet zu werden. Der performative Akt des Eselritts dient der Heilung des Rechts in Ehe, Familie und Gesellschaft, das durch diese Männer in Mitleidenschaft gezogen worden war. In seinem Mittelpunkt steht der Esel, der – als Ausdruck von Dummheit und Lasterhaftigkeit – in seinem Ritt durch die Straßen und mit der Demütigung des Übeltäters den Vollzug der Wiederherstellung von Recht und Ordnung realisiert. Rügebräuche dieser Art sind bis weit in die Neuzeit hinein belegt. Sie unterstreichen die nicht zuletzt auch rechtliche Dimension des negativen Eselsbildes, das bis heute ungebrochen scheint. Dennoch war dieses Bild nie so eindeutig und ist es auch bis heute nicht, wie es zunächst zu sein scheint. Vielmehr ist – vor allem in religiösen Kontexten, in verschiedenen Mythologien, in antiker Literatur u. a. – ein sehr positives Eselsbild überliefert, das mit dem negativen Eselsbild der sprichwörtlichen Redewendungen nicht kompatibel ist. Sehr auffällig ist zum Beispiel der Umstand, dass der Esel in den Evangelien des Neuen Testaments bzw. in darauf aufbauenden Narrativen als Zeichen des Friedens und der Demut erscheint. Vor allem Weihnachtsbilder von der Geburt Christi verzichten bis heute nicht auf Ochs und Esel als Garanten friedlicher Familiarität, obwohl sie in Lukas 2 nicht erwähnt werden. Dem entspricht, dass sich Jesus Christus in den neu-

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testamentlichen Erzählungen, sobald er ein Reittier benötigt, dazu eines Esels bedient. So schickt Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem zwei Jünger voraus, die eine Eselin mit ihrem Füllen losbinden und zu ihm bringen sollen  : Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht  : Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja  9,9)  : ›Sagt der Tochter Zion  : Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers‹ (Matthäus 21,3–5).5

Demut und Sanftmut aber haben mit der Dummheit und Widerborstigkeit des negativen Eselsbildes nichts zu tun. Sie indizieren nicht Dummheit und störrischen Widerstand, sondern konstruieren ein Wesen, das der Bereitschaft des Gottessohnes zum Leiden und Selbstopfer gemäß ist. Der Hinweis auf Sacharja  9,9 hat bereits angedeutet, dass nicht nur im Neuen Testament, sondern auch im Alten Testament ein positives Eselsbild präfiguriert ist, dies aber keineswegs in jeweils gleicher Intention. Unterstreicht Sacharja die Sanftmut des kommenden Königs, der eben deshalb auf einem Esel in Jerusalem einziehen will, so zielt die bekannteste Eselsgeschichte des Alten Testaments, die von Bileams Eselin (Numeri 22–24), auf deren Klugheit des »zweiten Gesichts«  : Die Fürsten der Moabiter und Midianiter sehen sich von Israel bedroht und schicken nach Bileam, um Israel zu verfluchen. Zwar warnt Gott Bileam, er solle Israel nicht verfluchen, weil es gesegnet sei, doch schickt Balak, der König der Moabiter, ein zweites Mal zu Bileam, und so lässt Gott ihn ziehen, allerdings unter der Auflage, nur das zu tun, was Gott ihm sage. Bileam sattelt seine Eselin und reitet los, doch tritt ihr der Engel des Herrn, ohne dass Bileam ihn erkennt, entgegen. Da weicht die Eselin auf das Feld aus, er schlägt sie, doch drängt sie an eine Mauer, klemmt Bileams Fuß ein, sodass er sie umso heftiger schlägt. Schließlich fällt sie vor dem Engel auf die Knie, Gott öffnet ihr den Mund und sie fragt Bileam, warum er sie so schlage. Sie sei doch seine vertraute Eselin, die ihn immer sicher getragen habe  : Da öffnete der Herr dem Bileam die Augen, dass er den Engel des Herrn auf dem Wege stehen sah mit einem bloßen Schwert in seiner Hand, und er neigte sich und fiel auf sein Angesicht. Und der Engel des Herrn sprach zu ihm  : Warum hast du deine Eselin nun dreimal geschlagen  ? Siehe, ich habe mich aufgemacht, um dir zu widerste-

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hen  ; denn dein Weg ist verkehrt in meinen Augen. Und die Eselin hat mich gesehen und ist mir dreimal ausgewichen. Sonst, wenn sie mir nicht ausgewichen wäre, so hätte ich dich jetzt getötet, aber die Eselin am Leben gelassen (Numeri 22, 13–33).

Nicht Bileam, sondern die Eselin also sieht das tatsächliche Geschehen, für das Bileam blind ist. Sie entpuppt sich als weise und damit Bileam, der sich klug und souverän dünkt, weit überlegen. Diese Eselin durchkreuzt alle Stereotypen von der Dummheit des Esels und öffnet sich der Wahrheit göttlichen Handelns. Sie ist das Gegenbild zum Stereotyp der Eselsdummheit  ; sie bedarf keiner Schläge und keiner Eselsbrücke. Zwar folgt sie, indem sie sich gegen Bileams Willen stemmt, dem Vorurteil von der Widerborstigkeit des Esels, geht aber gerade in dessen Bestätigung weit darüber hinaus und verkehrt es in sein Gegenteil. Für die Deutung des Esels in Antike, Mittelalter und Neuzeit sind beide Eselsbilder, das negative wie das positive, unverzichtbar. Sie bleiben meist voneinander getrennt, sind dabei aber jeweils gleichen Diskursen zugehörig. Natürlich hilft eine enge Systematisierung hier nicht weiter. Dennoch fällt auf, dass das negative Eselsbild von seiner Dummheit, Trägheit und Widerborstigkeit vor allem in wissenschaftlichen und philosophischen Eselsbeschreibungen zu finden ist, das positive von seiner Klugheit und Weisheit hingegen in literarischen Texten im engeren Sinn  : in Romanen, Erzählungen und sonstigen literarischen Formen. Eines der interessantesten Beispiele dafür findet sich bereits in der Spätantike. Lucius Apuleius erzählt in seinen Metamorphosen von der Verwandlung eines jungen Mannes in einen Esel, in dessen Gestalt er einen tiefen Einblick in die Perversionen menschlichen Handelns und menschlicher Gesellschaft eröffnet.6 Dabei sind Funktion und Bewertung der Eselshaut, in die der junge Lucius verwandelt wird, besonders aufschlussreich  : Von seiner Geliebten erfährt er, dass eine Hexe sich regelmäßig in eine Eule verwandele. Aus purer Neugier will er dasselbe an sich vollziehen, muss aber im Verlauf der Metamorphose feststellen, dass er statt in eine Eule in einen Esel verwandelt wird. Die Haut wird rau, die Ohren immer länger, das Maul immer breiter. Lucius reagiert darauf mit allen Zeichen der Abwehr und der Abscheu, bleibt also voll und ganz im negativen Eselsbild verfangen, das ihn erschreckt und empört  : Ein solches Unwesen will er trotz seiner Neugier nicht sein  ; diese Schmach ist durch keinerlei Neugier gerechtfertigt. Lucius erfährt die Niedrigkeit der Eselsexistenz auch ganz unmittelbar, kaum dass er zum Esel mutiert ist  : Räuber stehlen ihn und treiben ihn unter Schlägen und Flüchen durchs Land, so-

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dass er meint, tiefer nicht mehr fallen zu können. Gleichwohl erweist sich dieser Zug durchs Land, durch Dörfer und Städte, durch alle Stände, Berufe und Bereiche der Gesellschaft als die eigentliche Pointe des Romans, erlaubt doch gerade der Eselsblick genaueste Einsichten in die Schwächen und Gemeinheiten der Menschen. Apuleius’ Metamorphosen bieten ein scharf gestochenes satirisches Bild von den heuchlerischen Priestern der ›Syrischen Göttin‹, die unter dem frommen Deckmantel ihres Kults ausschweifende Orgien veranstalten, von den Sadisten und Hungerleidern, die sich insbesondere an den Qualen ihres Esels erfreuen. Lucius’ Leidensweg kulminiert in den Armen einer vornehmen und leidenschaftlichen Sodomitin, die von den Liebeskünsten ihres Esels gar nicht genug bekommen kann. Zum letzten Mal zerreißt er hier die scheinbare Einheit von Schein und Sein und entdeckt einen mundus perversus, der ihm außerhalb seiner Eselsexistenz verborgen bleiben müsste. Ich sehe in dieser satirischen Schärfe des Blicks auf die Welt eine deutliche Positivierung des Eselsbilds, die sich im Vollzug von Lucius’ Weg durch die spätantike Gesellschaft aus dem anfänglich noch negativen Eselsbild entfaltet und somit die Perspektive auf deren Besserung eröffnet. Die literarischen Nachwirkungen von Apuleius’ Metamorphosen in Renaissance, Früher Neuzeit und Neuzeit sind gar nicht zu überschätzen. Nachdem der Text im Jahr 1469 in Rom gedruckt worden war, erschien die erste deutschsprachige Übersetzung 1538 in Augsburg  : Ain Schön Lieblich, auch kurtzweylig Gedichte Lutij Apuleis, von einem gulden Esel und wurde im Anschluss daran bis ins 18. Jahrhundert immer wieder nachgedruckt, kommentiert und bearbeitet und hat zum Beispiel Cervantes’ Don Quijote und Grimmelshausens Simplicissimus beeinflusst. Das ist nicht zuletzt wohl auch der Erzählung von Amor und Psyche geschuldet, die sich dem satirischen Gestus des Eselsromans zwar vollständig entzieht, in seiner empfindsamen Erzählung vom Glück der Götter- und Menschenliebe aber einen weiteren Geschmack der Zeit getroffen hat. Eine neue Wende literarischer Esel-Figuration vollzieht Shakespeare in seinem A Midsummer Night’s Dream (nach 1590)  : Eine Handwerkergruppe probt ein Theaterstück, das bei der Hochzeit von Theseus und Hippolyta aufgeführt werden soll. Im Wald bei Athen geraten die Schauspieler zwischen die Streitereien von Oberon und Titania, dem Elfenkönigspaar. Puck, der Elf mit Zauberkräften, träufelt der schlafenden Titania einen Zaubernektar in die Augen, der bewirkt, dass sie sich in den Ersten, den sie sieht, unsterblich verliebt. Handwerker Zettels Kopf ist durch Elfenzauberkraft in einen Eselskopf ver-

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wandelt worden, auf ihn fällt ihr erster Blick, in ihn verliebt sie sich. Damit ist ein Verwirrspiel von Traum und Wachen, Wahrheit und Phantasie eröffnet, das – auch als alle Verwandlungen schon rückgängig gemacht worden sind – Zettel in einen Wirbel von Zweifel und fester Überzeugung, Einbildung und realer Welt stürzt, der ihm jede Orientierung in der Welt verschließt. Dabei ist es vor allem der Eselskopf, der ihm den Boden unter den Füßen wegzieht und ihn im Ungewissen lässt, ob er sich im Traum oder in der Realität aufhält. Der Eselskopf, so könnte man vielleicht sagen, ist das Medium, mit dem das Spiel von Phantasie und Wirklichkeit in Szene gesetzt wird. Er ist je neu der Anhaltspunkt, an dem Zettel schließlich jede Orientierung zwischen Imagination und Realität verliert und an sich selbst verzweifelt. Eine ähnliche Verschränkung von Phantastik, Realität und Positivierung des Esels findet sich in Einzelbeispielen aus Grimms Kinder- und Hausmärchen, in denen mit dem Negativbild vom Esel noch gespielt wird, er sich aber letztendlich doch als Repräsentant von Klugheit und Kunstfertigkeit erweist. Am bekanntesten sind bis heute wohl die Bremer Stadtmusikanten, die – inzwischen alt geworden – von ihren Herren und Herrinnen missachtet und mit dem Tode bedroht werden. Zuerst läuft der Esel davon  : Da er nicht mehr arbeiten kann, will ihn sein Herr »aus dem Futter schaffen«7  ; sodann ein müde gewordener Hund, den sein Herr erschlagen will, eine Katze, die ersäuft werden, und ein Hahn, der in die Suppe kommen soll. Insbesondere der Esel entspricht zunächst dem Negativbild eines Esels, der stumpfsinnig und im ewig gleichen Trott seiner schweren körperlichen Arbeit nachgeht. Ist er dazu nicht mehr in der Lage, muss er eben ›entsorgt‹ werden. Dieser Esel aber entschlüpft der Opferrolle, will Lautenspieler werden und als Stadtmusikant nach Bremen gehen und darüber hinaus Hund, Katze und Hahn überreden, es ihm gleichzutun. Schon bei ihrem ersten ›Konzert‹ sind sie erfolgreich, vertreiben die Räuber und nehmen deren Haus für sich in Beschlag. Gerade sie also, die ursprünglich verlacht und verachtet worden sind, setzen sich gegen alle Drohungen durch, finden eine neue Existenzgrundlage und erlangen ihre Würde zurück. Um eine Positivierung des Esels geht es wohl auch im Märchen Tischchen deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack.8 Der Esel muss keinen Wagen ziehen und keine Säcke schleppen, ist aber deswegen besonders wertvoll, da er Goldstücke ausspeien kann  : »es ist kein gemeiner Esel, sondern ein Goldesel«.9 Auf den Zusammenhang von Geld und Kot hat Sigmund Freud hingewiesen.10 Er liegt wohl auch diesem Märchen zugrunde. Ein drittes Beispiel für eine Positivierung des Esels sehe ich in dem Märchen Das Eselein,11 das dem Motivfeld ›Esel als Lautenspieler‹ zugehört, es aber

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auch höchst signifikant verändert. Am Anfang der Überlieferungsgeschichte steht wohl eine dem Phädrus zugeschriebene Fabel, in der unter dem Titel Asinus ad lyram erzählt wird, wie ein Esel auf dem Feld eine Leier findet und sie zu spielen versucht. Aufgrund seiner groben Füße, seiner Unbeholfenheit und seinem Mangel an Musikalität kann er ihr aber nur Misstöne entlocken, was in die Lehre mündet, dass man zu großen Leistungen nur in der Lage ist, wenn man die Voraussetzungen dafür besitzt, dass man diese aber nicht erzwingen kann. Versucht man das trotzdem, ruft man Missklänge, Dummheiten und Albernheiten hervor und macht sich zudem lächerlich. Der Esel als Lautenschläger ist in Mittelalter und Früher Neuzeit zum stehenden Bild in Sprichwörtern, sprichwörtlichen Redewendungen und bildlichen Darstellungen geworden – mit Vorliebe als Steinrelief an Kapitellen romanischer Kathedralen in Frankreich und Spanien, an mittelalterlichem Chorgestühl und Ähnlichem. In der lateinischen Erzählung Asinarius aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist dieses Motiv aufgegriffen, zugleich aber seiner eindeutigen Lehre entkleidet und verändert worden.12 Jacob Grimm hat aus dieser Erzählung sein Märchen vom Eselein geformt. Es erzählt von einem Königspaar, das sich nichts so sehnlich wie ein Kind wünscht, schließlich auch von Gott erhört und mit einem Kind beschenkt wird. Wie groß allerdings ist ihr Schrecken, als da ein junger Esel geboren wird, den die Mutter am liebsten – gemäß dem Stereotyp von der Hässlichkeit, Unförmigkeit und Dummheit eines Esels  – im Wasser ersäufen möchte. Der König hingegen will ihn als Gottesgeschenk annehmen, lässt ihm eine königliche Erziehung angedeihen, die schließlich dazu führt, dass der Esel auch das Lautenspiel erlernen möchte. Darin erreicht er eine hohe Perfektion, doch erschrickt er so sehr vor seinem Spiegelbild in einem Brunnen, dass er in die Welt davonläuft. Deutlich wird hier, wie das Stereotyp von der Negativität des Esels fortwährend umspielt wird, ohne allerdings das Geschehen ganz zu bestimmen. Im Gegenteil  : Aufgrund seiner Lautenspielkünste wird der Eselsprinz an einem fremden Königshof aufgenommen, darf neben der Prinzessin sitzen, die ihm schließlich zur Frau gegeben wird. Die Schlusssequenz der Erzählung nimmt das Motiv der Negativität des Esels wieder auf, zeigt dann aber vor allem, wie es aufgehoben und ins Positive verkehrt wird  : In der Hochzeitsnacht versteckt der König einen Diener im Brautgemach, der sieht, wie ein schöner Prinz der Eselshaut entsteigt und sich der Liebe mit der Prinzessin hingibt. Der König überzeugt sich selbst von dieser wunderbaren Metamorphose, will aber vollendete Tatsachen schaffen  : Er stiehlt die Eselshaut und lässt sie in einem gewaltigen Feuer verbrennen. Der junge Prinz aber muss nicht weiterwandern, sondern erhält das halbe König-

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reich, nach dem Tode des alten Königs sogar das ganze »und nach dem Tode seines Vaters noch eins dazu, und lebte reich und vergnügt«.13 Damit ist die Ambivalenz von Negativität und Positivierung des Esels aufgehoben, der Esel seiner Natur entkleidet und seine Verwandlung in einen Menschen voller Glück und Reichtum vollzogen. Bemerkenswert scheint mir daran vor allem, dass Negativität und Positivität des Esels nicht antithetisch gegeneinander stehenbleiben, sondern das hässliche Äußere des Esels im Verlauf der Erzählung in sein Gegenteil aufgehoben wird. Dieser Vollzug der Positivierung des Esels ist für alle drei Eselmärchen  – mit unterschiedlicher Gewichtung  – charakteristisch. Sie präsentieren nicht das negative oder das positive Eselsbild, sondern ihre dialektische Verschränkung. Das unterscheidet sie von den Eselsfabeln, die in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit sehr beliebt und dementsprechend gut belegt sind. Dabei ist – wie wir in der Phädrus-Fabel Asinus ad lyram gesehen haben – ein enger Zusammenhang von Erzählung und Lehre charakteristisch. Die Erzählung folgt keinem anderen Zweck, als die abschließende Lehre zu plausibilisieren. Sie ist in dem Sinne heteropoetisch, dass sie auf einen außer ihr liegenden Zweck orientiert bleibt, diesen also nicht ausschließlich in sich selbst findet. So zum Beispiel erzählt die äsopische Fabel von der Last des Esels, dass ein mit Salz beladener Esel beim Durchqueren eines Flusses merkt, dass seine Last leichter wird, wenn er sich ins Wasser legt. Da er sich nun jedes Mal dieses Betrugs bedient, will ihm sein Herr eine Lehre erteilen  : Er bepackt ihn statt mit Salz mit Schwämmen, Federn oder Wolle, die sich beim Untertauchen vollsaugen und damit entschieden schwerer werden  ; in einigen Versionen der Fabel wird der Esel ganz unter Wasser gezogen, sodass er ertrinkt. Auch in diesem Fall ist die abschließende Lehre, dass der Betrüger letztendlich selbst betrogen wird und sogar mit dem eigenen Leben bezahlen muss, der Fluchtpunkt der Erzählung, der zudem noch einmal die Dummheit des Esels unterstreicht. Die Fabel von der Last des Esels ist in Antike und Mittelalter mehrfach bearbeitet und variiert worden,14 in der Frühen Neuzeit dann noch einmal von Chytraeus (1571) und La Fontaine. Alle diese Bearbeitungen bestätigen die exemplarische Logik der Fabel, dass jede ihrer Wendungen nur dadurch legitimiert ist, dass die Lehre unterstrichen wird. Das gilt auch für zwei der bekanntesten Fabeln der europäischen und orientalisch-indischen Überlieferungen, den Esel in der Löwenhaut und Esel und Pferd. Im Esel in der Löwenhaut hat sich ein Esel eine Löwenhaut übergezogen und verbreitet auf diese Weise Furcht und Schrecken. Allerdings verrät er sich – da der Esel trotz der Löwenhaut seine Dummheit nicht verliert – durch seinen

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Schrei  ; in einer anderen Version erkennt ihn sein Herr an seinen langen Ohren, oder ein Windstoß reißt ihm die Löwenhaut von seinem Eselsleib und er wird verprügelt.15 In all diesen Fassungen der Fabel will der Esel als ein anderes Tier scheinen, als er tatsächlich ist, ist aber nicht dazu in der Lage, seine erste Natur zu verbergen. Zielpunkt der Fabel ist in jedem Fall die – in der abschließenden Lehre zusammengefasste – Überzeugung, dass sich ein Dummer nicht als klug, ein Schwacher nicht als stark darstellen solle  : eine Lehre, die im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit – so bei Hans Sachs und Nathanael Chytraeus – politisch gewendet und als Warnung vor Verstößen gegen die Ständeordnung gelesen worden ist. In der Reformationszeit schließlich ist die Fabel von protestantischen Autoren zu Angriffen auf Papst und Kirche genutzt worden (Erasmus Alberus, Thomas Müntzer). Luther selbst hat den Bapstesel als Antichrist denunziert und auf diese Weise die Überzeugung von der Dummheit und Bösartigkeit des Esels in den Dienst seiner Reformationspropaganda gestellt. Nicht ganz so häufig ist die Fabel von Esel und Pferd bearbeitet worden. Sie erzählt vom hart arbeitenden und schlecht genährten Esel, der dem Pferd neidet, dass es gut gepflegt und nicht zur Arbeit herangezogen wird. Als das Pferd aber mit seinem Herrn in den Krieg ziehen muss und dabei getötet wird, ist der Esel mit seinem eigenen Schicksal zufrieden und sehnt sich nicht mehr nach einem anderen Leben. Auch diese Lehre ist eindeutig  : Sei zufrieden mit deinem Leben und deinem Stand  ; überspring nicht die Barrieren der Ständeordnung, sondern stabilisiere sie in Demut und Gehorsam. Abschließend zu diesem Überblick über die wichtigsten Eselfabeln mit ihrem eindeutigen Zusammenhang von Erzählung und Leben noch ein Blick auf die Fabel vom Esel, der seinen Herrn liebkosen will  : eine Äsop-Fabel, die in Mittelalter und Früher Neuzeit ebenfalls als Warnung vor einer Störung der ständischen Ordnung gelesen worden ist. Sie erzählt von einem Esel, der mit neidischem Blick das leichte Leben des Hundes mit seinem mühevollen Leben vergleicht und seinem Herrn deshalb ebenso schmeichelnd begegnen möchte. So begrüßt er ihn mit lautem Geschrei, springt an ihm hoch, legt ihm einen Huf auf die Schultern, leckt ihm das Gesicht, wirft ihn um etc. Der Herr ruft seine Knechte, die den Esel mit Steinen bewerfen und so schlimm verprügeln, dass er wie tot zusammenbricht. Die Lehre der Fabel ist dann auch folgerichtig  : Handele nie gegen deine eigene Natur  ; versuche nicht, aus deinem Stand zu springen, sei zufrieden mit dem Leben, das dir im Rahmen der Ständeordnung zugewiesen ist. Erasmus Alberus hat in seiner Fassung der Fabel vom liebkosenden Esel diese Lehre am präzisesten und am politischsten formuliert  : Ein Bawer sey kein Edelmann / Der Adel steht ihm ubel an (S. LII).

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Damit sind die wichtigsten Muster literarischer Eselsdarstellungen in Mittelalter und Früher Neuzeit zumindest erwähnt. Mit Ausnahme der zuletzt diskutierten Fabeln bieten sie das postive Bild eines klugen und liebenswerten Esels, der das negative Eselsbild immer stärker in sich aufhebt. Eben das aber unterscheidet die literarischen Eselsdarstellungen von ihrer wissenschaftlichen und philosophischen Beschreibung. Besonders deutlich wird das in physiognomischen Studien, die bereits in der Antike belegt sind und in der Frühen Neuzeit ebenfalls sehr beliebt waren. Dabei stellt man die angeblich besonders hässlichen Attribute des Esels – seine langen, unförmigen Ohren, seine runde Stirn, seine hervorstehenden Augen, seine dicken Lippen (insbesondere wenn Ober- oder Unterlippe überstehen)  – in den Mittelpunkt und nimmt sie als Indikatoren ausgeprägter Dummheit und Grobheit. Diesen Argumentationstypus16 finden wir schon in den pseudoaristotelischen Physiognomonica aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert, die bis ins 19. Jahrhundert Aristoteles, seitdem aber einigen seiner Schüler zugeschrieben werden. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Tier-Mensch-Vergleichen, wobei die Attribute und Charakteristika der Tiere als Zeichen menschlicher Verhaltenstypen, so auch den Dummkopf und Grobian, gelesen werden. Die Physiognomonica werden 1527 neu in Florenz herausgegeben und prägen seitdem eine ganze Reihe physiognomischer Schriften, die in der Regel auch den Zusammenhang von Eselsaussehen und menschlicher Dummheit herausarbeiten. So hat z. B. Giambattista della Porta 1586 sein De humana physiognomonica vorgelegt, das zur prominentesten Physiognomik der Frühen Neuzeit und bis ins 19. Jahrhundert rezipiert wurde  : Immer wenn es galt, dumme und grobe Menschen darzustellen, musste der Esel mit seinen Ohren, Lippen und seiner fliehenden Stirn herhalten, um die menschliche Dummheit sinnlich wahrnehmbar zu machen. Della Portas Buch wurde in verschiedenen Auflagen und Übersetzungen gedruckt und somit zu einem der wichtigsten Bucherfolge der Frühen Neuzeit. Ihm folgt auch noch Charles Le Brun (1619–1690), der in seiner Conférence sur la physiognomie die physiognomische Tradition geometrisch untermauerte und die Köpfe von sechs Tieren (Esel, Ochse, Katze, Schwein, Löwe, Affe) mit einem Linienraster überzieht, aus dem sich die Charaktereigenschaften des Tieres und des entsprechenden Menschen herleiten lassen. Der Eselsmann kommt hier besonders schlecht davon  : Seine Eselsattribute und seine vorgebliche Ähnlichkeit mit einem Esel lassen seine Dummheit, sein störrisches Wesen und seine Widerspenstigkeit deutlich zu Tage treten. Diese Grundmuster physiognomischer Ähnlichkeit von Tier und Mensch wurden bis in

Der Esel 

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die Physiognomik des 18. und 19. Jahrhunderts (so z. B. Lavater und Carus) fortgeschrieben, die gleichermaßen von der intellektuellen Armseligkeit des Esels – und dementsprechend auch des Eselsmenschen – ausgehen und damit die Deutung des Esels bis heute maßgeblich beeinflusst haben. Dennoch ist nach meinem Überblick über mögliche literarische Deutungen des Esels naheliegend, dass diese Vereindeutigung des Esels seiner komplexen Wirkungsgeschichte nicht gerecht wird. Sie bietet ebenso wie die bis heute aktuellen populären Überzeugungen von der Dummheit und dem Starrsinn des Esels eine mögliche Deutung, steht aber keineswegs für seine Deutungsgeschichte insgesamt. Denn die Faszination des Esels erwächst gerade daraus, dass er Dummheit und Klugheit verbindet, Starrsinn und Gehorsam, Hässlichkeit und Schönheit  ; dass er sich nicht kalkulieren lässt, sondern sich in der Regel so verhält, wie man es nicht erwartet. Damit aber wird das Selbstverständliche fraglich, das vorgeblich Gesicherte unsicher, eine klare Orientierung unmöglich. Der Esel bedarf keiner Eselsbrücke, sondern verkörpert die Ungewissheit, ob getroffene Entscheidungen als richtig oder zumindest vorteilhaft anzusehen sind. Damit aber kann der vorgebliche Starrsinn des Esels, der – wie Bileams Esel – einfach nicht mehr weitergehen mag, als Zaudern in einer Situation verstanden werden, die keine gesicherte Entscheidung mehr ermöglicht. Buridans Esel der sich zwischen zwei Heuhaufen nicht entscheiden kann und deshalb verhungert, radikalisiert dieses Zaudern und führt es ad absurdum. Als Haltung gegenüber den Ungewissheiten moralischen, politischen und kulturellen Handelns ist es damit keineswegs unmöglich gemacht, sondern bietet eine wichtige Option gegen alle vorschnellen Gewissheiten.

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Der Eber Jan-Dirk Müller

Eber, Wildschweine überhaupt

Motive in literarischen Texten zu sammeln, gilt in der Regel als Vor­ übung für weiter gehende texterschließende Verfahren, für Inter­ pre­ tation, für Erstellung von Isotopienketten, für intertextuelle Verflechtungen. Aber auch die Betrachtung der Motive selbst kann Auskunft geben über den Bilderhaushalt einer Kultur. Wildschweine bzw. deren männliche Exemplare, Eber, spielen in der unsrigen heute keine besondere Rolle mehr, jedenfalls nicht außerhalb von Speisezetteln und Jagdvorschriften. Allenfalls in Asterix sind Wildschweine als Grundnahrungsmittel gallischer Rebellen noch von einiger Prominenz. Im Mittelalter war das anders.1 Eber, Wildschweine überhaupt hatten damals keinen guten Leumund. Eber sind Inbegriff von Gewalt, häufig illegitim, manchmal dämonisch, aber in ihnen verkörpert sich auch überlegene adelige Herrschaft. Insgesamt lässt sich eine feudale und eine geistliche Bedeutung des Ebers unterscheiden, positiv die eine, negativ die andere. Von besonderem Interesse sind Adaptationen, die sich dieser klaren Dichotomie entziehen.

Bedrohung und Störung göttlicher Ordnung

Im Anschluss an Psalm 79,16 f. stehen Deutungen, denen zufolge der wilde aper de silva (Eber aus dem Wald) den göttlichen Weinberg verwüstet  ; oft wird er mit dem Teufel assoziiert und überwiegend negativ gedeutet.2 Zu den Lasterallegorien im Umkreis des Etymachietraktats gehört der Eber zwar nicht, doch immer-

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hin ist das Schwein dort als Repräsentant der Völlerei (gula) bezeugt.3 Andere Autoren bringen ihn mit dem Zorn (ira) in Verbindung oder mit dem Hochmut (superbia).4 In diesem Sinne werden die römischen Kaiser Vespasian und Titus, die Zerstörer Jerusalems, als ›Eber‹ und damit als »schlechthin böse« stigmatisiert. Der Eber steht »für den sündigen Weltmenschen«.5 Erst in dem Maße, in dem das naturkundliche Interesse in den Vordergrund tritt, werden einzelne Eigenschaften (proprietates) des Ebers (wie sein scharfes Gehör) positiv gedeutet. Den negativen Auslegungen sind auch noch die Ebermerkmale verpflichtet, die monströsen Wesen zugeschrieben werden, etwa Riesen, heidnischen Heerscharen, aber immerhin auch der Gralsbotin Cundrie im Parzival Wolframs von Eschenbach.6 Bei den Riesen symbolisieren die Tiermerkmale die riesige Kraft, die der Held zu überwinden hat, bei den Heiden die teuflische Gegenwelt, die die Christen niederwerfen müssen.

Kampfwut

Dem gegenüber steht die überwiegend positive Deutung der im Eber verkörperten Kraft in der volkssprachigen Epik, der höfischen wie der heroischen. Der Eber ist Bild des überlegen metzelnden Kriegers. Wenn sich Dancwart im Nibelungenlied (um 1200) beim Überfall auf den Tross der nibelungischen Könige der hunnischen Übermacht erwehrt, heißt es  : Do gie er vor den vîenden als ein eberswîn Ze walde tuot vor hunden  : wie möhte er küener gesîn  ? (1946,3 f.) (Da lief er wie im Wald ein Eber vor Hunden  ; wie hätte er kühner sein können  ?)

Beim Festmahl an Etzels Hof bricht der Kampf zwischen Nibelungen und Hunnen endlich aus  ; der Spielmann Volker trägt, blutig mit seinem Schwert ›fiedelnd‹ (1976,2), auf seine Weise zum Gelingen des Festes bei. Etzel klagt  : Da vihtet einer inne, der heizet Volker, als ein eber wilde, unde ist ein spilman. (2001,2 f.)

Der Eber 

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(Da drinnen kämpft jemand namens Volker wie ein wilder Eber, obwohl er ein Spielmann ist.)

Die Vergleiche des rücksichtslos kämpfenden Kriegers mit einem Eber sind nicht nur in der heroischen Epik im engeren Sinne (Nibelungenlied, Kudrun, Dietrichepik) Legion. Sie finden sich nicht minder im höfischen Roman (etwa bei Konrad von Würzburg), den Alexanderromanen oder der Geschichtsepik. Im Eber ist die überlegene Gewalt des Feudalherrn materialisiert, der sich keiner übergeordneten Macht beugt. Der ›Eber der Ardennen‹ wurde Wilhelm I. von der Mark (1446–1483) genannt, ein besonders gefürchteter adliger Herr, der sich gegen den Landesherrn empörte, brutale Gewalt gegen Lüttich brauchte, den Bischof Louis de Bourbon eigenhändig erschlug, seinen Sohn zum Bischof machte, sich zum Herrn der Stadt aufschwang und schließlich enthauptet wurde. Wilde Tiere sind Herrschaftszeichen. Davon zeugt die Heraldik. Die politische Allegorie der Heraldik bleibt allerdings zweideutig. Zweifellos sind die »zahllosen Fälle von Tierchiffren […] vor allem Löwen, Adler, Pferde und Eber« als »bevorzugte Objekte adeliger Identifikation« in der Einschätzung der feudalen Laiengesellschaft positiv7 besetzt. »Durch Tierzeichen lässt sich daher sowohl das herrschaftliche wie auch das heroische Selbstverständnis des Kämpfenden ausdrücken.«8 Doch kann das Bild ambiguisiert werden. Im Nibelungenlied verweist Kriemhilds unheilverheißender Traum auf die Mörder Siegfrieds, die ›Eber‹ Hagen und Gunther, die beiden wichtigsten Heroen beim Burgundenuntergang. Kriemhild versucht, Siegfried, bevor er zur verhängnisvollen Jagd reitet, zurückzuhalten  : Si sprach zuo dem recken  : ›lât iuwer jagen sîn  ! mir troumte hînat leide, wie iuch zwei wildiu swîn jageten über heide, dâ wurden bluomen rôt. daz ich sô sêre weine, des gêt mir wærlîche nôt.‹ (921) (Sie sprach zu dem Helden  : »Geht nicht jagen. Ich habe heute Nacht Schlimmes geträumt, wie euch zwei Wildschweine über die Heide jagten  ; da färbten sich Blumen rot. Es ist nicht ohne Grund, dass ich so heftig weine.«)

Kriemhilds Warnung fruchtet nichts. Sie lässt nicht locker  :

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Neinâ, herre Sîvrit  ! jâ fürhte ich dînen val. mir troumte hînte leide, wie ob dir zetal vielen zwêne berge  : ine gesach dich nimmer mê. wil du von mir scheiden, daz tuot mir an dem herzen wê. (924) (Nein, nein, Herr Siegfried. Wahrhaftig, ich fürchte deinen Tod. Ich habe Schlimmes heute Nacht geträumt, wie zwei Berge über dir zusammenstürzten. Ich konnte dich nicht mehr sehen. Wenn du von mir fortgehst, schmerzt mich das im Herzen.)

Vier unheilverheißende Träume erzählt das Nibelungenlied. Der erste, der berühmte Falkentraum nimmt Kriemhilds Schicksal vorweg  : Zwei Adler töten einen Falken, den sie liebt. Der edle Jagdvogel fällt den beiden stärkeren Tieren zum Opfer. Dieser Kampf, der auf einen höfischen Kontext verweist, ist im zweiten Traum durch eine Verfolgungsjagd ersetzt, in der zwei wilde Eber, eigentlich Beutetiere, den Jäger jagen, bis Blut fließt, und ihn zur Strecke bringen. Der dritte Traum, mit dem Kriemhild Siegfried zurückhalten will, dehumanisiert den Kampf der zwei gegen einen noch deutlicher  : Siegfried wird unter einem Bergrutsch begraben. Der letzte unheilvolle Traum, mit dem Ute die Burgunden vor der Fahrt zu Etzel warnen will, unterscheidet nicht einmal mehr zwischen Tätern und Opfern. Eine Art Seuche lässt die Vögel tot vom Himmel fallen. Die Wildschwein-Metapher ist das erste Glied in der Kette der Dehumanisierung, der erste Schritt von der höfischen Ordnung zu roher und blinder Gewalt.

Ambivalente Geschichtstheologie

Auch die politische Mythologie ist mehrdeutig. Die alttestamentliche Prophezeiung Daniels (Daniel 7,9) sah vier künftige Weltmonarchien voraus, symbolisiert in vier Schrecken erregenden Tieren. Hier kam der Eber nicht vor. Der Kirchenvater Hieronymus, der Urheber der Vulgata, der maßgeblichen Fassung der lateinischen Bibel, brachte das im Buch Daniel ungenannte vierte Tier mit dem bösen aper de silva in Psalm 79 zusammen und deutete es als Eber.9 Seit der Spätantike wurde die vierte Weltmonarchie mit dem Römischen Reich identifiziert, und so wurde der Eber zu deren Symbol. Die Weltreichelehre gliedert Heilsgeschichte  ; in dieser ist das Römische Reich ausgezeichnet  : An seinem

Der Eber 

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Anfang, in der Fülle der Zeit, wird Christus geboren, und es dauert bis zum Weltende, bis zur Herrschaft des Antichrist. Die Spannung zwischen heilsgeschichtlicher Bedeutung und schrecklicher Erscheinungsform des Römischen Reichs sollte freilich nicht eingeebnet werden. Es war diese Spannung  – und nicht nur entgegenstehende zeitgeschichtliche Erfahrungen –, die Augustinus veranlasst hatte, in De civitate Dei die Lehre von den vier Weltreichen nach der Danielsprophezeiung zu zitieren, doch die besondere Schrecklichkeit des vierten Tiers auszumalen, dessen Herrschaft in die des Antichrist mündet (Lib. 20, c. 23). Darin stimmt er mit Hieronymus’ Danielsinterpretation überein. Eine solche Deutung musste in dem Maß Schwierigkeiten bereiten, in dem das christianisierte Römische Reich als Telos der Weltgeschichte vor dem Erscheinen des Antichrist verstanden wurde. Es bestand daher ein Interesse, die Spannung zwischen beiden Deutungen zu mildern. Das aber gelingt nicht vollständig. Auch das Annolied (vor 1100) zeigt nach Daniel 7 die vier Weltreiche – die Reiche der Babylonier, der Meder und Perser, der griechischen Makedonier und der Römer  – durch vreislicher dieri vieri (vier fürchterliche Tiere) an (11,8)  : eine geflügelte Löwin, ein Bär mit riesigen Zähnen, ein geflügelter Leo­ pard. Das letzte, fürchterlichste Tier ist in der Tradition des Hieronymus im Annolied der Eber.10 Iz haviti iserne clawin daz necondi nieman gevan –, iserni zeini vreisam  : wie sol dit iemir werdin zam  ? Wol beizeichinit daz waltswin, daz did riche zi Rome sol vri sin. Der ebir zin horn truog mit den ir sini vianti nidirsluog. Her was so michil unde vorhtsam  : Zi Rome wart diu werlt al gehorsam. (16,2–12) (Es hatte eiserne Klauen  – niemand konnte es überwältigen  – und schreckliche eiserne Zähne. Wie wäre es möglich, es jemals zu zähmen  ? Das Waldschwein bedeutet gewiss, dass dieses Römische Reich frei sein soll. Der Eber hatte zehn Hörner, mit denen er seine Feinde zu Boden schlug. Er war so gewaltig und furchterregend  ; die ganze Welt unterwarf sich Rom.)

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Die zehn Hörner bedeuten zehn Könige, denen als elfter der Antichrist folgt. Die Identifikation mit dem Römischen Reich scheint der Grund, die Aussage des Annoliedes positiv zu deuten.11 Doch ist das gerechtfertigt  ? Immerhin besteht die Konnotation des Ebers mit Gewalt fort. Die Tiere sind fürchterlich, am fürchterlichsten der Eber mit seinen Klauen und Zähnen  ; er versetzt seine Feinde in Schrecken (11,8  ; 16,3  ; 16,10)  ; der Antichrist, den das elfte Horn bedeutet, wird in die Hölle gestürzt. Dass der Eber im Annolied waltswin genannt wird, ist ein wörtliches Zitat des aper de silva in Psalm 79,16, der den Weingarten Gottes verwüstet. Damit aber wird auch hier das zerstörerische Potential des Ebers assoziiert. Dem steht der Satz über die Freiheit und Unüberwindbarkeit des Römischen Reichs nur scheinbar entgegen. Er könnte bedeuten, dass es sich niemandem unterwirft – wie jener ›Eber der Ardennen‹. Das aber wäre keine heilsgeschichtliche Deutung, sondern ein Zugeständnis an die feudale Basis des Geschichtsmodells. Die Kaiserchronik (Mitte des 12. Jahrhunderts) ist von der Darstellung des Annoliedes wohl abhängig, besetzt sie aber an einem entscheidenden Punkt um, ohne dass sich an der Bedeutung des Ebers etwas änderte. Sie bezieht (an chronologisch fragwürdiger Stelle, also weder datiert in die Zeit des Alten Testaments noch innerhalb der Darstellung von Caesars Großtaten) die Prophezeiung des Propheten Daniel über die vier Weltreiche auf einzelne Herrscher. Der Leopard bezeichnet Alexander den Großen, der Bär drei ungenannte Könige, das vierte Tier wird auf den Antichrist übertragen, der fraislich eber (der schreckliche Eber) aber, das dritte Tier, repräsentiert den tiurlîchen Juljum (V. 573). Der selbe eber zehen horn truoc, dâ mit er sîne viande alle nider sluoc. Juljus bedwanch elliu lant, si dienten elliu sîner hant. Wol bezaichenet uns daz wilde swîn Daz daz rîche ze Rôme sol iemer frî sîn. (V. 573–578) (Dieser Eber trug zehn Hörner  ; damit schlug er alle seine Feinde nieder. Julius bezwang alle Länder  ; sie dienten ihm alle. Das wilde Schwein verkündet uns klar, dass das Römische Reich immer frei sein wird.)

Der Eber 

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Die Ambivalenz der Deutung ist damit weiter reduziert. Der Antichrist und das elfte Horn sind davon abgespalten und auf ein eigenes Tier übertragen  ; dadurch wird das Römische Reich, von dem der Kaiserchronist erzählen will, entlastet. Aber erscheint es damit schon als »christliche Erfüllung«  ?12 Gewiss ist Caesar überwiegend positiv dargestellt, doch bleibt er der Eroberer, der sich, bezeichnet durch das wilde swîn, alles unterwirft, ähnlich wie später der Eber Titus beigegeben ist, der zuerst mit Vespasian Jerusalem erobert, bevor er seine Fahne mit dem zehnfach gehörnten Eber gegen das heidnische Babylon führt (V. 5263–5270). Titus und Vespasian, die Eroberer Jerusalems, hatte die exegetische Tradition auf den Psalmvers des aper de silva bezogen.13 Auch das wird hier abgeschwächt, indem die Eber-Metapher statt auf die Zerstörung des heiligen Landes auf den Heidenkampf übertragen wird. Insgesamt gibt die Kaiserchronik also weniger eine »unerhörte und kühne Umdeutung des Ebersinnbildes«, als dass sie die Schwierigkeit zeigt, geistliche und feudale Geschichtstraditionen und die dazu gehörige Metaphorik in Übereinstimmung zu bringen.14 In dem, was über das wilde swin und von Caesar gesagt wird, überwiegt das Moment der Gewalt, auf der die römische Weltherrschaft beruht. So kämpft auch Pius Antonius unter dem Zeichen des Ebers (V. 7363 f.; 7392). So bleibt die Verknüpfung des Ebers mit politischer Herrschaft zumindest doppeldeutig. Dass die geschichtstheologische und feudale Geschichtsdeutung letztlich unvereinbar sind, belegt Sebastian Franck. Wenn er in seiner Geschichtbibell (1531/1536) in der Vorred vom Adler die Wappentiere der verschiedenen Reiche kritisiert, in denen sich stets ein Moment der Gewalt verkörpert, dann gehört dazu auch die saw, ein gar vnnutz ja schedlich thier weil es lebt (»das Wildschwein, ein völlig nutzloses, ja schädliches Tier, so lange es lebt«), die er als Wappentier den Trojanern zuweist (Bl. 142r). Sein eigentliches Angriffsziel ist der (Reichs-)Adler, doch weist er generell auf die Herkunft der Tierwappen von den Heiden so in der finsternus haben gewandelt (die in der Finsternis lebten) jeder Christ müsse wissen, ob er der heydnischen vtter Wappen weiter benutzt (Bl.  142v), die allesamt eine widerchristliche Gewaltpolitik anzeigen. Auch das angeblich ausgezeichnete Römische Reich, das den Adler im Wappen trägt, habe Daniel mit einem greulichen thier (schrecklichen Tier) verglichen. Die Verbindung mit dem Eber scheint Franck nicht zu kennen. Das Rmich reich aber wirdt einem überaus greülichen erschrocklichen starcken thier vergleicht / dz eisen zen hat / alles frist / vnd zermalet / das überig aber mit fssen zertrept vnd zerstampfft / ein thier dz zehen hrner auff seinem haupt hat. Sihe wol

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ein greülich thier macht Daniel aus der letsten Monarchy / ja vor all anderen das greülichest. (Bl. 143r) (Das Römische Reich aber wird mit einem überaus grausigen, schrecklichen starken Tier verglichen, das eiserne Zähne hat, alles frisst und zermalmt, den Rest aber mit den Füßen zertrampelt und zerstampft, ein Tier, das zehn Hörner auf seinem Kopf hat. Siehe, ein wirklich grausiges Tier macht Daniel aus der letzten Weltmonarchie, ja das grausigste von allen.)

Daniel, Kapitel 2 und 7 haben eine deutliche Dekadenzperspektive, die an der Auszeichnung des Römischen Reichs zweifeln lässt. Francks schonungslose Darstellung der römischen Geschichte ist die eines radikalen Reformators und nicht auf das Mittelalter übertragbar. Doch hebt er an der Danielsprophezeiung Aspekte hervor, die die euphorischen Deutungen von Annolied und Kaiserchronik infrage stellen.

Dämonisierung der Jagd

Der Eber ist ein beliebtes Jagdobjekt.15 Am Eber beweist sich der Heros. Das gilt bis ins Spätmittelalter. Wenn Kaiser Maximilian I. gefährliche Abenteuer aus seinem Leben im Theuerdank zu ewiger Gedechtnus zusammenstellt,16 und zwar in Form, Maß und Weis der Heldenbcher (S. 5), dann nehmen Triumphe über Wildschweine einen vorderen Platz ruhmwürdiger gferlicheiten (Gefahren, Abenteuer) ein, nach kriegerischen Ereignissen, Anschlägen und Jagdabenteuern mit Gämsen (was bei Maximilians Jagdleidenschaft nahelag). Sieben Mal kommt das Leben des Helden durch einen Eber in Gefahr, und jedes Mal bleibt er Sieger. Was unter der Ägide des Unfalo, einer Allegorie des schlimmen Zufalls, geschieht – eines der drei Hauptleute, die den jungen Theuerdank auf seinen Weg zur Jungfrau Erenreich aufhalten –, erzählt immer von einem Missgeschick, das das Erlegen des Wildschweins besonders gefährlich macht und zur Bedrohlichkeit des hauend Swein hinzukommt. Doch bei Fürwittig, der eher für die innere Gefährdung des Helden durch Leichtsinn steht, setzt sich Theuerdank freiwillig tollkühner Tat aus, indem er dem Rat des Fürwittig folgend ein besonders großes Wildschwein auf äußerst riskante Weise angreift. Er reizt es zunächst durch einen Schuss mit dem Handbogen

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und ersticht es dann zu Fuß mit dem Schwert (Kap. 17). Ein andermal (Kap. 19) will Theuerdank ein freyssam Schwein, das Fast hoch und nun gewachsen groß ist (»ein furchterregendes Wildschwein, sehr hoch und groß gewachsen«), nur mit einem kurzen Degen erlegen  : Das ist, wie ihm Fürwittig einredet, ein sondere Tat / Darvon man lang mßte sagen (»eine besondere Tat, von der man lange erzählen würde«, S. 52 f.)  : Wo das beschech, ein jeder sprech  : Das ist warlich ein große Sach. (S. 53) (Wenn das geschähe, werde ein jeder sagen  : Das ist wirklich ein großes Ding.)

Und es wird erzählt, wie der Held auch mit diesem Schwein fertig wird, indem er sich lebensgefährlich nah heranschleicht. Der Eber ist eins der Widernisse, über die hinweg Theuerdank zu höchstem Ruhm aufsteigt, aber er repräsentiert auch die Ambivalenz ritterlicher Tollkühnheit. Die vielen Jagdabenteuer gegen Wildschweine, Gämsen, Bären usw. sollen die Überlegenheit des Heros Theuerdank-Maximilian über alle anderen Menschen zeigen. Dazu müssen sie allegorisiert werden, verschiedenen Daseinsmächten, repräsentiert in den Hauptleuten Fürwittig, Unfalo und Neidelhart, zugeschrieben, die den Helden in Gefahr bringen und über die er triumphiert. Im letzten Kapitel (Kap. 118) erscheint Theuerdank als Sieger über die Macht des Schicksals (domitor Fortunae). Eins der Mittel der Fortuna gegen ihn ist die rohe Kraft des Ebers. In seinen Jagdabenteuern beweist Maximilian  : Der Mensch ist auch dem stärksten Tier überlegen. Im Meistern der gferlicheiten bewährt sich die welthistorische Aufgabe des Fürsten  : Ich glaub, Gott hab im Anfang gewißt, Daß er durch disen küenen Held Well würken noch in dieser Welt Vil Sach, der Christenheit zgt. (S. 300) (Ich glaube, Gott habe von Anfang an gewusst, dass er durch diesen kühnen Held in dieser Welt noch viele Dinge zum Vorteil der Christenheit wirken wollte.)

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Nicht überall lassen sich die dunklen Gegenkräfte so vollständig beherrschen wie im Theuerdank. Am Anfang der Melusine Thürings von Ringoltingen (1456) steht eine Begebenheit, die das intrikate Verhältnis von Gewalt und Selbstbehauptung reflektiert. Sie steht vor der Begegnung des jungen Reymund mit Melusine, mit der er das berühmte Geschlecht der Lusignan gründen und zu großer Macht und Reichtum aufsteigen wird. Am Anfang solcher Gründungsgeschichten steht häufig ein Verbrechen oder ein Akt der Gewalt.17 So auch hier, freilich in einer Weise, dass der gewaltmäßige und verbrecherische Charakter verwischt und das Geschehen zu einem unglücklichen Zufall stilisiert wird. Reymund ist der Günstling seines Onkels, des Grafen Emrich von Poitiers, und reitet mit ihm zur Jagd auf ein wildes schweyn, das besonders gefährlich ist, indem es viele Jagdhunde tötete (vnd erschlg das schweyn vil hund z tod, S. 17). Aus Jagdeifer entfernen sich beide von der Jagdgesellschaft, sodass sie von den Hunden und der Dienerschaft getrennt sind und nachts den Weg nach Hause suchen müssen. Aus den Sternen sieht der Graf das kommende Unheil  : Ach got wie ist dein wunder so groß vnd so manigualtig / oder wie mag die natur an ir selbs ein sliche gestalt haben / das s einen man lst werden der von seinem übel tn vnd seiner missetatt sol in grossen vnd zeittlichen eren erhcht werden / wann es doch vnzimlich ist das von übel tn emant sol auffkommen / gelobt oder geeret werden. (S. 18 f.) (Ach Gott, wie sind deine Wunderwerke so groß und vielfältig, oder wie kann die Natur an sich so beschaffen sein, dass sie einen Menschen entstehen lässt, der dank seinem bösen Handeln und seiner Missetat zu großen Ehren auf dieser Welt aufsteigen wird, denn es ist doch nicht recht, dass jemand dank seinem bösen Handeln hochkommen soll und gelobt und geehrt werden.)

Und verdeutlichend  : Da sich ich ob auff diese stund eczund einer seinen herrn tttet er wurd gewerlicher herr / vnd wurd mchtiger vnd gelückhafftiger / reycher vnd gewaltiger denn keiner seiner freünd oder besssen e ward. (S. 19)

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(Da sehe ich  : Wenn jetzt in dieser Stunde jemand seinen Herrn tötet, dann wird er wahrhaftig Herr und mächtiger und glücklicher, reicher und gewaltiger als je einer seiner Verwandten oder Nachbarn geworden ist.)

Diese Worte markieren klar Schuld, doch die Vorgänge sehen ganz anders aus  : Wenn Reymund und sein Herr sich zur Nachtruhe vorbereiten, kommt ein großes Wildschwein, seine Zähne fletschend und angriffslustig schäumend (groß schweyn / klepffen mit seinen zenen / vnd schmet veintlich, S. 19). Reymund will, dass sein Herr sich rettet, doch der greift das Schwein mit einem Spieß an, verfehlt es, sodass das Schwein ihn niederwirft. Remund der zucht seines herren spieß vnd wolt das schwen treffen / von grossem vngefell so flt er das jm der stich abwschet / vnd stieß den spieß seinem herren vnd vettern teff in seinen leb Er erzückte wider vnd stach das schwen z recht vnd falte es / da mit kert er sich vmb vnd kam z seinem herren vnd vettern / den fand er ecz so schnell in tods ntten ligen vnd verscheiden. (S. 20) (Reymund zückte den Spieß seines Herrn und wollte das Wildschwein treffen  ; zum großen Unglück verfehlte er es, indem ihm der Stich abrutschte, und er stieß den Spieß seinem Herrn und Onkel tief in seinen Leib. Er zog ihn wieder heraus und traf das Wildschwein mit seinem Stich und brachte es zu Fall. In dem wandte er sich um und kam zu einem Herrn und Onkel. Den fand er jetzt im Todeskampf liegen und rasch verenden.)

Gleich darauf begegnet er Melusine, die schon alles weiß und ihm rät, wie er mit der Sache umgehen soll, und es ist klar, dass seine Betroffenheit durch den Vorfall ihn in ihre Hände gibt. Wie der Vorgang erzählt wird, handelt es sich um einen Unfall, der die Worte des Grafen Emrich über den ungerechten Weltlauf vordergründig nicht rechtfertigt, subkutan aber erklärt. Für die ungerechte Gewalt steht das Schwein. Die ganze Jagd steht im Zeichen des Schweins  : Ein Schwein ist schuld, dass sich beide verirren  ; ein Schwein provoziert den Jagdunfall. Warum eigentlich  ? Die Entfernung vom Gefolge könnte bei jeder anderen Form von Jagd ebenso gut erfolgen. Die Schweinejagd dagegen rückt das ganze Unternehmen von vorneherein in einen dämonisch-sinistren Zusammenhang. Und obwohl auch das durch nichts motiviert ist, ist es dann wieder ein Schwein, das die versprengten

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Jäger angreift. Im Kampf gegen das Schwein unterläuft Reymund unabsichtlich der Fehler, durch den er seinen Herrn tötet und sein Glück begründet. Auf das Schwein ist also die Gewalt verschoben, die am Anfang des Aufstiegs des Hauses Lusignan steht und von der der Spitzenahn freigesprochen werden soll. Dieses Erbe setzt sich in der Geschichte Melusines fort. Die Söhne Reymunds und Melusines sind fast alle durch körperliche Abnormitäten gezeichnet.18 Der Sohn, der das Glück des Paares schließlich zerstört, ist Geffroy mit dem Zahn, der in seinem Gesicht das Merkmal des Ebers, einen riesigen Hauer, trägt und wie dieser durch rasende Wut charakterisiert ist. Der Eber steht am Anfang und am Ende des Glücks der Lusignan.

Ambivalenz höfischer Vollendung

Gottfried von Straßburg hat in Tristan und Isold (um 1210) die Ambivalenz der passionierten Liebe durch ihre Verknüpfung mit der im Eber repräsentierten animalischen Gewalt gezeigt. Tristans Helmzier verweist auf die Minne  : Dar uffe stuont diu strale, der minnen wisaginne, diu sit her mit der minne an ime vil wol bewæret wart. (V. 6595–6998) (Darauf stand das Pfeilbündel der Prophetin der Liebe, das später durch seine Liebe an ihm bestätigt wurde.)

Sein Wappen auf seinem Schild aber ist der Eber  : Ein eber dar uf gesniten was vil meisterlichen und wol von swarzem zobel alsam ein kol  : den leitim aber sin oeheim an. (V. 6614–6617) (Darauf war meisterhaft und schön ein Eber geschnitten von einem kohlschwarzen Zobel. Den gab ihm wieder sein Oheim.)

Der Eber 

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Dass Tristan als der große Liebende mit den Attributen der Liebesgöttin ausgestattet wird, ist wenig überraschend, doch wie steht es mit dem dunklen Zeichen von Gewalt  ? Der Eber ist geradezu das Antonym zur minne, wie eine Strophe des Kürenbergers bezeugt, in der die Dame die Zurückhaltung ihres Ritters kritisiert  :19 Jô stuont ich nehtint spâte vor dînem bette. dô getorste ich dich, frouwe, niwet wecken. des gehazze iemer got den dînen lîp  ! jô enwas ich niht ein eber wilde, sô sprach daz wîp. (Minnesangs Frühling 8,9) (Spät in der Nacht stand ich wirklich vor deinem Bett  ; da wagte ich es nicht, Dame, dich zu wecken. Dafür möge Gott dich immer hassen  ! Ich war doch wahrlich kein wilder Eber, sprach die Frau.)

Den Eber aufzustören wäre gefährlich  ; mit der minne ist das anders (›ich hätte Dich schon nicht gebissen‹)  : Hier werden zwei Bilder des adligen Kriegers miteinander abgeglichen, der kühne Jäger und der Liebende. Die Dame bedeutet dem geliebten Mann, dass in der minne alles ganz anders ist, und doch soll beides zusammengehören. Dies scheint auch der Hintergrund von Tristans Wappen und Helmzier zu sein. Doch anders als beim Kürenberger wird damit nicht nur ein Nebeneinander zweier Determinationen bezeichnet, sondern Minne und Gewalt werden enggeführt. Das wird gezeigt, wenn Tristans Liebe zu Isolde durch Marjodo entdeckt wird. Dieser Marjodo […] was Tristande do gevriunt und geminne durch die süezen küneginne, der truog er tougenlichen muot, als manec man maneger vrouwen tuot, da si sich lützel keret an. (V. 13466–13471)

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([Marjodo] war Tristan in Freundschaft und Liebe verbunden wegen der süßen Königin  ; heimlich war er in sie verliebt, wie das zwischen Männern und Frauen häufig ist, ohne dass sie sich groß darum kümmerte.)

Marjodos Zuneigung zur Königin gehört in den Kontext unverbindlicher höfischer Galanterie, wie sie die erotische Atmosphäre bei Hof hervorbringt. In Gottfrieds Formulierung wird daraus aber ein Dreiecksverhältnis, das Tristan einbezieht, von dem es so scheint, als liebe Marjodo ihn wegen der Königin, d. h. wegen Tristans Liebe zur Königin, die Marjodo offenbar als genauso unverbindlich betrachtet wie sein eigenes Verhältnis zu Isolde. Aus diesem Grund wird er Tristans naher Freund. Er teilt mit Tristan das Bett und pflegt vertraute Gespräche mit ihm. Auch dies gehört zur homosozialen Atmosphäre des Hofs und scheint mit Sexualität nichts zu tun zu haben. Wenn Marjodo eines Nachts Tristans Abwesenheit bemerkt, ist er dem Freund zuerst etwas böse, dass er dieses Vertrauensverhältnis stört und offenbar ein erotisches Geheimnis vor ihm hat. Das alles bewegt sich vorerst im Raum harmloser höfischer Interaktion, bis deren Schein unter Marjodos Entdeckung zusammenbricht. Was er erfährt, hat sein nächtlicher Traum, der ihn erst auf Tristans Spur bringt, vorweggenommen  : Der truhsæze der gesach In sime troume, da er slief, einen eber, der uz dem walde lief, vreislich und vreissam  : uf des küneges hof er kam schumende unde wetzende und sich ze wige setzende uf allez daz, daz er vant. nu kam geloufen al zehant des hovegesindes michel craft. Da lief michel ritterschaft umbe den eber her unde hin unde was doch nieman under in, der in getorste bestan. sus liez er allez hine gan limmende durch den palas  ; da Markes kemenate was, da brach er zuo den türen in. daz sin bette sollte sin,

Der Eber 

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daz zewarf er hin unde her. mit sinem schume solget er daz bette und al die bettewat, diu küneges bette bestat. diz sahen alle Markes man und nam sichz doch ir keiner an. (V. 13512–13536) (Der Truchsess sah in seinem Traum, als er schlief, einen Eber, der aus dem Wald kam, furchtbar und zum Fürchten. Schäumend und die Zähne fletschend und jeden angreifend, den er da fand, kam er auf den Hof des Königs. Da kam die mächtige Schar des Hofgesindes angelaufen und viele Ritter liefen hin und her um den Eber herum, doch gab es keinen unter ihnen, der ihn zu bekämpfen wagte. So konnte er brummend und schnaubend durch den Palas laufen. Er brach durch die Türen in Markes Kemenate. Was Markes Bett sein sollte, das wühlte er völlig durcheinander. Mit seinem Schaum besudelte er das Bett und alles Bettzeug auf dem Bett des Königs. Das sahen alle Leute Markes, doch niemand griff ein.)

Wenn Marjodo Tristan vermisst, spürt er ihm nach, wird durch seine Spur zum Schlafgemach der Königin geführt, dessen Tür nur angelehnt ist. Als er zir beider bette kommt (V. 13593) und dort Tristan und Isolde entdeckt, schlägt seine Zuneigung in haz unde leit um (V. 13603), denen er nur aus Furcht vor Tristan nicht nachgibt. Der Traum nimmt vorweg, was Marjodo entdeckt  ; er ist freilich brutaler und gewaltsamer. Tristan dringt nicht von außen in den Hof ein und bedroht ihn  ; er ist sein vollkommenster Repräsentant. Die Tür zu Isoldes Schlafgemach findet Marjodo nur angelehnt, Tristan muss sie nicht wie der Eber aufbrechen. Die Schwärze des Ebers auf dem Wappenschild ist gemildert  ; es ist zwar Nacht, aber es gibt ein Licht  ; das Licht ist nur abgedunkelt. Zu einer direkten Konfrontation zwischen Tristan und dem Hofgesinde kommt es nie. Der Verwüstung des königlichen Bettes durch das Sperma des Ebers ist die Utopie des harmonischen, Kunst und Natur einbeziehenden Umgangs der Liebenden miteinander in der Minnegrotte entgegengesetzt, die Tristan und Isolde in ihrer späteren Verbannung bewohnen. Und doch sieht Marjodo im Traum das, was die Hofgesellschaft in Tristans ehebrecherischem Verhältnis sehen muss  : den Einbruch einer animalischen Welt (›aus dem Wald‹) in das Zentrum höfischer Ordnung. Dieser Einbruch

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ist Zusammenbruch der zuvor aufgebauten Zivilisation, ist mit dem Verlust von Sprache assoziiert  ; statt schoene[r] mære (V. 13477), durch die der wortgewandte und perfekt erzogene Tristan brillierte  : limmen (Brummen, Schnauben) nach Art wilder Tiere. Der Traum offenbart nicht einfach die ›Wahrheit‹ über die Liebe Tristans und Isoldes. Er verzerrt sie, er ist an die Wahrnehmung Marjodos und der Hofgesellschaft gebunden, die dem Helden mit Hilfe Markes hinterlistig eine Falle stellen will. Aber er markiert eine Position im Romangeschehen, die nicht einfach beiseitegeschoben werden kann und nicht einmal von den Protagonisten beiseitegeschoben wird. Schließlich sind Tristan und Isolde Betrüger und spielen Marke und dem Hof bis zuletzt eine keusche Liebe vor. Schließlich kehren sie, einmal entdeckt, aus ihrem Exil in der Minnegrotte an den Hof zurück. Und schließlich wird ihr letztes Zusammensein mit dem Sündenfall konnotiert. Das mit Tristan verbundene Bild des Ebers falsifiziert zum ersten Mal alle einseitigen Versuche einer Idealisierung der Tristanliebe, alle Versuche, den Innenraum der Tristanliebe gegen den Außenraum höfischer Konvention aufzuwerten. Wie die Minne der edelen herzen nur um den Preis des Leids zu haben ist, so die Ausschließlichkeit der Passion für Isolde nur um den Preis der Verletzung der gesellschaftlichen Ordnung, der Tristan, kenntlich an seinem Wappenzeichen, verhaftet bleibt. Der Eber, der Tristans Wappenzeichen ist und der ihn in Marjodos Traum vertritt, markiert den einen Pol einer unaufhebbaren Spannung, dessen anderer der Liebestrank ist. Der Eber vertritt die Leidenschaft, gegen die nichts ankommt, und zeigt zugleich die damit verbundene tödliche Gefährdung an. Beide Pole schließen sich aus, aber behaupten ihr Recht. Tristans und Isoldes Liebespassion ist unausweichlich und ideal, und sie ist zugleich verhängnisvoll und zerstörerisch. ***

Der Eber kann in malam wie in bonam partem verstanden werden. Durchweg konnotiert er Gewalt. Die Gewalt kann als teuflisch aufgefasst werden und als Auszeichnung adeliger Überlegenheit. Diese Doppeldeutigkeit macht den Eber zur Figur literarischer Ambivalenz. Sie kann – im Gründungsmythos der Lusignan – die Nachtseite genealogischer Ordnung anzeigen, in der Charakterisierung der Weltreiche auf das Doppelgesicht der Weltgeschichte aufmerksam machen, zwischen Rahmen von Heilsgeschichte und civitas diaboli (Augustinus). Sie kann auf den dunklen Grund passionierter Liebe verweisen, die gerade in ihrer Radikalisierung und höchsten Vollendung die soziale Ordnung zerstört.

Der Fuchs Harald Haferland

Der Fuchs in Tierdichtung und Erzählfolklore

1 Sympathie für den listigen Fuchs

Johann Wolfgang von Goethe schildert im ersten Gesang seines Versepos Reineke Fuchs (1793) folgende Szene  : Am Hof des Königs, des Löwen Nobel, wird dem Fuchs Reineke gerade der Prozess gemacht. Die Klage hat der Wolf Isegrim eröffnet  : Reineke habe auf seine Kinder uriniert und seine Frau Gieremund geschändet. Reineke ist aber beim Prozess gar nicht anwesend, sondern auf dem Weg zu Frau Gieremund, denn er will von ihr erfahren, was Isegrim ihm genau vorwirft. Gieremund sieht sich durch Reinekes Verhalten provoziert, lässt ihn ihre Zähne spüren und folgt ihm erbost auf seiner Flucht. Reineke aber lockt sie in eine enge Mauerspalte, aus der er vorn gerade noch herauswischt, während sie mit dem Kopf stecken bleibt und nicht vor noch zurück kann. Das verschafft ihm die Gelegenheit, sie zu vergewaltigen. Als sie ihren Kopf befreit hat, ist der Fuchs schon über alle Berge. Reineke ist sich keiner Schuld bewusst  : »Und so ging Reineke weiter. / Aber er ging nicht allein, um Diebereien zu üben  ; / Ehbruch, Rauben und Mord und Verrat, er hielt es nicht sündlich« (Goethe  : Reineke Fuchs, S. 307, V. 3,86–88). In Goethes Vorlage, dem mittelniederdeutschen Reynke de vos von 1498,1 lautet diese Stelle wie folgt  : Myt dessen worden ghynck he van dan / Unde ghynck nicht alleyne up deuerye, / Men ock up ebrock unde vorrederye. / Rouen, morden helt he nicht vor sunde (V. 1090–93). Auch Sexualdelikte wie das an Gieremund (im Reynke de vos  : Ghyremod) bilden für Reynke keine moralische Kategorie. Zu sorgen scheint er sich allenfalls um seine eigene Familie.2 Ein Tier ist und

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bleibt ein Tier. Mit Reineke (Reynke) hat es indes eine besondere Bewandtnis, da die Zahl und Ausführung seiner Missetaten ein erträgliches Maß bei weitem übersteigt. Goethe nennt seinen Reineke öfter einen »Schelm« oder »Schalk«, der schelmische Taten begeht.3 Das bezeugt eine verniedlichende Tendenz gegenüber der Bösartigkeit der Verbrechen Reinekes. In der Frühen Neuzeit war ein Schalk dagegen nicht gut angesehen. Er galt als sozialer Schädling, der Chaos und Asozialität verkörperte. Dies demonstriert insbesondere Ulenspiegel, für den freilich die eigenwillige Literarisierung Sympathien zu erwecken vermochte. Im Lauf der Jahrhunderte ändern sich die Begriffe des Schalks und Schelms. Gemessen an ihrer Bedeutung zur Zeit Goethes4 schleicht sich in dessen Übersetzung gleichfalls eine merkliche Sympathie für Reineke ein, der in der mittelniederdeutschen Vorlage durchaus zwiespältiger dargestellt erscheint. Wie aber soll man sich zu einem Untier verhalten, das nicht nur keinerlei Rücksichten kennt, sondern aus niederen Beweggründen und zum eigenen Wohl Böses verursacht und oft sogar Schaden nur um des Schadens selbst willen stiftet  ? So jedenfalls erzählt man sich über den Fuchs. Gewährt man ihm Sympathie, so muss man sich schon zur Freude am Bösen bekennen, auch wenn man damit etwas über sich selbst zu erkennen gibt. Immerhin gibt es noch einen anderen Grund, Moral zu vernachlässigen, wie Hans-Jörg Uther deutlich macht  : Mannigfaltig sind die Betrügereien des Fuchses. Seine Aktionen, die für die Opfer oft tödlich enden, werden dem Listigen nicht übelgenommen. Im Gegenteil  : Wie in anderen Erzählungen über tierische und menschliche Betrüger schwingt eine gewisse Sympathie mit, wenn List und Betrug gleichsam das einzige Mittel darstellen, sich der Angriffe Stärkerer zu erwehren  : Schlauheit siegt über Moral.5

Moral stellt also keinen Wert dar, wenn sich jemand im Krieg aller gegen alle durch geistige Überlegenheit und Gerissenheit am Leben erhalten muss. Dann verblassen auch Schandtaten. Soweit die Tierwelt derartige Gegebenheiten bereithält, scheint sie Lizenzen zu eröffnen, die für menschliche Protagonisten generell nicht so leicht zu haben sind. Allerdings schafft auch schon die bloße Projektion menschlicher Eigenschaften in die Tierwelt, wie sie in der mittelalterlichen Tierdichtung, aber auch schon in der Erzählfolklore vorgenommen wird,6 eine Projektionsfläche, die moralische Maßstäbe latent außer Kraft setzt. Goethes Sympathie für Reineke hat sich auch der deutschen Naturkunde des 19. Jahrhunderts mitgeteilt. Alfred Edmund Brehm, in dessen Tierdarstel-

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lungen sich mancher Zug des bürgerlichen Lebens seiner Zeit eingeschlichen hat – die Maus sammelt und hortet so fleißig wie ein gründerzeitlicher Wohlstandsbürger –, befleißigt sich im Fuchskapitel seines Tierlebens im Anschluss an Goethes Reineke Fuchs einer anthropomorphisierenden Darstellung, um Reineke in seiner »gemeinen Ritterlichkeit« zu zeichnen  : Kaum ein einziges anderes Mitglied der ersten Klasse [d. h. der wild lebenden Säugetiere, H. H.] genießt einen so hohen Ruhm und erfreut sich einer so großen Bekanntheit wie Freund Reinecke, das Sinnbild der List, Verschlagenheit, Tücke, Frevelhaftigkeit und, wie ich sagen möchte, gemeinen Ritterlichkeit. Ihn rühmt das Sprichwort, ihn preist die Sage, ihn verherrlicht das Gedicht, und einer unserer größten Meister hielt ihn für würdig, seinen Gesang ihm zu widmen. Es ist gar nicht anders möglich  : der Gegenstand einer so allgemeinen Theilnahme muß ein ausgezeichnetes Geschöpf sein (Brehm  : Thierleben, Bd. 1, S. 420).7

Brehm fährt fort  : Bei allen seinen Jagdzügen gilt ihm die eigene Sicherheit als erstes Gesetz  ; ihr ordnet er alle seine Lüste und Begierden unter, und eben deshalb entgeht er so vielfachen Nachstellungen. […] Verdächtige Beute untersucht er vorher genau und läßt sie weit lieber im Stiche, ehe er sich der Gefahr aussetzt. […] Ganz anders benimmt er sich, wenn er sich vollkommen sicher weiß. Dann verwandelt sich seine Furcht in eine wirklich unverschämte Frechheit. Er kommt bei Tage in den Hof, holt sich ein Huhn, eine Gans, macht sich mit seiner Beute ganz offen davon und trägt sie ruhig seines Weges, selbst wenn ihm die Hunde auf den Balg kommen. […] So packte ein Fuchs, welcher in einem Treiben von Hunden gejagt wurde und schon zweimal Schrote hatte pfeifen hören, in vollster Flucht einen kranken Hasen und trug ihn eine Strecke weit fort. […] Solche Züge aus dem Leben des Thieres, solche Beweise von Geistesgegenwart können dem Unbetheiligten nur Vergnügen gewähren und eine gewisse Hochachtung für den schlauen Burschen abnöthigen. Die Achtung verliert sich aber bald, wenn man daran denkt, daß der vortrefflichste aller Raubritter mehr umbringt, als er wirklich auffressen kann, und daß er, wenn er es vermag, ein entsetzliches Blutbad unter der wehrlosen Herde anrichtet (Brehm  : Thierleben, Bd. 1, S. 424).

Brehms Darstellung wird in den vielen späteren Auflagen seines Werks, das zu einem wahrhaften Volksbuch avancierte, Zug um Zug der allzu sichtlich an­ thro­pomorphisierenden Züge entkleidet. Aber stets bleibt deutlich, dass durch die dem Fuchs zugeschriebenen menschengleichen Eigenschaften eben doch

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leicht auch der appetitus des Raubtiers hindurchbricht, der im Falle Reinekes überhaupt keine Grenzen zu kennen scheint. Hier muss in den Augen Brehms die Sympathie für ihn schwinden. Auch Tierdichtung und Erzählfolklore zeigen sich dem Fuchs gegenüber zwar interessiert, doch so distanziert, dass sie ihn nirgendwo zum Begleiter des Menschen erheben. Er lebt zwar ganz in der Nähe des Menschen, stört aber dessen Geschäfte und Tageslauf, indem er in sorgsam errichtete Gehege einbricht. In seiner Tierumgebung profiliert sich der Fuchs als das intelligenteste Tier. Seine Schläue mag Sympathien erwecken, seine Aggressivität aber lässt sich narrativ nur anders parieren  : Er wird zu einer Figur mit zweifelhaften Antrieben, die sich leicht komisch wenden lässt  ; aber er wird auch zur Verkörperung des Bösen.

2 Erzählen vom Fuchs in Antike und Mittelalter

Die Listen des schlauen Fuchses werden schon in der antiken Fabeldichtung gerühmt und in naturkundlichen Texten mit vielen, oftmals fabulierten Beobachtungen belegt. Eine wichtige Quelle bieten die Tiergeschichten (De natura animalium) des römischen Schriftstellers Aelian (ca. 170 bis nach 222)  ; auf sie bezieht sich noch der frühneuzeitliche Naturforscher Conrad Gessner. Gessner schreibt  : Von dem Fuchs werden viel Listigkeiten geschrieben, [die er verübt,] wann er seiner Nahrung nachgeht / wie dann beym Æliano, Georgio Agricola, Alberto, Oppiano und Aristoteli zu ersehen / und weitläufftig erzehlet wird (Gessner  : Thierbuch, S. 122a).8

Die bei Gessner versammelten Beobachtungen sind also nicht  – wie dann später in der Regel bei Brehm  – frisch gesammelt, erhoben oder selbst getätigt, sondern werden stattdessen aus Quellenwerken, vielfach auch antiken, zusammengestellt.9 Dabei wird dem Fuchs beispielsweise zugeschrieben, dass er Vögel fange, indem er sich besudlet / und als ob er todt wäre / auf den Wasen streckt / dadurch er dann die Vögel zu sich / als zu einem Aaß lockt / und sie hernach erfasset (Gessner  : Thierbuch, S. 122b).

Fische dagegen fange er mit dem Schwanz,

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den er in das Wasser hängt / und so sich die Fischlein darein verbergen / zeucht er sie herauß / schüttelt den Schwantz / und lebt wohl umb eine kleine Oerte oder Zeche (ebd.).

