Thesen und Thesenanschlag Luthers: Geschehen und Bedeutung 3110052237, 9783110052237, 9783110831405

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Thesen und Thesenanschlag Luthers: Geschehen und Bedeutung
 3110052237, 9783110052237, 9783110831405

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Der Thesenanschlag (Zur Frage Des 31. Oktober 1517)
2. Der Ertrag Der Auseinandersetzung Über Den Thesenanschlag
3. Der Ablaß Als Theologisches Problem
4. Die Ablasskonstitution Papst Pauls Vi. Vom 1. Jan. 1967

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H. B O R N K A M M THESEN UND THESENANSCHLAG LUTHERS

THESEN UND THESENANSCHLAG LUTHERS Geschehen und Bedeutung

VON

HEINRICH

BORNKAMM

1967

VERLAG ALFRED TÖPELMANN - BERLIN

THEOLOGISCHE

BIBLIOTHEK

H E R A U S G E G E B E N K. A L A N D ,

K.G.

K U H N ,

VON

C. H . R A T S C H O W 14.

TÖPELMANN U N D

E.

S C H L I N K

H E F T

(c) 1967 by Verlag Alfred Töpelmann, Berlin 30 (Printed in Germany) Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in f r e m d e Sprachen, vorbehalten. O h n e ausdrüdtliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. A r d i i v - N r . 3901671/14 Satz und Drude: T h o r m a n n & Goetsch, Berlin 44

VORWORT

Die nachfolgende kleine Schrift ist mehr gewachsen als geplant. Der erste Teil, der zunächst in der Hanns Rückert gewidmeten Festgabe, G E I S T UND G E S C H I C H T E DER REFORMATION (1966) erschien, wollte nur versuchen, etwas Ordnung in die vielverhandelte Frage nach dem Geschehen um den 31. Oktober 1517 zu bringen und dem Bestand zuverlässiger Quellen der Uberlieferung, vor allem den ältesten, z. T. mißverstandenen oder überhaupt übersehenen, das Vertrauen wiederzugewinnen, das sie verdienen. Nachdem dieser Aufsatz bereits gedruckt war, boten neue Schriften der Kritiker dieser Uberlieferung Anlaß, die historische Bemühung weiterzuführen und den während der gesamten Diskussion erfreulicherweise geringer gewordenen Abstand genauer zu fixieren. Vor allem aber ergab sich immer zwingender die Notwendigkeit, das historische mit dem theologischen Problem des Ablaßstreits zu verbinden, wie es verständnisvoll und offenherzig schon von katholischer Seite geschehen war. Es mußte ja den, der sich der geschichtlichen Bedeutung des damaligen Ringens bewußt war, mit Aufmerksamkeit und Anteilnahme erfüllen, daß das Thema von einst nach so langer Zeit wieder zum Gegenstand eindringlichen Fragens in der heutigen katholischen Theologie geworden war. Schließlich erschien, nachdem die kurzen, auf die Berührungen mit der reformationsgeschichtlichen Problematik beschränkten Bemerkungen abgeschlossen waren, die Ablaßkonstitution Papst Pauls VI. vom 1. Januar 1967. Sie machte die folgenreiche historische Frage plötzlich wieder aktuell. An der Constitutio vorbeizugehen, war unmöglich. Daß die Lehrentscheidung mit betonter Eindeutigkeit für die traditionelle, spätmittelalterliche Ablaßtheorie fiel und nur Reformen der Ablaßpraxis eingeführt wurden, war im Gedanken an die Bemühungen der neueren katholischen Theologie eine Enttäuschung. Aber zugleich stellte sich um so stärker die geschichtliche Frage nach dem Recht von Luthers

VI

Vorwort

Einwänden und Mahnungen, die allein aus brennender Sorge um das Seelenheil der Christen und das rechte Verständnis der Erlösung entsprungen waren. Auch wenn der Ablaß für die nichtkatholischen Kirchen keine und für die römisch-katholische Kirche nur noch eine geminderte Bedeutung hat, so bleibt er doch unlösbar mit dem großen Geschehen verklammert, das durch die Verurteilung von Luthers Kritik in Gang kam. Beim Abschluß der Korrektur kann ich noch auf den soeben erschienenen Aufsatz von Franz Lau, Die gegenwärtige Diskussion um Luthers Thesenanschlag (Luther-Jahrbuch 1967, S. 11—59) verweisen. Wir sind unabhängig voneinander z. T. auf denselben, z. T. auf verschiedenen Wegen zum gleichen Ergebnis in der Frage des Thesenanschlags gekommen. Heinrich Bornkamm

INHALTSVERZEICHNIS

Seite

Vorwort

V

1. Der Thesenanschlag (Zur Frage des 31. Oktober 1517)

1

2. Der Ertrag der Auseinandersetzung über den Thesenanschlag . . 41 3. Der Ablaß als theologisches Problem

47

4. Die Ablaßkonstitution Papst Pauls VI. vom 1. Jan. 1967

65

I. Zur

DERTHESENANSCHLAG Frage

des 31.

Oktober

I J I J

D i e Überlieferung v o m Thesenanschlag Luthers am 3 1 . Oktober 1517

ist n e u e r d i n g s

in z w e i f a c h e r H i n s i c h t

in Z w e i f e l

gezogen

w o r d e n : das D a t u m durch H A N S V O L Z 1 , d a s F a k t u m durch E R W I N ISERLOH u n d K L E M E N S HONSELMANN 2 . D i e sensationelle W i r k u n g , die diese E r s c h ü t t e r u n g eines der bekanntesten G r e n z s t e i n e der W e l t geschichte h a b e n m u ß t e 3 , h a t die A u f m e r k s a m k e i t g a n z a u f

den

u m s t r i t t e n e n V o r g a n g selbst g e z o g e n , v o r a l l e m a u f die s e l b s t v e r ständlich v i e l w i c h t i g e r e F a k t e n f r a g e . D e m g e g e n ü b e r sind die Z u s a m m e n h ä n g e , i n die er h i n e i n g e h ö r t , z u w e n i g ins B l i c k f e l d g e treten. D i e F r a g e , w a s L u t h e r m i t den 9 5 T h e s e n w o l l t e , welchen W e g er f ü r diese A u s e i n a n d e r s e t z u n g gesucht h a t u n d w a s aus ihr f o l g t e , ist b e d e u t s a m e r als die, o b u n d w a n n er sie angeschlagen h a t . A n d e r e r s e i t s ist die F r a g e n a d i d e m Geschehen a m 3 1 . O k t o b e r nicht o h n e das B i l d , das der A b l a u f der Ereignisse im g a n z e n bietet, zu beurteilen 4 . 1

2

5

4

HANS VOLZ, Martin Luthers Thesenanschlag und dessen Vorgeschichte, 1959 (im folgenden VOLZ). Die materialreiche Arbeit ist grundlegend für die gesamte Diskussion. Ergänzend dazu H. VOLZ, Erzbischof Albrecht von Mainz und Martin Luthers 95 Thesen, 1962. (Sonderdruck aus dem Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung, Bd. 13). ERWIN ISERLOH, Luthers Thesenanschlag, Tatsache oder Legende? 1962. KLEMENS HONSELMANN, Die Veröffentlichung der Ablaßthesen Luthers 1 5 1 7 . Theologie und Glaube 55, 1965, S. 1 — 2 3 . Vgl. die auf der 26. Versammlung deutscher Historiker im Okt. 1964 gehaltenen Referate und die Berichte über die literarische und mündliche Diskussion in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht (im Folgenden G W U ) , 16, 196$, S. 661—699. Ich vertrete dabei eine Auffassung, die ich mir seit den Anfängen der Erörterung gebildet, aber weiter an ihr überprüft habe. Zustimmung und Kritik gegenüber anderen Autoren ergeben sich bei einem so eng begrenzten Feld von Texten selbstverständlich in zahlreichen Fällen. Ich mache sie nur dort sichtbar, w o sie mir f ü r das Verständnis des Gesamtgeschehens wesentlich erscheinen. Zu der lebhaften, aber an Zufallsfragen entstandenen und äußerst unübersichtlich geführten Diskussion lassen sich neue Einzelheiten

Heinrich

2

Bornkamm

I Während ditionelle

sich ü b e r r a s c h e n d e r w e i s e

Aussage

über

den

herausstellte,

Thesenanschlag

auf

schmalen Quellenbasis beruht, sind w i r über den sehr v i e l

zuverlässiger

unterrichtet,

und z w a r

daß

die

einer

tra-

äußerst

Zusammenhang

d u r c h die

nächsten Ä u ß e r u n g e n L u t h e r s selbst. V o n i h n e n m u ß

zeitlich

ausgegangen

w e r d e n 5 . D i e T h e s e n w e r d e n z u m ersten M a l e e r w ä h n t in L u t h e r s Brief an Erzbischof Albrecht v o n M a g d e b u r g und M a i n z v o m Oktober

1517,

Amen

und

kannst

Du

und z w a r

Datum: diese

als N a c h s a t z n a c h d e m

»Wenn

meine

es D i r ,

ehrwürdiger

Disputationsthesen

Vater,

ansehen,

K e n n t n i s zu nehmen, w i e z w e i f e l h a f t die L e h r e v o m w e l c h e j e n e als a b s o l u t sicher v e r b r e i t e n 8 . «

31.

abschließenden gefällt,

um

davon

Ablaß

D i e s e r S a t z ist

ist, nicht

e t w a d i e geschickt v e r h ü l l t e H a u p t s a c h e des B r i e f e s u n d d e r B r i e f d a s Begleitschreiben

zu den Thesen, sondern

in d e r T a t

nur

ein

N a c h t r a g . D e r B r i e f selbst s p r i c h t d e n E r z b i s c h o f a u f die d o p p e l t e B e z i e h u n g a n , in d e r er z u d e m u n e r f r e u l i c h e n A b l a ß h a n d e l

steht:

1. U n t e r s e i n e m N a m e n

völlig

werden

von

den A b l a ß p r e d i g e r n

v e r k e h r t e A n s c h a u u n g e n ü b e r d e n A b l a ß i m V o l k e v e r b r e i t e t , die kaum beitragen, sondern nur ein methodischer Versuch, das Ganze in seine Ordnung zu bringen. Einige Quellenstellen sind als ausdiskutiert zu betrachten und sollten nicht immer wieder in die Debatte geworfen werden. Dazu rechne ich auch die spätere Aufzeichnung von Luthers damaligem Famulus Agricola, die von ihrem früher angenommenen Augenzeugenwert ohnehin schon viel verloren hat (abgedr. K l . Texte 142, s. u. Anm. 6, S. 14). Sie ist offenbar aus einer Bemerkung der Schutzschrift entstanden, die Melanchthon unter dem Pseudonym Didymus Faventinus 1 5 2 1 f ü r Luther schrieb: Lutherus . . . proposuit quaedam de Indulgentiis p a r a d o x a , idque modeste, nihil statuens aut decernens, disputans tantum pro more sdiolarum. C R 1, 2 9 1 . Werke, hrsg. von R . STUPPERICH I, 6 1 ; modeste entnimmt Melanchthon vielleicht Luthers Widmungsbrief zu den Resolutionen vom 30. M a i 1 5 1 8 . W A 1 ; 526, 24. 5 Das ist mit Recht von KONRAD REPGEN in der Diskussion auf dem Historikertag 1964 gefordert worden ( G W U S. 696). Die späteren Zeugnisse sind z w a r keinesY/cgs immer wertlos, müssen aber in den Zusammenhang eingeordnet werden, der sich von den A n f ä n g e n her ergibt. " Si t[uae] R[everendissimae] p[aternitati] placet, poterit has meas disputationes viderc, ut intelligat, quam dubia res sit Indulgentiarum opinio, quam illi ut certissimam seminant. W A Br. 1 ; 1 1 2 , 66 ff. Einen ähnlichen Brief schrieb Luther nach seinen wiederholten Angaben an seinen Ordinarius, Bischof Scultetus von Brandenburg. VOLZ S. 19 ff. Die wichtigsten Texte finden sich in dem Heft von KURT ALAND, Martin Luthers 95 Thesen nebst dem Sermon von A b l a ß und Gnade 1 5 1 7 (Kleine Texte 142), 1 9 6 2 ; umfassender und übersetzt bei KURT ALAND, Martin Luthers 95 Thesen (FurcheBücherei 2 1 1 ) , 1965.

Thesen und Thesenansdilag Luthers

3

Luther mit acht wörtlich übernommenen Wendungen aus seinen Thesen belegt. Damit ist der Erzbischof in seiner Verantwortung für die Verkündung des Evangeliums in seinen Diözesen getroffen: »O lieber Gott, so werden die Deiner Sorge, teurer Vater, anvertrauten Seelen zum- Tode unterwiesen. Und so erwächst Dir immer mehr eine schwere Verantwortung für sie alle . . . Wie entsetzlich, wie gefährlich ist es für einen Bischof, wenn er das Evangelium verschweigt und nur den Ablaßlärm seinem Volke zu Ohren kommen läßt und sich darum mehr kümmert als um das Evangelium 7 !« 2. Dazu kommt, daß auch die im Namen des Erzbischofs erlassene Instruktion f ü r die Ablaßkommissare ungeheuerliche Behauptungen enthält, von denen Luther annehmen möchte, daß sie ohne sein Wissen aufgestellt sind: durch den Ablaß werde der Mensch mit Gott versöhnt, die Fegefeuerstrafe ganz erlassen, und man bedürfe keiner Reue, um Seelen loszukaufen oder Beichtbriefe zu erwerben. Wenn der Erzbischof die Instruktion nicht völlig aufhebe und den Ablaßpredigern nicht eine andere Predigtanweisung gebe, sei zu besorgen, daß irgend jemand öffentlich gegen die Prediger und die Instruktion schreiben und das Ganze in eine große Schande für Albrecht auslaufen werde. Luther entsetzt sich noch davor, daß es dazu kommen könnte, aber es ist zu befürchten, wenn nicht schnell Abhilfe geschaffen wird 8 . Der Brief richtet sich genau auf die zwei Punkte, an denen der Erzbischof in seinem Amt berührt w a r : die Predigt der Ablaßkommissare und die Instruktion, also auf die Isb\a&praxis, wie Luther sie nachweisen kann. Und hier läßt er es bei aller Höflichkeit an rückhaltlosem Ernst nicht fehlen. Demgegenüber ist es ein Akzidens, wenn er den Erzbischof durch Beifügung der 95 Thesen auch auf die Unsicherheit der AblaMehre aufmerksam machen will. Er denkt dabei nicht daran, sich seinem Urteil zu unterwerfen, und stellt es ihm frei, davon Kenntnis zu nehmen. Denn sie fallen für Luther gar nicht in die Zuständigkeit des Erzbischofs; über problematische theolo- O deus optime, sie erudiuntur animae tuis curis, optime pater, commissae ad mortem. E t fit atque crescit durissima ratio tibi reddenda super omnibus istis . . . Quantus ergo horror est, quantum periculum episcopi, si tacito evangelio non nisi strepitus indulgentiarum permittat in populum suum et has plus curet quam evangelium! Br. 1 ; m , 24 ff. Auch die wörtlichen Zitate aus den Thesen machen es unmöglidi, den Brief nur als Einkleidung anzusehen. Sie beziehen sich auf die beiden Hauptpunkte des Briefes und demonstrieren damit seine selbständige Bedeutung. Z u einer bloßen Wiederholung hätte Luther keine Veranlassung gehabt. 8 B r . 1 ; i n , 47—60.

