Theoretische Welten und literarische Transformationen: Die Naturwissenschaften im Spiegel der 'science studies' und der englischen Literatur des ausgehenden 20. Jahrhunderts [Reprint 2012 ed.] 9783110914290, 9783484421387

This study is concerned with the latest developments in the relationship between literature and the natural sciences. Th

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Theoretische Welten und literarische Transformationen: Die Naturwissenschaften im Spiegel der 'science studies' und der englischen Literatur des ausgehenden 20. Jahrhunderts [Reprint 2012 ed.]
 9783110914290, 9783484421387

Table of contents :
Einführung
I. Die Naturwissenschaften unter geisteswissenschaftlicher Perspektive
1. Theoretische Welten und ihre Erzeugung
2. Die Rhetorik der Naturwissenschaften
3. Die Evolution der Wissenschaften und die Rhetorik der Replikatoren
II. Literatur und Naturwissenschaft
1. Einflüsse, Pfeile, Geflechte, Antizipationen
2. Literarische Untersuchungen
Zusammenfassung und Schlußbemerkung
Bibliographie
Personenverzeichnis
Danksagungen

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B U C H R E I H E DER ANGLIA ZEITSCHRIFT FÜR ENGLISCHE P H I L O L O G I E Herausgegeben von Stephan Kohl, Lucia Kornexl, Hans Sauer, Hans Ulrich Seeber und Hubert Zapf 38. Band

DIRK VANDERBEKE

Theoretische Welten und literarische Transformationen Die Naturwissenschaften im Spiegel der 'science studies' und der englischen Literatur des ausgehenden 20. Jahrhunderts

MAX N I E M E Y E R V E R L A G T Ü B I N G E N 2004

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-42138-X

ISSN 0340-5435

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2004 http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz und Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach

Inhaltsverzeichnis

Einführung

ι

I. Die Naturwissenschaften unter geisteswissenschaftlicher Perspektive

27

ι. Theoretische Welten und ihre Erzeugung 1.1. Der radikale Konstruktivismus 1.2. Der soziale Konstruktivismus 2. Die Rhetorik der Naturwissenschaften 2.1. Die uneigentliche Sprache oder: ,Em Heer von Metaphern und Metonymien' 2.2. Von Uberzeugung, Propaganda und sprachlicher Gewalt . . . . 3. Die Evolution der Wissenschaften und die Rhetorik der Replikatoren

29 31 42 57 73 92 133

II. Literatur und Naturwissenschaft ι. Einflüsse, Pfeile, Geflechte, Antizipationen 2. Literarische Untersuchungen 2.1. Quantenphysikalische Momente 2.2. Archäologie und Astronomie: Peter Ackroyd, First Light . . . 2.3. ,As above, so below': Jeanette Winterson, Gut Symmetries . . 2.4. A wilderness of doubles: Tom Stoppard, Hapgood 2.5. Martin Amis 2.j.ι. Singularitäten und Ambivalenzen: London Fields . . . 2.5.2. Die Umkehr des Zeitpfeils: Time's Arrow 2.6. Ian McEwan 2.6.1. ,Shall there be womanly sciences?': The Child in Time 2.6.2. Liebe und Dilemma: Enduring Love 2.7. Darwinismus und Verhaltensforschung 2.8. Siedler, Nomaden und Wanderer: Bruce Chatwin, The Songlines 2.9. Von Menschen und Ameisen: A. S. Byatt, „Morpho Eugenia"

173 175 245 245 254 272 289 302 302 321 334 336 363 386 396 418 V

Zusammenfassung und Schlußbemerkung

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Bibliographie

443

Personenverzeichnis

469

Danksagungen

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VI

Einführung Es ist fast so etwas wie ein Usus geworden, Texte, die sich mit dem Thema ,science and literature' beschäftigen, mit einem Hinweis auf C. P. Snows ,Rede-Lecture' aus dem Jahr 1959 und die darauf folgende SnowLeavis Kontroverse einzuleiten. Inhalt dieser Einleitung ist die Bestätigung oder auch Ablehnung des Konzepts der ,Two Cultures', d.h. der Annahme, die englische und eigentlich die ganze westliche Gesellschaft habe sich in zwei diametral getrennte Kulturen aufgespalten, die humanistisch-literarische und die naturwissenschaftliche, zwischen denen aus Unkenntnis und Unverständnis der jeweils anderen Arbeitsweise und Inhalte keine Kommunikation mehr erfolgt. Snow schreibt über die Erfahrungen, die ihn zu seinen Überlegungen geführt hatten: I felt I was moving among two groups - comparable in intelligence, identical in race, not grossly different in social origin, earning about the same incomes, w h o had almost ceased to communicate at all [...] (Snow 1993: 2)

In Snows Ausführungen spielt die Literatur zwar eine wesentliche Rolle, da die Autoren als prominente Vertreter der literarischen Kultur die dort vorliegenden Defizite auf exemplarische Weise verkörpern, sein Interesse gilt aber in noch größerem Ausmaß dem Stellenwert, der den Geisteswissenschaften und besonders den traditionellen humanistischen Fächern und den Naturwissenschaften in einem künftigen Bildungssystem zukommen sollte. Damit griff Snow die Diskussion auf, die schon einmal gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts zwischen T. H. Huxley und Matthew Arnold geführt worden war (vgl. Huxley, T. Η. 1893 und Arnold 1974; vgl. dazu auch Collini 1993: xiii-xvi und Trilling 1980: 1 2 6 - 1 2 9 ) . Huxleys Forderung nach einer stärker wissenschaftlichen Ausrichtung im englischen Bildungssystem war von Arnold mit dem Verweis auf ein dem Menschen inhärentes Bedürfnis nach Schönheit und letztlich nach humanistischer Bildung gekontert worden. 1 Er konzedierte zwar 1

Wie sehr Arnold dieses Bedürfnis zu einem anthropologischen sine qua non erhebt, wird deutlich, wenn er auf den evolutionären Vorläufer des Menschen eingeht: „The ,hairy quadruped furnished with a tail and pointed ears, probably arboreal in its habits,' this good fellow carried hidden in his nature, apparently, something destined to develop into I

die Bedeutung der Wissenschaften und bestätigte auch die Notwendigkeit von wissenschaftlichen Kenntnissen (vgl. Arnold 1974: 64), beharrte aber auf der Vorherrschaft der ,letters'. Ein wesentliches Argument, das sich in veränderter Form auch in der neueren Diskussion wiederfindet, bestand in einer Erweiterung des Referenzbereiches von Literatur: Literature is a large word; it may mean everything written with letters or printed in a book. Euclid's Elements and Newton's Principles are thus literature. All knowledge that reaches us through books is literature. (Arnold 1974: 58)

C. P. Snow übernahm mehr als sechzig Jahre später die Position Huxleys und plädierte für eine Aufwertung der Naturwissenschaften, da nur durch eine wissenschaftlich-technologische Umgestaltung der englischen Gesellschaft und durch einen uneigennützigen Wissenstransfer zwischen den industrialisierten und den nicht-industrialisierten Staaten die anstehenden Probleme des technologischen Gefälles und daraus resultierend der Armut und des Hungers in der Welt gelöst werden könnten. Es ist relativ leicht zu bestimmen, welche Aufgabe Snow den theoretischen und angewandten Naturwissenschaften und ihren Praktikern in dem anstehenden Prozeß eines globalen Wissens- und Technologietransfers zumaß. Die Wissenschaftler und Ingenieure erscheinen als die Pioniere der Zukunft, die den Aufbau einer besseren Welt vollbringen sollen und die dafür die Voraussetzungen wie Vorurteilsfreiheit, Schaffensdrang oder technische Kreativität mitbringen. Nach Snows Vorstellung sollten die industriell hochentwickelten Staaten das wissenschaftlich und technisch ausgebildete Personal zur Verfügung stellen und damit die Entwicklung in den armen Ländern vorantreiben. In den industrialisierten Staaten wäre dafür eine Umstrukturierung des Bildungswesens zugunsten der sciences' notwendig; einerseits um den Anforderungen der Zukunft im eigenen Land gerecht zu werden, und andererseits um eine ausreichende Menge an kompetenten Fachleuten hervorzubringen, die dann in einer Art Auslandseinsatz ihr Wissen weitergeben könnten. Es handelt sich hierbei trotz einiger Warnungen vor jeglicher Form von „paternalism" (vgl. Snow 1993: 47Í.) ganz offensichtlich um eine Wiederaufnahme kolonialen Denkens, um eine Neuformulierung der „white man's burden", wobei sich die Forderung, „Send forth the best you breed" (Kipling 1994: 323), nicht auf Administratoren bezieht, sondern auf die technologische

a necessity of humane letters. Nay, more; we seem finally to be even led to the further conclusion that our hairy ancestor carried in his nature, also, a necessity for Greek" (Arnold 1974: 72).

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Elite, die im Rahmen einer pragmatischen Weltordnung die wichtigsten Entscheidungsträger zu stellen hätte. Schwieriger ist es zu bestimmen, welche positive Rolle Snow den Geisteswissenschaften zuordnet. Sie erscheinen in dem Vortrag hauptsächlich als Hüter einer Ordnung und eines Wertesystems, das sich an der Vergangenheit orientiert und damit weitgehend überholt ist, und so läßt sich ihre Rolle am ehesten negativ formulieren: Die ,literary intellectuals' sollten ihre angestammte Position im englischen Bildungssystem aufgeben und die Umgestaltungen möglichst wenig behindern. Der Angriff richtet sich damit nicht gleichmäßig auf die auseinanderdriftenden beiden Kulturen, sondern primär gegen die seiner Meinung nach dominanten Vertreter der literarischen Intelligenz - deren reaktionärer Haltung in der Bildungspolitik entspricht dabei laut Snow auch eine fatale Affinität zu rechtslastigem, wenn nicht faschistischem Gedankengut in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, die er gerade bei den Vertretern der literarischen Hochkultur ausmacht.2 Neben politischer Inkompetenz konstatiert Snow bei der humanistisch gebildeten ,Elite' Arroganz und wissenschaftliche Ignoranz, die der - eher entschuldbaren - einseitigen wissenschaftlichen Ausrichtung auf der Gegenseite gleichkommt. Die Analogie, die Snow zwischen der Unkenntnis des Zweiten Thermodynamischen Gesetzes bei weiten Teilen der literarischen Intelligenz und einer Unkenntnis Shakespeares bei Wissenschaftlern zieht, wurde zwar von seinem Hauptkontrahenten, F. R. Leavis, heftig attackiert, der Jeremiade über die mangelnden Kenntnisse wissenschaftlicher Prinzipien bei der literarischen ,Intelligenz' wurde dabei allerdings nicht wirklich widersprochen, 3 und Snows Beispiel wird auch heute noch angeführt (vgl. z.B. Dawkins 1991: 94). Eine Neuauflage 1

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So zitiert Snow einen Wissenschaftler mit der Frage: „Yeats, Pound, Wyndham Lewis, nine out of ten of those who have dominated literary sensibility in our time - weren't they not only politically silly but politically wicked? Didn't the influence of all they represent bring Auschwitz that much nearer?" (Snow 1993: 7); dazu schreibt er dann: „The honest answer was that there is, in fact, a connection, which literary persons were culpably slow to see, between some kinds of early twentieth-century art and the most imbecile anti-social feeling" (ibid.: 8). Die Existenz all jener Autoren und Mitglieder der literarischen Intelligenz, die gegen den Faschismus Stellung bezogen, scheint ihm ebenso entgangen zu sein wie die Rolle, die der Marxismus in den 20er und 30er Jahren in den literarisch-humanistischen Zirkeln in Cambridge spielte und dort beispielsweise die Rekrutierung der ,Cambridge Five' ermöglichte (vgl. Costello 1988: i8jff.). F. R. Leavis bestritt kategorisch, daß es in den Naturwissenschaften eine Leistung geben könnte, die mit der Shakespeares zu vergleichen wäre (vgl. Leavis 1962: 27). Der beleidigende Tonfall von Leavis' Angriffen hat wohl wie eine Bestätigung von Snows These vom arroganten literarischen Establishment gewirkt und dazu geführt, daß selbst Kritiker Snows zu dessen Verteidigung antraten (vgl. Trilling 1980: I29ff).