Die beiden Beobachtungen sind in derselben Reihenfolge aus Aelians Tierbuch gezogen.10 Aber woher nimmt sie Aelian  ? Es sind ja keine Beobachtungen, sondern offenkundig fabulierte Geschichten, die in der Erzählfolklore weit verbreitet sind.11 Auch der Physiologus (2.  Jh. n.  Chr.), eine christliche Naturkunde der Spätantike, bringt die erste Behauptung, um den Fuchs wegen seiner perfiden Fangmethode dem Teufel gleichzustellen.12 Da es in der Antike noch kaum institutionalisierte Forschungskontexte gab, musste man sich entweder selbst auf den Weg machen oder Informationen von weither einziehen, um einen beliebigen Beobachtungsbereich neu zu erschließen, wenn man nicht einfach schriftliche Quellen ausbeutete, für die sich dieselbe Frage aufs Neue stellte. Wo aber erfuhr man etwas über Tiere, auch über Füchse  ? Die Leute erzählten sich allerlei, und solche Erzählungen ließen sich auch für oder als Beobachtungen ausschlachten. Bei Aelian läuft jedenfalls gleichermaßen unwahrscheinlich Fabuliertes zusammen.13 Auch im Mittelalter begegnen solche Fabulate. Unter den seit dem 12. Jahrhundert am weitesten verbreiteten, volksläufigen mündlichen Erzählungen zum Fuchs finden sich zwei, die das bei Aelian berichtete Totstellen zum Beutefang und das Angeln mit dem Schwanz jeweils zum Gegenstand eines Plots machen.14 Der Fuchs, der auf anderen Kontinenten u. a. durch den Schakal (Indien) oder den Kojoten (Nordamerika) ersetzt wird, stellt in den Tiererzählungen aus aller Welt das mit Abstand am meisten berücksichtigte und bedachte Tier dar. Zwei weithin verbreitete internationale Erzähltypen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen  : 1. Ein Fuchs liegt auf dem Weg und stellt sich tot. Ein vorbeikommender Fischer will ihm erst das Fell abziehen, wirft ihn aber, nachdem er ihn tot glaubt, auf seinen Wagen, auf dem er einen Korb mit Fischen transportiert (Fischer und Fische werden oft durch andere Motive ersetzt). Der Fuchs wirft den Inhalt des Korbes unbemerkt nach und nach auf den Weg und springt schließlich selbst vom Wagen, um das Herabgeworfene wieder einzusammeln und zu verspeisen. Ein Wolf, Bär oder ein anderes Tier will es ihm gleichtun, wird aber entdeckt und übel zugerichtet (ATU 1).15 2. Ein Bär (oder Wolf) trifft auf einen Fuchs, der eine Menge Fische gefangen hat und ihm auf Nachfrage erklärt, er habe sie mit seinem Schwanz durch

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ein Loch im Eis geangelt. Er instruiert den Bären, den Schwanz erst aus dem Wasser zu ziehen, wenn es zu kribbeln beginne, weil dann die Beute angebissen habe (in der Regel stören den Bären oder Wolf dann Menschen oder ihre Hunde, und er muss flüchten). Beim Herausziehen des Schwanzes büßt der Bär aber seinen eingefrorenen Schwanz ein (das wird oft ätiologisch gewendet  : seither tragen Bären ihre Stummelschwänze) (ATU 2).16 Es ist auszuschließen, dass zwischen dem bei Aelian beobachteten Totstellen zum Beutefang sowie dem Angeln mit dem Schwanz und den beiden folkloristischen Erzähltypen ATU 1 und ATU 2 eine unmittelbare Beziehung besteht. Denn es gibt zu diesen beiden Typen keine weiteren antiken Entsprechungen.17 Man muss aber doch annehmen, dass die Motive bei Aelian nicht isoliert und aus wirklicher Tierbeobachtung herrührend auftauchen, sondern dass sie sich auch hier schon im Kontext von Erzählfolklore befunden haben und zu Beobachtungen stilisiert worden sind.18 Denn obwohl es das Verhaltensmuster des Totstellens zum Beutefang im Tierreich gibt, ist es bei Füchsen nicht anzutreffen  ; als Stratagem allerdings wird es in Tiererzählungen schon lange verschiedenen Tieren zugeschrieben, auch dem Fuchs.19 Andererseits angelt kein Fuchs (oder Bär) mit seinem Schwanz Fische. Auch dieses Motiv ist erkennbar fabuliert. Die beiden Typen von Fuchserzählungen sind zuerst in mittelalterlichen Tierdichtungen belegt  : zunächst ATU 2 im mittellateinischen Tierepos Ysengrimus (wohl 1148/49)20 und danach ATU 1 (und im Anschluss daran auch ATU 2) im Roman de Renart, der ab 1174 bis ca. 1250 in immer neuen Erzählzweigen (den sogenannten branches) entstanden ist.21 Der Roman de Re­nart gibt die beiden Erzähltypen dann weiter an seine verschiedenen mittelhochdeutschen, mittelniederländischen und mittelniederdeutschen Adaptationen. Auch wenn der Ysengrimus und insbesondere der Roman de ­Renart auf nicht wenige antike Fabeln aus dem Erzählgut Äsops (6. Jh. v. Chr.) zurückgreifen,22 die wie immer indirekt durch Schullektüre vermittelt23 und vom Roman de Renart und teilweise vielleicht auch aus dem Ysengrimus24 übernommen wurden, so könnten beide Texte dennoch aus einem, wenn auch kaum noch fassbaren Kontext mündlicher Tiererzählungen schöpfen. Denn der Roman de Renart bringt neben den genannten eine erhebliche Anzahl weiterer, von mehreren Autoren geschaffener Fuchserzählungen zu einem locker gebundenen, umfangreichen Zyklus zusammen.25 Insbesondere die Fülle dieser weiteren Episoden mit teilweise bis nach Indien weisender Provenienz26 lässt auf eine weite Verbreitung der Fuchserzählungen in der mündlichen Erzählkultur

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schließen, die aber zweifellos schon früh Zu- oder auch Rücklauf aus schriftlichen Fabelbüchern erhalten hat.27 Mit einem solchen Befund war schon Jacob Grimm konfrontiert, der als Erster Belege zu Fuchserzählungen im Zusammenhang mit den großen mittelalterlichen Tierepen zusammentrug und zugleich erkennen konnte, dass etwa eine Erzählung wie die vom Fuchs, der mit seinem Schwanz fischt (ATU 2), noch zu seinen Lebzeiten erzählt wurde.28 Der deutsche Name »Reinhart« (»Raginhart«  ; »Reinardus« latinisiert im Ysengrimus) für den Fuchs verleitete ihn zu der Annahme, solche Erzählungen seien mitsamt ihrer mündlichen Gattung deutschen Ursprungs.29 Gerade für die schriftlichen Bezeugungen der Gattung entwickelte Jacob Grimm aber ebenfalls ein scharfes Auge.30 Man hat sich seitdem vorgestellt, dass die Verbindung verschiedener Episoden zu einem Erzählzyklus aus dem Ysengrimus und dem Roman de Renart in die mittelalterlichen Fuchsdichtungen und schließlich in die mündliche Erzählfolklore eingegangen sein könnte. Allerdings könnte sie sich hier im Gegenteil auch schon vorher herausgebildet haben.31 Denn die zyklische Form, wie sie en miniature noch in den Grimmschen Kinder- und Hausmärchen (»Der Wolf und der Fuchs«) begegnet, muss durchaus kein artifizielles Relikt der Schriftliteratur in der Mündlichkeit darstellen.32 Folgendes Verlaufsmodell scheint denkbar  : Mehrere Fuchserzählungen werden von einem mündlichen Erzähler hintereinander erzählt, da es viele von ihnen gibt und eine Anreihung sich beim Erzählen schnell ergibt oder anbietet. Dieser Erzähler kann die Möglichkeit wahrnehmen, statt »ein Fuchs«, »ein Wolf« und »ein Löwe« »der Fuchs«, »der Wolf« und »der Löwe« zu sagen (denn ein generisch gebrauchtes Demonstrativpronomen lässt sich leicht auch als identifizierendes Pronomen verwenden) und so zu suggerieren, der Fuchs, der Wolf, der Löwe und die anderen Tiere seien durch die verschiedenen Erzählungen hindurch stets dieselben.33 Dann aber kann man dem Fuchs, Wolf und Löwen auch einen Namen geben, und ein Zyklus ist im Keim hergestellt, wenn auch noch ohne feste Verbindung einzelner Episoden und ohne narrative Klammer. Ein Konnex konnte sich zudem motivisch ergeben, wenn etwa wie bei ATU 1 und 2 Fische die bevorzugte Nahrung des Fuchses darstellen.

3 Fuchs und Wolf

Die Namensvergabe, die mit »Ysengrimus« und »Reinardus« ihren Anfang nimmt,34 musste wie ein Sammelruf für die Fuchserzählungen wirken, von

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denen um 1150 nicht wenige schon in den Ysengrimus aufgenommen wurden, um dann ab 1174 Zug um Zug und in bemerkenswerter Anzahl an einen Nukleus von Branchen (Erzählzweigen) im Roman de Renart angelagert zu werden. Hier wurde die Aufnahme in eine schriftlich konzipierte Vortragsdichtung zu einem Sammelbecken für mündliche wie auch bereits literarisierte Fuchserzählungen. Dabei wurde eine Differenzierung der Plots erreicht mit einer ungleich feineren und hintergründigeren Motivierung des Figurenhandelns. Während zunächst in wenigen Sätzen im Wesentlichen nur von einer List des Fuchses gegenüber dem Wolf erzählt wurde, konnte nun ein komplexeres Verhältnis von Fuchs und Wolf entfaltet werden, das die Wolfsfamilie mit einbezog. Die ebenso plumpe wie perfide Konkurrenz von Fuchs und Wolf wurde durch beider Tierverwandtschaft psychologisch differenziert. Es fehlte aber noch eine übergreifende narrative Struktur. Im Zuge einer folgenreichen Literarisierung liefert sie der Roman de Renart. Roman de Renart Die erste Branche des Roman de Renart beginnt mit folgenden Versen  : Perrot, qui son engin et s’art Mist en vers fere de Renart Et d’Isengrin son cher conpere, Lessa le meus de sa matere  : Car il entroblia le plet Et le jugement que fu fet En la cort Noble le lion De la grant fornicacion Que Renart fist, qui toz maus cove, Envers dame Hersent la love. (Roman de Renart, I, V. 1–10)35 (Pierre [de Saint-Cloud], der sein Können und seine Kunst eingesetzt hat, um die Taten von Renart und seinem guten Kumpel Ysengrin in Verse zu bringen, hat das Beste von seinem Stoff weggelassen. Denn er hat den Prozess und das am Hof des Königs Noble, des Löwen, gefällte Urteil vernachlässigt, betreffend die schlimme Vergewaltigung der Wölfin Hersent durch den Fuchs, der alle Übel ausbrütet.)

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Die Branche I erscheint hier erkennbar erst im Nachhinein vorangestellt. Denn es wird auf einen schon vorliegenden Handlungsverlauf Bezug genommen, der in den Branchen II und Va erzählt wird. Pierre de Saint-Cloud, dem namentlich noch bekannten Dichter der Branchen II und Va, vielleicht auch von III und IV, wird vorgeworfen, den Prozess gegen Renart nicht wirklich zu einem Ende gebracht zu haben. Dies will der Nachfolger nun bessern. Der Hauptklagegegenstand des in Branche I noch einmal erzählten Prozesses besteht ebenfalls in der Vergewaltigung der Wölfin. Vorangestellt worden ist diese Branche (I) durch die Mehrzahl der Überlieferungszeugen wohl deshalb, weil sich hier eine Autornennung findet (eben Pierres de Saint-Cloud), wenn auch nur durch den anonymen Nachfolger. In den frühesten Branchen (II, III, IV und Va) des Roman de Renart wird eine Reihe von zunächst erfolglosen (Branche II), dann in Bezug auf den Wolf aber erfolgreichen Untaten Renarts erzählt (Branche III und IV). In Branche Va wird ein Prozess dargestellt, den der Wolf Ysengrin und seine Frau Hersent beim König gegen Renart anstrengen, da Renart Hersent vergewaltigt habe.36 Schon im Ysengrimus kommt es zu einer bösartigen Vergewaltigung der Wölfin durch den Fuchs (Buch V, V. 705–819), doch im Roman de Renart bildet sie einen unscharfen Tatbestand, da sie unter aktiver Beteiligung der Wölfin zustande kommt. Hersent gewährt Renart den sexuellen Kontakt nämlich aus Empörung über das Verhalten ihres Mannes Ysengrin, von dem Renart ihr allerdings nur etwas vorgelogen hat (II, V. 1032–1117). Nach dem Vergnügen macht Renart sich aus Angst vor Ysengrin schnell aus dem Staub und uriniert vorher noch auf die Wolfskinder. Gegenüber dem heimgekehrten Ysengrin bestreitet Hersent den Vorgang, den sie weiterhin im Unklaren zu halten sucht. Beide einigen sich darauf, Renart nachzustellen. Bei der ersten Verfolgung flüchtet er in seinen Bau Maupertuis, in dessen Eingang Hersent mit Kopf und halbem Körper steckenbleibt. Renart kommt an anderer Stelle aus seinem Bau heraus und vergewaltigt sie. Ysengrin wiederum kommt zu spät hinzu, sieht das Debakel und wird von Renart noch verhöhnt (II, V.  1211–1358). Ysengrin und Hersent ziehen Renart nun vor Gericht, wo er auf sein höhnisches Versprechen eines fadenscheinigen Reinigungseides festgelegt werden soll. So wird der Roman de Renart zur Parodie einer durch königliche Rechtsprechung geschützten Ehe, denn diesem König liegt mehr an der ›höfischen‹ Liebe (Branche Va). Dem versprochenen Eid entzieht sich Renart indes und flüchtet sich in seinen Bau. Während sich in der Rezeptionsgeschichte des Roman de Renart der Dichter des mittelhochdeutschen Reinhart Fuchs an die ursprünglichen Branchen II,

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III, IV und Va von Pierre de Saint-Cloud gehalten hat,37 haben sich die Verfasser der mittelniederländischen und mittelniederdeutschen Fuchsdichtungen an den mit Branche I neu tätig gewordenen Dichter gehalten, der den Prozess gegen Renart noch einmal neu aufrollen lässt und somit motivisch verdoppelt. Dieser an seinem Vorgänger mäkelnde Dichter stützt sich für seine Branche (I) auf einen Handlungsrahmen, der letztlich auf die äsopische Fabel vom Löwen, Wolf und Fuchs zurückgeht (vgl. ATU 50).38 Vermittelt wurde sie vielleicht über die mittellateinische Dichtung Ecbasis captivi (»Flucht eines Gefangenen«, 10./11.  Jh.),39 den mittellateinischen Ysengrimus40 oder auch auf anderem Wege. Auf einem Hoftag des kranken Löwen  – so erzählt die äsopische Fabel  – versucht der Wolf den Fuchs beim Löwen in Abwesenheit in Misskredit zu bringen. Doch der Fuchs dreht, sobald er hinzugekommen ist, den Spieß um und empfiehlt die Häutung des Wolfs. Er gibt dies als Heilverfahren für den siechen Löwen aus, der sich das Wolfsfell anlegen soll. So geschieht es dann auch. Die Krankheit des Löwen wird im Roman de Renart allerdings eliminiert und als Handlungsmovens durch den gegen Renart angestrengten Prozess ersetzt.41 Dies bildet die dominante narrative Klammer auch im mittelhochdeutschen Reinhart Fuchs, in den mittelniederländischen und mittelniederdeutschen Fuchsdichtungen, die sich nur der Branche I annehmen, sogar den alleinigen Handlungskern.42 Der nur in Maßen schwerwiegende Tatvorwurf in diesem Prozess bietet eine willkommene Gelegenheit, die auch anderen Tieren gegenüber begangenen Schandtaten des Fuchses zu sammeln und seine Bosheit und Bösartigkeit genussvoll auszustellen, indem die Betroffenen sie vor Gericht vorbringen dürfen. Die aber sind oft gar nicht nur Betroffene, sondern wie Hersent in prekärer Weise involviert. Insofern ist der Prozess geeignet, das Unterlaufen und die Doppelbödigkeit von Rechtsverfahren und Recht zu parodieren. Reinhart Fuchs Die meisten Handschriften des Roman de Renart haben die neue Branche I dem Gesamtzyklus vorangestellt, wenn auch unter Inkaufnahme gewisser Ungereimtheiten.43 Anders verhält es sich mit dem mittelhochdeutschen Reinhart Fuchs. Ihm lag eine frühe Roman de Renart-Handschrift zugrunde, die den Prozess am Hof des Löwen wohl noch in eine Folge eingereiht vorstellte, wie sie der Entstehung der Branchen entsprach  : Branche I folgte erst nach den Branchen II–Va. So wird aber zunächst eine Reihe gesammelter Listen und Untaten Renarts durcherzählt, die schließlich zu jenem Prozess gegen ihn füh-

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ren, der beim ersten Versuch verunglückt und dann noch einmal neu aufgenommen wird. Eben diese Abfolge bietet nun auch der Reinhart Fuchs.44 Doch ist der Fuchs, wie schon im Ysengrimus und dann auch im Roman de Renart, in seinen Anschlägen zuerst keineswegs erfolgreich, im Gegenteil. So geht es schon los45  : Reinhart veranlasst den Hahn Schantecler, zum Singen mit geschlossenen Augen von seinem Ast herunterzukommen, und schnappt ihn sich. Als er mit Schantecler im Maul auf der Flucht vom Bauern verfolgt wird, provoziert der Hahn ihn zu einer boshaften Bemerkung gegenüber dem Bauern, wozu Reinhart sein Maul öffnet und Schantecler für einen Augenblick freigibt. So kann sich dieser gerade noch auf einen Baum retten (V. 11–176).46 Auch eine Meise, die ihm einen Kuss verspricht, kann Reinhart nicht vom Ast holen, stattdessen wirft sie ihm ein Stück Dreck in das zum Kuss geöffnete Maul (V. 177–216). Der Erzähler weist darauf hin, dass der Fuchs heute von seiner Schlauheit einmal nicht profitieren könne (V. 217–219)  : Zwar vermag er nun einen selbstverliebten Raben zum Singen zu bewegen, sodass ihm der wohlgehütete Käse aus dem Schnabel fällt (V.  217–285).47 Ja, er bringt den Raben sogar dazu, sich den Käse wiederzuholen  ; doch ein herbeikommender Jäger verhindert, dass Reinhart sich beide schnappen und einverleiben kann, und die Jagdhunde stürzen sich auf ihn (V. 286–312). Schließlich schlägt ihm ein Kater ein Schnippchen, indem er ihn in eine Falle laufen lässt (V.  313– 384),48 in der er beinahe sein Leben lässt. Nun trifft Reinhart aber auf den Wolf Ysengrin und geht eine Kumpanei mit ihm ein  ; die Wolfsfamilie adoptiert ihn gar als Verwandten (V. 385–412). So nimmt er sich heraus, in Abwesenheit des Wolfs um die Wölfin Hersant zu werben (V. 413–448) – für den Dichter eine Gelegenheit, den Minnekult der höfischen Kultur zu persiflieren. Beim Versuch, einem Bauern durch Kooperation mit dem Wolf einen Schinken abzujagen, fällt dieser allein an den Wolf (V. 449–504). Doch endlich beginnt sich das Blatt zu wenden  : Reinhart kann den Wolf mehrfach düpieren. Zunächst überlässt er Ysengrin und Hersant in einem Klosterkeller betrunken singend den herbeieilenden, mit Knüppeln bewaffneten Mönchen (V. 504–551).49 Dann wird Ysengrin ein Ehebruch seiner Frau mit Reinhart durch einen angeblichen Augenzeugen zugetragen, der aber will Ysengrin wohl nur ärgern (V. 563–634).50 So geht es weiter. Reinhart gießt heißes Wasser über den Kopf des gierigen Ysengrin und versengt ihm das Fell in Form einer Tonsur (V. 635–726).51 Er kann Ysengrin zum Fischen mit dem Schwanz bringen, woraufhin der Wolf seinen Schwanz einbüßt (V. 727–822).52 Er bewegt Ysengrin, der sein Spiegelbild in einem Brunnen für seine Frau Hersant hält,53 dazu, mit einem Eimer über ein Schöpfsystem in den Brunnen

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hinabzufahren und ihn, Reinhart, auf diese Weise durch Hochhieven aus dem Brunnen zu retten. Ysengrin wird dagegen entdeckt und verliert beinahe sein Leben (V. 823–1060).54 Es kommt zu einem Gerichtsverfahren, dem sich Reinhart nur mit knapper Not entziehen kann (V.  1061–1153).55 Er flüchtet noch vor dem Eid auf seine Unschuld und vergewaltigt die ihn bis in seinen Bau verfolgende Wölfin, nachdem sie sich festgerannt hat. Für Ysengrin ist das kaum zu verkraften (V. 1154–1238).56 Der Löwe erkrankt (V. 1239–1320)57 und beruft einen Hoftag ein, auf dem Ysengrin seine Klage erneuert. Dazu werden weitere Klagen gegen Reinhart vorgebracht (V. 1321–1510). Da Reinhart dem Hoftag fernge­ blieben ist, soll der Bär Brun ihn holen, wird aber in seiner Naschhaftigkeit von Reinhart verführt, seinen Kopf in einen mit einem Keil aufgespaltenen Baumstamm zu stecken  ; als Reinhart den Keil zieht, wird Brun eingeklemmt (V. 1511–1618).58 Auch der Kater Dieprecht wird in eine Falle gelockt (V. 1619– 1775). Erst der Dachs kann Reinhart holen, der freilich so tut, als käme er mit medizinischen Kenntnissen direkt aus Salerno. Auf sein ärztliches Konsil hin wird Ysengrin, Brun und Dieprecht das Fell abgezogen, Schanteclers Frau muss ihr Leben für eine heilende Diät lassen, und auch andere Tiere müssen bluten (V.  1776–2094).59 Reinhart nimmt nun mit der Therapie des Löwen auch die Regierungsgeschäfte in die Hand, lässt Lehen neu ausgeben  – mit verderblichen Folgen, auch für die Belehnten – und vergiftet am Ende den Löwen (V. 2095–2250). Recht wird immer wieder und letztendlich durch Gewalt ausgehebelt.60 Die Inhaltsskizze und die Zuordnung der entsprechenden Erzähltypen (siehe die Anmerkungen) lassen eines leicht erkennen  : Der Reinhart Fuchs erscheint wie ein Mosaiktext, der, wie die mittelalterliche Tierdichtung auch sonst, aus lauter auch anderweitig belegbaren Versatzstücken zusammengestellt ist, die allerdings in eine abgestimmte und bedeutungstragende Ordnung gebracht werden.61 Einige Erzähltypen überschneiden sich mit der äsopischen Fabelüberlieferung und könnten also ggf. aus dem Schulunterricht über den Roman de Renart zum Reinhart gelangt sein.62 Die anderen Typen könnten über den Roman de Renart und ggf. den Ysengrimus, aber teilweise auch unabhängig in die Erzählfolklore zurückführen. Macht man eine vergleichbare Probe für den Roman de Renart,63 so vermehrt sich die Zahl der vertretenen Erzähltypen noch um einiges, wobei viele dort zum ersten Mal belegt sind. Zwar gibt es hier und da eine schmale, weit verstreute vorgängige Bezeugung und Tradierung der Typen, signifikant konzentriert erscheint eine Tradierung indes erst im Ysengrimus. Dieser aber steht

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mit seinen Erstbelegen erratisch in der Landschaft.64 Schaut man in umgekehrter Richtung von den im Roman de Renart belegten Typen auf die sich zu jedem einzelnen Typ gleichsam trichterförmig verbreiternde Tradierung vom Mittelalter bis hin zu den Sammlungen mündlicher Erzählfolklore ab dem 19.  Jahrhundert, dann muss man feststellen, dass wohl kein Text oder keine Textgruppe der Weltliteratur eine auch nur annähernd vergleichbare Streubreite erreicht hat, wie sie den Ysengrimus, den Roman de Renart sowie dessen Adaptationen auszeichnet. Die Belege zu den Erzähltypen verdichten sich in den schriftlichen Sammlungen mit Tiererzählungen seit dem Spätmittelalter,65 vervielfachen sich aber noch einmal in den durch die moderne Forschung zur Erzählfolklore erhobenen Sammlungen. Soll man nun glauben, dass diese gewaltige Streubreite durch die enorme Wirkung jener kleinen Textgruppe angestoßen worden ist  ? Oder ist es nicht plausibler anzunehmen, dass die frühen und z. T. frühesten Belege für die Typen in der Textgruppe nur Ausfällungen aus einem bereits breit dahinfließenden Strom mündlichen Erzählens darstellen, die in den Texten nur deshalb zum ersten Mal belegt sind, weil es singuläre Dichtungen waren, die sie einschlossen und so bewahrten  ? In einer nur auf das Gedächtnis eingerichteten Erzählkultur ist der Sprung über die Feder aufs Pergament kein natürlicher Vorgang. Umgekehrt boten klerikal-gelehrte und zugleich intellektuell-überladene Dichtungen (wie die Ecbasis captivi und der Ysengrimus) mit Sicherheit keinen Anstoß zu breiter mündlicher Tradierung. Auch wenn mündliche Varianten ihrer Erzählplots erst sehr viel später belegt sind, lässt sich daraus nicht schließen, dass sie vorher nicht vorhanden waren.66 Sie können auch zu einem Zeitpunkt existiert haben, zu dem sie sich noch nicht nachweisen lassen. Reynke de vos Über den Rückgriff auf den Roman de Renart haben sich allerdings der Reinhart Fuchs wie dann auch der Reynke de vos (die mittelniederdeutsche Fassung, die Goethe als Vorlage diente) von der mündlichen Erzählkultur weit abgesetzt.67 Der Reynke ist in besonderer Weise schriftliterarisch überformt. Er weist paratextuelle Vorreden und prosaische Glossen auf, die den Inhalt der Erzählungen umständlich erklären und auf soziale Zu- und Missstände beziehen. Wenn die Leser mündliche Fuchszyklen kannten, so bekamen sie es nun mit einer didaktisch überformten, artifiziellen Verserzählung zu tun, die sich aber auch Zeit nahm, ihren bösartig-vergnüglichen Erzählinhalt genussvoll auszugestalten.

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Dazu gehören zum Beispiel die chaotischen Folgen, die die tierweltliche Unordnung noch bei den Menschen zeitigt, wenn diese die Tiere verfolgen. So fallen mehrere Dorfbewohner, darunter die Haushälterin des Pfarrers, bei der Verfolgung des Bären Brun in einen Bach (V. 749–761) – die Sorge des Pfarrers um seine Haushälterin lässt wie so oft, wenn dieses spezielle Verhältnis in der Literatur auftaucht, eine engere Beziehung als nur eine haushälterische erschließen. Der Pfarrer fällt später bei der Verfolgung Reynkes auch seinerseits noch in den Dreck, wobei er noch den Tisch mitsamt Speisen und Getränken mitreißt (V. 1481–1488). Zum Reynke lässt sich die Rekurrenz auf Erzähltypen der Erzählfolklore einerseits noch erweitert nachweisen, da seine Vorgänger den Roman de Renart noch weitergehend ausschöpfen und dabei wohl auch eigenständig Splitter der mündlichen Tradition hineinzitieren  ;68 andererseits entfernt er sich aber noch weiter von dessen Vortragsmündlichkeit (wie z. B. den vielen Publikumsadressen). Anders als im Reinhart beginnt die Handlung im Reynke und seiner Vorlagenreihe69 mit dem Hoftag des Löwen, und das erste Buch besteht auch ausschließlich aus dem Hoftag. Diese Anfangsepisode entspricht der ersten, nachträglich vorangestellten Branche des Roman de Renart. Die weiteren, hier nicht mehr berücksichtigten Bücher erzählen nur Neuauflagen des Hoftags wie der Klagen Ysegryms. Im ersten Buch führt also keine Handlung auf den Hoftag zu, sondern die drei vom Hoftag ausgehenden Ladungen an den Fuchs, sein schließliches Kommen und die von ihm hinterrücks gedrehte Situation der Anklage mitsamt einer Verkehrung des Rechts bilden den Plot.70 Der Löwe ist nicht krank, und nicht seine Behandlung, sondern der pervertierte Prozess gegen Reynke wird erzählt. Ereignisse, die vorher stattfanden, werden eingespielt, so der Umstand, dass Reynke sich dem vorauslaufenden Gerichtsverfahren entzog. Auch was an Klagen vorgebracht wird, hat, wenn es denn nicht falsche Behauptungen sind, vorher stattgefunden. Der Hoftag dient somit als Spielfläche für die Exposition zuvor geschehener Ereignisse mit Blick auf die daraus erwachsenden Folgen. Reynke fehlt beim Hoftag, und der Dichter kommentiert  : De quad deyt, de schuwet gern dat lycht  ; alao dede ok Reynke, de böaewycht. (V. 25 f.) (Wer Böses tut, der scheut gern das Licht  ; das tat auch Reynke, der Bösewicht.)

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Ysegrym bringt seine Klage vor, die Schändung seiner Frau bildet den Hauptpunkt. Danach klagt ein Hündchen, Reynke habe ihm eine Wurst gestohlen, worauf der Kater Hyntze (im Reinhart Fuchs hieß er Dieprecht) erklärt, die Wurst habe eigentlich ihm gehört. Der Panther geht dazwischen und bringt eine Beobachtung bei  : Gestern erst habe Reynke dem Hasen das Credo beibringen wollen und versprochen, ihn zum Kaplan auszubilden  ; bei dieser Gelegenheit habe er den Hasen massakrieren wollen, nur dass er selbst, der Panther, noch rechtzeitig einschreiten konnte (Kap. 2). Zur Verteidigung Reynkes und zur Belastung des Wolfs bringt der Dachs Grymbart nun die Geschichte vom sich tot stellenden Fuchs, der Fische vom Wagen wirft. Abweichend vom üblichen Verlauf dieses Plots (ATU 1) hat der Fuchs sich vorher mit dem Wolf auf eine Absprache eingelassen, die dieser nicht einhält, da er alle Fische selbst verzehrt, anstatt sie zu teilen. Reynke hatte sich, wie Grymbart betont, dazu sogar in Lebensgefahr begeben. Dann beginnt Grymbart die Anschuldigungen der Ankläger zu zerpflücken  : Ghyremod habe Reynke vor sieben Jahren ja selbst aus fruntlyker houescheyt (»freundlicher Höflichkeit«) an sich herangelassen  ; der Hase habe seine Lektion nicht ordentlich gelernt und es deshalb verdient, bestraft zu werden  ; schließlich habe man auch die gestohlene Wurst sicherstellen müssen, wie Reynke es tat (Kap. 3). Nachdem Grymbart fertig ist, kommt wie bestellt der Hahn Hennynck, der seine tote Frau Krassevoet auf einer Bahre als Beweis einer weiteren Untat Reynkes vor den Richter schleppt. Er schildert herzzerreißend, wie Reynke nahezu seine ganze Familie ausgerottet habe (Kap. 4). Man begräbt die Henne auf Geheiß des Löwen mit Grabstein und Epitaph (Kap. 5) und schickt den Bären Brun los, um Reynke zu holen (Kap. 6). Der Bär lässt sich von Reynke bewegen, Vorderpfoten und Schnauze in einen gespaltenen Baum zu stecken, um Honig zu schlecken. Der Holzfäller entdeckt ihn dort eingeklemmt und trommelt das halbe Dorf zusammen, um den Bären zur Strecke zu bringen. Der verliert Teile seiner Pfoten und seines Gesichtsfells, als er flieht, und er muss zudem erbarmungswürdige Prügel einstecken. Da bei der Verfolgung die Haushälterin des Pfarrers in den Fluss fällt und man sie retten muss, kann Brun halbtot entkommen (Kap.  7–11). Nun wird der Kater Hyntze losgeschickt, und obwohl er Reynke zu Prozessbeginn beigesprungen war, schickt dieser ihn wie schon Brun ins Verderben, indem er ihn seinem Instinkt zur Mäusejagd ausliefert (Kap. 11–14). Schließlich kann aber der Dachs als engster Verwandter Reynke holen, der unterwegs seine Schandtaten beichtet, aber umgehend einen Abstecher auf den ihm bekannten Hühnerhof eines nahegelegenen Klosters machen will (Kap. 14–18).71 Beichten sind hier Lippenbeichten – wie schon das Credo ein Lippenbekenntnis ist.

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Beim König Nobel wendet sich das Blatt, da auch dieser seinen Begierden ausgeliefert ist, die Reynke in so phantasievoller wie perfider Weise auszunutzen versteht. Den Kopf nach einem vom König selbst gesprochenen Todesurteil schon in der Schlinge erwähnt er im Zuge einer letzten Beichte einen Schatz, der Nobel hellhörig werden lässt (Kap. 19–22). Reynke darf vom Galgen steigen und beginnt eine langwierige und mäandernde Geschichte zu erzählen  : Brun, Ysegrym, Hyntze und selbst Grymbart, ja vor allem Reynkes eigener verstorbener Vater hätten einen Umsturz mit Mordkomplott gegen den König geplant. Reynkes Vater habe den Hortschatz Ermenrichs gefunden, der als Revolutionskasse hätte dienen sollen – doch er, Reynke, habe sein Versteck herausgefunden und ihn in Sicherheit gebracht  ; so sei das Komplott verhindert worden (Kap. 23–26). König und Königin wollen nun unter sechs Augen etwas über den jetzigen Aufenthaltsort des Schatzes erfahren. Reynke soll begnadigt werden, auch wenn Nobel noch Vorbehalte hat  : Seine Frau wischt sie hinweg (Kap. 27–28). Statt Nobel zum Hortversteck zu begleiten, will Reynke eine Bußfahrt nach Rom und Jerusalem unternehmen. Nobel begnadigt ihn, seine Gegner erschrecken sich – mit gutem Grund, wie sich zeigen wird. Denn für ein komfortables Pilgergewand müssen sich Brun und Ysegrym Teile ihres Fells herausschneiden lassen (Kap. 29–32). Von dem Schafsbock Bellyn und dem Hasen Lampe begleitet, tritt Reynke mit vorgespieltem Abschiedskummer die Reise an. Auf der ersten Station in seinem Bau wird Lampe von Bellyn isoliert, getötet und von Reynkes Familie gefressen. Natürlich will Reynke nicht noch weiter nach Rom und Jerusalem (Kap. 33–35). Vielmehr wird Bellyn mit ein paar vorgeblichen Briefen zum König zurückgeschickt. Statt der Briefe legt Reynke den abgebissenen Kopf Lampes in den Ranzen. Bei Hof erkennt man schnell Reynkes Betrug  : Brun und Ysegrym werden rehabilitiert, aber dafür fällt nun Bellyn, fälschlich der Komplizen- und Mittäterschaft verdächtigt, in Ungnade. An ihm, der denn auch gleich getötet wird (V. 3234),72 wie an seiner ganzen Familie dürfen sich Brun und Ysegrym schadlos halten  : Alaus wert Bellyns slechte alle daghe Noch vorvolget van Ysegrymes maghe. (V. 3235 f.) (So wird also Bellyns Geschlecht noch immer von den Nachkommen Ysegryms verfolgt.)

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Mit dieser artifiziellen Ätiologie und einem freudig noch einmal verlängerten Hoftag endet das erste Buch des Reynke (Kap. 36–39).73 Anders als im Reinhart Fuchs, wo Reinhart die Herrschaft Vrevels beendet, indem er ihn ermordet, gibt es im Reynke keinen vergleichbaren Schlusspunkt des ersten Buchs, wenn man nicht die Begründung der Feindschaft zwischen Wölfen und Schafen durch eine ungerechte Entscheidung Nobels auf seinem Hoftag in dieser Weise verstehen will. Und anders als der Reinhart hat der Reynke bzw. seine Vorlage, Reynaerts historie (14. Jh.), eine Anreihung weiterer Bücher erfahren. Dies hat dazu geführt, dass man dem Reinhart eine sich steigernde finale und dem Reynke eine zyklische Struktur attestiert hat.74 Eher handelt es sich in beiden Fällen wohl nur um unterschiedlich strukturierte Episodenzyklen, da der Protagonist ja jeweils am Leben bleibt. Die Struktur im Reinhart sieht zunächst eine paradigmatische Folge missglückender Listen vor, wonach sich in der Konkurrenz mit dem Wolf Erfolge einstellen, die in der Zerrüttung der Herrschaft Vrevels und seinem Tod kulminieren. Ganz anders stellt der Reynke zunächst den Prozess gegen den Fuchs ins Zentrum  ; in die Anklage(n) und die dreifach gestaffelte Ladung des Fuchses werden weitere List-Episoden inseriert, die oft auch als Rückblicke in Figurenreden untergebracht sind. Gegenstand des Erzählens ist im ersten Buch die totale Pervertierung des schon von Beginn an fragilen Rechtszustandes, der die twydracht (Zwietracht) zwischen Wölfen und Lämmern, Schafen und Widdern in alle Zukunft fortschreibt.75 Daran schließen sich die weiteren drei Bücher an, die in einem Zweikampf zwischen Fuchs und Wolf mit prekärem Ausgang enden  : Es gelingt Reynke, den Wolf zu kastrieren. Dass es besonders im Reynke um das Böse geht, lassen neben den Eingangsversen (V.  25  f.) auch Verse vom Ende des vierten und letzten Buchs durchscheinen  : Eyn yslik schal syk tor wyßheyt keren, Dat quade to myden unde de d=gede leren. Dar umme is dyt boek ghedycht, Dyt is de syn unde andres nicht. (V. 6831–6834) (Ein jeder soll sich zur Weisheit bekehren, das Böse meiden und die Tugend annehmen. Darum wurde dieses Buch gedichtet, dies ist sein Sinn und sonst nichts.)76

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Gegen diese didaktische Übertünchung des Bösen steht indes die merkliche Freude am Erzählen vom Bösen, die schon der Dichter des mittelniederländischen Tierepos Van den vos Reynaerde (13. Jh.) an den Tag legt77 und dem sich die nachfolgenden Bearbeiter gern angeschlossen haben. Die zitierten Verse gehören indes erst dem mittelniederländischen Nachdichter, d. h. dem Verfasser von Reynaerts historie, der sich nicht klarmacht, wie sehr sich Van den vos Reynaerde gegen flach aufgetragene Didaxe sperrt. Aber wie es oft bei Pro- und Epimythien schwankhafter Kurzerzählungen der Fall ist, könnte er mit seinen Versen auch eine scheinheilige oder doppelbödige Aussage bezweckt haben.

4 Der Fuchs als Begleiter des Menschen  ?

Bislang nicht erwähnt wurden die sozialhistorische Anbindung des Reinhart mit teils sehr konkreten Anspielungen auf die Stauferherrschaft78 sowie die allgemein sozialkritische Ausrichtung des Reynke.79 Ihnen gehen die antiklerikale Tendenz des Ysengrimus sowie die antifeudale Ausrichtung des Renart voraus. Hierbei handelt es sich um Überschichtungen, die sich bei der Literarisierung von Tiererzählungen zur Tierdichtung besonders anbieten. Natürlich handelt es sich dann um zunehmend gelehrte Dichtung, deren Rezeption hinsichtlich des Bildungsstands ihrer Rezipienten gewissermaßen nach oben offen ist.80 Wenn einfache Tiererzählungen ursprünglich nur damit operieren, dass Tieren menschliche Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zugeschrieben werden und sie sich infolgedessen wie Menschen verhalten (was Kinder zu goutieren wissen), dann stellt schon die Inanspruchnahme solcher Erzählungen zur Belehrung eine vergleichbare Überschichtung dar.81 Sie hat, begonnen mit ihrem spezifischen Gebrauch bei Äsop bzw. in der äsopischen Tradition, die sie ursprünglich dem Mythos konkurrierend an die Seite stellte, bis heute ihre Wirkung nicht verloren.82 Entschieden weiter noch gehen aber Extensionen der Tierdichtung hin zur Parodie, Satire und sozialkritischen Komik. Hier findet ein Umschlag statt, der bewirkt, dass nicht mehr nur der Mensch auf das Tier projiziert, sondern das Tier im Menschen sichtbar wird. Dieser Umschlag vom anthropomorphisierenden Bezug auf Tiere zum theriomorphisierenden Bezug auf Menschen ist konstitutiv für eine Tierdichtung, die höheren Ansprüchen genügt. Leicht geht der Weg dorthin über Tierschwänke, die die List des einen Tiers gegenüber einem anderen ausspielen und ihr narratives Komplement schon in Erzählungen vom Listhandeln unter Menschen finden. Der Fuchs ist unter den Tieren für eine

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Protagonistenrolle prädestiniert. Je näher er mitsamt seiner Tierumgebung an den Menschen und an menschliche Verhältnisse herangeführt wird, desto näher liegt es, in ihm und seiner Umgebung eine Repräsentation des Menschen als Tier bzw. der Menschen als Tiere zu sehen.83 Das aber läuft auch über die Komisierung des Bösen und führt zur Satire und Parodie. Vom anthropomorphisierten Tier zum in pervertierte Verhältnisse abgesunkenen vertierten Menschen, der mit ätzender Bosheit im Spiegel der Tierwelt vorgeführt wird, ist es aber gewiss ein längerer Weg – auch einer von der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit. In Tierdichtung und Erzählfolklore erscheint der Fuchs nicht als Begleiter des Menschen. Zu tief sitzen die Vorbehalte ihm gegenüber, als dass sich eine positive Beziehung ausprägen würde. Er hält sich zwar in der Nähe menschlicher Ansiedlungen und Anwesen auf, richtet dort aber so viel Schaden an, dass alle Betroffenen ihn nur immer gleich fangen, häuten und zu Tode prügeln wollen. In der Tierdichtung geht es im Übrigen nicht um Tierverwandlung und um Hybriden von Tiermensch und Menschentier, also um Werwölfe, Wolfsmenschen, Berserker oder Tierkrieger, die sich die Eigenschaften von in Raserei kämpfenden Tieren zulegen oder ihre eigenen Fähigkeiten auf andere Weise über animalischen Zuwachs manipulieren wollen.84 Dies ist unter anderem Gegenstand der Sage und Tiersage. Was den Fuchs anbetrifft, so kommt eine Hybridisierung von Tier und Mensch zur Kennzeichnung menschlicher Fähigkeiten und Möglichkeiten nur phraseologisch ins Spiel, wenn in den meisten europäischen Sprachen von einem bestimmten Menschen als von einem Fuchs die Rede ist. In der Tierdichtung – mit Fuchs und Wolf als präferierten Protagonisten – geht es dagegen um die Projektion des Menschlichen auf das Tier, um die Spiegelung menschlicher Verhältnisse in Verhältnisse unter Tieren, um die Verschränkung menschlichen Verhaltens mit konkretem Tierverhalten und dann in der Gegenrichtung auch um die Kennzeichnung und Markierung des Tierischen im Menschen. Die Tiere werden dargestellt, wie Jacob Grimm schreibt, als seien sie begabt mit menschlicher vernunft und in alle gewohnheiten und zustände unseres lebens eingeweiht, so daß ihre aufführung gar nichts befremdliches hat. die gemordete henne wird auf einer bahre mit zetergeschrei vor den könig getragen, er heißt ihr das todtenamt halten und eine grabschrift setzen. die menschen der fabel stehen nicht an, dem wolf, der ihre sprache redet, als er um aufnahme ins kloster bittet, die tonsur zu gewähren. der bauer läßt sich mit dem fuchs in förmlichen vertrag über seine hüner ein, und erkennt den löwen im rechtsstreit mit thieren als gemeinschaftlichen richter. Dann aber müssen daneben die eigenheiten der besonderen thierischen natur ins spiel gebracht und geltend gemacht werden. so singt der hahn auf

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einem fuße stehend und die augenlider schließend  ; ein ganz der natur abgelauschter zug. so bedient im kampf mit dem wolfe der fuchs sich aller seiner natürlichen listen. so wird bei der katze die eingeprägte neigung zu den mäusen, bei dem bären zum honig unentbehrlicher hebel der fabel, aus dem die eingreifendsten verwickelungen hervorgehen. Dieser vereinbarung zweier in der wirklichkeit widerstreitender elemente kann die thierfabel nicht entrathen. (Grimm  : Reinhart Fuchs, S. VII f.)85

Die Vereinbarung zweier widerstreitender Elemente ist aber zugleich Ursprung der der Tierdichtung zuwachsenden Komik. Komik hat man aus einem Kontrast hervorgehen sehen,86 und das wird in der Tierdichtung besonders sinnfällig. Es kann komisch sein, wenn sich Tiere wie Menschen verhalten, auch wenn darin sicher nicht die Entstehung von Tiererzählungen begründet liegt. Es ist dann aber komisch, das Verhalten von Wolf und Fuchs in einen geistlichen Kontext zu verpflanzen, wie es der Verfasser des Ysengrimus tut. Neben der satirischen Tendenz ist es in vergnüglicher Weise deshalb komisch, weil wiederum ein Kontrast provoziert wird  : Christliche Nächstenliebe ist das Gegenteil von wölfischem und füchsischem Verhalten. Tiere, die geistlich agieren, obwohl es in ihrer Lebensumgebung alles andere als geistlich zugeht, sind komisch. Hinzu tritt aber, dass die Geistlichkeit sich ihrerseits keineswegs immer anspruchsgerecht verhält, sodass der Umschlag hin zum Tierischen im Menschen ins Spiel kommt. Der Verfasser von Van den vos Reynaerde, der mittelbaren Vorlage des Reynke, hat diesen Wechsel erkannt und ausgeschlachtet. Wenn die Henne Coppe (so heißt sie in Van den vos Reynaerde) mit Grabstein und Epitaph beerdigt wird (V. 450–465), handelt es sich nur um einen einfachen komischen Kontrast. Hintersinniger verhält es sich, wenn Reynke dem Hasen das Credo beibringen will, um die Gelegenheit zu nutzen, ihn aufzufressen, und wenn er nach seiner Beichte sogleich weitere Hühner morden will usw. Hier geht es auch um ein vollkommen äußerliches Verständnis von Credo und Beichte in der Geistlichkeit, das in die Kritik gerückt werden soll. Mit solchen komischen Kontrasten beginnt denn auch die Extension der Tiererzählung zur Parodie, Satire und Sozialkritik. Gemessen am äsopischen Erzählgut dreht sich die Verschränkung von Tier und Mensch in den europäischen Fuchsdichtungen des Mittelalters langsam um die eigene Achse. Es ist nicht mehr nur lehrreich, einen menschlichen Blick in die Tierwelt zu tun, sondern die Tiere bringen Böses zur Geltung, wie es unter Menschen üblich ist. Deshalb kann man auch Vergnügen am perfiden Tun des Fuchses empfinden, umso unverhohlener aber wohl, als es sich ja nur um Tiere handelt.

Der Wolf Judith Klinger

Der Wolf  : Vernichter, Wächter, Schattenbruder

Der Wolf hat einen schlechten Ruf. Mittelalterlichen Kulturen ist er als gefährliches Raubtier bekannt, dem Angriffe auf Mensch und Vieh nachgesagt werden. So unbegründet die Furcht vor Wolfsattacken generell ist, sie hat zur weitgehenden Ausrottung der Wölfe in Mitteleuropa geführt und wird überall dort, wo sich Wölfe derzeit wieder ansiedeln, erneut lebendig. Doch das vormoderne Wissen vom Wolf enthält auch Elemente, die aus moderner Sicht befremdlich wirken. So schreibt der römische Autor Plinius in seiner Naturgeschichte (1.  Jh.), dass das Auge des Wolfs eine schädliche Wirkung habe  : Es nehme dem Menschen nämlich seine Stimme, wenn der Wolf ihn zuerst erblicke.1 Diese Auffassung wiederholt Isidor von Sevilla in seiner einflussreichen Enzyklopädie (7. Jh.), und mittelalterliche Bestiarien schreiben es ihm nach. Die oben stehende Illustration entstammt einem solchen Tierbuch, dem Rochester-Bestiarium aus dem 13. Jahrhundert, und zeigt außer den Wölfen im oberen Register auch einen verstummten Mann im unteren, der nun die angeratenen Gegenmaßnahmen ergreift  : Man solle die Kleider von sich werfen, darauf treten und zwei Steine aneinander schlagen, dann werde der Wolf vor Furcht die Flucht ergreifen.2 Die Gefahr, die vom Wolf ausgeht, ist in dieser Konstellation keine physische. Erzählt wird von Dominanzverhältnissen  : Richtet sich der Wolfsblick zuerst auf den Menschen und bringt ihn so zum Verstummen, dann raubt er ihm ein zentrales Gattungsmerkmal, denn menschliche Sprache ist Ausweis seiner zivilisatorischen Überlegenheit. Nicht zuletzt besteht sie darin, Dinge

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zu bezeichnen, sie sprachlich zu ordnen und zu beherrschen. So fällt Adam in der biblischen Schöpfungsgeschichte die Aufgabe zu, die Tiere zu benennen (Genesis 2,20). Der Wolf bringt als Sprach- und Stimmräuber eine fundamentale Opposition von Wildnis und Zivilisation zur Anschauung. Als räuberisches, blutlüsternes Tier, wie ihn die mittelalterliche Naturkunde beschreibt, stellt er sich menschlicher Kulturordnung radikal entgegen. Der bannende Wolfsblick zeigt die Macht der Wildnis an, der der Mensch jenseits seiner umhegten Siedlungen verfallen kann. Damit rückt bereits ein zweiter Aspekt in den Blick, der von der Opposition zur Anverwandlung führt. Wer die Grenze zur Wildnis überschreitet, riskiert zu verlieren, was den Menschen vom Tier unterscheidet, und könnte selbst zum Wolf werden. Als abstrakter Gedanke ist diese Einsicht zur Sentenz geronnen. Homo homini lupus, formulierte der englische Philosoph Thomas Hobbes  : Demnach ist der Mensch selbst ein Wolf für den Menschen.3 Im Wolf zeigt sich ihm die eigene Nachtseite, seine nur mühsam gebändigte Wildheit und Aggressivität. Weit weniger abstrakt sind mittelalterliche Schilderungen von menschlichem Wolfsverhalten und von Männern, die als oder wie Wölfe leben. Die Figur des Werwolfs  – in der heutigen Populärkultur überaus präsent  – verdichtet ein ganzes Spektrum der Transformationen, das von metaphorischer Verähnlichung über die Annahme von Wolfsattributen bis zur Verwandlung in den Wolf reicht. Es zeichnet sich darin eine Anthropologie des Wolfs ab, der abgespaltene und ausgegrenzte Aspekte des Menschlichen verkörpern und so zum Doppelgänger werden kann.4 Allerdings ist dieser Blick auf den Wolf nicht nur von Furcht, sondern auch von Faszination geprägt  : Das verrät schon die außerordentliche Beliebtheit von Wolfsnamen im europäischen Mittelalter. Sich den Mut und die Stärke eines Wolfs zuzuschreiben, liegt in einer kriegerisch geprägten Kultur durchaus nahe. Einen reißenden Wolf sogar als Bruder anzusprechen, wagt Franziskus von Assisi in der Wundererzählung um den Wolf von Gubbio. Der Heilige schließt ein Friedensabkommen mit dem Wolf, der in die menschliche Gemeinschaft aufgenommen wird und sich fortan nur noch zahm und folgsam gebärdet. Er widerlegt damit die häufig wiederholte Auffassung, dass der grausame Wolf seine Natur nie abstreifen kann. So schreibt der Autor Freidank in seiner Lehrdichtung Bescheidenheit (1215–1230)  : swie dicke ein wolf gemünchet wirt, diu schâf er drumbe niht verbirt (137,19 f.). Selbst zum Mönch geweiht würde ein Wolf doch niemals von den Schafen ablassen. Franziskus überschreitet diese von der zeitgenössischen Wolfskunde gesetzte Grenze. Die Verwandlung des

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Wolfs in ein friedliches Mitwesen – so erstaunlich, gar mirakulös, wie sie ist – wird von seiner Anerkennung als ›Bruder‹ eingeleitet  : eine radikale Zuspitzung jener Anverwandlungsmöglichkeit, die auch höchste Gefährdung des Menschseins beinhalten kann. Wenn Wölfe in der mittelalterlichen Literatur zu Begleitern des Menschen werden (tatsächlich sind es fast ausschließlich Männer), dann geschieht das in der ganzen Ambivalenz der eben skizzierten Gegensätze. Begegnungen und Austauschbeziehungen zwischen Mensch und Wolf spielen sich auf der Grenze von Wildnis und Zivilisation, zügelloser Gewalt und geordneter Friedlichkeit ab. Sie können zu wundersamen Rettungen führen oder in die Vernichtung der sozialen Existenz münden. Der Wolf ist in diesen Erzählungen als Figur an der Schwelle zu sehen, die Verwandlungen einleitet oder ermöglicht, ein ›Schattenbruder‹, weil seine Nähe unerhörte Risiken mit sich bringt und die wesensgemäße Verwandtschaft von Mensch und Wolf nur in Ausnahmefällen anerkannt und ausgesprochen werden kann.

1 Wölfe als Un-Heilsbegleiter  : Ungeheuerliches um elfe kommen die wölfe, um zwölfe bricht das gewölbe (Stundengedicht  ; Grimm 1844, S. 1210)

Das Gewölbe, das in diesem volksläufigen Vers um Mitternacht aufbricht, ist das der Gruft. Die Wölfe erscheinen damit als Vorboten einer ungeheuerlichen Grenzüberschreitung, wenn nämlich die Toten in die Welt der Lebenden eindringen. Vorstellungen, die man sich vom Wolf macht – so viel gibt das Zitat zu erkennen –, reflektieren nicht nur Konzeptionen vom Menschen als Sozialwesen, sie schreiben sich auch in die Konstellationen von Zeit und Raum, von ›natürlicher‹ und ›übernatürlicher‹ Welt ein. Wölfe besetzen demgemäß spezifische Positionen in mythischen Denkmustern und Weltdeutungen. Die Nähe des Wolfs zum Totenreich oder zur Hölle wird in vormoderner Zeit schon durch die ihm zugeschriebene Grausamkeit und Mordlust nahegelegt. Isidor von Sevilla leitet seinen Namen »von seinem Verhalten her […], weil er alles, was er findet, mit der Raserei seiner Raubgier (rabies rapacitatis) niedermetzelt« (Enzyklopädie VIII.23, S. 459  ; Übersetzung L. Müller). Wird die christliche Gemeinde gemäß biblischer Sprache als friedliche Schafsherde gesehen, dann liegt es nahe, im Wolf auch Satan als ewigen Antagonisten zu

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erkennen. Das mittelalterliche Bestiarium aus Aberdeen setzt ihn – wie viele andere – dem Teufel gleich, der den Schafspferch der Gläubigen umkreist  : ein bedrohlicher Begleiter menschlichen Lebens, vor dem man beständig auf der Hut sein muss. Der Kirchenvater Gregor der Große imaginiert den Teufel als Wolf, der Bischof und Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg nennt ihn einen lupus vorax, einen gefräßigen Wolf.5 Im alt­hochdeutschen Muspilli (9. Jh., V. 39) ist der Antichrist ein bewaffneter warc, wobei dieser Begriff nicht allein für den Wolf, sondern auch für den Teufel, für Feinde, Übeltäter und im Mittelhochdeutschen zur Bezeichnung unheimlicher Wesen unterschiedlicher Art verwendet werden kann.6 Der Höllenrachen, in den sich Christus beim Abstieg in die Unterwelt begibt, kann sich entsprechend als Wolfsschlund ausnehmen. Die Dämonisierung des Wolfs  – die von der naturkundlichen Unter­stellung, er töte aus reiner Lust, bis zu seiner Identifikation als Höllenwolf reicht  – hat dazu beigetragen, dass Wölfe im Mittelalter intensiv gejagt wurden.7 Eine konkrete Verbindung des Wolfs mit dem Tod stellt sich in der Literatur über Kriegs- und Schlachtenbeschreibungen her, denn dort erscheint er – gemeinsam mit dem Adler und dem Raben – als Leichenfresser. Das Motiv der drei Tiere des Schlachtfelds, die über die Körper der Getöteten herfallen, wird in altenglischen Texten variiert und setzt die Kriegsschrecken eindrucksvoll ins Bild. Dabei wird der Wolf schon vor Abschluss der Kampfhandlungen zum Begleiter der Kriegführenden, denn gemeinsam mit den übrigen Aastieren stellt er sich beim Schlachtfeld ein und schafft mit seinem Geheul eine Stimmung von Bedrängnis und Todesfurcht.8 Als Begleiter katastrophaler Ereignisse erscheint der Wolf auch in der alt­ isländischen Völuspá, einem der ältesten Texte der Lieder-Edda, nun jedoch im Rahmen mythologischer Weltdeutung. Im letzten Drittel der Völuspá wird mit Ragnarök auch die Weltvernichtung geschildert. Bereits auf dem Weg der Übeltäter ins Totenreich stellt sich der Wolf ein und zerreißt die Verstorbenen, die ihrerseits als morðvarga (wölfische Mörder) bezeichnet werden (Str. 38). Es folgt eine Reihe poetisch verrätselter Wolfsverweise, die das Untergangsszenario einleiten und vorantreiben. Mit dem wechselseitigen Mord des Bruders am Bruder beginnt die Endzeit, die sich als »Axtzeit, Schwertzeit, […] Windzeit, Wolfszeit« (Str.  44  : sceggǫld, scálmǫld […] vindǫld, vargǫld) darstellt. Diese Reihung lässt ein wesentliches Prinzip mythischen Erzählens hervortreten, denn die Bezüge auf soziale und natürliche Phänomene – Waffen, Unwetter, Wolf  – treten ohne differenzierende Ordnung zusammen und bilden gleichgewichtete, ineinander übergehende Erscheinungsformen einer spezifischen

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Zeitqualität.9 Soziale Regelverletzungen, wie sie schon in Strophe 38 Thema waren, stehen wiederum mit dem Wolf in Verbindung, wobei der Begriff vargr eben auch für Gesetzesbrecher verwendet werden kann.10 Ist der Wolf einerseits mit dem Einbruch von Gewalt ins geordnete Gemeinwesen assoziiert, so hat er andererseits Anteil an der kosmischen Katastrophe  : Aus ›Fenrirs Geschlecht‹ geht ein Räuber der Sonne hervor (Str.  39  : tungls tiúgari), der zuvor gefesselte Wolf – hier der ›Gierige‹ oder ›Gefräßige‹ (freki) – wird sich losreißen (Str. 43  : festr mun slitna, en freki renna), schließlich tötet der Fenriswolf im Untergangsgeschehen Odin selbst (Str. 51). Als Sohn einer Riesin und des Gottes Loki – selbst ewiger Kontrahent der Asen – ist der Fenriswolf ein »Kind der unheilvollen Wildnis«.11 Wiederum geht vieles ungeschieden ineinander über  : so etwa das Monströse und das Göttliche, der eine Wolf und das gesamte Wolfsgeschlecht. Entscheidend ist der Moment des Losbrechens (des Wolfs wie der Katastrophe), der keine geordnete Zeitfolge, sondern eine Vergangenes und Zukünftiges umfassende Gegenwart ausbildet.12 Das in Fragmenten hervorgerufene mythische Bild vom Wolf als Himmels- und Götterverderber, der Tod und Chaos hervorruft und begleitet, wird in anderen eddischen Dichtungen mit weiteren Aspekten versehen. In den Grímnismál begleiten die Wölfe Sköll und Hati Sonne und Mond (Str. 39), der ›kriegsgewohnte Heervater‹ Odin verfügt mit Geri und Freki seinerseits über zwei Wolfsbegleiter, die er von seinem Tisch speist (Str. 19  ; vgl. Gylfaginning 38). Die kontrollierte Fütterung der Wölfe durch Odin, der selbst keiner Nahrung bedarf, gibt aber eine gewisse Distanz zu erkennen. Alle vier Wölfe tragen sprechende Namen, die ihrerseits das räuberische Wolfswesen anzeigen  : Verhöhner (Sköll), Hasser (Hati), Gieriger (Geri) und Gefräßiger (Freki). Wenn Sköll und Hati Sonne und Mond gleichsam umzingeln, kündigt sich an, dass die zeitweilig gebändigten Begleiter letztlich – wie in der Völuspá geschildert – zu Jägern und Angreifern werden. Vor dem Untergangsgeschehen haben sie jedoch Anteil an der kosmischen Ordnung, werden dem Glanz der Himmelskörper und dem Höchsten der Götter zugeordnet. Eine Verbindung von Wölfen mit Himmels- und Lichtgottheiten ist bereits in der antiken Mythologie präsent. Apollo trägt als Beinamen Lykeios – und wird damit als Beherrscher oder Bekämpfer der Wölfe ausgezeichnet – sowie Lykegenes (wolfsgeboren), aufgrund seiner Abstammung von Leto, die auf der Flucht vor Hera entweder selbst zur Wölfin oder von Wölfen freundlich aufgenommen wurde.13 Der Göttervater Zeus steht auf andere Weise mit Wölfen in Verbindung. Als Zeus Lykaios wird er im arkadischen Lykaion-Gebirge mit einem Opfermahl geehrt, das auch Menschenfleisch enthalten soll  : Wer davon

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isst, wird für neun Jahre in einen Wolf verwandelt.14 Den Ursprungsmythos des Opferrituals erzählen verschiedene antike Autoren, darunter auch Ovid in den Metamorphosen. In seinem Zentrum steht der tyrannische Herrscher Lykaon, der Zeus eine getötete Geisel als Speise vorsetzen will und dafür in einen Wolf verwandelt wird. Allerdings bringt der Gestaltwandel sein schon im Namen eingeschriebenes, wölfisches Wesen vollends zur Anschauung  : Seinem Wesen entsprechend atmet sein Rachen rasende Wut  ; seine gewohnte Mordlust läßt er am Kleinvieh aus und freut sich auch jetzt noch am Blutvergießen. […] Er wird zum Wolf und behält dabei Spuren seiner früheren Gestalt (Metamorphosen I.233–237  ; Übersetzung M. von Albrecht).

Exzessive Gewalt bringt im Lykaon-Mythos wie in der Völuspá den Wolf zum Vorschein. Die Verletzung elementarer gesellschaftlicher Regeln, ob im Kannibalismus oder im Brudermord, leitet die ›Wolfszeit‹ ein. In mythischer Verdichtung indiziert der Wolf die Grenzen des Menschlichen. Darin besteht offenbar seine Verbindung mit dem Göttlichen als einem Prinzip höherer Ordnung, das allein katastrophale Gewalt bändigen und an einen Ort jenseits menschlicher Gemeinschaft verbannen kann. Daher kann der Gott Apollo gleichermaßen Wolfsgestalt annehmen und vor dem Wolf schützen. In der Dynamik von Heil und Unheil steht der Wolf am Wendepunkt.

2 Wölfe und Heilige  : Unverhofftes Daz mac wol sîn ein heilic zît, so der wolf den schâfen fride gît. (Freidank  : Bescheidenheit 137,17 f.) (Das muss wahrhaftig eine heilige Zeit sein, wenn der Wolf den Schafen Frieden gewährt.)

Nur die Herrschaft des Heils, so Freidank, könnte selbst den Wolf zu friedlichem Verhalten bewegen. Er knüpft damit unmittelbar an die alttestamentarische Voraussage des messianischen Friedensreichs an  : »Die Wölfe werden bei den Lämmern wohnen« (Jesaja 11,6). Die Friedlichkeit des ewig gierigen Wolfs ist prägnante Formel für einen Zustand jenseits profaner Geschichte und begegnet daher selbst in mittelalterlichen Heiligenlegenden nur selten. Die

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Teilhabe eines so grausamen, wenn nicht gar teuflischen Tiers am Heil lässt sich bloß als Ausnahmefall denken. Vom frappierenden Umschlag des Unheils in Heil handelt eine Wolfsgeschichte, die Giraldus Cambrensis in seiner Topographie Irlands (um 1188) unter diverse Anekdoten über Wunder und Monstren einreiht. Einem auf Reisen befindlichen Priester nähert sich am nächtlichen Feuer ein Wolf, der ihn mit menschlicher Stimme bittet, keine Furcht zu haben, und seine Harmlosigkeit mit gut christlichen Kenntnissen unter Beweis stellt. Den Priester bittet er inständig, seiner Wolfsgefährtin die Sterbesakramente zu erteilen, wozu dieser sich letztlich auch bereitfindet. Zuvor gibt der Wolf Auskunft über sein Schicksal  : Der heilige Natalis habe einen Fluch über sein Dorf ausgesprochen, wonach alle sieben Jahre ein Mann und eine Frau ihre menschliche Gestalt und die vertraute Umgebung hinter sich lassen und für wiederum sieben Jahre als Wölfe leben müssen. Weshalb Natalis die Dorfbewohner derart strafte, wird nicht erwähnt, offenbar trifft sein Fluch aber unterschiedslos alle Ortsansässigen.15 Die Strafe der Wolfsverwandlung, in Lykaons Fall durch heillose Verbrechen begründet, scheint auch hier zur Herstellung einer gottgewollten Ordnung angewandt zu werden, doch bleiben die Gründe im Dunklen. Anders als Lykaon bewahrt das wolfsgestaltige Paar trotz seiner Verstoßung einen Bezug zum Heil und wünscht daher dringlich den Empfang der Sakramente. Dieser Bezug scheint sich in der Wildnis sogar noch intensiviert zu haben, denn der Wolfsmann verfügt nicht nur über theologische Kenntnisse, er spricht auch eine Prophezeiung über den Erfolg der künftigen englischen Invasion aus. Die Wolfsverwandlung produziert hier keine eindeutigen Grenzverläufe, sondern eine paradoxe Verflechtung des Gegensätzlichen. Die menschliche Siedlung ist Ort des Unheils, die nächtliche Wildnis öffnet sich dagegen dem Heilsversprechen. Verfluchung und Verbannung bewirken nicht Distanz, sondern besondere Nähe zum Heiligen, und unter dem Wolfspelz zeigt sich außer menschlicher Gestalt der Wille zur Reinigung von Sünde. Giraldus löst diese Spannung nicht auf. Gegen Ende der Erzählung erörtert er die Frage, ob es sich bei diesen Wesen nun um Menschen oder um unvernünftige Tiere gehandelt habe, wagt sie aber nicht zu entscheiden, denn göttlichen Wundern solle man mit Verehrung begegnen, statt zu versuchen, sie mit menschlicher Rationalität zu durchdringen.16 Dass Tiere um die Segnung von Heiligen oder um Sakramente wie die Taufe bitten können, wird nur in frühchristlichen Erzählungen, dort aber wiederholt berichtet.17 Giraldus’ Erzählung verleiht dieser Vorstellung erhebliche Komplexität, indem er die beängstigende Wolfsgestalt mit einem Fluch als Auslöser menschlicher Heils-

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sehnsucht verbindet und Fragen nach der Legitimation rigider Unterscheidungen und Ausgrenzungen aufwirft – wenn auch nicht beantwortet. Wird der erschreckte Priester bei Giraldus zum Sterbebegleiter der Wölfin, so fungiert auch in der altenglischen Legende von König Edmund der Tod als Bedingung für eine Begegnung des Wolfs mit dem Heiligen. Von heidnischen Feinden gefoltert und zuletzt enthauptet stirbt Edmund in der Erzählung Ælfrics von Eynsham (vor 1002) den Märtyrertod. Der abgetrennte Kopf wird im Wald verborgen, von Edmunds Landsleuten verzweifelt gesucht und schließlich in einer unerhörten Ausnahmesituation entdeckt  : Þa læg se græga wulf þe bewiste þæt heafod and mid his twam fotum hæfde þæt heafod beclypped grædig and hungrig and for Gode ne dorste þæs heafdes abyrian [ac] heold hit wið deor. (Passio Sancti Edmundi Regis, Z. 154–157)18 (Da lag der graue Wolf, der das Haupt bewachte und es mit seinen beiden Pfoten umfing, gierig und hungrig, doch Gottes wegen wagte er nicht, es zu kosten, sondern schützte es gegen [andere] Tiere.)

Der Wolf begleitet die Gemeinschaft noch bis zum Ortsrand, »als sei er zahm« (Z.  162), und kehrt dann in den Wald zurück. Dass ausgerechnet ein Wolf zum Hüter des heiligen Haupts wird, ist kein Zufall, denn sein Gegenspieler ist der Däne Hingwar, der »wie ein Wolf das Land durchstreifte, und da die Leute erschlug, Männer und Frauen und einfältige Kinder« (Z.  39–41  : swa swa wulf / on lande bestalcode and þa leode sloh / weras and wif and þa ungewittigan cild). Der wölfische ›Heide‹, der mit dem Teufel im Bund steht und für Edmunds Martyrium verantwortlich ist, verhält sich so blutrünstig, wie es der graue Wolf gerade nicht tut. So findet sich der tierische Wolf auf der Seite des Heils, der menschliche auf der Seite des Unheils wieder. Mit dieser gezielten Gegenüberstellung überträgt die Legende die dämonische Wolfsqualität auf den ›Heiden‹, der weder die Allmacht Gottes noch Edmunds Heiligkeit zu erkennen vermag, während der Wolf seiner gierigen Tiernatur unter dem Einfluss des Heiligen widersteht. Auf Gottes Geheiß agiert der Wolf nun also gegen seine Natur und hält genau jene Aasfresser fern, zu denen er doch selbst gehört. Das Bild vom Wolf in schützender, fast liebevoller Haltung konstrastiert wirkungsvoll mit dem

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Motiv der ›Tiere des Schlachtfelds‹, gewinnt in der Legende aber noch weiterreichende Heilsbedeutung. Dem Wolf ist es schließlich zu verdanken, dass Edmunds Kopf wieder auf seinen Körper gesetzt werden kann, worauf sich der Leichnam auf wundersame Weise wieder zusammenfügt und fortan unverwest bleibt (Z. 176–180). Derartige Wunder sind für Märtyrerlegenden typisch und begegnen der Sorge um die Integrität des grausam zerstückelten Leichnams mit einer Vorausschau auf den geheilten und verklärten Leib der Auferstehung.19 Zu dieser Heilsvision trägt der Wolf auf besondere Weise bei, da gerade er sonst Inbegriff des Zerreißens und Verschlingens ist. Wölfe, das zeigt diese Erzählung bereits, sind immer nur für begrenzte Zeit Begleiter von Heiligen. In frühen irischen Legenden treten sie manchmal als Gäste und Gefährten von Mönchen und Einsiedlern auf. Der heilige Ciaran von Saighir begann seine Klostergründung in einer Gemeinschaft wilder Tiere, mit denen er vertraulich zusammenlebte, darunter auch ein Wolf und ein Dachs. Der heilige Molua empfand so viel Mitleid mit den heulenden Wölfen, dass er ihnen jährlich ein Gastmahl bereiten ließ. Aus demselben Grund überließ ihnen der heilige Maedoc einige Schafe, der heilige Coerngen ein Kalb.20 Ein derart fürsorglicher und respektvoller Umgang mit den Tieren durchzieht die ältesten irischen Legenden allenthalben. Allen Bewohnern der Wildnis, selbst den Wölfen, gilt eine Gastfreundschaft, in der sich die besondere Situation des frühen irischen Christentums widerspiegelt. Einsiedeleien und klösterliche Gemeinschaften werden fernab menschlicher Siedlungen gegründet, dort überträgt man die Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens jedoch als Erstes auf die ›Einheimischen‹, die Tiere. Eine weitere Gruppe frühmittelalterlicher Heiliger nimmt in einer nur wenig variierten Episode auf wundersame Weise Verbindung mit dem Wolf auf. Ein Bischof oder Klostergründer verfügt über einen Esel oder ein anderes Arbeitstier, doch genau dies reißt ein Wolf. Mit Gottes Beistand befiehlt der Heilige daraufhin dem Wolf, die Stelle des getöteten Helfers zu übernehmen, worauf der Wolf willig und zahm den Pflug oder Karren zieht, bis ihn der Heilige wieder in die Wildnis entlässt. Diese Geschichte wird in unterschiedlicher Ausgestaltung von St. Hervé, einem bretonischen Klostergründer (gestorben um 568), St. Remaclus, Klostergründer in Flandern (um 600–669), sowie dem schottischen St. Kentigern, dem ersten Bischof von Glasgow (spätes 6. Jh.), erzählt.21 Den Kern dieses Wandermotivs bildet die wundersame Verwandlung des gefährlichen Raubtiers in einen domestizierten Helfer, der seinen Dienst zum Ausgleich für den angerichteten Schaden leistet. Die Geschichte christlicher Kolonialisierung wird hier anders als in den irischen Legenden erzählt  :

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nicht als freundliche Vergemeinschaftung mit den Geschöpfen der Wildnis, sondern als (Wieder-)Herstellung einer gottgewollten Herrschaftsordnung. Nicht immer kommt es aber zur friedfertigen Unterwerfung des Wolfs unter den göttlichen Willen. St. Loup oder Lupus, der erste Bischof von Bayeux (um 440–470), befreit die Stadt von der Belagerung eines ungeheuren Wolfs, der sogar Soldaten standhält, indem er ihn in den Fluss wirft. Im Hintergrund steht wiederum die Nähe des Wolfs zum Teufel, der statt des Schafspferchs nun die Stadt umkreist, vielleicht ist darin aber auch eine allegorische Erzählung über die Vernichtung paganer Kulte zu erkennen.22 Vor diesem Horizont der Wolfslegenden hebt sich die eingangs schon erwähnte Erzählung vom heiligen Franziskus und dem Wolf von Gubbio ab. Sie steht in den italienischen Fioretti di San Francesco (Kap. XXI), einem im späten 14.  Jahrhundert verfassten Florilegium zum Leben des Heiligen. Ein besonders schrecklicher und wilder Wolf (terribile e feroce) greift in Aggobbio (heute Gubbio) Mensch und Vieh an, sodass sich der Ort geradezu im Kriegszustand befindet  : Man geht nur bewaffnet einher (S. 51 f.). Als Franziskus sich allein vor die Stadttore begibt, rennt der Wolf mit weit aufgesperrtem Rachen auf ihn zu, doch das Kreuzzeichen und die Ansprache des Heiligen bringen ihn dazu, sich ihm friedlich wie ein Lamm zu Füßen zu legen. Dem ›Bruder Wolf‹ hält Franziskus nun vor, dass er für seine Verbrechen, insbesondere die Menschenfresserei, eigentlich verdiene, als Räuber und Mörder gehängt zu werden. Er wolle nun aber Frieden zwischen der Stadtbevölkerung und dem Wolf stiften, dem vergeben werden soll. Der Wolf gibt daraufhin mit Blicken sowie Kopf und Schwanz körpersprachliche Zeichen der Zustimmung. Zum Abschluss des Friedensversprechens legt er seine Pfote ›auf vertraute Weise‹ in Franziskus’ Hand (S. 53  : il lupo levò su il piè ritto dinanzi, e dimesticamente lo puose sopra la mano di santo Francesco). Sanft wie ein Lamm (a modo d’uno agnello mansueto) folgt der Wolf Franziskus in die Stadt, wo die Worte und Gesten der Versöhnung öffentlich wiederholt werden und dazu führen, dass die Einwohnerschaft den Wolf freundlich aufnimmt, fortan verpflegt und seinen späteren Tod aus Altersschwäche sehr beklagt. Anders als etwa bei St.  Hervé oder Remaclus tritt der Wolf hier nicht an die Stelle eines Haustiers, das Befehle entgegennimmt. Franziskus behandelt ihn vielmehr als Gleichgestellten und als ebenbürtigen Verhandlungspartner in einem Konfliktfall. Die formalisierten Reden und Gebärden, die erst vor der städtischen Öffentlichkeit gültig und wirksam werden, schließen an gängige rechtlich-politische Handlungsmuster an. Neben der göttlichen Macht, in deren Namen Franziskus den Wolf beschwört, bewirkt die Bereitschaft zum

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wechselseitigen Austausch die wundersame Versöhnung. Der Wolf gehorcht nicht bloß dem Heiligen, er hat mit seinen eigenen Ausdrucksmitteln Anteil am Dialog. Franziskus reagiert im weiteren Verlauf der Ereignisse aber auch auf die eingespielten Denkmuster und überlieferten Redeweisen, die den Wolf als dämonischen Kontrahenten stigmatisieren. In einer Predigt ermahnt er die Leute von Gubbio, sich vor den ewigen Flammen der Hölle mehr zu fürchten als vor der Raserei eines Wolfs, der schließlich nur den Körper vernichten könne. Im Vergleich mit dem Höllenrachen nehme sich der Wolf, vor dem man in der Stadt derart zitterte, doch eher klein aus.23 Diese Kritik an der fehlgeleiteten Furcht vor dem wilden Tier bildet die theologische Ergänzung zum Bruch mit der Diskurstradition, den Franziskus schon mit der Anrede ›Bruder Wolf‹ vollzogen hatte. Als Geschöpfe Gottes sind Mensch und Tier einander gleichgestellt  : Bekanntermaßen wendet sich Franziskus mit seiner Sprache der Geschwisterlichkeit an alle Wesen und Elemente der Schöpfung. Im brüderlichen Umgang mit dem Wolf hebt er darüber hinaus dessen Ausgrenzung und Assoziation mit dem Teufel auf und führt stattdessen eine Vertrautheit vor, die einen flüchtigen Blick auf die ›Heilszeit‹ des messianischen Friedensreichs eröffnet.

3 Wölfe und Outlaws  : Widersetzliches wineleás, wonsǽlig mon • genimeð him wulfas tó geféran • (Gnomic Verses III, 24 f.; Codex Exoniensis, S. 342) (Ein freundloser, unglückseliger Mann nimmt sich Wölfe zu Gefährten.)