Heinrich

4

Bornkamm

gische Fragen zu disputieren, ist Recht und Pflicht der Universitäten. Die Thesen haben also einen von dem Brief unabhängigen Sinn; welchen, das zeigen Luthers nächste Äußerungen aus dem Jahre 1518. Sie berichten übereinstimmend von einem abgestuften Geschehen, von dessen zweiter Stufe er auf den A n f a n g zurückblickt. So zuerst in dem Briefe an Bischof Hieronymus Scultetus von Brandenburg (vermutlich 13. Febr. 1518), in dem er eine Ubersicht über die Ereignisse seit dem weit zurückliegenden A u f k o m m e n der unerhörten Ablaßpredigt gibt' und sein eigenes Verhalten schildert: D a die Meinungen darüber heftig hin und her gegangen seien, habe er es für das beste gehalten, über eine so wichtige Sache zu disputieren. »Daher sandte ich Thesen zu einer Disputation aus, zu der ich öffentlich alle einlud und bat, privat aber besonders Gelehrte, soweit ich sie kannte, daß sie wenigstens brieflich ihre Meinung kundtun möchten 10 .« Er habe »alle in diese Arena« gerufen, aber niemand sei gekommen, wohl aber seien seine Thesen weiter, als er gewollt habe, verbreitet und als feste Behauptungen, nicht als Disputationssätze, verstanden worden. »So bin ich wider Erwarten und Wünschen gezwungen worden, meine Unbeholfenheit und Unwissenheit der Öffentlichkeit kundzutun und meine Erläuterungen und Beweise zu publizieren 11 .« Danach waren die Thesen für eine Disputation bestimmt, zu der jedermann eingeladen w a r und von bestimmten Gelehrten schriftliche Äußerungen erbeten wurden, genau wie der Einleitungssatz zu den 95 Thesen es bezeugt. D a sie nicht zustande kam, die Thesen aber weithin bekannt geworden waren, beginnt Luther jetzt mit der breiten Veröffentlichung seiner Thesen samt theologischen Erläuterungen, den 0 10

"

B r . 1, 138 f. Z u m D a t u m dort S. 13J ff., so auch VOLZ S. 87, A n m . 89. V i s u m est id Optimum consilium utrisque neque consentire neque dissentire, sed interim de t a n t a re disputare, donec ecclesia sancta statueret, q u i d sent i e n d u m foret. I t a q u e emisi J i s p u t a t i o n e m invitans et rogans publice omnes, p r i v a t i m v e r o ut n o v i quosque doctissimos, ut v e l per literas suam sententiam aperirent. 138, 15 ff., v g l . auch u. S. 6, A n m . 14. W i e schon aus v e l h e r v o r g e h t , bezieht sidi ut . . . aperirent nur auf die p r i v a t Eingeladenen. G e g e n HONSELMANN S. 20, der den S a t z m i ß v e r s t e h t und mit seiner u n h a l t baren B e h a u p t u n g v o n einer späteren U m g e s t a l t u n g der Thesen v e r b i n d e t , vgl. u. S. 30 f. Igitur cum in hanc a r e n a m v o c a r e m omnes, v e n i r e t v e r o nullus, deinde v i d e r e m disputationes meas latius v a g a r i q u a m v o l u e r a m atque passim non ut disputabilia, sed asserta acciperentur, coactus sum praeter spem et v o t u m m e a m i n f a n t i a m et i g n o r a n t i a m in vulgus mittere et declarationes ac probationes earum publicitus edere. 139, 46 ff.

Thesen und Thesenansdilag

5

Luthers

Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute. Zu ihr erbittet er — das war nötig 12 — die Genehmigung des für ihn zuständigen Bischofs. Diese Unterscheidung eines ersten Aktes, der Luthers eigener Klärung durch eine Disputation unter Sachverständigen dienen sollte, von dem Veröffentlichungsakt seit dem Februar I J I 8 bestätigen die anschließenden Äußerungen des Jahres 1 5 1 8 . Kurz darauf beantwortet er Spalatin die Frage, die er an ihn und Karlstadt gerichtet hatte, was die Ablässe wert seien. »Diese Sache ist noch unentschieden, und meine Disputation treibt auf den Wellen von Verleumdungen dahin. Ich will aber zweierlei sagen, das Erste Dir allein und meinen Freunden, bis die Sache veröffentlicht wird: Ich kann in den Ablässen heute nichts anderes erblicken als eine Täuschung der Seelen; die Ablässe nützen nur denen, die auf dem Wege Christi schlafen und faulenzen.« Karlstadt sei zwar nicht dieser Meinung, aber er halte wohl im Grunde auch nichts von ihnen. »Um diese Täuschung zu zerreißen, habe ich midi aus Liebe zur Wahrheit in das Labyrinth dieser gefährlichen Disputation gestürzt und mir tausend Minotauren, ja Rhadamanthotauren und Aeakotauren auf den Hals gezogen.« Uber das Zweite bestehe kein Zweifel, wie auch seine Gegner und die ganze Kirche zugeben müßten: daß Werke der Liebe unvergleichlich besser seien als Ablaß. »Aber mehr wirst du, so Gott will, erfahren, sobald ich die Beweise für meine Thesen veröffentlicht habe.« Dazu zwängen ihn seine wüsten Gegner, die ihn in ihren Predigten als Ketzer verschrieen und seinetwegen die Universität Wittenberg als häretisch d i f f a mierten 13 . Luther ist also über seine vorsichtigere Auffassung vom 12

Die

vom

5. L a t e r a n k o n z i l

approbierte

tudines hatte außerhalb R o m s

Konstitution

Leos X .

Inter

d e n I n q u i s i t o r e n d e r D i ö z e s e n die B ü c h e r z e n s u r ü b e r t r a g e n . M I R B T , z u r Geschichte des P a p s t t u m s , bredit ernannten

Inquisitoren

sollici-

d e n B i s c h ö f e n o d e r ihren B e a u f t r a g t e n 19244,

S. 2 5 1 f. Z u

gehörten Luthers

den v o n

Erzbischof

Erfurter Lehrer

und

Quellen Al-

Trutfetter

u n d T e t z e l , d e r sich in d e n T h e s e n g e g e n L u t h e r m i t seinem o f f i z i e l l e n T i t e l als h a e r e t i c a e p r a v i t a t i s i n q u i s i t o r v o r s t e l l t e ( N I K . P A U L U S , J o h a n n T e t z e l der Ablaßprediger, ir

1899, S. 1 7 1 ) .

' H a e c res in d u b i o a d h u c p e n d e t et m e a d i s p u t a t i o inter c a l u m n i a s

fluctuat.

D u o tarnen d i c a m ; p r i m u m tibi soli et a m i c i s nostris, d o n e c res p u b l i c e t u r : M i h i in i n d u l g e n t i i s h o d i e v i d e r i n o n esse nisi a n i m a r u m i l l u s i o n e m et nihil p r o r s u s utiles esse nisi stertentibus et p i g r i s in v i a C h r i s t i . . . N a m

huius

illusionis s u s t o l l e n d a e g r a t i a e g o v e r i t a t i s a m o r e in e u m d i s p u t a t i o n i s

peri-

c u l o s a e l a b y r i n t h u m d e d i m e i p s u m et e x c i t a v i in m e s e x c e n t o s immo

et R a d a m a n t h o t h a u r o s

et

Aeacothauros . . . Sed

plura

videbis, ubi nostrarum positionum probationes edidero. B r .

1;

Minotauros, deo

volente

146,

$2—72.

Heinrich

6

Bornkamm

Ablaß, die er in den Thesen vertreten hatte, hinaus zu einer völligen Verwerfung fortgeschritten und verweist Spalatin auf die bevorstehende Publikation seiner Resolutiones. Die Thesen selbst setzt er bei ihm als bekannt voraus, er begründet ihm jetzt nur sein beabsichtigtes Hervortreten in eine breitere Öffentlichkeit mit der langen und unerquicklichen Geschichte, die abgelaufen ist, seit er sich in dieses Labyrinth gewagt hat. Besonders genau beschreibt Luther bald darauf (am 5. März 1 5 1 8 ) Christoph Scheurl in Nürnberg sein Verfahren, da dieser sich — bei seiner starken Anteilnahme an der Arbeit der Wittenberger Theologen nicht ohne Grund — darüber beklagt hatte, daß Luther ihm die Thesen nicht zugeschickt habe: »Es war nicht mein Plan und Wunsch, die Thesen zu verbreiten, sondern midi zuerst mit wenigen, die bei uns und in unserer Nähe wohnten, darüber auszutauschen, damit sie so durch das Urteil vieler entweder verworfen und vernichtet oder gebilligt und veröffentlicht würden 14 .« So hatte er die Thesen zwar am n . N o v . 1 5 1 7 an Joh. Lang nach Erfurt, aber nicht nach Nürnberg geschickt. In den Asterisci (vor dem 19. Mai 1 5 1 8 ) wiederholt er wörtlich: » . . . da ich sie nicht in deutscher Sprache herausgegeben und nicht weiter als in unserem Umkreise versandt, außerdem nur Gelehrten und sachkundigen Freunden vorgelegt hatte 15 .« Der Sinn der mündlichen Disputation wie der schriftlichen Befragung war also für Luther, selbst ein Urteil über seine Sätze zu gewinnen und sie dann, wenn er Zustimmung fand, zu veröffentlichen. Dasselbe hat Luther in einem verlorenen Brief an seinen Lehrer Jodocus Trutfetter in E r f u r t geschrieben und nochmals in einem Brief vom 9. Mai 1 6 . Darin verteidigt er leidenschaftlich sein öffentliches Vorgehen gegen den Ablaß durch den Sermon von Ablaß und Gnade (Ende März 1 5 1 8 ) , der Trutfetters besonderes Mißfallen erregt hatte. Es ist besser, selbst den gottlosen BeLuther kontaminiert hier grotesk-komisch den Minotaurus mit den Totenrichtern der griechischen Sage. 14

N o n fuit consilium neque votum eas [propositiones] evulgari, sed cum paucis apud et circum nos habitantibus primum super ipsis conferri, ut sie multorum iudicio vel damnatae abolerentur vel probatae ederentur. Br. 1 ; 1 5 2 , 6 ff. Es handelt sich um die Thesen selbst, nicht um »Resultate« der Disputation (VOLZ S. 120). Scheurls Urteil über die Wittenberger s. u. S. 35.

11

. . . cum ego non lingua vulgari emiserim,

adde,

W A 1 ; 3 1 1 , 19 f. 19

Br. 1 ; 170, 41 ff.

solum

ediderim nec latius quam circum

doct[i]oribus

obtulerim

et

amicis

nos

eruditioribus.

Thesen und Thesenanschlag

7

Luthers

trug aufzudecken als zu warten, bis die Leute ihn durchschauen17. Als Motiv für diese nun beginnenden Publikationen erscheint zunächst nur die unerwartete Verbreitung der für eine weite Leserschaft ganz ungeeigneten 95 Thesen, die er darum für sie durch den gemeinverständlichen Sermon ersetzen wollte 18 . II Mit diesem durch die zeitlich nächsten Zeugnisse gesicherten Ablauf von Luthers Einladung zu einer Disputation, die dann nicht zustande kam, bis zu seinem Entschluß, endlich selbst vor die schon vielfach informierte Öffentlichkeit zu treten, muß man die Äußerungen Luthers konfrontieren, in denen er das Schweigen der Bischöfe auf seine Eingaben als Anlaß seines Vorgehens nennt. Sie sind vor allem gegen den Thesenanschlag am 3 1 . Oktober ins Feld geführt worden. Die Frage ist aber nicht nur, wie sie sich zum Akt des Anschlags, sondern zu dem gesamten Geschehen verhalten. Luther hat, wie man auch über den Anschlag denken mag, jedenfalls für die beabsichtigte Disputation eine Äußerung der beiden Bischöfe auf seine Briefe nicht abgewartet. Er brauchte das auch nicht zu tun, denn er hatte sie ihnen gar nicht zur Stellungnahme vorgelegt. Was er forderte und allein fordern konnte, war die Abstellung der üblen Ablaßpredigt und die Zurückziehung der Instruktion. Ob er über die Ablaßlehre disputieren wollte, war seine Sache. Auf dieses Recht berief er sich ausdrücklich sowohl gegenüber den Bischöfen 19 wie in dem Brief an Papst Leo X . , den er seinen Resolutiones voranstellte (undatiert, etwa gleichzeitig mit dem Widmungsbrief an Staupitz vom 30. Mai 1 5 1 8 ) : Kraft der päpstlichen Einsetzung in sein theologisches Lehramt »habe er das Recht, 17

Br. 1 ; 170, 51

16

A n S d i e u r l ( $ . M ä r z ) B r . 1 ; i j 2 , 2 0 ff.