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dieses Vorwurfs ist in ,Sokal's hoax' von 1996 enthalten. Der theoretische Physiker Alan Sokal reichte 1994 der Zeitschrift Social Text einen Aufsatz mit dem Titel „Transgressing the Boundaries: Towards a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity" ein, der mit leicht durchschaubaren Fehlern gespickt war - u. a. daß es sich neueren Forschungen zufolge bei der Zahl π um eine Variable handele - „a farrago of deliberate solecisms, howlers and non-sequiturs, stitched together so as to look good and to flatter the ideological preconceptions of the editors" (Boghossian 1996: 14). Der Artikel wurde angenommen und 1996 veröffentlicht. Den Herausgebern wurde in der Folge der wenig begehrte Ig Nobel Prize 1996 für Literatur verliehen, „for eagerly publishing research that they did not understand, that the author said was meaningless, and which claimed that reality does not exist" (Abrahams 1998: 35). Die Spezialisierung des Naturwissenschaftlers wird zwar von Snow auch bedauert, das größere Problem aber bildet die Einseitigkeit innerhalb der gesellschaftlich dominanten literarischen Intelligenz: „So the great edifice of modern physics goes up, and the majority of the cleverest people in the western world would have about as much insight into it as their Neolithic ancestors would have had" (Snow 1993: 15).4 Damit stellt sich die Frage, welche Rolle eine aufgeklärtere' Literatur in dem von Snow entworfenen Programm spielen könnte. Den zeitgenössischen Autoren schreibt er als Mitgliedern der literarischen Intelligenz wissenschaftliches Analphabetentum zu. It is bizarre how very little of twentieth-century science has been assimilated into twentieth-century art. N o w and then one used to find poets conscientiously using scientific expressions, and getting them wrong [...]. Of course, that isn't the way that science could be any good to art. It has got to be assimilated along with, and as part and parcel of, the whole of our mental experience, and used as naturally as the rest. (Snow 1993: 16)

Diese Sicht führt, nebenbei bemerkt, auch dazu, daß Snow eine prägnante Parallele zwischen einem physikalischen Konzept und einer poetischen Passage nicht nur übersieht, sondern letztere sogar als unwissenschaftlich kritisiert. Er zitiert Eliots Hollow Men, „This is the way the world ends, not with a bang but a whimper" (Eliot 1991: 82), und schreibt abfällig: 4

Kaum anders schreibt John Brockman in der Einleitung zu The Third Culture: „Indeed, the traditional American intellectuals are, in a sense, increasingly reactionary, and quite often proudly (and perversely) ignorant of many of the truly significant intellectual accomplishments of our time" (Brockman 1996: 17). Der Titel The Third Culture wurde inzwischen auch von Shaffer (1998) für eine Sammlung von Aufsätzen aus dem Kontext ,literature and science' in Anspruch genommen. 4

„incidentally, one of the least likely scientific prophecies ever made" (Snow 1993: 5). In seinem Fortschrittsoptimismus ist ihm offenbar entgangen, daß Eliots Gedicht sehr genau den Hitzetod des Universums erfaßt, wie er von Boltzmann beschrieben wurde. 5 Offensichtlich hat die Literatur in Snows Sicht nicht die Aufgabe, wissenschaftliche Konzepte in sich aufzunehmen und umzusetzen, sondern die wissenschaftlichen Errungenschaften zu feiern. 6 Das wird besonders dort deutlich, wo Snow eine Literatur anführt, die seinen Vorstellungen nahekommt, die Literatur der Sowjetunion: The gap between the cultures doesn't seem to be anything like so wide as with us. If one reads contemporary Soviet novels, for example, one finds that their novelists can assume in their audience - as we cannot - at least a rudimentary acquaintance with what industry is all about. Pure science doesn't often come in, and they don't appear much happier with it than literary intellectuals are here. But engineering does come in. A n engineer in a Soviet novel is as acceptable, so it seems, as a psychiatrist in an American one. (Snow 1993: 36f.)

Dementsprechend spricht er in seinem Aufsatz „The Two Cultures. A Second Look" (in Snow 1993) auch nicht mehr nur vom Verstehen der wissenschaftlichen Errungenschaften, sondern erwartet auch Zustimmung: „The question is this: how far is it possible to share the hopes in the scientific revolution [...] and at the same time participate without qualification in the kind of literature which has just been defined?" (Snow 1993: 96). Das Problem, das sich hier abzeichnet, besteht zunächst einmal darin, daß Snow Wissenschaft und Technologie quasi synonym benutzt. ,Pure science' und ,applied science' sind für ihn die zwei Seiten einer Medaille, die zusammen den Gesamtkomplex der Wissenschaft ausmachen: „The scientific process has two motives: one is to understand the natural world, the other is to control it" (Snow 1993: 67). 5

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Eliots Gedicht wurde inzwischen von den Naturwissenschaften assimiliert. So trug ein Editorial der Zeitschrift Paleobiology (1981, No. 3) zum Aussterben der Dinosaurier am Ende der Kreidezeit den Untertitel: „Out with a whimper not a bang" und Schloß „by butchering T. S. Eliot's lines ... : This is the way Cretacious life ended This is the way Cretacious life ended This is the way Cretacious life ended Not abruptly but extended." (ibid.: 297^) Trilling geht auf die Frage ein, inwieweit Snows Forderung an die Literatur nicht eine ihrer wesentlichen Aufgaben zu unterlaufen sucht, die Kritik: „Whatever else we also take literature to be, it must always, for us now, be the criticism of life. But it would seem to be precisely the critical function of literature that troubles Sir Charles" (Trilling 1980: 139)·

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Diese Sicht ist mindestens seit Bacon als ein Teil des Selbstverständnisses von Wissenschaft nachweisbar. Die Problematisierung dieser Doppelfunktion, die sich spätestens seit der Romantik in Literatur und Philosophie findet, ist aber nicht notwendigerweise ein Zeichen von Ablehnung oder Unverständnis, sondern auch das einer Sorge, daß die Errungenschaften der Technik sich als Danaer-Geschenke erweisen könnten.7 So läßt sich z.B. feststellen, daß die Nukleartechnologie speziell zu der Zeit, in der Snow seine These aufstellte, auf den unterschiedlichsten kulturellen Ebenen - von den Monsterfilmen der 50er Jahre8 bis zu Günther Anders' Antiquiertheit des Menschen - thematisiert wurde. In der gegenwärtigen Zeit hat die Gentechnologie das kritische Interesse - verbunden mit dem üblichen wohligen Schauer des Entsetzens9 - geweckt. G. S. Rousseau hat auf die Möglichkeit einer wissenschaftskritischen Funktion des Themenkomplexes ,science and literature' hingewiesen, ohne daß im Begriff ,Kritik' eine grundsätzliche Opposition eingeschlossen wäre. Er sieht die Möglichkeit für „a ,science criticism', just as there is music criticism, art criticism, literary criticism, sports criticism" (Rousseau 1989: 53; vgl. auch Rousseau 1987: ii). Eine ähnliche Stellungnahme findet sich bei George Levine: „Whatever else current theory (or antitheory) has done, it has opened the possibility of a serious critique of science that is not merely sentimental or alarmist" (Levine 1987: 18; vgl. auch Weininger 1989: xxii). Snows Forderung nach einer Unterwerfung und Beherrschung der Natur wurde damit, wie zu erwarten, eher kritisch aufgenommen. Dabei bleibt aber das Problem, auf welche Weise sich das Verhältnis von Literatur und Naturwissenschaft gestalten kann, bestehen. Die Frage nach dem möglichen Stellenwert der Naturwissenschaft in der Literatur wurde in mehreren Reaktionen auf Snows Vortrag aufgenommen und selbst von Snows Kritikern relativ klar beantwortet: Die Literatur sollte sich, ganz gleich wie man zu der Frage der Dominanz in unserer Gesellschaft steht, der Wissenschaft nicht verschließen, sondern 7

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Snow geht zwar auf diesen Aspekt der Wissenschaftskritik ein, betrachtet ihn aber eher als eine naive Nostalgie in einer industrialisierten Welt, die vergessen hat, welche Rolle die moderne Wissenschaft bei der Uberwindung der weitreichenden Armut in Europa gespielt hat (vgl. Snow 1993: 23ff·)· Es ist sicherlich kein Zufall, daß Godzilla (Honda 1956), einer der ersten Filme, der ein durch Radioaktivität mutiertes Monster darstellte, in Japan entstand. Zu antiwissenschaftlichen Tendenzen im neueren Science Fiction-Film vgl. Heilbronn 1990; zur Frage der Zäsur, die durch den Einsatz der Atombombe im Verhältnis zwischen Literatur und Wissenschaft ausgelöst wurde, vgl. Emter 1995: ioff. Vgl. z. B. die Neuverfilmungen von H. G. Wells' The Island of Dr. Moreau (Frankenheimer 1996) und Mary Shelleys Frankenstein (Branagh 1994)·

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sie in ihren Korpus von ästhetisch vermittelbaren Konzepten aufnehmen (vgl. z.B. Huxley, Α. 1963: 9}fí·)· Die Kluft zwischen den beiden Kulturen soll damit zwar überbrückt werden, die grundsätzliche Trennung bleibt aber bestehen. Gleichermaßen wird deutlich, daß die literarische Umsetzung von Wissenschaft primär im referenziellen Bereich angesiedelt bleibt. Ganz gleich ob kritisch oder affirmativ, die Literatur reagiert auf die wissenschaftliche Entwicklung, indem sie sie thematisiert und zu ihrem Gegenstand macht. Das zeitliche, wenn nicht hierarchische Gefälle, das hier zum Ausdruck kommt, scheint die "Wissenschaft aus dem kulturellen Austausch auszuschließen und ihr einen weitgehend isolierten Raum zuzuordnen, zu dem die Literatur bzw. die humanistische Kultur hauptsächlich als Vermittlerin von moralischem Urteilsvermögen Zutritt hat. Die Untersuchung des Verhältnisses zwischen Literatur und Naturwissenschaft wäre damit zunächst auf eine schlichte Einflußstudie beschränkt, bei der die wissenschaftliche Thematik im literarischen Werk festgestellt und auf ihre Korrektheit hin überprüft würde. Einen solchen Einfluß der Physik auf die Kunst sah Heisenberg als wünschenswert an. Da die wissenschaftliche Sprache der Physik gerade durch ihre Präzision ungeeignet ist, die Unschärfe, die in der neueren Physik eine wesentliche Rolle spielt, adäquat zu erfassen und zu vermitteln, wird nun von ihm auch die Kunst aufgerufen, an der Umsetzung wissenschaftlicher Konzepte mitzuarbeiten (vgl. Heisenberg 1959: 142 und 150; ähnlich auch Ponomarjow 1977: 274). Für Heisenberg bestand in der Möglichkeit, eine Theorie in allgemein verständlicher Sprache auszudrücken, ein Nachweis, daß diese Theorie auch wirklich verstanden war (vgl. Heisenberg 1968: 140). 10 Der Einfluß der Naturwissenschaften auf die Literatur ist damit nicht unbedingt einseitig, er wird potentiell durch die Hilfe bei der Versprachlichung aufgewogen, der die Wissenschaft bedarf, um sich ihres eigenen Verständnisses zu versichern. Gegen diese Art von Einflußstudie richtet sich ein großer Teil der Diskussion, die in den letzten Jahren speziell im englischsprachigen Raum zu dem Thema ,science and literature' geführt wird, wobei die Masse der Literatur zu diesem Thema kaum noch zu bewältigen ist. Die Bibliographie der Zeitschrift Configurations, die von der Society for Literature and Science herausgegeben wird, verzeichnet im Zeitraum von 1989 bis 1997 einen Anstieg von knapp 700 auf über 2100 Arbeiten (vgl. IO

Richard Feynman war zwar in dieser Hinsicht weniger optimistisch, er sah aber doch die Möglichkeit einer Umformulierung komplexer Theorien für Studenten des Grundstudiums als Maßstab des Verständnisses (vgl. Goodstein und Neugebauer 1996: xxii).