Die Nähe des Ausgestoßenen zum Wolf, wie sie dieser altenglische Vers formuliert, ergibt sich nicht allein durch die gemeinschaftsferne Lebensweise, sie ist im mittelalterlichen Recht gleichsam festgeschrieben. Bereits in den Gesetzen König Edwards des Bekenners (1003–1066) heißt es  : »Vom Tage seiner Ächtung an trägt der [Geächtete] einen Wolfskopf (lupinum caput) […]. Und dieses Urteil ist dasselbe für alle Geächteten.«24 Der englische Begriff ›outlaw‹ (altenglisch útlaga, altisländisch útlagi  ; wörtlich  : außerhalb der Gesetze) gibt die zugrundeliegende Logik zu erkennen  : Aus der Gesellschaft und dem räumlich gedachten Recht verstoßen, kann der Geächtete nur in der Wildnis Zuflucht nehmen, wo er fortan wie ein Wolf lebt. Zugleich beinhaltet das Gesetz, dass Geächtete wie Wölfe von jedem erschlagen werden können. Denn,

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so führt der englische Rechtsgelehrte Henry de Bracton Mitte des 13.  Jahrhunderts aus  : »Sie tragen den Wolfskopf, sodass sie ohne gerichtliche Untersuchung umkommen  ; sie tragen ihr Urteil mit sich und sterben verdientermaßen ohne Gesetz, da sie sich weigerten, nach dem Gesetz zu leben.«25 Im altisländischen Recht wird die Ächtung als ›Waldgang‹ (skóggangr) bezeichnet und der Geächtete als Wolf behandelt  : »Er soll gejagt [sein] wie ein zu vertreibender Wolf und so weit vertrieben, wie Menschen Wölfe nur vertreiben [können]« (Grágás I, K. 115, S. 206  : þa scal hann sva viða vargr rækr oc rekin sem menn viðazt varga reka). In ihrer repetitiven Struktur betont diese Formulierung mit dem Akt des Vertreibens räumliche Distanz sowie analoges Verhalten gegenüber dem Geächteten und dem Wolf. Weiterhin verdichtet sich diese Gleichsetzung im Begriff vargr, der den Rechtsbrecher und den Wolf bezeichnen kann.26 Zu sehen ist das beispielsweise in einem Lied aus dem Niflungen-Zyklus der Edda. Darin wird Sigurd davor gewarnt, jemals einen falschen Eid abzulegen oder geleistete Eide nicht einzuhalten, denn  : »Elend ist der Wolf der Eide/der Eidbrüchige« (Sigrdrífumál, Str. 23  : armr er vára vargr). Wer sich an rechtskräftige Zusagen nicht hält oder solche Verfahren unterläuft, das sagt diese Formulierung aus, verhält sich wölfisch. Mit der Ächtung wird solche Wolfshaftigkeit konkretisiert und in den gesellschaftlichen Umgang mit dem Rechtsbrecher übersetzt. Was sich zunächst wie eine bloß metaphorische Übertragung von Wolfsattributen ausnimmt, lässt sich insofern grundsätzlicher als Wahrnehmungsmuster verstehen, das eine spezifische Imagination des Gesetzlosen formt. Im deutschsprachigen Recht fehlt eine derartige Wolfsterminologie, doch weist ein literarischer Text, der Helmbrecht von Wernher dem Gartenaere (nach 1250), ähnlich gelagerte Deutungsmuster auf. Helmbrecht, der sich trotz seiner bäuerlichen Abkunft zu ritterlich-adliger Lebensführung berufen sieht, kehrt im Mittelteil der Erzählung mit seinen Kumpanen am väterlichen Hof ein. Gemeinsam hat die Bande selbsternannter Ritter Raubzüge, Morde und Vergewaltigungen begangen. Helmbrechts Freunde tragen sprechende Namen, darunter auch  – abgeleitet von der maßlosen Gier des Wolfs  – Wolvesguome (Wolfsrachen), Wolvesdrüzzel (Wolfsschnauze) und Wolvesdarm ­(Wolfsbauch).27 Mit ihrem unmäßigen Fressverhalten werden die Wolfsgesellen ihren Namen auch gänzlich gerecht (V.  1552–1560). Noch auf dem Hof ergreifen Schergen die gesamte Räuberbande. Alle werden im Folgenden erhängt, bis auf Helmbrecht, den das Gericht zunächst am Leben lässt. Vorab schaltet sich der Erzähler mit einer Kritik an bestechlichen Richtern ein  : ich weiz den rihter sô gemuot  :

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ein wilder wolf, gæbe im der guot, und bizze er allen liuten vihe, von der wârheit ich des gihe, er lieze in umbe guot genesen, swie des doch niht solde wesen. (Helmbrecht, V. 1673–1678, Text der Handschrift B) (Ich weiß, dass der Richter folgendermaßen gesinnt ist  : Ein wilder Wolf, wenn der ihm Geld gäbe, selbst wenn er das Vieh sämtlicher Leute gerissen hätte – damit sage ich die Wahrheit –, den ließe er um des Geldes willen entkommen, wie es doch nicht sein sollte.)

Mit dieser Kritik rückt der Wolf der Tierwelt erneut in die Position des Rechtsbrechers ein und zeigt sich als natürliche Entsprechung zum erbarmungslosen Wegelagerer, dessen Verbrechen an die Opposition von Wildnis und (hier allerdings versagender) juridischer Ordnung zurückgebunden werden. Aufgrund einer rechtlichen Bestimmung (nicht etwa durch Bestechung) entkommt Helmbrecht der Todesstrafe, wird geblendet und an Hand und Fuß verstümmelt (V. 1679–1691). Im Anschluss ergreifen ihn aber die Geschädigten selbst und hängen ihn auf (V.  1880–1909).28 Man verfährt mit ihm also gerade so, wie es de Bracton für den Outlaw beschrieb, denn die Strafe erfolgt im Wald (V. 1826), außerhalb der Gesetze und des Rechtsraums. Gier und ungezügelte Gewalt, die Missachtung aller rechtlichen und gesellschaftlichen Regeln, wölfisches Verhalten und Wolfsnamen treten im Helmbrecht zusammen und umreißen einen Vorstellungsbereich, der Gesetzlosigkeit mit der Wolfsnatur koppelt. Insgesamt zersetzen Namensgebungen und Begrifflichkeit wie auch die Vorstellung vom Outlaw als einem wolfsköpfigen Mischwesen die Grenze zwischen Mensch und Tier und bringen so die Monstrosität des Rechtsbrechers zur Anschauung.29 Als Begleiter des Geächteten ist der Wolf also Zeichen eines radikalen Außenseiterstatus, doch kann diese Zuschreibung auch positiv umgedeutet werden. Im mittelalterlichen England entstanden seit dem 12.  Jahrhundert Dichtungen über heldenhafte Outlaws, die sich ungerechter Herrschaft widersetzten. In Fouke le fitz Waryn, einer altfranzösischen Dichtung des 14. Jahrhunderts, erscheint das Zeichen des Wolfs in einer Prophezeiung. Sie sagt voraus, dass ein Wolf mit List und Geschick Wunder tun (ly loup qe merveilles fra […] par son engyn e par son art) und zuletzt den Leoparden – gemeint ist

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König John  – besiegen und vertreiben werde. Diese Prophezeiung wird am Ende der Erzählung Merlin zugeschrieben und auf Fouke bezogen,30 womit der Wolf gleichsam zum Wappentier des vorbildlichen Outlaws avanciert. Nur in den Gesta Herewardi (um 1110–1130) erscheint aber ein realer Wolf als Begleiter des Geächteten. Hereward, in der späteren Überlieferung ›Here­ ward the Wake‹ (der Wachsame), wird bereits mit achtzehn Jahren auf Betreiben seines Vaters von König Edward dem Bekenner verbannt. Sein unkontrollierbar aggressives Auftreten und seine Einmischung in die Herrschaftsrechte des Vaters provozieren diesen folgenschweren Schritt. Hereward zieht darauf umher und zeichnet sich durch seine kämpferische Tüchtigkeit aus  : Unter anderem erschlägt er einen fürchterlichen Bären, der als Nachkomme eines Bärenvaters und einer Prinzessin über menschlichen Verstand verfügt.31 Nach der normannischen Eroberung Englands kehrt Hereward dorthin zurück, nimmt Rache für seinen von Normannen getöteten Bruder und schart Gefolgsleute um sich, die ihm im Kampf gegen die Invasoren beistehen. Seinen Stützpunkt bildet das Fenn um die Isle of Ely, von wo aus Hereward bis zuletzt erbitterten Widerstand gegen Wilhelm den Eroberer leistet. Aufgrund einer Auseinandersetzung mit dem Abt von Peterborough raubt Hereward die Abtei aus.32 In derselben Nacht ereignet sich Merkwürdiges. In einer Vision ermahnt eine furchteinflößende Erscheinung – wohl der heilige Petrus, der Patron der Abtei – Hereward zunächst, den geraubten Klosterschatz zurückzugeben, was er unverzüglich tut. Anschließend verirren sich die Outlaws jedoch  : Etwas Wunderbares geschah ihnen, als sie dort vom Weg abkamen  : ein Wunder, wenn man wahrhaftig sagen kann, dass solche Dinge Menschen aus [Fleisch und] Blut widerfahren können. Denn während sie in der stürmischen Nacht und Dunkelheit umherwanderten und nicht wussten, wohin sie sich wenden sollten, erschien vor ihnen ein riesenhafter Wolf, der sie begrüßte wie ein zahmer Hund und vor ihnen her den Weg hinunter lief. In der Finsternis der Schatten hielten sie ihn für einen weißen Hund, wegen seines Wolfsgrau, und bestärkten einander darin, ihm genau zu folgen, denn vermutlich komme er aus einer Ortschaft. So taten sie denn auch. Inmitten der Stille der Nacht, als sie feststellten, dass sie die Nebenpfade verlassen hatten und ihren Weg wiedererkannten, erschienen plötzlich brennende Flammen, die sich an die Lanzen aller Soldaten hefteten, nicht besonders hell, aber so wie jene [Lichter], die man im Volk Elfenflammen [oder -kerzen] nennt. Keiner von ihnen konnte sie abschütteln, löschen oder von sich werfen. Große Verwunderung teilten sie einander mit, und obwohl sie äußerst verblüfft darüber waren, dass sie ihren Weg sehen konnten, schritten sie voran, geführt vom Wolf. Im Morgengrauen stellten sie endlich alle mit großem

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Erstaunen fest, dass ein Wolf ihr Führer gewesen war. Und während sie noch unsicher darüber waren, was ihnen geschehen war, verschwand der Wolf und die Flammen verloschen, und sie hatten jenseits von Stamford den gewünschten Ort erreicht. Als sie sahen, dass sie ihre Reise erfolgreich beendet hatten, dankten sie Gott, verwundert über das, was ihnen widerfahren war (Gesta Herewardi XXIX, S. 63 f.).

Dass der Wolf eine Gruppe von Geächteten führt, ist nicht erstaunlich, alle anderen Elemente dieser Episode sind es aber durchaus. Aufgrund der engen Verbindung von Wolf und Outlaw wäre als Erstes zu erwarten, dass Hereward und seine Männer ihren Begleiter ohne Schwierigkeiten erkennen. Stattdessen halten sie ihn für einen weißen Hund und ordnen ihn gerade nicht der undurchdringlichen Wildnis, sondern dem geordneten Siedlungsraum zu. Zur besonderen Lichtsituation im nächtlichen Wald, die für diese Fehldeutung verantwortlich gemacht wird, treten noch die rätselhaften ›Elfenflammen‹,33 die den Weg erhellen. Auf den ersten Blick scheint es naheliegend, das Auftauchen des Wolfs und der Lichter aufgrund des chronologischen Zusammenhangs mit Klosterraub und Vision als Belohnung durch den heiligen Petrus zu deuten, doch die Darstellung unterstützt eine solche Herleitung gerade nicht.34 Stattdessen betont sie Verwunderung, Befremden und Erstaunen der Gruppe, die das Erlebte nicht sicher einzuschätzen vermag. Auch der Erzähler vereindeutigt das Geschehen nicht als durch einen Heiligen gewirktes Wunder. Seine einleitenden Bemerkungen versehen vielmehr die Möglichkeit, dass Menschen derart Wunderbares erleben können, mit deutlichen Einschränkungen. Während eine christliche Vereindeutigung also gerade ausbleibt, eröffnen sich mit den mysteriösen Lichtern und der Wahrnehmung eines weißen Hundes eher andersweltliche Bezüge.35 Die Erzählung legt sich freilich nicht fest  : Schwankende, unsichere Wahrnehmungen dominieren und verleihen den Ereignissen den Anstrich des Magischen und ›Übernatürlichen‹, vor dem klare Zuschreibungen versagen. Zweifelsohne kommentieren die Gesta Herewardi an dieser Stelle die traditionelle Überblendung von Outlaw und Wolf, doch beschreitet der Text darin einen anderen Weg als Fouke le fitz Waryn. Nicht eine Umwertung des Wolfs zum heldenhaften Tier, das ungerechte Herrschaft beendet, steht im Zentrum, sondern das Zwielicht, das den Geächteten und seinen Tierbegleiter umgibt. Uneindeutigkeit und Unwägbarkeiten beherrschen diese Schilderung, und so ist auch das Verhältnis der Outlaws zum Wolf nicht von schlichtem Einvernehmen, sondern von Verkennen und Verunsicherung geprägt. Damit kondensiert die Episode das ambivalente Bild des Protagonisten, das die Gesta insgesamt entwerfen. Wie der do-

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mestizierte Hund, der in Wahrheit ein riesenhafter Wolf ist, zeigt sich Hereward in wechselnden Konstellationen als hervorragender Ritter und als unbeherrschter Räuber, bewegt sich zwischen Kloster, Stadt und dem unwegsamen Fenn, zwischen Gemeinschaftsbildung und Außenseitertum. Herewards Klosterraub ist nichts anderes als der wölfische Übergriff eines Geächteten, worauf ihm – so verkündet es die Vision – unmittelbares Unheil droht. Der unerkannte Wolf, der sich zahm und freundlich verhält, stellt sich am Wendepunkt ein, der Hereward, wenn nicht den Weg zum Heil, so doch den Rückweg aus der Wildnis weist.

4 Wölfe und kriegerische Helden  : Ungebändigtes Ich genam ûch unheiles ie, daz ir mich sus habet betrogen. ir wordet under wolfen zogen. (Heinrich von Veldeke  : Eneasroman, V. 2224–2226)

Als Eneas aufgrund göttlicher Vorgaben Dido verlässt, sieht sie es als Unheil an, ihn jemals bei sich aufgenommen zu haben, denn nun habe er sie betrogen. Ihr Vorwurf, Eneas sei unter Wölfen aufgewachsen, bezieht sich abermals auf die Verletzung fundamentaler gesellschaftlicher Regeln. Eine Kindheit unter Wölfen kann sich jedoch auch ganz anders darstellen. Im Wolfdietrich, Fassung A (nach 1230), wird erzählt, wie die Königin von Konstantinopel einen dritten Sohn namens Dietrich zur Welt bringt, während sich ihr Mann Hugdietrich auf einem Kriegszug befindet. Der Vater hat nach seiner Rückkehr zunächst Freude an dem Kind, doch zeigt es schon in frühen Jahren unbändige Stärke (39,3  : ungefüege sterke). Wenn ihm ein Hund ein Stück Brot streitig macht, wirft der Junge das Tier kurzerhand gegen die Wand (38,4). Am Königshof verbreiten sich deshalb Gerüchte, dass der Teufel es gezeugt habe. Bestärkt durch den verräterischen Herzog Saben entschließt sich Hugdietrich schweren Herzens, seinen Sohn heimlich töten zu lassen (39–49). Berhtunc, den er damit beauftragt hat, kann sich zuletzt aber nicht dazu durchringen, den Jungen zu erschlagen. Stattdessen bringt er ihn in der Wildnis zu einer Quelle und setzt ihn dort aus, wo er sicher zu Tode kommen werde (86–92). Nachts versammeln sich wilde Tiere beim Wasser, darunter auch ein großes Wolfsrudel. Trotz ihres entsetzlichen Hungers fallen die Wölfe aber nicht über den Jungen her, sondern bilden einen Ring um ihn  :

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Diu ougen in ir houpten der arme was ein tôre er gienc ze iegelîchem wâ er ir liehtiu ougen

brunnen alse ein kerzenlieht. und vorht sîne vînde niht. und greif in mit der hant, in ir kopfen vant.

Swes er mit in begunde, sus gienc er undr in umbe, swelher sich sîn dâ werte,

des muostens im vertragen. unz ez begunde tagen. den sluoc er daz er dâ lac.

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(Wolfdietrich A, 103,1–104,3) (Die Augen in ihren Häuptern brannten wie Kerzenlichter. Der Verstoßene war noch unerfahren und fürchtete seine Feinde nicht. Zu jedem ging er und griff mit der Hand dorthin, wo sich die leuchtenden Augen in ihren Köpfen befanden. Was immer er mit ihnen anstellte, mussten sie ihm nachsehen. So ging er unter ihnen herum, bis es zu tagen begann. Wer von ihnen [den Wölfen] sich gegen ihn wehrte, den schlug er zu Boden.)

Berhtunc, der alles beobachtet hat, sieht darin ein Zeichen und verschont den Jungen nun endgültig  : Ich weiz wol daz diz zeichen daz du under disen wolven den ân dînes vater willen nu muost ouch immer mêre

von guoten dingen vert, lîp hâst ernert. wirst du noch ein künic rîch  : heizen der Wolf hêr Dietrîch.

(Wolfdietrich A, 113,1–4) (Ich weiß genau, dass dieses Zeichen Gutes verkündet, dass du unter den Wölfen Leib und Leben bewahrt hast. Auch gegen den Willen deines Vaters wirst du noch ein mächtiger König. Von nun an sollst du Wolfdietrich [wörtlich  : der Wolfsherr Dietrich] heißen.)

Diese Geschichte führt mitten hinein in heroische Dichtung und Heldenepik, in der Wolfsnamen ausgesprochen verbreitet sind. Im Nibelungenlied (um 1200) finden sich etwa Wolfwîn (Wolfsfreund), Wolfbrant (Wolfsschwert) und der grimme Wolfhart (Wolfsstark), der sich wiederholt durch sein wütendes Kampfgebaren auszeichnet.36 Ganz anders als im Helmbrecht reflektieren solche Wolfsnamen nicht gesellschaftliche Ausgrenzung, sondern ein adliges

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Selbstverständnis, das von der wilden Angriffslust und ungebremsten Gewaltfähigkeit kriegerischer Helden bestimmt wird. Die Identifikation des herausragenden Kriegers mit dem Wolf lässt sich bis zu Homers Ilias zurückverfolgen  ; seit der Spätantike ist die Beliebtheit von Wolfsnamen im europäischen Raum reich belegt.37 Insbesondere die skandinavische Überlieferung zeigt die dichten Verbindungen, die zwischen Namensgebungen, der Zuschreibung von Tierattributen und der Übernahme wölfischer Wesenszüge verlaufen. Zu favorisierten Namen und poetischen Formeln, die den Wolf in steter Variation mit dem Krieg verknüpfen, tritt die Konzeption der Wolfskrieger (úlfhéðnar). Literarische Beschreibungen beinhalten die Bekleidung mit Wolfspelzen in der Schlacht, eine Assimilation wölfischer Verhaltensweisen bis hin zum Wolfsgeheul, aber auch die tatsächliche Verwandlung in Wölfe, wie sie etwa in der Völsunga saga vorkommt.38 In diesem Kontext stößt eine systematische Unterscheidung von Wolfs- und Werwolfsvorstellungen an ihre Grenzen  : Wo die identitätsstiftende Wolfsaffinität über Namen, Bekleidung und (Kampf-)Verhalten gesucht wird, vollzieht sich auch eine wirkliche Verwandlung der Selbst- und Fremdwahrnehmung, nicht bloß eine metaphorische Übertragung.39 Von solchen, in einer frühen Kriegerkultur gewachsenen Vorstellungen haben sich hochmittelalterliche Texte wie das Nibelungenlied und die verschiedenen Fassungen des Wolfdietrich allerdings merklich entfernt. Auffällig ist, dass die wolfsnamigen Helden im Nibelungenlied dort in Erscheinung treten, wo die geordneten Herrschaftsverbände bereits zu ›Meuten‹ mutiert sind und eine unaufhaltsame Gewalteskalation das Geschehen bestimmt.40 Die Identifikation des Heroen mit dem Wolf wirkt dementsprechend ambivalent, und sie bleibt auch nicht ungebrochen  : Ausgerechnet Wolfhart kämpft alsam ein leu wilder (Nibelungenlied B, 2270,3  : »wie ein wilder Löwe«). Eine Distanzierung vom wölfischen Wesen sowie Umwertungen in der adligen Tiersymbolik wurden im gleichen Zeitraum auch in der mittelalterlichen Politik wirksam  : Das zeigt sich am Beispiel des Welfengeschlechts, dessen Name sich ursprünglich auf junge Hunde oder Wölfe bezieht. Gegen diese Assoziation bevorzugte der Welfe Heinrich der Löwe (1129–1195) das heraldische Bildzeichen des Löwen und betonte damit unter anderem die Verwandtschaftsbeziehung zum Stauferkaiser Friedrich Barbarossa.41 Auch im Wolfdietrich A wird die Assoziation des Helden mit dem Wolf in weitere – insbesondere christliche – Bezüge eingespannt, die eine geradlinige Assimilation wölfischer Kampfstärke in die Identität des zukünftigen Herrschers durchkreuzen, sodass insgesamt ein »Spannungsverhältnis christlicher

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und archaischer Werthorizonte« zu beschreiben ist.42 Obwohl Hugdietrich und seine Familie explizit als ›Heiden‹ eingeführt werden, entschließt sich die Königin, ihren dritten Sohn heimlich taufen zu lassen (20–26). Sein Taufhemd wird ihm als heilsgeladenes Schutzgewand mitgegeben, das ihn vor Verwundungen sowie vor Feuer und Wasser schützen soll (27–30), und selbst nach der Verschonung durch die Wölfe verwendet Berhtunc noch das christliche Kreuzeszeichen, um eine Teufelszeugung des erstaunlichen Kindes sicher auszuschließen.43 Die Präsenz der Wölfe gestaltet sich vor diesem Hintergrund allerdings uneindeutig. Gemäß christlicher Tradition müsste sich die Wolfsgenossenschaft des ausgesetzten Kindes eigentlich als klares Zeichen seiner Teufelsabkunft ausnehmen. Stattdessen verhalten sich die Wölfe so friedlich wie in Heiligenlegenden  ; noch dazu ›erkennen‹ sie das Kind an seinem süßen Geruch (101,1  : von süezes lîbes smacke wart in daz kindel kunt). Worauf dieser Duft verweist, führt der Text nicht aus,44 er bewirkt jedoch, dass das Wolfsrudel einen schützenden Kreis um das Kind bildet und damit die übrigen wilden Tiere – Löwen, Bären und Wildschweine (99,3) – fernhält. Mit der näheren Gestaltung der Wolfsszene weicht der Text vom legendarischen Muster ab. Wie in Gegenwart von Heiligen bezwingen die Wölfe ihre natürliche Fressgier (100,3–101,4), in den Vordergrund tritt jedoch ihre Wirkung auf das Kind. Da ihm das entsprechende kulturelle Wissen noch fehlt, erkennt der Junge sie seinerseits nicht als ›Feinde‹ (103,2), zeigt sich aber fasziniert von den leuchtenden Augen der Wölfe.45 Sein unbeschwertes Zupacken scheint bisweilen Widerstand zu provozieren, doch wenn der Junge die Wölfe darauf zu Boden schlägt, erfolgt keine aggressive Gegenwehr. Die Interaktion mit dem Wolf gestaltet sich damit ganz anders als in den weiter oben diskutierten Legenden. Wie schon gegenüber den Hunden am väterlichen Hof agiert das exzessiv starke Kind mit einem gewalttätigen Dominanzgebaren, das die Wölfe dulden. Eher manifestiert sich an dieser Stelle also ein ›natürliches‹ Herrschaftscharisma als ein Abglanz der Heilszeit.46 An dieser Akzentuierung ändert auch der befremdliche Ursprung von Wolfdietrichs überschießender Kraft nichts  : Der Klausner, der den Jungen taufte, hatte ihm für jedes Lebensjahr die zusätzliche Stärke eines Mannes verliehen (31,2). Sie ist damit zwar in den christlichen Horizont eingelassen, doch wird dieser metaphyische Ursprung für ein heroisches Herrscherideal vereinnahmt. Die Nähe zu den Wölfen wie auch die Namensgebung Wolf-Dietrich am anderen Morgen beziehen sich insofern auf die Gewaltpotenz des exorbitanten Helden, die ihn in menschlicher Gesellschaft freilich verdächtig macht. In diesem Zusammenhang gewinnt auch Hugdietrichs Einschätzung der Zukunft

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des Jungen an Bedeutung  : er hât niht küneges muot. / er sol in dem walde liute morden umbe ir guot (65,3  f.: »Er hat nicht die Gesinnung eines Königs. Er wird im Wald Leute für ihren Besitz ermorden«). Damit ordnet Hugdietrich das vermeintliche Teufelskind der Wildnis und dem Dasein eines Rechtsbrechers und Geächteten zu. Dessen Wolfsbegegnung verkehrt diese Assoziation jedoch in den Ausweis seiner Herrschaftsfähigkeit, wie auch Berhtunc erkennt. In der oben schon zitierten Passage befindet er  : »Auch gegen den Willen deines Vaters wirst du noch ein mächtiger König« (113,3), womit zugleich gesagt ist, dass Wolfdietrich nicht aufgrund ererbter Rechte, sondern einzig aus eigener Kraft zur Herrschaft gelangen wird. Genau dies ist mit der Namensgebung, die Wolf-Dietrich von seinen ebenfalls Dietrich genannten (erbenden) Brüdern unterscheidet (vgl. 3,4–4,2), ausgesagt. Die mit dem Wolfszeichen gesetzte Differenz operiert damit auch an der Nahtstelle konkurrierender Herrschaftslegitimationen. Wo Wölfe als Hüter ausgesetzter Kinder in Erscheinung treten, drängt sich der Vergleich mit dem antiken Archetyp, der Erzählung von Romulus und Remus, geradezu auf. Tatsächlich finden sich in der Geschichte von Wolfdietrich Kernmotive des römischen Gründungsmythos wieder  : Romulus und Remus sollen als Säuglinge ebenfalls sterben und werden nach ihrer Aussetzung erst von einer Wölfin genährt, später von einem Hirten aufgezogen.47 Ähnlich wächst Wolfdietrich zeitweilig bei einem Wildhüter auf (115–120). Im Blick auf die antike Legende hebt sich die hochmittelalterliche Distanzierung des späteren Herrschers von der Wolfsaffinität allerdings umso schärfer ab  : Fassung B des Wolfdietrich hat sie noch verstärkt. Hier ist der Grund für die Aussetzung des Kindes ein ganz anderer, denn Hiltburc hat ihren Sohn unehelich von Hugdietrich empfangen, der sich ihr heimlich genähert hatte. Hiltburc versteckt ihren Sohn, der mit einem kreuzförmigen Mal geboren wird (Wolfdietrich B, 140,3 f.), in einem Hag in Burgnähe, wo ihn eine Wölfin findet und als Nahrung für ihre Welpen wegschleppt. Nur weil die Wolfsjungen noch blind sind, bleibt das Kind am Leben (152– 154). Am anderen Tag verfolgt die königliche Jagdgesellschaft die Wölfe und entdeckt das Kind, dessen Gefährdung man nun an den Wölfen ›rächt‹, die sofort getötet werden (161–166). Da die Herkunft des Jungen vorerst unbekannt bleibt, nennt man ihn nach erfolgter Taufe allgemein Wolfdietrich (175). Statt dass der künftige Held und Herrscher also von der Wölfin gesäugt und leiblich mit Wolfsstärke genährt würde, soll er selbst zur Wolfsnahrung werden und überlebt nur durch glückliche Umstände. Auf dieses wundersame Ereignis verweist nun der Name, der den Wolf gleichsam als überstandene Widrigkeit

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mitführt  ;48 körperlich eingeschrieben ist dem Jungen dagegen das Kreuzeszeichen. In dieser Fassung ist auch die Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis deutlicher gezogen  : Jenseits des adligen Kulturraums, unter wilden Tieren, ist das menschliche Kind nicht Wolfsgefährte, sondern Wolfsbeute.

5 Wolfsgeheul und Wolfspoesie  : Unvermutetes nunc oblita mihi tot carmina  ; vox quoque Moerim iam fugit ipsa  ; lupi Moerim videre priores. (Vergil  : Bucolica IX.53 f.) (Nun sind so viele Gesänge mir vergessen  ; selbst die Stimme entflieht schon dem Möris  ; Wölfe sahen zuerst den Möris.49)

Vor dem Blick des Wolfs versagt nicht nur die menschliche Stimme  : Vergil bringt das Verstummen an dieser Stelle mit dem Versagen poetischer Erinnerung in Verbindung. Den Komplex von Stimme, Wolfspräsenz und Vergessen inszenieren auf ganz andere Weise altenglische Texte im Zusammenhang mit den ›Tieren des Schlachtfelds‹. Wie die übrigen Aasfresser bedroht der Wolf nicht nur die Integrität der Körper, sondern auch die Erinnerung an die im Krieg Getöteten. Gegen den Wolfsmut der Krieger stellt sich die Gefahr, selbst zum Wolfsfraß zu werden. Eines der bekanntesten altenglischen Gedichte, The Wanderer (10. Jh.), entwickelt aus einer Situation tiefster Verlassenheit Erinnerungsszenarien, die sich zwischen ersehnter Gemeinschaft auf der einen, den Zeichen des Verschwindens und Verfalls auf der anderen Seite ausspannen. Im letzten Drittel visualisiert der Sprecher die sichtbaren Spuren des Kriegs »überall auf dieser mittleren Erde« (Z. 75b  : geond þisne middangeard) und ruft außer den Toten die Tiere des Schlachtfelds ins Gedächtnis  : ferede in forðwege, ofer heanne holm, deaðe gedælde, in eorðscræfe

Sume wig fornom, sumne fugel oþbær, sumne se hara wulf sumne dreorighleor eorl gehydde.

(The Wanderer, Z. 80b–84b)

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(Manche raffte der Krieg weg, führte sie auf die Fortreise  ; manchen trug der Vogel fort über die hohe See  ; manchen teilte der graue Wolf dem Tod zu  ; manchen verbarg im Erdgrab der traurig blickende Edle.)

Der Wolf erscheint in einer Reihe von Entführern und Totengräbern, die das Werk des Kriegs gleichsam fortsetzen, doch rückt hier nicht das akut bedrohliche Geschehen in den Blick. Der Autor setzt die Tiere des Schlachtfelds als assoziationsreiche poetische Reminiszenz ein, wobei ausschließlich seine Dichtkunst die unterschiedlichen Bilder des Entschwindens verknüpft. Auf die zitierten Zeilen folgt eine Passage, die das Verschwinden von Pferd und Reiter, Halle und Krieger, Fest und Kelch beklagt (Z. 92–96). Eine verlorene Welt ist allein im Gedächtnis noch präsent und wird in Gegenbewegung zum um sich greifenden Tod poetisch fixiert. Insofern ist der Wolf, der hier direkt mit dem Tod kooperiert, auch der Kontrahent des Dichters. Anders akzentuiert Cynewulfs Gedicht Elene (zwischen 750 und 1000), das mit einer bewegten Schlachtschilderung einsetzt  :50 Fyrdlēoð āgōl wulf on wealde, waelrūne ne māð  : ūrigfeðera earn sang āhōf lāðum on lāste. (Cynewulf  : Elene, Z. 27b–30a) (Heerlieder sang der Wolf auf den Waldhöhen, versteckte die Schlacht-Runen nicht  ; der taufedrige Adler sang laut, als er dem Feind folgte.)

Tiergesänge übertönen die Stimmen der Kriegsbeteiligten, die hier nicht mehr zu vernehmen sind. So tritt an die Stelle der ordnungsstiftenden menschlichen Stimme ein Gegengesang von Vernichtung und Zerfall. Im altenglischen Exodus singen die Wölfe in ironischer Anspielung auf die Vesperliturgie »ein schreckliches Abendlied« (Z. 164 f.: Wulfas sungon atol æfenleoð). Der Wolf in Elene singt jedoch nicht nur, er verfügt mit den ›Schlacht-Runen‹ auch über Schriftzeichen. Sein Schreibmaterial sind die Leichname, denen er Spuren der Zerstörung eingräbt. Damit tritt er zugleich in Konkurrenz zum Dichter, der nach der Schlacht das Andenken der Getöteten bewahrt. Diese Konkurrenz gibt der Autor Cynewulf, der selbst den Wolf im Namen trägt, bewusst zu

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erkennen  : Im Schlussteil des Gedichts fügt er – wiederum in Runen – seinen Namen als Schrifträtsel ein (Z. 1257–1272).51 ***

Wo die menschliche Stimme verstummt und nur noch Wolfsgeheul ertönt, erlischt außer der Kultur auch ihr Gedächtnis. Diese grundlegende Denkfigur tritt zu Raubgier und Mordlust, die dem Wolf seit jeher beigelegt werden. Zu Identifikation und Angleichung bietet er sich nur dort an, wo rabiate Gewalt kriegerisch entfesselt oder radikal ausgegrenzt werden soll. Den Wolf namentlich herbeizurufen, kann daher nie ungefährlich sein, ihn zu kontrollieren, gelingt selbst christlichen Heiligen nur vorübergehend. Denn mehr als andere wilde Tiere  – wie der Bär, der Eber oder der Löwe  – wird der Wolf mit der Raserei (von der außer Isidor auch Franziskus spricht) in Verbindung gebracht, die ihr Ziel in Chaos und Vernichtung findet. So repräsentiert der Wolf keine Gegenwelt, vielmehr zeigt seine Präsenz die Grenzen menschlicher Identität und des menschlichen Ordnungsraums an. Allen Wolfsbegegnungen und -anverwandlungen liegen elementare Regelverletzungen und Grenzüberschreitungen zugrunde, die den Wolf zu einem höchst prekären Begleiter machen.

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Noble Doppelgänger. Der Löwe als Begleiter des Menschen in der Literatur Vielleicht verfügten die Ägypter über andere Mittel, ihre Begleitlöwen in einem aufmerksamen Zustand zu erhalten. (Sibylle Lewitscharoff  : Blumenberg)

Der Löwe zählt zwar zur Familie der Katzen und somit zur Ordnung der Raubtiere, doch erscheint er in vielen Geschichten, die seit der Antike über ihn erzählt werden, als zahmes Tier, das den Menschen begleitet wie ein treuer Hund. Am Anfang dieser Tradition stehen Anekdoten von dankbaren Löwen, wie sie schon Plinius in seiner Naturgeschichte erzählt. Mittelalterliche Varianten dieses Stoffs bieten Chrétien de Troyes und Hartmann von Aue in ihren Artusromanen von Yvain, dem Ritter mit dem Löwen. Auch die Legende des heiligen Hieronymus, die Jacobus de Voragine in seine Legenda aurea aufnahm, gehört in diesen Zusammenhang. Eine moderne Version präsentiert Sibylle Lewitscharoff in ihrem 2011 erschienenen Roman Blumenberg. Stets erscheint der Löwe als nobler Doppelgänger des Menschen.

1 Antike  : Androklus, der Sklave mit dem Löwen

Eines der ältesten naturkundlichen Zeugnisse bietet Aristoteles in seiner Geschichte der Tiere (Historia animalium). Er präsentiert den Löwen als aristokratisches Vorbild des Menschen, wenn er seinen Charakter in Abgrenzung vom Wolf wie folgt beschreibt  :

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Die einen [Lebewesen] sind edelgesinnt, tapfer und von edler Herkunft, wie der Löwe, die anderen von edlem Wesen, wild und verschlagen, z. B. der Wolf. ›Von edler Herkunft‹ bedeutet nämlich ›aus einer guten Gattung‹, ›von edlem Wesen‹ hingegen ›nicht untreu seinem eigenem Wesen‹ (Aristoteles  : Historia animalium 2013, S. 19  ; Übersetzung S. Zierlein).

Der Löwe hat dem Wolf, mit dem er die edle Herkunft teilt, das edle Wesen voraus. In anatomischer Hinsicht vergleicht Aristoteles den Löwen nicht mit dem Wolf, sondern mit dem Hund.1 Eine Parallele zum Charakter des Hundes, den er als »leidenschaftlich, anschmiegsam und schmeichlerisch« (ebd.) beschreibt, zieht er jedoch nicht. Eine umfassende Charakteristik des Löwen gibt Aristoteles im neunten Buch seiner Tiergeschichte, dabei geht er auch auf das Verhältnis zwischen Löwe und Mensch ein.2 Der Löwe beweise Haltung, wenn er von Menschen gejagt werde. Auf dem Rückzug bleibe er mehrmals stehen, um seinen Blick den Verfolgern zuzuwenden  ; erst im Schutz des Gebüschs suche er das Weite. Wenn ein Jäger auf ihn schieße, ohne ihn zu verwunden, so stelle er dem Jäger nach, wirbele ihn umher, töte ihn aber nicht. Ohnehin fresse der Löwe Menschen und Vieh nur dann, wenn er aufgrund seines Alters zu schwach für die Jagd auf wilde Tiere sei. Plinius der Ältere nimmt die aristotelische Darstellung des Löwen in seine Geschichte der Natur (Naturalis historia) auf und fügt weitere Informationen zum Verhältnis von Löwe und Mensch hinzu.3 Er stellt fest, dass sich der Löwe empfänglich für das Flehen wehrloser Menschen, insbesondere von Frauen und Kindern, zeige.4 Auch geht er auf den römischen Brauch der Zirkusspiele ein und bietet einen Überblick, welche Herrscher Löwen in der Arena gezeigt und vor ihren Wagen gespannt hätten.5 Schließlich erzählt Plinius noch einige Anekdoten von gezähmten, friedfertigen und dankbaren Löwen. Eine davon lautet wie folgt  : Es gibt aber auch Beispiele von der gelegentlichen Sanftmut des Löwen. Der Syraku­ saner Mentor war, als ihm in Syrien ein Löwe winselnd entgegenkroch und sich ihm überall, wohin er fliehen wollte, in den Weg legte und gleichsam schmeichelnd seine Füße lecken wollte, zuerst vor Schrecken erstarrt, bis er am Fuße (des Tieres) eine Geschwulst und eine Wunde entdeckte  : durch Herausziehen des Splitters befreite er es von seiner Qual. Ein Gemälde zu Syrakus bezeugt dieses Ereignis. (Plinius  : Naturalis historia 2007, S. 52/53  ; Übersetzung R. König.)

Eine ausführliche Fassung der Geschichte vom ausgezogenen Dorn präsentiert der römische Dichter Aulus Gellius in den Attischen Nächten, einer Sammlung

Der Löwe 

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bunter Geschichten.6 Es handelt sich um die literaturgeschichtlich folgenreiche Anekdote von Androklus und dem Löwen. Die dramaturgisch effektvolle Erzählung berichtet von einer Tierhetze im Circus Maximus. Ein Sklave namens Androklus soll gegen einen gewaltigen Löwen kämpfen. Doch es kommt anders  : Sobald der Löwe diesen von ferne erblickte, blieb er plötzlich, gleichsam voller Verwunderung stehen, dann näherte er sich langsam und bedächtig diesem Menschen, (als wolle er ihn gern erkennen, d. h.) als wolle er sich genau überzeugen, ob er auch recht sehe. Dann wedelt er nach Gewohnheit und Art schmeichelnder Hunde freundlich, liebkosend und schön thuend mit dem Schweife, schmiegt sich an des Menschen Seite an und leckt sanft mit der Zunge dem beinah schon vor Furcht Entseelten Hände und Beine. Unter diesen Liebkosungen von Seiten des wilden Thieres gewinnt dieser Androclus seine (fast) verlorene Besinnung wieder, wendet seine Blicke allmählig auf den Löwen, um sich ihn genauer zu betrachten. Nun aber, fuhr er fort, hättest Du, gleichsam nach wechselseitig erfolgter Wiedererkennung, sie beide sehen sollen, den Menschen und den Löwen, wie sie erfreut waren und in Glückwünschen sich ergingen (d. h. diese Freude sich gegenseitig auszudrücken eifrig bemüht waren). (Gellius  : Attische Nächte, Bd. 1, S. 294–298  ; Übersetzung F. Weiß.)

Die Pointe des ersten Teils der Erzählung besteht darin, dass der Löwe den Gefangenen nicht zerfleischt, sondern wie ein Hund freudig begrüßt und beleckt. Das Rätsel wird im zweiten Teil der Geschichte aufgelöst. Der verwunderte Kaiser ruft Androklus zu sich und dieser berichtet, wie er vor Jahren in der afrikanischen Provinz den Löwen kennengelernt habe. Androklus sei damals von seinem gewalttätigen Herrn geflohen und habe sich hungernd in eine Höhle zurückgezogen, um dort zu sterben. Dort sei er dem Löwen erstmals begegnet  : Hierauf traf ich, sagte er, eines Mittags, als die Sonne brennend heiss schien, eine entlegene und zu einem Verstecke sich vortrefflich eignende (schattige) Höhle an  ; in diese begab ich mich und verbarg mich daselbst. Nicht lange nachher kommt dieser Löwe hier zu derselbigen Höhle, an einem Fusse hinkend und blutend und liess bei seinem Eintritt ein jammervolles Aechzen und Brummen vernehmen, wodurch er den Schmerz und die Qual von einer Wunde kläglich zu erkennen gab. Da sei er nun, wie er versicherte, natürlicher Weise beim Anblick dieses herannahenden (auf ihn zukommenden) Löwen gewaltig erschrocken und habe für sein Leben gebangt. Als nun dieser Löwe in diesen, wie es mir völlig klar wurde, seinen Aufenthaltsort einge-

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treten war und mich in der Ferne in meinem Verstecke gewahr wurde, näherte er sich mir ganz sanft und zahm und schien mir seinen aufgehobenen Fuss zu zeigen und hinzuhalten, gleich als ob er mich um Hülfe bitten wollte. Darauf zog ich ihm nun einen grossen Holzsplitter, der ihm in der Fusssohle steckte, heraus, drückte den im Innersten der Wunde angesammelten blutigen Eiter aus, trocknete, nun schon ohne grosse Angst, ganz und gar sorgfältig (die Schramme) aus und wischte endlich das geronnene Blut ab. Wie der Löwe nun durch diesen meinen ärztlichen Beistand Linderung verspürte, liess er seinen Fuss in meinen Händen liegen, lagerte sich neben mich und schlief sanft ein. Von jenem Tage an lebte ich mit dem Löwen drei Jahre lang in derselben Höhle von einerlei Kost. Denn von allen den Thieren, welche er auf der Jagd erbeutet, brachte er mir stets die fetteren und besseren Stücke nach der Höhle, welche ich dann, da ich kein Feuer haben konnte, mir an der Mittagssonne briet und dann verzehrte (S. 296 f.).

Der Sklave habe den Löwen nicht nur verarztet, sondern mit ihm eine dreijährige Lebensgemeinschaft begonnen. In dieser Zeit habe ihn der Löwe mit Fleisch versorgt. Schließlich sei Androklus in die menschliche Gesellschaft zurückgekehrt, verhaftet und nach Rom geführt worden, wo er bei der Tierhetze sterben sollte. Der erstaunte Kaiser lässt den Sklaven frei und schenkt ihm den Löwen. Androklus aber setzt die Lebensgemeinschaft mit dem dankbaren Tier fort und wird dafür von den Menschen gefeiert und belohnt  : Hierauf sahen wir […] den Androclus mit seinem Löwen, an einem dünnen Riemen befestigt, auf allen Strassen der Stadt durch die Budenreihen gehen  ; ferner überall, wohin er kam, sahen wir, dass Androclus mit Geld beschenkt, sein Löwe aber mit Blumen bestreut wurde, und Alle, die ihnen begegneten, riefen unwillkührlich [sic  !]  : dies ist der Löwe, der sich als ein Gastfreund dieses Menschen und diess der Mensch, der sich als Arzt dieses Löwen bewies (S. 298).

Wie der Schluss zeigt, handelt die Geschichte nicht nur vom Verhältnis zwischen Mensch und Tier, sondern auch vom Verhältnis der Menschen untereinander und des Menschen zu sich selbst. Androklus wird aufgrund seines edlen Benehmens gegenüber dem Löwen gepriesen. Er ist fortan nicht mehr der rechtlose Sklave, den man wilden Tieren vorwerfen darf, sondern ein geehrter Mann, der für seine mutige Tat belohnt wird. In Androklus ist ein nobler Mensch einem noblen Tier begegnet – und somit gewissermaßen sich selbst.

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2 Yvain, der Ritter mit dem Löwen

Die christliche Naturkunde greift einige Elemente der vorchristlichen Wissens­ tradition auf und versieht sie mit religiösen Bedeutungen. Geschichten, die von Löwen als Begleitern der Menschen erzählen, kennt sie nicht. Der Physiologus, ein in der Spätantike entstandenes und im Mittelalter vielfach bearbeitetes Werk, das von Tieren, Pflanzen und Steinen handelt, stellt den Löwen an den Anfang.7 Er schreibt ihm drei Eigenschaften zu, die er allegorisch im Licht der christlichen Heilsgeschichte ausdeutet. Das erste Merkmal des Löwen besteht darin, dass er mit dem Schweif seine Spur verwischt, um den Jägern zu entgehen.8 So habe Christus seine göttliche Natur in menschlicher Gestalt verborgen. Die zweite Eigenschaft des Löwen ist, dass er mit offenen Augen schläft.9 So sei der menschliche Leib Christi am Kreuz gestorben, nicht aber sein göttliches Wesen. Das dritte Charakteristikum des Löwen lautet, dass die Mutter ihre Jungen tot zur Welt bringt und der Vater sie nach drei Tagen ins Leben brüllt. So habe der göttliche Vater seinen Sohn nach drei Tagen von den Toten erweckt. Auf allegorischer Ebene ist jede der genannten Eigenschaften für den Menschen relevant, da sie auf sein Gottesverhältnis verweisen. Auf der buchstäblichen Ebene hingegen lässt sich nur das erste Merkmal für das Verhältnis zwischen Tier und Mensch geltend machen, nämlich die Menschenscheu des Löwen, der seinen Verfolgern zu entkommen sucht. Das Verhältnis von Mensch und Löwe steht im Mittelpunkt eines mittelalterlichen Artusromans, den Chrétien de Troyes verfasste und Hartmann von Aue ins Deutsche übersetzte. Die Geschichte des Löwenritters Yvain ist der Geschichte von Androklus nachgestaltet,10 weist aber auch Bezüge zum Physiologus auf. Während der Protagonist der antiken Anekdote ein Sklave ist, handelt es sich in Chrétiens Roman um einen Ritter und Landesherrn, der allerdings tief gesunken ist. Nachdem er von seiner Gattin verstoßen wurde, weil er seine Herrscherpflichten vernachlässigte, flieht er in den Wald, verfällt dem Wahnsinn und führt fortan eine tierartige Existenz  : »Er stellt den Waldtieren nach und tötet sie und verzehrt das Fleisch roh. Und so weilte er als vernunftloser Wilder in der Waldung« (V. 2824–2828). Ein Eremit holt ihn ins soziale Leben zurück, und eine Dame gibt ihm mit einer Zaubersalbe den Verstand zurück. Zum Dank befreit Yvain die von einem feindlichen Grafen bedrängte Dame. Wenig später trifft er auf einen Löwen, der gegen einen Drachen kämpft. Der Drache verkörpert Bosheit und Tücke, der Löwe Adel und Stolz. Yvain wird Zeuge eines emblematischen Kampfs, der letztlich für ihn selbst bestimmt ist, denn er gibt Gelegenheit für eine moralische Weichenstellung  :

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Er geht mit sich zu Rate, welchem von beiden er beistehen soll. Da sagt er sich, dass er dem Löwen zu Hilfe kommen wird, denn alles, was giftig und voller Tücke ist, soll man bekämpfen, wo man kann. Und die Schlange ist giftig, und Feuer schlägt aus ihrem Schlund, so voll Bosheit ist sie. Darum denkt Herr Yvain, dass er sie zuerst töten wird. Er zieht das Schwert und reitet heran und hält sich den Schild vor das Gesicht, damit die Flamme ihm keinen Schaden tun kann, die die Schlange ihm aus ihrem Rachen entgegenschleudert, der breiter als ein Topf war. Sollte der Löwe danach ihn angreifen, so wird es ihm an Kampf nicht fehlen. Aber was auch danach geschehen mag, einstweilen wird er ihm helfen, denn Mitleid treibt und bewegt ihn, dem edlen und stolzen Tier Beistand und Hilfe zu gewähren. (Chrétien  : Yvain, V.  3354–3375  ; Übersetzung I. Nolting-Hauff.)

Indem Yvain sich für den Löwen entscheidet, trifft er die rechte Wahl. Er erweist sich selbst als edel und wird so dem Tier, dem er zur Hilfe kommt, ähnlich. Yvain setzt seinen Abenteuerweg als Chevalier au Lion fort. Das noble Tier ist sein ständiger Begleiter  : »der Löwe blieb an seiner Seite  ; nie wird er sich von ihm trennen, sondern allezeit mit ihm gehen, denn er will ihm dienen und ihn schützen« (V. 3412–3415). Gemeinsam gehen sie auf die Jagd, dabei übernimmt der Löwe die Rolle des Spürhunds (V. 3439  : brachet)  : Er läuft voran, bis er so unter dem Wind weidendes Wild aufspürte […]. Ein wenig ist er der Spur nachgegangen, um seinem Herrn zu zeigen, dass er Wild gewittert und aufgespürt hat. Dann sieht er ihn an und bleibt stehen, denn er will ihm nach seinem Wunsch dienen  ; gegen seinen Willen würde er nirgends hingehen. Und jener entnimmt aus dem Blick, den er ihm zuwirft, dass er auf ein Zeichen von ihm wartet. Er merkt und versteht sehr wohl, dass der Löwe bleiben wird […] (V. 3416–3434).

Der Löwe reißt ein Reh und »brachte es seinem Herrn, der ihn von da an sehr wert hielt und ihn um seiner großen Liebe willen lebenslang zu seinem Gefährten machte« (V.  3450–3455). Zwischen dem Ritter und dem Löwen vollzieht sich ein Gaben- und Rollentausch. Vor seiner Heilung hatte Yvain selbst wie ein Tier im Wald gelebt, Rehe gerissen und das Fleisch dem Einsiedler dargebracht  ; nun ist es der Löwe, der dem Ritter diesen Dienst erweist. Die Parallele zur Geschichte von Androklus, der ebenfalls von seinem Löwen mit Nahrung versorgt wird, liegt auf der Hand. Die Gefährten verbringen nicht nur die Tage, sondern auch die Nächte miteinander. Hier kommt der Physiologus zum Zuge. Wie dieser lehrt, dass der Löwe mit offenen Augen schlafe, so erzählt Chrétien, dass der Löwe nachts ein waches Auge auf seinen schlafenden Herrn geworfen habe  :11

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Und jener legte den Kopf auf seinen Schild und ruhte so die ganze Nacht, wenn man das Ruhe nennen kann  ; und der Löwe war klug genug, zu wachen und das Pferd sorgfältig zu hüten. […] Am Morgen ziehen sie zusammen weiter, und sie haben beide, so scheint mir, noch fast zwei volle Wochen lang das gleiche Leben geführt wie diese Nacht (V. 3478–3489).

Was Ritter und Löwe verbindet, ist eine eheähnliche Gemeinschaft von Tisch und Bett, die freilich symbolisch gemeint ist. Yvain vermählt sich mit dem Idealbild seiner selbst, dem fleischgewordenen Wappenzeichen ritterlicher Tugendhaftigkeit. Chrétien hat sich eine weitere Szene einfallen lassen, um dieses Motiv zu unterstreichen. Als Yvain vom Pferd stürzt und sich mit dem Schwert am Hals verletzt, hält ihn der Löwe für tot und will ihm nachsterben  : Der Löwe glaubt, sein Gefährte und Herr sei tot. Nie habt ihr größeren Schmerz über irgendetwas erzählen oder beschreiben hören, als er ihn zu zeigen begann  ! Er windet sich, verunstaltet sich mit seinen Krallen und brüllt, und er ist gewillt, sich in das Schwert zu stürzen, das, wie er meint, den Tod seines Herrn verursacht hat. Er zieht ihm das Schwert mit den Zähnen heraus, legt es auf einen Stamm und stützt es hinten gegen einen Baumstumpf, damit es nicht nachgibt und wegschnellt, wenn er mit der Brust hineinrennt (V. 3506–3519).

Der Tod soll die Gefährten nicht scheiden, aber auch im Leben dulden sie keine Trennung. Als Yvain von einem furchtsamen Burgherrn aufgefordert wird, den Löwen vor dem Tor zurückzulassen, antwortet er mit einem Liebesbekenntnis  : »Kein Wort davon  ! Ohne ihn komme ich nicht hinein. Entweder erhalten wir beide Herberge oder ich bleibe draußen  ; denn ich liebe ihn ebenso wie mich selbst« (V. 3794–3798). Wörtlich heißt es, er liebe den Löwen »wie sein eigenes Herz« (come mon cors). Die liebessprachliche Formel verweist wiederum auf das Selbstverhältnis des Ritters, das sich im Verhältnis zum Löwen, dem höheren Bild seiner selbst, spiegelt. Zur Lebensgemeinschaft zwischen Ritter und Löwe zählen nicht nur gemeinsames Mahl und Lager, sondern auch Kameradschaft im Kampf. Wie Yvain den Löwen aus den Fängen des Drachen befreite, so eilt der Löwe seinem Herrn zur Hilfe, wann immer er in Bedrängnis gerät. Somit nimmt der Löwe die Rolle Gauvains, des vorbildlichen Artusritters und ritterlichen Freunds ein, der Yvain im ersten Teil des Romans auf seiner Abenteuerfahrt begleitet. Der Löwe hilft Yvain dreimal. Zunächst greift er in den Kampf gegen einen Riesen ein, der Yvain soeben einen heftigen Schlag versetzt hat  :

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Bei diesem Hieb sträubt sich dem Löwen die Mähne, und er macht sich auf, seinem Herrn zu helfen, und tut voll Wut einen gewaltigen Sprung, bäumt sich auf und durchtrennt das zottige Fell auf dem Leib des Riesen wie eine Baumrinde. Unter dem Fell hat er ihm ein großes Stück aus der Brust gerissen, und er zerfetzt ihm Fleisch und Sehnen (V. 4219–4226).

So zahm sich der Löwe gegenüber Yvain zeigt, so wild und angriffslustig begegnet er denen, die seinen Herrn bedrohen. Das zweite Mal muss sich Yvain der Übermacht dreier Ritter erwehren  ; auch diesmal entscheidet der Löwe durch sein Eingreifen den Kampf  : Und der Löwe sieht das und zögert nicht länger, seinem Herrn zu Hilfe zu eilen, denn ihm scheint, dass er dessen sehr bedarf. […] Und der Löwe hilft ihm, indem er sich beim ersten Ansprung mit solcher Wut auf den Seneschall wirft, der noch zu Fuß war, dass die Ringe des Panzerhemds wie Strohhalme davonfliegen, und er zerrt ihn so heftig zu Boden, dass er ihm Fleisch und Sehnen aus Schulter und Flanke reißt. Er zerfleischt, was er nur erreichen kann, so dass die Eingeweide offen liegen. Diesen Prankenhieb mussten die beiden anderen teuer bezahlen. […] Der Löwe greift die anderen an  ; denn Herr Yvain kann ihn auch mit Schlägen und Drohungen nicht fortjagen. Er hat sich zwar sehr bemüht, doch der Löwe weiß genau, dass ein Beistand seinem Herrn keineswegs unwillkommen ist, sondern er ihm dadurch nur noch teurer wird. So wirft er sich voll Ungestüm auf die Gegner, bis die über seine Prankenhiebe jammern und ihn selbst verletzen und übel zurichten (V. 4509–4548).

Als der Löwe verletzt wird, springt Yvain ihm bei, die Kampfeshilfe ist also ein gegenseitiger Freundschaftsdienst. Noch einmal steigert sich die Bedrohung, als Yvain gegen zwei gewaltige Riesen antreten muss, während der Löwe in eine Kammer gesperrt wird. Der Löwe befreit sich und kämpft ein drittes Mal an der Seite seines Herrn  : Und darum mochte Herr Yvain wohl um sein Leben bangen, doch leistete er weiter Widerstand, bis endlich der Löwe hervorkam, nachdem er den Boden unter der Schwelle durchwühlt hatte. Jetzt oder nie werden die Bösewichter bezwungen werden, denn der Löwe wird ihnen nicht Frieden noch Ruhe lassen, solange er sie am Leben weiß. Er stürzt sich auf den einen und reißt ihn zu Boden wie einen Holzklotz. Da erschrecken die Unholde, und im Kreis steht keiner, der sich nicht in seinem Herzen darüber freute  ; denn der, den der Löwe niedergeworfen hat, wird ohne den Beistand des andern nicht wieder aufstehen. Um ihm zu helfen, eilt der zu ihm hinüber, und

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auch um sich selbst zu verteidigen  ; denn auf ihn wäre der Löwe losgestürzt, sobald er jenen getötet hätte, den er zu Boden geworfen hatte. Und so fürchtet er den Löwen auch mehr als dessen Herrn (V. 5625–5648).

Der Kampf ist grausam, Yvain enthauptet die gegnerischen Riesen. Nachdem der Artusritter alle Kämpfe erfolgreich bestritten hat, kehrt er mit dem Löwen zu Laudine, seiner Ehefrau, zurück, die ihn wiederaufnimmt. Der Löwe, nun wieder zahm wie ein Hund, trottet seinem Herrn »immer hintendrein« (V. 6718). Yvain hat das vom Löwen verkörperte Idealbild seiner selbst erreicht. Das wilde Tier muss keine symbolischen Dienste mehr verrichten und kann sich wie ein treuer Hund an der Seite seines Herrn zur Ruhe setzen.

3 Hieronymus, der Theologe mit dem Löwen

Im 13. Jahrhundert wurde das antike und christliche Wissen über die Tiere – und somit auch den Löwen – systematisch zusammengetragen. Zu nennen ist vor allem das Buch der Natur des Thomas von Cantimpré, das bis ins 16. Jahrhundert hinein nachgedruckt wurde.12 Auf ihm basieren weitere naturkundliche Werke, vor allem die Tierkunde seines Lehrers Albertus Magnus13 und eine deutsche Bearbeitung aus der Feder Konrads von Megenberg14 (14. Jh.). Thomas von Cantimpré führt die Wissensbestände der Antike, insbesondere von Aristoteles und Plinius, zusammen und fügt die Wissenstradition der christlichen Naturdeutung (Physiologus) hinzu, deren allegorische Bezüge auf die Heilsgeschichte er jedoch beiseitelässt. Sein systematischer Zugang zur Naturkunde erweist sich auch darin, dass er die Beschreibung des Löwen (den auch er als König der Tiere bezeichnet) nicht, wie der Physiologus, an den Anfang setzt, sondern im Kapitel über die Vierbeiner alphabetisch unter dem Buchstaben L führt. In dieser Anordnung sind ihm Albertus Magnus und Konrad von Megenberg gefolgt. Beide Bearbeiter kürzen ihre Vorlage  ; Albertus Magnus, der wiederholt die Glaubwürdigkeit der überlieferten Inhalte kommentiert, streicht die aus dem Physiologus stammenden Merkmale und Deutungen. Thomas berichtet, dass der Löwe mit offenen Augen schlafe, die totgeborenen Welpen nach drei Tagen ins Leben rufe und seine Spuren mit dem Schwanz verwische. Auch teilt er mit, dass der Löwe anatomisch dem Hund gleiche, nur in Notzeiten Menschen fresse und Jäger, die ihn beschossen, aber nicht verwundet hätten, angreife, aber nicht töte. Thomas gibt auch zwei von Plinius überlieferte Anekdoten wieder, zum einen die Geschichte von

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Mentor, der einen Löwen von einer Maulsperre befreite, zum anderen die Geschichte von Elpis, der einem Löwen einen Dorn aus der Pranke zog. Auch Albertus Magnus übernimmt die Geschichten der dankbaren Löwen in verkürzter Form, Konrad von Megenberg hingegen übergeht sie. Aus dem 13.  Jahrhundert stammt auch die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Die gemäß dem Kirchenjahr angeordnete Legendensammlung enthält die Lebensgeschichte des heiligen Hieronymus, der einen Löwen an seiner Seite hat.15 In Begleitung eines Löwen sieht man Hieronymus auch auf einem der Meisterstiche Albrecht Dürers. Der Kirchenvater sitzt in seiner Gelehrtenstube am Schreibtisch, während ein friedfertiger Löwe vor ihm liegt. Der Löwe scheint zu schlafen, doch sind seine Augen, wie es der Physiologus lehrt, leicht geöffnet. Die Geschichte, auf der das Bild beruht, kann man in der Legenda aurea nachlesen. Es handelt sich um eine christliche Abwandlung der antiken Androklus-Sage  : Einsmals saß Sanct Hieronymus des Abends mit den Brüdern, die heilige Schrift zu hören  ; da kam ein Löwe hinkend in das Kloster. Die anderen Brüder flohen, da sie ihn sahen, Hieronymus aber ging ihm entgegen als einem Gast. Der Löwe wies ihm den wunden Fuß, da rief Hieronymus den Brüdern und gebot ihnen, den Fuß zu waschen und mit Fleiß nach der Wunde zu suchen. Das taten sie und fanden, daß ihn ein Dorn hatte gestochen. Sie pflegten ihn mit Fleiß, und der Löwe ward so zahm und heimlich, dass er mit ihnen lebte gleich einem Haustier. Da verstund Hieronymus, dass der Herr den Löwen nicht allein zu seines Fußes Heilung, sondern zum Nutzen des Klosters hatte gesandt. (Jacobus de Voragine  : Legenda aurea, S. 758 f.  ; Übersetzung R. Benz.)

Der verwundete Löwe trifft hier weder auf einen römischen Sklaven noch auf einen höfischen Ritter, sondern auf eine Gemeinschaft von Klosterbrüdern. Wenn die Mönche den Löwen auf Geheiß des Heiligen verarzten, ist dies ein Akt der christlichen Nächstenliebe, die auch den Tieren gilt. Am Löwen bewährt sich die monastische Tugend der Gastfreundschaft gegenüber Hilfsbedürftigen. Der Löwe erweist sich nach seiner Heilung seinerseits gleichsam als guter Christ. Er fügt sich in die Gemeinschaft der Mönche ein und folgt, wie der weitere Verlauf der Geschichte zeigt, den klösterlichen Regeln der Demut und des Gehorsams. Der Nutzen, den der Löwe auf Geheiß des heiligen Hieronymus für das Kloster leisten soll, besteht darin, dass er einen grasenden Esel hüten soll. Diese Aufgabe stellt für den Löwen, dessen Natur doch eher darin liegt, den Esel zu fressen, eine Erniedrigung dar. Als der Esel eines Tages von vorbeiziehenden

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Kaufleuten geraubt wird, unterstellen die Mönche dem Löwen, das Lasttier gerissen zu haben. Sie verweigern ihm zur Strafe das Futter und übertragen ihm, dem Rat des heiligen Hieronymus folgend, das Amt des Esels. Auch diese Demütigung erträgt der Löwe mit vorbildlicher Geduld. Später gelingt es dem Löwen, den Kaufleuten den Esel wieder abzutrotzen, und die Mönche werden ihres Irrtums gewahr. Wie sich herausstellt, wusste der heilige Hieronymus von Anfang an, dass den Löwen keine Schuld traf. Aus seiner Sicht ging es nicht um die Bestrafung, sondern die Prüfung des Löwen, die dieser klaglos auf sich genommen und gemeistert hat. In dieser Hinsicht wird der Löwe seinem Herrn gleich, der seinerseits eine Prüfung zu bestehen hat. Hieronymus wird zum Papst gewählt und prangert die Unzucht der Kleriker an. Die Beschuldigten rächen sich, indem sie ihm ein Frauengewand unterschieben. Ihr Plan geht auf. Der Heilige zieht ahnungslos das Frauenkleid an, begibt sich in die Kirche und gerät in den Verdacht, mit einer Frau Unzucht begangen zu haben. Daraufhin zieht sich Hieronymus in die Wüste zurück, wo er fortan als büßender Einsiedler ein entbehrungsreiches Leben führt. Die christliche Deutung des Löwen erfolgt in der Legenda aurea somit in anderer Weise als im Physiologus. Der Löwe wird nicht christologisch gedeutet, sondern in seinem geduldigen Verhalten zum Spiegelbild des Heiligen stilisiert. Er verkörpert jene Eigenschaften, die auch dem Heiligen zugesprochen werden. Beide werden Opfer einer ungerechtfertigten Anschuldigung, und beide sind zur Verrichtung von Bußleistungen bereit, obwohl sie sich nichts vorzuwerfen haben.

4 Brehm, der Zoologe mit dem Löwen

Eine umfangreiche Beschreibung des Löwen bietet Alfred Edmund Brehm im ersten Band seines 1864 in erster Auflage erschienenen Illustrirten Thierlebens. Brehm widmet dem »schon von den Alten zu der Thiere König gekrönten Löwen« (S.  184) nicht weniger als fünfundzwanzig Seiten, die von zahlreichen Anekdoten durchsetzt sind. Eine dieser Geschichten, die Brehm in die zoologische Beschreibung einflicht, handelt von der zahmen Löwin Bachida, die er während seiner fünfjährigen Afrika-Expedition (1847–52) aus dem Sudan über Ägypten nach Berlin überführte und dort dem Zoo überließ. Im Thierleben beschränkt er sich auf eine knappe Zusammenfassung der Geschichte, die er bereits 1860 in ausführlicher Form in der Zeitschrift Die Gartenlaube veröffentlicht hatte. In beiden Fällen kann man von einer erneuten Mytholo-

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gisierung des Löwen sprechen, der nun aber nicht mehr Heiligkeit und Ritterlichkeit, sondern Patriarchat und Kolonialismus verkörpern soll. Brehm eröffnet die Beschreibung des Löwen mit einem persönlichen Bekenntnis zum traditionellen, aus zoologischer Perspektive widersinnigen Gemeinplatz, dass der Löwe ein König der Tiere sei  : Ein einziger Blick auf den Leib des Löwen, auf den Ausdruck seines Gesichtes genügt, um der uralten Auffassung aller Völker, die das königliche Thier kennen lernten, von Grund des Herzens beizustimmen. Der Löwe ist der König der Raubthiere, ist der Herrscher im ganzen Reiche der Säugethiere. Und wenn auch der ordnende Thierkundige diese königliche Würde eben nicht achten will und den Löwen nur für eine Katze von besonders kräftigem Bau erkennen muß  : der Gesammteindruck, welchen das herrliche Thier macht, wird auch den Forscher zwingen, ihm unter allen seinen Verwandten die höchste Stelle einzuräumen. (Brehm  : Thierleben, Bd. 1, S. 189–213.)

In der Löwenmähne erkennt er den »Herrschermantel, welcher sich um ihre Schultern schlägt« (S.  189). Brehm betont, dass es die Mähne sei, »welche die männlichen Löwen auszeichnet und ihnen das stolze, königlich Ansehen verleiht«, und stimmt mit den Worten des Dichters Ferdinand Freiligrath ein Loblied auf den Löwen an  : »Ein Königsmantel, dicht und schön, / Umwallt des Löwen Brust und Mähn’, / Eine Königskrone, wunderbar, / Sträubt sich der Stirne straffes Haar« (S. 189).16 Brehm schließt vom äußeren Erscheinungsbild auf das Wesen des Löwen. Der Löwe sei dasjenige Tier, das seit den ältesten Zeiten wegen seines Muthes, seiner Kühnheit und Kraft, wegen seiner Tapferkeit, seiner Stärke, seines Heldensinnes, seines Adels und seiner Großmuth, seines Ernstes und seiner Ruhe bekannt geworden ist, und den Namen König der Thiere erhalten hat. Er ist in der That das stärkste, muthigste und berühmteste aller Raub­ thiere, die gewaltigste Katze unter allen, der gefährlichste und wildeste aller übrigen Löwen. Unbezwingliche Kraft, Selbstvertrauen, kühler, sicherer Muth und Siegesgewißheit im Kampfe spiegelt sich in seinem Aussehen. Hoch aufgerichtet ist der Rumpf, noch höher gehalten der Kopf, majestätisch ist sein Blick, würdevoll, achtunggebietend seine Haltung. Alles an ihm zeugt von Adel  ; jede Bewegung erscheint gemessen und würdig  ; Körper und Geist stehen im vollsten Einklange (S. 190).

Für Brehm bestimmt die königliche Natur des Löwen auch sein Verhältnis zu den Menschen. Er unterwerfe sich ihnen nicht, sondern fordere im Gegenteil von den Nomaden Afrikas seinen Tribut  : »Er zieht mit ihnen in die

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Steppe hinaus und kehrt mit ihnen nach dem Walde zurück  ; er betrachtet sie als seine steuerpflichtigen Unterthanen und erhebt von ihnen in der That die drückendsten aller Abgaben« (S. 192). Zähmen lasse er sich nicht  : »Eitel ist der Löwe nicht und zu Künsten läßt er sich nicht abrichten. Er ist zu stolz und zu ernst. Er will nur, wann und wie er will. So sind die Königsnaturen« (S. 203). Der Herrscherwille des Löwen mache ihn zugleich dem Menschen, der nach biblischer Auffassung Herr der Schöpfung ist, ähnlich  : »Der Löwe muß in solcher Seelensphäre ganz wie der Mensch in der seinigen behandelt werden. Er ist ein Menschenthier, so gewiß es unter den Menschen noch Thiermenschen giebt« (S. 203). Mit dem Menschen ist in erster Linie der Mann gemeint, wie sich an der von Brehm beschriebenen Sorge des Löwenmännchens um seine Familie ablesen lässt  : »Der Löwe bleibt lange Zeit noch bei der säugenden Löwin. Er geht mit ihr auf Nahrung aus und beschützt sie und ihre Jungen. Ein solcher Zug des geistigen Wesens kann nicht verkannt werden« (S. 203). Wenn Brehm herausstellt, dass der Löwe zwar das Vieh fresse, den Menschen aber in der Regel schone, hat er wiederum nur den Mann im Sinn  : »Den Menschen greift der Löwe nur äußerst selten an. Die hohe Gestalt eines Mannes scheint ihm Ehrfurcht einzuflößen« (S.  199). An diesen Zitaten wird deutlich, dass Brehm seine Zoologie als Anthropologie konzipiert. Während das christliche Mittelalter den Löwen als Christussymbol auslegte, deutet Brehm ihn als patriarchalisches Symbol des Mannes. Der Löwe ist demnach König der Tiere, der Mann aber Krone der Schöpfung. So sind sie einerseits Ebenbilder, die sich wechselseitig bestätigen, andererseits aber hierarchisch geschieden, da der Mensch über dem Tier steht. Dies wird in jener Geschichte deutlich, die Brehm von seiner zahmen Löwin Bachida erzählt. Die Differenz der Spezies (Mensch/Tier) geht mit den Differenzen des Geschlechts (Mann/Frau) und der ethnischen Herkunft (Europa/Afrika) einher. Auf der einen Seite steht Brehm, ein gebildeter Mann aus Deutschland, auf der anderen Bachida, eine widerspenstige Löwin aus dem Sudan. Brehm versäumt nicht, an die Androklus-Sage zu erinnern  : »Die Erzählung des Gälius von dem Löwen und Androklus hat gar nichts Unwahrscheinliches an sich, obgleich man sie unwahr machen wollte« (S. 202). Den Beweis entnimmt er persönlicher Erfahrung  : »Und wer den Löwen näher kennen lernte, wer, wie ich, jahrelang tagtäglich mit einem gefangenen verkehrte, dem wird es ergehen, wie mir es erging. Er wird ihn lieben und ehren, wie nur jemals der Mensch ein Thier lieben und ehren kann« (S. 202). Brehm stellt fest, dass der Löwe stets die Phantasie der Dichter beflügelt habe  : »Über wenige Thiere ist von jeher soviel gefabelt worden und wird noch heutigen Tages soviel

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gefabelt, als über den Löwen« (S. 210). Die Kurzfassung der Geschichte von Bachida, die im Thierleben abgedruckt ist, lautet wie folgt  : Jung eingefangene Löwen werden bei verständiger Pflege sehr zahm. Sie erkennen in dem Menschen ihren Pfleger und gewinnen ihn um so lieber, je mehr er sich mit ihnen beschäftigt. Man kann sich kaum ein liebenswürdigeres Geschöpf denken als einen so gezähmten Löwen, der seine Freiheit, ich möchte sagen, sein Löwentum, vergessen hat und dem Menschen mit voller Seele sich hingibt. Ich habe eine Löwin zwei Jahre lang gepflegt und ihr liebenswürdiges Wesen sowie viele Einzelheiten von ihr bereits ausführlich beschrieben, will aber doch einiges hier wiederholen. Bachida, so hieß die Löwin, hatte früher Latif-Pascha, dem ägyptischen Statthalter im Ostsudan, angehört und war einem meiner Freunde zum Geschenk gemacht worden. Sie gewöhnte sich in kürzester Zeit in unserm Hofe ein und durfte dort frei umherlaufen. Bald folgte sie mir wie ein Hund, liebkoste mich bei jeder Gelegenheit und wurde bloß dadurch lästig, daß sie zuweilen auf den Einfall kam, mich nachts auf meinem Lager zu besuchen und dann durch ihre Liebkosungen aufzuwecken. Nach wenigen Wochen hatte sie sich die Herrschaft über alles Lebende auf dem Hofe angemaßt, jedoch mehr in der Absicht, mit den Tieren zu spielen, als um ihnen Leid anzutun. Nur zweimal tötete und fraß sie Tiere  ; einmal einen Affen, das andere Mal einen Widder, mit dem sie vorher gespielt hatte. Die meisten Tiere behandelte sie mit dem größten Übermute und neckte und ängstigte sie auf jede Weise. Ein einziges Tier verstand es, sie zu bändigen. Das war ein Marabu, der, als beide Tiere sich kennenlernten, ihr mit seinem gewaltigen Keilschnabel zu Leibe ging und sie dergestalt abprügelte, daß sie ihm, wenn auch nach langem Kampfe, den Sieg zugestehen mußte. Oft machte sie sich das Vergnügen, nach Katzenart sich auf den Boden zu legen und einen von uns auf das Korn zu nehmen, über den sie dann plötzlich herfiel wie eine Katze über die Maus, aber bloß in der Absicht, um uns zu necken. Gegen uns benahm sie sich stets liebenswürdig und ehrlich. Falschheit kannte sie nicht  ; selbst als sie einmal gezüchtigt worden war, kam sie schon nach wenigen Minuten wieder und schmiegte sich ebenso vertraulich an mich an wie früher. Ihr Zorn verrauchte augenblicklich, und eine Liebkosung konnte sie sogleich besänftigen. Auf der Reise von Chartum nach Kairo, die wir auf dem Nile zurücklegten, wurde sie, solange das Schiff in Fahrt war, in einen Käfig eingesperrt, sobald wir aber anlegten, jedesmal freigelassen. Dann sprang sie wie ein übermütiges Füllen lange Zeit umher und entleerte sich stets zunächst ihres Unrats  ; denn ihre Reinlichkeitsliebe war so groß, daß sie niemals ihren Käfig während der Fahrt beschmutzte. Bei diesen Ausflügen ließ sie sich mehrere Male dumme Streiche zuschulden kommen. So erwürgte sie unter anderem in einem Dorfe ein Lamm und fing sich in einem zweiten einen

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kleinen [afrikanischen K]naben  ; doch vermochte ich zum Glück den Bedrängten zu befreien, da sie sich gegen mich überhaupt nie widerspenstig zeigte. In Kairo konnte ich, sie an der Leine führend, mit ihr spazierengehen, und auf der Überfahrt von Ale­ xandrien nach Triest holte ich sie tagtäglich auf das Verdeck herauf, zur allgemeinen Freude der Mitreisenden. Sie kam nach Berlin, und ich sah sie zwei Jahre nicht wieder. Nach dieser Zeit besuchte ich sie und wurde augenblicklich von ihr erkannt. Ich habe nach allem diesen keinen Grund, an den vielen ähnlichen anderen Berichten, die wir schon über gefangene Löwen haben, zu zweifeln (S. 209 f.).

Ganz so harmlos und vergnüglich, wie Brehm die Geschichte erzählt, hat sie sich offenbar nicht zugetragen. Immerhin tötet die Löwin im Laufe der Jahre einen Affen, einen Widder und ein Lamm. Außerdem greift sie ein afrikanisches Kind an, das nur knapp dem grausamen Tod entrinnt. Es verstört, dass Brehm dieses Ereignis Bachidas »dumme[n] Streiche[n]« zurechnet, als handele es sich um eine Schelmengeschichte seines Zeitgenossen Wilhelm Busch. Die Erzählung ist von einer kolonialistischen Geste geprägt. Einerseits erscheint der Löwe als Emblem der Kolonisierten, wenn Brehm ihn (wie ein zweiter Androklus) in Kairo an der Leine spazieren führt, gelegentlich züchtigt und schließlich dem Berliner Zoo übergibt. Andererseits erscheint der Löwe als Emblem des Kolonialherrn, der das Privileg für sich beansprucht, über Freiheit und Leben von Menschen und Tieren zu bestimmen. Hier scheint erneut das ambivalente Verhältnis zwischen dem König der Tiere und der Krone der Schöpfung auf. Der Löwe kann zwar den herrschenden Mann symbolisch repräsentieren, ist aber dennoch der Herrschaft des Menschen unterworfen.