19

D o c t o r S . T h e o l o g i e v o c a t u s in der U n t e r s c h r i f t an A l b r e c h t B r . 1 ; 1 1 2 , 7 0 f.

ff.

P r o i n d e mihi v i s u m est rem h a n c esse mei studii et o f f i c i i , d i s p u t a r e s [ c i l i c e t ] de rebus o m n i u m dubiosissimis, sed simul, si f a l s a e sint, periculosissimis assertu, q u a n d o hucusque licitum est scholasticis, de iis etiam rebus sacratissimis r e v e r e n d i s q u e disputare, quas p e r tot s a e c u l a nullus d u b i t a v i t anus.

Br. 1 ;

139,

32fr.



Selbstverständlich

seines Bischofs, eine D i s p u t a t i o n gespannten Brandenburg

Sommer mit

1518

einer

konnte

zu verschieben,

aufgrund

beabsichtigten

einer

sich

chrisri-

einer

Bitte

f ü g e n , w i e er es in

Intervention

Disputation

6 3 3 ff- 1 0 . J u l i an L i n k B r . 1 ; 1 8 j , 3 9 ff. W A

er

über

des

Bischofs

den

Bann

tat

3 9 I I , X N r . 6, X I I I N r .

dem von (i, 19).

A b e r er h a t t e auch d a z u nicht e t w a die Thesen v o r g e l e g t o d e r v o r l e g e n w o l l e n , sondern

der Bischof

war

durch S ä t z e

aus einer P r e d i g t

M a i a l a r m i e r t w o r d e n , die v o n G e g n e r n

Luthers

vom

thesenartig zusammengestellt

16. unJ

8

Heinrich

Bornkamm

an einer öffentlichen Hochschule nach der Gewohnheit aller Universitäten und der ganzen Kirche zu disputieren, nicht nur über den Ablaß, sondern auch über die Schlüsselgewalt, die Sündenvergebung und den Nachlaß Gottes, also über unvergleichlich höhere Dinge« 20 . Er berichtet dem Papst — ähnlich wie dem Brandenburger Bischof am 13. Febr. 1 5 1 8 — ausführlich von den Anfängen der anstößigen Verkündigung des ( 1 5 1 5 dem Erzbischof Albrecht bewilligten, seit Anfang 1 5 1 7 vor allem von Tetzel vertriebenen) Jubiläumsablasses, vom Mißbrauch des päpstlichen N a mens zur Unterdrückung jedes noch so leisen Widerspruchs und von den bösen Reden, die daraufhin über die Geldgier der Kirche unter den Leuten geführt wurden, »wie jeder in diesem Lande bezeugen kann« 21 . Die Sache habe ihn um Christi willen aufs äußerste erregt, aber er habe ja darin nichts anordnen und tun können. »Deshalb ermahnte ich privat einige Magnaten der Kirche. Dabei wurde ich von den einen angehört, andern erschien ich lächerlich, andern wieder anders. Denn der Schrecken vor Deinem Namen und die Drohung mit Kirchenstrafen beherrschten das Feld.« 22 Damit spielt Luther schwerlich nur auf die zwei Briefe an die Bischöfe vom 3 1 . Oktober an. Denn er meint offenkundig eine größere Zahl, und die angedeuteten Erwiderungen passen nicht zu ihnen23. Albrecht antwortete ihm nicht, sondern zeigte ihn eilig in Rom an24, und Bischof weit verbreitet worden waren. (Vgl. an Staupitz 1. Sept. 1 5 1 8 , Br. 1 ; 194, 29 ff. Über die Aufregung, die sie auf dem Augsburger Reichstag hervorriefen, berichtet Spalatin Luther am 5. Sept. Br. 1 ; 2 0 1 , 33 ff.). 20 Indignantur me unum, auctoritate tua Apostolica Magistrum Theologiae, ius habere in publica schola disputandi more omnium universitatum et totius ecclesiae non modo de indulgentiis, verum etiam de potestate, remissione, indulgentiis divinis, incomparabiliter maioribus rebus. W A 1 ; 528, 28 ff. ut testis est v o x totius huius terrae. 1 ; 528, 17. -- Proinde monui privatim aliquot Magnates Ecclesiarum. H i c ab aliis acceptabar, aliis ridiculum, aliis aliud videbar, praevalebat enim nominis tui terror et censurarum intentatio. 1 ; 528, 20 ff. Aus dem Begriff Magnates ist nichts Sicheres zu entnehmen. E r bedeutet kein bestimmtes A m t , sondern hohe Würdenträger sowohl im weltlichen wie im kirchlichen Bereich (»große Herren«, wie Spalatin auch f ü r Kirchenpersonen übersetzt. Walch 19, 1007 zu W A 6; 169, 12). Luther kannte das Wort auch aus der Vulgata (Judith 5, 26. Ecclesiasticus 33, 19). Vgl. zum Sprachgebrauch die von VOLZ S. 86, Anm. 83 gesammelten Stellen (auch Br. 2 ; 1 5 2 , 6 bezieht sich nicht nur auf Bischöfe). 1; 528, 20 ff. A u f g r u n d des — doch nicht unbedingt zwingenden —• A n klangs an die »Privat«schreiben in dem ein halbes J a h r späteren Brief an den Kurfürsten (s. u. S. 1 1 , Anm. 33) neigt VOLZ dazu (S. 24), darin nur

9

Thesen u n d Thesenanschlag L u t h e r s

Scultetus riet i h m (nach einer späteren E r z ä h l u n g L u t h e r s ) , v o n der Sache z u lassen: »Ich g r i f f e der K i r c h e n g e w a l t a n u n d w ü r d e

mir

selbs m ü h e m a c h e n . « 2 5 E s m u ß sich u m B e m ü h u n g e n b e i k i r c h l i c h e n O b e r e n h a n d e l n , d i e sich ü b e r e i n e l ä n g e r e D a u e r e r s t r e c k t e n ,

wie

j a L u t h e r a u c h s c h o n seit l a n g e m ö f f e n t l i c h z u r S a c h e S t e l l u n g

ge-

n o m m e n hatte. E r hatte bereits a m

am

Wittenberger

Allerheiligenstift

31. Okt.

1516

vertriebenen

gegen den

Portiuncula-Ablaß

u n d a m 24. Febr. 1 5 1 7 gegen den J u b i l ä u m s a b l a ß gepredigt — sind n u r die uns erhaltenen P r e d i g t e n — vom

Ablaßkauf

abzubringen

haupt Luthers Vorgehen

das

u n d auch sonst das V o l k

versucht26. A b e r

man

gegen das Ablaßgeschäft

darf 1517

ja

über-

nicht iso-

lieren. E s w a r seit l a n g e m ein ö f f e n t l i c h e r S k a n d a l , d e n v i e l e b e k l a g t e n u n d kritisierten, besonders scharf z. B . in den den,

zu

denen

man

in

Wittenberg

durch

die

dort

Niederlan-

studierenden

A n t w e r p e n e r A u g u s t i n e r enge B e z i e h u n g e n hatte27. A u c h sonst w i s sen w i r g e n u g v o n d e m W i d e r s p r u c h , d e n d a s ü b l e T r e i b e n i m u n d a m A n f a n g d e s 16.

24

25 26

27

29

Jahrhunderts gefunden hat28. D a ß

15.

Luther

eine A n s p i e l u n g auf die z w e i B r i e f e zu sehen (ebenso, nur uneingeschränkt, ISERLOH S. 1 6 ) . D a n n muß m a n aber, w i e VOLZ richtig empfindet, Luthers F o r m u l i e r u n g als eine bewußte Übertreibung verstehen, die beim P a p s t den Eindruck erwecken sollte, >als ob es sich dabei um wesentlich mehr Persönlichkeiten, als es tatsächlich w a r e n , gehandelt hätte« (S. 42). Ich halte diese A n n a h m e f ü r unnötig und glaube, d a ß die A n n a h m e einer unbestimmten A n zahl v o n B r i e f e n dem T e x t ( A n m . 2 2 ) besser gerecht w i r d . V g l . sein Schreiben an die Magdeburgischen R ä t e bei FERD. KÖRNER, Tezel, der A b l a ß p r e d i g e r , 1 8 8 0 , S. 1 4 8 . W i d e r H a n s Worst ( 1 5 4 1 ) $ 1 ; 540, 2 1 f. P r e d i g t e n : 3 1 . O k t . 1 5 1 6 ( W A 1 , 9 4 — 9 9 , anderer T e x t 4, 6 7 0 — 6 7 4 ; dazu E . HIRSCH, Lutherstudien I I , 1 9 5 4 , S. 99 f f . ) u n d 24. Febr. 1 5 1 7 ( 1 , 1 3 8 — 1 4 1 ) . U b e r seine W a r n u n g e n v o r dem A b l a ß 5 1 ; 539, 6 f f . 5 4 ; 1 8 0 , 7 f f . T R 5; 7 7 , 16 f . D a z u VOLZ S. 13 f . mit den A n m e r k u n g e n . In seinen V o r lesungen h a t L u t h e r sich selten, aber schon f r ü h mit Schärfe gegen die A b l a ß p r a x i s (noch nicht gegen die Lehre) g e w a n d t : P s . - V o r l . 3 ; 4 1 6 , 2 1 f . 4 2 4 , 1 4 — 4 2 5 , 2. R ö m . - V o r l . 5 6 ; 4 1 7 , 2 3 — 3 2 (indirekt S. 503, 2 1 ff.). Beispiele niederländischer A b l a ß k r i t i k v o m E n d e des 1 5 . , A n f a n g des 16. J a h r h u n d e r t s bei PAUL FREDERICQ, L a question des indulgences dans les P a y s - B a s au commencement du X V I « siecle. A c a d e m i e r o y a l e de Belgique, B u l l , de la classe des lettres 1 8 9 9 , S. 40 f f . OTTO CLEMEN, D a s A n t w e r p e n e r Augustinerkloster bei Beginn der R e f o r m a t i o n ( 1 5 1 3 — 1 5 2 3 ) . Monatsh. d. Comenius-Gesellschaft 1 0 , 1901, S. 308 f . D i e erfolgreiche P r e d i g t der A n t w e r p e n e r A u g u s t i n e r gegen den A b l a ß w a r w o h l erst durch Luther angeregt. NIKOLAUS PAULUS, Geschichte des Ablasses im M i t t e l a l t e r I I I ( 1 9 2 3 ) , S. 4 7 0 f f . , 5 1 6 f f . Recht kritisch, wenn auch nicht mit so weitreichenden K o n s e quenzen f ü r die Bußlehre, hatte sich S t a u p i t z schon in seinen N ü r n b e r g e r Fastenpredigten I J 1 7 über den A b l a ß geäußert. E i n i g e Formulierungen be-

Heinrich

10

Bornkamm

sich a n dieser K r i t i k a n d e r A b l a ß p r a x i s auch g e g e n ü b e r d e n ständigen

Stellen m e h r beteiligt hat,

z e i g e n , ist sehr w o h l

möglich und

als d i e e r h a l t e n e n

zu-

Quellen

scheint h i e r v o r a u s g e s e t z t

zu

sein. S e i n e b e i d e n B r i e f e v o m 3 1 . O k t o b e r a n d i e B i s c h ö f e w a r e n d a n n die s t ä r k s t e F o r m seiner B e m ü h u n g e n 2 9 . D a s B e s o n d e r e j e t z t sein A n g r i f f

auf

die Lehre

vom

Ablaß,

war

d e n er i n d e n

T h e s e n u n d d e m gleichzeitigen T r a c t a t u s de indulgentiis30 — gernd genug —

95 zö-

b e g a n n . D a r i n l a g keine I l l o y a l i t ä t gegenüber den

B i s c h ö f e n , d a es d i e e i n z i g e A b h i l f e w a r , z u d e r er v o n sich a u s , i n W a h r n e h m u n g seines L e h r a m t e s , g r e i f e n k o n n t e . E r f ä h r t in d e m Brief

an den P a p s t unmittelbar

fort:

»Schließlich,

a n d e r e s t u n k o n n t e , schien es m i r richtig, i h n e n ( d e n

d a ich

nichts

Ablaßpredi-

gern) wenigstens g a n z vorsichtig z u widerstreiten, d. h. ihre L e h r e n i n Z w e i f e l u n d in eine D i s p u t a t i o n z u z i e h e n . D a h e r g a b ich ein D i s p u t a t i o n s b l a t t h e r a u s u n d l u d n u r G e l e h r t e d a z u ein, o b w o h l m i t m i r d a r ü b e r d i s p u t i e r e n w o l l t e n , w i e auch m e i n e n

sie

Geg-

rühren sich wörtlich mit Luthers Thesen. Staupitz, Werke, hrsg. von KNAAKE I, 1867, S. 18. HANS VON SCHUBERT, Lazarus Spengler und die R e f o r m a t i o n in Nürnberg, 1934, S. 1 5 3 . 29

30

M a n braucht nicht so weit zu gehen wie H . BOEHMER, der den Passus aus dem Brief an den Papst nur auf den Sommer 1 5 1 7 bezieht (Der junge Luther, 4. A u f l . 1 9 5 1 , S. 1 5 5 ) . Es handelt sich um eine summarische Angabe, jedenfalls aber nicht bloß um eine Anspielung auf die zwei Briefe, von denen wir heute nur nodi wissen. Der bisher zumeist als Predigt gedeutete T r a k t a t ( W A 1 , 65—69, Br. 1 2 , N r . 4 2 1 2 a ) ist in Wahrheit eine theologische Abhandlung, wie schon FRITZ HERMANN ( Z K G 28, 1907, S. 3 7 0 — 3 7 3 ) und GUSTAV KRÜGER (Theol. Stud. Krit. 90, 1 9 1 7 , S. $ 0 7 — 5 2 0 ) erwiesen haben und VOLZ (S. 18, 84, 91 und: Erzbischof Albrecht von Mainz, 1962, S. 37) in Erinnerung gebracht hat. Aus dem allein zu benutzenden Abdruck von KRÜGER hat W. KÖHLER z w a r den T e x t in die 2. A u f l . seiner Dokumente zum Ablaßstreit, 1934, S. 94—99 übernommen, aber leider nicht den kritischen A p p a r a t und die Ergebnisse seiner Einleitung. D a s interessante Stück gehört zu Luthers erstem Versuch einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem Ablaß. Es ist eine unmittelbare Vorarbeit oder Ausarbeitung zu den Thesen, von denen 10 wörtlich anklingen, fast ausschließlich andere als im Brief an Albrecht. In den Resolutiones (zu Th. 26, W A 1 ; 580, u f f . ) greift Luther deutlich auf den T r a k t a t zurück. Der T r a k t a t wurde mit den Thesen von den Magdeburgischen Räten an den Erzbischof gesandt und von diesem der Universität Mainz vorgelegt. (Vgl. seinen Brief an die R ä t e v o m 1 3 . Dez. I J 1 7 bei FERD. KÖRNER, Tezel der Ablaßprediger, 1880, S. 148, dazu W A Br. 1 2 , N r . 4 2 1 2 a). Luther erwähnt z w a r in seinem Brief an Albrecht den T r a k t a t neben den Thesen nicht. Aber die R ä t e können ihn nur aus seiner Sendung haben. Jedenfalls ist er eine Bestätigung d a f ü r , wie gründlich Luther am 3 1 . Oktober schon auf die beabsichtigte Disputation vorbereitet w a r .