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Configurations, „Bibliography", 1993 -1999). Snows These, daß die Geisteswissenschaften an den Naturwissenschaften kein Interesse zeigen, ist damit für die neuere Zeit zumindest in Frage gestellt. Gleichermaßen wird aber auch deutlich, daß eine untergeordnete Rolle der Literatur als Ubersetzungsgehilfin oder gar Claqueur wenig Zustimmung findet. So widersprach Gillian Beer in einem Vortrag vor der Royal Society Heisenbergs Forderung nach einer gemeinschaftlichen Arbeit von Physik und Kunst am neuen Weltbild und Schloß eine Übersetzungstätigkeit der Autoren aus: Literature cannot, even if it would, take on the task of technical translator when scientists find themselves from time to time in the dilemma that their scrupulousness has sustained agreed meaning but rendered their knowledge and purpose inscrutable to others beyond the trained circle. (Beer 1990: 88)

In dieser Auseinandersetzung schlägt sich - auch das zeigt das Zitat von Gillian Beer - das Problem von Dominanz und Hierarchie nieder. Sollte sich die Kunst und speziell die Literatur in die Pflicht nehmen lassen, als Mittler zwischen der wissenschaftlichen Forschung und der Öffentlichkeit zu stehen, so wäre das gleichbedeutend mit einem Autonomieverlust. Die Qualität literarischer Werke wäre damit eine Funktion außerliterarischer Kriterien; zudem wäre die Literatur auf eine Form von Mimesis zurückgeworfen, die eigentlich überwunden zu sein schien. Gleichermaßen stellt sich hier aber auch die Frage, aus welcher Richtung die Zurückweisung der anscheinend unangemessenen Ansinnen zu erfolgen hat. Die Frage, ob sich die Literatur und damit letztlich der einzelne Schriftsteller zu einer reinen Umsetzung wissenschaftlicher Konzepte vereinnahmen läßt, ist von der Literaturwissenschaft und -kritik kaum abschließend zu beantworten. Die programmatische Aussage von Beer scheint darauf abzuzielen, den Autoren vorzuschreiben, was sie als ihre Aufgabe anzusehen haben.11 Damit wird deutlich, daß die neuere Auseinandersetzung zwischen Literatur und Naturwissenschaft auch eine politische Dimension hat. Die Dominanz der Geisteswissenschaften, die Snow konstatierte, besteht in den westlichen Gesellschaften keinesfalls mehr; an ihre Stelle ist inzwischen eine weitgehend naturwissenschaftliche Ausrichtung getreten, und "

Es gab immer auch Autoren, die für sich die Aufgabe sahen, wissenschaftliche Erkenntnisse und Weltbilder zu vermitteln. Dazu gehörten auch Naturwissenschaftler wie George Gamow, der versuchte, durch phantastische Traumreisen seines Protagonisten die Fremdheit und die Probleme von Relativitätstheorie und Quantentheorie darzustellen (vgl. Gamow 1967).

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die Diskussion um die Beziehungen zwischen den beiden Kulturen erscheint gelegentlich wie das bisher letzte Scharmützel in der ,battle of the books', die inzwischen schon seit einigen Jahrhunderten tobt. Es gibt allerdings durchaus gewichtige Gründe, einen unumkehrbaren einseitigen Fluß zwischen der Naturwissenschaft und der umfassenden Kultur, zu der auch die Literatur wie die Literaturwissenschaft gehören, abzulehnen und stattdessen einen Austausch zwischen den Sektoren anzunehmen. Zu diesen Gründen gehört die Tatsache, daß eine soziale und kulturelle Bedingtheit der Wissenschaften auch von ihren Praktikern konzediert wird, wenn auch nicht in der Ausschließlichkeit, die von einigen Soziologen, Wissenschaftshistorikern und Literaturwissenschaftlern postuliert wird. Zwar verneinte Steven Weinberg kategorisch jeden Einfluß der Philosophie auf die Physik," eine soziale Einbettung der Wissenschaft wird dabei allerdings ebensowenig negiert13 wie subjektive oder auch ästhetische Aspekte innerhalb der physikalischen Forschung. 14 Paul Davies schreibt in seiner Einleitung zu Feynmans Six Easy Pieces: There is a popular misconception that science is an impersonal, dispassionate, and thoroughly objective enterprise. Whereas most other human activities are dominated by fashions, fads, and personalities, science is supposed to be constrained by agreed rules of procedure and rigorous tests. It is the results that count, not the people who produce them. This is, of course, manifest nonsense. Science is a people-driven activity like all human endeavour, and just as subject to fashion and whim. In this case fashion is set not so much by choice of subject matter, but by the way scientists think about the world. (Davies 1996: ix )

Stephen Jay Gould äußert sich ähnlich deutlich: „[TJheory is always, and must be, coloured by social and psychological biases of surrounding cul12

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„I know of no one who has participated actively in the advance of physics in the postwar period whose research has been significantly helped by the work of philosophers" (Weinberg 1993: 134, Hervorhebung im Text). Weinberg sieht dementsprechend auch einige der Untersuchungen zur sozialen Einbettung der Wissenschaften als „useful historical and sociological observations" (Weinberg 1993: 148), wendet sich aber, wie kaum anders zu erwarten, gegen die Radikalisierungen, die diese Untersuchungen nach sich gezogen haben: „It is simply a logical fallacy to go from the observation that science is a social process to the conclusion that the final product, our scientific theories, is what it is because of the social and historical forces acting in this process" (ibid.: 149). „Physicists get so much help from subjective and often vague aesthetic judgement .. (Weinberg 1993: 132). Damit sind allerdings hauptsächlich ästhetische Aspekte der physikalischen Theorie wie simplicity' oder ,symmetry' angesprochen, die grundsätzlich von .rhetorischen' Qualitäten wie mathematischer Eleganz getrennt werden (vgl. ibid.: iojff.). Zur Frage der Ästhetik in der Physik vgl. auch Zee 1992. Ich werde auf dieses Thema verschiedentlich zurückkommen.

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ture" (Gould 1996a: 420). Im Kontext der Physik schreibt John Gribbin: „The new physics was a product of the culture in which it was created" (Gribbin 1995: 198). U n d Mary Hesse schrieb schon fünf Jahre vor C . P. Snows Rede-Lecture: [Scientific discovery is not independent of the climate of thought surrounding it any more than any other aspects of intellectual and cultural life, and scientific thought cannot be understood apart from the general background of the society and culture of its times. Neglect of this historical approach has made modern science appear an isolated phenomenon, and has led, perhaps more than any other factor, to the gulf which exists today between science and the humanities. (Hesse 1954: 11) Neben die Untersuchung des wissenschaftlichen Einflusses auf die Literatur und spezifische Texte tritt damit die Frage nach dem kulturellen Kontext, der als das größere System Wissenschaft und Literatur umfaßt und beide gleichermaßen, wenn auch auf unterschiedliche Weise, beeinflußt. Es ist wohl offensichtlich, daß diese Frage je nachdem, welche Wissenschaftsbereiche und welche spezifische Literatur und Literaturtheorie angesprochen werden, unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen wird und daß in noch viel größerem Maße der historische Rahmen wesentlich ist, auf den Bezug genommen wird. Dementsprechend ist es wohl nicht zufällig, daß in den Untersuchungen kultureller Einflüsse auf die Wissenschaft Darwin und überhaupt der humanistisch gebildete Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts eine hervorragende Rolle spielt. Gillian Beer schreibt dazu: [Scientists themselves in their texts drew openly upon literary, historical and philosophical material as part of their arguments: Lyell, for example, uses extensively the fifteenth book of Ovid's Metamorphoses in his account of protogeology, Bernard cites Goethe repeatedly, and - as has often been remarked Darwin's crucial insights into the mechanisms of evolutionary change derived directly from his reading of Malthus's essay On Population. What has gone unremarked is that it derived also from his reading of the one book he never left behind during his expeditions from the Beagle: The Poetical Works of John Milton. The traffic, then, was two-way. (Beer 1985: 7) Daß sich diese Aussagen nicht problemlos auf die Gegenwart übertragen lassen, ist wohl offensichtlich. Waren die Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts noch quasi durchgängig humanistisch gebildet, da eine rein wissenschaftliche Ausbildung in der modernen Form einfach noch nicht existierte - Ausnahmen bildeten dabei allerdings diejenigen, die nicht den üblichen Ausbildungsweg nahmen - , so hat sich die Situation inzwischen 10

grundlegend geändert. Einerseits sind die Wissenschaftszweige weitgehend voneinander isoliert - erst seit gar nicht allzu langer Zeit finden sich wieder Ansätze zur Interdisziplinarität 15 - , andererseits ist die fachsprachliche Spezialisierung so weit fortgeschritten, daß ein unvermitteltes Verständnis für Außenstehende kaum möglich ist. Im Kontext des kulturellen Austausches zwischen der Literatur im weiteren Sinne und den Naturwissenschaften kommt Michel Serres eine spezielle Bedeutung zu. Bei seinen Untersuchungen von Isomorphien, die zwischen den unterschiedlichsten kulturellen Bereichen bestehen, geht er immer wieder über die Fragestellungen in einem spezifischen historischen Kontext hinaus und verfolgt dabei auch die Wiederkehr oder Wiederaufnahme von Problemen und Lösungsmöglichkeiten. Damit beinhalten seine Überlegungen notwendigerweise die Frage nach einer Präfiguration neuerer Themenkomplexe innerhalb des überlieferten literarischen oder wissenschaftlichen Korpus' von Texten. Serres' Untersuchungen können zudem als eine fortschreitende Lesung der Literatur- und Wissenschaftsgeschichte im Kontext der Umorientierung verstanden werden, die innerhalb der letzten fünfzig Jahre in den Bereichen der Kybernetik und der Chaostheorie stattgefunden hat. Neben diesem Ansatz, der in gewisser Weise die Arbeit von Ilya Prigogine und Isabelle Stengers flankiert,16 finden sich Texte, in denen die mechanistische und reduktionistische Grundlage der modernen Wissenschaften einer kritischen Überprüfung unterzogen wird, und Untersuchungen, in denen Serres der Frage nachgeht, inwieweit Literatur spätere wissenschaftliche Positionen und Theorien antizipiert oder sogar ausgelöst haben könnte. Innerhalb eines Diskussionszusammenhanges, der den Austausch zwischen den Diskursen verfolgt, ist die Frage nach einem literarischen Vorläufertum unumgänglich. Gillian Beer hat, wie schon oben erwähnt, am Beispiel Darwins die Bedeutung literarischer Einflüsse auf seine Argumentationsstruktur und Metaphorik untersucht (vgl. Beer 1985, Kap. 1 und 2 passim), ohne daß dadurch die Entwicklung der Grundgedanken der Evolutionstheorie wirklich berührt worden wäre. Bei der Diskussion

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1990 beklagte der Physiker Mario Markus noch den Mangel an einer „konzertierten Zusammenarbeit von Mathematikern, Biologen, Chemikern, Meteorologen, Astronomen, Geologen und Medizinern" (zit. nach Markus, M. 1994: 286). Die enge Beziehung zwischen dem Denken von Serres und den Arbeiten von Prigogine und Stengers ist kaum zu übersehen; u.a. war Stengers an Serres' Buch Elemente einer Geschichte der Wissenschaften beteiligt und schrieb mit Prigogine das Nachwort zu Serres' Hermes: Literature, Science, Philosophy.