5 Blumenberg, der Philosoph mit dem Löwen

Auch Sibylle Lewitscharoff erzählt in ihrem Roman Blumenberg eine Variante der Geschichte vom Löwen als Begleiter des Menschen. Wieder handelt es sich  – wie schon beim Theologen Hieronymus und Zoologen Brehm  – um einen Gelehrten, der die Gesellschaft eines zahmen Löwen genießt, nämlich den Philosophen Hans Blumenberg. Der Roman schildert die letzten vierzehn Schaffensjahre des Münsteraner Professors. Eines Tages erscheint ihm im heimischen Arbeitszimmer ein Löwe, der ihm fortan auch im Vorlesungssaal und bei Autofahrten Gesellschaft leistet. Der Einfall, Blumenberg nach Vorbild des heiligen Hieronymus einen imaginären Löwen hinzuzugesellen, dürfte sich Blumenbergs 2001 posthum erschienenen Büchlein mit dem Titel Löwen ver-

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danken. Die philosophischen Betrachtungen, die Lewitscharoff über die Präsenz des Löwen anstellt, sind ihm entnommen. Die einundzwanzig Kapitel des Romans gliedern sich in drei Teile. An den Übergängen zwischen den Teilen meldet sich die Stimme des Erzählers zu Wort, um das eigene Tun zu kommentieren. Dem Löwen sind fünf durchgezählte Kapitel gewidmet, die sich über den gesamten Roman verteilen  ; doch auch in den übrigen Kapiteln tritt er gelegentlich auf. Das erste Löwenkapitel erzählt, wie das Tier dem Philosophen nachts gegen drei Uhr in seinem Studierzimmer erscheint. In gelehrten Selbstgesprächen gelangt der erstaunte Professor schließlich zur Auffassung, dass der fellige Freund eine Auszeichnung für sein fabelhaftes Lebenswerk darstelle  : Urplötzlich fühlte er sich in eine anheimelnde Selbstwärme gehüllt, ein Gefühl, das von Selbstüberhebung nur geringfügig sich unterschied. Er war der exemplarische Asket, der seinen Löwen verdient hatte. Nacht für Nacht für Nacht gearbeitet, sagte sich Blumenberg voller Stolz, und der Dank, der ihm jetzt blühte, war der Löwe (Lewitscharoff  : Blumenberg, S. 14).

Der Gedanke wird im zweiten Löwenkapitel fortgeführt. Als der Löwe dem Philosophen erneut erscheint, hält dieser sich für einen Erwählten  : Der Löwe war gekommen, ihn in seinem Wesen zu hegen, wie dies kein Mensch je für ihn getan hatte oder je würde für ihn tun können. […] Dieses Mal sollte sein Besuch aber keinem Heiligen gelten, sondern einem Philosophen. Man hätte denken können, daß vielleicht Ludwig Wittgenstein oder Edmund Husserl – wer wollte sich hier so genau festlegen –, vielleicht sogar der gewölbte Schnauzbart Friedrich Nietzsches ihn aus der Wüste gelockt hätten, aber nein, ein zurückgezogener Philosoph in Münster war’s, der dort redlich die Dienste eines Universitätsprofessors versah und sehnsüchtig darauf wartete, daß einer käme und mit einem Tatzenschlag den Weltzusammenhang wiederherstellte, über dessen Verlust zu philosophieren bei gleichzeitiger Trauer um diesen Verlust seine nächtlichen Geschäfte waren (S. 35, 37 f.).

Im dritten Löwenkapitel ist das Tier zum vertrauten Begleiter avanciert, mehr Hund als Löwe  : »Wie ein alter Haushund schlief er entspannt auf dem Teppich und hob nur selten den Kopf, um die Lage zu überprüfen« (S. 120). Blumenberg empfindet den Löwen als »mächtige[n] Beschützer« (S. 122) und vitales Wunschbild seiner selbst  :

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Eine Traumgeburt von so unbedingter Präsenz, daß er an ihre Flanke gelehnt für immer in den endgültigen Schlaf hätte gleiten mögen. Aber nein. Kein Traum. Der Löwe war am Ende so ein freies und unbedingtes Wesen, daß ihm das Recht, zu sein, was er ausdrückte zu sein, nicht streitig gemacht werden konnte. Die Seinszufriedenheit drang in selbstleuchtender Projektion aus seinem schon etwas fadenscheinig gewordenen Löwenkostüm hervor […]. Erfreue dich an ihm, hieß die Devise, schicke dich drein und genieße den Kraftstrom, der sich zu deinen Füßen erhebt und dich umhüllt (S. 122 f.).

Gern hätte er sich selbst in einen Löwen verwandelt  : Ein, zwei Mal war es sogar schon vorgekommen, daß er sich selbst Krallen und Tatzen statt Hände und Fingernägel an den muskelgeschwellten, fellbezogenen Leib gewünscht hatte, um sich mit dem Löwen eine Mordsbalgerei zu liefern. Himmlisch, mit einem Löwen zu brüllen und zu röhren und spielerisch das Gebiß in seine Flanke zu schlagen  ; es zuckten ihm förmlich die Hände, um das Krallenwachstum hervorzulocken. Ein wenig fellhaft war er ja selbst  ; wenn er auf seine zierlichen Hände blickte und dann auf die Haare, die unter dem zurückgeschobenen Strickbünden hervorquollen, kam er sich löwennah vor (S. 125).

Im vierten Löwenkapitel ist der fellhafte Gefährte Blumenberg nicht nur vertraut, sondern unentbehrlich geworden  : »Gottlob, im Arbeitszimmer fand er den Löwen vor wie gehabt« (S. 144). Der Löwe wird zur väterlichen Figur, die ambivalente Gefühle provoziert. Blumenberg, der früher seine Kinder zu trösten pflegte, sucht nun selbst Trost beim Löwen – und ärgert sich zugleich über seine Schwäche und Schutzbedürftigkeit  : In dieser frühen Zeit war es ihm gelungen, den Tröster zu spielen. Jetzt tröstete der Löwe ihn, aber der Schweigepakt, der ihm dafür auferlegt worden war, ließ sich nur schwer einhalten. Außerdem schien der Löwe allmählich etwas von seiner tröstenden Kraft einzubüßen. Weshalb war er heute nicht in der Vorlesung erschienen  ? Ein Warnzeichen  ! Blumenberg ärgerte sich, daß er von seinem Löwen bereits dermaßen abhängig war, daß dessen Wegbleiben ihn aus der Fassung bringen konnte (S. 152).

Die Beziehungsqualität ändert sich noch einmal im letzten Löwenkapitel, das zugleich den Tod des Philosophen bringt. Aus dem Vater wird die Gattin (»Er lebte mit ihm wie in einer uralten Ehe«), aus der Gattin der Freund (»Längst war er dazu übergegangen, wie ein alter Freund mit ihm zu sprechen«) (S. 198

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f.). Die Parallele zwischen Vater, Ehefrau und Freund liegt in der Intimität, die das Leben mit dem Löwen prägt  : »War der Löwe da, vergaß er ihn. Fehlte der Löwe, fühlte er sich beraubt, mehr als das, er fühlte sich bedroht« (S. 199). Als Blumenberg stirbt, ragt die Phantasie in die Wirklichkeit hinein. Der Herzinfarkt wird als Prankenschlag des Löwen imaginiert, und als Blumenbergs tatsächliche Ehefrau den Toten auffindet, heißt es  : »Eine Spur Löwengeruch hing im Zimmer […]. Auf Blumenbergs Pyjamajacke und auf der Bettdecke hatten sich kurze, stumpfe, gelbliche Haare verfangen, die schwerlich von einem Menschenkopf stammen konnten« (S. 202). Lewitscharoff umgibt den Protagonisten mit einer Reihe von spiegelnden Nebenfiguren. Zu ihnen gehört die greise Nonne Käthe Mehliss. Sie ist die einzige Gestalt neben Blumenberg, die den Löwen zu sehen vermag. Als er sie bei einer Autofahrt nach dem Weg fragt, erkundigt sie sich nach seinem Begleiter  : »Wen haben Sie denn dabei  ?« (S. 66). Blumenberg schaut sich überrascht um  : »Tatsache – der Löwe hatte ihn begleitet, war hinter ihm hergeschlichen, ohne daß es ihm aufgefallen war« (S. 66). Blumenberg klärt sie über den Gefährten auf, und die Kanonisse gelangt zu demselben Schluss, den er selbst bei der ersten Begegnung mit dem Löwen gezogen hatte  : »Dann handelt es sich um eine Auszeichnung  !« (S. 66). »Sie haben ihn verdient, sagte Käthe Mehliss mit Bestimmtheit, jawohl, verdient« (S. 68). Doch auch die Nonne selbst gebietet Respekt  : »eine ruhmreiche, gloriose Erscheinung« (S.  66), denkt Blumenberg. Die fromme Klosterfrau erscheint als ebenbürtiges Gegenbild zum gelehrten Glaubenszweifler. Um den Löwen erblicken zu können, bedarf es also eines gewissen Lebensalters und einer gewissen Weltferne, sei sie spiritueller oder intellektueller Art. Über diese Vorzüge verfügen die übrigen Nebenfiguren nicht. Folglich können sie den Löwen nicht sehen. Ihnen bleibt auch das ironische Mitgefühl der Autorin versagt. Im Gegenteil  : Lewitscharoff, die das Königstier im Namen trägt (Lew), schlägt erbarmungslos zu, wenn es um junge Menschen geht, die bei Blumenberg studieren, promovieren, habilitieren. Sie alle sterben eines vorzeitigen Todes. Eine Studentin namens Isa verzweifelt an ihrer unglücklichen Schwärmerei für den unerreichbaren Professor und wirft sich vor einen Lastwagen  : »Was die Sanitäter an blutigen Kleidungsresten, Fleisch, zermalmten Knochen vom Asphalt kratzten, war nicht mehr als Person zu erkennen« (S. 102). Ein Doktorand namens Richard entflieht seinen intellektuellen Versagensängsten nach Südamerika, wo er einem grausamen Mord zum Opfer fällt  : Der Angreifer »rannte auf ihn zu und stieß ihm ein Messer ins Herz. […] Richard ging in die Knie, vom warmen Blut ganz naß sein Bauch, das fühlten

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seine Hände« (S. 189). Ein Habilitand namens Gerhard bringt es als brillanter Meisterschüler bis zur Berufung auf eine Professur, stirbt aber an einem Hirnschlag, bevor er die Stelle antreten kann. Ein Studienabbrecher namens Hansi versagt als Gründer einer Praxis für philosophische Lebensberatung, verliert den Verstand und sackt tot zusammen, als Sicherheitsmänner ihn in Gewahrsam nehmen wollen. Sie alle scheitern am unerreichbaren Vorbild ihres akademischen Lehrers. Gegen mögliches Unbehagen an der Hinrichtung so vieler ihrer Figuren wappnet sich Lewitscharoff mit einem süffisanten Hinweis auf ihre Chronistenpflicht  : »So viele Tode verhältnismäßig junger Menschen. Man wird einwenden, der Erzähler hätte besser daran getan, Verzicht zu üben und nicht mit einer solchen Häufung aufzuwarten, noch dazu nach Art eines Buchhalters […]. Ein Erzähler hat aber die Pflicht, auch das Unwahrscheinliche wahrheitsgetreu zu verzeichnen. Möglichst knapp. So wurde in der Geschichte nun mal gestorben« (S. 196 f.). Die Autorin teilt ihr Faible für das Sammeln von Todesarten mit ihrem Helden, der in einer Mappe »Phantasien über die Art, wie Menschen starben« (S.  155), aufbewahrt. Dies lässt sich als Signal für die Neigung der Autorin lesen, sich mit Blumenberg zu identifizieren. Bei aller ironischen Distanz, die sie zu ihm wahrt, bleiben Sympathie und Respekt stets intakt. Zugleich ist sie die Löwin, die ihre Hauptfigur schützt und ihre Nebenfiguren (von Käthe Mehliss abgesehen) vernichtet. Was aber bedeutet der Löwe  ? Er ist, wie schon bei Brehm, ein patriarchalisches Symbol. Er ist eine bildungsbürgerliche Auszeichnung, die dem alternden Philosophieprofessor zukommt, keinesfalls aber den jungen Adepten, die ihm das Wasser nicht reichen dürfen. Dies bestätigt eindrucksvoll das letzte Kapitel des Romans, das eine Nahtoderfahrung schildert. Als Blumenbergs Herz stillsteht, sieht er in einer Höhle seinen Löwen wieder. Auch die Nebenfiguren sind anwesend, doch nur Blumenberg darf sich »gegen den Bauch des mächtigen Löwen« lehnen  : Blumenberg schloß die Augen und gab sich der Löwenbehaglichkeit hin. Wenn er den rechten Arm ausstreckte und anhob, konnte er ihn auf die linke Schulter des Löwen legen. Alles war gestattet. Der Löwe war allein für ihn da. Blumenberg fühlte Gewißheit, daß er dem Löwen auf den Rücken hätte klettern dürfen, um wie ein Kind auf ihm zu reiten (S. 206).

Er imaginiert den Augenblick des Todes als Ruf des Löwen  : »Königlich, königlich schollernden Klanges fuhr Blumenberg  ! aus dem Rachen des Löwen. […] Da hieb ihm der Löwe die Pranke vor die Brust und riß ihn in eine andere

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Welt« (S.  216). Die königliche Anrufung ist eine Erwählung  ; und wenn der Löwe Blumenberg »in eine andere Welt« reißt, so gemahnt er an den Löwen der Physiologus-Tradition, der seine totgeborenen Welpen, wie Gottvater den gekreuzigten Sohn, mit einem Brüllen ins Leben ruft. So versieht Lewitscharoff ihren Blumenberg mit einer Weihe, für die nicht jeder Leser, nicht jede Leserin Verständnis aufbringen wird – aber gewiss Käthe Mehliss. ***

Der Löwe, darin stimmen die Erzählungen überein, erscheint als treuer Begleiter des Menschen. Als patriarchalisches Symbol eignet er sich, als nobler Doppelgänger insbesondere des Mannes aufzutreten. Er repräsentiert ein Idealbild dessen, den er begleitet  – sei es den freigelassenen Sklaven, den geläuterten Ritter, den weisen Eremiten, den stolzen Zoologen oder den entrückten Philosophen. Als König der Tiere trägt er zwei Optionen in sich  : kampfeslustige Wildheit und friedfertige Zahmheit. In beiden Fällen geht es um Unterwerfung. Der Löwe reißt seine Beute und greift seine Gegner an  ; er folgt aber auch denen, die ihm helfen und die er achtet, auf dem Fuße. Die Phantasie, dass der Löwe zahm sein könne wie ein Hund (mit dem ihn die vormoderne Naturkunde vielfach vergleicht), wird in den neuzeitlichen Erzählungen relativiert. Die Wildheit des Löwen schlägt am Ende doch wieder durch, wenn er, wie bei Brehm, einen Knaben attackiert oder, wie bei Lewitscharoff, den alten Gelehrten mit einem Prankenhieb ins Jenseits befördert.

Der Rabe Silke Winst

Der Rabe. Krieger – Bote – Totenvogel

An den Raben lagern sich kulturhistorisch ambivalente Deutungen an. Im Mittelalter gilt er einerseits als Götter- und Schlachtenvogel, besitzt also in (nichtchristlichen) Kriegergesellschaften Anteil an einer transzendenten Sphäre sowie am Handlungsraum des Schlachtfeldes und kann in diesem Zusammenhang – wie schon in der Antike – als Begleiter des Kriegers oder des Kriegsgottes auftreten.1 Andererseits erscheint er in der Bibelexegese als unzuverlässiger Botenvogel, der anders als die Taube nicht zu Noah zurückkehrt und stattdessen Leichen frisst.2 Seine schwarze Farbe wird in christlicher Naturlehre – z. B. von Rabanus Maurus, der dem Namen nach selbst mit dem Raben in Verbindung steht – als Zeichen der Sünde und des Teufels gedeutet.3 Der Rabe gilt in christlicher Deutung als »Symbol des Sünders«4. Seine Jungen aber sind weiß, wie neben Rabanus auch Isidor von Sevilla und lateinische Bestiarien berichten.5 Doch auch vor einem christlichen Sinnhorizont kann der Rabe als Begleiter und Beschützer fungieren, wie einige Legenden zeigen, in denen z. B. Heilige von Raben versorgt werden. In diesem Beitrag werde ich folgende Aspekte beleuchten, in denen der Rabe als Begleiter des Menschen in Erscheinung tritt  : Der Rabe als Verkörperung des Selbst (1)  ; der Rabe als Brautwerber und Bote (2)  ; der Rabe als Schlachten- und Totenvogel (3)  ; der Rabe in Zusammenhang mit Prophetie und Weissagung (4) sowie der Rabe als Helfer (5).

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1 Der Rabe als Verkörperung des Selbst

Die zwei wohl bekanntesten Raben des Mittelalters sind Huginn und Mu­ ninn, die Raben Odins. In der altisländischen Prosa-Edda (13. Jahrhundert) wird von ihnen berichtet, dass sie auf den Schultern des Gottes sitzen und ihm alles ins Ohr sagen, was sie sehen und hören. Deshalb wird Odin auch der ›Rabengott‹ genannt (Gylfis Täuschung 38, Str. 43).6 Odin entsendet die Vögel stets bei Tagesanbruch, um Neuigkeiten zu sammeln. Die Beziehung des Gottes zu ihnen erscheint als eine sehr innige  : óvmc ec Hvgin, / at hann aptr ne kome  ; / Þo siamc ec meir vm Mvnin (Gylfaginning 25 [38], Str. 44, S. 43, Z. 3–5  : »ich sorge mich um Huginn, / daß er nicht zurückkommt  ; doch fürchte ich noch mehr um Muninn«).7 Ihre Namen zeigen, dass es sich bei den beiden Raben um mehr handelt als um Tierbegleiter  : Huginn (›der Gedanke‹) und Muninn (›der sich Erinnernde‹)8 verweisen auf eine tiefer gehende Verbindung zu Odin, bei der die Raben als veräußerlichte mentale Tätigkeiten des Gottes erscheinen. Die Raben sind aufs Engste mit Odin verbunden  ; sie sind Teil seines Selbst, tierhafte Verkörperungen seines Inneren, die zudem auf Odins seherische Fähigkeiten verweisen können.9 Da Odin der Gott der Krieger und der Toten ist, werden die Raben zugleich mit Schlacht und Leichnamen assoziiert, sodass in Huginn und Muninn verschiedene Bedeutungsdimensionen zusammentreffen. Eine Vorstellung von Identität, die Tierisches miteinschließt, gilt nicht nur für Odin, also für einen Gott. In vor- oder außerchristlichen Zusammenhängen  – wie der germanischen Mythologie  – können auch menschliche und tierische Identität ineinander übergehen, wie insbesondere das Konzept der altnordischen hamingja verdeutlicht (altnordisch hamr ›Gestalt, Hülle‹). Damit ist ein Gestaltwandel verbunden, bei dem eine Person beispielsweise die Gestalt eines Tieres annimmt.10 Eng damit zusammen hängt die Vorstellung der Existenz einer fylgja (›die Folgerin‹), eine ›Verdoppelung‹ der Person, die ebenfalls Tiergestalt besitzen kann und Schutzfunktion hat.11 Tierische und menschliche Identität gehen in diesen Konzepten ineinander über. Diese Vorstellung einer äußerst engen Verbindung zwischen Menschen und Tieren unterscheidet sich grundsätzlich von christlicher Doktrin, die den Menschen als Gottes Ebenbild begreift und damit eine kategoriale Unterscheidung von Mensch und Tier veranschlagt.12 Doch noch der hochmittelalterliche  – christliche – Adel verknüpft seinen Herrschaftsanspruch und das Privileg der Gewaltausübung mit Vorstellungen seiner ihm eignenden ›Tierhaftigkeit‹. So können – insbesondere gefährliche oder schöne – Wappentiere auf Eigenschaf-

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ten ihres menschlichen Trägers verweisen.13 Allerdings schwindet im hohen Mittelalter die Bedeutung der alten heimischen »Krafttiere«14 (wie Wolf, Bär und Eber) zugunsten exotischerer Raubtiere wie Löwe und Leopard. Auch der Rabe gehört zu den traditionellen germanischen ›Krafttieren‹.15 Er erscheint allerdings selten als Wappentier, meist in sogenannten redenden Wappen, die »einen sofort erkennbaren Zusammenhang zwischen Schildzeichen und Namen des Wappeninhabers«16 herstellen, wie etwa der 1170 auf dem Schild der schottischen Familie Corbet nachgewiesene Rabe veranschaulicht.17 In der skandinavischen Sagaliteratur wird von Rabenbannern berichtet, die in der Schlacht getragen werden  ; ein solches Banner ist auf dem Teppich von Bayeux (11.  Jahrhundert) dargestellt.18 Hier erscheint der Rabe als Schlachtenvogel  : Er soll den Sieg der unter ihm Kämpfenden gewährleisten, zugleich verweist er als Toten- und Aasvogel auf den unabwendbaren Tod vieler Krieger.

2 Der Rabe als Brautwerber und Bote

Nicht nur Odin hat Rabengefährten, auch der christliche König Oswald besitzt einen Raben, mit dem er in enger Verbindung steht. Der Rabe tritt als Oswalds Stellvertreter, Brautwerber und Bote auf. Vom historischen König Oswald von Northumbrien (um 604–642), der zugleich Kriegerkönig und Heiliger war, berichten sowohl aus dem Spätmittelalter überlieferte Brautwerbungsepen19 als auch legendenhafte Texte. Die Zentralität des Raben für die Geschichte lässt sich daran ablesen, dass der Rabe spätestens im 14.  Jahrhundert zum festen Attribut des heiligen Oswald geworden ist.20 In der Brautwerbungserzählung Wiener Oswald berät ein Pilger den König hinsichtlich der Brautwerbung  : du hast wol acht jar her / einen raben gezogen sunder wan, / daz her vil wol sprechen kan (Wiener Oswald, V. 110–112  : »Du hast bereits seit acht Jahren – das ist gewiss – einen Raben in deiner Obhut, deshalb kann er sehr gut sprechen«). Die Sprachmächtigkeit des Raben macht ihn nach Ansicht des Pilgers zum idealen Brautwerber, den Oswald in daz heiden lant (V. 121  : »in das Land der Nichtchristen«) schicken soll, um dort um die Königstochter zu werben.21 Oswald lässt seinen Raben herbeibringen, woraufhin ein Bild von Nähe und Berührung entworfen wird, das die innige Beziehung zwischen dem König und seinem Raben augenfällig macht  : her satzte in uf sine schoz, (wi wenig in das vordroz  !)

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her strichte im sin gefidere von dem houpte biz hernidere (V. 129–132) (Er setzte ihn auf seinen Schoß. – Wie wenig ihn das störte  ! – Er strich ihm vom Kopf bis nach unten über sein Gefieder.)

Während der Wiener Oswald eine enge Bindung zwischen Mensch und Vogel entwirft, die die Grundlage dafür bildet, dass der Rabe sogar das Sprechen erlernt hat,22 wird im Münchner Oswald – einer weiteren Bearbeitung von Oswalds Brautwerbung – etwas ganz anderes erzählt. Hier ist zwar auch davon die Rede, dass König Oswald einen Raben hat (und zwar seit zwölf Jahren), doch dieser kann zunächst nicht sprechen und es gibt auch keine enge Beziehung zwischen Oswald und dem Raben, als Oswald sich dazu entschließt, eine ›heidnische‹ Königstochter zu erwerben. Stattdessen offenbart der Pilger, dass der Rabe plötzlich durch Gottes Gebot reden kann, und zwar in allen Sprachen. Da der Rabe unerreichbar auf einem hohen Turm sitzt, kann Oswald das zunächst nicht überprüfen, doch auf Gottes Befehl lässt sich der Rabe vor Oswald auf dem Tisch nieder. Der Text betreibt also einigen Aufwand, um den Raben mit (dem christlichen) Gott in Verbindung zu bringen, wenn sein Beherrschen menschlicher Sprache und seine Rückkehr zu Oswald allein auf Gottes Veranlassung zurückgehen. Durch diese Argumentation rückt der Münchner Oswald den Raben von jedweden nichtchristlichen Deutungen und Sinnzusammenhängen ab, die möglicherweise durch die Parallelen zu Odin zumindest implizit zum Tragen kommen könnten. Denn nicht nur sind sowohl Odin als auch Oswald mit Raben assoziiert, Oswalds Name bedeutet zudem ›Herrscher der Asen‹23 (also  : Odin), auch wenn dieser christlich in von gots gewalt (Münchner Oswald, Innsbrucker Handschrift, S. 33) umgedeutet wird und damit auf den durch Gottes Macht Herrschenden verweist. In der Legende vom Heiligen Oswald wird zusätzlich erzählt, wie der Rabe allererst zu Oswald kommt. Gott sendet den Raben als Überbringer des geweihten Salböls für die Zeremonie der Königsweihe zu Oswald. So heißt es in der niederdeutschen Bearbeitung des Passional (1492)  : id quam eyn rauen van dem hemmel. vnd brochte ene gulden bussen mit kresem in deme snauele. vnde dem rauen henk eyn breeff in deme halsze. de was beseghelt mit enem

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gulden kruce. vnde de rauen konde latin spreken. vnde sprak. »Ik bringe den kresem van dem hemmele.« (Van Sunte Oswaldo deme konninghe, S. 174)24 (Es kam ein Rabe vom Himmel und brachte im Schnabel eine goldene Büchse mit Salböl. Und ein Brief hing dem Raben am Hals, der war mit einem goldenen Kreuz besiegelt. Und der Rabe konnte Latein sprechen und sagte  : ›Ich bringe das Salböl vom Himmel.‹)

Hier bildet der Rabe das Bindeglied zwischen Gott und Oswald und ermöglicht Oswalds Salbung zum König. Dass der Vogel Latein spricht, verortet ihn in einem dezidiert klerikalen Kontext. Gleichwohl mutet es zunächst etwas merkwürdig an, wenn König Oswald zwölf Jahre später darüber erstaunt ist, dass der Rabe  – nun wohl in der Volkssprache  – spricht  : »Ik hebbe dy .xij. iaer ghehat. vnde hebbe dy nee so mynschlyken horen spreken« (S. 176  : »Ich habe dich zwölf Jahre gehabt und habe dich nie so menschlich sprechen hören«). Das Erstaunen bezieht sich wohl nicht darauf, dass der Rabe überhaupt spricht  – das hat er ja bereits zuvor getan  –, sondern dass er ›menschlich‹ spricht  ; das Lateinische gehört mithin einer anderen Sphäre an. Die Sprachmächtigkeit des Raben wird in den einzelnen Texten also ganz unterschiedlich bewertet. Während der Wiener Oswald die Sprechfähigkeit domestizierter Raben voraussetzt, ist ein sprechender Rabe in den anderen Bearbeitungen ausschließlich durch Gottes Eingreifen denkbar. Denn ein sprechender Rabe steht in diametralem Gegensatz zu dem, was die christliche Naturlehre über den Raben sagt. In diesen Texten wird die lateinische Bezeichnung des Raben corvus stets mit seinem Krächzen in Zusammenhang gebracht  : Corvus sive corax nomen a sono gutturis habet, quod voce coracinet (De corvo, S.  183  :25 »Der Rabe  – corvus oder corax  – hat den Namen vom Klang der Kehle, weil er mit der Stimme krächzt«). In Predigten erscheint der Ruf des Raben als cras, cras, was sowohl lautmalerisch als auch in seiner lateinischen Bedeutung (›morgen, morgen‹) zu verstehen ist  : Das Krächzen des Raben verweist auf den ständigen Aufschub der Bekehrung.26 Im Oswald zeigt sich indes, dass der Rabe nicht cras, cras macht, sondern der Menschensprache mächtig ist, freilich durch Gottes Gebot. Deshalb kann er als Oswalds Brautwerbungshelfer – und damit als sein Stellvertreter – agieren. Auch die negative Deutung des Rabenrufs in den Predigten kommt im Oswald nicht zum Tragen, denn der Rabe wird hier in enger Verbindung zum

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christlichen Gott und zur Bekehrung der ›heidnischen‹ Prinzessin sowie der Bewohner des ›heidnischen‹ Landes gezeigt. Der Rabe agiert in einem dezidiert christlichen Kontext. Der Erfolg des Raben als Bote beruht nicht nur darauf, dass er sprechen kann, sondern zudem auf kluge Weise seine Werbung durchführt. Allen widrigen Umständen zum Trotz überbringt er Ringe und Briefe zwischen Oswald und der Königstochter und kann ihre Zustimmung hinsichtlich Heirat und Bekehrung erwirken. Und auch später, als Oswald sich mit großer Heeresmacht in das ›heidnische‹ Land begeben hat, fungiert der Rabe weiter als Bote zwischen den zukünftigen Ehegatten und trägt dazu bei, dass die Listen und militärischen Aktionen erfolgreich sind. In anderen Texten, die von Brautwerbungen erzählen, kommt es bisweilen zu einem »Konkurrenzverhältnis«27 zwischen dem König und seinem Brautwerber. Im Tristan etwa bemächtigt sich der Brautwerber Tristan selbst der Braut, obwohl er Isolde für König Marke erworben hat. Im Nibelungenlied führen die ungeklärten Umstände des Brauterwerbs von Brünhild zu Rivalitäten zwischen König Gunther und Siegfried. In der Forschung ist betont worden, dass es im Münchner Oswald nicht zu einer solchen Konkurrenz kommen kann, weil der Rabe dem König als eigentlichem Werber »nicht vergleichbar«28 sei. Diese Argumentation greift indes zu kurz  : Insbesondere im Wiener Oswald erscheint der Rabe als domestizierter Vogel, zu dem der König eine innige Beziehung pflegt  ; in den anderen Texten wird der Rabe als Mittler zwischen Gott und Oswald entworfen. Damit agiert er als göttlicher Helfervogel oder als gefiederter Gefährte, der Oswalds Werbung nicht nur nicht bedroht, sondern auch Oswalds eigene Identität steigert. Auffällig ist die Absenz des Raben im letzten Teil des Geschehens  : Während der Schlacht zwischen Oswald und dem ›heidnischen‹ König wird der Rabe nicht mehr erwähnt. Als Schlachten- und Leichenvogel erscheint Oswalds Rabe gerade nicht und wird damit von einer im christlichen Kontext negativen Deutung distanziert.

3 Der Rabe als Schlachten- und Totenvogel

Als Schlachtenvogel kommt dem Raben ambivalente Bedeutung zu. Gilt er in der germanischen Kriegerkultur einerseits als ›Glücksbringer‹ in der Schlacht, so verweist er als Aasvogel, der die Leichname der Gefallenen frisst, auch auf die düstere Seite von Krieg und Kampf. Als positives Vorzeichen erscheint der Rabe im Reginnlied der Lieder-Edda  :

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Mǫrg ero góð, ef gumar vissi, heill at sverða svipon  ; dyggia fylgio hygg ec ins døcqva vera at hrottameiði hrafns. (Reginsmál, 20) (Viele gute Vorzeichen gibt’s beim Schwingen der Schwerter, / wenn die Menschen sie wüssten  ; / eine sichre Begleitung für den Schwertbaum [= Krieger] / scheint mir der schwarze Rabe zu sein. Reginnlied, Str. 20  ; Übersetzung A. Krause.)

Während hier der Rabe als Tierbegleiter des Kriegers erscheint, taucht er in anderen Texten als sogenanntes Tier des Schlachtfeldes (beast of battle29) auf, das  – oft zusammen mit Wolf oder Adler  – die Toten auf dem Schlachtfeld verzehrt.30 So heißt es etwa in der altenglischen Battle of Brunanburgh, einem Text, der historische Ereignisse von 937 aufgreift  : Lēton him behindan sealwig-pādan, hyrned-nebban, earn æftan hwīt, grǣdigne gūþ-hafoc, wulf on wealda.

hrǣw bryttian þone sweartan hræfn and þone hasu-pādan, ǣses brūcan, and þæt grǣge dēor,

(The Battle of Brunanburgh, Z. 60a–65b) (Hinter sich ließen sie – die Toten teilend – die Dämmerungsbemäntelten, den dunklen Raben, hornbeschnäbelt, und den grau bemäntelten Adler, hinten weiß, Leichen schmausend, den gefräßigen Schlachtfalken, und das graue Tier, den Waldwolf.)

Es ist diskutiert worden, ob Rabe, Wolf und Adler – alle drei Tiere Odins – auch ohne explizite Nennung des Gottes einen paganen Deutungszusammenhang aufrufen, wodurch die gefallenen Krieger an den germanischen Kriegsgott zurückgebunden würden, oder ob eine solche Verbindung hier nicht (mehr) besteht.31 Doch gleich, ob ein solcher Zusammenhang anzusetzen ist oder nicht  : Die desolate Szenerie des mit Leichen übersäten Schlachtfeldes und die dort agierenden, ausnahmslos durch das Dunkel gekennzeichneten Tiere treten zu einem Bild poetischer Düsternis zusammen, das das Ende der Schlacht als

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eine – transzendente oder diesweltliche – Angleichung der Getöteten an die dunklen Tiere entwirft. Im Hrafnsmál bzw. Haraldskvæði32 wird ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Raben und Schlachtfeld dargestellt. Hier unterhalten sich ein Rabe und eine Walküre über die Seeschlacht im norwegischen Hafrsfjord (872), aus der Harald Schönhaar erfolgreich hervorging. Der Rabe scheint der Walküre in seiner Eigenschaft als Leichenfresser als besonders geeignet, Auskunft über die Ereignisse in der Schlacht zu geben. Sie fragt  : Hvat es yðr, hrafnar  ? Hvaðan eruð komnir með dreyrgu nefi at degi ondværðum  ? Hold loðir í klóum, en hræs Þefr ór muni. Nær í nótt bjogguð Þvís vissuð nái liggja. (Haraldskvæði, 3) (Was gibt’s, ihr Raben  ? / Vor Beginn des Tages / Wo schwangt ihr euch her, / Die Schnäbel gerötet  ? / Aas hängt in den Klauen  ; / Ihr atmet Leichenduft  : / Wo ihr Waltote wußtet, / Weiltet ihr nächtlich. Das Haraldlied, S. 192, Str. 3  ; Übersetzung F. Genzmer.)

Der Rabe, der ausführlich von den Kämpfen zu berichten weiß, wird im Anschluss – ähnlich wie in The Battle of Brunanburgh – als ›Schwarzrock‹ und als ›Eidbruder des Adlers‹ bezeichnet.33 Auch hier werden Kämpfe und die aufgefressenen Toten über die Figur des Raben eng miteinander verknüpft. Eine Besonderheit bildet in diesem Gedicht die Walküre, eine Figur, die ursprünglich wohl zu den Totendämonen gehörte, die jedoch zunehmend als diesweltliche Kriegerin aufgefasst wurde, die gleichwohl »eng mit Odin assoziiert«34 blieb. Walküre und Rabe sind hier gleichermaßen mit dem Schlachtfeld, dem Ruhm, aber auch dem Tod der Krieger verbunden. Dass die Walküre die Vogelsprache versteht – oder der Rabe die Menschensprache spricht –, verweist auf die enge Verbindung zwischen Raben und Walküren.35 In der kymrischen Erzählung Rhonabwys Traum (Breuddwyd Rhonabwy) tauchen ebenfalls Raben auf dem Kampfplatz auf. Dieser Text gehört zum

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Mabinogion, einer im 12. bzw. 13.  Jahrhundert zusammengestellten Sammlung walisischer, also keltischer Geschichten. In Rhonabwys Traum erscheinen die Raben selbst als Krieger. In der Traumhandlung spielen König Artus und Owein das keltische Brettspiel gwyddbwyll, eine Art Schach. In drei aufeinanderfolgenden Spielen wird Owein die Nachricht überbracht, dass seine Raben von den jungen Herren und Knappen König Artus’ angegriffen werden. Beim ersten Mal berichtet der Bote, die Raben würden bedrängt  ; beim zweiten Mal ist die Rede davon, dass auf die Raben eingestochen wird und einige von ihnen getötet werden  ; beim dritten Mal hört Owein, dass viele Raben tot und die anderen so schwer verletzt sind, dass sie nicht mehr fliegen können. Nach jeder Nachricht bittet Owein den König, seine Männer zurückzurufen, doch Artus antwortet stets »Spiel dein Spiel« (Rhonabwys Traum, S. 132  ; Übersetzung H. Birkhan), und das Brettspiel geht weiter. Nach der dritten Nachricht befiehlt Owein dem Knappen, das Banner dort aufzurichten, wo die Schlacht am härtesten tobt. Nun wendet sich das Blatt  : Und sowie sie [die Standarte] erhoben war, erhoben sich auch die Raben zornig, wild und verzückt in die Luft, ließen den Wind in ihre Schwingen und warfen die Müdigkeit ab. Und nachdem sie ihre Wildheit und ihr Siegerglück (wieder) gewonnen hatten, stürzten sie sich zornig in Verzückung geradewegs zur Erde nieder, auf die Köpfe der Männer, die ihnen zuvor Verletzungen, Wunden und Verluste zugefügt hatten. Einige trugen Häupter davon, andere Augen oder Ohren, und wieder andere Arme. Und sie erhoben sich in die Luft (Rhonabwys Traum, S. 134  ; Übersetzung H. Birkhan).

Im Anschluss spielen Artus und Owein weiter gwyddbwyll, wobei nun Artus dreimal die Nachricht erhält, dass Oweins Raben die Knappen und jungen Adligen erschlagen. Owein erwidert nun seinerseits auf Artus’ Bitten, die Raben zurückzurufen, dass der König weiterspielen solle. Nach der dritten Nachricht zerdrückt Artus schließlich die goldenen Spielfiguren auf dem Brett, woraufhin Owein das Banner senken lässt. Der Kampf ist vorbei. In Rhonabwys Traum erscheint das Brettspiel als verschobene Kriegshandlung. Erzählt wird ausschließlich vom gwyddbwyll  ; was parallel auf dem Schlachtfeld geschieht, davon berichten nur die Boten.36 In Zusammenhang mit dem Umstand, dass es sich bei den Kämpfenden auf der einen Seite um Raben handelt, ist in der Forschung darauf hingewiesen worden, dass in kymrischer Literatur das Wort brân (›Rabe‹) auf den Krieger verweisen kann.37 Allerdings unterscheidet Rhonabwys Traum deutlich zwischen menschlichen Kämpfern auf Artus’ Seite und Oweins Raben. Der Flug der Raben während

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des Kampfes, der Wind unter ihren Schwingen, ihr Aufsteigen und Herabstürzen betonen, dass es sich um Vögel, nicht um Männer handelt. Zugleich werden sie als Krieger dargestellt, deren Kampfglück mit dem aufgestellten Banner zusammenhängt. Dies erinnert an das skandinavische Rabenbanner, allerdings wird in der walisischen Erzählung nicht gesagt, welche Abbildung sich auf dem Banner befindet, stattdessen sind die Raben selbst diejenigen, die unter dem Banner kämpfen. Unzweifelhaft ist, dass die Raben als Krieger figuriert werden und zudem diejenigen sind, die vor Abbruch des Kampfes den Sieg davonzutragen scheinen. Da die Raben hier in eine Traumhandlung eingebettet sind, funktioniert die Gleichsetzung von Menschen- und Rabenkriegern in Rhonabwys Traum ganz unproblematisch. Der Traum eröffnet erzählerische Freiräume, in denen Raben wie Krieger unter einem Banner in der Schlacht kämpfen und die Grenzen zwischen Mensch und Tier somit verschwimmen können. Allerdings findet sich in einer anderen Erzählung, die ebenfalls zum Mabinogion gehört, eine weitere Erwähnung von Oweins Raben, ohne dass hier eine Traumhandlung vorläge. Am Ende der Geschichte der Gräfin vom Brunnen (Chwedyl Iarles y Ffynnawn) heißt es  : Und von da an blieb Owein an Arthurs Hofe als ein Oberhaupt des Gefolges und (dem Kaiser) lieb, bis er seine eigene Herrschaft aufsucht – das waren die ›Dreihundert Schwerter von Kenverchyn‹ und ›Die Raben‹. Und wohin auch immer Owein mit diesen ging, blieb er siegreich (Geschichte der Gräfin vom Brunnen, S. 107  ; Übersetzung H. Birkhan).

In seinem Kommentar zu dieser Textstelle erklärt Birkhan, dass es sich bei den ›dreihundert Schwertern von Kenverchyn‹ um eine Elitetruppe handelt, bei den Raben um ›Rabenkrieger‹, also menschliche Krieger, die durch eine Art von ›Rabenhaftigkeit‹ gekennzeichnet sind  : »Die ›Rabenhaftigkeit‹ wurde wohl durch Helm- und Schildzeichen und sonstige magische Attribute, vielleicht auch durch Personennamen, ausgedrückt.«38 Allerdings ist außer der Parallelität der Raben und der dreihundert Schwerter auch in dieser Erzählung keinerlei nähere Angabe darüber zu finden, worum genau es sich bei den Raben handelt. Doch gleich, ob die Raben hier als tierische oder als menschliche Krieger zu betrachten sind  : Sowohl Rhonabwys Traum als auch das Ende der Geschichte der Gräfin vom Brunnen bieten mit den Rabenkriegern eine Variation der Thematik ›der Rabe als Schlachtenvogel‹.

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4 Der Rabe in Zusammenhang mit Prophetie und Weissagung

Nicht als Schlachten-, sondern als Galgenvogel erscheint der Rabe im Helmbrecht Wernhers des Gartenaere (13. Jahrhundert), und zwar wieder in einer Traumhandlung. Helmbrechts Vater erblickt im Traum einen Raben, der zusammen mit einer Krähe39 über dem Haupt seines Sohnes hockt  : dû stüende ûf einem boume. von dînen füezen unz an daz gras wol anderhalp klâfter was. ob dînem houpte ûf einem zwî saz ein rabe und ein krâ dâ bî. dîn hâr was dir bestroubet. dô strælte dir dîn houbet zeswenhalp ein rabe dâ, winsterhalp schiet dirz diu krâ. (Wernher der Gartenaere  : Helmbrecht, V. 621–628) (Du standst auf einem Baum. Von deinen Füßen bis zum Gras waren es gewiss anderthalb Klafter. Über deinem Kopf auf einem Zweig saß ein Rabe und neben ihm eine Krähe. Dein Haar war struppig. Da kämmte dir auf der rechten Seite ein Rabe da das Haupt, links scheitelte es dir die Krähe.)

Mit diesem Traum sieht Helmbrechts Vater das spätere Schicksal seines Sohnes voraus, allerdings nicht in direkter, sondern in verschobener Weise. Während Helmbrecht später von Bauern an einem Baum gehängt wird,40 heißt es hier, dass Helmbrecht auf einem Baum steht. Dies verweist auf den vorhergehenden Traum, in dem Helmbrechts Vater seinen Sohn als Vogel gesehen hatte, dem beim Fliegen ein Flügel zerschnitten wird.41 Daran knüpft das Bild, in dem Helmbrecht sich auf dem Baum befindet, zunächst an. Da er jedoch steht (und nicht sitzt wie ein Vogel) und zudem struppige Haare hat, verschiebt sich die Darstellung Helmbrechts nun in Richtung Mensch. Der Verweis auf Rabe und Krähe treibt diese Verschiebung weiter voran. Mit der Glättung und Scheitelung des Haares durch die Vögel entwirft der Text vordergründig ein Bild von Nähe, ja Fürsorglichkeit, welches jedoch gleichzeitig von der Vorstellung überlagert wird, dass Rabe und Krähe sich am Kopf eines Getöteten oder Gehenkten zu schaffen machen. Indirekt klingt der Topos an, wonach der Rabe den

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Kadavern zuerst die Augen aushackt.42 Allerdings besitzt Helmbrecht zu dem späteren Zeitpunkt, an dem er tatsächlich gehenkt wird, keine Augen mehr. Sie wurden ihm als gerichtliche Strafe für seine Mitgliedschaft in einer Raubritterbande bereits ausgestochen.43 Dagegen rückt die Todesszene Helmbrechts Haar zentral in den Blick. Bevor die Bauern ihn hängen, reißen sie ihm seine schönen Haare vom Kopf  : sîn reidez hâr valwe / sach man in swachem werde / ligen ûf der erde (Helmbrecht, V. 1898-1900  : »Sein lockiges, blondes Haar sah man auf der Erde liegen  : es brachte ihm keine Ehre mehr ein«, S. 101  ; Übersetzung H. Brackert u.a.). Dass Rabe und Krähe im Traum Helmbrechts Haare ordnen, verweist mithin auf die herausgerissenen Haare vor der Tötung. Die Träume verknüpfen zum einen die Vorstellungen vom Raben als Totenvogel und die ineinander übergehende Identität von Mensch und Vogel, wenn der dem Tod geweihte Helmbrecht zunächst als Vogel erscheint und von Vögeln begleitet wird. Zum anderen ist bedeutsam, dass der Traum, in dem Helmbrechts Vater das spätere Schicksal seines Sohnes voraussieht, »prophetische Signifikanz«44 hat und damit die Verbindung zwischen Raben und Weissagung oder Zukunftswissen aufruft, wie sie auch in anderen Texten bezeugt ist. Das trifft etwa für den bereits zitierten Abschnitt aus dem Reginnlied zu, in dem der Rabe als positives Vorzeichen für Krieg und Kampf erscheint.45 Ein weiteres Beispiel findet sich im Fragment eines Sigurdliedes, in dem ein Rabe Sigurds Tötung kommentiert  : Soltinn varð Sigurðr hrafn at meiði ›Ycr mun Atli muno vígscá

sunnan Rínar, hátt kallaði  : eggiar rióða, of viða eiðar.‹

(Brot af Sigurðarqviðo, 5) (Getötet wurde Sigurd südlich am Rhein  ; / ein Rabe schrie laut vom Baum  : / »An euch wird Atli die Schneiden röten  ; / die Eide werden die Kämpfer vernichten.« Fragment eines Sigurdliedes, 5  ; Übersetzung A. Krause.)

Der Rabe erscheint hier als seherischer Vogel, der nicht nur die Ereignisse der menschlichen Welt kennt und einschätzt, sondern zudem die Zukunft sieht und voraussagt. Die Gjúkungen werden laut der Weissagung des Raben für ihre Tat von Atli vernichtet. Das prophetische Wissen des Raben ist eng mit dem Tod verknüpft  : Es nimmt nicht nur Bezug auf den bereits geschehenen

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Mord an Sigurd, sondern kündigt auch weitere Tode an. Der Rabe ist also auch als weissagender Vogel ein Totenvogel. Im Helmbrecht verweist der Rabe ebenfalls auf den Tod.

5 Der Rabe als Helfer

Nicht nur Odin wird von zwei Raben begleitet, auch christliche Heilige werden zuweilen mit Raben assoziiert, wie das Beispiel des heiligen Oswald bereits gezeigt hat. Zwei Raben kommen in der Legende vom heiligen Meinrad vor, die im Winterteil von Der Heiligen Leben erzählt wird. Als Meinrad sein Einsiedlerdasein im Finsterwald in der Schweiz beginnt, nimmt ein Bruder zwei junge Raben aus einem Nest,46 verstaut sie in seinem Mantel und lässt sie bei Meinrad. Neben einem Boten, der ihm gelegentlich etwas zu essen bringt, sind die Raben fortan Meinrads einzige Gesellschaft. Als der Heilige fünfzehn Jahre später ermordet wird, verfolgen und attackieren die Raben die beiden Mörder so lange, bis sie festgenommen, gerichtlich verurteilt und ›aufs Rad gesetzt‹ werden. Erst als die Männer tot sind, fliegen die Raben wieder in den Finsterwald zurück.47 Die Raben, die zunächst als Gefährten des Heiligen, dann als Verfolger seiner Mörder fungieren, sind durch ihre Handlungen als Totenvögel gekennzeichnet. Der Tod ihres menschlichen Gefährten lässt sie reagieren, und erst mit dem Tod der Mörder kommen sie zur Ruhe. Doch die Vorstellung vom Raben als Totenvogel wird abgewandelt, denn zuerst handeln die Raben aus Treue zu Meinrad und um Unrecht zu rächen  ; zuletzt warten sie den Tod der Mörder ab, aber nicht etwa um sich an ihren Überresten gütlich zu tun, sondern allein um Gewissheit zu haben, dass die beiden Übeltäter an ihrer gerechten Strafe zugrunde gegangen sind. Das Bild vom Raben als Totenvogel unterliegt auch der Legende vom heiligen Vincentius in der Legenda aurea. Hier wird erzählt, dass Vincentius’ toter Körper von einem Raben beschützt wird. Nachdem der römische Statthalter Dacianus den Christen gefoltert hat, lässt er den Leichnam liegen, damit er von Vögeln und wilden Tieren aufgefressen wird. Doch Engel bewachen seinen Leib und ein Rabe vertreibt die Aasfresser  : Denique corvus ingluviei deditus alias aves se maiores impetu alarum abegit et lupum accurentem morsibus et clamoribus effugavit, qui reflexo capite in aspectu corporis sacri fixus cernitur, utpote qui ibidem angelorum custodiuam mirabatur.

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(De sancto Vincentio, S. 148) (Schließlich vertrieb ein an sich doch freßgieriger Rabe andere Vögel, die größer waren als er, durch sein Flügelschlagen und jagte mit Beißen und Krächzen sogar einen Wolf in die Flucht. Man sah, wie der Rabe den Körper des Heiligen ununterbrochen anblickte, als ob er die dort wachenden Engel bewunderte. Der Heilige Vincentius, S. 149  ; Übersetzung R. Nickel.)

Hier wird das Bild vom Raben als Aasfresser aufgegriffen, allerdings maßgeblich verändert. Der Rabe stellt sich hier gegen die anderen Tiere, zu denen er sonst gehört, insbesondere gegen den Wolf, mit dem er etwa in der Battle of Brunanburgh gemeinsam die Leichname der toten Krieger frisst. Hier nun bewundert der Rabe die Engel und beschützt den toten Leib des Heiligen, handelt also in einem christlichen Sinnzusammenhang. Die Macht des christlichen Heils manifestiert sich hier auch und gerade darin, dass der Totenvogel nicht seinem üblichen Verhalten entsprechend handelt. Gleiches gilt für die Raben, die Heilige speisen. In der Legenda aurea bringt ein Rabe den heiligen Antonius und Paulus Eremita einen doppelten Brotlaib, als sie sich in der Einöde befinden. Paulus Eremita klärt Antonius darüber auf, dass Gott ihm täglich auf diese Weise Nahrung zukommen lasse (allerdings nur einen einfachen Laib Brot).48 Hier sind es nicht die Raben, die wie in der Legende vom heiligen Meinrad in der Zweizahl auftreten, sondern die Heiligen. Erneut wird das Bild vom Raben als Totenvogel umgekehrt, da der Rabe nun dafür sorgt, dass die heiligen Männer Nahrung erhalten und am Leben bleiben. Ein Vorbild liefert das Alte Testament der Bibel, worin Raben den Propheten Elija mit Speise versorgen. Gott fordert Elija auf, sich in die Einöde zu begeben, und kündigt an, dass Raben ihn ernähren werden. Und in der Tat bringen die Raben Elija morgens und abends Brot und Fleisch (vgl. 1 Könige 17, 1–6).49

6 Fazit

Der Rabe erscheint trotz der ambivalenten Bedeutungen, die sich mit ihm verbinden, als Gefährte und Helfer des Menschen, meist des Mannes (oder des männlichen Gottes Odin).50 In christlichen Texten erscheint der Rabe als Begleiter, Beschützer oder Ernährer einzelner Heiliger und Propheten, obwohl er im christlichen Sinnhorizont sonst überwiegend negativ gedeutet wird. Die

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Macht des christlichen Gottes zeigt sich gerade darin, dass Raben entgegen ihrer ›natürlichen‹ Anlage handeln, was insbesondere in der Geschichte des heiligen Vincentius, aber auch im Münchner Oswald und in Oswald-Legenden deutlich wird. Die Ambivalenz des Raben kippt in anderen Texten ins Negative, wenn der Rabe als Begleiter wie im Helmbrecht mit der Todesweissagung und der Verstümmelung des Protagonisten verbunden ist. Eine innige Beziehung zwischen Rabe und Herrscher deutet der Wiener Oswald an. In den kurzen Einblicken, die die Edda in das Verhältnis zwischen Odin und seinen Raben gibt, wird ebenfalls eine innige Bindung des Gottes an seine Raben greifbar, wobei die Identitäten von Rabe und Gott zuweilen verschmelzen. Rhonabwys Traum entwirft eine Analogie von Raben und Kriegern, die ebenfalls auf verschwimmende Grenzen zwischen Mensch und Vogel verweist. Die Nähe zwischen Mensch und Rabe wird gesteigert, wenn der Rabe die Fähigkeit zu sprechen besitzt und damit eine direkte Mensch-Vogel-Kommunikation zustande kommt. Explizit thematisieren dies die Texte, die von König Oswald erzählen. Hier kann der Rabe zum Stellvertreter und Brautwerber des Königs werden und in direkten sprachlichen Austausch mit den Menschen treten. Dass die schwierige Kommunikation bei der Brautwerbung gelingt, zeigt zudem die Intelligenz und Klugheit von Oswalds Raben. Eine direkte Kommunikation ist auch zwischen Odin und seinen beiden Raben anzusetzen, da Huginn und Muninn ihm Neuigkeiten bringen. Das Gespräch zwischen Walküre und Rabe im Haraldlied setzt ebenfalls eine gemeinsame Sprache voraus. Und auch im Fragment eines Sigurdliedes spricht der Rabe, wenn er seine Weissagung tätigt, obwohl hier weder klar ist, in welcher Sprache, oder ob ihn jemand hört. Seine Sprachmächtigkeit kann also nicht nur als ›natürlich‹ entworfen werden und eine Nähe zwischen Mensch und Rabe begründen, sondern auch auf transzendente Qualitäten des Vogels verweisen  : Dies gilt auch für die Texte, in denen Oswalds Rabe die Sprache von Gott verliehen wird. Insbesondere Odins Funktion als Gott der Krieger und der Toten zeigt zudem, dass der Rabe nicht nur als (redender) Gefährte, sondern auch als Schlachten- und Totenvogel identitätsstiftende Funktionen übernimmt. Der Rabe als Verkörperung des Inneren und der Rabe als Totenfresser bilden hier keine Gegensätze. Die Kennzeichnung des Raben als Leichenvogel, die in der Moderne und im Christentum als unheilvoll und trostlos erscheint, bildet in vormodernen, nichtchristlichen Kulturen eine weitere spezifische Möglichkeit der Konstitution von Identität, bei der die Grenzen zwischen Mensch und Tier überschritten werden. Dass der Rabe – wie Wolf und Adler – den Leichnam des Kriegers frisst und damit inkorporiert, funktioniert aus dieser Perspektive

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analog zu jenem Modell, in dem der Rabe als Verkörperung, als Teil oder als Inneres des Kriegers erscheinen kann. Dabei ist erneut von einer transzendenten Sphäre auszugehen, an der der Rabe und mit ihm dann auch der Krieger teilhat. Diese Sphäre ist zum einen an den Tod bzw. den Übergang in ein Jenseits gekoppelt, zum anderen verweisen Verkörperungen des Inneren, die über gewöhnliche Figurationen hinausgehen (der Gedanke als Rabe), ebenfalls auf einen Bereich, der anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als die alltägliche Welt. Diese Möglichkeiten der Identitätsbildung zeigen, dass in vormodernen Vorstellungen die Grenzen zwischen Rabe und Krieger aufgehoben werden können.

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König der Vögel. Der Adler als Herrschaftssymbol in mittelalterlicher Wappendichtung

1 Ein Vogel als Spiegel der Herrschaftsstruktur des deutschen Reichs

Ob der Adler das Lieblingstier des Hans-Georg Kern ist, kann nur vermutet werden. Doch dass der Maler und Bildhauer aus Deutschbaselitz, der seinen Geburtsort als Künstlernamen verwendet, ein besonderes Verhältnis zum König der Lüfte hat, ist evident. Denn zum einen begleitet der Vogel, der ein bevorzugtes Objekt der ästhetischen Auseinandersetzung darstellt, Georg Baselitz bereits seit Jahrzehnten – was eine Rezensentin dazu bewegt hat, ihn verniedlichend als dessen »Maskottchen« zu bezeichnen.1 Zum anderen – und mehr noch – ist die unkonventionelle Art der Darstellung bezeichnend, da sie zu einem Erkennungszeichen ihres Schöpfers geworden ist. Baselitz stellt bekanntlich den symbolträchtigen Greifvogel, wie viele seiner Figuren, ›kopfunter‹ dar – eine Verkehrung von Sehgewohnheiten, die in ihrer Konsequenz die Deutungskraft des Betrachters provoziert. In welche Richtung diese Deutung gehen soll, wird spätestens dann festgelegt, wenn der Künstler den sich auflösenden schwarzen Adlerkörper kopfunter auf eine Deutschlandfahne projiziert, die ebenfalls ›verkehrt‹ dargestellt ist und sich zudem im Zustand der Auflösung befindet.2 Für den Briten Neil McGregor jedenfalls hat der Maler mit der »zerfetzten, verwirrend kopfstehenden Deutschlandfahne« und dem abstürzenden Adler ein passendes Bild für die deutsche Geschichte der letzten 150 Jahre gefunden, die »so tief beschädigt ist, dass sie sich nicht reparieren lässt«.3 Mit diesem Befund macht der Gründungsintendant des Berliner Humboldtforums und intime Kenner der deutschen Geschichte die Stoßrichtung des Baselitzschen

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Adlers deutlich  : Als »abstürzendes Staatssysmbol« bzw. »haltloses Hoheitszeichen«4 verweist der derangierte Vogel auf die Verwerfungen, die die Konstituierung der ›verspäteten Nation‹5 im Herzen Europas mit sich gebracht hat. Neben der schwarz-rot-goldenen Flagge gerät dabei der ›Bundesadler‹ als zentrales nationales Symbol der Deutschen in den Blick. Es handelt sich bei ihm um ein äußerst geschichtsträchtiges Symbol der Herrschaft, das – im antiken Imperium Romanum aus dem Ei geschlüpft – über das mittelalterliche deutsche Kaiserreich bis hin zum Wappen der Bundesrepublik noch jeden Machtwechsel überlebt hat. Dass im Laufe der mehr als zweitausendjährigen Karriere des langlebigen Vogels die Veränderungen dessen, was er versinnbildlicht, nicht spurlos an ihm – und der Art, wie er jeweils dargestellt wurde – vorbeigegangen sind, bildet die Grundannahme der folgenden Überlegungen. Gemeint ist damit eine dynamische und zugleich erhellende Wechselwirkung von Symbol und Symbolisiertem, von Veranschaulichung und Veranschaulichtem  – eine Wechselwirkung, die nicht nur Rückschlüsse auf den Status des Dargestellten, sondern zugleich auch auf Darstellungskonventionen, auf Einstellungen und Haltungen, aber auch auf deren historisch bedingte Änderungen zulässt. Mag hierfür beispielhaft die unkonventionelle, ja provokante Stilisierung des Baselitzschen (Bundes-)Adlers einstehen, die eingangs skizziert wurde, so gilt dies im selben Maße für frühere Phasen der deutschen Geschichte. Von besonderem Interesse ist die Zeit des späteren Mittelalters, als der Adler einerseits zum Wappentier des deutschen Reichs und dessen Herrscher wird und als andererseits die von ihm Repräsentierten nach dem Interregnum (ca.  1250–1273) verstärkt hinterfragt werden. Der Grund dafür scheint eine erhebliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit hinsichtlich der Herrschaftsordnung und ihrer Ausübung zu sein, worauf auch und vor allem die epochenspezifische Stilisierung des Reichsadlers hinweist. Um solche und andere Hypothesen auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen, gilt es zunächst, den Blick darauf zu richten, wie das Herrschaftsgefüge des deutschen Reichs mittels der Adlerfigur veranschaulicht wird. Bereits beim ersten Blick auf die einschlägige politische Sangspruchdichtung fällt ins Auge, dass das komplexe und oft konfliktreiche Verhältnis zwischen dem Herrscher einerseits und den Beherrschten andererseits im Zentrum steht. Dies verwundert nicht angesichts der Struktur des Reichs, das  – trotz der zunehmenden Territorialisierung und Autonomisierung der Reichsfürsten  – von den Zeitgenossen als feudaler Personenverbandsstaat wahrgenommen wird. Das Erkenntnisinteresse zielt deshalb darauf, in welch spezifischer Weise der

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Adler als Wappen mit konkreten historischen Personen oder Konstellationen korreliert und dabei instrumentalisiert wird. Besonders ergiebig für eine Beantwortung dieser Frage sind neben bildhaften Wappendarstellungen vor allem mittelhochdeutsche Wappendichtungen,6 darunter Sangsprüche, Lieder und Reimpaarreden des späteren 13. bis 15. Jahrhunderts. Daran soll exemplarisch verdeutlicht werden, dass und wie spätmittelalterliche deutsche Könige und Kaiser nach dem Interregnum – im Sinne einer strikt personenbezogenen Betrachtung  – mit dem Adler verglichen, gleichgesetzt und bewertet werden.

2 Bedeutungszuweisung im Rahmen von Heils- und Reichsgeschichte

Die Wurzeln dafür, dass der Adler zum Wappen und damit Herrschaftssymbol des mittelalterlichen deutschen Reichs werden konnte, reichen bis weit in die vormittelalterliche Geschichte zurück. Denn bereits in der griechisch-römischen Antike hat der ›König der Vögel‹ einen mythologisch gesicherten und damit hervorragenden Platz erlangt, indem er zum Kennzeichen des Zeus-Jupiter wird, »dessen Blitzbündel er hält und dessen Bote er ist«.7 Diese prominente Stellung wird ihm auch in christlicher Exegese und Kunst eingeräumt, wo er nicht nur – was in der Natur zu beobachten ist – als Sieger über andere Tiere wie Schlange und Hase dargestellt wird, sondern auch als eines der vier apokalyptischen Wesen, als Attribut des Evangelisten Johannes oder als Symbol der Himmelfahrt Christi. Eine solche bibelexegetische Aneignung wird in Spätantike und frühem Mittelalter zusätzlich noch verstärkt durch den Rückgriff auf den weitverbreiteten Physiologus und das darin festgehaltene naturkundliche Wissen über Lebensweise, Verhalten und Eigenschaften des Greifvogels. Seine Scharfsichtigkeit erlaube es ihm, in die Sonne zu blicken, was von ihm zugleich als Probe für die Tauglichkeit der eigenen Jungen genutzt werde. Und auch seine angebliche Fähigkeit zur Verjüngung in einem Jungbrunnen oder seine intensive Brutpflege haben im Zuge christlicher Deutung zur durchweg positiven, heilsgeschichtlich abgesicherten Konnotation des Adlers beigetragen. Weitaus bedeutsamer als dieser antike Traditionsstrang ist jedoch für das deutsche Reichswappen und seine Genese ein weiterer, der mit dem imperialen Anspruch der Römer zusammenhängt.8 Als Attribut des Juppiter Capitolinus wird der größte europäische Raubvogel zum Legionsadler und damit zu

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jenem Feldzeichen der römischen Weltherrschaft, das sogar den Untergang des (west-)römischen Reichs überdauern sollte. Denn Karl der Große und – in seiner Nachfolge – die deutschen Kaiser übernehmen im Zuge der Translatio Imperii das Signum des von ihnen erneuerten römischen Kaisertums, worauf zeitgenössische Adlerszepter, Siegel, Münzen und Miniaturen hinweisen. Dass der Adler aber zum Wappen und damit zu einem sowohl individuellen als auch gruppenspezifischen Erkennungszeichen wird, gründet letztlich in der mittelalterlichen Waffentechnik. Zurückgehend auf mhd. wafen, bezeichnet der Begriff ein Schildzeichen, das seit dem 12.  Jahrhundert erforderlich wird, um die meist berittenen und gepanzerten Kämpfer unterscheiden zu können. Seit dem 13.  Jahrhundert werden Wappen vor allem vom europäischen Feudaladel als bleibende und unveränderliche Zeichen einer Person, Familie, Körperschaft oder Stadt genutzt.9 Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Verwendung des Adlers im Umfeld der deutschen Herrscher des 12. und 13. Jahrhunderts. Eng verknüpft mit dem römischen Kaisertum, als dessen Zeichen er von den staufischen Kaisern intensiv genutzt wird, dient der schwarze Adler auf goldenem Grund als Amtswappen, das zahlreiche (hoch-) adlige Amtsträger wie Markgrafen als Ausweis ihrer Funktion und Lehensabhängigkeit im Schild führen.10 Doch spätestens mit der fortschreitenden Landeshoheit der Fürsten und Grafen legen diese den Adler als Zeichen einer veralteten Abhängigkeit ab und ersetzen ihn durch andere Symbole, häufig den Löwen als Familienwappen. Dies kann insofern als heraldische Herausforderung gedeutet werden, als der Löwe auf Reichsgebiet wohl als Sinnbild antikaiserlicher Haltung betrachtet wird.11 Vor diesem Hintergrund erscheint Walthers von der Vogelweide Spruch im Ottenton, mit dem er 1212/13 den Welfenkaiser Otto IV. zu einem Kreuzzug motivieren will, besonders aussagekräftig.12 Otto, Sohn Heinrichs des Löwen und Neffe des englischen Königs Richard Löwenherz, der auf seinem Schild die (Wappen-)Löwen der Welfen und Plantagenets mit dem kaiserlichen Adler kombiniert hat, wird im Abgesang der Strophe dazu aufgefordert, die durch sie verkörperten Herrschertugenden, nämlich die Tugend des Adlers und die Stärke des Löwen zu zeigen und zugleich als Mitstreiter gegen die Heiden ins Feld zu führen  : Ir traget zwei keisers ellen, des arn tugent, des lewen kraft, die sint des hêrren zeichen an dem schilte. die zwêne hergesellen –

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wan woltens an die heidenschaft, waz widerstüende ir manheit und ir milte  ! (Walther  : Spruchlyrik 3, 7–12) (Ihr besitzt zwei kaiserliche Fähigkeiten, des Adlers Macht, des Löwen Kraft, die sind des Herrschers Zeichen auf dem Schild. Diese zwei Kampfgefährten, ach, wollten sie nur auf die Heidenschaft los, was widerstünde ihrer Tapferkeit und Großmut  ?)13

Walther will mit seiner allegorischen Ausdeutung von Ottos Wappen, die zugleich eine Vorstufe heraldischer Blasonierung darstellt,14 den Welfen in die kaiserliche Pflicht nehmen, mutig einen Kreuzzug anzuführen und großzügig die notwendigen Mittel bereitzustellen. Mit seinem Appell zur milte, dem als letztem Wort des Spruchs zentrale Bedeutung zukommt, spielt der Dichter nicht nur indirekt auf den erhofften Lohn für sich und seine Kunst an, sondern auch auf die materielle Voraussetzung, dass die mächtigen Reichsfürsten am Kreuzzug des Kaisers teilnehmen und so zu seinem Gelingen beitragen.15 Die Grundlage dafür aber, dass Walther derart nachdrücklich die kaiserliche Großzügigkeit thematisieren kann, bildet die Bezugnahme auf Ottos Wappen­ adler  : Gilt als dessen wichtigste Tugend die Freigebigkeit (milte), wird sie hier vom Spruchdichter im Kontext des konkreten Herrscherlobs sehr geschickt und in aller Öffentlichkeit aktiviert.16 Aktiviert wird damit zugleich geglaubtes Wissen über die Eigenschaften des ›Königs der Vögel‹, das in einschlägiger Literatur der Zeit festgehalten war. So gibt etwa der Enzyklopädist Konrad von Megenberg in seiner weit verbreiteten Naturgeschichte (Buch der Natur, S. 167, Z. 5) eine Erklärung für die milte des Adlers, wenn er im Sinne des Physiologus auf seinen Brauch verweist, die Nahrung mit anderen Vögeln zu teilen.17

3 Herrschlob und -kritik an Rudolf von Habsburg durch den Wappenvogel des Reichs

Mit seiner allegorischen Ausdeutung des kaiserlichen Wappen Ottos  IV. steht Walther, der den politischen Sangspruch im deutschen Sprachraum auf eine neue Stufe gehoben hat, am Beginn einer Tradition. Denn bis ins spätere 15.  Jahrhundert werden volkssprachige Dichterkollegen immer wieder auf diese anschaulich-eingängige Form der Sinnstiftung zurückgreifen, um – reflek­tierend oder propagandistisch  – Stellung zur Situation des deutschen

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Reichs und seiner Herrscher zu nehmen. Dem Adler, der spätestens seit der Regierungszeit des letzten Stauferkaisers Friedrich  II. (1220–1250) als allgegenwärtiges Reichswappen wahrgenommen wird, kommt dabei eine prominente Stellung zu. Der Grund hierfür dürfte nicht zuletzt in einem Defizit liegen, das einer der königlichen Nachfolger Friedrichs mit Hilfe der Symbolkraft des Wappenvogels beseitigen wollte. Hatten die durchsetzungsschwachen Könige des Interregnums darauf verzichtet, das Reichswappen und damit den Adler zu führen, so änderte sich dies mit dem Amtsantritt Rudolfs von Habsburg im Jahr 1273. Der Graf aus dem Aargau, der nicht dem Reichsfürstenstand angehörte, griff als deutscher König dezidiert auf den kaiserlichen Adler als Wappen zurück, das er zusammen mit oder noch vor dem Löwen der Habsburger auf dem Schild führte.18 Ob Rudolf, der niemals die Kaiserwürde erlangen sollte, somit heraldisch versucht, sein Legitimationsdefizit zu kompensieren und herrscherliche Autorität zu demonstrieren, kann zwar nur vermutet werden. Doch der Habsburger provoziert in jedem Fall eine kreative und nachhaltige Reaktion zeitgenössischer Literaten, wie die Überlieferung zeigt. So inspiriert der wichtigste militärische Erfolg Rudolfs, sein Sieg über den böhmischen König Ottokar II. in der Schlacht auf dem Marchfeld (1278), einen unbekannten Dichter zu einem panegyrischen Reimpaargedicht.19 In der sogenannten Böhmenschlacht wird das historische Geschehen aufgegriffen, um es in einen fiktiven ritterlichen Zweikampf der beiden Kontrahenten umzugestalten, bei dem ihre Wappentiere eine entscheidende Rolle spielen. Schon bei der Rüstung des deutschen Königs wird ausdrücklich und wiederholt vermerkt, dass Reichsadler und Habsburger Löwe dessen Harnisch, Pferdedecke und Fahne zieren (18, 21, 36 f.), während der Böhme mit seinem Wappen, einem weißen Löwen auf rotem Feld, in die Schlacht reitet. Zusätzliche Dramatik verleiht der Dichter dem bevorstehenden Kampf, indem er den Wappentieren Leben einhaucht und sie zu aktiven Mitstreitern der königlichen Ritter macht. Demnach bilden auf der einen Seite ein are, ein lewe, ein ritter hie (39, 83 f.) eine furchterregende Trias, der auf der anderen Seite der Böhmenkönig und sein Kampfgefährte entgegenreiten  : nämlich der Löwe, der sich auf seine Hinterbeine stellt und aufbäumt, um der macht des Adlers Widerpart zu bieten (60 f.). Deutet sich bereits hier eine Überlagerung, wenn nicht Gleichsetzung der königlichen Ritter und ihrer Wappentiere an, so setzt sich dies im eigentlichen Zweikampf fort, wenn der schwarze Adler bzw. deutsche König einerseits und der weiße Löwe bzw. böhmische König andererseits heftig zusammenstoßen, um sich wütend zu bekämpfen (vgl. 119, 129 f.). Die Oberhand gewinnen

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schließlich der als Romer (127) bezeichnete König und sein Reichsadler, als ihm der bisher inaktive Habsburger Löwe zu Hilfe kommt und es beiden Tieren gelingt, den böhmischen Löwen und somit auch den böhmischen König zu besiegen. Zuletzt schließlich bilanziert der Dichter den Sieg des erst jetzt namentlich erwähnten Rudolf, indem er wie ein Herold noch einmal dessen Wappen blasoniert, als man ihm beim Ablegen der Rüstung hilft  : Vp golt van zabel eyn adelar Was geslayn vn gelait. Van me riche hie dese waypen drait. Van arde hie andeir waypen hait  : Eyn lewein hoher werde stait, Van roider keyle up golt geslain […] Wisset, dat hie geseigit Eyn lewe, eyn ritter vnde eyn ar (Böhmenschlacht, 173–184) (Auf Gold war ein [schwarzer] Adler aus Zobel geschmiedet und befestigt, des Reichs wegen trägt er dieses Wappen. Wegen seiner Abkunft besitzt er [noch] ein anderes  : Da steht ein würdevoll und hoch aufgerichteter Löwe, von roter Farbe auf goldenen Grund geschmiedet […]. Ihr sollt wissen, dass hier ein Löwe, ein Ritter und ein Adler gesiegt haben.)

In den letzten beiden überlieferten Zeilen der Böhmenschlacht wird (noch einmal) deutlich gemacht, dass der epochale Sieg des königlichen Ritters Rudolf auf die Hilfe seiner beiden Wappentiere und Mitstreiter, die ihn hier im wörtlichen und übertragenen Sinn einschließen, zurückzuführen ist. Dies erinnert an Walthers Spruch im Ottenton, in dem bereits früher mit dem Reichsadler und dem Löwen die Wappentiere eines deutschen Herrschers ausdrücklich als dessen Mitkämpfer (hergesellen) bezeichnet wurden. Doch der Dichter der Böhmenschlacht geht in seiner allegorischen Ausdeutung darüber hinaus, wenn er zum einen die tatkräftige Unterstützung der beiden personifizierten Wappentiere umfassender erzählt, ohne dabei deren allegorisches Potential zu aktivieren, und wenn er andererseits zugleich Wappen und Wappenträger  – vor allem in Hinblick auf den Reichsadler  – amalgamiert (vgl. 60, 119, 129, 143).

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Vielleicht kann seine Dichtung als Beleg für die These gelten, dass das Kalkül des Habsburgerkönigs darin bestanden habe, durch dezidierte Inanspruchnahme des kaiserlichen Adlers mangelnde Legitimation zu kompensieren und so seinen Herrschaftsanspruch im Reich durchzusetzen. Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass es dabei (anders noch als bei Walther zu Beginn des 13. Jahrhunderts) zu einer Gleichsetzung von Herrscher und Reichsadler kommt. Wie die Überlieferung zeigt, findet dieses allegorische Verfahren in der Regierungszeit Rudolfs und mit Bezug auf diesen deutschen König noch öfter Anwendung. Für Konrad von Würzburg bildet eine solche Gleichsetzung den Ausgangspunkt und Kern eines Herrscherpreises, mit dem er dem Habsburger in Gestalt des adelarn von Rome (316) höchsten Ruhm und höchste Ehre zuspricht.20 Ohne den König beim Namen zu nennen, lässt der Spruchdichter dessen Identität erkennen, wenn er die geographische Herkunft seiner Gegner, die ebenfalls in Tiergestalt angesprochen werden, offenbart. Er konstatiert nicht nur, dass der königliche Adler Habichte und Falken zÔsterlanden unde in Stîre (320  : Österreich und Steiermark) bezwungen hat, was wohl Raben und Geier in Pülle (312  : Apulien) erschrecken werde, sondern es habe sich dem wegen seines Erfolgs und seiner Stärke allseits gefürchteten Herrscher der Lüfte auch ein löuwe ûz Bêheim (328  : Böhmen) unterwerfen müssen. Spielt Konrad mit seiner Nennung von Böhmen, Österreich und der Steiermark einerseits auf die erfolgreiche Revindikationspolitik des deutschen Königs an,21 die gegen den deutschen Adel im Südosten des Reichs gerichtet ist, greift er andererseits noch weiter, ja prospektiv im Sinne dieser Politik aus. Denn mit dem Hinweis auf Apulien geraten die unteritalienischen Reichsgebiete des letzten Stauferkaisers in den Blick, in denen sich, wie zu ergänzen wäre, geflügelte Aasfresser aufhalten, um sich an ihnen zu laben. Der Widerhall vom Triumph des Adlers und das Wissen um seine Stärke werde aber (so die Hoffnung des Dichters) die Feinde des Reichs in Schrecken versetzen. Die Schlussfolgerung, wer diese Feinde seien, bleibt freilich dem zeitgenössischen Publikum überlassen.22 Blickt man auf das von Gewalt geprägte Verhältnis der handelnden Tiere, zeigt sich, dass Konrads Wappenallegorie neben der forcierten Gleichsetzung von deutschem König und Reichsadler eine weitere Parallele mit der Böhmenschlacht aufweist. Doch wird die Perspektive verschoben und die Bildlichkeit erweitert. Denn der Spruchdichter erzählt nicht nur vom Kampf zwischen Adler und anderen Tieren, sondern er nimmt, ausgehend vom Sieg des Adlers, zusätzlich eine Hierarchisierung im Tierreich vor.23 Dabei richtet er den Fokus auf fleischfressende Raubvögel (320 f.), ohne sie jedoch als Wappentiere anzusprechen oder auszudeuten.