Thesen und Thesenansdilag Luthers

11

nern aus dem Vorspruch zu dieser Disputation deutlich sein muß.« 31 Er berichtet dann wie in den übrigen Zeugnissen, daß die unerwartete Verbreitung der Thesen ihn nun zwinge, die Erläuterungen zu seinen Thesen zu veröffentlichen. Völlig eindeutig werden die zwei Briefe an die Bischöfe im Zusammenhang mit dem Ablaßhandel in Luthers Brief an Kurfürst Friedrich den Weisen vom ( 2 1 . ?) November 1 5 1 8 genannt, dem letzten Originaldokument aus der Nähe des Thesenstreits; hier aber zu besonderem Zweck. Es hatte ihn von Anfang an sehr bekümmert, daß man im Kurfürsten den Anstifter seiner Thesen vermutete. Schon Anfang N o v . 1 5 1 7 hatte er in einem Brief an Spalatin einen förmlichen Schwur geleistet, daß sie ohne Wissen Friedrichs ausgegangen seien. Er habe ihn und den Hof absichtlich nicht unterrichtet, damit die, auf welche sie gemünzt waren, nicht annehmen könnten, daß sie von ihm auf Befehl oder mit Erlaubnis des Kurfürsten gegen den Erzbisdiof von Magdeburg herausgegeben worden seien32. Als Luther ein Jahr später vom Kurfürsten aufgefordert wurde, sich zu einem Bericht Cajetans über die Augsburger Verhandlungen zu äußern, wiederholte er in seinem ausführlichen, zur Weitergabe an den Kardinal bestimmten Schreiben diese Beteuerung: Nicht einmal einer von seinen nächsten Freunden habe von seiner Disputationsabsicht gewußt, sondern nur der Erzbischof von Magdeburg und der Bischof von Brandenburg. »Sie habe ich, da es ihre Aufgabe war, solche Ungeheuerlichkeiten zu verhindern, in Privatbriefen, ehe ich die Disputationsthesen herausgab, demütig und ehrerbietig ermahnt, über die Schafe Christi gegen diese Wölfe zu wachen.« Er wisse wohl, daß solche Dinge zuerst vor die Bischöfe, nicht vor die Fürsten als Laien zu bringen seien33. Luther will damit 31

Tandem cum nihil possem aliud, visum est saltem leniuscule illis reluctari, id est, eorum dogmata in dubium et disputationem vocare. Itaque schedulam disputatoriam edidi, invitans tantum doctiores siqui vellent mecum disceptare, sicut manifestum esse etiam adversariis oportet ex praefatione eiusdem disceptationis. 1 ; 528, 22 ff.

32

Br. 1 ; 1 1 8 , 9 ff. s. dazu unten S. 1 5 , Anm. 44. Sic enim et apud nos quidam sycophantae iactaverunt, tuae Celsitudinis hortatu et consilio me ista disputasse: cum huius disputationis nullus etiam intimorum amicorum fuerit conscius nisi Reverendissimus Dominus Archiepiscopus Magdeburgensis et Dominus Hieronymus Episcopus Brandenburgensis. Hos enim, sicut intererat eorum ista monstra prohibere, ita privatis literis, antequam disputationem ederem, humiliter et revercnter monui, ut super oves Christi vigilarent adversus lupos istos. Bene sciebam haec non ad principes laicos, sed ad episcopos primum referenda. Br. 1 ; 245, 356 ff.

33

Heinrich

12

Bornkamm

nochmals bekräftigen, daß er den Kurfürsten nicht von seinem Vorhaben informiert habe, sondern nur die beiden Bischöfe. Das heißt aber nicht, daß er ihnen die Thesen zur Genehmigung vorgelegt habe. E r hatte sie nur davon in Kenntnis gesetzt, als er sie ermahnte, gegen die Ablaßprediger einzuschreiten, wie es der Brief an Albrecht vom 3 1 . Oktober 1 5 1 7 zeigt. Daß das Scheitern seines Schrittes ihn zum Disputieren veranlaßt habe, davon steht in den Briefen an Spalatin und den Kurfürsten vom November 1 5 1 7 und 1 5 1 8 nichts. Es kam ihm in beiden nur darauf an, wahrheitsgemäß zu versichern, daß er den Kurfürsten nicht in die Sache hineingezogen habe. Einen Zusammenhang zwischen seinen vergeblichen Bemühungen bei kirchlichen »Magnaten« und dem Disputationsentschluß stellt nur der Widmungsbrief an den Papst her. Er setzt damit einen Akzent, der in den anderen gleichzeitigen Quellen fehlt. Man braucht die gewisse historische Verschiebung, die darin liegt, nicht zu beschönigen, aber es geht zu weit, darin einfach eine Unwahrheit zu sehen. Auch abgesehen davon, daß die Briefe an die beiden Bischöfe offenbar nicht der Anfang von Luthers Warnungen vor dem Treiben der Ablaßprediger waren, gab ihm sein vorsichtiges, zunächst auf eine legitime Disputation beschränktes Vorgehen mit Recht das Bewußtsein, daß der Skandal vermieden worden wäre, wenn die Bischöfe auf seine Briefe hin gegen den Ablaßhandel eingeschritten wären. Eine inzwischen abgehaltene Disputation, mit der Luther ja keinerlei Wirkung in der kirchlichen Öffentlichkeit verfolgte, wäre dadurch in der Sache bestätigt, er selbst aber von der Notwendigkeit weitergehender Publikationen entbunden worden. Schuld an der ganzen Entwicklung, die er nicht beabsichtigt hatte, waren die Ablaßprediger und die Bischöfe, die nichts unternahmen. Das ist der wahre Kern seiner Darstellung, den er dem Papst gegenüber hervorhob. Diesen Vorwurf schon im Brief vom 1 3 . Febr. 1 5 1 8 seinem Bischof zu machen, hatte er keine Veranlassung. Denn Scultetus hatte ihm wenigstens freundlich geantwortet. Sein Fehler war die Ängstlichkeit, mit der er Luther riet, die Finger von der Sache zu lassen. Aber auch er hatte, obwohl er schließlich Luthers Resolutiones freigab, selbst nichts gegen den Ablaß getan 34 . Die Briefe an den Papst und an den Bischof sind, ohne jeweils etwas Falsches zu sagen, durch die Zeitdifferenz und ihr Gegenüber bestimmt. Wie man auch über den Brief an den 34

Dazu s. u. S. 37 f.

Thesen und Thesenansdilag Luthers

13

Papst urteilen mag 3 5 , so muß man sich doch darüber klar sein, daß Luthers Aussagen nicht nur auf den umstrittenen Anschlag der Thesen, sondern auf den durch alle Zeugnisse gesicherten gesamten Disputationsplan zu beziehen sind. Ein genügender Zeitraum für die von ihm geschilderte Reaktion der Kirchenoberen 36 und eine etwa erst dadurch ausgelöste Einladung zur Disputation bleibt nach den Briefen vom 3 1 . Oktober auf keinen Fall 3 7 . III Die 95 Thesen waren also nicht nur als »literarische Form« gewählt, die es gestattete, neben festen Überzeugungen auch unsichere Meinungen und offene Fragen zur Diskussion zu stellen38. D a s w a r ohnehin der Sinn aller Disputationsthesen. Sondern sie waren für eine Universitätsdisputation bestimmt. D a s zeigt nicht nur die Überschrift, die — abgesehen von den aus dem besonderen Anlaß gegebenen Unterschieden — der üblichen Form entspricht, sondern auch der Brief an den Papst, in dem Luther sich so nachdrücklich auf sein Disputationsrecht beruft. Wollte man seine A b sicht zu disputieren bezweifeln, so müßte man ihn dann an dieser Stelle einer Unwahrheit bezichtigen. E s ist allerdings klar, daß 35

30 37

38

D a ß v o r allem der Brief an den Papst vorsichtig abgewogen w a r , versteht sich bei dem sdiicksalsvollen Schriftstück von selbst und zeigt anschaulich auch ein eigenhändiges, von Luther völlig kassiertes Konzeptstück, das wesentlich schärfer gehalten w a r . 9, 1 7 3 — 1 7 5 . D a z u VOLZ S. I I I . S. o. S. 8. Die dem Papst gegebene Darstellung hat Luthers Erinnerung bestimmt. D a s ist nidit unbegreiflich, da der Brief f ü r ihn das gewichtigste Dokument darüber w a r und er die innere Motivation seines Vorgehens zutreffend wiedergab. Dagegen differieren die zeitlichen Angaben. Während die Schilderung in der Schrift »Wider Hans Worst« ( 1 5 4 O ohne nähere Angaben dem Brief folgt ( 5 1 ; 540, 15 ff.), bezieht sich Luther im Rückblick von 1545 nicht auf die bloße Aufstellung der Disputationsthesen, sondern auf seine gesamten Veröffentlichungen zur Sache: E g o contemptus (von den beiden Bischöfen) edidi disputationis schedulam simul et germanicam concionem de indulgentiis (Sermon von A b l a ß und Gnade), paulo post etiam Resolutiones (54; 180, 16 ff.). D a ß Luther diese Schriften des Jahres 1 5 1 8 ins J a h r 1 J 1 7 verlegt (ERNST STRACKE, Luthers großes Selbstzeugnis, 1926, S. 24), ist nicht gesagt. CLEMEN (54, 180, A n m . 6) erwägt, ob Luther dabei an eine umfassendere Versendung der Thesen im Frühjahr 1 5 1 8 (natürlich nur an Gelehrte) denkt, nachdem sie im November 1 5 1 7 nur etwaigen Disputationsteilnehmern zugeschickt waren. Das ist möglich, da es von A n f a n g an in Aussicht genommen w a r (s. o. S. 6, Anm. 14), aber, wie es sich bei einer so späten Quelle versteht, nur Hypothese. ISERI.OH S . 3 1 f .

14

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die von ihm geplante Disputation nicht in die üblichen Schuldisputationen hineinpaßt 38 . Die Einladung erging ohne festen Termin. Aber der Zweck, den er verfolgte, zeigt auch warum. Luther lud außer den Wittenbergern einen Kreis von Gelehrten aus einer begrenzten Umgebung ein, auf deren schriftliche Äußerung er hoffte. So mußte er das Datum offenlassen. Das war nicht unmöglich. Auch Luthers Thesen gegen die scholastische Theologie und Tetzeis Gegenthesen gegen die 95 Thesen, beide für normale Promotionen bestimmt, erschienen zunächst ohne Termin für die geplante Disputation 40 . Auf jeden Fall läßt sich Luthers sicher bezeugte Disputationsabsicht nicht mit Einwänden widerlegen, welche aus der von ihm gewählten Form genommen werden. Was ergibt sich — zunächst wiederum nach den unmittelbarsten Zeugnissen — über den Ablauf der Geschehnisse? Als frühestes sicheres haben wir noch den Brief Luthers an seinen Freund Johann Lang in Erfurt vom 1 1 . N o v . 1 5 1 7 , dem er seine 9$ Thesen zuschickt, wie er es schon im September mit seinen 97 Thesen Contra scholasticam theologiam getan hatte. Er erbittet das Urteil der Erfurter Ordensbrüder, fügt aber in Erinnerung an ihre damalige heftige Kritik hinzu: Sie sollten nicht etwa daraus entnehmen, daß er sidi mit seinen Veröffentlichungen ihrer Zensur unterwerfen wolle. Die Absicht des Briefes entspricht genau dem, was er am 5. März 1 5 1 8 an Scheurl schreibt: zuerst eine klärende Verhandlung im engeren Kreise, dann gegebenenfalls eine umfassende VerERNST WOLF, Zur wissenschaftlichen Bedeutung der Disputation an der Wittenberger Universität im 16. Jahrhundert. In: 450 J a h r e Martin-LutherUniversität I ( 1 9 5 2 ) , S. 336. Wiederabgedruckt in: Peregrinatio II (1965), S. 39 f. VOLZ S. 38. ISERLOH S. 26 f. Z u der Darstellung, die Christoph Scheurl 1528 von dem Verlauf der Disputation gegeben hat (zuletzt abgedruckt bei JOH. LUTHER, Vorbereitung und Verbreitung von Martin Luthers 95 Thesen, 1 9 3 3 , S. 5 f.), und den verfehlten Folgerungen, die J . LUTHER daraus gezogen hat, vgl. die mannigfachen kritischen Bemerkungen von VOLZ (zusammengestellt bei ihm S. 54) und WOLF S. 39. Vgl. 1 ; 224, 5 und die Überschrift in dem von NIKOLAUS PAULUS wieder a u f gefundenen und in seinem Buche: Johann Tetzel, der Ablaßprediger, 1899, veröffentlichten Einblattdruck (S. 1 7 1 ) . Auch abgesehen von einem solchen Beispiel ist Luthers Vorgehen aus seiner Absidit verständlich. Die Leipziger Disputation von 1 5 1 9 ist nur cum grano salis als Vergleich f ü r die geplante Disputation zu nennen (WOLF, VOLZ). Sie stand z w a r auch außerhalb des gewöhnlichen Rahmens, unterschied sich aber von dem Plan der 95 Thesen durch die umfassende öffentliche Vorbereitung (richtig ISERLOH G W U S. 681). Luther wollte gerade bei der heiklen A b l a ß f r a g e nicht über eine ernsthafte Disputation unter Sachkennern, also eine Universitätsdisputation, hinausgehen, f ü r die er nur den Termin noch nicht ansetzen konnte.