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dieses Themas wird am Einzelfall zu überprüfen sein, ob es sich wirklich um eine Antizipation wissenschaftlicher Prinzipien in der Literatur oder um eine Wiederaufnahme bestehender Bilder in einem wissenschaftlichen Erklärungsmodell handelt (vgl. Vanderbeke 1998a: 25 if.). Eine dritte Position in der Diskussion um Literatur und Wissenschaft greift, auch wenn sie diese Herkunft nicht immer hervorhebt, Matthew Arnolds Gedanken auf, daß die Literatur als das Gesamtsystem all dessen, was geschrieben ist, auch die Wissenschaft umfaßt. Dabei wird einer der Aspekte in der Auseinandersetzung völlig neu definiert. Die grundsätzliche Unvereinbarkeit der Sprachen, die in den beiden Bereichen jeweils zur Anwendung kommen, war ursprünglich nicht in Frage gestellt worden; in diesen Kontext gehören Gegensätze wie Subjektivität vs. Objektivität, Ambivalenz vs. Präzision, Ausdruck von Empfindung vs. unbedingte Neutralität, Autor/Erzähler vs. Anonymität, Involvement vs. distanzierte Beobachtung, figurative Sprache vs. faktische Sprache etc. Matthew Arnold hatte diese Gegensätze unterlaufen, indem er die Gesamtheit des Geschriebenen von den belies lettres löste und damit den Weg für eine Vereinnahmung aller Genres einschließlich der wissenschaftlichen unter dem Oberbegriff der Literatur freimachte. Einen wesentlichen Neuanstoß bekam dieser Ansatz durch Roland Barthes' Aufsatz „Science versus Literature". An die Stelle der Literatur tritt hier die Linguistik als die umfassende Wissenschaft der Zeichen und Symbole und der Möglichkeiten, mit Hilfe von Zeichen und Symbolen Sinn zu vermitteln. Indem nun die Abhängigkeit der Naturwissenschaft von der Sprache und ihre Verpflichtung auf eine wie auch immer geartete Versprachlichung (oder, wie Barthes es ausdrücken würde, Verschriftlichung') in das Zentrum der Untersuchung gestellt wird, erscheinen die Methoden und Theorien der Linguistik und potentiell auch der Literaturwissenschaft als adäquates Instrumentarium zur Analyse naturwissenschaftlicher Texte. In diesen Zusammenhang gehören u.a. Mary Hesses Untersuchungen zu Models and Analogies in Science, Arbeiten zur Bedeutung der Hermeneutik für die Naturwissenschaften (vgl. ζ. B. Markus, G. 1987), zur Rhetorik wissenschaftlicher Texte oder insgesamt zum Thema ,Wissenschaft und Schriftlichkeit' (vgl. z.B. Locke, D. 1992). In der neueren Auseinandersetzung stehen einige sehr radikale Ansätze im Vordergrund, die auf der Basis des ,linguistic turn' und der Ubiquität der Rhetorik in allen sprachlichen Akten die Position vertreten, daß die Wissenschaften durch und durch von Rhetorik bestimmt ist und daher die rhetorische Analyse nicht nur einen Beitrag zum Verständnis der Texte und ihrer sprachlichen Elemente liefern kann, sondern vielmehr dazu herangezogen werden kann, 12

jeglichen Realitätsbezug der Wissenschaften in Frage zu stellen. Alan Gross schreibt in diesem Sinne: „The claim of rhetoric is that the phrase „brute facts" is an oxymoron. Facts are by nature linguistic - no language, no facts. B y definition, a mind-independent reality has no semantic component" (Gross 1990: 202Í.). Aus dieser Überlegung folgt der Schluß, wissenschaftliche Wahrheit sei lediglich „a consensus concerning the coherence of a range of utterances, rather than the fit between the facts and reality" (ibid.: 204). Die Rhetorik, die hier ins Feld geführt wird, ist damit wesentlich durch ihre Wirksamkeit als persuasio bestimmt, daneben steht aber auch die Frage nach der Metaphorizität. Die Angriffe, die im Verlauf der Wissenschaftsund Philosophiegeschichte gegen die Sprache geführt wurden und durch die die Sprache als grundsätzlich verfälschend kritisiert wurde, lassen sich nun gegen die Wissenschaft selbst ins Feld führen, indem ihre sprachliche Komponente ins Zentrum der Analyse gestellt wird. Folgt man der These der Dekonstruktion, „that all writing, no matter what its ostensible object, register, or putative cognitive or truth claim, is metaphorical through and through" (Beer und Martins 1990: 164), so ist damit der Anspruch der Wissenschaft auf eine ,geläuterte' Sprache von äußerster Präzision und Unzweideutigkeit hinfällig. Hier werden alle sprachlichen Handlungen nivelliert; es gibt keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen naturwissenschaftlichen Arbeiten und literarischen Texten, da alle letztlich auf die gleichen sprachlichen Mittel angewiesen sind und diese auch zum Einsatz bringen. 17 Die Rhetorik etabliert sich als Mutter der Wissenschaften, da es außerhalb der immer auch rhetorisch verfaßten Sprache kein Wissen geben kann. Ich werde im ersten Teil der vorliegenden Arbeit ausführlich auf das Thema ,Rhetorik der Naturwissenschaften' eingehen. Dabei soll deutlich werden, welche Probleme - und gelegentlich auch konzeptionellen Fehler in einer strikten Nivellierung der unterschiedlichen Sprachformen liegen, welche Möglichkeiten aber auch in einer rhetorischen Analyse wissenschaftlicher Texte liegen, wenn diese nicht nur darin motiviert ist, die Naturwissenschaften dem eigenen Arbeitsgebiet unterzuordnen. Daran schließt sich ein Versuch an, im Umfeld der Rhetorik die Möglichkeit für 17

Bei dieser Art von Untersuchung setzt möglicherweise Collinis Kritik an, wenn er über das Verhältnis von Wissenschaft und Literaturkritik schreibt: „ . . . scientists have not been rushing to apply their experimental techniques to the illumination of the plays of Shakespeare or the novels of Jane Austen, but literary theorists have been eager to extend the domain of discourse analysis to uncover the surprising figurative play at the heart of even the baldest scientific research paper" (Collini 1993: liii).

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eine interdisziplinäre Arbeit zwischen der Sprach- und Literaturwissenschaft einerseits und kognitionsbiologischen Ansätzen andererseits zu eröffnen. Die nivellierenden Ansätze zum Thema ,Rhetorik der Wissenschaft' und die daraus resultierende relativistische Neuorientierung sind eng verbunden mit sozial-konstruktivistischen Konzepten, wie sie sich schon in den Aussagen von Alan Gross andeuteten. Das wissenschaftlich untersuchte Phänomen erscheint dabei als vollständig durch die sozialen Bedingungen des Wissenschaftsbetriebes bestimmt; darüber hinaus wird es grundsätzlich als erst durch das Experiment konstruiert verstanden. Dieser Gedanke wird durch den Verweis auf die Probleme in der neueren Physik gestützt, eine strikte Trennung zwischen Naturphänomenen und geschaffenen Phänomenen zu ziehen. In Murphy's Law lautet das „Second Law of Particle Physics": „The basic building blocks of matter do not occur in nature" (Bloch 1990: 243), aber es gibt auch ernsthaftere Aussagen ähnlichen Inhalts. Bei Ilya Prigogine findet sich die Aussage: „An elementary particle, contrary to its name, is not an object that is ,given'; we must construct it" (Prigogine 1980: 199, vgl. dazu auch Rea 1986: 109). In den sozial-konstruktivistischen Ansätzen geht es nun allerdings nicht mehr nur um die Frage nach der Wirklichkeit subatomarer Prozesse und der Interpretation der Experimente, aus denen auf sie geschlossen werden kann. Vielmehr soll der Nachweis erbracht werden, daß wissenschaftliche Tatsachen nicht aus einem objektiven Zugang folgen, sondern eher oder sogar ausschließlich im sozialen Umfeld des jeweiligen Wissenschaftsbereiches mit seinen ,peer-pressures', seinem Jargon und seinen prästrukturierenden paradigmatischen Annahmen produziert werden. Der unzweifelhaft bestehende Einfluß der Kultur auf die naturwissenschaftliche Arbeit (s.o.) wird dabei so extrem ausgeweitet, daß die Natur als Untersuchungsgegenstand quasi verschwindet bzw. selbst als soziales Konstrukt und Resultat der Manipulationen in der künstlichen Welt der Laboratorien erscheint. Die wissenschaftlichen Gebiete, die in den soziologischen Untersuchungen als Beispiele herangezogen werden, gehören allerdings gelegentlich nicht zu den .härtesten' Kernbereichen der modernen Naturwissenschaften.18 So beschäftigt sich der häufig zitierte Artikel von Joseph 18

Dies gilt nicht für die zu diesem Thema geradezu paradigmatische Arbeit von Latour und Woolgar, Laboratory Life: The Social Construction of Sdentific Facts, auf die ich noch mehrfach zurückkommen werde. Das Labor, an dem sie ihre anthropologische Untersuchung vornahmen, The Salk Institute for Biological Studies, erhielt später für die beschriebene Forschungsarbeit den Nobelpreis für Biologie. Die kritischen Äußerungen von Jonas

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Gusfield, „The Literary Rhetoric of Science", mit „Comedy and Pathos in Drinking Driver Research" und damit mit einem Umfeld, in dem Rhetorik und gesellschaftliche Einflüsse eher eine Rolle spielen als in anderen wissenschaftlichen Arbeitsgebieten - der Untertitel wird allerdings in den Literaturlisten gewöhnlich nicht mit angeführt.19 Auch wenn konstruktivistische Untersuchungen nicht direkt in den Rahmen des Themenkomplexes „literature and science" fallen, haben sie doch Einfluß auf die Diskussion, da sie die Bedeutung der sozialen Einbindung wissenschaftlicher Prozesse hervorheben und damit kulturelle, aber auch speziell linguistische oder psychologische Einflüsse und Abhängigkeiten konstatieren. Konstruktivistische Untersuchungen werden daher in wissenschaftskritischen Arbeiten regelmäßig herangezogen, um die Objektivität und den Wahrheitsanspruch der Wissenschaften und damit Unterschiede zu anderen Wissensformen, zu denen auch die Literatur gehört, in Frage zu stellen. Gillian Beer schreibt im Kontext von Darwins Origin of Species·. In the mid-nineteenth century, scientists still shared a common language with other educated readers and writers of their time. There is nothing hermetic or exclusive in the writing of Lyell or Darwin. Together with other scientific writers such as G. H. Lewes, Claude Bernard, John Tyndall, W. K. Clifford, and even so far as his early work is concerned Clerk Maxwell, [...] they shared a literary non-mathematical discourse which was readily available to readers without a scientific training. Their texts could be read very much as literary texts. In our own century scientific texts tend to reach us by a process of extrapolation and translation. (Beer 1985: 6f.)

Damit ergibt sich die Frage, welche Art von Wissenschaft oder Wissenschaftsvermittlung sich in den vielfältigen Diskursen manifestiert und in die Literatur Eingang findet. Da z.B. die neuere Physik weitgehend unanschaulich ist und sehr fortgeschrittene mathematische Kenntnisse sowie auch eine Vertrautheit mit der Fachsprache erfordert, ist der Zugang für den Nichtwissenschaftier letztlich nur durch die Inanspruchnahme einer Ubersetzungstätigkeit möglich, die keinesfalls mit der eigentlichen Wissenschaft gleichgesetzt werden sollte. 20 Inzwischen hat sich ein umfang-

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Salk zur Arbeit der Wissenschaftsanthropologen verweisen hier auf ein anderes Problem, nämlich die Selektion dessen, was als wichtig betrachtet wird und die Interpretation der beobachteten Details (vgl. Salk 1986: 13). Vgl. z.B. Knorr-Cetina 1981: 175; Latour & Woolgar 1986: 266; G. Markus 1987: 48, Golinski 1990: 497; Bazerman 1988: 25 n. und Lyne 1993: 157. Eine Ausnahme bildet Gross 1990: 229, w o der volle Titel angegeben ist. Dies gilt mit unterschiedlicher Gewichtung auch für die anderen Naturwissenschaften.