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Im Gegensatz zu den bisher betrachteten panegyrischen Texten, in denen Rudolf mit dem Reichsadler in eins gesetzt wird, trennt der Schulmeister von Esslingen, ein weiterer Sangspruchdichter,24 strikt zwischen dem Reichsadler und dessen königlichem Wappenträger, um Letzteren harsch und unerbittlich zu kritisieren. Zu diesem Zweck dient ihm ein Vergleich zwischen dem Anspruch des Amtes, den der Dichter durch eine Allegorese des Adlers verdeutlicht, und der Wirklichkeit in Gestalt eines Herrschers, der von ihm daran gemessen und für zu leicht befunden wird. Der Schulmeister spricht bei seiner Abrechnung zudem nicht wie seine Dichterkollegen in der dritten Person über den Habsburgerkönig, sondern wendet sich in Form eines belehrend-eindringlichen Appells an Rudolf, den er dabei förmlich als hêr künec (8, 16) tituliert.25 Ausgehend von einer Blasonierung des Reichswappen, d. h. der Figur des schwarzen Adlers auf Goldgrund, konstatiert der Dichter zunächst, dass dem Habsburger neben hôch geburt (5) das Ansehen und die Autorität fehlen, die einen ›richtigen‹ König auszeichnen. Wegen dieser Defizite, aber auch wegen mangelnder persönlicher Eignung könne er die königlichen Aufgaben, Friede und Recht im Reich zu schaffen und zu gewährleisten, nicht erfüllen, was erneut im Verweis auf den Adler – genauer mit dessen im Physiologus beschriebenen Verhalten – verdeutlicht wird (vgl. 10–15)  : Wenn der König der Vögel Nachkommen, die nicht in die Sonne zu blicken vermögen und deshalb auch nicht höchsten Anforderungen genügen, aus dem Nest werfe, blühe ein solches Schicksal auch dem Habsburger. Die Inferiorität und mangelnde Eignung Rudolfs wird schließlich ein letztes Mal im Rückgriff auf den kaiserlichen Vogel offenbart, wenn der Schulmeister dessen Geiz mit der Haupttugend des Adlers kontrastiert, ohne diese explizit zu benennen  : ir sint kerger dan der âr (20  : »Ihr seid sparsamer als der Adler«)  ; dabei stellt er zugleich durch einen abwertenden Vergleich des Königs mit einem Specht die königliche Steuerpolitik an den Pranger.26 Resümiert der Dichter seinen Spruch mit den Worten, der schilt der wil iu übel an stân (20  : »Der [Wappen-]Schild passt schlecht zu euch«), so deutet dies darauf hin, dass es wohl wiederum das von Konrad beanspruchte Reichswappen ist, das eine literarische Reaktion auf die Herrschaft des Habsburgers provoziert. Entscheidend hierfür scheint, unabhängig von der negativen Beurteilung des Königs, das große semantisch-allegorische Potential des Reichsadlers zu sein, welches die poetische Kreativität gleich mehrerer volkssprachiger Dichter freisetzt. Bereits hier, gegen Ende des 13. Jahrhunderts, entstehen typische Ausformungen einer Versinnbildlichung des Wappenvogels, welche in den nächsten 200 Jahren immer wieder aufgegriffen und in mehr oder weniger variierter Form durchgespielt werden.27

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4 Der Herrscher als Adler im Spätmittelalter

Weitaus wirkmächtiger als die Darstellung von (Zwei-)Kämpfen personifizierter Wappentiere sind im 14. und 15. Jahrhundert die Gleichsetzung von Wappentier und Wappenträger einerseits sowie die Ausdeutung des Wappens bezogen auf dessen Träger andererseits. So setzt etwa Peter Suchenwirt in seiner Reimpaarrede Von der fuersten chrieg und von des reiches steten den deutschen König Wenzel 1387 mit seinem Wappenvogel gleich.28 Er wendet sich dafür an den zeitgenössischen Herrscher aus dem Geschlecht der Luxemburger, um dessen Passivität zu kritisieren und ihn zu einem Romzug, zum Zweck der Erlangung der Kaiserwürde zu animieren. So soll er, als Nachfolger seines Vaters, des Kaisers Karl, zur Befriedung des Reichs beitragen (77–102). Veranschaulicht wird dieser Appell durch einen Verweis auf den untätigen königlichen Adler (77 f.), den der Dichter eindringlich auffordert, seine Schwingen auszubreiten und nach Süden, zum Ort der Kaiserkrönung, zu fliegen.29 Auch Michel Beheim identifiziert etwa drei Generationen später den Reichs­adler mit dessen Träger, wenn er Mitte des 15. Jahrhunderts in einem drei­strophigen Lied konstatiert, daz der adeler peteut ein ramschen [römischen] keiser (35). Da er den Namen des Herrschers nicht nennt und der unbestimmte Artikel ein […] keiser eine definitive Zuordnung erschwert, bleibt unklar, ob der Dichter den Habsburger Friedrich III. meint, der seit 1452 den Titel führt. Es muss auch offen bleiben, ob Beheim mit seinem Lied, das den Titel ›von dem adler ain gleichnus‹ trägt, den amtierenden Kaiser (ohne dessen Namen zu nennen) rühmt oder ob er ihn indirekt kritisiert, indem er ihm im Verweis auf die notwendigen kaiserlichen Eigenschaften gleichsam ex negativo einen Spiegel vorhält.30 Die Grundlage dafür bietet Beheim das Edelste als Wappen, das des deutschen Reichs, welches durch den Adler und damit den edelst vogel (6) verkörpert werde. Ausgehend von dessen ›Natur‹ (10), die vor allem in Hinblick auf sein Sozialverhalten und seine Dominanz gegenüber anderen Vögeln spezifiziert wird (vgl. Strophe 2, 17–32), kommt es zur expliziten Ausdeutung der Eigenschaften des Adlers in Bezug auf den römisch-deutschen Kaiser. Neben adel (37), tugent und miltikeit (38) verfügt dieser über herrscherliche gewalt (43), die es ihm ermöglicht, im Falle von Machtverlust neue Kraft zu gewinnen, indem er  – nach dem Vorbild des Adlers, der bei Nahrungsmangel andere Vögel frisst – rupfet […] ain stat oder den nechsten heren (46 f.  : d. h., er ›rupft‹ eine Stadt oder den nächsten adligen Herrn). In und mit seinem Lied greift Beheim somit nicht nur die Praxis spätmittelalterlicher Wappendichter

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auf, indem er den Adler mit dem Herrscher des deutschen Reichs identifiziert, sondern er schafft zugleich auch ein idealtypisches Beispiel für die umfassendere und systematische Allegorese des Adlerbildes, wobei er (Sinnstiftungs-) Verfahren zusätzlich durch einschlägige Stichworte markiert.31 Dass Michel Beheim mit seiner Wappen- und Adlerallegorie keinen Einzelfall darstellt, zeigt ein Lied seines Zeitgenossen Hans Rosenplüt, das einen deutschen König oder Kaiser, der durchgängig als Herr Ad(e)ler und Herr der Adler (2, 7, 13, 21, 29, 31, 41 u. ö.) angesprochen wird, eindringlich ermahnt und warnt. Wie Beheim setzt auch Rosenplüt den Wappenvogel des Reichs mit dem Herrscher gleich und veranschaulicht auf allegorische Weise konkrete Probleme und Gefahren, die das deutsche Reich bedrohen. Rosenplüt verleiht den Mächten und Gruppen seiner Zeit die Gestalt von Vögeln und lässt sie als Geier, Eulen, Falken, Reiher, Zeisige, Meisen oder Stare gegen- und miteinander agieren. Mehr noch als Beheim bietet seine Allegorisierung neben bildlicher Anschaulichkeit auch ein bildliches Rätsel,32 denn Rosenplüt löst für sein zeitgenössisches Publikum die Metaphorik der Vögel und ihres Kampfs nicht auf. Zum Verständnis ist also erhebliches Kontextwissen notwendig,33 was den Reiz der Dichtung erhöht haben dürfte. Ein weiteres Mal bleibt festzuhalten, dass der Wappenadler im Blick auf den aktuellen, wenn auch ungenannten König oder Kaiser des deutschen Reichs gewissermaßen personalisiert wird durch eine Zuordnung oder Gleichsetzung, die seit dem späteren 13. Jahrhundert oft den Ausgangs- und Fluchtpunkt für die politischen Wortmeldungen der Spruchdichter bildet.34 Das, was dieses Reich über den Herrscher hinaus als Personenverband ausmacht, wird ebenfalls codegerecht verbildlicht, indem Fürsten und Städte als Vögel dargestellt und so hinsichtlich ihres Verhaltens charakterisierbar werden. Von hier aus betrachtet, stellt der Holzschnitt des Quaterionenadlers, mit dem Hans Burgkmair d. Ä. Das hailig Römisch reich mit sampt seinen gelidern 1510 illustriert,35 einen Sprung dar. Indem der Künstler das Reich mit einem Wappenadler versinnbildlicht, der seit der Herrschaft des Habsburgers Friedrich III. doppelköpfig ist,36 verbindet er im Jahr 1510, das in die Regierungszeit von Friedrichs Sohn Maximilian fällt, Herrscher und Beherrschte in einem (Vogel-)Körper. Während der gekrönte Doppelkopf des Adlers den römisch-deutschen König und Kaiser symbolisiert, sind auf seinen ausgebreiteten Schwingen in hierarchischer Ordnung die Wappen von Vertretern der Reichsstände angebracht. Auf dem Oberrand der Schwingen befinden sich die Zeichen der sieben Kurfürsten sowie das des Podestá von Rom, auf den daraus nach unten wachsenden Flügelfedern hingegen fixiert Burgkmair die Wappen

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von Fürsten, Grafen, Rittern und Städten des Reichs. Zur Markierung des sa­ kra­len, heiligen Charakters des solchermaßen verkörperten Herrschaftsgefüges dient die Darstellung des gekreuzigten Christus, die mittig auf dem Rumpf des Wappenvogels befestigt ist. Mit dieser Darstellung des Adlers, die an die literarische Tradition mittelalterlicher Adlerallegorien anknüpft und sie zugleich weiterentwickelt, veranschaulicht der bildende Künstler die Struktur des frühneuzeitlichen deutschen Reichs in eingängiger Weise. Durch die Integration von Herrscher und Beherrschten, die beide gleichermaßen zu Stärke und Macht des Adlers und damit zu der des Herrschaftsgefüges beitragen, macht er deutlich, dass das Reich nicht nur eine Vielfalt in der Einheit darstellt, sondern dass es auch durch vertikale Gewaltenteilung geprägt ist. Selbst wenn Burgkmair so das oft spannungsvolle Verhältnis von Kaiser und Reich bzw. Reichsständen harmonisiert, liefert er mit seinem Holzschnitt zugleich eine ikonisch verdichtete Vorstellung vom grundsätzlich föderalistischen Aufbau des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation.

5 Vom Herrschervogel zum Sinnbild für ›Kaiser und Reich‹

In den mittelalterlich-deutschen Wappendichtungen und Wappenbildern werden bestimmte Aspekte, Argumentationsfiguren und Elemente der Adlerdarstellung immer wieder aufgegriffen, reproduziert und modifiziert. Zu denken wäre dabei an die dem König der Vögel traditionell zugeschriebenen positiven Eigenschaften, die aus seinem angeblich natürlichen Verhalten erschlossen werden, seine Identifikation mit konkreten Herrschern des deutschen Reichs oder die Beschreibung seines Verhältnisses zu anderen Vögeln, die mehr oder weniger deutlich als Vertreter der Reichsstände oder anderer politischer Mächte der Zeit kenntlich gemacht werden. Unter den Stauferkaisern des späteren 12. und frühen 13.  Jahrhunderts kommt es mittels des römischen Kaiseradlers zu einer Idealisierung und Propagierung ihrer monarchischen Macht, indem das ursprüngliche Feldzeichen des Imperium Romanum zum Wappen ihres mittelalterlichen deutschen Reichs gemacht wird. Nach dem Ende der Stauferherrschaft und dem Interregnum wird der Wappenvogel durch den Habsburger Rudolf gewissermaßen reanimiert. Doch lässt sich bereits zu seiner Regierungszeit  – wie auch später – neben der Idealisierung monarchischer Macht eine Gegenbewegung beobachten, die im Zeichen der Herrscherkritik steht. Denn mit Blick auf die

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politische Wirklichkeit des Reichs und seine föderalen Strukturen, die sich in der Gestaltung und Allegorese des Adlers niederschlagen, werden Macht und Eignung des Königs relativiert oder gar massiv in Frage gestellt. Die Grundlage für spruchdichterliches Herrscherlob oder -tadel aber bietet jeweils die Blasonierung oder Ausdeutung des Wappenvogels, der stets mit dem König identifiziert wird. Auch die Literaten der folgenden 200 Jahre greifen immer wieder auf dieses Schema zurück, um es – mehr oder weniger modifiziert – zu reproduzieren. Der eigentliche Sprung aber, durch den die exklusive Identifizierung des Herrschers mit seinem Wappenvogel überwunden und der Adler zum umfassenderen Emblem eines Herrschaftsgefüges wird, zeigt sich um 1500 im Bereich der bildenden Kunst. Der Herrscher erfährt hier nicht nur eine Relativierung seiner Bedeutung, wenn er nur mehr als Teil des Adlerkörpers und damit eines Ganzen dargestellt wird. Darüber hinaus verdeutlicht seine Redimensionierung eine grundlegende Veränderung in der Wahrnehmung des Wappenadlers, indem der Vogelkörper nicht länger als Inkarnation des Herrschers, sondern, davon gleichsam abstrahierend, als Koordinatensystem genutzt wird, um die Struktur des deutschen Reichs und seiner Teile zu veranschaulichen. Zwar bleibt die Hierarchie insofern gewahrt, als der gekrönte und mit einem Nimbus umgebene Doppelkopf des Adlers, der für den Kaiser steht, eine zentrale Position im oberen Bildfeld des Holzschnitts einnimmt. Doch als Wappen dient er hier nicht länger nur als Zeichen für den Kaiser des Reichs, sondern für Kaiser und Reich, d. h. auch für die Reichsstände, deren individuelle Wappen das übergeordnete Reichswappen konstituieren und ausfüllen. In diesem Zusammenhang kann man durchaus von einer ›Entpersonalisierung‹ oder ›Institutionalisierung‹ des Wappenvogels sprechen, die entsprechende Entwicklungen im Bereich des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation ikonisch widerspiegelt. Wenn schließlich 500 Jahre später der stolze Reichsadler, der zum Bundesadler geworden ist, abstürzt, macht der Künstler Baselitz deutlich, dass das nationale Projekt der Deutschen spätestens nach 1945 ins Trudeln geraten, wenn nicht vollends gescheitert ist. Der zerzauste, in seinen Konturen kaum mehr erkennbare Vogelkörper offenbart nicht nur den prekären Zustand des von ihm versinnbildlichten staatlichen Gebildes. Vielmehr noch verweist sein nach unten gerichteter und somit ›verkehrter‹ Kopf auf den eigentlichen Grund dafür  : eine Pervertierung und Diskreditierung der Staatsmacht, die im Deutschland des 20. Jahrhunderts folgenschwer aus dem Lot geraten ist.

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sô wol dir, valke, daz du bist  ! – Falken als Begleiter des Menschen im Minnesang

1 Falken in mittelalterlicher Literatur

Die moderne Biologie rechnet den Falken (Falco) der Familie der Falken­artigen (Falconidae) zu und grenzt sie von den Greifvögeln und Eulen ab, mit denen die Falkenartigen bis zum Ende des 19.  Jahrhunderts die Ordnung der Raubvögel bildeten. Heute wird die Familie der Falkenartigen in zehn Gattungen und vierundsechzig Arten eingeteilt.1 Im deutschen Mittelalter war die Bedeutung des Falken weniger genau bestimmt. Matthias Lexer nennt in seinem Mittelhochdeutschen Handwörterbuch unter dem Lemma valke vier Bedeutungen, die mit einem lateinischen Wort wiedergegeben werden. Demnach bezeichnet das mittelalterliche deutsche Wort nicht nur den Falken im engeren Sinn (falco), sondern auch weitere Vögel wie den Habicht (alietus) und Reiher (erotius), die über waffenartige Schnäbel verfügen.2 Die Gleichsetzung des Falken mit dem Kapaun dürfte auf einer fehlerhaften Herleitung des Wortes vom lateinischen Verb capere, das ›fangen‹ und ›ergreifen‹ bedeutet, zurückzuführen sein.3 In der höfischen Gesellschaft des Mittelalters galt der Falke als Prestigeobjekt. Davon legen die mittelalterlichen Anleitungen zur Falknerei Zeugnis ab, insbesondere die vom staufischen Kaiser Friedrich  II. in den 1240er Jahren verfasste und in reich illustrierten Handschriften überlieferte Schrift De arte venandi cum avibus. (»Die Kunst, mit Vögeln zu jagen«). Daher verwundert es nicht, dass der Falke nicht nur in pragmatischen, sondern auch in literarischen Texten des Mittelalters vielfach zur Sprache kommt. In der erzählenden

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Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts gelten Greifvögel wie Falke und Habicht aufgrund des Freiheitsdrangs und der räuberischen Eigenschaften, die ihnen zugeschrieben werden, als Symbol des Ritters. Ein Beispiel bietet Kriemhilds Traum im Nibelungenlied, wo der Falke Siegfried und die Habichte seine Mörder Gunther und Hagen symbolisieren. In der Gattung des Feenmärchens erscheint der Falke sogar als verwandelter Ritter. So wird in Maries de France Erzählung Yonec eine junge Dame, die von einem eifersüchtigen alten Mann bewacht wird, in ihrer Kammer regelmäßig von einem Greifvogel besucht, der sich schließlich als edler König herausstellt. Hier tritt der Gegensatz zwischen dem Gefangensein der Dame und der uneingeschränkten Freiheit des Ritters besonders deutlich hervor.4 Die übertragene Bedeutung des Falken als Symbol des höfischen Menschen, sei es eines Ritters oder einer Dame, findet sich auch in sogenannten Minneallegorien, zum Beispiel in der spätmittelalterlichen Minnerede Der Minne Falkner (14. Jh.). In der Literaturwissenschaft bezeichnet der Falke auch das Leitmotiv der Novelle  ; die Bezeichnung wird aus einer Novelle Boccaccios abgeleitet. Ein Ritter namens Federigo degli Alberighi opfert seinen gesamten Besitz, um die Gunst einer Dame zu erlangen. Die letzte Gabe, die er anzubieten hat, ist sein Falke, den er für die Dame brät. Die Dame, die den Falken als Heilmittel für ihren todkranken Sohn gebraucht hätte, tadelt den Ritter dafür, »einen solchen Falken getötet zu haben, um einer Dame ein Essen anzubieten«.5 Schließlich erhört sie ihn doch, ohne den Sohn retten zu können. Offensichtlich ist der Falke so wertvoll, dass er bis zum Schluss aufgespart wird. Außerdem gilt sein Fleisch als Heilmittel.6 Jacques Derrida weist in seinem Buch Das Tier, das ich also bin darauf hin, dass der Gott des biblischen Buchs Genesis dem Menschen, den er erst nach den Tieren erschafft, die Macht der Benennung überantwortet.7 Auf diese Weise wird eine unüberwindbare Grenze gezogen zwischen den Benennenden einerseits, die über die Gabe der Sprache verfügen, und den Benannten andererseits, die sich aufgrund ihrer Sprachlosigkeit nicht dagegen wehren können.8 Diese Grenze wurde im frühen Mittelalter von geistlicher Seite immer wieder hervorgehoben.9 Doch bahnte sich eine entscheidende Wende an, die mit der Rezeption der antiken Tierfabeln sowie der geistlichen Tierdeutung zusammenhängt. Die Tiere wurden metaphorisiert und leisteten somit einer Annäherung zwischen Mensch und Tier Vorschub. Joyce E. Salisbury konstatiert  : »Metaphoric animals live in the borders of human imagination, where any particular actual animal is almost irrelevant compared to its symbolic meaning.«10 Wenn die Tiere einen symbolischen Wert annehmen, so bleiben doch die Elemente ihrer realen Existenz bestehen. Auch an den literarischen

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Falkenmotiven lassen sich Reflexe ihrer realen Vorbilder finden, insbesondere hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer Aufzucht. Der vorliegende Beitrag stellt die symbolischen Bedeutungen in den Vordergrund, die die höfische Liebeslyrik des deutschen Mittelalters dem Falken zuweist. Minnesänger wie der Kürenberger, Dietmar von Aist und Reinmar der Alte bringen den Jagdvogel mit dem Ritter, der Dame und der Liebe in Verbindung. Dieser Sachverhalt wirft ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis zwischen den Menschen der höfischen Gesellschaft und dem edlen Jagdvogel, der sie nicht nur in der Realität, sondern auch in der Literatur begleitet. Im Minnesang präsentiert sich der Falke nicht nur als höfisches Statussymbol, sondern er wird zum begehrten, aber unerreichbaren Objekt erhoben, nach dem sich das lyrische Ich sehnt.

2 Der von Kürenberg  : Verlorene Liebe

Die Lieder des sogenannten Kürenbergers, die in der Großen Heidelberger Liederhandschrift und in den Budapester Fragmenten aufgezeichnet sind, werden in der Regel dem frühen Minnesang und somit den Jahrzehnten vor 1170 zugerechnet.11 Zwei der überlieferten Strophen fügen sich zu einem monologischen Lied zusammen, das von einem Falken erzählt, der zunächst abgerichtet wird, dann aber das Weite sucht. In der Edition Minnesangs Frühling lautet der Text wie folgt  : ›Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr. dô ich in gezamete, als ich in wolte hân, und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant, er huop sich ûf vil hôhe und vlouc in anderiu lant. Sît sach ich den valken er vuorte an sînem vuoze und was im sîn gevidere got sende sî zesamene,

schône vliegen, sîdîne riemen, alrôt guldîn. die geliep wellen gerne sîn  !‹

(Minnesangs Frühling 8,33)12 (Ich zog mir einen Falken auf, länger als ein Jahr. Als ich ihn gezähmt hatte, wie ich ihn haben wollte, und ich ihm sein Gefieder mit Gold schön geschmückt hatte, erhob

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er sich in die Lüfte und flog davon. / Später sah ich den Falken herrlich fliegen. Er trug an seinem Fuß die seidenen Bänder, und sein Gefieder war ganz rotgolden. Gott führe sie zusammen, die einander gerne lieben wollen.)13

In der ersten Strophe berichtet das lyrische Ich von der Zähmung und Verzierung des Jagdvogels. Nach Ablauf eines Jahres befreit sich der Falke aus der Gefangenschaft und fliegt fort. Aus der Ferne erstrahlt, wie die zweite Strophe erzählt, noch einmal der Glanz des mit Gold und Seide geschmückten Vogels. Auf den Schmuck des Falken trifft zu, was Roland Barthes in seinem Buch Fragmente einer Sprache der Liebe zum begehrten Objekt anmerkt  : »Wenn ich gute Aussichten auf Erfüllung meines Verlangens zu haben glaube, ist das Objekt mir günstig  ; wenn ich mich verlassen sehe, ist es unheildrohend.«14 So verhält es sich mit den Seidenbändern. Zunächst dienen sie als Schmuck, um den geliebten Vogel auszuzeichnen  ; im Nachhinein aber verweisen sie, wohl auch aufgrund der exotischen Herkunft der Seide, auf das Verschwinden des Falken in anderiu lant. Das Vertraute wird fremd. Auf das Glück der Gemeinsamkeit folgt das Unheil der Trennung. Entsprechend kulminiert das Lied in dem frommen Wunsch, dass Gott diejenigen Menschen, die einander lieben wollen, auch vereinen möge. In diesem abschließenden Vers wird endgültig klar, dass das Lied nicht von der Falknerei, sondern von der höfischen Liebe handelt, einer Liebe, die sich, wie auch später im hohen Minnesang, durch Einseitigkeit und Unerfüllbarkeit auszeichnet. Diese Deutung mag plausibel erscheinen, doch ein Blick in die Forschungsliteratur der letzten hundert Jahre zeigt, dass die wenigen, nicht einmal siebzig Wörter umfassenden Verse in sehr widersprüchlicher Weise gedeutet wurden. Bereits im Jahr 1911 stellte Franz Kuntze fest  : Und doch tauchen, wenn man genauer zusieht, verschiedene Fragen auf, die von je verschieden beantwortet worden sind. Kehrt der Flüchtling in die Freiheit zurück oder findet er eine neue Herrin  ? Ist der Schmuck, den er beim Wiedererscheinen trägt, die Gabe der ersten Herrin oder einer zweiten, die noch freigiebiger war als jene  ? Kehrt er reumütig zu der ersten Herrin zurück oder sucht er die Freiheit  ? Und was will der sehnsüchtige Wunsch bedeuten, mit dem das Gedicht abschließt  ?15

Kuntze geht davon aus, dass es sich bei dem sprechenden Ich um eine Dame, bei dem entflogenen Falken um einen Ritter handelt. Doch auch diese Rollenzuweisung ist umstritten. Ingrid Kasten fasst zusammen  :

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So ist die Ansicht vertreten worden, daß der Text ›realistisch‹ zu deuten sei, es also wirklich um einen entflogenen Falken gehe. Diese Annahme ist jedoch leicht zu entkräften. Zum einen stehen im Überlieferungskontext ausnahmslos Lieder mit Liebesthematik, zum anderen tritt der Falke in der mittelalterlichen Literatur häufiger als Symbol für den geliebten Partner auf […]. Schwerer zu entscheiden ist die Frage, wer als Sprecher zu denken ist und wofür der Falke steht. Spricht eine Frau, spricht ein Mann oder sprechen beide im Wechsel  ? All diese Möglichkeiten sind erwogen worden und haben ihre Anhänger gefunden. Am überzeugendsten erscheint jedoch die Deutung des Lieds als Klage einer Frau um den verlorenen Geliebten.16

Ein männliches Pendant zum Falkenlied bietet eine weitere Strophe des Kürenbergers, deren Sprecher als männliches Ich auftritt. Der Text lautet in Minnesangs Frühling  : Wîp unde vederspiel diu werdent lîhte zam. swer sî ze rehte lucket, sô suochent sî den man. als warb ein schoene ritter umbe eine vruowen guot. als ich dar an gedenke, sô stêt wol hôhe mîn muot. (Minnesangs Frühling 10,17) (Frauen und Falken sind leicht zu zähmen. Wenn einer sie richtig zu locken versteht, kommen sie zum Mann. So warb ein schmucker Ritter um eine edle Frau. Wenn ich daran denke, so schlägt das Herz mir höher.)17

Falken und Frauen, so behauptet das Ich wohl mit ironischem Zungenschlag, seien von gleicher Natur, weshalb die Kunst des Anlockens bei beiden in gleicher Weise erfolgreich sei. Diese »Prahl-Strophe« gilt, wie Kasten kommentiert, »in der Forschung als Musterbeispiel für frühhöfische Auffassungen über die Liebe und die Frauen«.18 Aus dieser Strophe lässt sich zudem, wie Kasten schon früher feststellte, eine neue Minneauffassung herauslesen  : »Denn der Kürenberger stellt die aristokratische ars venandi in einen Zusammenhang mit der Liebe und gibt damit bereits dem Gedanken Raum, daß sie eine lehr- und erlernbare Kunst ist.«19 Wie aber sind die Stimmen der Falkenstrophen in ihrem Verhältnis zuein­ ander zu verstehen  ? William C. McDonald vertritt die Auffassung, dass das poetische Prinzip des Falkenliedes in der beabsichtigten Ambiguität bestehe.20 Sonja Glauch stellt fest, dass in den Strophen des Kürenbergers »einzelne, unbestimmte Lied-Ichs« zu finden seien  : »Subjekt-Splitter, Splitter einer fremden

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und unbestimmten Subjektivität.«21 Michael Schilling sieht die Zusammenstellung der Strophen vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Theaterpraxis. Wie jeder Akteur nur seine eigene Rolle auf dem Blatt (rotulus) vor sich gehabt habe, so seien im Fall des Kürenbergers die Männer- und Frauenstrophen nacheinander zusammengetragen worden und ließen sich entsprechend als Wechsel aufeinander beziehen. Das Falkenlied korrespondiere mit der Strophe über Frauen und Falken, die parodistisch zu lesen sei. Nicht nur wer spreche, sei relevant, sondern auch wie gesprochen werde. Schilling geht im Falle des Falkenlieds von zwei Frauenstrophen aus, auf welche die von männlichem Machismo geprägte Einzelstrophe humoristisch reagiere.22 In der Großen Heidelberger Liederhandschrift, dem sogenannten Codex Manesse, findet sich eine Miniatur, die das Motiv des Falken aufgreift. Sie ist dem Minnesänger Wernher von Teufen zugeordnet. Die Miniatur zeigt einen höfisch gekleideten Ritter und eine Dame, die nebeneinanderher reiten  ; dabei hält die Dame einen Falken auf ihrer linken Hand.23 Vordergründig erscheint die Dame als Falknerin, doch verweist der Falke in seiner symbolischen Bedeutung auf das Thema der höfischen Liebe.

3 Exkurs  : Der Falke in der romanischen und lateinischen Lyrik des Mittelalters

Einen Beleg für den gezähmten Greifvogel als Symbol der höfischen Liebe bietet auch die romanische Liebeslyrik des 12. Jahrhunderts. Rigaut de Berbezilh, ein Troubadour aus der Saintonge, umkreist in einer Kanzone die Frage, worin das Wesen der Liebe bestehe. Er vergleicht amor, die personifizierte Liebe, zunächst mit der Sonne, dann aber mit einem Habicht, der im Flug seine Beute greift, wie die Liebe suchend auf die vollkommene Dame zielt. Schließlich steigt die Liebe bei den aufrichtig Liebenden wie ein Falke empor  : Car senz e pretz e larguess’e valors e tut bon aip i eron aiostat ab fin’amor per far sa voluntat, et i era iois, domneiars et honors  ; tot eissamen con lo falcs que deissen vas son auzel quant l’a sobremontat, deissendia ab dos’omilitat Amors en cels c’amavon lialmen.

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(Rigaut de Berbezilh 1960, S. 204–205) (Denn Sinn, Preis, Freiheit, Wert und alle guten Eigenschaften waren dort vereint durch vollkommene Liebe [fin’amor], um seinen Wunsch zu erfüllen. Und dort waren Freude, Frauendienst und Ehre. Gleich wie der Falke, der seinen Vogel greift, wenn er hochsteigt. So steigt die Liebe als süße Zuneigung für jene, die treu liebten.)

In einem lateinischen Lied, das in den Carmina Burana überliefert ist, streiten sich zwei junge Frauen namens Phyllis und Flora, ob der Ritter (miles) oder der clericus (der Geistliche) der bessere Liebhaber sei. Klärung bringt ein Urteil an Amors Hof. Phyllis, die erfolglos für den Ritter plädiert, trägt einen Falken auf der Hand, Flora, die sich siegreich für den Kleriker entscheidet, einen Sperber (fert Phillis accipitrem manu, Flora nisum).24 Es bleibt offen, ob die Vögel jeweils den Ritter oder Geistlichen repräsentieren, ob sie ein Erkennungszeichen der jungen Frauen darstellen, die eine Minneentscheidung erwarten, oder ob sie die Liebe selbst bezeichnen, die eine junge Frau mit einem Ritter oder Kleriker genießen kann. Wenn man entsprechend auch den Falken des Falkenliedes als Symbol der höfischen Liebe betrachtet, so tritt eine weitere Lesart hinzu  : Eine Dame hat die Minne herangezogen und gepflegt, doch schließlich verflüchtigt sich die Minne wieder wie besagter Falke. Im Hintergrund könnte die folgende Konzeption stehen  : Liebe als Dichtung ist eine erlernbare Kunst, wie Ingrid Kasten feststellt, eine ars amatoria. Dies gilt in besonderem Maße für die Minnelyrik, die wie das Falknerhandwerk erlernbar ist. Der Falke jedoch schert sich nicht um die Kunst, er entfliegt, so wie die Dame oder der Herr sich nicht beeindrucken lassen muss durch die erlernte Minnekunst, mit der sie oder er umworben wird. Liebe als Kunst kann auch scheitern, wenn nicht die Unberechenbarkeit des »Falken« einkalkuliert wird, derjenigen Person also, auf das sich das Streben richtet.

4 Dietmar von Aist  : Bewunderte Freiheit

Ein weiteres mittelhochdeutsches Falkenlied findet sich im Korpus des Liederdichters Dietmar von Aist, der, wie der Kürenberger, dem donauländischen Minnesang zugeordnet wird. Im Unterschied zum Falkenlied des Kürenbergers, das nur aus wörtlicher Rede besteht, wird hier in einer erzählten Exposition eine Dame eingeführt, die von einer Zinne aus über das Land blickt. Sie sieht einen Falken, der im Wald nach eigenem Belieben einen Baum sucht und sich darauf

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niederlässt. Auffällig ist die Parallele zwischen der stehenden Frau und dem verwurzelten Baum, denn in ihrer Statik stellen sie einen Kontrast zum frei fliegenden Vogel dar. Die Rede der Dame bringt jedoch eine überraschende Wende  : Ez stuont ein vrouwe alleine und warte über heide unde warte ir liebes, sô gesach si valken vliegen. ›sô wol dir, valke, daz du bist  ! du vliugest, swar dir liep ist, du erkiusest dir in dem walde einen boum, der dir gevalle. alsô hân ouch ich getân  : ich erkôs mir selbe einen man, den erwelten mîniu ougen. daz nîdent schoene vrouwen. owê, wan lânt si mir mîn liep  ? joch engerte ich ir dekeines trûtes niet  !‹ (Minnesangs Frühling 37, 4) (Es stand eine edle Frau allein und schaute über die Heide und hielt Ausschau nach ihrem Liebsten. Da sah sie einen Falken fliegen. »Sei glücklich, daß du ein Falke bist  ! Du fliegst, wohin du magst, du suchst dir im Wald einen Baum, der dir gefällt. Das hab ich auch getan  : Ich habe mir selbst einen Mann gesucht, meine Augen haben ihn auserwählt. Das neiden mir schöne Frauen. Ach, warum lassen sie mir nicht meinen Liebsten  ? Ich habe doch keinen ihrer Geliebten begehrt  !«)25

Wie im Falkenlied des Kürenbergers wird auch hier die Verwandlung eines realen Tiers in ein höfisches Symbol vorgeführt. Irmgard Reiser zeigt, dass es in Dietmars Lied um die Diskrepanz zwischen »äußerer Freiheit« und »innerer Freiheit« unter Wahrung des »Gleichnischarakters« geht.26 Die Dame erhofft sich, frei wählen zu können, und bringt dies in der höfischen Gesellschaft zum Ausdruck. Sie verweist auf das Beispiel des Falken, der ungebunden ist und, für alle Augen sichtbar, frei wählen kann. Für Reiser wird der »›Falke‹ […] in diesem Gedicht ganz in außerhöfischer Art ausgewertet  : der ungezähmte, wildlebende Falke wird zum Sinnbild der Freiheit«.27 Doch ist die Möglichkeit der freien Wahl des Geliebten in der höfischen Gesellschaft

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für eine Frau ausgeschlossen. Der Wunsch nach einem Begleiter wird nicht erfüllt  ; der Dame bleibt nur der Gruß an den Falken  : sô wol dir, valke, daz du bist  ! Der Falke dient als Gleichnis, mit dessen Hilfe eine weibliche Figur ihre Gefühle zu artikulieren vermag. Ein weiterer Aspekt des Liedes besteht in der Rivalität der höfischen Gesellschaft. Während der Falke in seiner Einsamkeit ein freies Wesen ist, bleibt die Dame der sozialen Kontrolle des Hofes, insbesondere der konkurrierenden Damen, unterworfen. Wieder erscheint, wie Kasten anmerkt, »der Falke als Sinnbild für Freiheit in der Liebe, hier für die Freiheit bei der Wahl des Liebespartners. Diese Freiheit hat die Sprecherin für sich in Anspruch genommen, aber die Realisierung des Liebesglücks erscheint dennoch gefährdet (Rivalität).«28

5 Reinmar der Alte  : Hochfliegende Freude

Auch Reinmar der Alte, einer der berühmtesten Vertreter des hohen Minnesangs, greift das Motiv des Falken auf. Doch deutet er ihn weder als Symbol des Ritters oder der höfischen Liebe, noch gestaltet er das Falkenlied als Frauenlied. Vielmehr erscheint der Höhenflug des Falken als Symbol der hochfliegenden Freude, die den männlichen Sprecher erfasst, als er an die Rückkehr zur geliebten Dame denkt  : Ich waene, mir liebe geschehen wil. mîn herze hebet sich ze spil, ze vröiden swinget sich mîn muot, alse der valke envluge tuot und der are einsweime. joch liez ich vriunde dâ heime. wol mich, ‹unde› vinde ich die wol gesunt, alse ich si lie. vil guot ist daz wesen bî ir. herre got, gestate mir, daz ich si sehen müeze und alle ir sorge büeze  ; Obe sî in deheinen sorgen sî, daz ich ir die geringe und sî mir die mîne dâ bî. sô mugen wir vröide niezen. ô wol mich danne langer naht  ! wie kunde mich der verdriezen  ?

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(Minnesangs Frühling 156, 10) (Ich glaube, daß mich Liebe erwartet. Mein Herz schlägt höher vor Vergnügen, in Freude schwingt mein Geist sich auf wie der Falke zum Flug und der Adler im Schweben. Doch ich ließ Freunde daheim. Glücklich bin ich, finde ich sie wohl und gesund, wie ich sie verließ  ! So schön ist es, bei ihr zu sein. Herr Gott, gewähre mir, daß ich sie sehe und sie von allen Sorgen befreien kann, wenn sie in irgendwelchen Sorgen ist, daß ich ihr die erleichtere und sie die meinen auch. So können wir Freuden genießen. Welch Glück für mich dann die lange Nacht  ! Wie könnte sie mir zu lange dünken  ?)29

Wie Kasten erläutert, wird die Situation eines Mannes vorausgesetzt, der nach längerer Abwesenheit freudvoll in die Heimat und zu einer Dame zurückkehrt, der er sich in gegenseitiger Liebe verbunden weiß  ; Kasten fügt hinzu, dass der »beschwingte Ton […] und die Bilder (der Flug von Falke und Adler als Metapher für die Bewegung des Gemüts) […] in der Lyrik Reinmars ungewöhnlich« seien.30 Bezugspunkt des Tiervergleichs ist nicht nur das Motiv des Höhenflugs, sondern wohl auch der Drang des Falken, zu seinem Falkner zurückzukehren. In einer Strophe eines anderen Liedes zieht Reinmar erneut das Falkenmotiv heran, und wieder scheint das Verhältnis zwischen Falke und Falkner eine wesentliche Rolle zu spielen  : Ich bin als ein wilder valk erzogen, der durch sînen wilden muot als hôhe gert. der ist alsô hôh über mich gevlogen unde muotet, des er kûme wirt gewert, Und vliuget alsô von mir hin und dienet ûf ungewin. ich tumber, lîde ich senden kumber, des ich gar schuldic bin  ? (Minnesangs Frühling 180,10) (Ich bin wie ein wilder Falke, der in seiner Wildheit so hoch hinauf will. Er ist so hoch über mich emporgeflogen und begehrt, was ihm nicht gewährt wird, und fliegt so von mir fort und müht sich umsonst. Ich Einfältiger, leide ich Liebesschmerz, den ich ganz selbst verschuldet habe  ?)31

Der Falke 

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Wie Kasten ausführt, wird das Motiv des Falken wird in doppelter Weise verwendet  : So sieht sich der Sprecher einerseits als Falke, andererseits ist der Falke aber auch als solcher ›real‹ existent. Der Vergleich mit dem edlen Jagdvogel zielt insgesamt wohl darauf ab, das exklusive Streben des Liebenden zu betonen. Der Unterschied zum Falken, der in seinem hôhen muot ebenfalls hoch hinaus will, durch den Falkner aber daran gehindert wird, seinem Beutestreben ungezügelt nachzugeben, liegt darin, daß der Liebende sein ›Unglück‹ selbst verursacht.32

Deutet man den Falken  – wie im ersten Lied  – als Symbol des Geistes, so scheint Reinmar auf den Dualismus von Körper und Geist anzuspielen. In seiner hochfliegenden Liebe trennt sich der Geist vom Körper, es kommt zu einer Erfahrung der Selbstentfremdung. Der Falke legt die Wildheit nicht mehr ab  ; das Ich blickt  – im Unterschied zur weiblichen Sprecherin in Kürenbergers Falkenlied – nicht mehr einer geliebten Person nach, sondern merkt, wie sein eigener Geist entfliegt, ohne dass es fähig wäre, ihn wieder einzufangen. Ein weiterer Aspekt des Falkenmotivs ist in dieser Strophe die Neigung zum Hochmut (superbia). In diese Richtung argumentiert Reiser, wenn sie von der »Hybris des Minnestrebens« spricht, die sie im Zusammenhang von Reinmars wân-minne-Thematik ansiedelt.33

6 Der Falke als Begleiter des Menschen

Anders als die Tiere der Erde lassen sich die Vögel des Himmels nicht so einfach einfangen und sie lassen sich auch nicht ohne Weiteres zu Begleitern erziehen. Das einzige Mittel ist das Anlocken des Falken, um ihn wenigstens für eine kurze Zeit zu halten. Die Bande sind so dünn und fragil wie die seidenen Riemen, von denen Kürenbergers Falkenlied erzählt. Doch ist der Falke in der Literatur im übertragenen Sinn ein treuer Begleiter, der immer dort auftaucht, wo es um gefährdete Sehnsüchte und Liebeswünsche geht. Im Minnesang wird das Motiv zunächst vorsichtig eingeführt. Das Beispiel des Kürenbergers zeigt auf, wie aus einem realen Tier eine Metapher werden kann. Diese Tiermetaphorik erinnert an die geistliche Allegorese der Tiere, ist mit dieser jedoch nicht gleichzusetzen. Die Deutung des Falken bleibt beim Kürenberger letztlich unbestimmt. Es wird eine offene Allegorie präsentiert, die mit dem Thema der Minne verknüpft wird und, je nach Aufführungssituation, verschiedene Assoziationen zulässt.

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Bei Dietmar von Aist ist der Vergleich eindeutig  : »So wie der Falke, so möchte ich sein  !« Die Freiheit des Vogels, die im Falkenlied noch das zentrale Problem darstellt, wird hier zum Vorbild für die Dame erhoben. Gerade die Unterstellung, dass der Falke sich seine Begleitung aussuchen kann, lässt ihn im Gedankenspiel als Vergleich attraktiv erscheinen. Der Falke verkörpert ein Vorrecht, das die höfische Gesellschaft den Damen nicht zugesteht. So kommt es zu einer Neubewertung des Jagdvogels, der nun nicht mehr dem Menschen dient, sondern dessen Lebensweise zwar als erstrebenswert, jedoch als unerreichbar erscheint. In den Strophen des Kürenbergers wird der Falke von einem Menschen gezähmt und geschmückt, doch hält dies den Falken nicht davon ab, das Weite zu suchen. Dietmar von Aist geht einen Schritt weiter, wenn dem Falken eine grundlegende menschliche Eigenschaft zugeschrieben wird, nämlich der freie Wille und die freie Wahl, und das Tier auf diese Weise zum Vorbild des Menschen erhoben wird. Reinmar kehrt diese Relation um, indem er dem Menschen die Eigenschaften eines Tiers zuschreibt. Der Geist des liebenden Menschen lässt sich nicht mehr kontrollieren, Freiheit ist nicht mehr erstrebenswert, wenn sie in eine Zerreißprobe führt. Der Geist verlässt den Körper und fliegt weg, um erfolglos zu dienen. Wie die besprochenen Lieder zeigen, ist es kaum möglich, die Minne, obgleich sie eine zentrale Idee der höfischen Gesellschaft darstellt, im Sinne einer literarischen Konvention zu definieren. Der Minnesang leistet vielmehr einen eigenen Beitrag zur Arbeit am Begriff der höfischen Liebe. So fragt auch Walther von der Vogelweide in einem berühmten Lied  : waz ist minne  ?34 Walther denkt darüber nach, ob schmerzhafte Liebe den Namen minne verdiene, doch will sich eine bessere Bezeichnung nicht finden lassen. Wenn das Zeichensystem der höfischen Sprache nicht zu eindeutigen Begriffen findet,35 dann hilft der Kunstgriff der Bilder. Das Bild des Falken, des edlen Tiers, bietet sich an, um den Schmerz über den Verlust einer geliebten Person zu visualisieren, um den Kontrollverlust über den eigenen Geist darzustellen oder um aufzuzeigen, dass es in der Natur Vorbilder gibt, die höfische Normen mit Leichtigkeit übertreten. In jedem Fall ist es dramatisch, wenn der kostbare, lang gehegte und gepflegte Begleiter plötzlich davonfliegt – dramatisch freilich nur für den Menschen, der zurückbleibt.

Tiere in Namen Wolfgang Haubrichs

Tierische Identitäten. Zur symbolischen Kommunikation in Namen des frühen Mittelalters

Die Namensysteme der Welt, die Art und Weise, wie Namen gebildet werden, die Motive, aus denen sie gegeben werden, die Funktionen, die sie in Familie und Gesellschaft übernehmen, sind so vielfältig wie die Kulturen und Sprachen der Welt. Sie gewinnen noch an Vielfalt, wenn man sie in die Tiefen der Zeit zurückverfolgt. Fast allen ist gemeinsam, dass Motivationen und Funktionen der Namen weit über die reine Not der Identifizierung von Individuen hinausgehen, dass sie Komponenten der Bedeutung enthalten, oft sogar kodiert bzw. symbolisch verschlüsselt, und das ist – durchaus gewandelt – ein Aspekt, der noch heute nicht vollkommen geschwunden ist. Wer die Tochter Pocahontas nennt, den Sohn Marvin Jerôme Patrick, hat damit nicht nur den Zweck der Unterscheidung von anderen Individuen im Sinn. Die zwei in der Geschichte wichtigsten und wirkmächtigsten Namensysteme des westlichen Europa, das lateinisch-romanische und das germanische, haben nun in ihrer Frühzeit auch Tierbezeichnungen in ihren symbolischen Code integriert. Um freilich Bedeutung und Funktion der Integration von Tieren in diese Namenwelten bewerten zu können, muss man zuerst die Bildungsweise (Morphologie) und die Semantik dieser Namensysteme verstehen.

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1 Frühmittelalterliche Namensysteme – Bildungsweise und Semantik

1.1 Das lateinisch-romanische Namensystem auf dem Weg zu Individualisierung und Semantisierung Seit der zweiten Hälfte des 5.  Jahrhunderts gewann durch die Etablierung neuer, von ›germanischen‹ Völkern getragener Reiche auf dem Boden des Imperium Romanum in der Gallia, Hispania und Italia auch das neue und andersartige germanische Namensystem an Boden und zunehmendem Einfluss, den es östlich des Rheines und nördlich der Donau längst besaß. Zu dieser Zeit befand sich das lateinisch-romanische Namensystem längst in einem revolutionären Umbruch, im Umbruch zur Einnamigkeit. Das klassische römische Namensystem bestand aus drei Teilnamen (tria nomina), die man am Beispiel des Politikers und Philosophen Marcus Tullius Cicero illustrieren kann  : dem Vornamen (Praenomen  : Marcus), dem Geschlechternamen (Gentilicium  : Tul­ lius) mit Angabe der gens (des Geschlechts), der man zugehörte, und dem Beinamen (Cognomen  : Cicero), der ebenfalls aus Gründen der Differenzierung wie ein Familienname vererbt, aber auch variiert werden konnte. In der Spätantike konnte der Name durch weitere Elemente (sog. supernomina) ergänzt und individualisiert werden.1 So hatte der Konsul des Jahres 371 mit Namen Sextus Claudius Petronius Probus als Vater Petronius Probinus und als Großvater Petronius Probianus. Mit seiner Frau Anicia Faltonia Proba hatte er die Namenelemente der Eltern aufnehmenden und variierenden Kinder Anicia Proba, Anicius Hermogenianus (mit Einbezug des Namengutes der beidseitigen Großväter) und Anicius Petronius.2 Es ist deutlich, wie die cognomina und supernomina als verwandtschaftsanzeigende Elemente bereits variiert und repetiert werden (Prob-us, -a, -inus, -ianus zum Adjektiv probus ›rechtschaffen, fromm‹). Gleiches findet sich in den Kaiserhäusern des 4./5. Jahrhunderts mit Constant-ius, Constant-inus, Constans, Constant-ia etc. (zum Adjektiv constans ›beständig, tapfer‹) oder Valens, Valent-inus, Valent-in-ianus etc. (zum Adjektiv valens ›kräftig, stark‹). Deutlich wird hier aber auch, wie in der Spätantike die semantischen Werte der eigentlich individualisierenden Cognomina und Supernomina, hier etwa mit probus, constans, valens in den Vordergrund treten. Sie werden bald die einzig wichtigen Namen der Personen, die in Kommunikation und Überlieferung oft alleine genannt werden. Das lateinisch-romanische Namensystem tritt damit in den Zustand der Einnamigkeit ein. Schon in der vorchristlichen Spätantike nehmen die semantisch ausdrucksstarken Namen, die Heils- und

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Wunschnamen zu, welche die französische Epigraphikerin Nancy Gauthier treffend »noms de bon augure« genannt hat,3 wie etwa Salv-ianus (zu lateinisch salvus ›heil, gesund, gerettet‹), Vitalis (›lebenskräftig, lebensspendend‹), Felix (›glücklich, heilvoll‹), Eugenia (graecolateinisch ›von guter Abkunft‹), Agathia (graecolateinisch ›gut, fromm‹) usw. Sie sind selbstverständlich auch im Sinne eines christlichen Wertesystems interpretierbar und ganz natürlich fügen sich ihnen auch dezidiert theophore (Gottesbezeichnungen enthaltende) und christliche Namen an – wie Deodatus (›von Gott gegeben‹), Quodvultdeus (›was Gott will‹), Donatus (›der Geschenkte‹), Theodosius (graecolateinisch ›Geschenk Gottes‹), Dominica (›zum Herrn gehörig‹), Paschasius (zu pascha ›Ostern‹), Sambati-olus (zu sambatum ›Sabbat, Samstag‹), Matutina (›Matutin, Mette‹) usw. Bald erscheinen auch biblische, sowohl alt- wie neutestamentarische Namen in Nachbenennung nach Aaron, Hiob, Elias, David, Salomo, Petrus, Paulus, Andreas, Stephanus und – bald der häufigste – Johannes. In diese Periode der zunehmenden Semantisierung der lateinisch-romanischen Personennamen sind auch die in der Spätantike (in manchen Regionen explosionsartig) zunehmenden »theriophoren«, d. h. Tiere, vor allem ›kriegerische‹ Tiere als Vorbild nehmenden Namen wie Ursus (›Bär‹), Lupus (›Wolf‹), Leo (›Löwe‹), Aper (›Eber‹) etc. einzuordnen, über deren Funktion und Bedeutung später noch zu handeln sein wird.4 1.2 Das germanische Namensystem – Formenbildung (Morphologie) und Semantik Durchweg von Einnamigkeit geprägt ist das ererbte und in der Subantike und im frühen Mittelalter sich in die Romania ausbreitende Namensystem der ›germanischen‹ gentes, etwa der Goten, Wandalen, Burgunder, Franken, Alemannen, Baiuwaren, Thüringer, Langobarden, Sachsen, Friesen, Angelsachsen, Dänen, Schweden usw., das – bei manchen regionalen Differenzen – über eine verblüffende Gleichmäßigkeit verfügt,5 die bei der Morphologie beginnt. Man kann (in einer für unsere Zwecke ausreichenden Differenzierung) folgende drei Haupttypen unterscheiden  :6 1. Zweistämmige (dithematische), also aus zwei lexikalischen Elementen zusammengesetzte Personennamen (auch ›Vollnamen‹ genannt), die morphologisch wie deutsche und englische Komposita wie etwa Dampf-kraft, All-macht, eigen-mächtig, free-dom, air-craft, steam-ship usw. funktionieren. Diesem Muster folgt z. B.: Hildi-brand < *hildjô, *hildi- ›Kampf‹ + *branda-

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›(flammende, brennende) Klinge, Schwert‹, was einen sprechenden Namen mit der Bedeutung ›Kampf-Schwert‹ ergibt. 2. Einstämmige (monothematische), also aus einem lexikalischen Element mit Hilfe einer Nachsilbe (Suffix) abgeleitete Personennamen (auch ›Kurznamen‹ genannt), die morphologisch unseren Prägungen wie deutsch lieblich aus lieb und -lich, in älterer Zeit aber auch substantivischen Bildungen wie alt­hochdeutsch but-il ›Aufbieter, Büttel‹ < westgermanisch *bud-ila-, ­Nomen agentis zu germanisch *bud-a- ›bieten‹ + l-Suffix, entsprechen. Diesem Muster folgt z. B.: Hild-ilo < *hildjô, *hildi- ›Kampf‹ + (hypokoristisches) Suffix -ilo. Man könnte eine solche Bildung neuhochdeutsch mit ›Kämpfer-­lein‹ wiedergeben. 3. Beinamen, die durchaus den lateinischen Cognomina, später Supernomina gleichen und sich aus einem Appellativ zu einem alleinstehenden Personennamen verselbständigen können, wobei die Abgrenzung zu den einstämmigen Personennamen nicht in allen Fällen konsistent ist. Diesem Muster folgen z. B. Hamar zu germanisch *hamara- ›Hammer‹ (vgl. romanisch Martellus im Beinamen des karolingischen Hausmeiers Karl Martell des frühen 8. Jhs.) oder auch Sahs zu germanisch *sahsa- ›Schwert‹. Die Bauformen germanischer Personennamen (Komposita, suffigale Ableitungen, Beinamen aus Appellativa) zeigen, dass diese als Wörter aufgefasst wurden, also potentiell Bedeutung generierten,7 ja als Vorzeichen (praesagia) und Prophezeiungen aus Namen (veriloquia nominis) galten, was zum Teil schon früh belegt ist. So sah etwa der Hofdichter Venantius Fortunatus im Namen des merowingischen Königs Chilperik, Chilpericus (561–584) < *Helpe-rîk-, indem er – sprachlich völlig korrekt – die Bestandteile seines Namens als germanisch *help-a- ›helfen‹ und *rîkja- ›mächtig‹, also quasi im Sinne von ›mächtig in der Hilfe‹ bzw. ›hilfreich‹ deutete, ein Vorzeichen seiner Taten als »starker Helfer« (adiutor fortis) der Seinen.8 Ein weiteres spektakuläres Beispiel aus der merowingischen Königsgeschichte  : König Gunthram von Burgund hebt den jungen Chlothar II. im Jahr 591 aus der Taufe, indem er während des Aktes das veriloquium nominis des wohlbedacht gewählten merowingischen Traditionsnamens beschwört  : »Es gedeihe der Knabe und mache einst wahr, was sein Name besagt  : auch blühe er in solcher Fülle der Macht, wie einst der, dessen Namen er erhalten hat.« Der Name Chlotharius < *Hludo-harja-z besagt und bedeutet ›berühmter Krieger‹ und bezieht sich zurück auf den mächtigen Chlodwig-Sohn Chlothar  I. (511–561), den Großvater des Täuflings, sodass hier sowohl die Semantik des Namens als auch die Nachbenennung, der Sinn

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der in der Namengebung intendierten imitatio des Ahnen, hervorgehoben wird.9 Manche weitere Beispiele ließen sich anfügen.10 Gegen die semantische Relevanz früher germanischer Personennamen wird gelegentlich eingewandt,11 dass die Variation der Namen im familiären Kontext zwangsläufig zu bedeutungs- oder gar ›sinn‹-losen Kombinationen führen musste. Variation ist in der Tat (neben Alliteration/Stabreim) eines der Mittel, mittels derer im germanischen Personennamensystem Verwandtschaft angezeigt wurde. Man nehme etwa (neben zahllosen weiteren Beispielen)12 die literarische, im Hildebrandslied überlieferte Generationenfolge Heri-brand ›HeerSchwert‹, Hildi-brand ›Kampf-Schwert‹, Hadu-brand ›Streit-schwert‹. Ganz klar dient die Variation hier der Indikation der Verwandtschaft, aber es kann nicht die Rede davon sein, dass die resultierenden Personennamen ›sinnlose‹ Kombinationen darstellten. Semantische Aussage und das einer pragmatischen Funktion dienende Prinzip der Variation müssen sich keineswegs widersprechen und taten es auch so lange nicht, als man sich der Semantik der Namen­ gebung bewusst war. Mit zunehmendem Verlust der in der Namengebung gebrauchten Lexeme, die oft seltenem und erlesenem Wortschatz angehörten, schwand freilich auch das Bewusstsein für semantisch relevante Kombinationen. Hierher gehört auch das von Nedoma angeführte späte alteng­lische Beispiel Wulf-stan (›Wolf‹ + ›Stein‹).13

2 Theriophore Personennamen, ihre Bedeutung und Funktion

Die Lexeme, aus denen germanische Personennamen gebildet wurden, entstammten vorwiegend den semantischen Bereichen von Herrschaft, Adel, Reichtum, Kampf, Krieg und dann vor allem der Tierbezeichnungen. Die Namen, die Tierlexeme enthalten, nennt man theriophore (›Tier enthaltende‹) Namen. Um die durchaus unterschiedliche Weise der Verwendung von Tierlexemen in germanischen Personennamen analysieren zu können, muss man nach Namentypen – Beinamen, einstämmige Kurznamen, zweistämmige Vollnamen, Hüllnamen, bitheriophore Namen (d. h. Namen, die zwei Tierlexeme enthalten) und romanisch-germanischen Hybridbildungen – trennen. 2.1 Beinamen und Kurznamen (einstämmige Namen) In seinen für das Thema grundlegenden Studien zu den theriophoren Personennamen der Germanen hat Gunter Müller bereits 1970 Kriterien für die Er-

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mittlung von sinnhaften bzw. ursprünglich bedeutungstragenden Personennamen aufgestellt, ›Primärbildungen‹, wie er sie im Anschluss an vorherige Forschung in etwas problematischer Terminologie nennt. Die Kriterien sind bis heute gültig, auch wenn man – wie aber bereits Müller sah – für die Sicherung solcher nicht durch Variation zustande gekommenen, sondern primär semantisch motivierten Bildungen zumeist die Erfüllung mehrerer Kriterien postulieren wird. Die Kriterien sind  :14 1. Ableitung des Personennamen von einem bezeugten Appellativ  : so alt­ hochdeutsch Wolf-hetan, altnordisch Úlf-heðinn, wörtlich ›Wolfskleid‹, parallelisiert durch altnordisch úlfheðinn ›Krieger in Wolfsverkleidung‹. Nach diesem Typus lassen sich dann analog auch die Personennamen altnordisch Biarn-heðinn ›Bärenkleid‹ (vgl. die bezeugten nordischen Kriegerverbände der Berserker, in Bärenfell auftretender Krieger) bzw. alt­hochdeutsch Wolfhroc ›Wolfsrock, -kleid‹ interpretieren. 2. Singuläre semantisch sinnvolle Bildungen, in denen das bestimmende Element nur in Verbindung mit einem einzigen anderen Lexem auftaucht, das den Status eines Quasi-Appellativs erreicht hat  : langobardisch Zangr-ulf < *Zangar-wulfa- ›beißender Wolf‹ zu alt­hochdeutsch zangar ›beißend, scharf‹ (vgl. mittelhochdeutsch Biter-olf ›beißender Wolf‹). 3. Weite (und zumeist auch quantitativ ausgedehnte) Verbreitung einer Bildung in verschiedenen germanischen Sprachgruppen  : z. B. wisigotisch Ges-ulfus, altschwedisch-runisch Kair-ulf, altnordisch Geir-úlfr, fränkisch-bairisch Ger-­ulf, altenglisch Gar-wulf < germanisch *Gaiza-wulfa- ›Speer-wolf‹. Zu diesen Verbindungen von Speerwaffe und aggressivem Tier gehören (mit geringerer Frequenz) z. B. Ort-olf zu alt­hochdeutsch ort ›Speer-, SchwertSpitze‹, Ask-ulf zu germanisch *asca- ›Eschenspeer‹, langobardisch Gaid-ulf zu langobardisch gaida- ›Speer-, Pfeil-Spitze‹ usw. Zum Typus der einfluss­ reichen Kombinationen von Waffe und Tier gehören ferner z. B. die Personennamen Helm-olf ›Helm-Wolf‹, Schilt-olf ›Schild-Wolf‹, Brand-olf zu germanisch *branda- ›flammende Klinge, Schwert‹ (vgl. italienisch brando ›Schwert‹), Her-olf zu germanisch *heru- ›Schwert‹ usw. Bei all diesen Bildungen wird deutlich, dass ›Wolf‹ in dieser Namenkultur ein situatives Synonym für ›Krieger‹ darstellt, was durch das altenglische Appellativ heoru-­ wulf ›Krieger‹ (eigentlich ›Schwert-Wolf‹) bestätigt wird. 4. Breite Überlieferung einer ganz bestimmten Lexemkombination in Personennamen, z. B. Wolf-gang (›Wolfs-gänger, wolfsgleicher Krieger‹).15 Mit *-ganga- gibt es achtzehn verschiedene Bildungen, bei denen z. B. Chro-

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de-gang < *Hrôth-ganga- ›Ruhm-Gänger, -Krieger‹ durchaus ebenfalls eine sinnvolle Bildung ist, doch nur die Kombination mit *wulfa- (und die Umkehrung Gang-olf) ist wirklich häufig, in diesem Fall dominierend. Hier lässt sich dann eine Bildung wie der Personenname Wolf-dregi(l) ›Wolfs-läufer‹, zu gotisch dragjan ›laufen‹, gut anschließen. 5. Reihenbildung durch Namensynonyme, in denen jeweils ein Element gemeinsam ist  : wieder besonders häufig in der Kombination mit ›Wolf‹, z. B. alt­hochdeutsch Gra-wolf ›Grau-Wolf‹, Cris-olf zu alt­hochdeutsch grîs ›grau‹ usw. Das gleiche Phänomen einer synonymen Reihung ergibt sich, wenn das Namen-Zweitelement identisch, das Erstelement variant, aber der gleichen Bedeutungssphäre angehörig ist  : z. B. alt­hochdeutsch Bern-hard ›stark wie ein Bär‹ zu germanisch *hardu- ›stark, kraftvoll, hart‹, Eber-hart ›stark wie ein Eber‹, Wolf-hart ›stark wie ein Wolf‹ usw.  ; oder die literarisch aus dem Hildebrandslied bekannte, schon erwähnte Reihe Heri-brand ›HeerSchwert‹, Hilde-brand ›Kampf-Schwert‹ zu germanisch *hildi- ›Kampf‹, Hadu-­brand ›Streit-Schwert‹ zu germanisch *hadu- ›Streit‹ (vgl. deutsch Hader). Bis in die Karolingerzeit und darüber hinaus sind auf der Sinnhaftigkeit der Personennamen aufbauende Namendeutungen, sog. veriloquia nominis beliebt – wie schon oben angedeutet. Manchmal wird allerdings in der Spätzeit der Name, der sicherlich schon traditionell gegeben wurde, nicht mehr ganz richtig verstanden, waren doch schon manche Elemente des in Namen gebrauch­ ten, seltenen und wertvollen Wortschatzes untergegangen. So wird etwa bei den theriophoren Personennamen der Name des Erzbischofs Adal-ram­(n)us von Salzburg (†  836) < *Adala-hrabna- ›edler‹ zu germanisch *hrabna-, alt­ hochdeutsch (h)raban, Nebenform (h)ram ›Rabe‹ missdeutet als nobilis aries ›edler Widder‹ zu alt­hochdeutsch ram ›Widder‹ (vgl. Ramm-bock).16 Doch zeigt gerade ein solches anscheinend – von einem etymologischen Standpunkt aus – fehlgehendes, aber für die Zeitgenossen völlig sinnhaftes Deutungsverfahren, dass man grundsätzlich noch immer die Namen in ihrer Motivierung für semantisch durchsichtig hielt. Viele Tierbezeichnungen – so hat man ausführlich gezeigt17 – treten in den Personennamen (eingliedrigen Beinamen und Kurznamen) nur in einfacher Form, als Simplicia auf oder sind doch, wenn sie in zweigliedrigen (dithematischen) Personennamen vorkommen, sehr beschränkt kombinationsfähig, also mit diesen Bildungen wohl als sekundär anzusehen, was sich auch in chronologisch spätem Erscheinen bestätigt. Bei den männlichen Simplicia,

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oft regional und vor allem auch numerisch sehr begrenzt, dominieren freilich wiederum die in einer Kriegergesellschaft durch ihre Kraft oder Aggressivität imponierenden oder auch durch ihren dämonischen Charakter faszinierenden Tiere. Hierher gehören Wisent, Habicht, Falke, Krähe (altnordisch Hrókr, alt­hochdeutsch Hruoh, alemannisch-westfränkisch Chroccus), Hirsch < germanisch *heruta- (weitgehend bairisch), Marder < germanisch *marthu-, alt­ hochdeutsch mart. Nur oder nahezu nur nordgermanisch sind als Namenelemente Widder, Gänserich, der dämonische Uhu (Úfi), Fuchs, Biber, Seehund, Sperling, Scharbe, Schneehuhn, Kuckuck, Birkhahn. Im westgermanischen Bereich sind Einzelfälle fränkisch Hornaz ›Hornisse‹, *Snigil ›Schnecke‹, Lohs ›Luchs‹ u.  Ä. bzw. auch Fischnamen wie alt­hochdeutsch Hahit ›Hecht‹, alt­ hochdeutsch Visc ›Fisch‹, fränkisch *Fiscilo, alemannisch kombiniert Visc-ulf. Begrenzt kombinationsfähig sind die Elemente germanisch *wurma- ›Drache, Schlange‹, fast nur in der sprechenden Bildung Wurm-heri < *Wurma-harja›Drachenkämpfer‹ vorliegend, und germanisch *ûra-, alt­hochdeutsch ûro ›Auerochs‹, nur in der Prägung Urold < *Ûra-walda ›Beherrscher der Stiere‹ und in der bitheriophoren Bildung Urolf < *Ûra-wulfa, in der zwei aggressive, starke Tiere kombiniert wurden. Auffällig, wenn auch numerisch kaum ins Gewicht fallend sind spezifisch weibliche Anwendungen von Vogelbezeichnungen  : Schwalbe (9.  Jh. Corvey Swala), Meise (altsächsisch Mesa, bairisch Meisa), Taube (8. Jh. bairisch Tupa, 11. Jh. niederfränkisch Duva), mehrfach vor allem im altsächsischen Bereich die (zu den Vögeln gerechnete) Biene, nur nordisch die Möwe. Selten, aber viel älter ist die Verwendung der generischen Bezeichnung Vogel. Bereits im 5. Jahrhundert erscheint in einer christlichen Grabinschrift in Köln die zweifellos ostgermanische Fugilo,18 im 7. Jahrhundert das maskuline wisigotische Gegenstück Fugila in Spanien,19 später auch fränkisch Fugal.20 Der Schwan wiederum ist als Simplex aufgrund seines grammatischen Genus vorwiegend für Männernamen in Gebrauch gewesen. In den nicht seltenen (vorwiegend westgermanischen) Kombinationen überwiegen dagegen die Frauennamen, vornehmlich konzentriert in den sprechenden Bildungen bairisch-alemannisch-fränkisch-altsächsisch Swana-burg ›Schutz der Schwäne‹ zu germanisch *burga- ›Berge, Schutz‹, bairisch-alemannisch-fränkisch-langobardischaltsäch­sisch Swana-hilda ›Schwanen-Kampf‹ zu germanisch *hildi- ›Kampf‹. Als maskuline Pendants erscheinen in deutlich geringerem Ausmaß z. B. fränkisch-­altsächsisch Swana-bald ›kühn wie ein Schwan‹, fränkisch-­bairisch Swanu-­praht ›leuchtend, glänzend wie ein Schwan‹, fränkisch Suan-hart ›stark wie ein Schwan‹ usw. Die Schwanennamen sind kaum zu denken ohne

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die Bedeutung der aus der Anderwelt kommenden flug- und (als Walküren) kampferprobten Schwanenjungfrauen aus der Wielandsage, die sich auf Zeit mit dem Wunderschmied Wieland und seinen Brüdern verbinden, um dann doch zu entfliegen und erneut den Kampf zu suchen.21 So gleichen die weiblichen Schwanennamen auch den sonstigen, oft mit *burga- und *hildi- und ähnlichen Lexemen kombinierten und Walkürennamen analog gestalteten germanischen Frauennamen. Doch sind die Schwanennamen ein besonderer, an mythische Erzählungen anknüpfender Typus. Die meisten der zahlenmäßig seltenen und kaum zusammensetzungsfähigen, meistens als Simplicia verwendeten Tier-Namenelemente dürften ihren Ursprung in Beinamen haben, die einen namenmotivierenden Vergleich intendierten. Schwieriger sind die mit Pferdebezeichnungen kombinierten Personennamen zu beurteilen. Das Pferd war ein entscheidender Ausrüstungsgegenstand des frühmittelalterlichen Reiterkriegers. Bereits aus der Spätantike liegen rühmende Aussagen zu ›barbarischen‹ gentes (Völkern), darunter germanischen wie den Thüringern, als Pferdezüchter vor. Dazu passend konnte Gunter Müller zeigen,22 dass die vier wichtigeren Pferdebezeichnungen der germanischen Sprachen, nämlich *hanha-, *marha-, *ehwa- und *hrussa-, vorwiegend als Erst­elemente, also quasi als Bestimmungswörter von Komposita vorkommen (wie etwa in ›Pferde-knecht‹)  : 1. zu germanisch *hanha-  : 5.  Jh. Grabinschrift Trier, Hanha-valdi (Gen.) regalis gentis Burgundionum < *Hanha-walda- ›Beherrscher der Pferde‹  ; 1. Hälfte 6. Jh. thüringisch, Runeninschrift auf Schnalle Hah-war < *Hanha; bairisch-alemannisch-fränkisch Hah-wart wara- ›Schützer der Pferde‹   ›Hüter der Pferde‹ zu germanisch *warda- ›Wächter, Hüter‹  ; Hah-mund ›Schützer der Pferde‹ zu germanisch *mundô ›Schutz‹  ; Ha-hart ›stark wie ein Pferd‹ usw.  ; 2. zu germanisch *marha- (alt­hochdeutsch marh, altenglisch mearh, altnordisch marr  ; vgl. alt­hochdeutsch marahscalc ›Pferdeknecht‹, französisch maréchal)  : bereits 6. Jh. Marabadus23 < *Marah-badwa- ›Pferdekrieger‹  ; wisigotisch Marafredus < *Marah-frithu- ›Befrieder der Pferde‹  ; alt­hochdeutsch Marahwart ›Hüter der Pferde‹  ; altsächsisch Marscalc ›Pferde-Knecht‹  ; alt­ hochdeutsch Maraholt, altsächisch Marhold < *Marah-­walda- ›Beherrscher der Pferde‹  ; alt­hochdeutsch (fem.) Marahswind ›Pferde-­Kraft‹ zu germanisch *swintha- ›Kraft‹  ; altenglisch Mearhhild ›Pferde-Kampf‹ zu germanisch *hildi- ›Kampf‹  ;

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3. zu germanisch *ehwa- (gotisch aíhua, altnordisch iár, altenglisch eoh etc.)  : 5. Jh. Evarix, Euuericus, Euricus, König der Wisigoten, westfränkisch Echarigo, altnordisch Iórekr < germanisch *Ehwa-rîka-z ›Pferde-Herrscher‹  ; alt­ englisch Eomund, altnordisch Iómund ›Schützer der Pferde‹  ; altenglisch Eahfrid, altnordisch Iófrídr ›Befrieder der Pferde‹  ; wisigotisch (fem.) Evosindo ›Pferde-Kraft‹ zu germanisch *swintha- ›Kraft‹  ; bairisch (fem.) Ehadrud zu germanisch *thrûdi ›Stärke‹  ; 4. zu germanisch *hrussa- (altnordisch hross, altenglisch hors, altsächsisch hros, alt­hochdeutsch (h)ros), Erstelement nur auf dem Kontinent (dort auf das persönliche Verhältnis zu Pferden begrenzt) und (mit deutlich späten Bildungen) im Norden  : westgermanisch Hros-marus ›pferde-berühmt‹  ; alemannisch Hors-wine ›Pferde-Freund‹ zu germanisch *wini- ›Freund‹  ; alemannisch Horse-muat, bairisch Hros-muat ›mit dem Mut eines Pferdes‹. Die Grundwörter oder Zweitelemente der mit den oben genannten Pferdebezeichnungen gebildeten Personennamen beziehen sich entweder auf die Pflege, die Hut, den Besitz, die Beherrschung der Pferde oder auf die Übernahme von erwünschten Eigenschaften der Pferde wie Stärke, Kraft, Mut und Kampffreudigkeit derselben. Es handelt sich bei der Motivation dieser Namen nicht um identitätsbezogene Prozesse. »Die Roß-Namen waren keine theriophoren Identifikationsnamen, kein Ausdruck der Gleichsetzung von Mann und Tier«24 – wie wir dies bei anderen, den aggressiven Tieren kennenlernen werden. Das Namenwort in den mit Pferdebezeichnungen als Erstelement komponierten Personennamen »bezog sich auf das edle Reitpferd und Schlachtross, auf den begehrten Pferdebesitz«.25 In der im Jahr 731 vollendeten Kirchengeschichte (Historia ecclesiastica gentis Anglorum) des Angelsachsen Beda Venerabilis heißt es zu den Vorfahren der Könige von Kent  : Duces fuisse perhibentur eorum primi duo fratres Hengist et Horsa, e quibus Horsa, postea occisus in bello a Brettonibus [d. h. den Briten], hactenus in orientalibus Cantiae partibus monumentum habet suo nomine insigne. Erant autem filii Uictgisli, cuius pater Uitta, cuius pater Uecta, cuius pater Uoden, de cuius stirpe multarum prouinciarum regium genus originem duxit. (Beda Venerabilis  : Kirchengeschichte, I,15, S. 58). (Ihre ersten Führer sollen die beiden Brüder Hengist und Horsa gewesen sein, von denen Horsa, der später im Krieg von den Briten getötet wurde, in den östlichen Ge-

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bieten Kents noch ein mit seinem Namen versehenes Denkmal hat. Sie waren Söhne Wihtgisls, dessen Vater Witta, dessen Vater Wecta, dessen Vater Woden war, aus dessen Stamm das Königsgeschlecht vieler Länder seine Herkunft ableitete.)

Die beiden kentischen Landnahme-Führer mit Pferdenamen Hengist (›Hengst‹) und Horsa (›Ross‹) sind  – wie übrigens andere angelsächsische Königsgeschlechter – Nachfahren des Kriegergottes Woden, Wodan (im Norden Odin). An späterer Stelle werden die Nachfahren Hengists aufgezählt, der mit seinem Sohne Oisc, nach dem das Geschlecht der kentischen Könige den Namen Oiscingas trägt, nach Kent gekommen war.26 Auch im altenglischen heroischen Finnsburg-Fragment kommt ein Krieger mit Namen Hengist vor, wohl nach dem kentischen Heros benannt.27 Für die kentischen Dioskuren, die Parallelen bei anderen germanischen Völkern (Wandalen, Langobarden etc.) besitzen und die Gegenstand der memoria, eines monumentum und einer mythischen Origo, einer Ursprungserzählung sind, die ferner göttlicher Abstammung waren, wird man nicht von einem reinen Beinamen ausgehen, sondern von kultnahen Namen (Pferdeopfer für Wodan sind bezeugt) identitären Charakters.28 Gunter Müller weist zu Recht auf die therionyme (tiernamentliche) Parallele der nordischen mythischen Seekönige Geitill und Geitir hin,29 die – nur mit Suffixdifferenz ausgestattet – zu germanisch *gait- (gotisch gaits, altnordisch geit, alt­hochdeutsch geiz) ›Bock‹ zu stellen ist. Dies sind in beiden Fällen »Funktionsnamen […], welche die Führer bei der Auswanderung als Repräsentanten der göttlichen Dioskuren trugen«.30 2.2 Das identitäre Potential von Tierlexemen in zweistämmigen (dithematischen) Personennamen Die durch ihre Quantität und ihre Verbreitung über alle germanischen Sprachzweige herausragenden, in Personennamen verwendeten Tierlexeme sind *wulfa- ›Wolf‹,31 *beran- / *bernu- ›Bär‹,32 *ebura- ›Eber‹33 und *aran- / *arnu›Aar, Adler‹.34 Es fällt sofort auf, dass es sich hier um Tiere handelt, die durch Stärke und Aggressivität beeindrucken. Etwas anders steht es mit dem Tierlexem *hrabna- ›Rabe‹,35 das zwar quantitativ im vorderen Feld angesiedelt ist, aber vor allem im west- und nordgermanischen Bereich verbreitet war und wahrscheinlich auch in seinem identitären Potential etwas anders zu beurteilen ist.36 Dass die aggressiven und Schrecken erregenden Eigenschaften dieser Tiere besonders faszinierten, lässt sich exemplarisch an den Kombinationen des

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Zweitelements (Grundwort) *wulfa- mit einem diese Eigenschaften thematisierenden Erstelement (Bestimmungswort) zeigen, wie dies Gunter Müller mustergültig getan hat.37 Belege  : alemannische Inschrift, Windisch (CH), 7./8. Jh. Linculfus  ;38 alt­hochdeutsch Lingulf  ; westnordisch Lingúlfr < *Linga-wulfa- zu germanisch *linga- ›eilig, vorwärtsstrebend, schnell‹,39 mittelhochdeutsch linge ›eilend‹  ; westfränkisch-­alemannischbairisch Horscolf < *Horsk-wulfa- zu alt­hochdeutsch horsc ›feurig, scharf, schnell‹  ; langobardisch (H)aistulf, alt­hochdeutsch Heistulf < *Haifts-wulfa- zu germanisch *haifsti ›Streit, Anstrengung‹ (gotisch haifts ›Streit‹, alt­hochdeutsch heisti ›heftig‹, alt­ englisch hæst ›heftig‹, langobardisch haistan ›irato animo‹)  ; wisigotisch T(h)rasulf  ; westfränkisch Trasolfvs, Fingerring vom Jahr 550/650  ;40 alt­hochdeutsch Drasulf, Trasulf < *Thrasa-wulfa- zu germanisch *thrasa- ›schnauben, wüten‹ (gotisch thrasa-­ balthei ›Streitsucht‹, altnordisch *thrasa ›drohend vorwärtsstürmen‹)  ; langobardisch Grasolfus, 9. Jh. rheinfränkisch Grazolves-husen < *Grata-wulfa- zu germanisch *grata- ›grimmig‹ (mittelhochdeutsch graz ›Leidenschaftlichkeit‹, graz Adjektiv ›leiden­ schaftlich erregt‹)  ; langobardisch Zangrulf < *Tangra-wulfa zu germanisch ­*tangra›beißend, scharf‹ (mittelniederländisch tanger ›klug‹, alt­ hochdeutsch z­angar)  ; bairisch-alemannisch-fränkisch Frechulf < *Freka-wulfa- zu germanisch ­*freka- ›gierig‹ (altnordisch frekr, altenglisch frec, alt­hochdeutsch freh  ; gotisch faihu-friks ›habgierig‹)  ; wisigotisch Agiulf, bairisch-alemannisch-fränkisch-langobardisch A ­ giulf  ; dazu mit erweitertem Stamm Agin-ulf, Agil-ulf < *Agi-wulfa- zu germanisch agi­(gotisch agis, alt­hochdeutsch agi, egi ›Schrecken‹, egiso ›Furcht, Schrecken‹).