Thesen und Thesenanschlag Luthers

15

öffentlichung der Thesen 4 1 . W a r u m Luther die Thesen, die er schon seinen Briefen v o m 3 1 . O k t o b e r an die Bischöfe beilegte, erst am 1 1 . N o v e m b e r an L a n g sandte, läßt sich heute nicht mehr sagen. Es konnte ja auch d a v o n abhängen, w a n n er einen Boten hatte 4 2 . In die gleiche Z e i t f ä l l t ein eiliger, - undatierter Brief an S p a latin 4 3 . E r setzt die Thesen bei Spalatin als bekannt voraus, ebenso auch beim K u r f ü r s t e n , — zu Luthers großem Bedauern: E r habe gewünscht, daß sie nicht in seine H ä n d e oder die eines H o f a n g e hörigen kämen, ehe sie nicht an die gelangten, welche darin getadelt würden, »damit sie nicht meinten, sie seien von ihm auf Geheiß oder mit Zustimmung des K u r f ü r s t e n gegen den Erzbischof v o n M a g d e b u r g herausgegeben worden, w i e ich viele v o n ihnen schon phantasieren höre. A b e r es ist gut, auch jetzt noch zu schwören, daß sie ohne Wissen H e r z o g Friedrichs ausgegangen sind«. 44 « S. o. S. 6. Infolgedessen ist der Vergleich mit der rasdien Übersendung der Thesen gegen die scholastische Theologie vom September i j i 7 an Lang nicht stichhaltig. Damals war zufällig ein gemeinsamer Freund, Magister Otto Beckmann, in Wittenberg, der nach Erfurt reiste. Luther gab ihm die Thesen mit, ohne in der Eile einen Begleitbrief schreiben zu können; er sandte ihn einige Tage später nach. Br. 1 ; 103, 4 ff. (so mit Recht ALAND GWU

41

a

44

S . 689 gegen ISERLOH, ebd. S. 678).

O. CLEMEN datiert ihn auf Anfang November, Br. 1, 1 1 7 f.; ebenso ENDERS i , 123 (vor 1 1 . Nov.). Die Datierung ist durch zwei Notizen des Briefes gesichert, die nichts mit der Thesenfrage zu tun haben: 1. der Übersendung des Dialogs Julius exclusus, den sich Spalatin aufgrund des von Scheurl am 30. Sept. 1 5 1 7 an ihn gerichteten Briefes von Luther ausgebeten hatte; 2. der Mahnung Luthers wegen der ihm vom Kurfürsten versprochenen Kutte, für die er sich am 1 1 . Nov. 1 5 1 7 durch Spalatin bedankt (1; 124, 4). Dadurch ist eine Verlegung in die Nähe der Briefe vom 1$. und 22. Febr. 1518 nicht möglich, in denen Luther nochmals seine Betrübnis darüber ausspricht, daß der Kurfürst in die Sache hineingezogen wird. Sie zeigen auch deutlich den Fortschritt gegenüber dem November 1517. Damals ging es allein um die Thesen ( 1 ; 1 1 8 , 9), jetzt um totum, quod ego ago ( 1 ; 146, 82), was sowohl die Disputationsangelegenheit wie die geplanten Veröffentlichungen einschließt. Daher die Spalatin anheimgestellte Überlegung, ob es ratsam sei, jetzt den Kurfürsten zu informieren; davon war damals noch nicht die Rede. Außerdem konkretisierte Luther eine Woche später seine Besorgnis auf einen etwaigen Racheakt des Kurfürsten von Brandenburg, von dem er gehört hatte. Er selbst sei wegen der bösen Reden über ihn und Kurfürst Friedrich nicht beunruhigt ( 1 ; 149, 4 ff.). — Auch C. STANGE, Erasmus und Julius II., 1937, S. 248—267, schließt sich der Datierung des Briefes auf Nov. 1 5 1 7 an; er bezweifelt nur die Vermutung CLEMENS, daß Luther eine Abschrift, nicht einen Druck des Dialogs an Spalatin geschickt habe. Br. 1 ; 1 1 8 , 9 ff.

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Heinrich

Bornkamm

Es ist aus der Rückschau auf den überraschenden Ablauf der Dinge natürlich eine berechtigte Frage, ob Luther bei einem Anschlag seiner Thesen damit rechnen konnte, daß sie dem Kurfürsten nicht so schnell bekannt werden würden. Offenbar hat er es aber getan. Die Einladung zu einer Disputation unter Gelehrten war ein normaler und häufiger Vorgang, bei dem ein bis an den Hof reichendes Aufsehen nicht zu erwarten war. Er hatte außerdem weitere Exemplare bis dahin noch kaum aus der Hand gegeben. Nimmt man an, daß er die Thesen zunächst nur an die Bischöfe gesandt und eine gewisse Zeit auf ihre Antwort gewartet habe, so ergibt sich die Gegenfrage, wie sie so schnell bekannt werden konnten, daß schon viele seiner Gegner den Kurfürsten zum Anstifter erklärten. Der Brief an Erzbischof Albrecht kam als Quelle noch nicht in Frage, da er nach dem Originalvermerk erst am 17. N o v . von den erzbischöflichen Räten in Calbe/Saale geöffnet und ihm dann nach Aschaffenburg nachgesandt wurde 45 . Noch aus dem November 1 5 1 7 stammt ein weiteres eigentümliches Zeugnis für die Verbreitung der Thesen. Der herzogliche R a t Cäsar Pflug berichtet Herzog Georg am 27. N o v . von einem Gespräch mit Bischof Adolf von Merseburg, das neben anderen Punkten auch vom Ablaß handelte. Der Bischof wäre ihn ebenso wie der Herzog »gern los« und will gehört haben, daß er in Magdeburg beseitigt sei; er allein könne nicht dagegen vorgehen. »Es gefil aber s[einer] g[naden] auch wol, das die arme leute, die also zulifen und die gnade (den Ablaß) suchten, vor dem betrig Tetzeis vorwarnt wurden und die conclusiones, die der Augustinermönch zu Wittenberg gemacht, an vil ortern angeslagen wurden; das wurde grosen abbruch der gnade thuen.«46 Auffallend daran ist nicht, daß der Bischof die Thesen kennt und bei Herzog Georg 45

Br. 1 , 1 1 4 . Faksimile bei VOLZ S. 33. Albrecht ersuchte, nachdem er die Sendung empfangen hatte, am 1. und 1 1 . Dez. die Mainzer Universität um ein Gutachten und antwortete am 1 3 . Dez. den Räten, daß er die Frage mit seinen H o f r ä t e n und anderen Gelehrten gründlich besprochen habe. Das wichtigste Ergebnis w a r die Anzeige in Rom, die er erstattete, ohne das vom 17. Dez. datierte Gutachten der Universität abzuwarten. V g l . FERD. KÖRNER, Tezel, Der Ablaßprediger, 1880, S. 148. H . VOLZ, Erzbischof Albrecht von Mainz und Martin Luthers 95 Thesen, 1962, S. 38 f. Über das Gutachten s. S. 17, 19, Anm. 53.

40

GESS, Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen I ( 1 9 0 5 ) ; 29, 1 ff. Außer dem von GESS allein abgedruckten, geschlossenen Abschnitt enthält der Bericht noch fünf andere Punkte (freundliche Mitteilung von Herrn D r . HEINZ SCHEIBLE nach Einsicht des Originals in Dresden).

Thesen und Thesenansdilag Luthers

17

offenbar als bekannt voraussetzt, sondern der Wunsch, daß sie »an vil ortern« angeschlagen werden sollten. D a s ist ohne Wissen von einem vorangegangenen Anschlag der Thesen in Wittenberg kaum zu denken 47 . Die anzuschlagenden Thesen konnten nur gedruckt sein, was doch wohl einen Rückschluß auf die Form erlaubt, in der er sie kannte. D a ß Luthers Thesen ganz selbstverständlich als Disputationsthesen verstanden wurden, zeigt auch das Gutachten, das die Mainzer Universität auf Anforderung Erzbischof Albrechts am 1 7 . Dez. 1 5 1 7 erstattete: » V o r einiger Zeit haben w i r einige Schlußsätze oder Thesen, über die durch einen Magister der Theologie aus dem Orden der Eremiten des heiligen Augustin an der vortrefflichen Universität Wittenberg nach Gewohnheit der Schule und öffentlich disputiert worden ist und die durch Euer väterliche Ehrwürden an uns gesandt wurden, mit gebührender Ehrerbietung empfangen.« 48 Man nahm demnach an, daß die Disputation schon stattgefunden habe. N a c h etwa einem Monat waren die 95 Thesen schon in ziemlicher A n z a h l verbreitet, ohne daß Luther selbst etwas Nennenswertes dafür getan hatte. D a s geht nicht nur aus Luthers späteren Erzählungen hervor, sondern auch aus den spärlichen Quellen, die wir aus dieser Zeit haben 49 . Das spricht dafür, daß die Thesen von A n f a n g an gedruckt waren, obwohl ein handschriftlicher A n 47

D a s gilt ebenso, w e n n es sidi u m eine A n r e g u n g H e r z o g G e o r g s h a n d e l n sollte. E r h a t t e sich l ä n g s t ü b e r T e t z e i s A b l a ß p r e d i g t g e ä r g e r t ( v g l . den B r i e f w e c h s e l m i t d e m L e i p z i g e r D o m i n i k a n e r k l o s t e r im A p r i l 1 5 1 7 , GESS N r . 1 0 u n d 1 4 ) u n d die A b l a ß s a d i e j e t z t b e i m Bischof z u r S p r a c h e bringen lassen. A u f j e d e n F a l l ist d e r S a t z als V o r s c h l a g zu verstehen (so VOLZ S. 89), nicht e t w a als Bericht ü b e r eine Serie schon e r f o l g t e r A n s c h l ä g e .

48

P r i d e m n o n n u l l a s conclusiones seu positiones p e r q u e n d a m s a c r a e t h e o l o g i a e m a g i s t r u m o r d i n i s H e r e m i t a r u m d i v i A u g u s t i n i in insigni u n i v e r s a l i g y m n a s i o W i t t e n b u r g e n s i scolastice et p u b l i c e d i s p u t a t a s et p e r v e s t r a m p a t e r n i t a t e m r e v e r e n d i s s i m a m a d nos d a t a s ea q u a decuit h u m i l i t a t e a c c e p t a v i m u s . A b g e d r u c k t v o n FRITZ HERRMANN ( Z K G 2 3 , 1 9 0 2 , S . 2 6 6 f . ) . D o r t S. z6daß Almosen und werktätige Liebe unvergleichlich besser sind als Ablaß< 154 .« Das sind Worte Luthers 155 . Sie erscheinen auf diesem düsteren Hintergrunde wohlbegreiflich, nicht anders als die scharf zugespitzten Thesen (z. B. 82—90), in denen er die allgemeine Unzufriedenheit zu Worte kommen läßt 1 5 6 . A b e r auch von der theologischen Substanz der Ablaßthesen urteilt ISERLOH im großen und ganzen: »Alle diese Thesen können als berechtigte K r i t i k an Mißbräuchen der Ablaßpraxis und als Beitrag zur Diskussion noch nicht entschiedener Fragen der Theologie verstanden werden 1 5 7 .« Bei manchen, ihm problematisch erscheinenden, verweist er darauf, daß Luther zu ihnen in seinen »Resolutionen« erkläre, er wolle keine festen Behauptungen aufstellen, sondern nur disputieren und sich gern eines Besseren belehren lassen. Einige wenige Thesen, die mit der katholischen Auffassung nicht zu vereinen sind, lassen sich nach ISERLOH doch wenigstens aus historischen Zusammenhängen ableiten. So entstamme es der damaligen nominalistischen Lehre, wenn Luther meint, der Papst könne Sündenstrafen nicht erlassen, sondern nur erklären und bestätigen, daß sie v o n G o t t erlassen sind. »Schon in der nominalistischen Theologie w a r göttliches und menschliches Handeln weitgehend getrennt, insofern Gott das Tun der Kirche nur zum A n l a ß nimmt für sein Heilshandeln, ohne darin wirklich einzugehen. Luther führt diese Trennung des Menschlich-Kirchlichen v o m Göttlichen so weit, daß er der kirchlichen Strafe b z w . ihrem Erlaß nicht einmal mehr interpretative Bedeutung hinsichtlich der v o n G o t t auferlegten Sündenstrafen zumißt. H i e r scheint mir eine W u r z e l der baldigen Leugnung des hierarchischen Priestertums als göttlicher Stiftung bei Luther zu liegen 158 .« D a m i t ist ohne Z w e i f e l eine weittragende Konsequenz berührt. Es fragt sich nur, ob sie ganz zutreffend beschrieben ist. Z u einer »Trennung des Menschlich-Kirchlichen v o m Göttlichen« kommt es bei Luther auch später nicht. Im Sermon v o m Sakrament der Buße 151 155 15> 157 159

S.21. Thesen N r . 41—4$. Brief an Spalatin vom 15. Febr. IJI8. Br. 1; 146, 63. ISERLOH (1966), S. 8j. S. 86. S. 87.