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reicher Markt entwickelt, der mit unterschiedlichsten Produkten das Interesse einer wachsenden und heterogenen Leserschaft befriedigt.21 Dieser Markt schlägt sich unter anderem auch in den Literaturlisten der Texte nieder, die sich mit dem Themenkomplex ,Literatur und Wissenschaft' beschäftigen. Es ist zwar nicht mehr in dem gleichen Maße wie früher üblich, daß in Sekundärtexten ausschließlich Fritjof Capras The Tao of Physics oder Zukavs The Dancing Wu Li Masters als Zeugen für die bizarre Welt des submolekularen Bereichs herangezogen werden,22 bestimmte Titel werden allerdings als Quellen deutlich favorisiert.23 Damit ergibt sich eine doppelte Selektion dessen, was als Wissenschaft in die Diskurse einfließt. Die Wissenschaftsjournalisten, die sich um die Vermittlung verdient machen, sind nicht unbedingt mit Praktikern gleichzusetzen und haben außer der Öffentlichkeitsarbeit notgedrungen auch die Verkäuflichkeit ihrer Bücher im Auge. Darüber hinaus erfordert die Übersetzung der primär mathematischen Modelle in einen umgangssprachlichen Kontext fast zwingend einen Rekurs auf bestehende Bilder, Metaphern und Erklärungsmuster und eine Analogiebildung, die potentiell stärker von kulturellen Diskursen und auch literarischen Einflüssen bestimmt wird als die wissenschaftliche Forschung selbst. Die Rolle, die bestimmte Schlüsselwörter in diesem Zusammenhang spielen, kann wohl kaum überschätzt werden. Assoziative Verbindungen werden dabei durch den Assimilationsprozeß begünstigt, durch den die wissenschaftliche Sprache alte Begriffe für neue Kontexte verfügbar macht. Das wohl beste Beispiel ist das Wort,Chaos' selbst: T h e v e r y use of „chaos t h e o r y " t o d e n o t e m a t h e m a t i c a l research c o n c e r n e d w i t h t h e analysis of f l u c t u a t i o n s in reiterating n o n - l i n e a r e q u a t i o n s m a r k s an i n t r i g u i n g e x a m p l e of t h e m y t h i f i c a t i o n of scientific w o r k . B y labeling such

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Daß sich darunter auch die marktschreierischsten Erzeugnisse befinden, wird nicht erstaunen. Es ist dabei nicht immer leicht, dem Titel oder der Aufmachung zu entnehmen, um welche Art von Text es sich handelt. Das Spektrum reicht von Davies' und Browns The Ghost in the Atom — BBC-Interviews mit hochkarätigen Physikern zu den Experimenten von Alan Aspect, darunter mit Aspect selbst, mit J. S. Bell, John Wheeler, David Böhm und anderen - bis zu Jean E. Charons Der Geist der Materie, einer weitgehend esoterischen Lesart der neueren Physik. " Natürlich finden sich auch hierzu Ausnahmen. In Maureen DiLonardo Troianos Studie New Physics and the Modern French Novel ist Zukav eine der wesentlichen Quellen, zudem wird er als ,physicist' bezeichnet (vgl. Troiano 1995: 35), was ganz einfach falsch ist (vgl Bernstein 1979: 169). Eine Kritik von Zukavs Darstellung der neuen Physik findet sich in Gardner 1981, Kap. 36: 375£f. 23 Dies ist ohne jegliche Abwertung zu verstehen; auch ich bin als naturwissenschaftlicher Laie in meinen Untersuchungen auf,Standardtexte' angewiesen, die sich im Wesentlichen mit denen der anderen Autoren zu ,science and literature' decken. 16

work as chaos theory, investigation is placed against the mythic background of early Greek philosophy, where chaos functions as a foundational concept in cosmology. (Knoespel 1991: 105) 24

Die Versuchung, die durch solche Schlüsselbegriffe ausgelöst wird, ist offensichtlich sehr groß und hat inzwischen Untersuchungen zu chaostheoretischen Vorahnungen bei Shakespeare oder Milton hervorgebracht. Harriet Hawkins etwa beschreibt Shakespeares Cleopatra als einen ,Strange attractor', weil sie in ihrem Verhalten weitgehend unberechenbar ist und auf Männer anziehend wirkt (vgl. Hawkins, H. 1995: 137). Unterstützt werden derartige Ansätze auch durch die Autoren populärwissenschaftlicher Bücher, die durch Zitate und den Kapiteln vorangestellte Mottos eine Verbindung mit der traditionellen Kultur schaffen und damit eine rückwärtige Projektion begünstigen (vgl. Knoespel 1991: 105). Und schließlich besteht grundsätzlich die Gefahr, daß Begriffe wechselweise figurativ oder im wörtlichen Sinne benutzt werden. Ein Beispiel wäre der Begriff ,current', der in der Untersuchung von Bewegungen innerhalb von Flüssigkeiten eine klar umrissene Bedeutung hat, der aber auch häufig als Metapher für ,Strömungen' innerhalb der kulturellen Diskurse benutzt wird. Während aber das Ineinanderfließen von Flüssigkeiten durchaus ein anschauliches und greifbares Phänomen ist, erfordert die Übertragung auf den gesellschaftlichen Kontext eigentlich mehr als nur die griffige Formulierung. An dieser Stelle lohnt es sich, schon einmal ein Zitat anzuführen, das später noch genauer untersucht werden soll. Thomas P. Weissert schreibt in einem Versuch, chaostheoretische Konzepte für die Bestimmung des Verhältnisses von Literatur und Naturwissenschaften nutzbar zu machen, über die kulturellen ,Strömungen': These currents are not isolated but are constantly intermixing their ideas in a process which could only be called stochastic. Each current carries a quantity of information for a while, processes it, changes it, and then returns it to the central flow. [...] With this model, all the interesting dynamic structures of fluids come into metaphorical play: eddies, flows, bifurcations, feedback loops, mixing, and, of course, the most interesting feature of all, turbulence. (Weissert 1991: 224)

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Der Begriff ,Chaostheorie' wird allerdings in der Chaostheorie selbst kaum benutzt, zumindest nicht ohne eine weitere Qualifizierung. Die Mathematiker sprechen meist von nicht-linearer Dynamik oder von ,deterministic chaos', unter anderem auch um den A m bivalenzen des Begriffes durch seinen Gebrauch in den unterschiedlichsten Zusammenhängen auszuweichen (vgl. Weingart und Maasen 1997: 466, Fn. 11). Ich werde den Begriff der Chaostheorie beibehalten, u. a. aus Gründen der Lesbarkeit.

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Man könnte hier von einer Art analogical fallacy sprechen; d. h., die Tatsache, daß eine Analogie, Metapher oder Allegorie ein Stück weit tragen, kann nicht als Ausgangspunkt dafür genutzt werden, sie auch über den ausgewählten und notwendigerweise begrenzten Rahmen hinauszuführen. Hier wird die Welt in einem recht banalen Sinne durch die Wörter erschaffen, bzw. die Literaturkritik vollzieht bewußt noch einmal, was als postmodernes Schlagwort fast ein Klischee geworden ist, daß es keine Kritiker, sondern nur noch Autoren gibt. Damit gibt sie allerdings auch das kritische Verhältnis zu ihrem Gegenstand auf; gewissermaßen trifft auf sie dadurch die Beschreibung zu, durch die Roland Barthes den scheinbaren' Gegensatz zwischen wissenschaftlicher und literarischer Sprache faßt; d.h., im Gegensatz zur vorgeblich referentiellen Sprache der Wissenschaft ist die literarische hauptsächlich mit sich selbst und mit den eigenen Möglichkeiten beschäftigt (vgl. Barthes 1967: 897). Innerhalb einer Untersuchung des Verhältnisses von Naturwissenschaft und Literatur gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Referenzbereich zwischen den beiden Polen zu definieren. Ausgangspunkt ist das Verhältnis des Wissenschaftlers zu seinem Untersuchungsgegenstand, das heißt die wissenschaftliche Theorie oder Hypothese über eine externe Realität. Innerhalb einer realistischen Literatur wäre es denkbar, als analoges Phänomen den literarischen Text in seiner mimetischen Funktion als eine Darstellung externer Realität zu fassen und damit den Autor als Äquivalent des Wissenschaftlers zu begreifen. Dieser Gedanke liegt vermutlich dem Satz von Barrow zugrunde, „no non-poetic account of reality can be complete" (Barrow 1992: 210). In diesem Kontext werden immer wieder einige Momente hervorgehoben, bei denen eine Ähnlichkeit zwischen naturwissenschaftlichen Konzepten und Phänomenen der neueren oder auch nicht so neuen Literatur diagnostiziert wird. Dazu gehört das Prinzip der Selbstreflexivität, wie es sich einerseits in Barthes Beschreibung der literarischen Sprache und andererseits in sozial-konstruktivistischen Konzepten zur wissenschaftlichen Forschung finden läßt (s.o.), aber auch das Verschwinden eines privilegierten Standpunktes in der Relativitätstheorie und in der modernen (oder postmodernen) Narrativik. Die Untersuchung von Analogien zwischen literarischen Werken und theoretischen Positionen innerhalb der Naturwissenschaften wirft allerdings auch einige Probleme auf. David Topper hat auf die sogenaxmteparallel fallacy aufmerksam gemacht, d. h. auf die Notwendigkeit einer Trennung zwischen dem individuellen Werk des wissenschaftlichen Autors (Newtons Principia oder Darwins The Origin of Species), das mit dem künstlerischen Werk eines Schriftstellers zu vergleichen ist, und der daraus 18

folgenden Theorie (der klassischen Mechanik oder der Evolutionslehre), deren Entwicklung mit großer Wahrscheinlichkeit auch ohne die Mitwirkung des jeweiligen Wissenschaftlers erfolgt wäre (vgl. Topper 1990). Topper weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die ,Urtexte' einer Theorie gewöhnlich wenig Ähnlichkeit mit der Form haben, in der diese Theorie in späteren Lehrbüchern vermittelt wird. Individuelle Charakteristika, die sich im Stil des jeweiligen Autors, in der Auswahl von Modellen und Beispielen oder in den Argumentationsstrukturen niederschlagen, werden dabei gelöscht; die Theorie wird durch spätere Forschungsergebnisse ergänzt, von möglichen Fehlern gereinigt und damit entindividualisiert. Der Einfluß von wissenschaftsexternen Momenten wird dadurch weitgehend unkenntlich, auch wenn er in den,Urtexten' durchaus feststellbar gewesen sein mag, wie es Gillian Beer für Darwin nachgewiesen hat. In einem weiteren Schritt tritt die Literatur an die Stelle der externen Realität, 25 als analoge Phänomene stehen sich nun Naturwissenschaft und Literaturwissenschaft gegenüber (vgl. Levine 1987: 5). In diesen Zusammenhang gehören z.B. die unterschiedlichen oder auch vergleichbaren theoretischen Zugänge zum eigenen Untersuchungsgegenstand (wesentliche Themen sind dabei z.B. die Rhetorik und Narrativik theoretischer Texte), Entwicklungen wie der Verlust des,Referenten' in der Semiotik und der Hochenergiephysik oder das spezielle Verhältnis zwischen Beobachter und Beobachtungsobjekt, wie es sich in der Quantentheorie und möglicherweise in ähnlicher Form in der Rezeptionsästhetik feststellen läßt. Als dritte Möglichkeit, die sich schon in dem Begriff der Rezeption ankündigt, erscheint der Leser als analoge Figur zum Wissenschaftler, ein Aspekt, der speziell in den Untersuchungen zur Informationstheorie, zur Komplexität und zum Verhältnis von Chaos und Ordnung thematisiert wird. Der Begriff der Komplexität ist in diesem Zusammenhang zu einem Schlüsselbegriff geworden; der Vergleich zwischen physikalischen Theorien zum Verhalten komplexer Systeme und der Genese von Bedeutung innerhalb komplexer Texte gewinnt dabei allerdings eine Art Allgemeingültigkeit, die einer Aussage über individuelle Texte entgegenläuft. Das Problem liegt in der Bestimmung dessen, was einen komplexen Text konstituiert. Stanley Fish hat dargelegt, daß jede sprachliche Äußerung oder Information, ganz gleich wie banal oder zufällig sie auch sein mag, komplexe Eigenschaften annimmt, sobald sie als Literatur zur Interpretation

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Colimi schreibt dementsprechend in seinem Vorwort zu Snows The Two Cultures, „it has to be recognized that it is criticism, not literature, that corresponds to science (literature, strictly speaking, corresponds to nature, the subject-matter of study)" (Collini 1993: Iii).