Den Folgerungen von Gunter Müller ist nichts hinzuzufügen  :41 Die große Zahl solcher Namensynonyma bzw. Namenreihen zeigt, dass es im Germanischen eine Gruppe zweigliedriger Personennamen gab, welche Art und Wesen des Wolfes (graue Farbe, Schnelligkeit, Bissigkeit, Gier usw.) näher bestimmten. Bemerkenswert sind darunter vor allem jene Bildungen, deren erster Kompositionsteil den schrecklichen, tückischen, ja bösen Charakter des Wolfes kennzeichnet. An ihnen wird deutlich, in welchem Ausmaß das wölfische Wesen in seiner Zwiespältigkeit vom Menschen

rezipiert wurde. Der Mensch wird über seinen Namen als Tier wahr- und angenommen.42 Die Gier- und Schreckensnamen des Wolf-Komplexes wurden beim Bären, bei den Lexemen *-berôn, *-bernu-, eher gemieden, sodass auch hier von einem

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leicht verschobenen Identitätspotential ausgegangen werden muss. Doch haben beide Anteil an der Semantik von Kraft und Stärke, wie die Paare Maginulf < *Magina-wulfa- ›Kraft-Wolf‹ und Maginbern < *Magina-bernu- ›Kraft-Bär‹, Fastulf < *Fastu-wulfa- ›Stark-Wolf‹ und Fastbern < *Fastu-bernu ›Stark-Bär‹, Hardulf < *Hardu-wulfa- ›Stark-Wolf‹ und Hartpero < *Hardu-beron ›StarkBär‹ zeigen.43 Der Rabe, germanisch *hrabna, ist als Zweitelement (mit regionalen Einschränkungen) reich vertreten (fünfmal so oft wie als Zweitglied), doch spiegeln die – eine eventuelle Semantik eines Namens bestimmenden – Erstglieder anders als beim Wolf kaum spezifische Eigenschaften des Tiers, sondern verbleiben im Allgemeinen germanischer Namenwörter aus dem Bereich von Adel, Besitz, Herrschaft, Krieg, wie sie in vielen anderen Kombinationen vorkommen (*adala- ›Adel‹, *auda- ›Reichtum‹, *alda- ›ehrwürdig, alt‹, *gôda›gut, trefflich‹, *leuda- ›Leute, Volk‹, *theuda- ›Volk‹, *walda- ›herrschen‹, *wilja- ›Wunsch‹, aber auch *hildi- ›Kampf‹, *gunth- ›Streit, Kampf‹, *wîga›kämpfen‹, *balda- ›tapfer‹ usw.). Nur der im fränkisch-alemannisch-bairischen, später auch im altenglischen und skandinavischen Bereich häufige Name Wal-raban, Wal-ram < *Walu-hrabna ›Walstatt-, Schlachtfeld-Rabe‹, für das 4. Jahrhundert auch für den gotischen Amalerkönig Valaravans beim gotischen Geschichtsschreiber Jordanes (6. Jh.) nachgewiesen, gibt weitere semantische Bezüge frei. Gunter Müller hat einleuchtend zeigen können,44 dass diese Bildung mit der breit bezeugten »germanischen Vorstellung vom Raben als einem Totenvogel«, als einem Vogel des Schlachtfeldes zusammenhängt. Schon Gottfried Schramm »verwies in diesem Zusammenhang auf die das Heer in die Schlacht begleitenden und die Leichen der Gefallenen verschlingenden Raben, welche in der altgermanischen Dichtung bei Kampfschilderungen immer wieder erwähnt werden«.45 Der Rabe schafft die Verbindung zum Totenreich, besitzt dämonischen Charakter. In dänischen Balladen des Spätmittelalters ist valrafn sogar als Appellativ mit der Bedeutung ›dämonisches Wesen‹ bezeugt. So dringt der Rabe in die kriegerische Welt von Kampf, Schlacht und Tod ein. Doch bleibt das Tier mit den quantitativ und qualitativ deutlichsten Beziehungen zum Wesen des Kriegers der Wolf. Von 115 original für das 7.  Jahrhundert bei den Langobarden bezeugten germanischen Namen weisen 16, also 14 Prozent, ein theriophores Element (zumeist Zweitglied) auf, davon 15 Mal *wulfa- (94  Prozent). Das Lexem *wulfa- kann  – wie schon erwähnt  – zum Synonym zu ›Krieger‹ werden, altenglisch heoro-wulf  – eigentlich ›SchwertWolf‹ – bedeutet appellativ ›Krieger‹,46 ebenso altenglisch hilde-wulf – eigentlich ›Kampf-Wolf‹.47 In zweiter Linie tritt in diese Kriegersynonymik auch der

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Bär ein  : altenglisch gûd-beorn < germanisch *gunth-bern-, eigentlich ›KampfBär‹, wird ebenfalls appellativ für ›Krieger‹ gebraucht.48 So verwundert es nicht, wenn Erstglieder mit der Bedeutung im Umkreis von Kampf und Krieg vor allem mit *wulfa- und *berôn, *bernu- in Verbindung treten. Beispiele  : Hild-wulf ›Kampf-Wolf‹ und Hildi-bern ›Kampf-Bär‹, Had-ulf ›StreitWolf‹ und Hathu-bern ›Streit-Bär‹ (zu germanisch *hathu- ›Streit, Hader‹), Gund-ulf ›Kampf-Wolf‹ und Gund-bern ›Kampf-Bär‹ usw., aber auch Hari-ulf ›Heer-wolf‹ und Har-bern ›Heer-Bär‹ zu germanisch *harja- ›Heer, Kriegsschar‹.

Eine große Rolle spielt die Verbindung der kriegerischen Tiere mit Waffenlexe­men. Beispiele  : Brand-ulf zu germanisch (vor allem langobardisch) *branda- ›Schwert‹ (vgl. italienisch brando ›Schwert‹)  ; Heoru-wulf, ostgotisch Heri-oulphos zu germanisch *heru- (gotisch hairus, altenglisch heoru, altsächsisch hêru) ›Schwert‹  ; Ger-olf ›SpeerWolf‹ und Ger-bern ›Speer-Bär‹ zu germanisch *gaiza-, westgerm. *gaira- ›Speer, Ger‹  ; langobardisch-alemannisch Gaid-olf ›Pfeil-Wolf‹ zu germanisch *gaida- ›Pfeilspitze‹  ; alt­hochdeutsch Schilt-olf ›Schild-Wolf‹ zu germanisch *skeldu- (alt­hochdeutsch skilt) ›Schild‹  ; fränkisch-alemannisch-bairisch Rand-ulf ›Schild-Wolf‹ zu germanisch ­*randa›Rand, Schildrahmen‹  ; Helm-olf ›Helm-Wolf‹ zu germanisch *helma- ›Helm‹ usw.

Schließlich gehören in dieses semantische Feld theriophore Namen, die mit den verbalen Bezeichnungen kriegerischer Tätigkeiten kombiniert sind. Beispiele  : Stang-ulf ›Stech-Wolf‹ zu germanisch *stenga- ›stechen‹  ; Scrot-ulf ›SchneidWolf‹ zu germanisch *skrauda- (alt­hochdeutsch scrôtan) ›schneiden‹ usw.49

Angesichts dieser Fülle von semantisch bedeutsamen Personennamen-Kombinationen wird man Gunter Müller zweifellos zustimmen, wenn er mit Gottfried Schramm »die germanischen Tier-Namen vor allem als Kriegernamen versteht«.50 Bilder und figürliche Darstellungen mit kriegerischen Tieren auf Waffen bieten hier Parallelen, die der gleichen Mentalität entspringen.51 Doch hat Müller sicherlich Recht, wenn er die theriophoren Namen nicht einfach nur auf »Formeln heroischer Dichtung« zurückführen will.52 Namengebung ist ein viel grundsätzlicherer, existentieller Akt.53 In der Annahme des Tiernamens verglichen die Namengeber den projektierten »Wolf-, Bären-, Hundekrieger […] nicht nur mit Wolf, Bär oder Hund«, sondern dieser sollte »diese

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Tiere in Aussehen und Bewegung« imitieren, »um in einem Akt autosugges­tivmagischer Verwandlung mit ihnen identisch zu sein«.54 Dem entspricht auch die Semantik derjenigen (viel selteneren) tiertragenden Namen, in denen das Tierlexem als Erstelement auftaucht.55 So sind klare Kriegerbezeichnungen Kombinationen mit dem Zweitelement (Grundwort) germanisch *harja- ›Heer-Krieger‹ bzw. *wîga- ›kämpfen‹. Beispiele  : alt­hochdeutsch Wurm-heri ›Drachen-Kämpfer‹ zu germanisch *wurma›Schlange, Drachen‹, quadisch Ara-harius,56 westfränkisch Arn-heri ›Adler-Krieger‹, langobardisch Bern-hari ›Bären-Krieger‹, angelsächsisch Wulf-here ›Wolf-Krieger‹ usw.  ; fränkisch Arn-wig ›Adler-Kämpfer‹, angelsächsisch Beorn-wig ›Bären-Kämpfer‹, alemannisch Ebur-wich ›Eber-Kämpfer‹, alemannisch Wolf-wic ›Wolf-Kämpfer‹.

Es ist wahrscheinlich, dass mit diesen Bildungen die Vorstellung eines als Wolf, Adler, Eber, Bär Kämpfenden verbunden war, wie es bei analogen Personennamen, etwa Wolf-gang ›der als Wolf geht, Wolfs-gänger‹ deutlich ist.57 Allerdings kann rein von der Morphologie her auch die Bedeutung ›der gegen Drachen, Wölfe usw. kämpft‹ nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Intention der Identifikation mit den Eigenschaften des namengebenden Tiers sind klar in den Fällen, in denen das Zweitelement ein qualifizierendes Adjektiv darstellt.58 Beispiele  : Wolf-bald ›kühn wie ein Wolf‹, Ebur-wakar ›kraftvoll, wacker wie ein Eber‹, Bern-(w)acar ›kraftvoll, wacker wie ein Bär‹, Ebar-hard ›stark wie ein Eber‹, Wulf-hard ›stark wie ein Wolf‹, Bern-hard ›stark wie ein Bär‹ – wozu im nordischen Alten Atlilied (Str. 38) das Adjektiv berharðr ›bärenstark‹ zu vergleichen ist.59

Als semantisch analog funktionierende Possessivkomposita (Bahuvrihi) sind Bildungen anzuführen wie Ebar-muot ›der den Sinn eines Ebers besitzt‹, Wolfmuot ›der wölfischen Sinn besitzt‹, altenglisch Deor-mod ›der den Sinn eines wilden Tieres besitzt‹ – wozu das angelsächsische Appellativ dêor-môd ›tiersinnig, wildsinnig‹ zu vergleichen ist.60 Damit ist die Brücke geschlagen zur onomastischen (namenbildenden) Verwendung von germanisch *deuza-, westgermanisch *deura- ›wildes Tier‹, z. B. als Simplex in bairisch Teor, fränkisch Dioro oder als Erstglied wie in bairisch (fem.) Teor-swint (Possessivkompositum) ›die über die Kraft eines wilden Tieres verfügt‹, alemannisch Tiur-olf, fränkisch Dior-olf ›wildsinniger Wolf‹.61 Die Gruppe beschränkt sich auf das Westgermanische.

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Anzureihen ist die kleine Gruppe von Tier-, vor allem Wolf-Synonymen  : so das Simplex alt­hochdeutsch (h)welf, altsächsisch-altenglisch hwelp, altnordisch hvelpr < germanisch *hwelpa- ›Tierjunges, Wolfjunges, Welpe‹, das zum Leitnamen der Familie der Welfen geworden ist. Als Erstelement eines Personennamen ist das Lexem selten, z. B. in Welf-hard ›stark wie ein Tierjunges‹.62 Das verhüllende Wolfssynonym germanisch *hunda- ›Hund‹ kommt vorwiegend westgermanisch-kontinental, und zwar häufig als Erstelement vor, z. B. in Hund-pald ›kühn wie ein Hund‹, Hunt-preht ›glänzend, hervorragend wie ein Hund‹ usw.63 Dass hier mit einem Hüllwort für den Wolf gerechnet werden muss, zeigt deutlich die frühe auf Seeland gefundene Runeninschrift einer Fibel widu-hu(n)daR ›Waldhund, Wolf‹ (zu germanisch *widu- ›Wald, Holz‹), zu der die Parallelbildung alt­hochdeutsch walt-hunt ›Wolf‹ zu vergleichen ist.64 Dass die identifikatorische, kriegerische Bedeutung der germanischen theriophoren Personennamen auch den Zeitgenossen früh auffiel, dafür steht eine Notiz aus dem Opus imperfectum in Matthaeum, einem von einem hochgebildeten arianischen Verfasser in den lateinischen Donauprovinzen geschriebenen Kommentar zum Matthäus-Evangelium aus dem 5./6.  Jahrhundert.65 Die erste Homilie des Werkes befasst sich nahezu ausschließlich mit der von Matthäus einleitend gegebenen Genealogie Jesu. Der Autor ist geradezu besessen von den hebräischen Namen der Vorväter des Erlösers, unter denen, wie er ausdrücklich feststellt, viele Könige waren. Er gibt die Bedeutung, oft auch mehrere Bedeutungen dieser Namen an, die für ihn stets ein veriloquium (eine Prophezeiung) enthalten, und entwickelt daraus moralische und spirituell-heilsgeschichtliche Exegesen. Kein Name ist für ihn schon auf der literalen Ebene zufällig  ; anlässlich des Salomon-Sohnes Roboam (Rehabeam) schreibt er  : Aestimo quod pater quidem eius, sicut omnium regum patres, ex bono proposito ei nomen imposuit (»Ich glaube, dass sein Vater, wie die Väter aller Könige, ihm seinen Namen mit guten Intentionen gab«).66 Gerade für die Elite wird aber eine doppelte Bedeutsamkeit unterstellt. Es heißt im Anschluss  : Dei autem providentia, sicut et omnium regum nomina, secundum actus eorum proprio dispensavit nomine, sive in bono, sive in malo (»Die Vorsehung Gottes aber gestaltete auch hier den Namen, wie sie die Namen aller Könige nach ihren Taten vergab, sei es in gutem, sei es in schlechtem Sinne«). In den Namen wirke – so der Kommentator – der Wille und Wunsch der Väter, aber auch die Providenz Gottes. Bei Amos, dem Sohn des Manasse, heißt es  :67 qui interpretatur fortitudo (»was ›Stärke‹ bedeutet«). Der Autor hält dafür, dass Amos den Namen von seinem Vater wegen des Wunsches nach körperlicher Stärke des Sohnes er-

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hielt  : vocaverit eum fortitudinem […] causa audaciae corporalis (»er nannte ihn ›Stärke‹ […] wegen seiner [erwünschten] physischen Disposition zur Kühnheit«). Und dann folgt eine Notiz über die Namengebung der ›barbarischen‹ (sicherlich germanischen) Völker  : Sicut solent et barbarae gentes nomina filiis imponere ad devastationem respicientia bestiarum ferarum, vel rapacium volucrum, gloriosum putantes filios tales habere, ad bellum idoneos, et insanientes in sanguinem. (Opus imperfectum, MPG 56, Sp. 626 f.) (So haben auch die ›barbarischen‹ Völker den Brauch, ihren Söhnen auf Verwüstung gerichtete Namen zu verleihen, Namen nämlich von wilden Tieren oder Raubvögeln, indem sie es für ruhmreich halten, so geartete Söhne zu haben, die für den Krieg geeignet und wie toll in ihrer Blutgier sind.)

Die Namen, die die Lexeme von Wolf, Hund, Eber, Bär, Adler und Rabe enthalten, fallen sämtlich unter diese Kategorie. Erst danach erörtert der Kommentar die Vorsehung Gottes (providentia Dei), die Amos den Namen vielleicht wegen seiner in späteren Taten offenbar werdenden »bösen Kraft« (fortitudo maligna) zuwies. Dieses zeitgenössische Zeugnis68 lässt auch die vieldiskutierte Theorie des Archäologen Joachim Werner von 1963 in seinem Aufsatz Tiergestaltige Heilsbilder und germanische Personennamen als zu kurz gegriffen erscheinen.69 Nach Werners Auffassung sind Tierbilder, die auf Waffen und Rüstungsteilen aufscheinen, vor allem Adler, Eber, Wolf, und die Namen, die entsprechende Lexeme enthalten, als Symbole oder Signa germanischer Gottheiten aufzufassen. Doch auch die Tierembleme auf Rüstung und Tracht sind nach den obigen Darlegungen eher als Signa der Identifikation von Angehörigen einer Kriegergesellschaft mit den aggressiven Qualitäten dieser Tiere zu werten.70 2.3 Hüllnamen und Tierverwandlung Dass Tiere dämonische und wohl auch numinose Züge tragen konnten, soll damit nicht geleugnet werden. Eine vielleicht sakral motivierte Scheu vor den Fremdwesen, die andersartig, nicht dem menschlichen Ethos gemäß und oft extrem handeln, wird in den freilich nicht sehr häufigen Hüllnamen, d. h. Tabunamen für einige dieser Tiere wie vor allem Wolf und Bär bezeugt.71 So

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trägt der aus dem Stamm der Gauten (Südschweden), ja aus deren Königshaus stammende Protagonist des altenglischen Heldenepos Beowulf (8.–10. Jh.) den Namen ›Bienen-Wolf‹, zu germanisch *bi(j)ôn (altenglisch bêo, altsächsischalt­hochdeutsch bîa) ›Biene‹, einen Hüllnamen für den bekanntermaßen den Honig liebenden Bären. Der Name muss im frühen Adel Skandinaviens beliebt gewesen sein, da im gleichen Epos auch im dänischen Königshaus der Scyldinge als Großvater des im Epos präsenten Königs Hrôthgar ein weiterer Beo-wulf erscheint. Dazu gehören dann altwestnordisch Bíolfr, Bíulfr und auch fränkisch-alemannisch Biulfus (Bischof von Straßburg, nach a.  614)72 sowie angelsächsisch Biuulf, Beulf, die kaum alle als Heldennachbenennungen nach einer nur in England und Skandinavien kursierenden Heldensage aufgefasst werden können.73 Hüllname ist der ebenfalls im Beowulf (V. 889  : freilich mit Kurznamen Fitela) genannte, aber auch in bairischen und skandinavischen Quellen erscheinende Sintarfizzilo, altnordisch Sinfjoetli, Neffe des drachenbezwingenden Sigmund der Wälsungensage. Beide verwandeln sich in ihrem monströsen Heldenleben zeitweise in Wölfe, sodass die Interpretation des Namenunikats als ›der mit der hellgelben Fessel‹, d. h. Wolf, wohlbegründet erscheint. Die Personennamen sind in diesem Falle sicherlich der Nachbenennung nach dem wälsungischen Helden zu verdanken. Tabuname für den Wolf ist zweifellos der schon oben erwähnte runische Widu-hu(n)dar ›Wald-Hund‹. Eine wohl ebenso alte Bildung fassen wir im gotischen Sagenheld (fortissimus Gothorum) Vidi-goia, der bei Priscus (im Jahr 472) und Jordanes (im Jahr 556) genannt wird,74 und im Namen des im 4. Jahrhundert von Ammianus Marcellinus genannten Alemannenkönigs Vidi-gabius, wozu noch altsächsisch Widu-gô und mittelhochdeutsch Wite-­gouwe kommen.75 Dieser zweistämmige Name ist mit Maurits Schönfeld auf eine Ausgangsform *Widu-gawja ›Wald-Siedler‹ zurückzuführen, zu *gawjôn ›Landbewohner, Siedler‹, Nomen agentis zu germanisch *gaw-ja ›Gegend, Landschaft, Siedelland‹,76 die mit Recht als Hüllname für den Wolf aufgefasst werden kann. Hüllname für den Wolf ist auch in der Tiersage Isengrim < germanisch *Isan-­grîma ›Eisen-Maske‹ im Sinne von ›eisengrauer Maske‹ für die Wolfsschnauze  ; analog Brûn ›der Braune‹ für den Bären. Isan-grim kommt auch als Personenname, und zwar als Kriegername vor und leitet damit über zu den Namen, die Maskierung und Verkleidung als Tier thematisieren.77 Bildungen mit germanisch *grîma- (altenglisch grîma, altwestnordisch gríma) ›Maske, Maskenhelm‹ wie Isan-grîm, Hathu-grîm zu *hathu- ›Streit‹, Hildi-grîm zu *hildi- ›Kampf‹ legen nahe, dass wir es mit einem Kampf-Maskenhelm zu tun

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haben. Tiertragende Namen mit *grîma- sind häufig – im Norden und auf dem Kontinent  : altwestnordisch Arn-grîmr ›Adler-Maske‹, fränkisch Hrafan-grim ›Raben-Maske‹, fränkisch Ebur-grim ›Eber-Maske‹, bairisch Pera-grim ›Bären-­ Maske‹, fränkisch-bairisch-alemannisch Wolf-grim, altenglisch Wulf-grim, alt­nordisch *Ulf-grímr ›Wolfs-Maske‹ mit der recht häufigen Umkehrung *Grîma-­wulfa- ›Masken-Wolf‹. Gunter Müller erwägt zu Recht, dass hinter dieser Namengebung eine »theriomorphe [tiergestaltige] Kopfmaskierung« von Kriegern oder »Helme mit Tierbildern bzw. -figuren« standen.78 Auf eine wirkliche Wolfsverkleidung von Kriegern deuten die Namen fränkisch-alt­hochdeutsch Wolf-hetan, altwestnordisch Úlf-heðinn, altschwedisch runisch Ulf-hithin < germanisch *Wulfa-hedana- ›Wolfspelz-Kleid‹, die nach Gunter Müller ohne Zweifel mit dem Appellativ an. [altnordisch] úlfheðinn zusammen, einem Bahuvrihikompositum [d. h. Possessivkompositum], dessen zweiter Bestandteil zu an. he­ ∂in ›kurzes Kleidungsstück ohne Ärmel, aber mit einer Kapuze von Pelz gemacht‹, ae. heden ›Pelzkleid, Kapuze mit Schulterkragen‹ stimmt. Nach der Vatnsdœla saga bezeichnete es Krieger, die mit Wolfspelzen statt Brünnen bekleidet waren. Der Skalde Thórbiørn hornklofi nennt im ausgehenden 9. Jh. in seinem Haraldskvæði die úlfheðnar als eine Kriegergruppe, die, tierisch heulend, gemeinsam mit den brüllenden Berserkern in der Schlacht im Hafrsfiørðr (um 870) kämpfte.79

Besonders ihr Blutdurst, die »blutigen Schilde« und »die geröteten Speere« werden hervorgehoben  – ganz analog den oben zitierten Kommentaren des Opus imperfectum aus dem 5./6. Jahrhundert.80 Dazu kommt die Umkehrung westfränkisch Heden-ulf ›Pelz-Wolf‹. Analog gibt es für den Bären die Namenbildung altwestnordisch Biarn-­ heðinn ›Bärenpelz-Kleid‹ und die Umkehrung altschwedisch-runisch Hithin-­ biarn, analog das Appellativ mannbjörn.81 Für die bezeugte »Blut trinkende« Kriegergruppe der Berserker gibt es keine Namenparallelen.82 Immerhin lässt sich der Beleglage entnehmen, dass der Norden sowohl die tierförmige Kriegerkleidung wie auch entsprechende Namengebung bewahrte, während die kontinentalen Namenbelege sich auf das Fränkische und die benachbarten elbgermanischen Völker (gentes) der Alemannen und Baiern begrenzten und sich wohl mit Gottfried Schramm als frühe Entlehnungen aus dem Norden verstehen lassen,83 die vielleicht auf personalen Wanderungen aufruhten. Doch muss die Vorstellung des Tierkriegers, der sich zumindest m ­ ental in das aggressive Kampftier verwandelte, auf dem ideologischen ­Hintergrund

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einer Kriegergesellschaft weiter verbreitet gewesen sein.84 Dafür zeugen zunächst einmal dem germanischen *Wulfa-hedana- semantisch analoge Namen­bildungen wie Wolf-hroc ›Wolfskleid‹ und seine Umkehrung Hrocc-olf, die sich in fränkischen, bairischen und alemannischen Quellen reichlich finden. In denselben Raum führen die Belege für Wolf-gang < *Wulfa-ganga- ›der als Wolf geht‹ und seiner Umkehrung Gang-olf, die sich nach Gunter Müller auf den »ekstatischen […] Kampfgang der Tierkrieger« beziehen.85 Vor allem alemannisch verbreitet waren die analogen Bildungen Wolf-dregi zu gotisch *thrag-jan, altenglisch draegan ›laufen‹86 und mit einem l-Suffix Wolf-­drigil < *-thregila- ›Läufer‹.87 Die Semantik dieser Namenwelt korrespondiert mit den alemannisch-fränkischen Wolfskrieger-Abbildungen des 6./7.  Jahrhun­ derts aus Gutenstein (Kr. Sigmaringen) und Obrigheim (Kr. Bad ­Dürkheim), schließlich aber auch mit dem in ein Wolfsfell gekleideten Krieger aus Tors­ lunda im schwedischen Öland.88 Da an diesen Namenbildungen die sonst den bairischen und alemannischen Personennamen so nahestehende Langobardia keinen Anteil hat, kann man sie nicht früh ansetzen. Dahinter stehen noch weiter verbreitete Vorstellungen von der realen Möglichkeit der Verwandlung eines Menschen in einen Wolf, wie sie sich bereits in der oben referierten zeitweisen Annahme der Wolfsgestalt in der Wälsun­ gensage andeuteten.89 Dafür ist im Altenglischen das Wort wer(e)-wulf, im Althochdeutschen wer-wolf ›Mannwolf, Mensch in Wolfsgestalt‹ belegt, zu germanisch *wira- ›Mann, Mensch‹.90 Als Personenname ist die Bildung (romanisiert mit Lautersatz gu- für germ. w-) als Guer-olf- im Langobardischen nachgewiesen, da das konkurrierende Namenelement *Wari- wegen fehlenden Umlauts im Langobardischen nicht in Frage kommt  ; wahrscheinlich gehören auch fränkisch Wer-olf, Wer-ulf hierher. Zur selben Vorstellung gehören aber sicher Belege für *Mana-wulfa (zu germanisch *manôn- ›Mann, Mensch‹), die vom Westgotischen über das Fränkische bis nach Skandinavien reichten, und auch fränkisch Gom-ulf < *Guma-wulfa- (zu germanisch *gumôn ›Mann, Mensch‹). Die Verwandlung eines Menschen in ein Tier hielten Antike und Mittelalter für möglich.91 Schon Plinius (Naturalis historia VIII, 22) wusste von in Wölfe verwandelten Menschen (homines in lupos verti). Bei Burchard von Worms († 1025) in seinem Poenitentiale (Decretorum libri viginti), in dem er von manchem Volksglauben berichtet,92 beruht diese Vorstellung jedoch eindeutig auf volkstümlichen Quellen letzten Endes ›germanischer‹ Wurzel. Burchard lässt abfragen, ob man glaube, dass die Parzen (wohl eine Antikisierung der ›germanischen‹ Nornen) verfügen könnten,

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dum aliquis homo nascitur et tunc valeant eum designare ad hoc quod velint, ut quandocunque ille homo voluerit, in lupum transformari possit, quod vulgaris stultitia wervolff vocat, aut in aliam aliquam figuram […] (Decretorum libri viginti, MPL 140, Sp. 971) (wenn ein Mann geboren wird und es ihnen gelingt, ihn zu dem zu zwingen, was sie wollen, sodass, wann immer jener Mann es wolle, er sich in einen Wolf verwandeln kann, was die Dummheit des Volkes ›Werwolf‹ nennt, oder in eine andere Gestalt …).

Der adlige englische Kleriker Gervasius von Tilbury vermerkte in seinen zwischen 1209 und 1214 entstandenen Otia imperialia, dass die Galli, die Franzosen, diese Mannwölfe »gerulfos« (mit Lautersatz des germanischen w- durch galloromanisches g(u)-) nennen, die Angli, die Engländer, aber »Werevulf«  ; und er begründet die Bedeutung etymologisch ganz richtig  : were enim Anglice virum sonat, Vulf lupum (»were nämlich bedeutet auf Englisch Mann, Vulf Wolf«).93 2.4 Das Tier als Doppel – der Sinn bitheriophorer Namengebung Als besonders charakteristisch für die germanische tierbezogene (theriophore) Namengebung gelten jene zweistämmigen Bildungen, welche zwei Tierlexeme kombinieren, die bitheriophoren Namen.94 Auch hier dominiert der Wolf, vor allem als Zweitelement und Grundwort. Es gibt überhaupt keinen bitheriophoren Namen vor 700, der nicht das Lexem *wulfa- enthielte. Sie sind freilich, in unterschiedlicher Zeitstellung, sowohl ost- als auch westgermanisch, später auch nordgermanisch verbreitet. Im Sinne von Gunter Müller sind diese Prägungen also »gemeingermanisch«. Aber man darf, wie Heinrich Beck zu Recht angemerkt hat, sie deswegen nicht als besonders altes Phänomen betrachten.95 Die Chronologie der Nennungen beweist das Gegenteil, sodass ihre weite Verbreitung auch auf sekundärer Ausbreitung beruhen kann. Zeitlich am Anfang steht die Kombination von Eber und Wolf, germanisch *Ebura-wulfa-.96 Belege  : Evervulfus, nach Jordanes (a.  556) im Jahre 416 Mörder des wisigotischen Königs Athaulfus  ; Ebrulphus, Abt von S.  Lucien vor Beauvais, urkundlich, aber in einer Fälschung (11. Jh.) auf das ausgehende 6. oder beginnende 7. Jh.  ;97 jedoch ungefähr für das späte 7. Jh. gesichert durch die Vita S. Ebrulphi (9. Jh.)  ; Eberulfus, Tours, † a. 585, bei Gregor von Tours  ; Ebrulfus, vor a. 614, Bischof von Noyon  ;98 Ebrulfus

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graf(io) in Crouy-en-Thelle (Oise, F), a.  639/42 in einer Urkunde Chlodwigs II. für S. Denis  ; wahrscheinlich identisch der Zeuge Ebrulfus a. 654 in einer in der Pfalz von Clichy vom gleichen König für S. Denis ausgestellten Urkunde  ;99 im Jahr 692/93 in einem Placitum Chlodwigs  III. bezüglich des Gutes Noisy-sur-Oise (Val d’Oise, F), betreffend die Abtei S. Denis und die Nonne Angantrude, filia Ebrul(f)eo  ;100 Ebrulfus, a. 690, Gallia Narbonensis, Verschwörer gegen den wisigotischen König Wamba.

Es folgt die Kombination von Bär und Wolf, germanisch *Bera-wulfa-.101 Belege  : Berevulfus, Ostgote, arianischer presbyter, Inschrift 6. Jh. (Voghera, I)  ; Berulfus, dux von Tours und Poitiers, zuletzt im Jahr 585. Bei Gregor von Tours findet sich im Jahr 574/75 auch die Hybridbildung Urs-ulfus für einen caecus […] ex Turonica civitate de pago trans Ligerem. In das 6./7. Jh. zu datieren ist Urs-ulfo, ein in der Diözese Limoges tätiger Münzmeister.102 Da diese Bildungen nicht ohne das Vorbild des germanischen *Bera-wulfa- möglich sind, weisen sie indirekt auf das Alter des Vorbildes hin.

Dann sei noch die Kombination von Adler und Wolf, germanisch *Arna-wulfa-, *Ara- behandelt.103 Belege  : Arnulfus, 614–629 Bischof von Metz, gestorben 640  ; Arnulfus, angeblicher rex Ostrogothorum, fälschlich für Odoakars Bruder Hunwulf im Jahr 624 in Isidor von Sevillas Historia Gothorum  ;104 Arnulfus, nach 654 und vor 660, Bischof von Sens  ;105 Arulfus, zwischen 667–693, Bischof von Châlons-sur-Marne.106

Zuletzt erscheint die Kombination von Rabe und Wolf, germanisch *Hrabna-­ wulfa- und bald auch schon die Umkehrung *Wulfa-hrabna-, oft mit der romanischen Wiedergabe des Anlauts hr- des Elements *hraban- > hramn- durch , .107 Belege  : Chramnulfus, bei Fredegar (IV,54) im Jahr 626/27 ein Magnat Chlothars  II. aus der Region von Orléans  ; Vulfecramnus, auch in der Chronik von S. Bénigne zu Dijon als Vulframnus bezeugter Abt, im Jahr 664/665 in einem unechten, aber auf einer echten Vorlage beruhenden Placitum Chlothars III.  ;108 im Jahr 698 sub regimine Vulfecranni abbatis in einer Bulle des Papstes Sergius (echt  ?)  ;109 Wulframnus, 693–711 Bischof von Sens, u. a. belegt im Jahr 694 in einem Placitum Chlodwigs III. zu Valenciennes als Uulfochramno  ; sein Name wird vom Bischof einem von ihm geretteten und getauften friesischen Knaben gegeben, wobei ausdrücklich vermerkt wird, dass

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dieser Name bisher bei den Friesen »unerhört« war  ;110 Wulfrannus, 7. Jh. (nach 650), Bischof von Langres.111

Es wird deutlich, dass der Norden zunächst einmal keinen Anteil an den bitheriophoren Namen hat. Wenn wir die zu erschließenden Geburtsdaten der oben aufgeführten Personen berücksichtigen, dann beginnen diese Bildungen im 4./5. Jahrhundert, also mitten in der sogenannten ›Völkerwanderungszeit‹, in der Zeit der Auflösung und Transformation des Imperium Romanum, und zwar nahezu gleichzeitig im Bereich von Goten (auch Wisigoten) und Franken, dort, wo sie sich auf italischem und gallischem Boden intensiver näherkamen. Es dürfte auch kein Zufall sein, dass sie mit der Kombination der Lexeme von Wolf und Eber und Bär beginnen, die auch in der Bildkunst der Zeit als bedeutsame kriegerische Signa erscheinen. Fragt man nach Semantik und Sinn der bitheriophoren Personennamen, dann muss man den Ausgang von der dominanten Stellung des Wolfs nehmen, vom oben aufgezeigten Wolfskriegertum. Die identitäre Leistung der neuen Namenkombinate ist die Steigerung des onomastischen Kriegersignums durch Doppelung. Dem zukünftigen Krieger wurde gewünscht, dass er nicht nur Wolfskrieger, sondern auch Eber-, Bären-, Adler- und Rabenkrieger sein sollte. Dem entspricht im Germanischen (und auch noch im Deutschen) ein spezieller, aus dem Indogermanischen ererbter Kompositionstyp, die sogenannten Kopulativkomposita (Dvandva). Diese Komposita addieren die Bedeutungen ihrer Glieder  : Ein ›Gott-mensch‹ ist Gott und Mensch zugleich, alt­hochdeutsch degan-kint ist degan ›Krieger‹ und kint ›Kind‹ zugleich (gemeint ist ›männlicher Nachkomme‹), und auch der ›Wer-wolf‹ ist ein solches Kopulativkompositum, das Mann und Wolf addiert. Eltern, die dem Sohn einen solchen Namen gaben, wollten die mental erwünschten Eigenschaften der kriegerischen Tiere potenzieren und verschmelzen.112 Die Lagerung der Namenelemente in diesen Prägungen lassen dabei noch deutlich erkennen, dass die bitheriophore Namengebung aus der Vorstellung des »wolf-warrior« heraus entstand. 2.5 Theriophore Mischnamen (Hybridnamen) in einer bilingualen und multikulturellen Gesellschaft Der Kreis der Betrachtungen schließt sich, wenn wir den Blick auf frühmittelalterliche onomastische Hybridbildungen (Mischbildungen) richten.113 Ein frühes Fallbeispiel mag zeigen, wie solche Hybridität aus den interpretativen Interferenzen solcher Gesellschaften entsteht, die es nun mit zwei Namensystemen,

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aber unter Umständen mit einer gleichartigen Mentalität, der der Kriegergesellschaft, zu tun hat. Es handelt sich um die der fränkischen Reichsaristokratie des 6. Jahrhunderts zuzurechnende Familie des Lupus, eines dux der Champagne (um 570), über die wir durch Gregor von Tours und den Hofdichter Venantius Fortunatus unterrichtet sind.114 Lupus hat einen Bruder mit Namen Magnulfus, der das Amt eines Richters (iudex) bekleidet. Seine Söhne heißen Romulfus, der im Jahr 589 als comes palatii bezeugt ist und 590 Bischof von Reims wird, und Iohannes, der um 590 das Amt eines dux innehat. Hier stehen nebeneinander in Namen das lateinische Wort für ›Wolf‹, also Lupus, und Namenkomposita mit germanisch *wulfa- ›Wolf‹  : Magn-ulfus < *Magan-wulfa- ›Macht-Wolf‹ (hybrid auch als mit magno ›groß‹ zusammengesetzt interpretierbar) und Rom-ulfus < *Hrôma-wulfa- ›Ruhm-Wolf‹ (hybrid auch als mit Roma ›Rom‹ zusammengesetzt interpretierbar). Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die Verwendung des Wolf-Lexems über die Grenzen der Sprachen hinweg gewollt ist. Ein ähnlicher Fall onomastischer Akkulturation liegt vor, wenn im Jahr 850 in Süditalien bei Salerno ein Mann mit dem romanischen Namen Leo ›Löwe‹ seinem Sohn den Hybridnamen Leon-pertus gegeben hat,115 den man, falls dem Vater die Bedeutung von germanisch *berhta- noch bekannt war, mit ›als Löwe berühmt‹ interpretieren könnte, der zumindest aber den Willen beweist, germanisch-langobardische Namenelemente zu benutzen. Romano-germanische Hybridnamen sind der Struktur nach exakt wie germanische zweigliedrige Personennamen aus zwei Elementen gebaut, nur dass das Erstelement ein lateinisch-romanisches Lexem repräsentiert. Dies setzt bei den Namengebern ein gewisses Verständnis der germanischen Morphologie voraus und verrät den Willen zu einer symbolisch gleichgewichteten onomastischen Akkulturation. Die Hybridnamen setzen im innergallischen Raum an der Loire in der frühen Merowingerzeit ein, verschwinden aber ab dem 8. Jahrhundert, was zeigt, dass in dieser Region die Akkulturation abgeschlossen ist. Weiter im Osten der Gallia halten sich die Mischbildungen länger, in Italien setzen sie erst mit dem 8. Jahrhundert ein, in dem die Akkulturation der Langobardia und die sprachliche Assimilation der Langobarden in ihre Schlussphase tritt.116 Die häufigsten tierbezogenen Lexeme in Hybridnamen sind in Gallien (wie übrigens auch in Italien) lateinisch ursus ›Bär‹ und lupus ›Wolf‹, über deren Zunahme als Personennamen in der kriegerischen Gesellschaft der Spätantike schon oben zu berichten war  ; danach lateinisch leo ›Löwe‹ (selten in Italien). Die Namen mit dem Erstelement Urso-117 erscheinen am frühesten mit im Jahr 574/75 Urs-ulfus bei Tours, im Jahr 575/95 VRSO-MERI, Münzmeister zu Ro-

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dez und 6./7. Jahrhundert VRS-VLFO, Münzmeister in Bersac (Hte. Vienne) bei Limoges. Unter den mit Urso- zusammengesetzten Hybriden sind durchaus solche, deren germanisches Zweitelement eine sinnvolle Interpretation zulassen wie etwa Urso-meri ›als Bär berühmt‹ (zu germanisch *mærja- ›berühmt, bekannt‹), oder Ursi-mano aus einer Mönchsliste aus den Jahren 757–769 aus Meaux, das man geradezu als ›Bären-Mann‹ interpretieren könnte, falls das Zweitelement nicht schon zu einem Quasi-Suffix erstarrt sein sollte. Auffällig aber ist, wie schon vermerkt, dass bitheriophore Bildungen wie Ursulfus (zweimal), die germanisch Ber-ulf- ›Bär und Wolf zugleich‹ entsprechen, früh erscheinen  ; ferner im 8.  Jahrhundert in Hornbach (Kreis Zweibrücken) unweit der späteren Sprachgrenze Urse-ram < *Ursu-hrabna-, das einem durchaus geläufigen Wulf-ram ›Wolf und Rabe zugleich‹ entspricht. Die hybriden Bildungen mit dem Erstelement *Lupo- sind zahlenmäßig geringer und erscheinen später.118 Die frühesten Belege sind im 6./7. Jahrhundert LOBO-SINDVS, Münzmeister in königlichen Diensten  ; im Jahr 614 Lopa-charus, Bischof von Embrun  ; im Jahr 624/25 auf dem Konzil von Reims unter den Bischöfen auch Lupoaldo Magonciacensi. Auch hier finden sich sinnvolle bilinguale (zweisprachige) Prägungen wie Lopa-charus < *Lupo-harja- ›Wolfs-­ krieger‹ entsprechend germanisch *Wulfa-harja-, wie Lobo-sindus < *Lupo-­ swintha- ›der die Kraft des Wolfes besitzt‹ (zu germanisch *swintha- ›Kraft‹), wie Lup-oaldo < *Lupo-walda- ›Herrscher der Wölfe‹. Die unsinnige bitheriophore Bildung im 8. Jahrhundert, Lop-olf ›Wolf plus Wolf‹, zeigt dagegen das Unverständnis einer Spätphase gegenüber diesen Bildungen. Zahlreicher und früher sind die auffälligen (im Italien des 8. Jahrhunderts nicht anzutreffenden) Bildungen mit romanisch *leone ›Löwe‹.119 Sie beginnen mit Leon-astes, im Jahr 576 Archidiakon in Bourges  ; im Jahr 579/85 ein gleichnamiger durch ein Wunder des hl. Aridius von Limoges Geheilter  ; im Jahr 584 bei Gregor von Tours in Toulouse ein ehemaliger domesticus namens Leonardus  ; ein gleichnamiger Eremit im 6. Jahrhundert in S. Léonard-de-Noblat (Hte. Vienne) im Poitou  ; in der ersten Hälfte des 7.  Jahrhunderts LEVN-VLFO, Münzmeister zu Angers. Sinnvolle Bildungen sind z. B. Leon-ardus (dreimal) < *Leone-hardu- ›stark wie ein Löwe‹, Leoni-childis (fem.) < *Leone-­ hildjô ›Löwen-­Kampf‹, frühes 8. Jahrhundert in Bourges  ; und schließlich die eigenartige bitheriophore Kombination Leun-ulfo < *Leone-wulfa- ›Löwe und Wolf zugleich‹. Es ist wohl kein Zufall, dass sich die mit dem Löwen-Lexem zusammengesetzten Namen nur im Süden der Gallia jenseits der Loire finden, Zeugnis einer eigenartigen Verschmelzung von romanischen und germanisch-fränkischen Namenwelten auf begrenzte Zeit, so wie die theriophoren

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Hybridnamen überhaupt in breiterem Rahmen die mentalen Affinitäten einer bilingualen Kriegergesellschaft bezeugen.

3 Fazit

Die Analyse der theriophoren Personennamen hat unterschiedliche semantische Dimensionen und Verwendungsweisen dieser Namen ergeben, die auch ihre kommunikative Funktion differenziert bestimmen. Dies reicht von einfachen Tier-Beinamen (Bär, Falke), die wohl einen Vergleich implizieren, über mythische Bezüge zu Schwanenjungfrauen und Walküren (z. B. Swana-hilda ›Schwanen-kampf‹) zu Namen, die den Träger (etwa den aus burgundischem Königsgeschlecht stammenden Hanha-valdus ›Herrscher der Pferde‹) als einen über das Statussymbol des Pferdebesitzes verfügenden Fürsten bezeichnen wollen. Tieridentitäten werden angezielt, wenn sich der Name – etwa bei Haist-(w)ulf ›Streit-Wolf‹ – auf aggressive Tiere und ihre Eigenschaften bezieht, wie es der zitierte lateinische Matthäus-Kommentar des Opus imperfectum aus dem 5./6. Jahrhundert explizit und deutlich belegt. Das gefährliche, vielleicht dämonische Tier kann mit einem Hüll- oder Tabunamen belegt werden und – wieder mit dem Ziel der Identifizierung  – in die Namengebung eindringen (Widu-hundar ›Wald-hund‹ für den Wolf). Erwünschte Verwandlung in das kriegerische Tier, vor allem Wolf und Bär, durch Annahme des Tierkleides, einer Tiermaske oder gar der Tiergestalt manifestieren Namen wie Wolf-hroc ›Wolfsrock‹, Wolf-hetan ›Wolfskleid‹ oder gar Wer-wolf, Gom-ulf ›Mann-Wolf‹. Dazu kommen seit dem 6.  Jahrhundert hybride romanisch-germanische Bildun­gen wie Urso-meri ›als Bär berühmt‹, typische Bildungen einer mehrsprachigen und multikulturellen Gesellschaft, und seit dem 5. Jahrhundert der Versuch der Potenzierung des Identitätspotentials der Tierlexeme durch ihre doppelte Verwendung in Personennamen (z. B. Ever-vulfus ›Eber und Wolf zugleich‹). All diese Namen sind Zeugen einer symbolischen Kommunikation der Eliten einer kriegerischen Gesellschaft, die sich mittels der Namengebung – wie wieder das Opus imperfectum belegt – über die wünschenswerten Eigenschaften eines Kriegers, eines Helden, eines Adligen verständigen. Die Kommunikation aber kann von den Namen geleistet werden, zum einen durch ihre identitäre Semantik und zum anderen durch die Wiederholung und Variation der Namen innerhalb der Generationenfolge, die das identitäre Konzept in Familie und Verwandtschaftsverband hineintragen.

Anmerkungen Einleitung 1 Vgl. Die altdeutsche Genesis 1932  ; dazu Hennig 1978. 2 Die Bibel wird zitiert nach der Einheitsübersetzung. Alle Übersetzungen mittelalterlicher Texte in diesem Band wurden, soweit nicht anders angegeben, von den Autorinnen und Autoren der jeweiligen Beiträge verfasst. 3 Vgl. Kraß 2010. 4 Vgl. Physiologus 2005, S. 139 (Nachwort). 5 Vgl. Kraß 2015. 6 Zitiert nach  : Althochdeutsche Literatur, S. 270 f. (Text), S. 391–394 (Kommentar). Vgl. Steinhoff 1987. 7 Möglicherweise ist Phol mit Balder identisch. 8 Zitiert nach  : Althochdeutsche Literatur, S.  272 f. (Text), S.  395 f. (Kommentar)  ; vgl. Steinhoff 1995. 9 Zitiert nach  : Althochdeutsche Literatur, S. 272 f. (Text), S. 395 (Kommentar). 10 Vgl. Lorenz 2004, Flores 1996, grundlegend zum Mittelalter Friedrich 2009, bes. S. 9–13, 39–60. 11 Vgl. einführend zu den Wundervölkern Friedman 2000, zur Durchlässigkeit der Mensch-Tier-Differenz Ziolkowski 1997, S. 1–4, Salisbury 1994, S. 149–159. 12 Offenbarung 8,13. Während die Luther-Übersetzung den Adler durch einen Engel ersetzt hat, steht in der lateinischen Vulgata aquila. Die Parallelstellung von Adler und Engel ist auch deswegen signifikant, als tatsächlich fliegende Engel sonst nirgends in der Bibel erscheinen. 13 Zum hundsköpfigen Christophorus vgl. Loeschke 1955. 14 Nur stellvertretend für die zahlreichen Geschichten von Tiertransformationen seien hier die walisische Erzählung Math fab Mathonwy (›Math, Sohn Mathonwys‹) aus dem Mabinogion, Tochmarc Étaíne (die altirische ›Brautwerbung um Étain‹) sowie die Reginsmál (›Reginn-Lied‹) aus der Lieder-Edda genannt, die alle mehrfache Verwandlungen enthalten. Zur altnordischen Überlieferung (dort auch zu Tierkriegern) vgl. weiter Ellis Davidson 1978. 15 Zur mittelalterlichen Werwolfsüberlieferung vgl. Sconduto 2008. Tierverwandlungen erscheinen in altfranzösischen Lais (Marie de France  : Bisclaveret, Yonec, Guigemar sowie Mélion u. a.), aber auch im mittelhochdeutschen Lanzelet Ulrichs von Zatzikhoven oder im Friedrich von Schwaben, worin die Protagonistin Angelburg zuerst als Hirschkuh, dann als Taube leben muss. 16 Zur fylgja vgl. Ellis Davidson 1943, S. 127–130, Friesen 2015. 17 Die Verbindung von Tieren mit Gottheiten beschreibt für die keltischen Kulturen Green 1992, S. 196–238 (grundlegend S. 196 f.)  : Am bekanntesten sind wohl der Hirschgott Cernunnos und die Pferdegöttin Epona. Zur angelsächsischen Überlieferung vgl. Glosecki 1989, S. 158 ff., 192 ff., Pollington 2011, S. 349–362, 404–408. 18 Zur geistlichen Auslegung der Tiere vgl. Schmidtke 1968. Die Vielfalt der Bedeutungsebenen und Bezüge erörtert Crane 2013, S. 77–98 (»Seven Ways of Looking at a Stag«), exemplarisch am Beispiel des Hirschs. Zu mittelalterlichen Bestiarien vgl. weiter Strickland 1995, Barber 1999, Hassig 2013, zu Tierfabeln und Tierepik Jauss 1959, Neudeck/Jahn 2004.

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Anmerkungen

Das Pferd Bucephalus   1 Hamilton 2000  ; Jacques Louis David hat allein zwischen 1800–1802 fünf Versionen von Napoleon, der auf seinem Pferd Marengo die Alpen überquert, gemalt.   2 Zu Attila  : Raffaels Hymne auf die hunnischen Pferde in den Stanzen sollte für Jahrhunderte die Motivvorlage für heroische Pferdeherren abgeben. Im ungarischen Tápiószentmárton ist das berühmteste Rennpferd des Landes mit dem Namen von Attilas Lieblingspferd Kincsem geboren worden und zugleich soll sich dort auch Attilas Grabhügel befinden, der eine intensive Erdstrahlung aufweist. Der körperliche Kontakt mit dem Hügel soll Pferden wie Menschen Heilung und Stärkung verschaffen  ; dazu Povedák 2014, bes. S. 277–280. – Besonders eindrucksvoll überliefern persische Handschriften die Bedeutung der Pferde für die Herrschaftssicherung, so etwa in der im 15. Jahrhundert entstandenen Handschrift Paris BNF  : ms. persan supplement 1113  ; rashîd al-dîn fazl-ullâh, djâmi’ al-tavârîh. http://nossl.demo.logilab.fr/biblissima/id/Component/ Mandragore/3688 (01.02.2016).   3 So etwa im Alexandersarkophag zur Schlacht von Issos  ; dazu Neudecker 1996, Sp. 462.   4 Friedrich 2009, S. 233–235, zum kulturhistorischen Wandel der ethischen Bewertung.   5 Zur Bedeutung des »zweiten Ich« in Psychotherapie, Psychologie etc. Grotstein 1999, S. 34 ff.; zu den entsprechenden Modellen in den Sozialwissenschaften Dreher 2007, besonders S. 145 f.; Lindemann 2006  ; Vanderstraten 2002.   6 Eine gute Übersicht über die wichtigsten Autoren liefert Rudolph 1982.   7 Rudolph 1982, S. 27 passim  ; dazu auch Csordas 2008, S. 111 ff.   8 Rudolph 1982, S. 30 f. zu den Berichten  ; Lévi-Strauss 1968, S. 142 bezeichnet »Totemismus« als »trügerischen Begriff«.   9 Descola 2011. 10 Descola 2011, S. 302 ff. 11 Uebel 2005, S. 1 ff. 12 Lévi-Strauss 1968, S. 128 f. 13 Zu schillernden Identitäten, Begleitfiguren und Verschmelzungen sind die Arbeiten von Ute von Bloh wegweisend  ; dazu v. Bloh 2005  ; v. Bloh 2007  ; v. Bloh 2011. 14 Rudolph 1982, S. 30. 15 Die Darstellung kann keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Im Wesentlichen konzentrieren sich die Beispiele auf den Text des Alexandre de Paris, den Roman d’Alexandre und die deutschen Varianten des Pfaffen Lambrecht, von Ulrich von Etzenbach, Rudolf von Ems und Johannes Hartlieb. 16 Zu den ethologischen, neurologischen oder hormonellen Erklärungen siehe Olbrich 2009, S. 119 ff.; zum kulturwissenschaftlichen Kontext Otterstedt 2009. 17 Salter 2001, S. 123–125 zu den unterschiedlichen Varianten  ; siehe auch Rogers 2008, vor allem Anmerkung 97. 18 Lane Fox 2005, S. 253 ff.; mit Widderhörnern auf einem Kameo 300 v. Chr. (Abb. ebenda, S. 252) und auf der Tetradrachme des Lysimachos 297–281 v. Chr. (Abb. ebenda, S. 253). Zur Gottähnlichkeit siehe auch Salter 2001, S. 124 ff. 19 Iuli Valeri Alexandri Polemi 1888, I, 13, 7 zur Löwenmähne  ; Pseudo-Kallisthenes § 13, 3 Pseudo-Callisthène 1992, S.  12  ; zu den leoninischen Anteilen und entsprechenden Darstellungen in der griechischen und römischen Antike siehe Bibliographie und Beispiele in Lane Fox 2005, S.  679  ; zum Löwenblick siehe Mackert 1999, S.  124 f., zur Löwenmähne ebd. S.  131  ; in der Historia de preliis und dem altfranzösischen Prosaroman Hilka 1920, S.  29  ; Rudolf von Ems

Das Pferd Bucephalus 

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1928/1929, V. 1310 f. – Schlangen- und Löwenzähne  : Pseudo-Callisthène 1992, S. 12, in der Historia de preliis und im altfranzösischen Prosa Roman dentes  … acuti  ; dens  … trop agu  ; Hilka 1920, S. 29, Z. 34 f. bzw. 33 f.; ebenso Rudolf von Ems 1928/1929, V. 1316 f. – Vgl. weiter Mackert 1999, S. 124 (Gleichsetzung mit Adler und Drache), S. 127 (Vergleich mit einem Seehund), Pérez-Simon 2015, S.  251 (Vergleich mit einem Fisch oder Löwen) sowie Mackert 1999, S.  128 (animalische Natur). 20 Hilka 1920, S. 29, Z. 24–29  ; Rudolf von Ems 1928/1929, V. 1302 betont die Einmaligkeit. 21 Friedrich 2009, S. 304. 22 Zum Forschungsstand Pérez-Simon 2013, S. 111 f. 23 Abb. 1  : Darmstadt, ULB  : Hs. 4256, fol. 1v  ; Gossart 2010, S. 40 f. – Bämler-Druck  : GW Nr. 884  ; Frühmorgen-Voss 1991, Nr. 3.3.a. 24 Zweifel an dieser Auftraggeberschaft bei Gossart 2010, S. 41. 25 Saviello 2011, Abb. 3. 26 Palaiologenhut  : vgl. Kubiski 2012, S. 74  ; im Alexanderroman des Hellenischen Instituts in Venedig  : gr. 5, fol. 143r tragen Jagdbegleiter den Hut, Abb. http://194.177.217.107/scripts_and_miniatures/ (12.01.2016). Gossart 2010, S. 78 versteht die Kopfbedeckung als Prophetenhut. – Pisanello  : vgl. Pataki 2006, S. 27 f. 27 Der Buchmaler scheint die Beschreibungen des Pseudo-Kallisthenes zu kennen und seitenverkehrt umzusetzen  ; dazu Pérez 2015, S. 249 ff. 28 Pérez 2015, S. 251. 29 Leoninische Persönlichkeit  : vgl. Reißer 1997, S. 76 f. Kontrollierter Zorn  : vgl. Campe/Schneider 1996, S. 17. Vgl. außerdem Friedrich 2009, S. 284 ff. mit weiterer Literatur. 30 Saurma-Jeltsch 2003, S. 455 ff. 31 Saviello 2011, S. 217 und Taf. XV. 32 Beim Gran Turco wird der ungebremste Furor nicht mit Schlangenzähnen, sondern mit dem auf dem Hut sitzenden Drachen versinnbildlicht. 33 Saviello 2011, S. 224. 34 Dazu Göllner 1961, Abb. 9 zum Türkenbüchlein von 1522. 35 Une beste est molt fiere, ains tele ne vit on / Felenesse et hideuse, cheval l’apelë on  ; Harf-Lancner 1994, I, V. 423 f. 36 Les costés a bauçans et fauve le crepon / La queue paonnace, faite par divison / et la teste de buef, et les ieus de lion / Et le cors de cheval, por ç’a Bucifal non  ; Harf-Lancner 1994, I, V. 430–433. 37 Pérez-Simon 2013, S. 111 f. – Zu den auf antiken Quellen basierenden Fassungen vgl. Ross 1989, S. 51–54. 38 Friede 2003, S. 238. 39 Harf-Lancner 1994, I, V. 424  ; Lane Fox 2005, S. 49. 40 Pérez-Simon 2013, S. 112. 41 Pérez-Simon 2015, S. 249 ff. zu Alexander  ; Harf-Lancner 1994, I, V. 429 zu Bucephalus  ; in der deutschen Literatur Kern  ; Ebenbauer 2003, S. 139  ; zur Parallelität in der Beschreibung Alexanders und Bucephalus Mackert 1999, S. 190 f. 42 Hilka 1920, S. 35, Z. 16 ff.; Rudolf von Ems lässt Philipp die Götter befragen  ; Rudolf von Ems 1928/1929, V. 2133 ff.; in Hartliebs Text konsultiert Philipp einen Wahrsager  : Pawis 1991, S. 114, 592–595. 43 Hilka 1920, S. 36, 16, 18–21  ; im Roman d’Alexandre Harf-Lancner 1994, I, V. 483 ruft ihn der gesamte Hof bereits als Herrscher aus  ; zu der Fassung beim Pfaffen Lambrecht Mackert 1999, S. 192. 44 Hilka 1920, S. 238, 120, Z. 8–14  : […] voi je bien que ma fin s’aproce, car la mort de mon cheval

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Anmerkungen

senefie la moie, et pleüist a Dieu que je moruisse hui avoeques lui. 45 Harf-Lancner 1994, I, V. 398–401  ; zu den unterschiedlichen Varianten der Begegnung Pérez-Simon 2013, S. 112–114. 46 Pérez-Simon 2013, S. 111. 47 Pérez-Simon 2013, S. 112. 48 Harf-Lancner 1994, I, V. 461 f.: Li chevaus vit son maistre si s’est humiliés / Segnorie li mostre si s’est agenolliés. 49 Friedrich 2009, S. 308 betont die Spiegelbildlichkeit. 50 Friede 2003, S. 240 sieht das Motiv der Fernliebe angesprochen. 51 Baier 2006, S. 378–386. 52 Ross 1989  ; Pérez-Simon 2013, S. 112 ff. 53 Pérez-Simon 2013, S. 119, Anmerkung 4. 54 London, BL  : Ms. Royal 19 D I  ; Pérez-Simon 2015, S. 601–604. Die Handschrift entstammt dem auf Serienproduktion spezialisierten Atelier von Richard und Jeanne de Montbaston. 55 Fol. 6ra, Z. 1–8  ; http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx  ?ref=royal_ms_19_d_i_f006r (27.01. 2016). 56 Fol. 6ra, Z. 22–24  : Comment le cheual que len apeloit bucifal qui meníoit la gent sagenoilla deuant Alixandre et li fist feste. 57 Fol. 6rb, Z. 3 f.: Alixandre qui connut la volonte du cheval. 58 Abb. Pérez-Simon 2015, XXXIX, XLVI. 59 Die Bilder der nahe verwandten Handschriften Paris BNF  : ms. lat. 8501, fol. 9rb und London BL. Ms. Royal 15 E VI, fol. 8v kennen keine vergleichbare Ikonographie. 60 Im Kaisersiegel Heinrichs VII. von 1313  ; Abb. Posse 1909, 1, 47 1. 61 Abb. Posse 1909, 1, 51, 1. 62 In den nächsten Bildern taucht er als Schimmel oder Falbe auf. 63 Die Bilder stammen nicht von Jeanne de Montbaston  ; Rouse und Rouse 2000, 2, S. 204. 64 Hilka 1920, S.  237, Z.  20–24. Meist verletzt Porus Bucephalus und Alexander rächt sich  ; Harf-Lancner 1994, III, V. 4030. 65 Fol. 39ra, Z. 13–15  : Car Alixandre entendoit bien par les signes que li chevaus li faisoit sil deuait vaincre ou non  ; Hilka 1920, S. 237, Z. 24–30. 66 Fol. 43va–b. 67 Vor allem in der zweiten Redaktion der altfranzösischen Prosafassung des Alexanderromans  : Pérez-Simon 2015, S. 48–51. 68 Pérez-Simon 2015, S. 585 f. 69 Besonders kühn prescht Bucephalus mit seinen drei Hörnern in der Londoner Handschrift Ms. Royal 20 A, fol. 68v vor  ; Abb. Pérez-Simon 2015, XLIII. 70 Pawis 1991, S. 110, Z. 478–480  : Daz phartt hett voren fuess als ain hyerss vnd ainen langen hals, ainen kchopf als ain frayßamer lebe und es azz nuer menschen fleisch. Am ehesten entspricht das Wesen einem Kamel, wie es mit kleinen Ohren, langem Hals, hohen Beinen und als Paarhufer in Stuttgart WLB  : Cod. med. et phys. fol. 14, fol. 102 dargestellt ist. Vom Löwen (fol. 117) hat es nicht nur die Mähne, den aufgefächerten Schweif, sondern auch die Schnauze, die platte Nase und die rollenden Augen. 71 Bekannt sind die Habsburger Reitersiegel, etwa Rudolfs IV.; Habsburger 1979, Abb. 30. 72 Verwandt sind die Personifikationen des Bellifortis-Fragments in Budapest, Magyar Tudományos Akadémia  : K 465. http://kepkonyvtar.mtak.hu (21.01.2016). Alexander scheint einen Herrscherstab zu präsentieren.

Das Pferd Bayard 

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73 Descola 2011, S. 199, nennt die körperliche Form als das entscheidende Differenzierungskriterium  ; treffendste Bezeichnung für diese Beziehung wäre wohl persönlicher Totemismus  ; dazu ebenda, S. 190 f. 74 Harf-Lancner 1994, III, V. 1269–1274, III, V. 2756. 75 Sara Matrisciano M.A. sei für ihre kluge Lektüre von ganzem Herzen gedankt.

Das Pferd Bayard   1 Friedrich 2009, S. 230.   2 Friedrich 2009, S. 230, 246.   3 Jähns 1872, Bd. 2, S. 55.   4 Vgl. etwa Bumke 2008, S. 64–71, 236–240.   5 Gemeint ist damit die romanische Heldenepik  ; für den deutschen Sprachraum wäre hier analog an die germanische bzw. deutsche Heldenepik, etwa die Dietrichepik oder das Nibelungenlied, zu denken.   6 Vgl. dazu den Beitrag von Lieselotte Saurma-Jeltsch in diesem Band.   7 Aus komparatistischem Blickwinkel vgl. Hogenbirk 2007, S. 65–78. Zu Pferden im Artusroman vgl. auch Ohly 1984  ; Ackermann-Arlt 1990.   8 Das einschlägige Handbuch führt ca. 200 Namen von Pferden aus dem Bereich der Chanson de geste an, vgl. Moisan 1986.   9 Renaut de Montauban 1988, 1989. 10 Maugis d’Aigremont 1980. 11 Zur niederländischen Renaut-Rezeption und den Beziehungen zur französischen Tradition vgl. Spijker 1990  ; zur niederländischen Maugis-Rezeption vgl. Duijvestijn 1989  ; vgl. zu den Beziehungen zur französischen Tradition sowie der deutschen Übersetzung auch das Vorwort in der Ausgabe des deutschen Malagis, S. XLVI–LXIX. 12 Erhalten haben sich in handschriftlicher Form lediglich ein niederdeutsches, wahrscheinlich aus Westfalen stammendes Fragment, der im 14. Jahrhundert entstandene Günser Reinolt (Roethe 1906), und eine stark gekürzte veränderte Fassung aus Köln, die sog. Historie van Sent Reynolt, um 1450 (Reifferscheid 1874). 13 Reinolt von Montelban 1885  ; Malagis 2000. Erhalten sind beide Texte in jeweils zwei Handschriften, einmal erzählchronologisch Malagis und Reinolt hintereinander schaltend und einmal separat. 14 Ute von Bloh zählt zu den wenigen deutschen Forscher/innen, die sich mit den Texten schon einmal näher beschäftigt haben  : von Bloh 1996  ; vgl. daneben zu Reinolt und Malagis  : Duijvestijn 1988, 1997, 1999  ; Schlusemann 2001  ; de Smet 1999  ; Besamusca 2002  ; Philipowski 2012  ; Wittmann 2013  ; Busch/Reich 2014. 15 Eine ausführlichere Inhaltsangabe findet sich in der Ausgabe des Malagis, S. XXXIV–XXXVII. 16 Eine ausführlichere Inhaltsangabe findet sich in der Ausgabe des Reinolt von Montelban, S. 440– 467. 17 Zu Bayard in der mittelalterlichen französischen Literatur vgl. Lejeune 1978  ; Piron 1981  ; Thomas 1981. 18 Schon bei Isidor von Sevilla (6. Jh.) heißt es (Enzyklopädie 2008, S. 453), dass manche Pferde »ihre Zähmung vergessen, wenn diese [die Herren] ausgetauscht werden. Andere nehmen niemanden auf ihren Rücken außer ihrem Herrn.« 19 Vgl. dazu auch Clauss 2009, S. 49. Schon im Malagis hatte einer der Vertrauten des Protagonisten

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Anmerkungen

über Bayard gesagt  : Diß ist ein güt roß, herre Malagiß. / Ob allen rossen hat es den priß. / Hett es ein swert, es fecht myt. (Mal. V. 9152–9154  : Das ist ein gutes Pferd, Herr Malagis, es ist allen anderen Pferden überlegen. Hätte es ein Schwert, würde es mitkämpfen). Das ›Rochester Bestiary‹ zeigt einen solchen Kampf zweier aufgerichteter Pferde (dort eher als Ringkampf), während nebenstehend die Ritter einen Schwertkampf ausfechten. 20 Friedrich 2009, S. 240. 21 Enzyklopädie 2008, S. 453. 22 Vereinzelt ist in der Forschung sogar erwogen worden, ob Bucephalus als Vorbild für die Darstellung Bayards gedient haben könnte, vgl. z. B. Berthelot 1995, S. 325, Anm. 13. Zu Bucephalus vgl. auch den Beitrag von L. Saurma-Jeltsch in diesem Band. 23 Vgl. z. B. die Enzyklopädie Isidors von Sevilla, S. 452  : »Das Dromedar ist eine Art Kamel, von kleinerer Statur, jedoch schneller. Woher es auch den Namen hat, denn δρομος werden griechisch der cursus (beides  : Lauf) und die velocitas (Schnelligkeit) genannt. Hundert Meilen nämlich und mehr pflegt es an einem Tag zurückzulegen.« Ganz ähnlich auch bei Konrad von Megenberg, S. 159  : Dromedarius ist ein tir, daz ist chmmels geslht oder natur, also spricht Rabanus. Jdoch ist ez clainer vnd sneller vil dann ein chmmel. Davon haizzet ez chriechisch dromedarius, daz haizt ze dutsch ein lauffer, wann es lauft an einem tag mer denn hundert meil. (Das Dromedar ist ein Tier, das mit dem Kamel verwandt ist, wie Rabanus [Maurus] belegt. Es ist jedoch kleiner und viel schneller als ein Kamel. Deshalb nennt man es auf Griechisch ›Dromedar‹, das heißt auf Deutsch ›Läufer‹, denn es legt am Tag mehr als hundert Meilen zurück.) 24 Mal. V. 7678 f.: es was usser massen snell und sprang / Und enkonde keinen andern gang. 25 Mal. V. 6768  : Sin aügen bronnen als ein füer. 26 Mal. V. 5828 f.: Das orß wirt von mir gehalt / In dem namen Jhesu Christ. 27 Zudem besitzt Bayard, wie man aus dem Reinolt erfahren kann, den Kopf eines Leoparden (Rei. V. 893) und verhält sich wie ein Leopard (Rei. V. 2490 f.: Das gute orse Beyart / das slug als ein leopart). Der Leopard, den mittelalterlichen Naturlehren zufolge selbst ein Hybridwesen »aus der Vermischung von Löwin und Panther« (Isidor von Sevilla, Enzyklopädie, S. 457), ist diesen Quellen zufolge nicht nur schnell, sondern auch blutgierig. Beide Eigenschaften treffen ebenfalls auf Bayard zu, der alle anderen Pferde an Schnelligkeit übertrifft und seine sowie seines Herren Gegner gnadenlos tötet. 28 Vgl. Huizinga 2005  ; Reich 2010/11, S. 229–234. 29 Vgl. etwa im Vorwort der Malagis-Ausgabe, S.  LIV, die Vermutungen zum niederländischen Autor  : »Der ›Madelgijs‹-Autor dürfte ein Kleriker mit einer wissenschaftlichen Ausbildung gewesen sein, der zu einer Zeit wirkte, als lehrhafte Elemente durchaus nichts Ungewöhnliches in einem literarischen Werk waren.« 30 Vgl. zu dieser Thematik ausführlich die luzide Studie von Friedrich 2009. 31 So ist nicht nur die Anzahl der erhaltenen französischen und niederländischen Handschriften des Renaut/Renout- bzw. Quatre Fils Aimon/Heemskinderen-Stoffes höher als die der Maugis/ Madelgijs-Erzählung, auch die bekannten Drucke der Erzählung von den vier Haymonskindern und ihrem Pferd sind zahlreicher als diejenigen, in denen die Taten von Maugis/Madelgijs beschrieben werden. Eine Aufstellung der französischen, niederländischen und deutschen Handschriften und Drucke des Renaut- / Renout- / Reinalt- bzw. Haymonskinder-Stoffes bei Spijker 1990, S. 263–270  ; vgl. dazu auch Weifenbach 1999a und 1999b. Ein deutscher Malagis-Druck ist nicht bekannt  ; zur französischen und niederländischen Überlieferung der Maugis-/Madelgijs-­ Tradition vgl. das Vorwort der Malagis-Ausgabe, S. XXVII–XXXIII und S. XLI. 32 Zu diesem Umzug vgl. Verelst 2006.

Die Katze 

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Die Katze   1 Dekkers 1994, S. 46.   2 Bobis 2001, S. 125.   3 Der Beitrag widmet sich nicht den dämonischen, monströsen oder gefräßigen (Riesen-)Katzen, die durchaus in der mittelalterlichen Literatur verbreitet sind. Einen guten Überblick auf Basis zahlreicher Textbezüge bietet Bobis 2001, S. 171–222.   4 Vgl. zur Datierung der Katze als Haustier Benecke 1994, S. 98–104 sowie S. 344–352. Die Domestikation der Katze im europäischen Raum während des Mittelalters postuliert Rohrbach 2009, S. 38.   5 Eine grundlegende Übersicht zu Katzenillustrationen vom 8. bis 15.  Jh. anhand der Bestände britischer Bibliotheken bietet Walker-Meikle 2011.   6 Bei den Handschriften handelt es sich um  : Oxford, Balliol College, MS 192, fol. 67r (zeigt in der oberen Hälfte des Blattes mehrere Spuren von Katzenpfoten) sowie Dubrovnik, Archives d’Etat, Lettre di Levante, vol. XIII, fol. 167v und fol. 168r (weist jeweils mehrere Tintenspuren von Katzenpfoten auf).   7 Köln, Historisches Archiv, G.B. quarto, 249, fol.  68r. Zur Handschrift sowie dem lateinischen Kommentar des Schreibers siehe Vennebusch 1980, S. 256.   8 Vgl. mit detailliertem Bezug auf irische Heiligenviten Nitschke 1995, S. 117 f.; zu weiteren Nachweisen siehe auch Bobis 2001, S. 41 f.   9 Altirische Dichtung aus dem sog. »Reichenauer Schulheft«, aufbewahrt in Kärnten, Stiftsbibliothek St. Paul 86b/I., fol. 1v. Übersetzung ins Deutsche von Judith Klinger, unter Berücksichtigung der englischen Übersetzung von Stokes und Strachan 1903, S. 293 f. 10 Der altirische Name Pangur Bán bedeutet »weißer Walker«. Diese Namensgebung könnte sich auf Ähnlichkeiten zwischen der Bewegungsabfolge beim Wolle- oder Stoffe-Walken und dem Treteln von Katzen beziehen  : Katzenfreund_innen drängt sich diese Assoziation jedenfalls auf. 11 Kampling 2007, S. 113. 12 Für weitere Beispiele siehe Bobis 2001, S. 52 ff. 13 Ermoldus Nigellus 1865, S. 104 ff. 14 Johannes Diaconus 1668, S. 432 f. 15 Goscelin of St Bertin 1955, S. 80. 16 Zur biblischen Darstellung von Maria und Martha vgl. Lukas 10, 38–42. 17 Vgl. Bobis 2001, S. 55 f., mit weiteren Nachweisen. 18 Vgl. Bilke 2007, S. 82 ff., sowie den differenzierten Überblick zu den lateinischen, indogermanischen und afrikanischen Wurzeln von cattus S. 87 f. 19 Vgl. Bilke 2007, S. 85 ff. 20 Insbesondere die Enzyklopädien des Thomas de Cantipatro, Bartholomaeus Anglicus sowie Albertus Magnus sind hier als Textzeugen des 12. und 13. Jhs. anzuführen. Vgl. auch Bobis 2001, S. 93 ff., sowie S. 118 f. 21 Vgl. Megenberg 1861, S. 151 f. 22 Vgl. Bobis 2001, S. 45 f., 64 ff., 110 f. 23 Eine umfassende Zusammenstellung der Fabeln von Odo von Cheriton aus lateinischen Quellen bietet Léopold Hervieux 1884, S. 587–713. 24 Hervieux 1884, S. 598 f. Eine weitere Variante der als Mönch verkleideten Katze bietet die Fabel De Catto infulato (»Die geschmückte Katze«) von Marie de France (Hervieux 1884, S. 580). 25 Hervieux 1884, S.654.