Thesen und Thesenansdilag Luthers

49

( 1 5 1 9 ) sagt er, die vom Priester ausgesprochene Vergebung sei »wahrhaftig als (so) wahr, als wenn's Gott selber sprach« 159 . Und im Kleinen Katechismus heißt es: »Die Beicht begreift zwei Stück in sich. Eins, daß man die Sunde bekenne, das ander, daß man die Absolutio oder Vergebung vom Beichtiger empfahe als von Gott selbs und ja nicht daran zweifei, sondern feste glaube, die Sunden seien dadurch vergeben vor Gott im Himmel 160 .« Ähnlich im Großen Katechismus: »Wo nu ein Herz ist, das seine Sunde fühlt und Trost begehret, hat es hie eine gewisse Zuflucht, da es Gottes Wort findet und höret, daß ihn Gott durch einen Menschen von Sunden entbindet und losspricht 161 .« Luther trennt also weder damals noch später das in Gottes Auftrag ergehende Menschenwort vom Gotteswort. Der Glaube darf sich an die Absolution halten, eben deshalb, weil sie nicht nur Menschenwort, sondern ihm zugesprochene und bestätigte Vergebung Gottes ist. Daß der Beichtiger hier nur »deklariert« und nicht seine eigene Meinung sagt, ist gerade die stärkste Sicherung gegen die Ungewißheit des zweifelnden Herzens. These 3 8 hat einen positiven, nicht einschränkenden Sinn: »Die Vergebung und Austeilung des Papstes (aus den Gütern Christi und der Kirche) darf keinesfalls verachtet werden, denn sie ist, wie gesagt, die Bekanntgabe der göttlichen Vergebung 182 .« Bei der Erläuterung zu dieser These in den Resolutiones spricht Luther ausdrücklich seine Unzufriedenheit mit der (vom Lombarden 163 und den Nominalisten vertretenen) Ansicht aus, »der Papst tue nichts anderes, als daß er die göttliche Vergebung oder die Teilhabe (an den Gütern Christi und der Kirche) erkläre oder bestätige«. Dadurch würde 1. die Schlüsselgewalt herabgesetzt und das Wort Christi: »Was du gebunden hast usw.« (Matth. 16, 19) ungültig gemacht; 2. bliebe für den, dem die Erklärung zuteil wird, alles ungewiß, während für andere und für die Kirche seine Lossprechung sicher erschiene. »Deklaration ist allzu wenig 164 .« Luther hat sich mit den schwierigen 159 180 161 162

183 184

25722,31. 30 I, 3 8 3 f. Bekenntnisschriften d. ev.-Iuth. Kirche S. 5 1 7 , 1 1 ff. 30 I ; 2 3 J , 2 5 ff. Bekenntnissdir. S. 7 2 8 , 44 ff. Remissio tarnen et participatio Papae nullo modo est contemnenda, quia (ut dixi) est declaratio reraissionis divinae. Sent. I V d. 1 8 , c. 5 — 7 . D i x i supra conclusione V I . ( 1 ; 5 3 9 , 1 7 ff.) mihi non placere hunc modum loquendi, quod P a p a nihil aliud faciat quam quod declaret aut approbet remissionem divinam seu participationem. N a m id primo nimis viles reddit Ecclesiae claves, immo verbum Christi facit irritum quodammodo, ubi dixit: Quodcunque etc. Declaratio enim nimis modicum est. Secundo, quia incerta

50

Heinrich

Bornkamm

Problemen der Absolution und Deklaration, zu denen in der Scholastik sehr verschiedenartige Lösungsversuche vorgelegt worden waren 195 , redlich abgemüht. Der Ausweg, den er in den Resolutionen — ebenfalls durchaus als Versuch — vorschlägt, hängt mit der für ihn zentralen Bedeutung der Gewißheit zusammen. Damit das an seiner Schuld leidende Beichtkind des Trostes der Vergebung gewiß wird, muß man die göttliche und die menschliche Seite daran sowohl unterscheiden (nicht scheiden) wie verbinden. »Die Vergebung Gottes wirkt Gnade, die Vergebung des Priesters wirkt Frieden, der doch selbst Gnade und Gabe Gottes ist, denn er ist Glaube an die gegenwärtige Vergebung und Gnade 166 .« Darum mahnt er den Beichtenden eindringlich, sich an dieses Wort des Priesters, das ihm Gnade vermittelt und Frieden bringt, zu halten. Denn von selbst wird der durch seine Sünde Angefochtene nicht an die Vergebung glauben. »Hier bedarf es darum des Urteils des Schlüssels, damit der Mensch nicht sich selbst glaube, sondern vielmehr dem Schlüssel, d. h. dem Priester 167 .« Gerade der in seinem Gewissen Beunruhigte ist der Rechtfertigung nahe. »Darum muß er zum Trost der Schlüssel Zuflucht nehmen, damit er durch den Spruch des Priesters beruhigt werde, Frieden finde und Vertrauen schöpfe, daß er an allen Gütern Christi und der Kirche teilhabe 168 .« Höher meinte Luther die Schlüserunt omnia ei, cui fit declaratio, licet aliis seu Ecclesiae foris in facie certa fiat illius remissio et reconciliatio. i ; 594, 6 ff. 165

166

167

168

BERNH. POSCHMANN, B u ß e u n d letzte Ö l u n g , 1 9 5 1 , S. 8 5 — 1 0 3 . REINHOLD SEEBERG, Lehrbuch der Dogmengeschichte I I I 4 , 1 9 3 0 , S . 2 7 9 f f . , 5 4 1 f f . POSCH-

MANN (S. 90, Anm. 1) hat auf die interessante Überschneidung der Linien in der Bußlehre des frühen Thomas hingewiesen. Mit dem von ihm kommentierten Text des Lombarden lehrt Thomas, daß die Schlüsselgewalt sich nicht direkt auf die Vergebung der Schuld bezieht, zugleich aber, daß sie disponierend und instrumental wirkt (Suppl. q. 18 a. 1). Später wird »die Herausstellung des Sakraments als unerläßliche Ursache der Sündenvergebung« zum Kern der thomistischen Bußlehre (S. 95), so daß sie sich im ganzen infolge der Belastung durch die Schultradition »doch als ziemlich kompliziertes Gebilde darbietet und auch mit gewissen Unklarheiten und Unstimmigkeiten behaftet ist« (S. 90). Remissio dei gratiam operatur, sed remissio sacerdotis pacem, quae et ipsa est gratia et donum dei, quia fides remissionis et gratiae praesentis. 1 ; 542, 7 ff. Hic itaque necessarium est iudicium clavis, ut homo sibi non credat, credat autem potius clavi, id est sacerdoti. 1 ; 594, 31 f. Homo quando in peccato est, ita vexatur et agitatur conscientia eius, ut suo sensu potius participationem omnium malorum sese credat habere. Et talis homo certe proximus est iustificationi et habet initium gratiae. Ideo ei confugiendum est ad solatium clavium, ut arbitrio sacerdotis quietetur et

Thesen und Thesenansdilag Luthers

51

sei nicht preisen zu können. »Wenn man ihre heilbringende Gabe begreift, müßte man aus Stein oder Holz sein, wenn man sie nicht unter Tränen küssen und ins Herz schließen wollte.« Aber ihnen gebührt die Ehre, nicht denen, die sie verwalten. »Warum glorifizieren wir um ihretwillen den Papst und machen einen Schrecken erregenden Mann aus ihm? Nicht ihm gehören die Schlüssel, sondern mein sind sie. Mir sind sie geschenkt, zu meinem Heil, meinem Trost, Frieden und Ruhe sind sie bestimmt. Der Papst ist mit den Schlüsseln mein Diener und Helfer, er bedarf ihrer als Papst nicht, sondern ich169.« Aus der Besinnung auf die Mitte des Bußgeschehens verstärkt Luther in den Resolutiones gegenüber den Thesen (vor allem Th. 6) die Aussagen über die Funktion des priesterlichen (oder päpstlichen) Amtes. So nachdrücklich er den Blick auf Christus hinlenkt, der immer das erste Wort hat, das sein Diener nur bezeugen und aufdecken kann, so ist dessen Bedeutung damit doch nicht abgewertet. Er spricht ja das Wort der Absolution, und der Glaube daran macht die Rechtfertigung »effektiv« und bringt Frieden. »Wenn ich das recht verstehe, so ist es nicht falsch und uneigentlich (wie man meint) gesagt, daß der Papst die Schuld erläßt 170 .« »Christus wußte, daß das schon durch die Gnade gerechtfertigte Gewissen in seiner Angst die Gnade wieder ausspeien würde, wenn ihm nicht durch den Glauben an die Gegenwart der Gnade im Amt des Priesters Hilfe käme; ja, die Sünde bliebe bestehen, wenn es nicht glaubte, daß sie vergeben ist 171 .« Wie man das begrifflich ausdrückt, ist nicht entscheidend. »Ob der Priester die causa sine qua non oder eine andere causa der Vergebung bildet, ist mir gleichgültig, wenn nur auf irgend eine Weise als wahr feststeht, daß er Sünden und Schuld

li9

170

171

pacem obtineat atque fiduciam consequetur participationis omnium bonorum Christi et Ecclesiae. i ; 5 9 5 , 1 0 ff. . . . cum cognita earum (sc. clavium) saluberrima commoditate saxum sit aut lignum, qui non cum lacrimis eas exosculetur et amplectatur. Quid ergo Pontificem propter eas magnificamus et hominem terribilem fingimus? N o n illius sunt claves, meae potius sunt, mihi donatae, meae saluti, meae consolationi, paci et quieti concessae. P o n t i f e x servus est et minister meus in clavibus, ipse non eget illis ut pontifex, sed ego. 1 ; 596, 28 ff. Quae si recte et vere sapio, non est falsum neque dicere, quod P a p a remittat culpam. 1 ; 542, 20. Seivit (Christus) quod conscientia iam iustificata evomeret gratiam, nisi succureretur ei per fidem sterio sacerdotis, immo peccatum maneret, nisi 20 ff.

improprium (ut illi volunt) per gratiam sua trepiditate de gratiae praesentia miniremissum crederet. 1 ; 5 4 3 ,

52

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Bornkamm

vergibt 172 .« Man darf sich durch scheinbar widersprüchliche Formulierungen oder Bilder Luthers 173 nicht irremachen lassen. Alle seine — wie er selbst weiß — tastenden Versuche auf dem theologisch noch ungesicherten Felde laufen darauf hinaus, den Beichtenden von der Absolutheit der geglaubten Absolution zu überzeugen. Gerade die Prämisse, daß nicht das Sakrament, sondern der Glaube an das Sakrament rechtfertigt 174 , zwingt ihn dazu. Hier waltet ein fester Zusammenhang: »Nach der allgemeinen Ordnung ist für uns die Vergebung der Schuld nur gewiß durch das Urteil des Priesters; durch ihn freilich nur dann, wenn du der Verheißung Christi glaubst: Was du lösest usw. 175 .« Von einer »Trennung des Menschlich-Kirchlichen vom Göttlichen« 176 läßt sich also f ü r 1 5 1 7 und 1 5 1 8 sicherlich nicht reden. Audi die — schon im Mittelalter erörterte und verschiedenartig beantwortete 177 — Frage, ob es Ausnahmen von dieser »allgemeinen Ordnung« geben könne, beschäftigte Luther damals noch nicht. Erst Ende 1 5 1 9 äußerte er sich dazu in dem »Sermon von dem Sakrament der Buße«, und zwar noch verhalten genug. Der Ablaß liegt für ihn schon längst dahinten; auf ihn kommt es nicht an. »Das ist alles umbsunst und ein irthumb 178 .« Allein die Vergebung der Schuld ist wichtig. Sie beruht selbstverständlich nicht ursächlich auf dem Amt des Papstes, Bischofs, Priesters oder irgendeines Menschen, »son172

173

174

175

1715

Sive ergo sacerdos sit causa sine qua non sive alia remissionis peccatorum, non curo, dum verum esse aliquo modo constet sacerdotem remittere peccata et culpam. 1 ; $43, 3 1 ff. Selbst das W o r t der Freunde, die dem Kranken Zutrauen zum Chirurgen einflößen, gehört zur Heilung und ist nidit nur Ankündigung davon. 1 ; J 4 3 , 28 ff., 33 f. 1 ; 544, 40. Zirkulardisputation 1 5 1 8 (vgl. o. S. 35). 1 ; 6 3 1 , T h . xo. Luther beruft sich dafür auf einen sprichwörtlich verbreiteten Satz und auf Augustin, vgl. 5 7 ; Hebr. 170, i f f . 1 ; 286, 1 7 fr. 324, 1 6 ff. 6; 532, 28 ff. Ordine generali non est nobis certa remissio culpae nisi per iudicium sacerdotis, nec per ipsum quidem nisi credas Christo promittenti: Quodcunque solveris etc. 1 ; 5 4 1 , 20 ff. V g l . 1 ; 6 3 1 , T h . 23 (s. Anm. 179). s. o. S. 48. Den Satz von JOSEPH LORTZ: »Die Schlüsselgewalt wird schroff aus der Sphäre des Jenseits hinausgewiesen« (Die Reformation in Deutschland I, 202) oder ähnliche von DENIFLE-WEISS hat schon JOH. HECKEL mit Recht als irrig bezeichnet. Initia iuris Protestantium (Sitz. ber. d. Bayer. A k . d. Wiss. Jg. 1949, H . j) 1950, S. 99 f. Wiederabgedruckt in HECKELS Ges. Aufsätzen: Das blinde, undeutliche W o r t >KircheAbbezahlung< der einzelnen Strafreate durch ebenso stückweis gedachte Teilgenugtuungen hinaus, eine Vorstellung, die, genauer durchgedacht, doch unmöglich ist und auch heute abgelehnt wird« ( R A H N E R ) 2 0 6 . — 3. »Das richterliche Moment [im Ablaß] bezog sich auf den Nachlaß der kanonischen Bußstrafe« ( I S E R L O H ) 2 0 7 . S O hatte es Luther in Th. 5 gesagt. — 4. Die Toten sind »der Jurisdiktion der Kirche entrückt« (K. R A H N E R ) 2 0 8 ; es gibt also keine verrechenbare Wirkung des Ablasses für sie. »Die Sterbenden werden durch den Tod von allem befreit und sind den Kirchengesetzen damit gestorben« (Luthers 13. These). — 5. Eine Einwirkung auf den Stand der Toten im 204

BERNHARD POSCHMANN, D e r A b l a ß i m L i c h t e d e r B u ß g e s c h i c h t e , 1948. D e r s . , Buße und letzte Ölung,

1 9 5 1 , S. 1 1 2 — 1 2 3 .