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freigegeben wird (vgl. Fish 1980: 322-337). 2 6 Pounds Feststellung, „Great Literature is simply language charged with meaning to the utmost possible degree" (Pound 1954: 23), und Ricoeurs rezeptionsästhetisches Korrelat („Alle Konnotationen, die passen, müssen einbezogen werden; das Gedicht bedeutet alles, was es bedeuten kann", Ricoeur 1983: 368) können dabei als legitimierende Rückendeckung herangezogen werden, und der interpretatorische Eifer, der selbst einfache Texte zu intrikaten Meisterwerken erhebt, könnte durchaus als Parallele zu dem energetischen Ungleichgewicht herangezogen werden, das in hoch-dissipativen komplexen Systemen herrscht und dort zu Formen von spontaner Selbstorganisation führt. Indem jegliche sprachliche Äußerung durch den Verweis auf ihre Rhetorizität dekonstruierbar wird und sich als komplexes System interagierender Diskurse begreifen läßt, verliert die Diskussion einzelner Texte zumindest teilweise ihre spezifische Aussagekraft, und der Begriff der Komplexität wird zu einem Passepartout. Dieses Phänomen wird noch dadurch verstärkt, daß auch komplexe physikalische Systeme in Hinsicht auf ihren Informationsgehalt untersucht werden können. Die Verbindung der Thermodynamik mit der Informationstheorie durch Shannon und Weaver hatte schon in den vierziger Jahren den Weg für diesen Ansatz geebnet; durch die Auseinandersetzung mit der Chaostheorie hat sich hier ein Aufschwung eingestellt, der m.E. eher die grundsätzliche Funktionstüchtigkeit dieses Vorgehens bestätigt, als daß er heuristische Aussagen über einzelne Texte hervorbringt. Es läßt sich wohl kaum vermeiden, daß bei dem Vergleich zwischen komplexen Informationssystemen Parallelen erkennbar werden, die hier allerdings eher aus dem spezifischen Blickwinkel folgen als aus einer inhärenten Verwandtschaft der Untersuchungsgegenstände. Da einige der Autoren, die dieses Thema bearbeitet haben, konstruktivistischen Konzepten nahestehen und paradigmatisch von der sozialen und sprachlichen Bedingtheit wissenschaftlicher Tatsachen ausgehen, ist die Trennung der wissenschaftlichen Texte von den literarischen schon im Ansatz in Frage gestellt; die Analyse bestätigt in diesem Fall fast zwangsweise die Prämissen. Es ist hier nicht meine Absicht, einen wichtigen und nützlichen Ansatz grundsätzlich zu kritisieren. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die Verbindung verschiedener Konzepte und Ansätze im Kontext der Auseinan16

Murphy's Law schreibt vor: „All systems are infinitely complex" (Bloch 1990: 154). Als Ergänzung möchte ich den Satz anfügen: „If you stare at a simple system long enough, it will become complex."

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dersetzung zwischen Naturwissenschaft und Literatur keinesfalls unproblematisch ist und gelegentlich zu Zirkelschlüssen führen kann. Mit diesen Vorüberlegungen wäre das Feld des Arbeitsbereichs ,science and literature' abgesteckt. Gleichzeitig ist wohl auch deutlich geworden, daß in den Jahrzehnten, die vergangen sind, seit Snow eine unüberbrückbare Kluft zwischen den Bereichen konstatiert hatte, das Interesse der Geisteswissenschaftler an den Naturwissenschaften zwar zugenommen hat, daß dieses Interesse aber auch zu einer neuen Form der Feindseligkeit geführt hat. Die Auseinandersetzungen in den ,science wars', die den putativen Wahrheitsgehalt wissenschaftlicher Aussagen, die soziale Abhängigkeit der Naturwissenschaften und der in ihnen untersuchten Phänomene oder auch àie peer evaluation zum Inhalt haben, wurden aus dem Bereich der Wissenschaftsgeschichte und der Wissenschaftssoziologie in die Diskussion der Literaturwissenschaft übernommen und wirken dort gemeinsam mit Untersuchungen zur Rhetorik als Munition im gegenwärtigen Gefecht zwischen den beiden Kulturen, die doch letztlich immer wieder darauf beharren, Teile ein und derselben Kultur zu sein. Die vorliegende Arbeit hat nicht die Absicht, diese Art der Feindseligkeit aufzugreifen oder fortzusetzen. Nichtsdestotrotz soll eine Kritik der wichtigsten Positionen am Anfang stehen, d. h. eine Analyse der Argumentationen, die in der literaturwissenschaftlichen Diskussion auftauchen. Dabei wird nicht nur das kritische Potential der jeweiligen Untersuchung zu beachten sein, sondern auch die Frage, inwieweit wissenschaftshistorische oder -soziologische Positionen unhinterfragt übernommen oder auch radikalisiert werden. Speziell in der Diskussion um Thomas S. Kuhns ,Struktur wissenschaftlicher Revolutionen' läßt sich z.B. feststellen, daß die relativistischen Momente überbetont werden, während seine Überlegungen zum Fortschritt in den Wissenschaften eher beiläufig behandelt werden. Im Vordergrund des ersten Teiles dieser Arbeit soll allerdings, wie schon erwähnt, ein Aspekt des Themenkomplexes stehen, der nicht nur aus externen Diskussionen assimiliert wurde, sondern tatsächlich zum ureigensten Arbeitsbereich der Literaturkritik gehört, d. h. die Frage nach der Sprache und Rhetorik in wissenschaftlichen Texten. Der zweite Teil der Arbeit ist dann der Literatur gewidmet und damit einer Kritik der Wissenschaften, die, wie es Levine formulierte, weder ,alarmist' noch ,sentimentalist' ist. Dabei soll u. a. deutlich gemacht werden, daß ein direkter Einfluß zwischen wissenschaftlichen und literarischen Texten trotz aller Angriffe auf dieses Modell keinesfalls auszuschließen oder auch herabzuwürdigen ist. Es kann nicht sinnvoll sein, 21

sich einem solchen Einfluß zu verschließen und, der vorgeschriebenen kritischen Korrektheit entsprechend, ausschließlich auf einem ausgewogenen, aber durch seine Komplexität kaum nachvollziehbaren Verhältnis der Diskurse zu beharren. Ganz gleich, wie verflochten die Diskurse innerhalb einer Kultur sein mögen, neben dieser Wechselwirkung gibt es auch noch die bewußte Aufnahme wissenschaftlicher Themen und Theorien in literarische Texte und, wenn auch in geringerem Maße, einen zweckgerichteten Rekurs auf kulturelle oder auch literarische Momente in der Wissenschaft. Romantitel wie White Noise (Don DeLillo), Time's Arrow (Martin Amis) und The Periodic Table (Il sistema periodico, Primo Levi), Kurzgeschichten wie „Entropy" (Thomas Pynchon) oder Kapitelüberschriften wie „The Uncertainty Principle" (First Light, Peter Ackroyd) sind unmißverständliche Anzeichen dafür, daß hier ein direkter Bezug zur Naturwissenschaft vorliegt. Das Gleiche gilt für Ian McEwans Feststellung, sein Roman The Child in Time sei David Böhms Wholeness and Intricate Order verpflichtet. Michel Serres schreibt in einem seiner Artikel: If scientific theories and results predate the literary work under consideration, which is the usual and uninteresting case - a case of latterliness - the one imitates or copies the other, quite simply. [...] All cases in which science comes after a literary work are interesting - they give a different perspective on socalled imaginative works. (Serres 1989: 6f.)

Eben diese derzeit gängige, aber meiner Meinung nach allzu vereinfachende Einordnung soll hier in Frage gestellt werden, da sie wesentliche Aspekte der literarischen Arbeit verfehlt. Auch eine Literatur, die von wissenschaftlichen Ideen, Modellen und Konzepten beeinflußt ist, nimmt dadurch noch nicht unbedingt den niederen Rang eines Erfüllungsgehilfen ein, und in den betreffenden Texten werden die wissenschaftlichen Konzepte und Ergebnisse keinesfalls nur imitiert oder kopiert. An den von mir ausgewählten Texten wird sich zeigen lassen, daß der Einfluß der Wissenschaft nicht zu einem Abhängigkeitsverhältnis, sondern eher zu einer Diskussion führt, daß die assimilierte Wissenschaft weitgehend ästhetischen Interessen angepaßt und zu ihren Diensten herangezogen wird und daß sie dabei durch die Uberdeterminierung, die literarische Texte auszeichnet, auch häufig in themenübergreifenden Kontexten wirksam wird, die nur bedingt mit Naturwissenschaft zu tun haben. Bei der Untersuchung stehen drei Wissenschaftsrichtungen im Vordergrund, die Quantentheorie, die Chaostheorie und die Evolutionstheorie. Es ist wahrscheinlich nicht notwendig, hier die Relevanz der genannten Wissenschaftszweige zu belegen. Die Rolle, die die Quantentheorie ge22

meinsam mit der Relativitätstheorie in den letzten hundert Jahren gespielt hat, ist kaum zu übersehen. Es wird zu untersuchen sein, wie sich die teilweise bizarren Prinzipien in der Literatur niedergeschlagen haben und wie sie für ästhetische Zwecke nutzbar gemacht werden konnten. Die Bedeutung der Chaostheorie in der gegenwärtigen Wissenschaftsdiskussion ist ebenfalls kaum zu unterschätzen. In meinen eigentlichen Untersuchungen literarischer Texte werden die Chaostheorie und die damit eng verbundene Thermodynamik allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen. Der Grund dafür liegt zum einen darin, daß Peter Freese mit From Apocalypse to Entropy and Beyond für die amerikanische Literatur eine umfassende Untersuchung von Entropie und Chaostheorie als literarischen Metaphern vorgelegt hat, mit der ich zwar nicht in allen Punkten übereinstimme (vgl. Vanderbeke 1998b, ich werde darauf noch genauer eingehen), die aber in ihrer Darstellung der naturwissenschaftlichen Konzepte für den literaturwissenschaftlichen Bereich unübertroffen ist. Künftige Untersuchungen zu diesem Thema werden sich daran messen lassen müssen, ob sie dem Niveau von Freeses Arbeit gerecht werden und seiner Forderung nach einer besseren Kenntnis der betreffenden Theorien als sine qua non jeder literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung nachgekommen sind. Eine Neuauflage und Ergänzung für den Bereich der außeramerikanischen Literatur erscheint mir daher als überflüssig - zumal Freeses Buch auch ein Kapitel über einen der wichtigsten englischen Texte, Tom Stoppards Arcadia, enthält. Zum anderen habe ich selbst in den letzten Jahren einige Artikel zum Thema der Thermodynamik - und in geringerem Umfang auch der Chaostheorie - und ihrer literarischen Umsetzung bei Thomas Pynchon geschrieben (vgl. Vanderbeke 1994, 1996, 2001), so daß mir eine Wiederholung der darin vertretenen Thesen hier nicht als sinnvoll erscheint. Ich werde aber dort auf die beiden Bereiche eingehen, wo sie eine wesentliche Rolle spielen. Die Bedeutung der Evolutionstheorie innerhalb der Wissenschaftsdiskussion hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen und dazu beigetragen, daß die Biologie inzwischen häufig als neue Leitwissenschaft angesehen wird. In der Literatur spielte und spielt der Darwinismus eine nicht unerhebliche Rolle (vgl. Beer 1985; Levine 1988; Schnackertz 1992; die Liste ließe sich fortsetzen) - John Fowles, The French Lieutenant's Woman und Kurt Vonneguts Galápagos sind dabei nur die bekanntesten neueren Beispiele.27 Auch in der Literaturkritik und in der Diskussion 27