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Anmerkungen

26 Hervieux 1884, S. 634 f. 27 Hervieux 1884, S. 654  : Quodlibet animal mundum munda diligit, et tu, turpia et inmunda. (»Jedes Tier der Welt liebt das Reine, und du das Schändliche und Unreine«). 28 Hervieux 1884, S. 621 f. 29 Hervieux 1884, S.  621 f.: Proth  ! Pudor, ut quid àpponitur nobis tam vilo ferculum, unde totum convivium enormiter maculatur  ! (»Welche Schande  ! Dass was uns hier aufgetischt wird, verunreinigt die ganze Mahlzeit  !«). 30 Hervieux 1884, S. 610. 31 Vgl. Hervieux 1884, S. 689. Das Motiv findet sich unter anderem auch in den Canterbury Tales von Geoffrey Chaucer. The Wife of Bath’s Prologue, V. 348–350 (S. 247)  : Thou seydest this, that I was lyk a cat  ; / For who wolde senge a cattes skyn, / Thanne wolde the cat wel dwellen in his in (»Du sagtest, dass ich wie eine Katze wäre. Denn wenn jemand einer Katze das Fell versengt, dann zieht sie es vor, in ihrer Behausung zu bleiben.« Übersetzung H. Bergner u.a.). 32 Der Stricker  : ›Der Kater als Freier‹ nach Ehrismann 1992, S. 38–47. Herrand von Wildonie  : Diu katze nach Fischer 1969, S. 44–53. 33 Vgl. Curschmann 1966, S. 66 ff. 34 Vgl. Bobis 2001, S. 52 ff. 35 Vgl. Wildonie 1969, V. 230–262. 36 Der Stricker  : ›Die Katze‹, nach Ehrismann 1992, S. 48–50. 37 Übersetzung O. Ehrismann 1992, S. 49. 38 Vgl. Bobis 2001, S. 104 ff. 39 Les Chansons de Guillaume IX. 1913, S. 8. 40 Während in Jansen Enikels Weltchronik (um 1270) neben Hund und Hahn ausdrücklich ein katzen man (V. 19326) mitgenommen wird, begleiten Hund, Hahn und ein kacz (V. 4266) in der Basler Fassung (wohl nach 1270) Alexander auf seiner Tauchfahrt. Sowohl in Enikels als auch der Basler Fassung werden die Katzen getötet. Ulrich von Eschenbach gibt Alexander nur ein katze und ein han (V. 24209) mit auf den Weg und lässt Alexander den Hahn erwürgen.

Der Esel   1 Röhrich 1999, Bd. 2, S. 394.   2 Röhrich 1999, Bd. 2, S. 394.   3 Johannes von Tepl  : Der Ackermann, Kap. 30, S. 66.   4 Sebastian Brant  : Das Narrenschiff, Kap. 73, V. 21 f., S. 356.   5 Hier und im Folgenden zitiert nach der Luther-Bibel 1984.   6 Lucius Apuleius  : Metamorphosen (auch  : Asinus aureus), übersetzt von August Rode.  7 Die Bremer Stadtmusikanten, Nr. 27, S. 145–148 (Ausgabe 1857).  8 Tischchen deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack, Nr.  36, S.  152–156 (Ausgabe Panzer 1947).  9 Tischchen deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack, Nr. 36, S. 155 (Ausgabe Panzer 1947). 10 Vgl. Freud 1966. 11 Das Eselein, Nr. 144, S. 506–508 (Ausgabe Panzer 1947). 12 Überlieferung  : Straßburg, Stadtbibliothek, Ms. argent. Johann C 105 (1870 verbrannt)  ; Abschrift im Nachlass der Brüder Grimm (vgl. Breslau 1997, Teil 1, S. 718). 13 Das Eselein, Nr. 144, S. 508 (Ausgabe Panzer 1947).

Der Eber 

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14 Schmidt 1984 (Die Last des Esels). 15 Schmidt 1984 (Esel in der Löwenhaut). 16 Die folgenden Beobachtungen im Anschluss an Person 2014, S. 19 ff.

Der Eber   1 Einen umfassenden Überblick gibt Klaus Speckenbach 1975.   2 Speckenbach 1975, S. 428–438.   3 Harris 1994, S. 57, Anm. 94. Der Etymachietraktat stellt die sieben Todsünden und spiegelbildlich sieben Tugenden auf Tieren reitend dar und legt mit Hilfe der Eigenschaften dieser Tiere das Wesen der Laster oder Tugenden allegorisch aus.   4 Speckenbach 1975, S. 430, 435, 442 f.   5 Speckenbach 1975, S. 441.   6 Speckenbach 1975, S. 464 f.   7 Friedrich 2009, S. 205.   8 Friedrich 2009, S. 207.   9 Speckenbach 1975, S. 430 u. 426  ; Hieronymus, Commentarii in Danielem prophetam 7,7, Patrologia Latina 25, Sp. 530B. Hieronymus sagt, der Name des Tieres werde verschwiegen, damit man es sich als besonders schrecklich (ferocius) vorstellen könne (nach Speckenbach 1975, S. 426). 10 Vgl. zum Annolied 1991 den Kommentar von Haug, S. 1435, 1437. 11 Ich kann eine »positive Akzentuierung« nicht erkennen  ; »seine eisernen Klauen und Zähne bedeuten seine Unüberwindbarkeit, und das heißt insbesondere seine Unabhängigkeit und Freiheit« (Haug, Kommentar, S. 1437  ; vgl. Herwegs Nachwort in  : Kaiserchronik 2014, S. 432 f.)  ; der Eber bleibt vreisam und vorhtlich. Die positive Deutung geht auf Ohlys (1940/1968) Deutung der Kaiserchronik zurück. Es ist erstaunlich, dass Ohly, der im Allgemeinen die geistliche Tradition als gültigen Interpretationsrahmen volkssprachiger Literatur benutzt, in diesem Fall eine kühne und selbständige Umdeutung der Tradition durch die Volkssprache annimmt, obwohl doch der Zusammenhang mit Hieronymus auf der Hand liegt. 12 Ohly 1940/1968, S. 48. Man wird auch zu bedenken haben, dass die Kaiserchronik eine Chronik der Gewalt und des Unrechts ist, nicht christlicher Vollendung. Eine einhellig geistliche Deutung geht nicht auf. 13 Speckenbach 1975, S. 430. 14 Speckenbach 1975, S. 427 nach Ohly 1940/1968  ; vgl. Haug, Kommentar, S. 432  ; zu Recht sieht Speckenbach die Darstellung der Herrscher Roms im Kontext der zahllosen Ebervergleiche der Heldenepik und der frühhöfischen Dichtung. 15 Speckenbach 1975, S. 449–454. 16 Ich zitiere wegen der leichteren Zugänglichkeit die handliche Ausgabe von Helga Unger trotz ihrer nicht immer nachvollziehbaren Eingriffe in die Graphie des Textes. 17 Kellner 2004, S. 371–471. 18 Zur ›auszeichnenden‹ Funktion der Körpermale Müller 1977. 19 Mittelhochdeutsche Minnelyrik I, 1993, S. 118.

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Anmerkungen

Der Fuchs   1 Goethe hatte den mittelniederdeutschen Text mit Gottscheds Übersetzung vor sich  ; vgl. Schwab 1971, S. 2 f. Ich zitiere Reynke de vos im Folgenden nach der Ausgabe von Friedrich Prien  : Steinberg 1960  ; in der immer noch empfehlenswerten Ausgabe Lübbens (1867) findet sich ein sorgfältig erstelltes Glossar.   2 Vgl. V. 1353–1370.   3 »Schelm«  : Reineke Fuchs 1,14  ; 3,68 u. ö., »Schalk«  : Reineke Fuchs 2,81  ; 3,92 u. ö.; schelmische Taten  : Reineke Fuchs 2,28  ; vgl. dazu auch Schwab 1971, S. 38 f. u. ö.  4 Grimm  : Deutsches Wörterbuch, Bd. 8, Sp. 2509 f. Weitere Abtönungen von Goethes Dichtung gegenüber seiner Vorlage charakterisiert Trunz treffend im Nachwort zu seiner Ausgabe, S. 717–727.   5 Uther 1987 (Art. ›Fuchs‹), Sp. 462.   6 Vgl. Obermaier 2009, S. 16–20, zum Fuchs (und Wolf) im Mittelalter. Die Literatur ist umfangreich, vgl. den Überblick von Pöppinghege 2009 sowie die Zeitschrift Reinardus.   7 Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert.   8 Einige der Berichte Gessners zum Fuchs (Thierbuch, S. 122af.) sind aus Aelians De natura animalium (VI 24, 64) übernommen.   9 Zu Gessners Kompilationsverfahren vgl. Friedrich 1995. 10 Aelian  : De natura animalium, Bd. 2, S. 40 f. (VI 24). 11 Vgl. Uther (= ATU [Aarne/Thompson/Uther]) 2011, Bd. 1, S. 52 (ATU 56A*  : Der Fuchs stellt sich tot, um einen Vogel zu fangen), S. 17 (ATU 2  : Der Fuchs gibt vor, mit seinem Schwanz zu angeln). 12 Physiologus, S. 28 f. (Kap. 15). 13 Aelian schreibt weit mehr als hundert schriftliche Quellen aus (vgl. das Register der Ausgabe von Scholfield, Bd. 3, S. 441–445). Die Fuchspartie in Buch VI (24) nennt allerdings keine zitierte Quelle und bezieht sich stattdessen einmal auf einen Brauch der Thraker, den Fuchs zum Testen der Festigkeit einer Eisdecke einzusetzen – wohl ein charakteristisches Fabulat. 14 Vgl. Uther 2011, Bd. 1, S. 16 f. (zu ATU 1) und S. 17 f. (zu ATU 2). Hier finden sich Hinweise zu den vielen in der Erzählfolklore der Welt belegbaren Varianten dieser beiden Erzählungen. 15 Vgl. zu diesem Erzähltyp Rausmaa 1984 (Art. ›Fischdiebstahl‹). 16 Vgl. zu diesem Erzähltyp Rausmaa 2007 (Art. ›Schwanzfischer‹). Die Erzählung vom Schwanzfischer findet sich auch in den Varianten zu Grimms Kinder- und Hausmärchen (KHM 73, 11822, Bd. 3, S. 128, aus dem Paderbörnischen  : »Der Fuchs lädt den Wolf zum Fischfang ein, indem er seinen Schwanz in den Teich hängen muß, wo er dann festfriert«  ; vgl. Uther 2013, S. 176 f.). Vgl. auch Bolte/Polívka 1963, Bd. 2, S. 111–119. 17 Ein Plot wie der von ATU 1 ist, von dem Jahrhunderte später liegenden Erstnachweis abgesehen, auch sichtlich regional gebunden  : Das Angeln im Eis passt nicht in den Mittelmeerraum. Immerhin dürfte ATU 56A* (»Der Fuchs stellt sich tot, um einen Vogel zu fangen«, s. o. Anm. 11) aus Aelian abgeleitet sein. 18 Neben ATU 56A* ist in einem weiteren Fall der Austausch zwischen fabulierten naturkundlichen Beobachtungen und Erzählfolklore seit dem Mittelalter klar belegt. Gessner  : Thierbuch, S. 122a, berichtet davon, wie der Fuchs lästige Flöhe vertreibt  : Er taucht von der Schwanzspitze an langsam ins Wasser ein, um die Flöhe auf die letzte trockene Körperstelle zu treiben. Von dort lässt er sie, ganz untertauchend, auf ein Heu- oder Wollbündel überspringen. Dasselbe Verfahren erzählt schon Gervasius von Tilbury im 68. Kapitel seiner Otia imperialia (1209–1214) als Zeichen der Klugheit des Fuchses (De astucia vulpis). Vgl. Gervase of Tilbury  : Otia Imperialia,

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S. 690 (III 68). Die scheinbare Beobachtung gerät als Erzählung (= ATU 63) in die Fabelliteratur (Oder stammt sie schon aus ihr  ? Der erste Beleg geht ins 9. Jh. zurück)  ; vgl. Uther 1987 (Art. ›Fuchs und Flöhe‹). 19 Vgl. Pantschatantra, Bd. 1, S. 333. Zum Totstellen beim Fuchs s. die Hinweise von Ernst Voigt auf frühmittelalterliche Belege in  : Ecbasis captivi, S. 57 f. 20 ATU 2 findet sich im Ysengrimus in Buch I, V. 529–II, V. 158. Das zuvor in Buch I, V. 1–528, erzählte Schinkenabenteuer weist strukturelle Parallelen zu ATU 1 auf und kann als Variante behandelt werden, in der allerdings der Fuchs vom Wolf überlistet wird. 21 In unterschiedlicher Zählung sind bis zu 28 Branchen bezeugt. ATU 1 findet sich im Roman de Renart (ed. Martin) in Branche III, V. 1–174, und ATU 2 in Branche III, V. 377–512. In dieser Reihenfolge erscheinen sie oft auch in der Erzählfolklore  ; vgl. Krohn 1889. Das könnte dafür sprechen, dass sie aus dem Roman de Renart oder letztlich aus dem Ysengrimus stammen, wenn sie so nicht schon vorgängig in der Erzählfolklore verbreitet waren. 22 Im Roman de Renart begegnen die Typen ATU 6 (= Perry Nr. 562a  : ›Der Hahn und der Fuchs‹), 31 (= Perry, S. 315  : ›Der Fuchs und die Ziege‹), 41 (= Perry Nr. 24  : ›Der festsitzende Wolf‹), 47B (= Perry Nr. 693  : ›Der unglückliche Wolf, der Fuchs und der Maulesel‹), 50 (= Perry Nr. 585  : ›Der kranke Löwe, der Fuchs und der Bär [Wolf]‹), 51 (= Perry Nr. 339  : ›Der Löwe und seine Jagdpartner‹), 57 (=  Perry Nr.  124  : ›Der Fuchs und die Krähe [der Rabe] mit dem Käse‹), 59 (= Perry Nr. 15  : ›Der Fuchs und die Trauben‹), 62 (= Perry Nr. 671  : ›Der Fuchs und die Taube [Hahn]‹), 77* (= Perry Nr. 641  : ›Der Wolf in der Beichte‹), 100 (= Perry Nr. 701  : ›Der singende Wolf‹) und 122K* (=  Perry Nr.  699  : ›Der Wolf im Unglück‹). Hinter den Typen habe ich die Nummern aus der Klassifizierung äsopischer Fabeln von Perry angegeben (Babrius and Phaedrus [ed. Perry], S. 419–610). Uther 2011 bietet weitere, ausführliche Angaben zu den zugehörigen Verspartien im Roman de Renart sowie zur weiteren Tradierung der Tiererzählungen. 23 Zu Tiererzählungen im mittelalterlichen Schulunterricht vgl. Grubmüller 1977, S. 86–97. 24 So Foulet 1914, Kap. VII und XIII f. Zurückhaltender Sudre 1892, passim. Die hauptsächlich in Frage kommenden Handlungsabschnitte hat Voigt in seiner Ausgabe des Ysengrimus, S. LXXIX f., mit den Stellenangaben aufgeführt  : Fuchs und Hahn, die Schinkenteilung, den Fischfang, den Hoftag des kranken Löwen. 25 Vgl. den Überblick zu den Episoden bei Kraproth 2004 (Art. ›Roman de Renart‹), Sp. 795–803. 26 Vgl. schon Grimm  : Reinhart Fuchs, S.  CCLXXIX f. Auf die Parallelen zwischen europäischen und indischen Fabelerzählungen hat dann Benfey (Pantschatantra) seine »Indische Theorie« gestützt (s. dagegen aber schon Grimm  : Reinhart Fuchs, S. CCXCIV), die besagt, dass sich neben Fabeln auch andere Erzählungsgattungen von Indien ausgehend nach Europa verbreitet haben. Solche Parallelen werden bei Uther 2011, S.  1–69, zu den Fuchserzählungen mit aufgeführt. Über die Verbreitungswege ist aber wohl schon deshalb wenig Verbindliches auszusagen, weil sich kaum abschätzen lässt, was der bis nach Indien geführte Alexanderzug für die Verbreitung mündlicher Erzählstoffe bedeutet hat. 27 Benfey (Pantschatantra, S. XXVI) hat die Mischtradierung, aus der Schriftliteratur ins Mündliche laufend und wieder zurück (bzw. umgekehrt), besonders betont  ; so auch schon Grimm 1840, S. 3 f. Dies ist für den Roman de Renart in Zweifel gezogen worden von Foulet 1914, bes. Kap. XXI. Vgl. dazu Lodge/Varty 1981. Die Diskussion fasst Knapp 2013, S.  202–208, für den Roman de Renart noch einmal zusammen, indem er mit einer konstitutiven Rolle der Mündlichkeit rechnet. 28 Vgl. Anm. 17. 29 Vgl. Grimm  : Reinhart Fuchs, S. CCXCIVf. Genauer und zutreffender heißt es vorher, dass das mittelalterliche Tierepos »in den Niederlanden, dem nördlichen Frankreich und westlichen

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Anmerkungen

Deutschland [erblühte]« (S. XVI). Die methodische Fixierung auf die Aussagekraft von Namensetymologien verdankt Grimm der Mythos-Forschung um 1800, wie man seinen »Gedanken über Mythos, Epos und Geschichte« mit z. T. abenteuerlichen Etymologien entnehmen kann. Sicher schafft die Namengebung für den Fuchs eine Anlaufstelle für Fuchserzählungen, aber ebenso sicher gibt es Fuchserzählungen auch schon zuvor. 30 Vgl. Grimm  : Reinhart Fuchs mit Ausgaben des Ysengrimus abbreviatus, des mittelhochdeutschen Reinhart Fuchs, der mittelniederländischen Dichtung Van den vos Reynaerde sowie weiteren Fuchserzählungen. 31 So die ›folkloristischen‹ Annahmen etwa von Krohn 1889, S. 67, 117 f. und passim, und Dähnhardt (Natursagen, Bd. 4, S. 252–258, mit weiteren Beispielen). Beide halten das Auftauchen der zyklischen Form in den mittelalterlichen Tierdichtungen nicht für primär, was die mündlichen Märchenzyklen in Nordeuropa anbetrifft. 32 Es handelt sich um Märchen Nr.  37. Auch die Trickster-Erzählungen verschiedener Kulturen, die ja oft ihrerseits den Fuchs oder mit dem Fuchs verwandte Tiere als Protagonisten einsetzen, finden zu ihrer zyklischen Form bereits in der Mündlichkeit. Vgl. Geider 2010 (Art. ›Trickster‹), Sp. 913–924. 33 Anders noch in den Äsop zugeschriebenen Fuchs- und Löwenfabeln (Fabulae Aesopicae collectae, Nr. 30–47 sowie 240–263), die in der Regel mit »ein Fuchs« (Ἀλόπηξ) und »ein Löwe« (Λέων) und einmal explizit mit Λέων τις (Nr. 242) beginnen und voneinander isoliert bleiben. Der zyklische Tierschwank der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen (KHM 73), der mit »Der Wolf hatte den Fuchs bei sich […]« beginnt, verteilt dagegen die drei Schwankhandlungen mit denselben Protagonisten auf drei aufeinander folgende Tage. Die im Folgenden angesprochenen Fuchserzählungen werden in der Erzählfolklore fast sämtlich nicht isoliert erzählt, sondern in immer wieder anderen zyklischen Kombinationen. 34 Diese Namen von Wolf und Fuchs begegnen zuerst im Ysengrimus (ebenso wie »Bruno« für den Bären und »Belin« für den Schafsbock), könnten aber auch schon vorher eingebürgert gewesen sein. Zu einer vorgängigen mündlichen Tradition, in der auch die konstitutive Feindschaft zwischen Fuchs und Wolf schon bekannt war, vgl. Jauss 1959, S. 104 ff. In Schwärmen, Meuten, Herden und selbst einzeln auftretende Raubtiere bleiben in der Mündlichkeit in der Regel namenlos, in der Tierdichtung begegnen sie dann individualisiert und erhalten Namen. 35 Ich folge dem Usus der deutschen Forschung, den Roman de Renart nach der Ausgabe von Ernst Martin zu zitieren und sich ihrer Branchenreihung anzuschließen, obwohl es angesichts der großen Varianz der Handschriften, auch in der Zählung und Reihung der Branchen, mittlerweile eine Vielzahl von Ausgaben gibt. Ich verweise nur auf die Pléiade-Ausgabe (Roman de Renart, ed. Strubel, mit einer tabellarischen Konkordanz zu abweichenden Branchenreihenfolgen der Handschriften auf S. LXXX). Die frühen Branchen, deren Feststellung sich auch am mittelhochdeutschen Reinhart Fuchs bemessen hat (vgl. Büttner 1891), sind bequem zugänglich  : Roman de Renart (ed. Jauss-Meyer). 36 Die Überlieferung des Roman de Renart hat die Abfolge der Branchen II, III, IV und Va unterschiedlich behandelt. Von der Handlungslogik her spricht einiges dafür, dass Branche Va sich direkt an Branche II anschließen sollte, III und IV aber selbstständige Einschübe darstellten. 37 Der deutsche Reinhart Fuchs, dessen Dichter eine frühe Handschrift des Roman de Renart vorliegen haben musste, stellt Branche Va erst nach Branche III und IV. 38 Vgl. Fabeln der Antike, S. 110 f. Vgl. Uther 2011, S. 44 f., mit Angaben zur breiten schriftlichen und mündlichen Tradierung der Fabel seit dem Mittelalter, außerdem Kawan 1996 (Art. ›Löwe  : Der kranke L.‹).

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39 Die äsopische Fabel wird in der Binnenerzählung der Ecbasis captivi, V. 392–1097, breit auserzählt, zwar nicht als Klammer mehrerer Fuchserzählungen, aber doch stark angereichert. Zum vermuteten Einfluss der Ecbasis captivi auf die mittelalterliche Tierdichtung Jauss 1959, S. 77–93. 40 Ysengrimus III, V. 1–1198. Vgl. dazu auch Jauss 1959, S. 104 f. 41 Vgl. auch ATU 53. Der auf dem Hoftag der Tiere gegen den Fuchs wegen seiner Schandtaten wiederaufgenommene Prozess schließt sich an die Branche II des Roman de Renart organisch an. In Branche II wiederum liegt der (erste) Prozess gegen Renart aufgrund seiner Taten motivisch nahe. Deshalb mag es keinen Grund geben, nach einer Herkunft des Motivs zu suchen. Nun hat aber schon Benfey (Pantschatantra, Bd.  1, S.  297–299) darauf hingewiesen, dass das Prozess-Motiv in den arabischen Übersetzungen des Pañcatantra ab ca. 750 (öfter unter dem Titel Kalila und Dimna) und ihren Ausflüssen vorlag  : Hier wird nämlich dem Fuchs (bzw. Schakal) Dimna wegen seiner Heimtücke der Prozess gemacht. Allerdings liegt die erste (zwischen 1263 und 1278 unter dem Titel Directorium vitae humanae angefertigte) Übersetzung ins Lateinische erst längere Zeit nach der Entstehung des Roman de Renart vor  : Johannes von Capua  : Beispiele der alten Weisen, S. 132–171 (Kap. 3), mit der inquisitio cause Dimne. Sollte es hier zu einer Motivwanderung gekommen sein, so wäre ggf. mit einem anderen Tradierungsweg aus dem Orient oder über Spanien zu rechnen. 42 Vgl. auch Goossens 1996, der auf die verschiedenen Erzählungen vom Hoftag des Löwen eingeht. 43 So stellt Ysengrin (in I, V. 29–43) den Ablauf der Ereignisse nicht ganz korrekt so dar, wie er sich nach den anderen Branchen vollzog, was aber Absicht des Dichters sein kann. Außerdem schließt der Prozess an Dinge an, die erst später erzählt werden. 44 Eine genauere und detaillierte tabellarische Synopse des Handlungsaufbaus des Renart sowie des Reinhart bei Büttner 1891, S. 64, und im Anschluss daran bei Ruh 1980, S. 22. Vgl. detaillierter auch Knapp 2013, S. 210–217. – Zur Überlieferung des Reinhart vgl. Düwel 1981. Ich zitiere die Ausgabe von Düwel. 45 Einen minutiösen tabellarischen Vergleich des im Folgenden skizzierten Handlungsverlaufs vom Reinhart Fuchs mit dem Roman de Renart bietet Knapp 2013, S. 210–217. Ich gebe in der Skizze des Handlungsverlaufs zu den Textpartien aus dem Reinhart die Parallelen in der Erzählfolklore nach ATU und in den Anmerkungen die zugehörigen Artikel aus der Enzyklopädie des Märchens (EM) an. 46 ATU 61, vgl. Reichl 1987 (Art. ›Fuchs und Hahn‹)  ; ATU 6, vgl. Steinbauer 2010 (Art. ›Überreden zum Sprechen, Singen etc.‹). 47 ATU 57  ; vgl. Lieb 2004 (Art. ›Rabe und Käse‹). 48 Ähnlich ATU 30. Üblicherweise ist bei diesem Erzähltyp der Fuchs derjenige, der einen Partner in eine Falle tappen lässt. Dass er in dieser Episode des Reinhart die Rolle wechselt, macht deutlich, dass hier Misserfolgsepisoden für den Fuchs gesammelt und dazu die Rollen ausgetauscht werden. Vgl. zum Typ Lieb 2004 (Art. ›Rettung aus dem Brunnen‹), zu ATU 30, Sp. 614 f. Vergleichbare Austausche und Rollenwechsel sind häufig zu beobachten  ; so erscheint in den mittelalterlichen Fuchsdichtungen nicht der Bär, sondern der Wolf als Schwanzfischer. 49 ATU 100, vgl. Järf 2014 (Art. ›Wolf  : Der singende W.‹). 50 Der Reinhart Fuchs erzählt den ersten sexuellen Kontakt zwischen Reinhart und der Wölfin nur als Gegenstand der Nachrede eines vorgeblichen Augenzeugen, was Ysengrin besonders verletzen muss. Eine besondere Pointe besteht in der genussvoll obszönen Darstellung des Vorgangs (vgl. V. 583–590). 51 Vgl. Dicke/Grubmüller 1987, S. 735–738 (Nr. 634  : ›Wolf als Mönch‹). 52 ATU 2.

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Anmerkungen

53 ATU 34  ; vgl. Lieb 2007 (Art. ›Spiegelbild im Wasser‹). 54 ATU 32. 55 ATU 53. 56 ATU 36  ; vgl. Huse 1987 (Art. ›Fuchs vergewaltigt die Bärin‹). 57 ATU 50. Siehe hierzu auch Anm. 38 f. Erklärungsbedürftig bleibt (so schon Grimm  : Reinhart Fuchs, S. CXXXIX, dann wieder Jauss 1959, S. 293, Anm. 1), dass hier gegen den Roman de Renart, der die Krankheit des Löwen in der 10. Branche nur noch als Folge des Prozesses aufgreift (vgl. Büttner 1891, S. 49 f.), die Krankheit im Reinhart Fuchs zur Einberufung des Hoftags führt. Dies ist nur dadurch zu erklären, dass Heinrich den Erzähltyp ATU 50 (›Der kranke Löwe‹) von irgendwoher kannte. Goossens 1983, S.  188 f., vermutet bei Heinrich eine  – ggf. vermittelte  – Kenntnis des Ysengrimus. 58 ATU 38  ; vgl. Breitkreuz 1981 (Art. ›Einklemmen unholder Wesen‹). 59 ATU 50. 60 Zum Reinhart Fuchs als Rechtssatire vgl. umfassend Widmaier 1993, bes. Kap.  5. Akribischer noch geht Janz (1993) einer Reihe von im Reinhart gespiegelten Rechtsinstituten nach. 61 Auf die wohlbedachte Struktur des Reinhart, wonach sich Reinhart vom einfachen Hühnerdieb zum teuflischen Verursacher einer gesellschaftlichen Katastrophe entwickelt, hat zuerst Baesecke (1927, bes. S. 8 f.) hingewiesen. Eine Vielfalt angespielter politischer Verhaltenserwartungen und Konventionen diskutiert vor ihrem historischen Hintergrund Broekmann 1998. 62 Im Reinhart Fuchs sind in der Reihenfolge von ATU die Typen ATU 2, 6, 30, 32, 34, 36, 38, 50, 53, 57, 61 und 100 realisiert. Davon überschneiden sich ATU 6, 50, 57 und 100 mit der äsopischen Fabelüberlieferung  ; s. oben Anm. 22. 63 Vgl. eine Reihe von Typennachweisen bei Kraproth 2004 (Art. ›Roman de Renart‹), Sp. 796–799. 64 Sein besonders akribischer Herausgeber Voigt fällte ein durch viele Beobachtungen an Stil, Wortwahl und Inhalt gewonnenes Urteil  : »Gewährt […] das Gedicht selbst keinen zuverlässigen Anhalt für die Annahme einer schriftlichen Quelle, so weist anderseits alles auf mündliche Tradition hin« (Ysengrimus, S. LXXXVI). Die erstbelegten Erzähltypen führt Voigt in einer auf S.  LXXIX–LXXXV vorgenommenen Zusammenstellung der einzelnen Episoden mit auf. Vgl. die ausführlichere Liste bei Knapp 1979, S. 66 f. 65 Vgl. als umfängliche Aufarbeitung dieser Sammlungen Dicke/Grubmüller 1987. 66 Knapp 2013, S. 202 f., verweist zu Recht auf den zu wenig erforschten Aspekt der Mündlichkeit in der Tierdichtung, auch wenn es sicher nicht leicht ist, hier etwas zu beweisen. Der Überblick von Müller 2016, S. 295–334, hat solche Lücken nicht im Blick und wird dem Gegenstand mittelalterlicher Mündlichkeit nicht gerecht, da er sich weitgehend auf Vortragsmündlichkeit beschränkt. 67 Wenn er über Goethes Übersetzung auch in die Weltliteratur eingegangen ist, stellt er seinerseits nicht mehr als eine über weite Strecken wörtliche Übersetzung aus dem Mittelniederländischen dar. Vgl. Reynaerts historie (ed. Goossens)  ; vgl. auch die Ausgabe und Übersetzung von Rita Schlusemann. 68 Aus dem Roman de Renart wird in der Verteidigungsrede des Dachses Grymbart am Hof neben dem Schinkenabenteuer (Reynke des vos, V.  200–220) auch ATU 1, der Fischdiebstahl (ebd., V. 168–198), erzählt. Vgl. auch oben Anm. 16 f. In der Beichte Reynkes finden sich weitere neue Plottypen, darunter ATU 41 ›Wolf im Keller‹ (ebd., V. 1453–1533  ; siehe dazu Kawan 2014, Art. ›Wolf im Keller‹), der Fischdiebstahl in der gewöhnlichen Form (ebd., V. 1451 f., nur angedeutet) sowie der Wolf als Mönch (ebd., V. 1418–1449  ; zu diesem Plottyp Anm. 51). Einen ausführlichen Vergleich der mittelbaren Vorlage des Reynke, des Van den vos Reynaerde (s. die folgende Anm.), mit dem Roman de Renart bei Knapp 2013, S. 233–258.

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69 Die Deszendenz stellt sich – mit möglicherweise weiteren Zwischenträgern – folgendermaßen dar  : Ein nicht weiter bekannter Willem greift vor 1270 in Van den vos Reynaerde auf die erste Branche des Roman de Renart zurück, die er vielfach erweitert und neu dichtet. Dieser Text wird in partieller Bearbeitung, oft aber auch nahezu wortgetreu als erstes Buch in eine Erweiterung auf vier Bücher integriert  : Reynaerts historie (wohl in der ersten Hälfte des 15. Jhs.). Reynaerts historie liegt in einer Bearbeitung eines Hinrek von Alckmer dem mittelniederdeutschen Reynke de vos zugrunde, der wiederum eine Übersetzung und partielle Bearbeitung darstellt. Beschränkt man sich auf eine Analyse des ersten Buchs des Reynke, so hat man es strukturell, oft auch dem Wortlaut nach mindestens mit einer Dreiheit von je leicht variierenden Texten zu tun. Interpretiert man einzelne Episoden, so sind sie in der Regel jeweils dem genannten Willem mit seinem Van den vos Reynaerde zuzurechnen. Genauere Hinweise bei Goossens 1992 (Art. ›Reynke de Vos‹). 70 Vgl. Janz 1994. 71 Vgl. ATU 77*. 72 Entsprechend geht es ihm auch in Reynaerts historie, V. 3469 f., an den Kragen  ; in Van den vos Reynaerde fehlt die Tötung dagegen noch. 73 Vgl. zu den folgenden Büchern des Reynke Düwel 2004 (Art. ›Reineke Fuchs‹), Sp. 491 f., sowie Goossens 1992 (Art. ›Reynke de Vos‹), Sp. 13 f. 74 Vgl. zuerst Jauss 1959, S. 260 f., 276 f. und 284 f., zum Reinhart im Vergleich zum Renart. 75 Vgl. Janz 1994 und Honemann 2007, S. 47–62. 76 Dies schließt sich an Reynaerts historie, V. 7770–7776, an. 77 Van den vos Reynaerde, V. 32–39  : Al begripic die grongaerde / Ende die dorpren ende die doren, / Ic wille dat die ghene horen / Die gherne pleghen der eeren / Ende haren zin daer toe keeren / Datsi leven hoofschelike, / Sijn si arem, sijn si rike, / Diet verstaen met goeden sinne (»Auch wenn ich gegen die Nörgler, die Tölpel und die Narren bin, will ich doch, dass die [diese Geschichte von Reynaerde, Rückbezug auf V. 31] jene Leute hören, die sich gern um ihre Ehre bemühen und ihr Sinnen darauf richten, dass sie höfisch leben, ob sie nun arm oder reich sind, die es in guter Absicht aufnehmen«). Die Verse sind in Anbetracht des nachfolgenden Textes wohl sarkastisch zu verstehen. 78 Vgl. zuerst Schwab 1967. 79 Die sozialgeschichtliche Interpretation des Reynke fasst Kokott 1981 zusammen. 80 Vgl. zur primären Rezeption des Reynke  : Menke 1980, S. 252 f., mit kritischem Bezug auf Jacob Grimm. 81 So schon Grimm (Reinhart Fuchs, S. XIIf. u. ö.), der die didaktische Zurichtung von Fabeln wohl zu Recht für eine sekundäre Indienstnahme hält. 82 Seit der Aufklärungspädagogik gilt die Fabel als für Kinderohren besonders geeignet. Als Beispiel für ihr Weiterleben verweise ich nur auf Bolliger 1993. Die äsopische Fabel vom kranken Löwen findet sich hier auf S. 61 f. Weiteres findet sich über die vielen Internetadressen zu Fabeln. 83 In diese Richtung scheint mir auch Kokott 1997 zu argumentieren. 84 Friedrich 2009. 85 Die Hervorhebung des Beginns von Absätzen stammt von Grimm. 86 Vgl. zum Begriff des komischen Kontrasts im Anschluss u. a. an Horaz  : Flögel 1976, Bd. 1, S. 44 (Kap. VII–XVII) und passim. Rezipiert wird der Begriff dann bei Vischer 1837, S. 177 f., und u. a. wieder bei Bergson 1972, S. 33 u. ö. Kindt 2011, Kap. 1.4, verbucht den komischen Kontrast unter dem Oberbegriff der Inkongruenz.

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Anmerkungen

Der Wolf  1 Naturalis historia VIII.34.80  : luporum visus esse noxius vocemque homini, quem priores contemplentur, adimere ad praesens. Plinius referiert hier eine in Italien verbreitete Auffassung (S. 71). Einen älteren Beleg bieten Vergils Bucolica (früher meist Eklogen) aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert (Bucolica VIII.53 f.).   2 Abbildung  : Bestiarium aus Rochester, Britsh Library Royal MS F XIII, fol. 29r. Vgl. Isidor  : Enzyklopädie XII.23, S. 459. Rabanus Maurus (De universo VIII.1, Patrologia Latina 111, Sp. 223) fügt im 9.  Jh. hinzu, dies werde von Bauern erzählt (rustici aiunt). Die beschriebene Gegenmaßnahme findet sich weder dort noch bei Plinius oder Isidor, ist aber schon im Aberdeener Bestiarium (um 1200, Aberdeen University Library MS 24, fol. 17v) enthalten. Vgl. auch Book of Beasts 1960, S. 58–60. Zur Wolfskunde und -deutung mittelalterlicher Bestiarien zusammenfassend Pluskowski 2006, S. 129 f.  3 Hobbes wandelt in seiner Widmung des Traktats De Cive (1642) eine Formulierung aus Plautus’ Asinaria, einer Komödie des 3.  Jhs. v.  Chr., ab und bezieht sich dabei auf das Verhältnis von Staaten, nicht Individuen.   4 Zu mittelalterlichen Konzeptionen des Doppelgängers vgl. von Bloh 2005.   5 Rabanus Maurus schreibt, dass er den Teufel bezeichne, von dem es im Evangelium heißt, dass er Schafe raubt und auseinandertreibt (De universo VIII.1, Patrologia Latina 111, Sp. 223  : Nam aut diabolum significat, ut est illud in evangelio  : Lupus rapit et dispergit oves). Im Bestiarium von Aberdeen  : Lupi figuram diabolus portat (der Teufel trägt die Gestalt des Wolfs  ; fol. 17r). Vgl. auch Book of Beasts 1960, S. 60. Gregor der Große  : Etaix 1999, S. 98. Thietmar von Merseburg u. a.: Grimm 1844, S. 948. Zur Analogisierung von Wolf und Teufel auch Scheibelreiter 1983, S. 157, Gschwantler 1990, S. 514 f., S. 532.   6 Vgl. Köbler  : Althochdeutsches Wörterbuch, warg (1)  ; BMZ  : warc. Dieser erweiterte Sprachgebrauch erklärt, warum es sogar von Christus, der sich als Kind übermenschlich weise zeigt, heißen kann  : Dune bist niht chint, du bist ein warc (Konrad von Fußesbrunnen  : Kindheit Jesu, V. 2986  : »Du bist kein Kind, du bist ein warc«). – Zur Bezeichnung des Wolfs werden, wie für den Teufel, bis weit in die Neuzeit auch Euphemismen und Decknamen verwendet, womit ein Herbeirufen des Wolfs vermieden werden soll (vgl. Grimm 1865, S. 214 f.).   7 Zur Wolfsjagd und Ausrottung der Wölfe vgl. Bernard 1983, S. 53–87, bes. S. 76 (zum Amt der königlichen Wolfsjäger seit Karl dem Großen)  ; Pluskowski 2006, S. 94–109.   8 So z. B. in der altenglischen Bibeldichtung Exodus (Z. 162–167). Zu den ›Tieren des Schlachtfelds‹ (englisch beasts of battle) vgl. Magoun 1955, Honegger 1998. In der altisländischen Literatur ist das Motiv ebenfalls weit verbreitet  : Vgl. die Stellenbelege bei Meissner 1984, S. 118 f., sowie Jesch 2002, die die Verherrlichung des Kriegshelden in der skandinavischen Verwendung des Motivs hervorhebt (S.  254). Zum Raben vgl. auch den Beitrag von Silke Winst in diesem Band.   9 In seinen Überlegungen zu mythischen Denkformen benennt Ernst Cassirer, ausgehend von der konkret-bildhaften ›Einheit das Verschiedenen‹, das Prinzip der Konkreszenz bzw. der Koinzidenz, das auch im ›Zusammenwachsen von Beziehungsgliedern‹ besteht (Cassirer 2010, S. 76– 79, S. 131–133 zur Zeitordnung). 10 Vgl. grundlegend Strauch 1998 (HRG 1) sowie Jacoby 1974, Schmidt-Wiegand 1978  ; zum Gebrauch im altisländischen Recht Gerstein 1974, S. 137–139. 11 Hiltmann 2013, S. 153. Ob es sich bei den an Ragnarök beteiligten Wölfen um Fenrir selbst oder dessen Nachfahren handelt, geht aus dem Text der Völuspá nicht eindeutig hervor. In der Prosa-­

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Edda werden Sköll und Hati als Nachfahren Fenrirs zu den Verschlingern von Sonne und Mond erklärt (Gylfaginning 12). Zum Fenriswolf vgl. weiter Vafðrúðnismál, Str. 46 f., 53  ; die Geschichte der Herkunft und Fesselung Fenrirs führt Snorri in der Prosa-Edda aus (Gylfaginning 34). 12 Vgl. Cassirer 2010, S. 131. 13 Ursprung und Deutung dieser Beinamen gestalten sich außerordentlich komplex, zumal Lykeios früher meist von lukos (Licht) abgeleitet wurde  : Einen Überblick gibt Graf 2009, S. 97–100  ; vgl. Brown 1982, S. 63. Zu Letos Verwandlung in eine Wölfin vgl. Aristoteles  : Historia Animalium VI.29, 580a  ; zu Letos Freundschaft mit den Wölfen von Lykia Antoninus Liberalis  : Metamorphosen 35. 14 Zu Zeus Lykaios sowie zum Lykaon-Mythos vgl. Cook 1914, S.  70–81, und Burkert 1972  ; zu Lykaon auch Bynum 2001, S.  166–170. Auf der Grundlage von Varro referiert nach Plinius (VIII.81 f.) auch Augustinus die arkadische Wolfsverwandlung im Gottesstaat (De civitate Dei XVIII.17). 15 Topographia Hibernica II.xix, S. 101–105  ; eine ins Englische übersetzte Kurzfassung bei O’Meara 1982, S. 69–72. Vgl. weiter Bynum 2001, S. 105–109, Friedrich 2009, S. 128 f. 16 Topographia Hibernica II.xix, S.  105  : und dies, obwohl der Wolfsmann seiner sterbenden Gefährtin das Fell bis zum Nabel herunterzieht und darunter die Gestalt einer alten Frau zum Vorschein kommt (S.  103). Der Illustrator einer Topographia-Handschrift, die um 1196–1223 entstand und sich in der British Library befindet (Royal MS 13 B.viii, fol. 18r), hat sich jedoch entschieden  : Er präsentiert ausschließlich Wölfe, keine Mischwesen. 17 Vgl. Nitschke 1995, S. 76–78, mit Textbeispielen. 18 Vgl. auch Z. 145–147  : Wæs eac micel wundor þæt an wulf wearð asend, / þurh Godes wissunge to bewerigenne þæt heafod / wið þa oþre deor ofer dæg and niht. (»Es war ein großes Wunder, dass ein Wolf gesandt wurde auf Gottes Weisung, das Haupt vor anderen Tieren zu schützen, bei Tag und bei Nacht.«) Ähnliches wird im 13. Jh. in einer Legende vom heiligen Alban, dem ersten englischen Märtyer, erzählt, wobei zum Wolf ein Adler tritt (vgl. Pluskowski 2006, S. 169). 19 Vgl. dazu Bynum 1995, S. 43–51. 20 Heiliger Ciaran  : Vita sancti Ciarani episcopi de Saigir V, S.  219. Heiliger Molua  : Vita sancti Moluae abbatis de Cluian Ferta Moluae XXXIII, S.  217 f. Auch zu Maedoc und Coerngen vgl. Nitschke 1995, S. 83–90, mit weiteren Beispielen. 21 Hervé und Remaclus verloren je einen Esel. Der heilige Kentigern hatte das Ochsengespann bereits durch Hirsche ersetzt, von denen einer dem Wolf zum Opfer fiel. Hl. Hervé (Hoarvé/Hervaeus)  : La vie de Saint Hervé, S. 234, vgl. de La Borderie 1891, S. 261 f. Hl. Remacle (Remaclus)  : Légende de St. Remacle et du loup (Zéliqzon 1899), S. 509 f., Baix 1952, S. 45–48. Hl. Kentigern (oder Mungo)  : Jocelinus von Furness  : Vita Kentigerni (um 1185), Kap. 20, S. 193–195. 22 Heiliger Loup (Lupus)  : vgl. Lair 1863, S. 287–295, hier S. 289. 23 Fioretti di San Francesco XXI, S. 54  : levasi su santo Francesco e predica loro dicendo, […] come […] troppo è più pericolosa la fiamma dello inferno la quale ci ha a durare eternalemente alli dannati, che non è la rabbia dello lupo, il quale non può uccidere se non il corpo  : quanto ee dunque da temere la bocca dello inferno, quando tanta moltitudine tiene in paura e in tremore la bocca d’un piccolo animale. 24 Leges Edwardi Confessoris, S. 631  : [6.2a] Lupinum enim gerit caput a die utlagationis sue, quod ab Anglis uulfesheued nominatur. [6.2b] Et hec sententia communis est de omnibus utlagis. In den lateinischen Text ist die altenglische Bezeichnung wulfes heofod eingefügt, womit auf den schon üblichen Begriffsgebrauch in der Volkssprache verwiesen wird. Zur Ächtung vgl. grundlegend Battenberg 2008 (HRG 1) sowie Lundgreen 1995 (RGA 9).

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Anmerkungen

25 Bracton  : De Legibus et Consuetudinibus Angliae Lib. 4.11  ; Bd. 2, S. 354  : ex tunc enim gerunt caput lupinum ita quod sine iudiciali inquisitione pereunt, et secum suum portent iudicium et merito sine lege pereant qui secundum legem vivere recusaverunt. – Vgl. Jones 2010, S. 27  : »Through this figurative metamorphosis, the outlaw was transformed from a human being who had broken the law […] into a wild beast that threatened human society by its very nature and deserved to be exterminated.« Dies entsprach im späteren Mittelalter freilich nicht mehr der Realität  : Nach einem Erlass König Edwards III. von 1328 durften ausschließlich Gerichte die Hinrichtung eines Outlaws verfügen. Vgl. weiter Bellamy 1973, S. 104–114, Stewart 2009, Jones 2010, S. 14–28. Zur Verbindung von Wolf und Rechtsbrecher vgl. Koschorreck 2010, S. 25–32. 26 Vgl. Lex Salica tit. 55, § 2, wo mit der Formulierung wargus sit ebenfalls der Geächtete bezeichnet wird (dazu Schmidt-Wiegand 1994, S.  258). Zum altisländischen vargr vgl. Fußnote 10 sowie Hiltmann 2013, S. 155 f., Guðmundsdóttir 2007, S. 282 f. Die jeweilige Bedeutung lässt sich nicht immer zweifelsfrei ermitteln, fallweise kann beides mitschwingen. 27 Vor dem Hintergrund vielfacher Rechtsbrüche wird das Verhalten dieser drei Gesellen weiter präzisiert  : Wolvesguome wendet sich gegen die eigenen Verwandten und unterscheidet nicht zwischen Fremden und Vertrauten, Wolvesdrüzzel bricht bei seinen Räubereien jedes Schloss auf, und der Sinn des unersättlichen Wolvesdarm strebt einzig nach Übeltaten (Helmbrecht, V. 1195– 1230). Auf maßlose Gier, so weiß Helmbrechts Schwester Gotelind, steht aber die Höllenstrafe  : diu girischheit ze helle / in daz abgründe / vellet von der sünde (V. 1596–1598). Über âht und ban (V. 1019  : Ächtung und Verbannung) spotte man, so Helmbrecht, in der Gegenwart nur. 28 Zuvor wird Helmbrechts prunkvoll geschmückte Haube mit schonungsloser Gewalt zerfetzt, sein üppiges Haar wird ihm ausgerissen (V. 1880–1900). Haube und Haar dienten Helmbrecht zu Beginn der Erzählung aber als Ausweis seiner adligen Bestimmung  ; mit ihrer Vernichtung wird daher, ebenso grausam wie bildhaft, die Übertretung der Standesgrenzen gestraft. 29 Im Helmbrecht können weltliche Strafprozeduren den exzessiven Regelverletzungen und Gewalttaten nicht mehr entsprechen  : Daher werden die verübten Verbrechen und die Tötung Helmbrechts, dem man noch die Sterbesakramente erteilt (V. 1902–1909), in den Kontext göttlicher Gerechtigkeit gestellt (vgl. V. 1863–1865). Zum Recht im Helmbrecht vgl. Hüpper 1992. 30 Fouke le fitz Waryn, S. 11 f. sowie S. 179  : En Bretaigne la Graunde / Un lou vendra de la Blaunche-Launde  ; / xii. dentz avera aguz, / Sys desouz e sis desus. / Cely avera si fer regard, / Qu’il enchacera le leopard / Hors de la Blaunche-Launde  ; / Tant avera force e vertue graunde. […] Mès nus le savom qe Merlyn / Le dit pa le fitz Waryn (»In Großbritannien soll ein Wolf aus Blaunche-Lande [Whittington] kommen, mit zwölf scharfen Zähnen, sechs oben und sechs unten. So grimmig wird sein Blick sein, dass er den Leoparden aus Blaunche-Launde vertreibt  ; so große Stärke und Tüchtigkeit wird er haben. […] Wir wissen aber, dass Merlin dies über den fitz [Sohn von] Waryn gesagt hat«). Vgl. dazu Jones 2010, S. 28, sowie einführend zum Text Keen 2000, S. 39–52. 31 Herewards Jugend und Ächtung  : Gesta Herewardi II, S. 9 f.; Kampf gegen den Bären  : III, S. 11 f. 32 Ausschließlich diese Episode ist für den historischen Hereward durch die Angelsächsische Chronik (9.–12. Jh.) belegt (vgl. Keen 2000, S. 12). 33 Dass candelæ nympharum hier mit Elfenflammen (oder -kerzen) zu übersetzen ist, kann durch altenglische Glossierungen des lateinischen nymphae plausibel gemacht werden  : vgl. zu den Glossen Hall 2007, S. 78–83. In seiner Naturalis historia II.101 (S. 82) beschreibt Plinius ähnliche Lichterscheinungen  : Ihr Ursprung liege in der ›Majestät der Natur‹ verborgen (omnia incerta ratione et in naturae maiestate abdita). In altisländischen Sagas erscheinen feurige Lichter über oder bei Grabhügeln (vgl. Grettis saga 18.5  ; Hervarar saga ok Heiðreks 4, S. 17 f., S. 22). Geisterhafte Lichter dieser Art sind in der Volksüberlieferung der Neuzeit reich belegt und werden je

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nach Kontext als Seelen Verstorbener gedeutet oder übernatürlichen Wesen zugeschrieben, die Menschen damit auf Irrwege führen (vgl. Newell 1904). Bei den Gesta Herewardi scheint es sich um den ältesten erhaltenen Text des Mittelalters zu handeln, der einem derartigen Phänomen übernatürliche Ursprünge zuschreibt. 34 Keen 2000, S.  20, schreibt die nächtlichen Ereignisse Petrus zu. Im Vergleich mit der Erzählung von Franziskus und dem Wolf von Gubbio drängen sich allerdings deutliche Unterschiede auf, denn die Gesta Herewardi geben keinen Hinweis auf das Wirken göttlicher Macht (auch wenn die Outlaws im Anschluss Gott danken). Die Gestalt in Herewards Vision ist weiterhin schrecken­erregend und droht ausschließlich Strafe für den Klosterraub an  : Dass eine Entlohnung für die geforderte Wiedergutmachung erfolgen könnte, zeichnet sich nirgends ab. 35 Die weiße Fellfarbe könnte auf Andersweltvorstellungen keltischen Ursprungs hindeuten  : Im kymrischen Pwyll Pendefig Dyfed leiten die weißen Hunde des Andersweltherrschers Arawn den Übertritt nach Annwn ein. Im altfranzösischen Graelent, der wohl auf bretonische Überlieferungen zurückgreift, führt eine weiße Hirschkuh den Protagonisten zur Fee (vgl. Cross 1915). 36 Vgl. etwa Nibelungenlied B 2246,1, 2257,1, 2268,3, 2290,2. Im Rosengarten zu Worms verkörpert der tobende Wolfhart den heroischen Radikaltypus ungebremster Gewalt. 37 Vgl. die ausführlichen Belege bei Förstemann 1856, Sp. 1339–1357, weiter McCone 1987, S. 104 f. (zu Homer S.  122), Sundqvist/Hultgård 2004, Jochum-Godglück 2011 sowie den Beitrag von Wolfgang Haubrichs in diesem Band. 38 Der Begriff úlfhéðnar (Sg. úlfhéðinn) setzt sich aus ›Wolf‹ und ›Pelz(gewand)‹ zusammen und begegnet unter anderem in der Vatnsdœla saga und der Grettis saga. Eine Übersicht bietet Hiltmann 2013, S.  157–166, der auch hervorhebt, dass sich mit dem Wolfskriegertum spezifische Männlichkeitskonstruktionen verbinden (S.  165). Vgl. weiter Guðmundsdóttir 2007, S.  283– 287  ; zur Rekonstruktion einer frühen Tierkriegerkultur grundlegend McCone 1987. 39 Solche Denkmuster können noch im Hochmittelalter greifen  : »Der Feudaladel versteht sich selbst im Horizont natürlicher Dispositionen auch als überlegenes Raubtier und dies eben nicht nur ›metaphorisch‹« (Friedrich 2009, S. 227). Prinzipiell von der gewollten Anverwandlung zu unterscheiden ist die (symbolische oder faktische) Wolfstransformation als Strafe für Transgressionen (wie bei Lykaon, in der Völsunga saga, aber auch im Recht). In der mittelalterlichen Literatur treten daneben Werwölfe auf, die unverschuldet einem magischen Zwang unterliegen und sich in Wolfsgestalt erkennbar menschlich verhalten (so z. B. im Bisclaveret von Marie de France  ; vgl. dazu Sconduto 2008, S. 39–56, sowie Bynum 2001, S. 95–97, 170–173, Veenstra 2002, S. 150–153). 40 Zur Dynamik der ›Meute‹ im Nibelungenlied vgl. Müller 1998, S.  443–447, Friedrich 2009, S. 352–358 (dort auch zu Wolfhart, S. 357). Die oppositionellen Bewertungen von Wolfskriegern im skandinavischen Kontext beschreibt Hiltmann 2013. 41 Barbarossas Mutter war die Welfin Judith, Heinrichs Tante. Vgl. Seiler 1994, S. 182, sowie zur Namensherkunft S. 161–168. Scheibelreiter 2014, S. 71 ff., sieht darin ein Beispiel für einen hochmittelalterlichen Umbruch in der geläufigen adligen Tiersymbolik  : An die Stelle von Bär, Eber oder Wolf, die insbesondere für ungebremste Kraft und Wildheit stehen, treten zunehmend ›edlere‹, ritterlich aufgefasste Tiere. Als Wappentier erscheint der Wolf äußerst selten (Scheibelreiter 2014, S. 83 ff.). 42 Friedrich 2009, S.  322, der die Wolfdietrich-Fassungen auch als »Verhandlung überkommener Konzepte feudaler Animalität« liest (ebd.). Meine Überlegungen schließen sich an die S.  321– 336 vorgelegte Interpretation an, konzentrieren sich aber auf die Darstellung und Funktion der Wölfe. 43 Wolfdietrich A, Str. 108–110  : Aus Holz stellt Berhtunc ein Kreuz her, das dem Jungen die Hand

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Anmerkungen

brechen müsste, wenn er wirklich ein Teufelsspross wäre. Dass die ›Heiden‹ sämtlich den Teufel fürchten, lässt sich wohl nur als Projektion eines christlichen Dualismus beschreiben. 44 Im christlich-legendarischen Kontext kann der ›Duft des Heiligen‹ beispielsweise vom Paradies und von den unverwesten Leichnamen der Heiligen ausgehen oder auch Märtyrern Gottes Nähe anzeigen. 45 Dass Wolfsaugen leuchten, wird in Bestiarien wiederholt aufgeführt (vgl. Book of Beasts 1960, S. 58). 46 An diesem Punkt erinnert der Wolfdietrich A an den ›wilden Mann‹ im Iwein Hartmanns von Aue, der sich durch Fausthiebe und Drohungen als Herrscher der Tiere – in diesem Fall Auer­ ochsen und Wisente – etabliert (Iwein, V. 496–513). 47 Zu Romulus und Remus vgl. McCone 1987, S. 127–135. 48 Friedrich 2009, S. 256–258, spricht in diesem Zusammenhang von ›mythischer Kontiguität‹, einer sinnstiftenden Beziehung, die sich in der mythischen Logik durch Nachbarschaftsverhältnisse  – in diesem Fall die »Begegnung mit einem numinosen Raum« (S.  257) und die Nähe zum Wolf – ergibt. Sie scheint mir im Wolfdietrich B allerdings vergleichsweise schwach ausgeprägt. Die kurzfristige Wolfsentführung hat vor allem die Funktion, den illegitimen Sohn der Königstochter unerkannt ins Herrscherhaus zu integrieren, denn es ist sein leiblicher Großvater König Walgunt, der ihn von der Jagd zurückbringt und bei sich aufnimmt. 49 In der 8. Ekloge wirkt Möris’ Liebeszauber mit Hilfe von Kräutern, die er auch verwendet, um sich selbst in einen Wolf zu verwandeln  : his ego saepe lupum fieri et se condere silvis Moerim (Bucolica VIII.97 f.: »Oft [sah] ich, wie sich, durch sie zum Wolf geworden, Möris in den Wäldern versteckte«). 50 Im Hauptteil beschreibt Elene die Auffindung des Kreuzes Christi durch Helena, die Mutter des römischen Kaisers Konstantin, sowie die Bekehrung der zentralen Figuren. 51 Zu Cynewulfs Runensignatur vgl. Frese 1975, Zacher 2002, S. 347 f., Jorgensen 2009, S. 323, 332.

Der Löwe   1 Vermutlich beziehen sich Aristoteles und seine Nachfolger nicht auf den afrikanischen, sondern den asiatischen Löwen, der aufgrund seines kleineren, schlankeren und weniger üppig bemähnten Körpers eher eine Nähe zum Hund erkennen lässt.   2 Aristoteles  : Historia animalium 1910, S. 629a–630a.   3 Plinius  : Naturalis historia, Buch 8, Kapitel 17–21.   4 Ebd., S. 46 f.   5 Ebd., S. 50 f.   6 Gellius 1875, Bd. 1, S. 294–298.  7 Physiologus 2005, S. 4–7. Zur mittelalterlichen Rezeption vgl. Schmidtke 1968, Teil I, S. 331–347  ; Teil II, S. 614–623  ; Henkel 1976, S. 164–167  ; Schröder 1989.   8 Vgl. Aristoteles  : »Im Fliehen lässt der Löwe seinen Schwanz hängen« (HA 9,44) und Aelian  : »Der Löwe verwischt durch Hin- und Herlaufen seine Spur« (HA 9,30)  ; zitiert nach Physiologus 2005, S. 107.   9 Vgl. Plutarch  : Quaestiones convivales 4,5,2, Horapollon 1,19  ; zu den Belegen vgl. Physiologus 2005, S. 107. 10 Vgl. Cramers Anmerkung zu Vers 3869 in Hartmanns Iwein  : »Allgemein nimmt man an, das Löwenmotiv gehe zurück auf die antike Erzählung von Androclus und dem Löwen, zweifelhaft

Der Rabe 

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ist freilich, in welcher Form Chrestien diese Geschichte kennengelernt hat« (Hartmann von Aue  : Iwein [1981], S. 210). 11 Vgl. Cramers Anmerkung zu Vers 3912 in Hartmans Iwein  : »Wachsamkeit wird dem Löwen allgemein in den Bestiarien zugeschrieben. Auch diese macht ihn u. a. zu einem Symbol Christi, der tot war und doch lebte« (ebd., S. 212). 12 Thomas von Cantimpré  : Liber de rerum naturae, S. 139–141 (Buch 4, Kap. 54)  ; zu Leben und Werk vgl. Hünemörder 2002. 13 Albertus Magnus  : De animalibus (1920), S. 1405–1407 (Buch 22, Traktat 2, Kap. 1, Nr. 58). 14 Konrad von Megenberg  : Buch der Natur (2003), S. 168–170 (Buch III.A.37)  ; vgl. Hayer 1998. 15 Jacobus de Voragine  : Legenda aurea (1984), S. 756–762  ; vgl. Costard 2012. 16 Es handelt sich um eine Strophe aus Freiligraths Gedicht Der Wecker in der Wüste.

Der Rabe   1 Vgl. zum positiven Bild des Raben in skandinavischer Literatur des Mittelalters Höfig 2007. Zu Rabe und Krähe in der Antike, insbesondere in Zusammenhang mit den Göttern Apollon und Zeus sowie mit dem Krieger Herakles, vgl. Schmidt 2002.   2 Vgl. Braunfels 1971, Sp. 489, Messelken 1965, S. 175, und Genesis 8, 6 f.   3 Vgl. Rabanus Maurus  : De universo VIII.6, Sp. 252. Der erste Teil des Eintrags zum Raben begegnet ähnlich auch bei Isidor von Sevilla (Etymologiae XII.vii, 43) sowie in lateinischen Bestiarien (dort das Kapitel De corvo, S. 183). In seinem Vogelbuch stellt Hugo von Fouilloy zu den negativen Deutungen des Raben als Sünder und als Teufel eine positive  : der Rabe als Prediger (vgl. The Medieval Book of Birds, Caput XL, S. 174–181).   4 Braunfels 1971, Sp. 489. Zum Gegensatz von Rabe und Taube vgl. grundsätzlich Messelken 1965.   5 Der Rabe ernährt seine Jungen erst, nachdem ihr Gefieder schwarz geworden ist, dann aber im Überfluss. Vgl. Rabanus Maurus  : De universo VIII.6, Sp. 252  ; Isidor von Sevilla (Etymologiae XII. vii, 43) und De corvo, S. 183.   6 Im Altisländischen lautet der Name Hrafnagvð (Gylfaginning 25 [38], S.  43, Z.  2). Neben den beiden Raben werden an dieser Stelle auch die zwei Wölfe Odins – Geri und Freki – genannt.   7 Deutsche Übersetzung von A. Krause  : Gylfis Täuschung 38, Str. 44, 2 f. Diese Strophe findet sich auch in der Lieder-Edda, und zwar in den Grímnismál (Grimnirlied), Str. 20. Weitere Nachweise für die beiden Raben bei Simek 2006, S. 208 und 289.   8 Diese Übersetzung bietet Krause in den Anmerkungen der hier zitierten Ausgabe des Grimnirliedes (vgl. S. 91, Anm. 36). Simek 2006 übersetzt dagegen beide Namen mit ›der Gedanke‹ (vgl. S. 208 und 289), Beck mit ›der Sinnende‹ und ›der Gedenkende‹ (Beck/Maier 2000, S. 200).   9 Vgl. Beck/Maier 2000, S. 201. – In der Forschung wird dies zuweilen in einen schamanistischen Kontext gestellt  : Die seelische Trancereise des Schamanen in eine Jenseitswelt wird nach dieser Auffassung von den ausfliegenden Raben figuriert. Vgl. Davidson 1964, S. 147, auch Hedeager 2011, S. 88. 10 Vgl. Simek 2006, S. 167, und Hedeager 2011, S. 83. 11 Vgl. Hedeager 2011, S. 83, Price 2014, S. 171–173, und Simek 2006, S. 122 f. 12 Vgl. Hedeager 2011, S. 81. 13 Vgl. Hartmann 2009, S. 151, und grundsätzlich Friedrich 2009, S. 191–229. 14 Scheibelreiter 2014, S. 81 und öfter. 15 Vgl. Scheibelreiter 1983, S. 156.

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Anmerkungen

16 Scheibelreiter 2014, S. 159. 17 Vgl. Scheibelreiter 2014, S. 87. Zu weiteren Rabenwappen vgl. Oswald 2006. Im 15. Jh. wird der Rabe zu einem »Herrschaftszeichen« (Müller 2001, S.  464) Ludwigs des Gebarteten von Bayern-Ingolstadt, allerdings nicht im Rückgriff auf den Raben als germanisches Krafttier, sondern auf den Raben des heiligen Oswald (vgl. Müller 2001, S. 464–475). 18 Vgl. Höfig 2007, S. 88 f. 19 Vgl. grundsätzlich zum Oswald sowie zu anderen Brautwerbungserzählungen Kohnen 2014. 20 Vgl. Müller 2001, S. 458, außerdem Jansen 1995, S. 238, die vom 15. Jh. ausgeht, und Vizkelety 1976. In früheren Texten über Oswald – etwa im Bericht von Beda Venerabilis – kommt noch kein Rabe vor (vgl. in der Kirchengeschichte des englischen Volkes Buch III, 1–7 und 9–13). Erst in der Vita S.  Oswaldi des Reginald von Durham findet sich ein rabenähnlicher Vogel, dem allerdings Ähnlichkeit mit einem Adler zugeschrieben wird (vgl. Vita S.  Oswaldi I, 356  ; zur Ähnlichkeit von Raben und Adler in ikonographischen Darstellungen des Mittelalters Kulakov/ Markovets 2004, S. 181–184). Dieser Vogel ergreift den rechten Arm des nach seinem Tod in der Schlacht zerstückelten Oswald, trägt ihn auf eine Esche und lässt ihn fallen. An dieser Stelle entspringt eine Quelle (vgl. zur Vita 1995, zu dieser Stelle Kalinke 2005, S. 51, Anm. 113, sowie Adams 2013, S.  397–401). Eine Quelle lässt Oswald auch im Münchner Oswald entspringen  : Dies bewegt den ›heidnischen‹ König zur Bekehrung zum Christentum (vgl. Münchner Oswald, V. 3051–3142). 21 ›Heiden‹ ist die mittelalterliche christliche Bezeichnung nicht nur für Anhänger paganen Glaubens, sondern auch für Muslime und generell für Nichtchristen (vgl. etwa Görlitz/Haubrichs 2009, S. 6). 22 Dass Raben sprechen können, findet sich auch schon in der Antike bei Plinius. Vgl. Müller 2001, S. 458. 23 Vgl. Zingerle 1856, S.  92. Besonders die ältere Forschung hat die Parallelen zwischen Oswald und Odin unterstrichen, vgl. den kurzen Forschungsbericht von Bockwyt 2007, S. 117 f. 24 Vgl. auch die Legende Von sant Oswald in Der Heiligen Leben (Sommerteil), S. 358, Z. 9–13. 25 So formulieren auch Isidor von Sevilla (Etymologiae XII.vii, 43) und Rabanus Maurus (De universo VIII.6, Sp. 252). 26 Vgl. Ruberg 1981, S. 184, und Schmidtke 1968, S. 382 f. 27 Müller 2001, S. 457. 28 Müller 2001, S. 457. Zur Interpretation auch weiterer Aspekte des Raben im Münchner Oswald vgl. Kohnen 2014, S. 84 f. und 255 f., sowie Bockwyt 2007. 29 Vgl. Honnegger 1998. 30 Erwähnungen von Raben in deutschsprachiger Literatur des Mittelalters finden sich in diesem Zusammenhang etwa in der Rabenschlacht (526, 1–5) sowie in der Kudrun (911, 1–3), die beide zur Gattung der Heldenepik gehören. – Zum Wolf vgl. auch den Beitrag von Judith Klinger in diesem Band. 31 Vgl. Honnegger 1998, S. 289 f. 32 Vgl. zur Bezeichnung des Gedichts Simek/Pálsson 1987, S. 147 f. und 176 f. 33 Vgl. Haraldskvæði 4 bzw. für die deutsche Übersetzung Das Haraldlied, S. 192, Str. 4. 34 Simek 2006, S. 483. 35 Zudem wird die Walküre als ›halsweiß‹ und ›funkeläugig‹ beschrieben (vgl. Haraldskvæði 2 bzw. für die deutsche Übersetzung Das Haraldlied, S. 191, Str. 2)  : Diese Attribute können in diesem Zusammenhang auch als vogelartig gedeutet werden. Vgl. dazu Davidson 1988, S. 86 f., sowie Egeler 2011, S. 112–114.

Der Adler 

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36 Auffällig ist jedoch, dass die eigentliche Schlacht, die bevorsteht – nämlich die zwischen Artus und Osla Großmesser  –, nicht zustande kommt und die einzige Auseinandersetzung die zwischen Artus und Owein ist. 37 Vgl. Bromwich 1978, S. 481, sowie ferner Egeler 2011, S. 184. 38 Birkhan 2000, S. 253. – Zu Rabennamen vgl. den Beitrag von Wolfgang Haubrichs in diesem Band. 39 Zum Zusammenhang, ja sogar zur Verwechslung von Rabe und Krähe vgl. Peuckert 2000, Sp. 427. 40 Vgl. Wernher der Gartenaere  : Helmbrecht, V. 1909. 41 Vgl. Wernher der Gartenaere  : Helmbrecht, V. 603–610. 42 Vgl. Messelken 1965, S. 35–38, sowie Rabanus Maurus  : De universo VIII.6, Sp. 252  ; Isidor von Sevilla (Etymologiae XII.vii, 43) und das Bestiarium (LXXVII De corvo). 43 Vgl. Wernher der Gartenaere  : Helmbrecht, V. 1688. Zudem werden ihm eine Hand und ein Fuß abgehauen (vgl. ebd. V. 1691 f.). Diese Strafen waren, wie seine Blindheit, ebenfalls von Helmbrechts Vater in Träumen vorausgesehen worden (vgl. ebd. V. 580–616). 44 Messelken 1965, S. 56. 45 Vgl. zu Beispielen aus der altisländischen Sagaliteratur Rohrbach 2009, S. 79, 130, 140, 232 f. und 281. 46 Dieses Verhalten mag damit zusammenhängen, dass gemäß christlicher Naturlehre die Raben ihre Jungen nicht ernähren, solange sich ihr Gefieder noch nicht schwarz gefärbt hat (vgl. Anmerkung 5 dieses Beitrags). 47 Vgl. Von Sant Menrat, Bl. CXLV–CXLVI. 48 Vgl. De sancto Paulo eremita, S. 98, sowie die Übersetzung Der heilige Einsiedler Paulus, S. 99. 49 Rabe und Brot kommen auch in der Legende von Benedikt von Nursia vor, in der ein Rabe vergiftetes Brot davonträgt, damit es weder Benedikt noch jemand anderem schadet. Zudem wird erzählt, dass oft Raben zu Benedikt kommen und er sie füttert. Vgl. Von sand Benedictus, S. 543, Z. 20–31. In der gleichen Legende erscheint indes der veint (ebd. S. 541, Z. 15), also der Teufel, als schwarzer, hässlicher Vogel (vgl. ebd. Z. 15 f.). 50 Eine Ausnahme bildet die Walküre im Haraldlied.

Der Adler 1 2 3 4

So Kia Vahland (2014) in ihrer Besprechung von Baselitz’ Werkschau in München. Georg Baselitz  : Adler, 1977, Radierung mit Ölfarbe. In  : McGregor 2015, S. 33. McGregor 2015, S. 32, 34. So Eckhard Fuhr 2010 in ›Die Welt‹ bei seiner Antwort auf die Frage, wozu Gerhard Schröder einen stürzenden Adler brauchte. 5 Vgl. Plessner 1959/1935, im Titel seines Buches. 6 Der Begriff meint hier nicht (nur) ›Heroldsdichtungen‹ im Sinne von »Ehrenreden, die den Lobpreis eines […] Adligen mit hist.-biograph. Details und der kundigen Beschreibung seines Wappens verbinden«, die deshalb auch als ›Wappendichtung(en)‹ bezeichnet werden (Kellermann 1989, Sp. 2173), sondern ist umfassender gebraucht. Denn hierunter fallen im Folgenden auch Dichtungen mit einer allegorisierenden Auslegung des Wappenmotivs ›Adler‹, mit denen der Träger des Wappens kritisch beurteilt, wenn nicht gar desavouiert wird. – Die folgenden Überlegungen hierzu sind unter anderem angeregt durch die Münchener Magisterarbeit von Carla

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Anmerkungen

Herzog (Die Figur des Adlers in der deutschen Wappendichtung vom 13. bis zum 15. Jahrhundert. 2010).   7 Lucchesi-Palli 1980, Sp.  153  ; vgl. zur späteren mittelalterlichen Bedeutung des Adlerwappens Scheibelreiter 2014, S. 78.   8 Korn 1980, Sp. 154.   9 Filip 1997, Sp. 2032, sowie Frenz 1989, Sp. 2142. 10 Scheibelreiter 2014, S. 80, sowie Scheibelreiter 2006, S. 21. 11 Scheibelreiter 2006, S. 23, sowie Scheibelreiter 2014, S. 167. 12 Zur ausführlicheren Analyse des Spruchs vgl. Nix 1993. 13 Übersetzung von G. Schweikle in Walther  : Spruchlyrik (1994), S. 107. 14 Zu ›Blasonierung‹, dem Fachbegriff für die kunstgerechte »Beschreibung (›Ansprache‹) eines Wappens« in der Heraldik, vgl. Korn 1983, Sp. 267. 15 Vgl. Nix 1993, S. 148 f. 16 Vgl. Nix 1993, S. 121. – Zur Datierung und Situierung der Strophen Walthers mit dem Kreuzzugsaufruf vgl. auch Nellmann 1979. 17 Weitere Belege zur milte des Adlers finden sich bei Müller 1974, S. 371 ff., vor allem 374. 18 Vgl. Siebmachers Wappenbuch 1909, S. 132 f. 19 Vgl. dazu Schmidt 1908, S. 98 ff. 20 Konrad führt mit seinem Turnier von Nantes die Gattung der Wappendichtung in Deutschland ein und orientiert sich dabei »stärker als seine Vorgänger an heraldischen Regeln« (Wandhoff 2002, S. 86). 21 Zur Konrads Revindikationspolitik, d. h. zu seiner Wiederherstellung entfremdeten Reichsguts, vgl. Erkens 1993. 22 Der konkrete Hinweis Konrads auf Pülle / Apulien (321) muss für Zeitgenossen, die um die gewaltsame Beendigung der Stauferherrschaft (1266/68) in Sizilien durch Karl von Anjou wussten, ein eindeutiger Fingerzeig gewesen sein, wer mit ›Raben‹ und ›Geiern‹ gemeint ist. 23 Sîn [des Adlers] gelücke und sine craft entsitze swaz nu wildes lebe, / ((ob)) ez swimme od ob ez swebe, / ob dem kann er wol fliegen. / Kein vogel kann ûz allen landen wider in nû gecriegen (324–327)  : Vor seinem Glück und seiner Kraft möge sich alles wilde Getier fürchten, sei es, dass es schwimmt oder fliegt, darüber kann er sich in jedem Fall erheben. Kein Vogel – aus welchen Landen auch immer – kann gegen ihn den Kampf aufnehmen. 24 Zur grundsätzlich kritischen Haltung des Schulmeisters gegenüber Rudolf von Habsburg vgl. Ebel 1995, Sp. 1591, sowie Kornrumpf 1992. 25 Vgl. die beinahe stakkatoartig vorgebrachte direkte Ansprache des Kritisierten mit ir bzw. iuch (1, 8, 9, 10, 11, 14, 19, 20). 26 Vgl. 18 f.: sus zît iuch ritter unde kneht,/ ir klockent umbe ir hüebel alse umb einen fûlen boum ein speht  : Wie ein Specht das Holz eines faulen Baumes bearbeite, ›klopfe‹ der Habsburger bei den Höfen des niederen Adels an, um  – so wäre zu ergänzen  – dabei etwas herauszupicken.  – Zu Rudolfs Steuerpolitik vgl. Erkens 1993, S. 45, der von des Habsburgers »Virtuosität bei der Aufbringung der herkömmlichen Steuern« spricht. 27 Müller 1974, S.  376, spricht in diesem Zusammenhang von zwei bzw. drei »Typen von Wappen-Allegorien […], die auch für Folgezeit bestimmend blieben und sich im Grundsätzlichen nicht mehr veränderten  : 1. Die Gleichsetzung Wappenbild = Träger  ; daraus entwickelt  : 2. die ›Wappenbild-Schlachten‹  ; 3. Die Ausdeutung von Wappen«. – Wandhoff 2002, S. 86, spricht für das 14. Jahrhundert von einer ›Heraldisierung‹ der Literatur. 28 Zur Datierung vgl. V. 105 f., sowie Brinker 1987, S. 85.

Der Falke 

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29 Chunich Wentzla, dez nemt war, / Ewr flug die strekchet, / Habt ir gehertet tzu dem flug / hebt ew auf die raise, / Tzewcht ein chajserleichen tzug / Gen Rom durch manig prajse, / Seit ir ein roemisch chunich seit, / Und habt den nam auf erde (79–86)  : »König Wenzel, hört zu  : Breitet eure Flügel aus, (und) habt ihr sie für den Flug gestärkt, so begebt euch auf die Reise  : Führt – wie ein Kaiser – einen Zug nach Rom durch, um mannigfachen Preises wegen, denn ihr seid ein römischer König und tragt diesen Titel auf Erden.« 30 Vgl. auch Müller 1974, S. 389, für den das Lied einen der Höhepunkte mittelalterlicher Reichsverherrlichung in der Lyrik darstellt. – Beheims Wappendichtung wäre damit in die Tradition des Herrschertadels einzuordnen, wobei er allerdings mit seiner verdeckt-indirekten Kritik bei weitem nicht die Schärfe und Direktheit des Schulmeisters von Esslingen (vgl. oben, Anm. 24) erreicht. 31 Vgl. gleichnus (im Liedtitel), nataure (V. 10) oder vigaure (V. 15), was eine Verdeutschung des lateinischen figura darstellt. Im Blick auf die Beschreibung des Adlers und seines Verhaltens sowie die Allegorese trennt Beheim »säuberlich zwischen Bild und Bedeutung« (Müller 1974, S. 389). 32 So eine Formulierung Müllers 1974, S. 390, um damit allgemeiner das ästhetische Potential von Wappenallegorien zu verdeutlichen. 33 Neben der forcierten Bildlichkeit, die der Entschlüsselung bedarf, wird das Ganze zudem erschwert von »zeitgeschichtlichen Andeutungen, die nicht immer eindeutig sind« (Reichel 1990, S. 328). 34 Demgegenüber scheint noch selten(er) bzw. eher beiläufig der Wappenadler als Zeichen für das gesamte Herrschaftsgebilde ausgewiesen, wie etwa von Michel Beheim, wenn er in seinem gleichnus betont, kain edler wapen zu kennen, als es dann furt daz romisch reich (Beheim, 4 f.). 35 Vgl. Abbildung  : Hans Burgkmair d. Ä.: Quaterionenadler, 1510. – Vgl. Fleckner/Warnke/Ziegler 2011, S. 397 f., wo der Holzschnitt Burgkmairs unter dem Stichwort ›Stände‹ eingeordnet ist. 36 Darauf verweist u. a. auch ein 23-strophiges Lied von Michel Beheim (Nr. 238, S. 342–350), in dem der Dichter Mitte des 15. Jhs. Friedrich III. mit einem schwarzen Doppeladler gleichsetzt. Zu Liedinhalt und dessen geschichtlicher Einordnung vgl. Müller 1974, S. 251.