KARL

RAHNER,

z u r T h e o l o g i e des A b l a s s e s . I n : S c h r i f t e n z u r T h e o l o g i e

Bemerkungen

II, 7. A u f l .

1964,

S . 1 8 5 — 2 1 0 . K . RAHNER, A b l a ß , L e x . f . T h e o l . u . K i r c h e , 2. A u f l . I, 1 9 5 7 , 46—53.

Auf

ihnen

beruht

auch

ISERLOHS

Kritik

der

Ablaßentwicklung,

S . 1 2 ff. 205

POSCHMANN, A b l a ß S . 82 ff.

206

L T h K I 2 , 52 ( S t r a f r e a t : g e s c h u l d e t e S t r a f e ) . G e g e n eine » q u a n t i t a t i v e « messung

der

Ablässe

wandten

sich

besonders

der

melchitische

Be-

Kardinal-

p a t r i a r c h MÁXIMOS V . SAIGH u n d die K a r d i n ä l e ALFRINK ( U t r e c h t ) , KÖNIG ( W i e n ) , DÖPFNER ( M ü n c h e n ) , DORN-SEIBEL S . 249 ff. DÖPFNER b e t o n t e , d a ß d e r B e g r i f f des » K i r c h e n s c h a t z e s « z u e i n e r m a t e r i e l l e n , f a s t

kommerziellen

A u f f a s s u n g des A b l a s s e s f ü h r e (S. 2 J 2 ) . 207

ISERLOH, L u t h e r S . 1 4 , 8 j f . A u c h K a r d i n a l K Ö N I G w i e s d a r a u f h i n , d a ß i m M i t t e l a l t e r ein Ü b e r g a n g v o m E r l a ß der äußeren Kirchenstrafen z u m N a c h l a ß d e r ü b e r n a t ü r l i c h e n z e i t l i c h e n S ü n d e n s t r a f e n v o r G o t t e r f o l g t sei. D O R N SEIBEL S. 2J0.

208

L T h K I 2 , 52.

62

Heinrich

Bornkamm

Fegefeuer gibt es nach Luther nur auf dem Wege der Fürbitte (Th. 26). Neuere katholische Theologen sehen in dieser Wirkung per modum suffragii, durch den Einschluß in das Gebet der Kirche, überhaupt den Schlüssel zum Verständnis des Ablasses, wie sie ihn heute noch übt (POSCHMANN)209. — 6. »Die Fürbitte der Kirche aber steht allein in Gottes Ermessen« (Luther Th. 28). POSCHMANN meint, es gebe zwar eine »moralische Gewähr«, daß Gott den Ablaß »durch eine entsprechende Vergebung von Strafen des Jenseits bestätigen werde. Wie weit indes diese Vergebung geht, liegt bei Gott«. Und er schließt aus der erlaubten, ja empfohlenen Häufung unvollkommener und vollkommener Ablässe darauf, daß sie in ihrer Wirkung unsicher sind und also nicht Rechts-, sondern Gebetscharakter haben 210 . Man wird bei allen Unterschieden so viel sagen dürfen, daß Luther und die neueren katholischen Forscher sich in der Absicht treffen, den Gläubigen vor einer falscher Sicherheit im Vertrauen auf den Ablaß zu bewahren. — 7. Luther hat die mit dem Ablaßgebrauch verbundenen Schwierigkeiten, die man auch in der heutigen katholischen Theologie empfindet (wie man sie sich auch gelöst denkt), jedenfalls scharfsinnig gesehen. »Es ist auch für die gelehrtesten Theologen sehr schwierig, den Reichtum der Ablässe und die wahre Reue zugleich vor dem Volk zu rühmen« (Th. 39) 2 1 1 . — 8. Sicherlich kann man heute auch darin auf Uber109

D e r A b l a ß im Lichte der Bußgeschichte, 1 9 4 8 , Z u s a m m e n f a s s u n g S . 1 1 9 I2, 51.

B u ß e u n d letzte Ö l u n g , 1 9 5 1 , S . 1 2 3 . K . R A H N E R L T h K

ff.

ISERI.OH,

Luther S. 86. 8,0

D e r A b l a ß im Lichte der Bußgeschichte, 1 9 4 8 , S . 1 1 9 ,

113

ff.

Er

erinnert

dabei an eine Entscheidung der A b l a ß k o n g r e g a t i o n v o n 1 8 4 0 auf die F r a g e , ob ein mit einem privilegierten A l t a r v e r k n ü p f t e r v o l l k o m m e n e r A b l a ß eine Seele sofort aus dem F e g e f e u e r b e f r e i e : der Absicht des Verleihers nach ja, aber der W i r k u n g n a d i sei darunter »ein A b l a ß z u verstehen, dessen M a ß dem gnädigen Ermessen u n d der A n n a h m e der göttlichen entspricht« (S. 1 1 4

Barmherzigkeit

f.). POSCHMANN w a r sich b e w u ß t , d a ß er d a m i t

einer

verbreiteten theologischen M e i n u n g widersprach ( A n m . 5 0 9 ) . A u d i K . R A H N E R erklärte noch 1 9 5 7 , daß die A b l e h n u n g der jurisdiktioneilen G e w a l t der A b lässe gegen die überwiegende M e h r z a h l der T h e o l o g e n steht ( L T h K I 2 , 5 1 ) . 211

D i f f i c i l l i m u m est etiam doctissimis theologis simul extollere v e n i a r u m l a r g i tatem et contritionis v e r i t a t e m c o r a m populo.

Das von

Luther

genannte

P r o b l e m schimmert deutlich auch durch die Schwierigkeiten mit der

Ablaß-

p r a x i s hindurch, an denen heute die katholischen T h e o l o g e n arbeiten.

Vgl.

z. B . R A H N E R , Schriften I I , 1 8 6 ff. A n t w e i l e r L T h K I 2 , 5 4 , das V o t u m v o n Kardinal

KÖNIG,

DORN-SEIBEL

S.

250

u n d den V o r t r a g

von

DANIEL

J.

O ' H A N L O N S . J . im C e n t r u m C o o r d i n a t i o n i s C o m m u n i c a t i o n u m de C o n c i l i o (9. N o v . 1 9 6 5 , Z u s a m m e n f a s s u n g in C / 6 J / 2 1 ) .

Thesen und Thesenansdilag Luthers

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einstimmung rechnen, daß der Ablaß, so lange er Geldablaß war, an sittlichem Rang weit unter jedem frei dargebrachten Werk der Liebe stand. Daß die römische Kirche sich — nicht zuletzt unter der Wirkung der reformatorischen Kritik — von dem Geldablaß befreit hat, ist kein geringer Dienst, den Luther ihr mit den 95 Thesen geleistet hat. — 9. KARL RAHNER hat den überlieferten Vorstellungen von den Sündenstrafen, innerhalb deren auch POSCHMANNS Erwägungen verbleiben, die Unterscheidung zwischen einem vindikativen und einem medizinellen, durch Schmerz heilenden Charakter der Strafe hinzugefügt 212 . Eben auf diesen Punkt zielt Luthers tiefster Einwand gegen den Ablaß: »Wahre Reue begehrt und liebt Strafen, reichlicher Ablaß aber erleichtert sie und macht sie verhaßt, wenigstens manchmal« (Th. 40). Diese Kritik beruht auf dem Gedanken, daß in der willigen Beugung unter die Strafe ein Segen liegt. Freilich ziehen beide hier verschiedene Konsequenzen. Für Luther wird der Ablaß dadurch entwertet. »Durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser; durch den Ablaß wird er nicht besser, sondern nur freier von Strafe« (Th. 44). Dagegen bekommt f ü r K . RAHNER der Ablaß, an dem er ja festhält, einen anderen Sinn. Wenn die Strafen »medizineil leidschaffend sind hier und nach dem Tode, dann muß die Tilgung der Sündenstrafen im Ablaß als göttliche Ermöglichung schnellerer und seligerer A u f arbeitung des so verstandenen >realen< Strafreats gedacht werden 213 «. Nicht nur an diesem, neben der Ubereinstimmung gewiß nicht unbedeutenden Unterschied, sondern auch an anderen Punkten ließe es sich zeigen, daß von evangelischer Sicht genug Fragen auch gegenüber der neueren katholischen Ablaßtheologie verbleiben. Und ebenso bleiben genug Fragen vom katholischen Denken aus gegenüber der Theologie Luthers überhaupt. Aber das steht hier nicht zur Debatte und läßt sich wohl überhaupt nicht zu Ende diskutieren. Um so mehr kommt es darauf an, konkrete Punkte zu klären und über sie, so weit wie möglich, zu einem Urteil zu kommen. Hier geht es um die 95 Thesen, die als der Stein, der das reformatorische Geschehen ins Rollen brachte, historisch eine unvergleichbare Bedeutung haben. Unabhängig von allem, was darauf folgte, muß zunächst allein nach ihrer geistlichen und theologischen Qualität im Vergleich zur Ablaßlehre der Kirche, wie sie sich damals darbot, 212 213

Schriften II, 203 ff. L T h K I 2 , 52 f. I X 8 (»Sündenstrafen«), 1 1 8 7 . L T h K I2, j 2 .

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gefragt werden. J e unbefangener das Urteil darüber ist, um so gerechter wird das über die Folgen des großen Konflikts sein. ISERLOH hat von Anfang an mit schöner Offenheit auf das Versagen der Bischöfe hingewiesen 214 . J a , wenn Luther die Thesen, wie er meint, nicht am 3 1 . Oktober angeschlagen, sondern den Bischöfen Frist zur Stellungnahme gegeben habe, so werde es noch deutlicher, »wie weit das Versagen der Bischöfe auf religiös-kirchlichem Gebiet dazu beigetragen hat, daß es statt zur Reform der Kirche zur Reformation, d. h. zur Kirchenspaltung kam 2 1 5 «. Die Frage, ob angeschlagen oder nicht, ist nur von geringem Gewicht. Auch wenn, wie ich glaube, die Gründe für eine Bezweiflung des Anschlags nicht ausreichen, so wiegt das Versagen der Bischöfe in beiden Fällen gleich schwer. Aber das Problem ist damit nicht erschöpft. Die Bischöfe und die Universitäten hatten, so sehr man Einsicht in die skandalösen Zustände bei ihnen gewünscht hätte, kirchenrechtlich ihre Gründe, die Angelegenheit an die Kurie abzugeben. Es handelte sich in der Tat um eine die potestas summi pontificis berührende Frage, über die nach dem geltenden kanonischen Recht niemand sonst zu urteilen befugt war. Darauf konnten sich die Universitäten Mainz und Leipzig zurückziehen 216 . JOSEPH LORTZ hat f ü r das Unheil in der Ablaßfrage die Verbindung von Ockhamismus und fiskalisierter Ablaßpraxis verantwortlich gemacht. »Ihr Resultat war die (Luthers gesamte Lebensarbeit maßgeblich beeinflussende) unselige Verwechslung mit der Kirche selbst und ihrer echten Lehre 217 .« Aber eben diese Verwechslung hat Luther vermieden. E r griff den Papst in den Thesen ausdrücklich nicht an 218 und war überzeugt, ihn besser zu interpretieren, als es die damals übliche Ablaßlehre tat. Erst in der Bulle vom November 2M 215

218

217 218

Thesenanschlag S. 4 3 (s. o. S. 36), Luther S. 90. Ebenda S. 90. HONSELMANN gibt die Schuld hauptsächlich der Zustimmung der Massen, die Luther emporgetragen habe (dazu s. o. S. 36, A n m . 1 1 2 , jetzt auch: Urfassung, 1966, S. 1 3 4 ) . Ähnlich JOSEPH LORTZ, Die Reformation in Deutschland, 1 9 3 9 , 1 9 6 2 4 , S. 2 0 4 . M a i n z s. o. S. 19, A n m . 53. Schreiben der Leipziger Theologischen Fakultät an H e r z o g G e o r g v o m 26. 1 2 . 1 5 1 8 : »Dieweil auch die sache den allerheiligsten vater, den babst, seyn und des heiligen stuls zu Rome gewalt berurete, w e r uns nicht fuglich, einicherleye in dise sache zu schlahen.« G e ß I ; 50, 2 ff-, dazu s. o. S. 39. Die Reformation in Deutschland I, 2 0 4 . M a n kann auch nicht mit LORTZ, der hier Eck zustimmt, sagen, daß der Angriff gegen das Papsttum »die Quintessenz der Ablaßthesen« sei (ebenda I, 202). D a s belegen weder die beiden zitierten Thesen (25, 3 7 ) noch erst recht die Thesen im ganzen.

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1 5 1 8 identifizierte sich Leo X . mit einer Anschauung vom Ablaß, die weder nach Luthers Meinung echte Lehre der Kirche war, noch es nach der modernen Ablaßtheologie ist, wie sie namhafte Forscher und zahlreiche Konzilsväter vertreten haben. Damit erst stellt sich die eigentliche geschichtliche Frage des Ablaßstreits, vor der alle anderen Einzelfragen in den Hintergrund treten. Muß man heute nicht urteilen, daß Luther historisch, seelsorgerlich und theologisch gegenüber seiner Kirche im Recht war?

4. D I E A B L A S S K O N S T I T U T I O N P A P S T P A U L S V I . V O M 1. J A N . 1967 Die Frage hat eine unerwartete Aktualität bekommen, seit Papst Paul V I . eine neue autoritative Erklärung über das Wesen, die Bedeutung und den Gebrauch der Ablässe verkündet hat: die Constitutio Apostolica »Indulgentiarum doctrina«. Sie war offenbar schon vor der Erörterung der Ablaßfrage auf dem Konzil im N o vember 1965 weithin im Entwurf fertiggestellt, ohne zum Gegenstand der offiziellen Konzilsdebatte gemacht zu werden 219 . Obwohl der Großpönitentiar Kardinal Cento und der die Vorlage erläuternde Regens der Pönitentiarie ebenso wie der Papst, als er die bevorstehende Veröffentlichung in der Weihnachtsansprache an die Kardinäle am 23. Dez. 1966 ankündigte, das Hauptgewicht auf die Revision der praktischen Normen für die Ablaßgewinnung legten, enthält die Konstitution doch eine bedeutsame dogmatisch-historische Grundlegung. Nicht nur die Erteilung der Ablässe wird durch 20 Vorschriften neu normiert, sondern auch die Lehre vom Ablaß erhält erneut ihre Norm — allerdings, wie es der Papst schon bei der Vorankündigung betonte, keine andere als die der traditionellen Auffassung. »Nichts ändert sich in der A r t und Weise des Verstehens und der Auffassung der Ablässe in bezug auf die Wahrheiten des Glaubens 220 .« 219

D O R N - S E I B E L , S . 2 3 3 f . s. o . S . 6 0 .