Diese beiden Romane sind allerdings in der Sekundärliteratur bereits ausführlich untersucht "worden. Ich ziehe es daher vor, für meine Arbeit auf Texte zurückzugreifen, die einerseits noch nicht umfassend analysiert wurden und bei denen andererseits neben der

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um ,literature and science' spielt die Diskussion um die Evolutionstheorie eine nicht unerhebliche Rolle, was auch dadurch gefördert wird, daß dieses Thema mit Stephen Jay Gould und Richard Dawkins zwei bekannte, wenn auch konträre und streitbare Vermittler gefunden hat, deren populärwissenschaftliche Publikationen regelmäßig auf den Bestsellerlisten für Sachbücher auftauchen. 28 Die Evolutionstheorie wurde in den letzten Jahrzehnten auch immer wieder als ein Modell für die Wissenschaftsgeschichte herangezogen (u. a. von Toulmin 1967, Holton 1987, Knorr-Cetina 1981: ioff., Kuhn 1991: 1 8 3 ! , McRae 1993, Mayr 2000:i4iff.); die Schlußfolgerungen, die dabei für die Entwicklung der Wissenschaften gezogen wurden, entsprachen ziemlich genau den Konzepten, die in der Evolutionstheorie zu verzeichnen waren. Es könnte sich hier durchaus um ein Beispiel dafür handeln, daß ein gegenseitiger Austausch zwischen naturwissenschaftlichen Konzepten und historischen Überlegungen stattgefunden hat, bei dem der Ursprung keinesfalls eindeutig in den Naturwissenschaften auszumachen ist. In meiner Arbeit werden damit zwei Hauptstränge verfolgt. Im ersten Teil richtet sich der Blick auf die Naturwissenschaften und besonders auf das Bild, das von ihnen im Umfeld des Arbeitsbereiches ,literature and science' vornehmlich entworfen wird. Dabei werden zunächst die verschiedenen konstruktivistischen Ansätze, die in der Diskussion eine teilweise erhebliche Rolle spielen, vorgestellt und einer kritischen Überprüfung unterzogen. Im Vordergrund steht dann die Frage, welche Rolle die Rhetorik und auch die Literaturwissenschaft für die Naturwissenschaften und die Beurteilung der dort vorliegenden Texte spielen können. Dazu gehört auch das Problem, welche mögliche Bedeutung formalen Kriterien bei der Ausbreitung und Akzeptanz der jeweiligen Konzepte und Theo-

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allgemeinen Evolutionstheorie auch die gegenwärtige Diskussion um mögliche Konsequenzen des Darwinismus eine Rolle spielt. In diesem Zusammenhang wird auch die Kontroverse um die Soziobiologie angesprochen werden. Ich möchte schon an dieser Stelle festhalten, daß meine Ausführungen dazu nicht Partei ergreifen. Ich halte es allerdings für notwendig, einer Forschungsrichtung, die sich - vielleicht anmaßend - mit möglichen genetischen Dispositionen für komplexe menschliche Verhaltensweisen bis hin zu ästhetischem Empfinden und künstlerischen Äußerungen beschäftigt, ein wachsames Interesse entgegenzubringen und nicht nur eine gelegentlich rein politisch motivierte Ablehnung. Robert Wright schreibt über die Reaktionen auf Wilsons kontroverses Buch Sociobiology: The New Synthesis: „Wilson's book drew so much fire, provoked so many charges of malign political intent, so much caricature of sociobiology's substance, that the word became tainted" (Wright 1995: 6). Auch Ernst Mayr verweist im Kontext dieser Kontroverse auf „politisch motivierte Gegner" (Mayr 2000: 2.66).

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ríen zukommt und, daraus folgend, welche Möglichkeiten sich für eine Interdisziplinarität jenseits der gegenwärtig herrschenden Kontroversen bieten. Im zweiten Teil werden nach einer Aufarbeitung und Kritik der derzeit hauptsächlich vertretenen theoretischen Positionen die Bedeutung naturwissenschaftlicher Konzepte und ihre Umsetzung in literarischen Texten analysiert. Diese Zweigleisigkeit führt notwendigerweise dazu, daß manche Themen mehrfach angesprochen werden; Wiederholungen sind dabei unvermeidbar. Ich bitte hier um Nachsicht.

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I. DIE NATURWISSENSCHAFTEN UNTER GEISTESWISSENSCHAFTLICHER PERSPEKTIVE

ι. Theoretische Welten und ihre Erzeugung Ich habe schon in der Einleitung darauf hingewiesen, daß das Verhältnis zwischen den Naturwissenschaften und einigen Vertretern der Forschungsrichtungen, die sich kritisch mit den historischen, soziologischen, kognitiven und sprachlichen Bedingungen jeglicher Erkenntnis beschäftigen, alles andere als unbelastet ist. Der Begriff der ,science wars', der in den letzten Jahren die Publikationen durchzieht, macht deutlich, daß sich die Diskussion verschärft hat und zunehmend unnachgiebig zwischen den Lagern ausgefochten wird. Zu den Angriffspunkten, die von Seiten der Wissenschaftstheorie und -Soziologie sowie auch von Teilen der Literaturkritik gegen den wissenschaftlichen Diskurs angeführt werden, gehören dabei die ,truth claims of science'; der Vorwurf zielt auf die implizite oder explizite Annahme, Wissenschaftler reklamierten für ihre Aussagen einen Wahrheitsanspruch oder zumindest die asymptotische Annäherung an eine absolute Wahrheit. Publikationen - meist populärwissenschaftlicher Art - , die die Suche nach einer ,theory of everything' oder einer ,final theory', zum Thema haben (vgl. z.B. Barrow 1992, Weinberg 1993, Hawking 1993), sind ebenso geeignet, diesen Angriff zu stützen, wie Aussagen von Wissenschaftlern, die sich auf die Beherrschung und Manipulation der Natur beziehen. Allerdings behaupten auch diejenigen Naturwissenschaftler, die sich mit erkenntnistheoretischen Problemen auseinandersetzen, keine absolute Korrespondenz zwischen Theorie und Realität. John Bell schreibt z.B. über die möglichen Weltmodelle, die sich aus den unterschiedlichen quantenphysikalischen Theorien ergeben könnten: „To what extent are these possible worlds fictions? They are like literary fictions in that they are free inventions of the human mind" (Bell 1988: 194). 1 Der Gedanke, daß wissenschaftliche Arbeit einer Wahrheitsfindung dient, ist zwar ein wesentlicher Faktor für die Praktiker, die rapiden Veränderungen in den 1

Weitere Zitate, in denen Wissenschaftler den absoluten Wahrheitsanspruch der Wissenschaft relativieren, werden noch an verschiedenen Stellen dieser Arbeit auftauchen.

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theoretischen Entwicklungen weisen aber darauf hin, daß Erwartungen, gegenwärtige Konzeptionen könnten sich als endgültig richtig erweisen, kaum erfüllt werden können. Die Frage nach einem Zugang zur Wahrheit, d. h. danach, ob es überhaupt möglich sein kann, das Denken und die Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen, durchzieht die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte mit unterschiedlicher Akzentuierung, seit Protagoras eine frühe Form des ,anything goes' eingeführt und gelehrt hatte, „es seien sämtliche Vorstellungen und Meinungen wahr, und die Wahrheit gehöre zu den relativen Dingen, weil alles, was ein Mensch sich vorstellt oder meint, in Hinsicht auf diesen ,auch' wirklich wahr sei" (Capelle 1968: 327). 2 In den letzten Jahrzehnten haben sich vornehmlich drei Richtungen der theoretischen Wissenschaftskritik 3 herausgebildet. Es handelt sich dabei um den radikalen Konstruktivismus, der Limitationen des geschlossenen kognitiven Systems beschreibt, den sozialen Konstruktivismus, der wissenschaftliche Ergebnisse als Folge determinierender sozialer Prozesse innerhalb des Wissenschaftsbetriebes untersucht, und die Rhetorik der Wissenschaft, die eine notwendige sprachliche Bedingtheit wissenschaftlicher Forschung und die unhintergehbare Rhetorik jeglicher Sprache als Gegenargument zu einer Objektivität und Präzision der Wissenschaftssprache anführt. Ich möchte diese Konzeptionen hier nur kurz umreißen, um dann auf einige Aspekte genauer einzugehen. Ich fühle mich allerdings nicht in der Lage oder berufen, derzeit diskutierte Konzepte aus den Kognitionswis2

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In der Literatur ist der Gedanke an eine radikal relativistische Weltsicht in einigen Texten aufgenommen und bis an seine logische und absurde Grenze geführt worden. David Gerrold beschreibt in seiner Science Fiction-Geschichte „With a Finger in M y I " eine Welt, die durch menschliche Uberzeugung hervorgebracht wird: „If enough people believe in something, it becomes reality" (Gerrold 1982: 333). Da nun neuerdings die Menschen zu viele unterschiedliche Dinge glauben, bekommt die Welt Risse und löst sich langsam auf. In Ackroyds The Plato Papers existiert die Welt gleichermaßen nur, solange die Menschen an sie glauben und sie beobachten. Nachdem einige Himmelskörper durch mangelnde Beobachtung verschwunden sind, breitet sich allgemeiner Zweifel aus, und der Prozeß beschleunigt sich noch: „Once the process had begun, it could not be halted; the onset of decay in one section of the heavens spread across he entire night sky. Since the astronomads now believed that they were responsible for what they observed, they could no longer define their objects with any confidence and certainty. And so darkness spread" (Ackroyd 2000: 49). Daß es sich in beiden Fällen um eine satirische Darstellung handelt, ist wohl offensichtlich. Damit soll eine Abgrenzung zu den Richtungen der Wissenschaftskritik hergestellt werden, die sich mit eher praktischen Auswirkungen und Bedrohungen, z.B. durch Nukleartechnologie oder Genmanipulationen, beschäftigen. Zur allgemeinen Wissenschaftsfeindlichkeit siehe Holtons Ausführungen zum ,„Anti-science' phenomenon" (Holton 1992: 103 — 128 passim).