Der Falke   1 Bertau 2014, S. 314.   2 Lexer 1992, Sp. 10. Zur Bedeutung von erodius vgl. Wille 2009, S. 83–84.   3 Vgl. Ersch/Gruber 1845, S. 240.   4 Kriemhilds Traum findet sich in der ersten Aventiure des Nibelungenlieds  ; Yonec in Marie de France 2000, S. 222–255.   5 Boccaccio 2008, S. 690  : »prima il biasimò d’aver per dar mangiare a una femina ucciso un tal falcone«.   6 Für weitere Belege zum Falkenfleisch als Heilmittel in der Literatur vgl. Boccaccio 2008, S. 681, Anm. 2.   7 Vgl. Derrida 2010, S. 47.   8 Vgl. Derrida 2010, S. 35–39.   9 Salisbury 1994, S. 77–101, S. 105. 10 Salisbury 1994, S. 103. 11 Zum Namen des Autors vgl. zuletzt Benz 2014, S. 581–582, bes. Anm. 48. 12 Der Text aus Minnesangs Frühling folgt der Großen Heidelberger Liederhandschrift, dem soge-

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Anmerkungen

nannten Codex Manesse. In Minnesangs Frühling ist auch das 1985 aufgefundene Budapester Fragment abgedruckt, das einige bedeutende Abweichungen in der Kürenberger-Überlieferung bringt. Für das Falkenlied wären dies  : Str. 1, Z. 2, getroute statt gezamete  ; Str. 2, Z. 2 guldin statt sîdîne  ; Str. 2, Z. 4  : got sol si nimmer gescheiden / di lieb recht ein ander sin (Minnesangs Frühling, S. 465). 13 Übersetzung nach Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters 2005, S. 44–47. 14 Barthes 2003, S. 178–179. 15 Kuntze 1911, S. 418. 16 Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters 2005, S. 586–588, hier S. 586 f. Als weiteres Argument für die Identifikation des lyrischen Ichs mit einer höfischen Dame lässt sich geltend machen, dass die Strophen des Kürenbergers in zwei Gruppen aufgeteilt sind, deren erste (Str. 1–8) Damen und deren zweite (Str. 9–13) Ritter sprechen lässt. Das Falkenlied (Str. 6 f.) ist somit den Frauenstrophen zuzurechnen. 17 Übersetzung nach Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters 2005, S. 50 f. 18 Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters 2005, S. 593. 19 Kasten 1986, S. 211. 20 Vgl. McDonald 1978. 21 Glauch 2009, S. 122. 22 Vgl. Schilling 2004, bes. S. 256–257. 23 Vgl. Codex Manesse, Bl. 69r. Im 14. Jahrhundert ist die ikonographische Darstellung von Falknerinnen offensichtlich verbreitet, so z. B. in England, vgl. Wolter-von dem Knesebeck 1997, S. 502 u. Anm. 56. 24 Carmina Burana 2011, S. 334 (Nr. 92, Str. 59, V. 4). 25 Übersetzung nach Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters 2005, S. 72–75. 26 Reiser 1963, S. 93–96. 27 Reiser 1963, S. 95. 28 Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters 2005, S. 606 f. 29 Übersetzung nach Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters 2005, S. 300 f. 30 Ebd., S. 823. 31 Übersetzung nach Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters 2005, S. 354 f. 32 Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters 2005, S. 874. 33 Reiser 1963, S.  100–101. Dass die Falkensymbolik am Anfang des 13.  Jahrhunderts auch im Grenzbereich von höfischem und geistlichem Schreiben begegnet, zeigt sich in Thomasins von Zerclaere Welscher Gast, wo das kurze Glück des Falkners durch das Entfliegen des Tieres geschildert und zumindest im Illustrationsprogramm mit der untreuen Frau parallelisiert wird, vgl. Wolter-von dem Knesebeck 1997, S. 511. 34 L 69,1. 35 Erst in der gelehrten romanischen Liebeslyrik des 13.  Jahrhunderts und dann ausgeprägt bei Dante findet sich »der Nexus von Eros und poetischer Sprache, das entrebescamen von Begehren, Phantasma und Dichtung im topos outopos des Poems«, wie Agamben 2012, S. 176, herausstellt, der auf der Rezeption der aristotelischen Zeichenlehre fußt, in der deutschsprachigen Dichtung des 12. Jahrhunderts sind es dagegen poetische Bilder, die das Unaussprechbare illustrieren sollen.

Tiere in Namen 

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Tiere in Namen   1 Kajanto 1966  ; Castritius 1997  ; Solin 2002.   2 Heinzelmann 1977, S. 23  ; Haubrichs 2014a, S. 36.   3 Gauthier 1975, S. 82 ff. § 103 ff. Vgl. Haubrichs 1998, S. 387–396  ; 2014c, S. 36 f., 61–64.   4 Vgl. Jochum-Godglück 2010  ; 2011  ; Haubrichs 2014c, S. 61 f.   5 Vgl. zum germanischen Namensystem allgemein Woolf 1939.   6 Vgl. eine stärker ausgearbeitete Typologie in Sonderegger 1997.   7 Schramm 1957, S. 53–92  ; 2013, S. 79–98  ; Haubrichs 2004a, S. 86–95  ; 2014, S. 29–32, 44–46.   8 Haubrichs 2004b, S. 87 f.; 2014, S. 29.   9 Haubrichs 2004b, S. 88 f.; Scheibelreiter 1997, S. 72. 10 Vgl. Haubrichs 1995. 11 Nedoma 2015, S.  297–299. Das dort angeführte Beispiel des Namens des alemannischen Königssohnes Agena-ricus (a.  357), in dem das Erstelement *agena- angeblich »semantisch leer« sei, trägt methodisch nicht. Warum soll ein aus germ. *agi-z ›Schrecken‹ (vgl. auch germ. *agîn ›Furcht‹) n-erweiterter Stamm nicht die Bedeutung des ursprünglichen Lexems weitertragen  ? Vgl. auch Wagner 2005, S. 374 f. 12 Vgl. Haubrichs 2014a, S. 42–44. 13 Nedoma 2015, S. 297. Wobei noch durch eine umfassende Analyse zu ermitteln wäre, welche Bedeutung das germ. Namenelement *staina- ursprünglich trug. 14 Müller 1970, S. 124–137. 15 Otloh von St. Emmeram deutet noch im 11. Jahrhundert den Namen des heiligen Wolfgang von Regensburg etymologisch richtig als Lup-ambulus ›Wolfs-gänger‹. Vgl. Haubrichs 1975, S. 245, Anm. 85. 16 MGH Poetae II, S. 643. Vgl. Müller 1970, S. 79  ; Haubrichs 1975, S. 253  ; 1995, S. 357. 17 Müller 1970, S. 4–108. 18 Haubrichs 2014b, S. 13, 17. 19 Reichert 1987, I, S. 295. 20 Müller 1970, S. 105. 21 Vgl. Häny 1987, S. 179–193. 22 Müller 1970, S. 25–35, 156–158. 23 Reichert 1987, I, S. 488. 24 Müller 1970, S. 58. 25 Müller 1970, S. 56. 26 Beda Venerabilis  : Kirchengeschichte, II,5, S. 150. 27 Finnsburg-Fragment, Z. 17 (Müller 1970, S. 35, 157). 28 Vgl. Friedrich 2009, S. 240 f. 29 Müller 1970, S. 76 f. 30 Müller 1970, S. 157. 31 Müller 1970, S.  4–10  ; Staiti 2003  ; Jochum-Godglück 2011, passim. Vgl. zum »wolf-warrior« Høilund-Nielsen 2001. 32 Müller 1970, S. 10–18  ; Jochum-Godglück 2011, passim. 33 Müller 1970, S. 18–23. 34 Müller 1970, S. 35–43. 35 Müller 1970, S. 52–60. 36 Vgl. hierzu Müller 1968.

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Anmerkungen

37 Müller 1970, S. 138–146. 38 Reichert 1987, I, S. 470. 39 Kaufmann 1957, S. 237  ; Wagner 2013, S. 50 f. 40 Hadjadj 2007, Nr. 478. 41 Müller 1970, S. 143. 42 Vgl. Friedrich 2009, S. 321–336, der diesen Aspekt aufgrund des Nichteinbezugs der frühmittelalterlichen Quellen nicht wirklich zu sehen vermag. Auf keinen Fall ist der »Tiermensch« erst ein »Produkt der Feudalgesellschaft«. 43 Müller 1970, S. 145 f. – Germanisch *ebura ›Eber‹ und germanisch *aran-, *arnu- ›Aar, Adler‹ können, da vokalischer Anlaut des Zweitgliedes im germanischen Namensystem grundsätzlich gemieden wird, als Grundwort zweigliedriger (dithematischer) Personennamen nicht beurteilt werden, werden jedoch später für die Analyse der mit einem theriophoren Erstelement gebildeten Personennamen heranzuziehen sein. 44 Müller 1970, S. 129–131. 45 Schramm 1957, S. 81  ; Zitat Müller 1970, S. 130. 46 Müller 1970, S. 155. 47 Müller 1970, S. 178, 191. 48 Müller 1970, S. 191. 49 Vgl. oben die onomastischen Kombinationen mit Aggression ausdrückenden Adjektiven. 50 Müller, Studien, S. 191. 51 Müller, Studien, S. 184 ff. 52 So Schramm 2013, S. 1–14, 15–32, 79–98, noch in seinem neuesten Buch. 53 Müller, Studien 1970, S. 193. 54 Müller, Studien 1970, S. 194  ; 1968, passim. Zur Vorstellung des Tierkriegers und der Funktion der Tiernamen vgl. auch Heizmann, Tiernamen 2007  ; Høilund Nielsen 2007. 55 Müller 1970, S. 147–155. 56 Reichert 1987, I, S. 56. 57 Dahinter steht die Vorstellung des kriegerischen Schreitens, Gehens, Ziehens, Fahrens, Wandelns, Wanderns, wie sie sich auch in anderen germanischen Namenelementen darstellt. 58 Müller 1970, S. 151 f. 59 Edda, ed. Neckel, S. 246. 60 Müller 1970, S. 104. 61 Müller 1970, S. 102–105. 62 Müller 1970, S. 73, 224. 63 Müller 1970, S. 70. 64 Müller 1970, S. 69. 65 Homilia I, MPG 56, Sp. 626  ; Incomplete commentary about Matthew ed. Kellerman/Oden  : I, S. 19. Vgl. Müller 1968, S. 211  ; Beck 1986, S. 98 f. Die Stelle wird in der germanistischen Literatur gern zitiert, aber nie im Kontext des Kommentars betrachtet. 66 MPG 56, Sp. 621. 67 MPG 56, Sp. 626 f. 68 Vgl. Paas 1907, S.  111–122, 282 f.; Wotke 1939, Sp.  824–826  ; Schlatter 1988, S.  367 f.; Opus imperfectum ed. van Banning, S.  V–VIII  ; Incomplete Commentary ed. Kellerman / Oden  : II, S. XVII. 69 Werner 1963. Vgl. Müller 1968, S. 202–207  ; 1970, S. 178  ; Beck 1986.

Tiere in Namen 

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  70 Vgl. Høilund Nielsen 2001, S. 479, zum höheren sozialen Status der Wolfskrieger  : »the wolf symbol was of special significance amongst Germanic warriors of high status and/or central position.« Vgl. ferner zu den »ancient Germanic warriors« Speidel 2004, S. 11–50.   71 Müller 1970, S. 211 f.   72 Duchesne 1907/10, III, S. 171.   73 So Müller 1970, S. 211. Vgl. Schramm 1957, S. 82  ; Shippey 2014, S. 59–61  ; anders Neidorf 2014, S. 48f.   74 Reichert 1987, I, S. 776.   75 Schönfeld 1910, S. 263.   76 Kluge/Seebold 2011, S. 335  ; gegen Schramm 1957, S. 83  ; Müller 1970, S. 212, die Vidigabius zu isoliertem altnordisch geyja ›bellen‹ stellen.   77 Müller 1970, S. 212–223.   78 Müller 1970, S. 218–220.   79 Müller 1970, S. 212. Vgl. Müller 1967.   80 Vgl. Høilund Nielsen 2001, S. 478   81 Lange 2005, S. 609.   82 Vgl. Höfler 1976  ; Blaney 1993  ; Libermann 2003  ; Speidel 2002  ; 2004, S. 39–46.   83 Schramm 1957, S. 20.   84 Vgl. auch Høilund Nielsen 2001, S. 475–478, der die Gemeinsamkeiten zwischen dem Norden und dem Kontinent betont.   85 Müller 1970, S. 213.   86 Feist 1939, S. 500 f.; Orel 2003, S. 424.   87 Vgl. Müller 1967, S. 207–211.   88 Høilund Nielsen 2001, S. 476 f.   89 Vgl. Müller 1937  ; Paul 1981  ; Daxelmüller 1986  ; Roberts 1999  ; Sohm 2006.   90 Müller 1970, S. 218  ; Kluge/Seebold 2011, S. 984.   91 Vgl. Brunner 1988  ; Dinzelbacher 2000  ; Lange 2005 (mit weiterer Lit.)  ; Friedrich 2009, S. 125– 130.   92 MPL 140, Sp. 971.   93 Vgl. Friedrich 2009, S. 130.   94 Vgl. Müller 1968, S. 208 f.; 1970, S. 162–169  ; Beck 1986  ; Wagner 2008  ; Nedoma 2015, S. 299.   95 Beck 1986, S. 304 f.   96 Reichert 1987, I, S. 242 f., 264.   97 MGH DD Mer. ed. Kölzer, I, Nr. 21.   98 Duchesne 1907/10 III, S. 103.   99 MGH DD Mer. ed. Kölzer, I, Nr. 72, 85. 100 MGH DD Mer. ed. Kölzer, I, Nr. 136. 101 Reichert 1987, I, S. 134, 139. 102 Haubrichs 2004b, S. 191. 103 Förstemann 1900, Sp. 141. 104 Reichert 1987, I, S. 438. 105 Duchesne 1907/10, II, S. 416. 106 Duchesne 1907/10, III, S. 97. 107 Förstemann 1900, Sp. 874, 1654. 108 MGH DD Mer. ed. Kölzer, I, Nr. 103. 109 Pardessus 1843/49, II, Nr. 447.

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Anmerkungen

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MGH DD Mer. ed. Kölzer, I, Nr. 141. Vgl. Haubrichs 2004a, S. 96 f. Duchesne 1907/10, II, S. 188. Müller 1970, S. 167 f. Haubrichs 2004a, S. 97–101  ; 2004b  ; 2008, S. 108–114. Vgl. auch Kremer 2008, der jedoch für die Gallia auch ungeprüfte Belege aus älteren Nachschlagewerken übernimmt. Haubrichs 2014a, S. 56 f. Jochum-Godglück 2010, S. 160. Francovich Onesti 1999, S. 235–238  ; Haubrichs 2004b, S. 182 f. Haubrichs 2004b, S. 191. Haubrichs 2004b, S. 189. Haubrichs 2004b, S. 188  ; Jochum-Godglück 2010, S. 159 f.

Gesamtbibliographie 1 Primärtexte The Aberdeen Bestiary (Aberdeen, University Library, MS 24). https  ://www.abdn.ac.uk/bestiary/bestiary.hti (15.04.2016) [Ælfric von Eynsham] Passio Sancti Edmundi Regis. In  : Walter  W. Skeat (Hg.)  : Ælfric’s Lives of Saints. Bd. 2. London 1881, S. 314–335. Aelian  : On the Characteristics of Animals (De natura animalium). 3 Bde. Übers. v. A. F. Scholfield. London, Cambridge 1958/59. [Aesop] Carl Halm  : Fabulae Aesopicae collectae. Leipzig 1863. Albertus Magnus  : De animalibus libri XXVI. Nach der Cölner Urschrift. Hrsg. v. Hermann Stadler. Bd. 2  : Buch XIII–XXVI. Münster 1920. Erasmus Alberus  : Fabeln. Hrsg. v. Wilhelm Braune. Halle 1892. Alexandre de Paris  : Le Roman d’Alexandre. Traduction, présentation et notes de Laurence HarfLanc­ner avec le texte édité par E. C. Armstrong et al. Paris 1994. Die altdeutsche Genesis. Nach der Wiener Handschrift hrsg. v. Viktor Dollmayr. (= Altdeutsche Textbibliothek 31) Halle 1932. Der altdeutsche Physiologus. Die Millstätter Reimfassung und die Wiener Prosa (nebst dem lateinischen Text und dem alt­hochdeutschen Physiologus). Hrsg. v. Friedrich Maurer. (= Altdeutsche Textbibliothek 67) Tübingen 1967. Der altfranzösische Prosa-Alexanderroman. Nach der Berliner Bilderhandschrift hrsg.  v. Alfons Hilka. Nebst dem lateinischen Original der Historia de Preliis (Rezension J2). Festschrift für Carl Appel zum 17. Mai 1917. Halle an der Saale 1920. Althochdeutsche Literatur. Eine kommentierte Anthologie. Althochdeutsch/Neuhochdeutsch. Übers., hrsg. und komm. v. Stephan Müller. Stuttgart 2007. Ancrene Wisse. Edited from Ms. Corpus Christi College Cambridge 402 by J. R. R. Tolkien. London u. a. 1962. Das Annolied. In  : Walter Haug/Benedikt Konrad Vollmann  : Frühe deutsche Literatur und lateinische Literatur in Deutschland 800–1150. (=  Bibliothek deutscher Klassiker 62) Frankfurt am Main 1991, S. 596–647. Antoninus Liberalis  : Les Métamorphoses. Texte établi, traduit et commenté par Manolis Papathomopoulos. Paris 1968. Lucius Apuleius  : Die Metamorphosen oder Der goldene Esel. Übers. v. August Rode. Wiesbaden 2009. Aristoteles  : Historia Animalium. Buch I und II. In  : Ders.: Werke in deutscher Übersetzung. Hrsg. v. Christof Rapp. Bd.  16  : Zoologische Schriften. Übers., eingel. und komm.  v. Stephan Zierlein. Berlin 2013. Aristoteles  : Über die Bewegung der Lebewesen. Über die Fortbewegung der Lebewesen. In  : Ders.: Werke in deutscher Übersetzung. Hrsg.  v. Hellmut Flashar. Bd.  17  : Zoologische Schriften II, Teil 2 und 3. Übers. und erl. v. Jutta Kollesch. Darmstadt 1985. [Aristoteles] The Works of Aristotle. Translated into English under the Editorship of J.  A.  Smith/ W. D. Ross. Vol. 4  : Historia Animalium. By D’Arcy Wentworth Thompson. Oxford 1910. Artemidorus  : Oneirocritica. Hrsg., übers. und komm. v. Daniel E. Harris-McCoy. Oxford 2012.

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Gesamtbibliographie

[Aulus Gellius] Die Attischen Nächte des Aulus Gellius. Zum ersten Male vollständig übers. und mit Anmerkungen vers. v. Fritz Weiß. Erster Band (I–VIII. Buch). Leipzig 1875. Aurelius Augustinus  : De civitate Dei. Hrsg. v. Bernhard Dombart und Alfons Kalb. 2 Bde. (= Corpus Christianorum seria latina 47/24) Turnhout 1955. Babrius and Phaedrus. Hrsg. und übers. v. Ben Edwin Perry. Cambridge, London 1964. The Battle of Brunanburgh. In  : John C. Pope (Hg.)  : Seven Old English Poems. With Commentary and Glossary. New York u. a. 21981, S. 5–15. [Beda Venerabilis] Beda der Ehrwürdige  : Kirchengeschichte des englischen Volkes. Nach der Edition von Bertram Colgrave und R. A. B. Mynors ins Deutsche übers., mit Einleitung, Anmerkungen, Index und Glossar hrsg. v. Günter Spitzbart. Darmstadt 2007. [Michel Beheim] Die Gedichte des Michel Beheim. Hrsg.  v. Hans Gille und Ingeborg Spriewald. Bd. 2. Berlin 1970. Giovanni Boccaccio  : Decameron. A cura di Vittore Branca. Bd. 2. Turin 162008. Die Böhmenschlacht. In  : Adolf Bach (Hg.)  : Die Werke des Verfassers der Schlacht bei Göllheim. (= Rheinisches Archiv für Geschichte und Literatur 11) Bonn 1930. The Book of Beasts. Being a Translation from a Latin Bestiary of the Twelfth Century. Hrsg.  v. T. H. White. New York 1960. Sebastian Brant  : Das Narrenschiff. Studienausgabe. Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494. Hrsg. v. Joachim Knape. Stuttgart 2005. Alfred Brehm  : Bachida, die Löwin. In  : Ders.: Bachida die Löwin. Tier- und Abenteuergeschichten eines Afrikareisenden. Ausgew. und mit einem Nachwort vers. v. Kurt Böttcher. Leipzig 1960. S. 155–167. [Alfred Brehm] Illustrirtes Thierleben. Eine allgemeine Kunde des Thierreichs von A. E. Brehm. Mit Abbildungen, ausgeführt unter Leitung v. R. Kretschmer. Bd. 1. Hildburghausen 1864. Alfred Brehm  : Meine Löwin. In  : Die Gartenlaube 12 (1860), S. 200–203. Brot af Sigurðarqviðo. In  : Gustav Neckel (Hg.)  : Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Bd. I  : Text. 5., verbesserte Aufl. v. Hans Kuhn. Heidelberg 1983, S. 198–201. Pseudo-Callisthène  : Le roman d’Alexandre. La vie et les hauts faits d’Alexandre de Macédoine. Traduit et commenté par G. Bonoure et B. Serret. (= La Roue à livres 13) Paris 1992. Carmina Burana. Texte und Übersetzungen. Hrsg. v. Benedikt Konrad Vollmann. Mit den Miniaturen aus der Handschrift und einem Aufsatz v. Peter und Dorothee Diemer. (= Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 49) Berlin 2011. Geoffrey Chaucer  : The Canterbury Tales. Die Canterbury-Erzählungen. Mittelenglisch/Deutsch. Übers. v. Heinz Bergner, Waltraud Böttcher, Günter Hagel und Hilmar Sperber. Hrsg. v. Heinz Bergner. Stuttgart 1982. Chrétien de Troyes  : Yvain. Übers. und eingel. v. Ilse Nolting-Hauff. (= Klassische Texte des Romanischen Mittelalters in zweisprachigen Ausgaben 2) München 1983. Codex Exoniensis. A Collection of Anglo-Saxon Poetry, from a Manuscript in the Library of the Dean and Chapter of Exeter. Hrsg. v. Benjamin Thorpe. London 1842. Cynewulfs Elene. Mit einem Glossar hrsg. v. Julius Zupitza. Berlin 1883. De corvo. In  : Willene B. Clark  : A Medieval Book of Beasts. The Second-Familiy Bestiary. Commentary, Art, Text and Translation. Woodbridge 2006, Cap. LXXVII, S. 183. De sancto Paulo eremita/Der heilige Eremit Paulus. In  : Jacobus de Voragine  : Legenda Aurea. Lateinisch/Deutsch. Ausgew., übers. und hrsg. v. Rainer Nickel. Stuttgart 1988, S. 96–101. De sancto Vincentio/Der heilige Vincentius. In  : Jacobus de Voragine  : Legenda Aurea. Lateinisch/ Deutsch. Ausgew., übers. und hrsg. v. Rainer Nickel. Stuttgart 1988, S. 140–151.

Primärtexte 

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Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters. Edition der Texte und Kommentare von Ingrid Kasten. Übersetzungen von Margherita Kuhn (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 6). Frankfurt am Main 2005. Ecbasis captivi. Das älteste Thierepos des Mittelalters. Hrsg. v. Ernst Voigt. Straßburg 1875. Ecbasis cuiusdam captivi per tropologiam/Die Flucht eines Gefangenen (tropologisch). Text und Übersetzung. Hrsg. v. Winfried Trillitzsch. Leipzig 1964. Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Hrsg. v. Gustav Neckel, Bd. I. 5. verbesserte Aufl. v. Hans Kuhn. Heidelberg 1983. Ermoldus Nigellus  : Lobgedicht auf Kaiser Ludwig und Elegien an König Pippin. Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae. Übers. v. Theodor G. Pfund. Berlin 1856. [Etymachia] Nigel Harris  : The Latin and German Etymachia. Textual History. Edition. Commentary. (= MTU 102) Tübingen 1994. [Exodus] The Old English Exodus. Hrsg. und übers. v. J. R. R. Tolkien. Oxford 1981. Fabeln der Antike. Griechisch und lateinisch. Hrsg. und übers. v. Harry C. Schnur. München 1978. Fioretti di San Francesco. Testo di Lingua. Edizione tratta da quella di Firenze dell’anno 1718. Con Aggiunte tratte’ del codice Fiorentino. Venedig 1853. [Fioretti di San Francesco] Johannes Schneider (Hg.)  : Die Fioretti – Legenden über Franziskus und seine Gefährten. Kevelaer 2002. [Fouke le fitz Waryn] The History of Fulk Fitz Warine, an Outlawed Baron in the Reign of King John. Hrsg. v. Thomas Wright. London 1855. Sebastian Franck  : Chronica Zeitbůch vnd Geschichtbibell von anbegyn bis in das gegenwertig 1536. jar verlengt. Straßburg 1536. Freidank  : Bescheidenheit. Hrsg. v. H. E. Bezzenberger. Halle 1872. Gervase of Tilbury  : Otia Imperialia. Recreation for an Emperor. Hrsg. und übers. v. S. E. Banks und J. W. Binns. Oxford 2002. Die Geschichte der Gräfin vom Brunnen. In  : Keltische Erzählungen von Kaiser Arthur. Aus dem Mittelkymrischen übertragen, mit Einführungen, Erläuterungen und Anmerkungen versehen v. Helmut Birkhan. Teil I. o. O. 2000, S. 65–197. Conrad Gessner  : Allgemeines Thierbuch […]. Frankfurt am Main 1569. [Gesta Herewardi] De Gestis Herwardi Saxonis. The Exploits of Hereward the Saxon. In  : Fenland Notes & Queries Vol. 3  : Supplements. Transcribed by S. H. Miller, translated by W. D. Sweeting. Peterborough 1895, S. 7–72. Giraldus Cambrensis  : Topographia Hibernica. In  : James Dimock (Hg.)  : Giraldi Cambrensis Opera. Bd. 5. London 1867, S. 3–204. [Giraldus Cambrensis] Gerald of Wales  : The History and Topography of Ireland. Translated with an Introduction by John J. O’Meara. Harmondsworth 1982. Johann Wolfgang von Goethe  : Reineke Fuchs. In  : Ders.: Werke. Hamburger Ausgabe in 14  Bden. Textkritisch durchgesehen und komm. v. Erich Trunz. München 1982. Bd.  2  : Gedichte und Epen II, S. 285–436. [Goscelin of St Bertin] The Liber confortatorius of Goscelin of Saint Bertin, Analecta monastica. Hrsg. v. Charles Hugh Talbot. Series 3. (= Studia Andelmiana 37) Rom 1955. Gottfried von Strassburg  : Tristan und Isold. Hrsg. v. Friedrich Ranke. Berlin 71963. Gottfried von Straßburg  : Tristan. Nach dem Text v. Friedrich Ranke neu hrsg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar vers. und einem Nachwort v. Rüdiger Krohn. 3 Bde. Stuttgart 1980.

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Gesamtbibliographie

Grágás. Konungsbók. Islændernes lovbog i fristatens tid udgivet efter det kongelige bibliotheks haand­skrift. Hrsg. v. Vilhjálmur Finsen. Bd. 1. Kopenhagen 1852 (Nachdruck Odense 1974). Gregor der Große  : Homiliae in Evangelia. Hrsg. v. Raymond Etaix. (= Corpus Christianorum Series Latina CXLI) Turnhout 1999. Grettis saga Ásmundarsonar. Hrsg. v. Richard C. Boer. Halle an der Saale 1900. Jacob Grimm  : Reinhart Fuchs. Berlin 1834. Jacob und Wilhelm Grimm  : Kinder- und Hausmärchen. Ges. durch die Brüder Grimm. Berlin 1822. Jacob und Wilhelm Grimm  : Kinder- und Hausmärchen, gesammelt durch die Brüder Grimm. Bd. 1, große Ausgabe. 7. Auflage, Göttingen 1857. Jacob und Wilhelm Grimm  : Die Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe der Urfassung. Hrsg. v. Friedrich Panzer. Wiesbaden o. J. (1947). Grímnismál. In  : Ursula Dronke (Hg.)  : The Poetic Edda. Vol.  III  : Mythological Poems  II. With Translation, Introduction and Commentary. Oxford 2011, S. 113–124. Grímnismál. In  : Gustav Neckel (Hg.)  : Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Bd. I  : Text. 5., verbesserte Aufl. v. Hans Kuhn. Heidelberg 1983, S. 57–68. [Grímnismál] Grimnirlied. In  : Arnulf Kraus (Hg.)  : Die Götterlieder der Älteren Edda. Übers. und komm. Stuttgart 2006, S. 87–100. Guillaume IX. von Aquitanien  : Farai un vers, pos mi somelh. In  : Alfred Jeanroy (Hg.)  : Les Chansons de Guillaume IX. Duc d’Aquitaine. Paris 1913, S. 8–13. Gylfaginning. In  : Edda Snorra Sturlusonar. Udgivet efter Håndskrifterne af Kommissionen for det Arnamagnæanske Legat ved Finnur Jónsson. København 1931, S. 8–77. [Gylfaginning] Gylfis Täuschung. In  : Arnulf Krause (Hg.)  : Die Edda des Snorri Sturluson. Ausgew., übers. und komm. Stuttgart 1997, S. 15–80. Das Haraldlied. In  : Edda. Bd. 2  : Götterdichtung und Spruchdichtung. Übertragen v. Felix Genzmer, mit Einleitung und Anmerkungen v. Andreas Heusler. (= Thule 2) Jena 1922, S. 191–194. Haraldskvæði. In  : Carmina Norrœna. Ex Reliquiis Vetustioris Norrœnæ Poesis Selecta, Recognita, Commentariis et Glossario Instructa edidit Theodurus Wisén. Vol. I. Lund 1886, S. 11–14. Hartmann von Aue  : Iwein. Text der siebenten Ausgabe v. G. F. Benecke, K. Lachmann und L. Wolff. Übersetzung und Anmerkungen v. Thomas Cramer. 3., durchgesehene und ergänzte Aufl. Berlin, New York 1981. [Heinrich der Glîchezære] Der Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich. Unter Mitarbeit v. Katharina von Goetz u. a. Hrsg. v. Klaus Düwel. Tübingen 1984. Heinrich von Veldeke  : Eneasroman. Nach dem Text v. Ludwig Ettmüller ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort v. Dieter Kartschoke. Stuttgart 1986. [Henry de] Bracton  : De Legibus et Consuetudinibus Angliae. Vol. II. Hrsg. v. George E. Woodbine. New Haven u. a. 1922. Herrand von Wildonie  : Diu katze. In  : Ders.: Vier Erzählungen. Hrsg. v. Hanns Fischer. Tübingen 1969, S. 44–53. Hervarar saga ok Heiðreks. Hrsg. v. Gabriel Turville-Petre. Exeter 2014. Huge Scheppel/Königin Sibille. Übertragen aus dem Französischen v. Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 12 in scrinio. Hrsg. v. Jan-Dirk Müller. (= Codices illuminati medii aevi 26) München 1993. Homer  : Odyssee. In  : Homers Werke in zwei Bänden. Übers. v. Johann Heinrich Voss. Mit einer litterarhistorischen Einleitung v. Joseph Lautenbacher. Bd. 2. Stuttgart o. J. (1. Aufl. 1781). Hugo von Folieto  : The Medieval Book of Birds. Hugh of Fouilloy’s Aviarium. Edition, Translation and

Primärtexte 

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Gesamtbibliographie

Leges Edwardi Confessoris. In  : Felix Liebermann (Hg.)  : Die Gesetze der Angelsachsen. Bd. 1. Halle an der Saale 1903, S. 627–670. Sibylle Lewitscharoff  : Blumenberg. Roman. Berlin 2013. [Malagis] Der deutsche Malagis nach den Heidelberger Handschriften cpg 340 und cpg 315 unter Benutzung der Vorarbeiten von Gabriele Schieb und Sabine Seelbach. Hrsg. v. Annegret Haase u. a. (= Deutsche Texte des Mittelalters 82) Berlin 2000. Maugis d’Aigremont. Chanson de geste. Hrsg. v. Philippe Vernay. (= Romanica Helvetica 93) Bern 1980. Marie de France  : Lais. Édition bilingue de Philippe Walter. Paris 2000. Kaiser Maximilian I.: Teuerdank. Die Geferlicheiten und eins Teils der Geschichten des loblichen streitbaren und hochberümten Helds und Ritters Herr Teurdanks […]. Hrsg. und mit einem Nachw. vers. v. Helga Unger. München 1968. Des Minnesangs Frühling. Bearb. v. Hugo Moser und Helmut Tervooren. Unter Benutzung der Ausgaben v. Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus. Bd. I  : Texte. 38., erneut revidierte Aufl. Mit einem Anhang  : Das Budapester und Kremsmünsteraner Fragment. Stuttgart 1988. Mittelhochdeutsche Minnelyrik. Bd. I  : Frühe Minnelyrik. Hrsg. v. Günther Schweikle. Stuttgart, Weimar 1993. Der Münchner Oswald. Mit einem Anhang  : Die ostschwäbische Prosafassung des 15. Jahrhunderts. Hrsg. v. Michael Curschmann. (= Altdeutsche Textbibliothek 76) Tübingen 1974. Natursagen. Eine Sammlung naturdeutscher Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden. Hrsg. v. Oskar Dähnhardt. 4 Bde. Leipzig, Berlin 1910. Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung, Hrsg., übers. und mit einem Anhang vers. v. Helmut Brackert. 2 Bde. Frankfurt 1970. Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch. Nach der Handschrift B hrsg. v. Ursula Schulze. Ins Neuhochdeutsche übers. und komm. v. Siegfried Grosse. Stuttgart 2010. Odo von Cheriton. In  : V. Léopold Hervieux (Hg.)  : Le Fabulistes latins, depuis le siècle d’Auguste jusqu’à la fin du moyen-âge. Paris 1884, S. 587–713. [Opus Imperfectum in Matthaeum] Incomplete Commentary on Matthew. Hrsg. v. James A. Kellerman/Thomas C. Oden. Downers Grove (Illinois) 2010. Opus Imperfectum in Matthaeum. In  : Jacques-Paul Migne (Hg.)  : Patrologia Graeca (=  MPG) 56 (1862), Sp. 601–946. Opus Imperfectum in Matthaeum. Hrsg. v. J. van Banning. (= Corpus Christianorum Series Latina 87B). Turnhout 1988. Ovid  : Metamorphosen. Lateinisch/Deutsch. Übers. und hrsg. v. Michael von Albrecht. Stuttgart 1994. Pangur Bán. In  : Whitley Stokes/John Strachan  : Thesaurus Palaeohibernicus. A Collection of OldIrish Glosses, Scholia Prose and Verse. Vol. II. Cambridge 1903, S. 293–294. Pantschatantra. Fünf Bücher indischer Fabeln, Märchen und Erzählungen. Aus dem Sanskrit übers. mit Einl. und Anm. v. Theodor Benfey. 2 Bde. Leipzig 1859. Physiologus. Griechisch/Deutsch. Übers. und hrsg. v. Otto Schönberger. Stuttgart 2001. [Plinius der Ältere] C. Plinii Secundi Naturalis Historiae Libri XXXVII. Hrsg. v. Iulius Sillig. Bd. 2. Leipzig 1832. Plinius der Ältere  : Naturalis historia. Naturgeschichte. Lateinisch/Deutsch. Ausgew., übers. und hrsg. v. Marion Giebel. Stuttgart 2005. [Plinius der Ältere] C. Plinius Secundus  : Naturkunde. Bd. I  : Kosmologie. Hrsg. und übers. v. Gerhard Winkler und Roderich König. Düsseldorf 2008.

Primärtexte 

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[Plinius der Ältere] C. Plinius Secundus  : Naturkunde. Bd. III  : Anthropologie – Zoologie. Hrsg. und übers. v. Roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler und Joachim Hopp. Düsseldorf 2008. [Plinius der Ältere] C. Plinius Secundus  : Naturkunde. Lateinisch – deutsch. Buch VIII. Zoologie  : Landtiere. Hrsg. und übers. v. Roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler. Düsseldorf 2007. Rabanus Maurus  : De universo. In  : Jacques-Paul Migne (Hg.)  : Patrologia Latina (= MPL) Bd. 111 (1852) (Nachdruck Turnhout 1996). Rabenschlacht. Textgeschichtliche Ausgabe. Hrsg.  v. Elisabeth Lienert und Dorit Wolter. (=  Texte und Studien zur mittelhochdeutschen Heldenepik 2) Tübingen 2005. Das Reginnlied. In  : Arnulf Krause (Hg.)  : Die Heldenlieder der Älteren Edda. Übers. und komm. Stuttgart 2001, S. 92–101. Reginsmál. In  : Gustav Neckel (Hg.)  : Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Bd. I  : Text. 5. verbesserte Aufl. v. Hans Kuhn. Heidelberg 1983, S. 173–179. [Reinmar von Zweter] Die Gedichte Reinmars von Zweter. Hrsg. v. Gustav Roethe. Leipzig 1887. Reinolt von Montelban oder Die Heimonskinder. Hrsg. v. Fridrich Pfaff. (= Bibliothek des Litterarischen Vereins 174) Tübingen 1885. Renaut de Montauban. Édition critique du ms. de Paris B.N. fr. 764. Hrsg. v. Philippe Verelst. Wetteren 1988. Renaut de Montauban. Edition critique du ms. Douce. Hrsg. v. Jacques Thomas. Genève 1989. [Reynke de vos] Reinke de Vos. Nach der Ausgabe v. Friedrich Priem. Hrsg. v. Albert Leitzmann mit einer Einleitung v. Karl Voretzsch. 3., durchges. Aufl. mit einem Vorwort v. Willi Steinberg. Halle an der Saale 1960. [Reynke de vos] Reinke de vos nach der ältesten Ausgabe (Lübeck 1498). Mit Einleitung, Anmerkungen und einem Wörterbuche v. August Lübben. Oldenburg 1867. Reynaerts historie. Mittelniederländisch – Neuhochdeutsch. Hrsg. und übers. v. Rita Schlusemann. Münster 2005. Reynaerts historie, Reynke de Vos. Gegenüberstellung einer Auswahl aus den niederländischen Fassungen und des niederdeutschen Textes von 1498. Hrsg. v. Jan Goossens. Darmstadt 1983. Rhonabwys Traum. In  : Keltische Erzählungen von Kaiser Arthur. Aus dem Mittelkymrischen übertragen, mit Einführungen, Erläuterungen und Anmerkungen versehen v. Helmut Birkhan. Teil II. o. O. 2000, S. 119–142. Rigaut de Berbezilh  : Liriche. A cura di Alberto Varvaro. (= Biblioteca di filologia romanza 4) Bari 1960. Roman de Renart. Hrsg. v. Ernst Martin. 3 Bde. Straßburg 1882–1887. Roman de Renart. Übers. und eingel. v. Helga Jauss-Meyer. München 1965. Roman de Renart. Hrsg. unter der Leitung v. Armand Strubel. Paris 1998. Hans Rosenplüt  : Reimpaarsprüche und Lieder. Hrsg. v. Jörn Reichel. (= Altdeutsche Textbibliothek 105) Tübingen 1990. Hans Rosenplüt  : Von den Türken. In  : von Rochus von Liliencron (Hg.)  : Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert. Bd. 1. Leipzig 1865 (Nachdruck Hildesheim 1966), S. 503–512. Rudolf von Ems  : Alexander. Ein höfischer Versroman des 13.  Jahrhunderts. Hrsg.  v. Victor Junk. (= Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 272/274) Leipzig 1928/29. Der Schulmeister von Esslingen. In  : Helmut De Boor (Hg.)  : Mittelalter. Texte und Zeugnisse. 2. Teilbd. München 1965, S. 1039.

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Gesamtbibliographie

Sigrdrífumál. In  : Gustav Neckel (Hg.)  : Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Bd. I  : Text. 5., verbesserte Aufl. v. Hans Kuhn. Heidelberg 1983, S. 189–197. [Sigrdrífumál] Sigrdrifalied. In  : Arnulf Krause (Hg.)  : Die Heldenlieder der Älteren Edda. Übers. und komm. Stuttgart 2001, S. 118–128. [Sigurdlied] Fragment eines Sigurdliedes. In  : Arnulf Krause (Hg.)  : Die Heldenlieder der Älteren Edda. Übers. und komm. Stuttgart 2001, S. 127–133. Der Stricker  : Der Kater als Freier. In  : Der Stricker  : Erzählungen, Fabeln, Reden. Mittelhochdeutsch/ Neuhochdeutsch. Hrsg. und übers. v. Otfrid Ehrismann. Stuttgart 1992, S. 38–47. Der Stricker  : Die Katze. In  : Der Stricker  : Erzählungen, Fabeln, Reden. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Hrsg. und übers. v. Otfrid Ehrismann. Stuttgart 1992, S. 48–50. Der Stricker  : Der Pfaffe Amis. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach der Heidelberger Handschrift cpg 341 hrsg., übers. und komm. v. Michael Schilling. Stuttgart 1994. Peter Suchenwirt’s Werke aus dem vierzehnten Jahrhunderte. Hrsg. v. Alois Primisser. Wien 1827. Johannes von Tepl  : Der Ackermann. Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Hrsg., übers. und komm. v. Christian Kiening. Stuttgart 2000. [Thomas von Cantimpré], Thomas Cantimpratensis  : Liber de natura rerum. Hrsg. v. Helmut Boese. Teil I  : Texte. Berlin, New York 1973. [Ulenspiegel] Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Nach dem Druck von 1515 hrsg. v. Wolfgang Lindow. Stuttgart 1966. Ulrich von Eschenbach  : Alexander. Hrsg. v. Wendelin Toischer. (= Bibliothek des Literarischen Vereins 183) Tübingen 1888. Vafðrúðnismál. In  : Gustav Neckel (Hg.)  : Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Bd. I  : Text. 5., verbesserte Aufl. v. Hans Kuhn. Heidelberg 1983, S. 45–55. [Vafðrúðnismál] Wafthrudnirlied. In  : Arnulf Krause (Hg.)  : Die Götterlieder der Älteren Edda. Übers. und komm. Stuttgart 2006, S. 69–83. Iulius Valerius Alexander Polemius  : Res gestae Alexandri Macedonis. Translatae ex Aesopo Graeco. Hrsg. v. Bernhard Kübler. Leipzig 1888. Van den vos Reynaerde. Hrsg., erkl. und komm. v. Francis Lulofs. Hilversum 22001. Van Sunte Oswaldo deme konninghe. In  : Marianna  E. Kalinke (Hg.)  : St.  Oswald of Northumbria  : Continental Metamorphoses. With an Edition and Translation of Ósvalds Saga and Van Sunte Oswaldo deme konninghe. (=  Medieval and Renaissance Texts and Studies 297) Tempe 2005, S. 174–191. [Vergil] P. Vergilius Maro  : Bucolica. Hirtengedichte. Lateinisch/Deutsch. Übersetzung, Anmerkungen, interpretierender Kommentar und Nachwort v. Michael von Albrecht. Stuttgart 2001. La Vie de Saint Hervé. In  : Albert Le Grand  : Les vies des saints de la Bretagne Armorique. [1637/1659] Hrsg. v. J. Salaun. Quimper 1901, S. 232–239. Vita sancti Ciarani episcopi de Saigir. In  : Charles Plummer (Hg.)  : Vitae Sanctorum Hiberniae. Bd. 1. Oxford 1910. S. 217–233. Vita sancti Moluae abbatis de Cluian Ferta Moluae. In  : Charles Plummer (Hg.)  : Vitae Sanctorum Hiberniae. Bd. 2. Oxford 1910. S. 206–225. Vita S. Oswaldi Regis et Martyris. In  : Thomas Arnold (Hg.)  : Symeonis monachi opera omnia. Vol. 1  : Historia Ecclesiæ Dunhelmensis. (= Rolls series 71,1) London 1882–1885, S. 326–385. Völuspá. In  : Ursula Dronke (Hg.)  : The Poetic Edda. Vol. II  : Mythological Poems. With Translation, Introduction and Commentary. Oxford 1997, S. 7–24. [Völuspá] Die Weissagung der Seherin. In  : Arnulf Krause (Hg.)  : Die Götterlieder der Älteren Edda. Übers. und komm. Stuttgart 2006, S. 10–27.

Sekundärliteratur 

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Von sand Benedictus (Benedikt von Nursia). In  : Margit Brand et al. (Hgg.)  : Der Heiligen Leben. Band II  : Der Winterteil. (= Texte und Textgeschichte  : Würzburger Forschungen 51) Tübingen 2004, S. 540–547. Von Sant Menrat. In  : Der Heiligen Leben. Der Winterteil. Straßburg  : Johannes Knoblauch, 1521, Bl. CXLIIIIv–CXLVIIr. Von sant Oswald. In  : Margit Brand u. a. (Hgg.)  : Der Heiligen Leben. Band  1  : Der Sommerteil. (= Texte und Textgeschichte  : Würzburger Forschungen 44) Tübingen 1996, S. 358–368. Walther von der Vogelweide  : Werke. Gesamtausgabe. Bd. 1  : Spruchlyrik. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Hrsg. v. Günther Schweikle. Stuttgart 1994. Walther von der Vogelweide  : Leich, Lieder, Sangsprüche. Hrsg.  v. Christoph Cormeau. 14., völlig neubearb. Aufl. der Ausgabe Karl Lachmanns mit Beiträgen v. Thomas Bein und Horst Brunner. Berlin, New York 1996. The Wanderer. In  : Rolf Breuer/Rainer Schöwerling (Hgg.)  : Altenglische Lyrik. Englisch/Deutsch. Stuttgart 1981, S. 12–19. Wernher der Gartenaere  : Helmbrecht. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung. Hrsg., übers. und mit einem Anhang vers. v. Helmut Brackert, Winfried Frey, Dieter Seitz. Frankfurt am Main 1972. [Wernher der Gartenaere] Meier Helmbrecht von Wernher der Gartenære. Hrsg. v. Friedrich Panzer. Halle an der Saale 1911. Der Wiener Oswald. Hrsg. v. Georg Baesecke. (= Germanische Bibliothek 2) Heidelberg 1912. Wolfdietrich A. In  : Arthur Amelung/Oskar Jänicke (Hgg.)  : Deutsches Heldenbuch. 3. Teil  : Ortnit und die Wolfdietriche. Berlin 1871 (Nachdruck Dublin, Zürich 1968), S. 79–152. Wolfdietrich B. In  : Arthur Amelung/Oskar Jänicke (Hgg.)  : Deutsches Heldenbuch. 3.  Teil  : Ortnit und die Wolfdietriche. Berlin 1871 (Nachdruck Dublin, Zürich 1968), S. 165–301. Ysengrimus. Hrsg., übers., komm. und eingel. v. Jill Mann. Leiden u. a. 1987.

2 Sekundärliteratur Beate Ackermann-Arlt  : Das Pferd und seine epische Funktion im mittelhochdeutschen Prosa-Lancelot. (= Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 19) Berlin, New York 1990. Max Adams  : The King in the North. The Life and Times of Oswald of Northumbria. London 2013. Giorgio Agamben  : Stanzen. Wort und Phantasma in der abendländischen Kultur. Aus dem Italienischen v. Eva Zwischenbrugger. Zürich 22012. Georg Baesecke  : Heinrich der Glichezare. In  : Zeitschrift für deutsche Philologie 52 (1927), S. 1–22. Beate Baier  : Die Bildung der Helden. Erziehung und Ausbildung in mittelhochdeutschen Antikenromanen und ihren Vorlagen. (= Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium 68) Trier 2006. F. Baix  : Légendes et Folklore de S. Remacle. In  : Folklore Stavelot-Malmédy 16 (1952), S. 7–50. Richard Barber  : Bestiary. Woodbridge 1999. Roland Barthes  : Fragmente einer Sprache der Liebe. Übers. v. Hans-Horst Henschen. Frankfurt am Main 2003. Bernd Bastert  : Helden als Heilige. Chanson de geste-Rezeption im deutschsprachigen Raum. (= Codices illuminati medii aevi 26) Tübingen, Basel 2010. Bernd Bastert  : Zwischen Artus und Jesus. Lewe als Grenzgänger im Herzog Herpin. In  : Nina Bartsch/ Simone Schulz-Baluff (Hgg.)  : PerspektivWechsel oder  : Die Wiederentdeckung der Philologie.

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Gesamtbibliographie

Bd. 2  : Grenzgänge und Grenzüberschreitungen. Zusammenspiele von Sprache und Literatur in Mittelalter und Früher Neuzeit. Berlin 2016, S. 455–467. Friedrich Battenberg  : Art. ›Acht‹. In  : Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1. Berlin 2008, Sp. 59–65. Heinrich Beck  : Das Problem der bitheriophoren Personennamen im Germanischen. In  : Helmut Roth (Hg.)  : Zum Problem der Deutung frühmittelalterlicher Bildinhalte. Sigmaringen 1986, S. 303–315. Heinrich Beck/Bernhard Maier  : Art. ›Huginn und Muninn‹. In  : Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 15. Berlin 2000, S. 200–202. John Bellamy  : Crime and Public Order in England in the Later Middle Ages. London 1973. [BMZ] Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses v. Georg Friedrich Benecke ausgearb. v. Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 4 Bde. Leipzig 1854–1866 (Nachdruck Stuttgart 1990). http://woerterbuchnetz.de/BMZ/ (15.04.2016). Norbert Benecke  : Der Mensch und seine Haustiere. Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung. Stuttgart 1994. Maximilian Benz  : Minnesang diesseits des Frauendienstes und der Kanzonenstrophe. In  : Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 136 (2014), S. 569–600. Henri Bergson  : Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen. Zürich 1972. Daniel Bernard  : Wolf und Mensch. Saarbrücken 1983. Peter Bertau  : Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Nichtsingvögel. Bd. 1. Berlin, Heidelberg 2014. Anne Berthelot  : Maugis d’Aigremont, magicien ou amuseur public. In  : Annales littéraires de l’Université de Besançon, Burlesque et dérision dans les épopées de l’Occident médiéval  : actes du Colloque international des Rencontres européennes de Strasbourg et de la Société internationale Rencesvals (Section française). Strasbourg, 16–18 septembre 1993. Paris 1995, S. 321–331. Bart Besamusca  : Humor in de Malagis. In  : Georges de Schutter/Jan Goossens (Hgg.)  : Van Madelgijs tot Malagis. Een bundel opstellen verzameld n. a. v. de tachtigste verjaardag van Gilbert de Smet. Gent 2002, S. 65–76. Ludger Bilke  : Was heißt hier Katze  ? In  : Rainer Kampling (Hg.)  : Eine seltsame Gefährtin  : Katzen, Religion, Theologie und Theologen. (= Apeliotes 1) Frankfurt am Main u. a. 2007, S.75–94. Helmut Birkhan  : Anhang. In  : Keltische Erzählungen von Kaiser Arthur. Aus dem Mittelkymrischen übertragen, mit Einführungen, Erläuterungen und Anmerkungen versehen v. Helmut Birkhan. Teil I. o. O. 2000, S. 245–271. Benjamin Blaney  : Art. ›Berserkr‹. In  : Philipp Pulsiano (Hg.)  : Medieval Scandinavia  : an Encyclopedia. New York, London 1993, S. 37–38. Ute von Bloh  : Anders gefragt. Vers oder Prosa  ? Reinolt von Montalban und andere Übersetzungen aus dem Mittelniederländischen im Umkreis des Heidelberger Hofes. In  : Wolfram Studien 14 (1996), S. 265–293. Ute von Bloh  : Ausgerenkte Ordnung. Vier Prosaepen aus dem Umkreis der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken  : Herzog Herpin, Loher und Maller, Huge Scheppel, Königin Sibille. (= Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 119) Tübingen 2002. Ute von Bloh  : Doppelgänger in der Literatur des Mittelalters  ? Doppelungsphantasien im Engelhart Konrads von Würzburg und im Olwier und Artus. In  : Zeitschrift für deutsche Philologie 124 (2005), S. 341–359. Ute von Bloh  : Unheilvolle Erzählungen. Zwillinge in Geschichten des 12. und 13. Jahrhunderts. In  : Jan-Dirk Müller (Hg.)  : Text und Kontext. Fallstudien und theoretische Begründungen einer kul-

Sekundärliteratur 

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turwissenschaftlich angeleiteten Mediävistik. (= Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 64) München 2007, S. 3–20. Ute von Bloh  : Die unmögliche Gleichheit. Zur Personenverdoppelung in Texten und Bildern des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. In  : Tobias Frese/Annette Hoffmann (Hgg.)  : Habitus. Norm und Transgression in Bild und Text. Festgabe für Lieselotte E. Saurma-Jeltsch. Berlin 2011, S. 65–91. Hans Blumenberg  : Löwen. Mit einem Nachwort v. Martin Meyer. Berlin 2010. Laurence Bobis  : Die Katze. Geschichte und Legenden. Leipzig 2001. Rabea Bockwyt  : Der Rabe im Münchener Oswald. In  : Hiram Kümper/Michaela Pastors (Hgg.)  : Florilegium  : Bochumer Arbeiten zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte. Nordhausen 2007, S. 116–148. Johannes Bolte/Georg Polívka  : Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Leipzig 1913 (Nachdruck Hildesheim 1963). Egon Boshof/Franz-Reiner Erkens (Hgg.)  : Rudolf von Habsburg (1273–1291). Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel. (= Passauer Historische Forschungen 7) Köln u. a. 1993. Sigrid Braunfels  : Art. ›Rabe‹. In  : Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 3. Freiburg im Breisgau 1971, Sp. 489–491. Hartmut Breitkreuz  : Art. ›Einklemmen unholder Wesen‹. In  : Enzyklopädie des Märchens, Bd.  3. Berlin, New York 1981, Sp. 1261–1271. Ralf Breslau  : Der Nachlaß der Brüder Grimm. Teil 1  : Katalog. Bearb. v. Ralf Breslau (= Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Kataloge II.3.1). Wiesbaden 1997. Claudia Brinker  : Von manigen helden gute tat. Geschichte als Exempel bei Peter Suchenwirt. (= Wiener Arbeiten zur Germanischen Altertumskunde und Philologie 30) Bern u. a. 1987. Theo Broekmann  : Süenen und bescheiden. Der Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich im Spiegel mittelalterlicher Verhaltenskonventionen. In  : Frühmittelalterliche Studien 32 (1998), S. 218–262. Rachel Bromwich  : Trioedd ynys Prydein. The Welsh Triads. Ed. with introduction, Translation and Commentary. Cardiff 1978. Edwin L. Brown  : The Lycidas of Theocritus’ Idyll 7. In  : D. R. Shackleton-Bailey (Hg.)  : Harvard Studies in Classical Philology 85 (1982), S. 59–100. Gabriele Brunner Ungricht  : Die Mensch-Tier-Verwandlung. Eine Motivgeschichte. Bern 1998. Hermann Büttner  : Der Reinhart Fuchs und seine französische Quelle. Straßburg 1891. Joachim Bumke  : Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. München 2008. Bernhard Burchert  : Die Anfänge des Prosaromans in Deutschland. Die Prosaerzählungen Elisabeths von Nassau-Saarbrücken. (= Europäische Hochschulschriften I/926) Frankfurt am Main u. a. 1987. Walter Burkert  : Lykaia und Lykaon. In  : Homo Necans. Interpretationen altgriechischer Opferriten und Mythen. Berlin 1972, S. 98–108. Nathanael Busch/Björn Reich  : Derbe Erotik  ? Groteske Zauberkunst  ? Vom Zauberritter Malagis und dem nackten Kaiser Karl. In  : Dies. (Hgg.)  : Vergessene Texte des Mittelalters. Stuttgart 2014, S. 157–174. Caroline Walker Bynum  : The Resurrection of the Body in Western Christianity, 200–1336. New York 1995. Caroline Walker Bynum  : Metamorphosis and Identity. New York 2001. Rüdiger Campe/Manfred Schneider (Hgg.)  : Geschichten der Physiognomik. Text, Bild, Wissen. (= Rombach Wissenschaft  : Reihe Litterae 36) Freiburg im Breisgau 1996.

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Abbildungsverzeichnis Einband  : Adam benennt die Tiere. Bestiarium, zweites oder drittes Viertel des 13.  Jhs. London, © The British Library Board  : Ms. Sloane 3544, fol. 15v. Klinger/Kraß, Einführung  : Entführung eines Tigerjungen, während dessen Mutter durch ihr Spiegelbild abgelenkt ist. Rochester-Bestiarium, nach 1230. London, © The British Library Board  : Ms. Royal 12 F XIII, fol. 6v. Saurma-Jeltsch, Das Pferd Bucephalus  : Abb. 1  : Alexander. Johannes Hartlieb, Histori von dem grossen Alexander. Augsburg 1461. Darmstadt ULB  : Hs. 4256, fol. 1v. Bild  : Renate Deckers-Matzko, Heidelberg. Abb.  2  : Bucephalus wird Philipp (Olympias) zugeführt. Bucephalus erkennt in Alexander seinen Meister. Roman d’Alexandre en prose. Paris, Atelier de Montbaston, um 1335. London, ©  The British Library Board  : Ms. Royal 19 D 1, fol. 6r. Abb. 3  : Alexander nimmt die Lehenseide seiner Untertanen entgegen. Roman d’Alexandre en prose. Paris, Atelier de Montbaston, um 1335. London, © The British Library Board  : Ms. Royal 19 D 1, fol. 9r. Abb. 4  : Bucephalus sterbend und im Grabmonument. Roman d’Alexandre en prose. Paris, Atelier de Montbaston, um 1335. London, © The British Library Board  : Ms. Royal 19 D 1, fol. 39r. Abb. 5  : Alexander und Bucephalus greifen die Kynokephalen an. Roman d’Alexandre en prose. Niederländisch/Flandrisch, Anfang 14. Jh. London, © The British Library Board  : Ms. Harley 4979, fol. 72. Abb. 6  : Alexander öffnet den Käfig und reitet Bucephalus. Johannes Hartlieb, Histori von dem grossen Alexander. Augsburg 1461. Darmstadt ULB  : Hs. 4256, fol. 14v. Bild  : Renate Deckers-Matzko, Heidelberg. Bastert, Das Pferd Bayard  : Flucht der Haymonskinder auf Bayard. Französische Inkunabel aus Lyon, um 1480. Bibl. Univ. Liège XV B 128. Quelle  : Jacques Thomas, Philippe Verelst und Maurice Piron  : Études sur Renaut de Montauban (Romanica Gandensia 18). Gent 1981. Grduszak, Die Katze  : Katzen bei der Mäusejagd. Bestiarium, um 1200–1210. London, © The British Library Board  : Ms. Royal 12 C XIX, fol. 36v. Herz, Der Hund  : König Garamantes und seine Hunde. Rochester-Bestiarium, nach 1230. London, © The British Library Board  : Ms. Royal 12 F XIII, fol. 30v. Röcke, Der Esel  : Esel. Rochester-Bestiarium, nach 1230. London, © The British Library Board  : Ms. Royal 12, F XIII, fol. 39r. Müller, Der Eber  : Konfrontation mit dem Eber. Aus  : Eglamour of Artois, 1564. The Bodleian Library, University of Oxford  : Ms. Douce 261, fol. 32v. Haferland, Der Fuchs  : Abb. 13  : Der Fuchs stellt sich tot, um Vögel zu fangen. Rochester-Bestiarium, nach 1230. London, © The British Library Board  : Ms. Royal 12 F XIII, fol. 26v. Klinger, Der Wolf  : Der Wolf raubt dem Menschen die Stimme. Rochester-Bestiarium, nach 1230. London, © The British Library Board  : Ms. Royal 12 F XIII, fol. 29r. Kraß, Der Löwe  : Yvain und der dankbare Löwe. Aus  : Chrétien de Troyes, Yvain, le chevalier au lion. Erste Hälfte des 14. Jhs. Paris, Bibliothèque Nationale de France  : Manuscrits Français 1433, fol. 85. Winst, Der Rabe  : Rabe reißt ein Pferd. Bestiarium, um 1200–1210. London, © The British Library Board  : Ms. Royal 12 C XIX, fol. 43r.

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Abbildungsverzeichnis

Neudeck, Der Adler  : Quaterionenadler  : doppelköpfiger Reichsadler mit Wappen der Reichsstände. Holzschnitt von Hans Burgkmair d. Ä.: Das hailig Römisch reich mit sampt seinen gelidern, 1510. Quelle  : Max Geisberg  : Der Deutsche Einblatt-Holzschnitt in der ersten Hälfte des XVI.  Jhs. München 1926. Abb. Nr. III, 18  ; Kat. Nr. 520. Schulz, Der Falke  : Beizjagd mit Falken. Bestiarium, zweites Viertel des 13. Jhs. London, © The British Library Board  : Ms. Harley 4751, fol. 49. Haubrichs, Tiere in Namen  : Krieger im Wolfsgewand. Umzeichnung eines Bronze-Pressblechs der Vendelzeit aus Torslunda, Öland (Schweden). Um 550–800. Quelle  : Oscar Montelius  : Om lifvet i Sverige under hednatiden. Stockholm 1905, S. 98.

Register Tiere Adler 201 – 213  ; 201, 213, 255, 257, 271, 276, 282 Argos (Hund) 78 Auerochse 274 Bär 79, 161, 265, 267, 272, 273 Bayard (Pferd) 47 – 59  ; 26, 47, 59 Bellyn, Belin (Schafsbock) 134, 266 Brun, Bruno (Bär) 130, 132 – 134, 246, 266 Bucephalus (Pferd) 33 – 45  ; 33, 45, 48, 260 Coppe (Henne) 138 Dieprecht (Kater) 130, 133 Dimna (Schakal, Fuchs) 267 Drache 29, 257 Dromedar 260 Eber 103 – 118  ; 103, 118, 273, 282 Einhorn 15, 21 Esel 89 – 99  ; 89, 99 Falke 215 – 226  ; 215, 226 Fenrir, Fenriswolf 143, 271 Fisch 257 Fuchs 119 – 138  ; 72, 119, 138 Gieremund, Ghyremod (Wölfin) 119, 133 Gringuljete, Gringalet (Pferd) 27, 48 Grymbart (Dachs) 133, 134, 268 Guinefort (Hund) 81 Hahn 262 Hase 133 Hennynck (Hahn) 133 Hersant, Hersent (Wölfin) 126 – 129 Hirsch 42

Huginn und Muninn (Raben) 186, 199 Hund 77 – 87  ; 77, 87, 262, 274 Hyntze (Kater) 133, 134 Isegrim, Isengrim, Ysegrym, Ysengrimus, Ysengrin (Wolf) 119, 125 – 127, 129, 130, 132 – 134, 246, 267, 268 Kamel 260 Katze 63 – 76  ; 63, 76 Kincsem (Pferd) 256 Krähe 275, 277 Krassevoet (Henne) 133 Lampe (Hase) 134 Leopard 260 Löwe 163 – 182  ; 163, 182, 257, 258, 263, 265 – 269 Nobel (Löwe) 119, 126, 134, 135 Pangur Bán (Kater) 65, 66, 261 Petitcreiu (Hund) 78 – 80 Pferd 33 – 59  ; 33, 59 Rabe 185 – 200  ; 185, 200, 270, 278 Reineke, Raginhart, Reinardus, Reinhart, Renart, Reynaert, Reynke (Fuchs) 119, 138 Schaf 270 Schafsbock 266 Schakal 267 Schantecler (Hahn) 129, 130 Schwein 103, 118 Seehund 257 Swam (Hund) 27, 79, 80

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Register

Taube 275 Vogel 264 Vrevel (Löwe) 135 Waldkauz 44 Widder 256

Wildschwein 103, 118 Windhund 77, 87 Wisent 274 Wolf 139 – 161  ; 139, 161, 264 – 269, 275, 276 Ysegrym, Ysengrimus, Ysengrim → Isegrim

Personen und Werke Ælfric von Eynsham 146 Passio Sancti Edmundi Regis 146 Aelian 122 – 124, 264, 274 De natura animalium 122, 123, 264 Ain Schön Lieblich, auch kurtzweylig Gedichte Lutij Apuleis, von einem gulden Esel 93 Albertus Magnus 171, 172, 261 De animalibus 171 Alexandre de Barney 38, 256 Roman d’Alexandre 38, 256, 258 Alexandre de Pari → Alexandre de Barney Altdeutsche Genesis 10, 12, 13, 16, 21 Altenglischer Exodus 160, 270 Ammianus Marcellinus 246 Amor und Psyche 93 Ancrene Wisse 67 Angelsächsische Chronik 272 Annolied 107, 108, 110 Antoninus Liberalis 271 Metamorphosen 271 Apuleius → Lucius Apuleius Aristoteles 16, 98, 163, 164, 171, 274 Historia animalium (Geschichte der Tiere) 16, 163, 164, 271 Asinarius 95 Äsop 96, 97, 124, 128, 130, 136, 138, 265 – 267, 269 Fabeln 97, 128, 266, 267, 269 Last des Esels 96 Asterix 103 Atlakviða in grœnlenzka (Altes Atlilied) 243 Augustinus 107, 271 De civitate Dei (Vom Gottesstaat) 107, 271 Aulus Gellius 164, 165

Attische Nächte 164, 165 Beda Venerabilis 238, 276 Historia ecclesiastica gentis Anglorum (Kirchengeschichte des englischen Volkes) 238, 276 Beheim, Michel 210, 211, 279 Beowulf 246 Biblische Bücher 1. Buch der Könige 198 Daniel 106, 110 Genesis (1. Buch Mose) 11, 15, 55, 140, 216 Jesaja 25, 144 Lukas-Evangelium 91, 261 Matthäus-Evangelium 91 Numeri (4. Buch Mose) 25, 91 Offenbarung (Johannes-Apokalypse) 25, 255 Psalmen 103, 106, 108 Sacharja 91 Blumenberg, Hans 177 Löwen 177 Boccaccio, Giovanni 216, 279 Böhmenschlacht 206 – 208 Bote, Herman 90 Ulenspiegel 90 Brant, Sebastian 89 Das Narrenschiff 89 Brehm, Alfred Edmund 120 – 122, 173 – 175, 177, 181, 182 Illustrirtes Thierleben 121, 173, 176 Breuddwyd Rhonabwy (Rhonabwys Traum) 192 – 194, 199 Brot af Sigurðarqviðo (Fragment eines Sigurdliedes) 196, 199

Personen und Werke 

Burchard von Worms 248 Decretorum libri viginti 248 Carmina Burana 221 Cervantes, Miguel de 93 Don Quijote 93 Chanson de la Reine Sibille 82 Charles Le Brun 98 Conférence sur la physiognomie 98 Chaucer, Geoffrey Canterbury Tales 262 Chrétien de Troyes 163, 167, 168 Yvain 168 Chwedyl Iarles y Ffynnawn (Geschichte der Gräfin vom Brunnen) 194 Cynewulf 160, 161, 274 Elene 160 De sancto Paulo eremita (Der heilige Einsiedler Paulus) 277 De sancto Vincentio (Der Heilige Vincentius) 198 Der Heiligen Leben 197, 276 Der Minne Falkner 216 Der Stricker 71, 73, 90 Der Kater als Freier 72, 74 Pfaffe Amis 90 Der von Kürenberg → Kürenberger Dietmar von Aist 217, 221, 222, 226 Directorium vitae humanae 267 Ecbasis captivi 128, 131, 265, 267 Elisabeth von Lothringen und NassauSaarbrücken → Königin Sibille Erasmus Alberus 97 Ermoldus Nigellus 66 Lobgedicht auf Kaiser Ludwig und Elegien an König Pippin 66 Étienne de Bourbon 81, 83 Die Sieben Gaben des Heiligen Geistes 81, 83 Etymachietraktat 103, 263 Ferdinand Freiligrath 174, 275 Der Wecker in der Wüste 275 Finnsburg-Fragment 239, 281

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Fioretti di San Francesco 148, 271 Fouke le fitz Waryn 151, 153, 272 Franck, Sebastian 109 Geschichtsbibell 109 Freidank 140, 144 Bescheidenheit 140, 144 Friedrich II. 215 De arte venandi cum avibus (Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen) 215 Friedrich von Schwaben 255 Gervasius von Tilbury 249, 265 Otia imperialia 249, 265 Gessner, Conrad 122, 264 Thierbuch 122, 264 Gesta Herewardi 152, 153, 272 Giambattista della Porta 98 De humana physiognomonica 98 Giraldus Cambrensis 145, 146 Topographia Hibernica (Topographie Irlands) 145, 271 Goethe, Johann Wolfgang von 119 – 121, 131, 264, 268 Reineke Fuchs 119, 121 Goscelin von St. Bertin 67 Liber confortarius 67 Gottfried von Straßburg 78, 114 Tristan 78 – 80, 114, 190 Graelent 273 Grágás 150 Gregor der Große 142, 270 Gregor von Tours 250, 252 Grettis saga Ásmundarsonar 273 Grimm, Brüder (Jacob und Wilhelm) 95, 138, 265, 268 Kinder- und Hausmärchen 94, 264, 266 Bremer Stadtmusikanten 94 Das Eselein 95 Der Wolf und der Fuchs 125 Tischchen deck dich 94 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von 93 Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch (auch Simplicius Simplicissimus) 93 Grímnismál (Grimnirlied) 143, 275 Guillaume IX., Herzog von Aquitanien 75

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Register

Chansons 75 Günser Reinolt 259 Gylfaginning (Gylfis Täuschung) 143, 186, 271, 275 Haraldskvæði/Hrafnsmál (Haraldlied) 192, 199, 247, 277 Hartlieb, Johannes 36, 37, 42, 256, 257 Alexander 36, 256 Hartmann von Aue 163, 167, 274, 275 Iwein 274, 275 Heinrich von Veldeke 154 Eneasroman 154 Henry de Bracton 150, 151, 272 De Legibus et Consuetudinibus Angliae 272 Herrand von Wildonie 72, 73 Diu katze 72 Hervarar saga ok Heiðreks 273 Hieronymus 107 Commentarii in Danielem prophetam 263 Hildebrandslied 233, 235 Historia de preliis 257 Historie van Sent Reynolt 259 Homer 77, 156 Ilias 156 Odyssee 78 Horapollon 275 Isidor von Sevilla 68, 139, 141, 161, 185, 250, 260, 270, 275 – 277 Etymologiae (Enzyklopädie) 68, 139, 141, 260, 270, 275 – 277 Historia Gothorum 250 Jacobus de Voragine 163, 172 Legenda aurea 163, 172, 173, 197, 198 Jansen Enikel 262 Weltchronik 262 Jocelinus von Furness 271 Vita Kentigerni 271 Johannes Diaconus 67 Lebensgeschichte Gregors I. 67 Johannes von Capua 267 Beispiele der alten Weisen 267 Johannes von Tepl 89 Der Ackermann 89

Jordanes 241, 246, 249 Kaiser Maximilian I. 110 Theuerdank 110, 112 Kaiserchronik 108 – 110, 263 Königin Sibille 26, 80, 82, 87 Konrad von Fußesbrunnen 270 Kindheit Jesu 270 Konrad von Megenberg 68, 69, 171, 172, 205, 260 Buch der Natur 68, 171, 205 Konrad von Würzburg 27, 79, 105, 208, 278 Partonopier und Meliur 79, 80, 87 Turnier von Nantes 278 Kudrun 105, 276 Kürenberger (der von Kürenberg) 115, 217, 219 – 222, 225, 226, 280 Falkenlied 219 – 222, 225, 226 Leges Edwardi Confessoris 272 Lewitscharoff, Sibylle 163, 177, 178, 180 – 182 Blumenberg 163, 177, 178 Lex Salica 272 Lucius Apuleius 92, 93 Metamorphosen (Asinus aureus) 92, 93 Luther, Martin 97 Mabinogion 193, 194, 255 Malagis 49, 54, 56, 58, 259, 261 Marie de France 216, 255, 262, 273, 279 Bisclaveret 255, 273 De Catto infulato 262 Guigemar 255 Yonec 216, 255, 279 Math fab Mathonwy (Math, Sohn von Mathonwy) 255 Maugis d’Aigremont 48, 259, 260 Mélion 255 Merseburger Zaubersprüche 10, 21, 22, 48 Muspilli 142 Nibelungenlied 29, 104 – 106, 155, 156, 190, 216, 259, 273, 279 Odo von Cheriton 69 Fabeln 69

Personen und Werke 

Opus imperfectum in Matthaeum 244, 245, 247, 254, 283 Oswald 189, 276 Münchner Oswald 188, 190, 199, 276 Van Sunte Oswaldo deme konninghe 189 Vita S. Oswaldi 276 Von sant Oswald 276 Wiener Oswald 27, 187 – 190, 199 Otloh von St. Emmeram 281 Ovid 144 Metamorphosen 144 Pantschatantra (Pañcatantra) 265, 267 Passional 188 Pfaffe Konrad Rolandslied 29 Pfaffe Lambrecht 256, 258 Alexanderlied 256 Phädrus 95, 96 Asinus ad lyram 95, 96 Physiologus 14, 16, 18, 21, 24, 28, 123, 167, 168, 171 – 173, 182, 203, 205, 209 Althochdeutscher Physiologus 10, 16 – 18 Griechischer Physiologus 17, 20 Pierre de Saint-Cloud 127, 128 Plautus 270 Asinaria 270 Plinius 16, 139, 163, 164, 171, 248, 270, 271, 273, 276 Naturalis historia (Naturgeschichte) 16, 139, 164, 248, 270, 273 Plutarch 275 Quaestiones convivales 275 Priscus 246 Pseudo-Aristoteles 98 Physiognomonica 98 Pseudo-Kallisthenes 38, 256, 257 Pwyll Pendefig Dyfed (Pwyll, Herr von Dyfed) 273 Rabanus Maurus 185, 260, 270, 276, 277 De universo 270, 275, 276 Rabenschlacht 276 Reginald von Durham 276 Vita S. Oswaldi 276 Reginsmál (Reginnlied) 190, 196, 255

Reichenauer Schulheft 261 Reinhart Fuchs (mittelhochdeutsch) 127 – 133, 135, 136, 138, 265 – 269 Reinmar der Alte 217, 223 – 226 Reinmar von Zweter 74 Reinolt von Montelban 49, 50, 54, 58, 259 Renaut de Montauban 48, 57, 259, 260 Reynaerts historie 135, 136, 268, 269 Reynke de vos 131, 132, 135, 136, 138, 268, 269 Rigaut de Berbezilh 220 Roman de Renart 124 – 132, 136, 265, 267 – 269 Rosengarten zu Worms 273 Rosenplüt, Hans 211 Rudolf von Ems 256, 257 Alexander 256 Schulmeister von Essling 209, 278, 279 Shakespeare, William 93 A Midsummer Night’s Dream 93 Sigrdrífumál (Sigrdrifalied) 150 Suchenwirt, Peter 210 The Battle of Brunanburgh 191, 192, 198 The Wanderer 159 Thietmar von Merseburg 142, 270 Thomas Hobbes 140, 270 De Cive 270 Thomasin von Zerclaere 280 Der Welsche Gast 280 Thomas von Cantimpré 171 Liber de rerum naturae (Buch der Natur) 171 Thüring von Ringoltingen 112 Melusine 112 Tochmarc Étaíne (Brautwerbung um Étain) 255 Trierer Hundesegen 22 Trierer Pferdesegen 22, 48 Türkenbüchlein 257 Ulrich von Eschenbach → Ulrich von Etzenbach Ulrich von Etzenbach 256, 262 Alexander 256

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Register

Ulrich von Zatzikhoven 255 Lanzelet 255 Vafðrúðnismál (Wafthrudnirlied) 271 Van den vos Reynaerde 136, 138, 266, 269 Vatnsdœla saga 247, 273 Venantius Fortunatus 232, 252 Vergil 159, 270 Bucolica (Eklogen) 159, 270, 274 Vita sancti Ciarani episcopi de Saigir 271 Vita sancti Moluae abbatis de Cluian Ferta Moluae 271 Vita S. Ebrulphi 249 Völsunga saga (Wälsungensaga) 156, 246, 273 Völuspá 142 – 144, 271 Von sand Benedictus 277 Von Sant Menrat 277

Walther von der Vogelweide 204, 205, 207, 208, 226, 278 Wernher der Gartenaere 150, 195 Helmbrecht 150, 151, 155, 195 – 197, 199, 272, 277 Wernher von Teufen 220 Wiener Pferdesegen 48 Wolfdietrich 156, 274 Fassung A 154 – 156, 274 Fassung B 158, 274 Wolfram von Eschenbach 104 Parzival 27, 29, 104 Ysengrimus 124 – 131, 136, 138, 266, 268 Ysengrimus abbreviatus 266