820

A u s der Weihnachtsansprache Pauls V I . , Osservatore Romano, 24. D e z . 1 9 6 6 , N r . 296. D e r Kommentar des Osservatore 9./10. J a n . 1 9 6 7 , N r . 7 , unterstreicht diesen traditionellen Charakter der Konstitution und nennt als die drei hauptsächlichen, den A b l a ß begründenden Glaubenswahrheiten: 1 . D i e Pflidit zur Genugtuung für die v o n G o t t verhängten zeitlichen S t r a f e n ; 2. den geistlichen Schatz der Genugtuungen Christi, der J u n g f r a u

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Die Constitutio erinnert zunächst (Kap. I) an die allgemeine, immer im Glauben der römisch-katholischen Kirche festgehaltene Voraussetzung der Ablaßlehre: die Verhängung von zeitlichen Strafen, die der Sünder auf Erden oder im Fegefeuer abzubüßen hat. Sie dienen zu der Reinigung der Seelen sowie zur Wiederherstellung der verletzten Freundschaft zwischen Gott und Mensch und der durch die Sünde gestörten »universalen Ordnung« 221 . — In der Nachfolge Christi (Kap. II) sind die Christen miteinander zu gegenseitiger Hilfe verbunden, »indem sie ihr eigenes Kreuz tragen zur Sühne für die eigenen Sünden und für die anderer«222. Denn das corpus Christi mysticum, die Kirche, ist gleichsam una mystica persona. Darauf beruht der »Kirchenschatz«, der aus dem unerschöpflichen Schatz der Verdienste Christi und der unausdenkbaren Fülle der Gebete und guten Werke der Jungfrau Maria und aller Heiligen besteht (§ 5). — Schon immer (Kap. III) sind in der Kirche Gebete und gute Werke für die Sünder aufgeopfert worden. Dabei haben die Bischöfe gestattet, daß kanonische Bußstrafen durch andere, eventuell leichtere, abgelöst wurden. — Im Laufe der Jahrhunderte (Kap. IV) ist allmählich von der Kirche der Brauch der Ablässe eingeführt worden. Die Päpste haben bestimmt, daß sie bei denen, die bereut und gebeichtet haben, für alle Arten von Buße anzurechnen sind und sogar den völligen Erlaß aller Sündenstrafen erwirken können223. Das Wesen des Ablasses wird folgendermaßen M a r i a und der Heiligen; 3 . die Petrus und seinen N a d i f o l g e r n verliehene Schlüsselgewalt, d. h. in diesem Falle: die »Jurisdiktionsgewalt«, die über jenen Schatz zu verfügen berechtigt ist. Eine Ablehnung der Ablaßlehre würde aber zudem einer Ablehnung oder Schwächung einer Reihe weiterer Dogmen gleichkommen: der Lehre » v o n der Solidarität der Erlösten mit Christus; v o n der Gemeinschaft der Heiligen; v o m unendlichen W e r t der Verdienste Christi, deren Wirkung die W i r k u n g der Sakramente übersteigt (vgl. Summa theol. Suppl. q. 2 5 , a. 1 ) ; von der G e w a l t der Schlüssel, die sich über den sakramentalen Bereich hinaus erstrecken; v o n der Unfehlbarkeit der Konzilien, des Römischen Papstes und des universalen ordentlichen Lehramts«. 221

. . . ut omnia bona tum personalia tum socialia tum ea, quae ad ipsum ordinem universalem pertinent, per peccatum imminuta vel destructa, plene redintegrentur, vel per voluntariam reparationem quae non erit sine poena, vel per tolerantiam poenarum ab ipsa iusta et sanctissima D e i sapientia statutarum (§ 3).

222

. . . crucem propriam ferentes in expiationem peccatorum suorum et aliorum

223

P r o omni paenitentia reputanda (Kanon 2 des Konzils von Clermont 1 0 9 5 ) ; plenissima omnium suorum venia peccatorum (Bonifaz V I I I . , Jubiläumsbulle Antiquorum habet 1 3 0 0 ) .

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definiert: »Beim Ablaß macht die Kirche von ihrer Vollmacht als Dienerin der Erlösung des Herrn Christus Gebrauch. Sie betet nicht nur, sondern teilt auf autoritative Weise an den hinreichend disponierten Christusgläubigen den Schatz der Genugtuungen Christi und der Heiligen aus zum Erlaß der zeitlichen Strafe 224 .« Die Übertragung des Ablasses auf die Toten ist eine außergewöhnliche Liebesübung, er selbst überhaupt ein Ausdruck der Gemeinschaft der Christen in Christus und untereinander und der Hoffnung auf die Versöhnung mit Gott. Daneben bedeutet die Ablaßgewinnung einen A k t der Unterordnung unter die Hirten der Kirche, im besonderen unter den Nachfolger des hl. Petrus (§§ 9/10). In diesem Sinne wird der Gebrauch der Ablässe den Gläubigen von neuem empfohlen und zugleich auch die rechte Gesinnung der Buße und Verbindung mit Gott noch einmal eingeprägt (§ 1 1 ) . Aus den neuen Normen der Ablaßpraxis werden die drei wichtigsten vorweg genannt (Kap. V ) : 1. An Stelle der alten Berechnung der Teilablässe nach Tagen und Jahren wird eine einfache Verdopplung eingeführt: »Derselbe Nachlaß an Strafe, den der Christusgläubige durch sein Tun erwirbt, wird als Maß des Strafnachlasses genommen, den die kirchliche Autorität großmütig durch Teilablaß hinzulegt 225 .« 2. Die Zahl der Plenarablässe wird auf einen am Tage verringert 226 . 3. Die an Orten oder Gegenständen hängenden Ablässe werden ihrer besonderen Namen entkleidet und den anderen Ablässen gleichgestellt. Diese hier nur knapp referierten Grundgedanken werden — im Gegensatz zu dem streng kanonistischen Ton etwa der Bulle Leos X . von 1518 2 2 7 — in einer sich den Gläubigen zuwendenden religiösen Anrede variiert und mit bekräftigenden Zitaten belegt, hin und wieder im Text, vor allem aber in einem umfangreichen Anmerkungsapparat. Es sind, soweit sie sich auf die Sache beziehen und nicht nur stilistische Wendungen belegen, in weit geringerem Maße 224

In indulgentia enim Ecclesia sua potestate utens ministrae redemptionis Christi Domini, non tantum orat, sed christifideli apte disposito auctoritative dispensat thesaurum satisfactionum Christi et Sanctorum ad poenae temporalis remissionem (§ 8). D a z u die Definition in N o r m a 1 : Indulgentia est remissio coram D e o poenae temporalis pro peccatis.

225

Placuit hanc ipsam remissionem poenae, quam christifidelis sua actione acquirit, tamquam mensuram sumere remissionis poenae, quam Ecclesiastica Auctoritas per indulgentiam partialem liberaliter addit (§ 1 2 ) . N . 6. D a s gilt auch für die toties-quoties-Ablässe ( N . 19). Ausgenommen v o n der N o r m ist der Plenarablaß in articulo mortis ( N . 1 8 ) . s. o. S. 56, $8.

286

227

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Bibelstellen, deren Deutung beim nichtkatholischen Leser zumeist Verwunderung erregt. Größeren Umfang nehmen Texte der kirchlichen Tradition ein, unter ihnen die klassischen Dokumente der römischen Ablaßlehre, so die für die Reformationsgeschichte wichtigen Bullen Clemens V I . (1343) und Leos X . ( 1 5 1 8 ) im Wortlaut 228 . Luther wird nur indirekt in die neue Ablaßerklärung einbezogen. Die Bulle gegen ihn, Exsurge Domine, wird unter diesen Hauptdokumenten aufgeführt, und auf dem Umwege über eine Bulle Pius V I . (1794) werden einige Verurteilungen daraus zitiert 229 . Der Wortlaut und die begründenden Quellenzeugnisse zeigen gemeinsam, daß Papst Paul V I . und der Osservatore Romano nicht zu viel gesagt haben, wenn sie den Lehrgehalt der Konstitution als absolut traditionell bezeichnen. Von den Gedanken der neuen Ablaßtheologie ist nichts und von der Kritik, die auf dem Konzil geäußert wurde, kaum etwas in sie übergegangen. Z w a r werden die Christen auf die Hilfe, welche sie sich gegenseitig leisten sollen, nachdrücklich hingewiesen. Aber für den Ablaß konstitutiv ist der »Schatz der Genugtuungsleistungen Christi und der Heiligen«, der »autoritativ« ausgeteilt wird, nicht die Fürbitte der Kirche, in der P O S C H M A N N den eigentlichen Sinn der Ablässe finden wollte. Der iurisdiktionelle A k t der päpstlichen Schlüsselgewalt trägt das Ablaßgeschehen. Es ist darum konsequent, wenn im Streben nach Ablässen zugleich auch ein besonderer A k t des Gehorsams gegenüber den Nachfolgern Petri gesehen wird. Und so befreiend die Beseitigung der seltsamen Berechnungen nach Jahren und Tagen und der gehäuften Plenarablässe f ü r die Praxis auch sein mag, so ist das auf dem Konzil so scharf gerügte mathematische Denken doch nicht aufgegeben. Die prinzipielle Verdopplung der eigenen Bußleistung des Christen durch den Teilablaß bedeutet nur den Ubergang zu einer vereinfachten Berechnung 230 . Und bringt sie dem bußfertigen Christen eine Vertiefung der Gnadenerkenntnis, wenn er so eindeutig auf seine eigene Leistung als das Grundmaß verwiesen wird? 228

B e i d e z w e i m a l : die B u l l e C l e m e n s V I I . im T e x t § 7 u n d in A n m . 20, die L e o s X . in A n m . 2 0 u n d 3 7 . Z u ihrer B e d e u t u n g s. o. S . 5 6 ff.

229

A n m . 4 0 . DENZINGER-SCHÖNMETZLER 2 6 4 0 / 2 .

230 V g l . o, s . 61,

A n m . 2 0 6 . A m schärfsten hatte sich der melchitische K a r d i n a l -

patriarch MÁXIMOS I V . S A I G H gegen jede A r t eines solchen » M u l t i p l i k a t o r s « gewandt. DORN-SEIBEL S. 2 4 4 .

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Der Ablaß ist eine Sonderlehre der römisch-katholischen Kirche. Weder die orthodoxen Kirchen kennen ihn, noch die aus der Reformation entstandenen, noch die anglikanische Kirche. Er bildet kein gemeinsames Glaubensgut der Christenheit, das im ökumenischen Dialog aus der verschiedenartigen konfessionellen Sicht durchdacht werden könnte. Und die neue Ablaßkonstitution wird gewiß keine Neigung erwecken, den ganzen früh- und hochmittelalterlichen Vorstellungskomplex, den die römische Kirche als integralen, »auf der göttlichen Offenbarung als solidem Fundament begründeten« Bestandteil des christlichen Glaubens ansieht231, in andere Kirchen zu übernehmen. Vielmehr, da die Ablaßlehre mit vielen anderen teils katholischen, teils gemeinsamen Glaubenslehren verknüpft ist232, ist sie eher geeignet, auch diese in ihrer römischen Interpretation für die anderen Christen fragwürdig zu machen. Das Fremdartige des Ablaßgedankens teilt sich ihnen notwendig mit. Kann man sagen, daß die Störung der »universalen Ordnung« durch freiwillige Gutmachung oder Erdulden von Strafen »vollständig wiederhergestellt« werden könne? Läßt sich von der »einen mystischen Person« der Christenheit anders reden als von der des Sünders, der ganz auf die Gnade Christi angewiesen und durch sie gerettet ist? Vermag menschliches Kreuztragen »zur Sühne« für die Sünden anderer und zur »Versöhnung der göttlichen Gerechtigkeit« zu dienen, und ist das der Sinn der communio sanctorum? Können die Verdienste Christi durch die Kirche autoritativ-jurisdiktionell ausgeteilt werden? Kann von einem selbsterworbenen Straferlaß gesprochen und er durch kirchliche Entscheidung zum Gegenstück und Maßstab der göttlichen Großmut erklärt werden? Solche und andere Fragen erheben sich gegenüber diesem aus menschlicher Leistung und abgemessener Gnadenzuteilung zusammengefügten Ganzen, das aus der »Wurzel der Offenbarung« erwachsen sein soll. Auch abgesehen von den spezifisch römisch-katholischen Glaubensvorstellungen, wie der Abbüßung von Strafen »durch Feuer oder Qualen oder reinigende Strafen in der zukünftigen Welt« oder der Papstlehre, fällt damit auf die darin verwobenen Stücke der christlichen Heilsbotschaft ein veränderndes Licht. Man kann es nur bedauern, daß die ernste Kritik innerhalb der römisch-katholischen Kirche selbst nicht zu einem Wandel in der Sache, sondern nur zu Reformen im Verfahren geführt hat. Das 231 232

Kap. I, § 8. s. o. S. 65, Anm. 220.

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Gewicht der unveränderten Ablaßlehre ist durch ihre erneute Bekundung schwerer geworden als in den alten Lehrformulierungen, die dem historisch Denkenden ohne Schwierigkeiten als verjährt hätten gelten können. Indem sie ihrem Gehalt nach und als verbale Zeugnisse wieder zum Leben erweckt wurden, ist auch die Frage, ob Luther nicht mit seiner Ablehnung des ganzen darin enthaltenen Ablaßsystems im Recht war, aus höherer, umfassenderer Sicht wieder neu gestellt worden. Sie ist für die geschichtliche Würdigung der Reformation, die durch die Verwerfung von Luthers Kritik ausgelöst wurde, von zentraler Bedeutung.

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