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senschaften oder der Neurophysiologie kompetent zu kritisieren, wobei auch festgehalten werden muß, daß diese Forschungsrichtungen selbst auf naturwissenschaftlichen Untersuchungen und den dabei gewonnenen Erkenntnissen basieren. Meine vorsichtigen Einwände zu diesem Kontext betreffen lediglich einige philosophische Schlußfolgerungen, die aus den Ergebnissen gezogen und gelegentlich im Umfeld wissenschaftskritischer Auseinandersetzungen herangezogen werden, und ich beabsichtige mit meinen Ausführungen nicht, in fremden Territorien zu wildern. Etwas anders ist die Lage bei den sozial-konstruktivistischen Konzepten und besonders bei den Vertretern des sogenannten ,strong programme of social constructivism'. Hier läßt sich vielfach eine deutlich ideologisch geprägte Perspektive feststellen, und das erklärte Ziel, die Wissenschaften und ihre Ergebnisse und Erkenntnisse ausschließlich als Folge sozialer Prozesse zu erfassen, wird gelegentlich mit Hilfe kruder Argumentationsstrategien verfolgt. Nach einer Darstellung und Kritik der diesbezüglichen Konzepte folgt dann eine Untersuchung und Kritik des Gebietes, das auch zu den Kernbereichen der Literaturwissenschaft gehört, der Rhetorik.

i . i . Der radikale Konstruktivismus Diese erkenntnistheoretische Ausrichtung basiert auf dem Gedanken, daß wir der Realität in unseren Wahrnehmungen nie direkt begegnen können. Als biologische Wesen sind wir durch die Struktur unseres Wahrnehmungssystems vorbestimmt, und dieses System kann nur zu Wahrnehmungen gereizt werden, die schon in ihm angelegt waren. Es ist gegen die Außenwelt abgeschlossen, und seine Reaktionen beruhen auf autopoietischen Konstruktionen; „bewußt wird nur das, was bereits gestaltet und geprägt ist" (Schmidt 1987: 15). Dabei ergänzen sich zwei Aspekte der systeminternen Struktur: einerseits die angeborene „neuroanatomische Grobverdrahtung" (Roth 1987: 235, kursiv im Original) des Gehirns, die durch den Evolutionsprozeß hervorgebracht wurde, andererseits die individuell erworbene mentale Disposition, die durch Erfahrungen, Erinnerungen oder Lernen, aber auch durch Verzerrungen und selektive Wahrnehmung bestimmt wird. Roth beschreibt dabei die Funktionsweise des Gehirns als die eines selbstreferentiellen Systems: „Seine neuralen Zustände sind zirkulär angeordnet, sie interagieren in unendlich rekursiver Weise miteinander" (ibid.: 241). 31

Die Konzeption eines operational geschlossenen Systems führt wohl notwendigerweise zu der Frage nach seinem Verhältnis zur externen Wirklichkeit. Unter Verweis auf Glasersfeld und dessen Begriff des „epistemischen Solipsismus" (vgl. Glasersfeld 1987: 404)4 stellt Schwegler fest, daß erst der radikale Konstruktivismus die skeptizistischen Ansätze der abendländischen Tradition konsequent zu Ende gedacht hat, „indem die subjektive Erlebniswelt des Individuums als der Platz angesehen wird, wo allein ,Erkenntnis' stattfindet; sie wird dort konstruiert und kann daher keine Erkenntnis einer objektiven realen Welt sein" (Schwegler 1992: 257). Glasersfeld selbst betont in diesem Kontext: daß der Konstruktivismus nie die Wirklichkeit - die ontische Wirklichkeit 5 verneint oder verleugnet, daß er nur sagt, daß alle meine Aussagen über diese Wirklichkeit zu hundert Prozent mein Erleben sind. Daß dieses Erleben dann zusammenstimmt, das kommt natürlich aus der Wirklichkeit. (Glasersfeld 1987: 422, kursiv im Original)

Dem Neurobiologen Antonio Damasio zufolge läßt sich zwar keine absolute Kenntnis der externen Realität nachweisen, in der Ubereinstimmung zwischen menschlichen Wahrnehmungen findet sich aber noch ein Hinweis auf eine Wirklichkeit, wenn auch auf eine, die durch die spezifische Eigenart der Spezies eingefärbt ist: While there is an external reality, what w e know of it would come through the agency of the b o d y proper in action, via representations of its perturbations. We would never k n o w h o w faithful our knowledge is to „absolute" reality. What w e need to have, and I believe we do have, is a remarkable consistency in the constructions of reality that our brains make and share. (Damasio 1998:

235) An dieser Stelle ist ein Exkurs zu einer theoretischen Position sinnvoll, die auf der Basis von Überlegungen zu entwicklungsgeschichtlichen Prozessen versucht, eine Verbindung zwischen unserer Wahrnehmung und der externen Realität zu begründen, ohne dabei zu vergessen, daß diese Verbindung letztlich unbeweisbar bleiben muß.

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Glasersfeld betont hier, daß sich epistemischer Solipsismus von der traditionellen Spielart des Solipsismus unterscheidet, ohne aber genauer darauf einzugehen. In ähnlichem Sinne schreibt Roth, daß „die von unserem Gehirn konstituierte Wirklichkeit eine soziale Wirklichkeit [ist] und keine Monade im Leibnizschen Sinne, obwohl sie in der Tat kein Fenster nach draußen hat" (Roth 1987: 254). D.h. „eine bereits strukturierte Welt, die unabhängig von irgendeinem Erlebtwerden an sich und für sich existiert" (ibid.: 401, kursiv im Original). 32

Exkurs zur evolutionären Erkenntnistheorie Die evolutionäre Erkenntnistheorie beruht auf dem Gedanken, daß die natürliche Selektion eine möglichst genaue Wahrnehmung der Realität begünstigt und daher das Uberleben derjenigen Spezies wahrscheinlich macht, deren Sinne die objektive Realität am präzisesten erfassen. Unser Erkenntnisapparat ist ein Ergebnis der Evolution. Die subjektiven Erkenntnisstrukturen passen auf die Welt, weil sie sich im Laufe der Evolution in Anpassung an diese reale Welt herausgebildet haben. Und sie stimmen mit den realen Strukturen (teilweise) überein, weil nur eine solche Übereinstimmung das Leben ermöglichte. (Vollmer 1990: 102, kursiv im Original)6 Diese Fähigkeit bleibt aber auf die Dimensionen beschränkt, in denen die jeweilige Spezies ihr natürliches Habitat hat, d.h. beim Menschen auf die mittlere Dimension des ,Mesokosmos' (vgl. ibid.: i6iff.), in der diejenigen Dinge genau wahrgenommen werden, die für das Uberleben des Menschen in der Natur von vordringlicher Bedeutung waren. Ergänzt wird diese evolutionär erworbene Erkenntnisfähigkeit potentiell von einem Erkenntnisinteresse, d. h. einer Neugier wie sie in unterschiedlicher Ausprägung auch bei verschiedenen Tierarten vorkommt - , die schließlich in ein systematisches wissenschaftliches Denken mündet und den natürlich vorgegebenen Bereich der Wahrnehmung erweitert. Damit wäre die Wissenschaft in der Lage, Dimensionen des Kleinen und Großen einzubeziehen, in denen potentiell andere Gesetze herrschen. Spätestens an dieser Stelle und wohl auch schon früher - wird die natürliche, d. h. die biologische Evolution, die eine Anpassung der Wahrnehmung an die Umwelt mit sich brachte, durch die kulturelle Evolution der Ideen ergänzt. Dies bewirkt eine Veränderung der Sprache, die nun nicht mehr nur den Erfahrungsbereich des Menschen erfaßt, sondern auch den neuen Kontexten angepaßt wird, sowie auch Formen der Selektion von Ideen, die sich ebenfalls in einer Art Evolution ,durchsetzen' müssen, um Erfolg zu haben. Eine Kritik dieses Ansatzes findet sich bei Roth (vgl. Roth 1996: 344ff.). Sein wichtigstes Gegenargument basiert auf der Überlegung, daß die natürliche Selektion in der Naturgeschichte möglicherweise nicht die ausschlaggebende Rolle spielt, die ihr ursprünglich zugewiesen wurde. Da Katastrophen wie Klimawandel oder auch der Meteoreinschlag, der vermutlich das Aussterben der Dinosaurier zur Folge hatte, immer wieder einen erheblichen Prozentsatz der existierenden Spezies vernichteten - und dabei gerade diejenigen, die an die bestehende Umwelt am besten angepaßt waren - , ließe sich schließen, daß eine Minimalausstattung im Verbindung mit weitgehender Flexibilität für das Überleben bei sich wandelnden 6

Vollmer versucht hier nicht, einen naiven Realismus zu proklamieren, nach dem unsere Sinne die Welt genau so erfassen, wie sie ist. E r zielt stattdessen auf einen ,hypothetischen Realismus' ab, der die Realität der Welt voraussetzt, aber immer nur relativ beweisbar bleibt.

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Bedingungen eher förderlich wäre als eine allzu große Spezialisierung. Zudem läßt sich, wie Roth schreibt, die Umweltselektion für die Gehirnevolution nirgendwo eindeutig nachweisen, so daß ein Argument, das auf diesem Prinzip basiert, von unbewiesenen Voraussetzungen ausgeht (vgl. Roth 1996: 348)/ Dabei wird jedoch ein Argument der evolutionären Erkenntnistheorie überzeichnet und ein Uberlebensvorteil zu einer Überlebensbedingung umdefiniert. Roth schreibt: „Die EE [evolutionäre Erkenntnistheorie] nimmt daher fälschlicherweise an, der Mensch könne nur dann überleben, wenn die kognitiven Prinzipien des Menschen den Merkmalen der objektiven Welt zumindest in wesentlichen Punkten entsprechen" (Roth 1996: 348). Diese Annahme wäre tatsächlich falsch, aber sie verfehlt auch das Grundprinzip der Evolution. Natürlich kann das Überleben irgendeiner Spezies nicht prinzipiell an eine ,objektive' Welterkenntnis gebunden sein, sonst müßte diese von Anfang an vorhanden gewesen sein. Zudem ist der Mensch von seiner Wahrnehmungsleistung her ganz sicher nicht der Gipfel der Schöpfung, und die Existenz von zahllosen Lebensformen, die ohne komplizierte Sinnesorgane sehr erfolgreich sind, widerspricht dem Gedanken, daß eine genaue Wahrnehmung das sine qua non des evolutionären Überlebens darstellt (vgl. Roth 1996: 78f.). Allerdings bleiben die Tierarten, die keine oder wenige komplexe Sinnesorgane aufweisen, auf eine sehr geringe Größe oder auf klar definierte ökologische Nischen beschränkt. Ab einer gewissen Größe, die noch deutlich unter der des Menschen liegt, gibt es kaum Lebewesen, die nicht mit verschiedenen hochentwickelten Organen zur Wahrnehmung der für sie relevanten Umwelt ausgestattet wären. Es läßt sich daher zumindest vermuten, daß eine zunehmend genaue Erfassung der relevanten Aspekte der Realität Überlebensvorteile mit sich bringt, so daß eine Entwicklung in Richtung auf eine immer präzisere Wahrnehmung dieser Bereiche anzunehmen ist. Auch das Argument, daß Katastrophen in der Naturgeschichte eine wesentlichere Rolle spielten, als durch den Neodarwinismus und seine hauptsächliche Orientierung an der Umweltselektion als determinierender Kraft angenommen wurde, ist problematisch. Zwischen den Naturkatastrophen, die Massenaussterben zur Folge hatten, lagen immer noch so gigantische Zeiträume,8 daß die natürliche

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In seinem gemeinsam mit Wulliman verfaßten Artikel, auf den Roth hier verweist, nehmen die Autoren aus ,Befangenheitsgründen' die Art Homo Sapiens bei der Frage aus, ob zur Zunahme der relativen Hirngröße und der morphologischen Komplexität „bei den bisher untersuchten Gruppen ein eindeutiger Zusammenhang mit Lebensweise, Verhaltenskomplexität und kognitiven Leistungen nachzuweisen wäre" (Roth und Wullimann 1996: 28). Allerdings ist die Wahrnehmung, die in der Evolution einen Vorteil ermöglichen soll, beim Menschen tatsächlich nicht besser ausgeprägt als bei vielen Tierarten. Umbrüche, die Massenaussterben zur Folge hatten, fanden am Ende des Ordovizium, des Devon, des Perm, des Trias und der Kreidezeit statt, also vor ca. 440, 360, 250, 213 und 65 Mio. Jahren (vgl. Ward 1993: 2éff.). Jack Sepkosi hat zwischen den fünf Großkatastrophen, bei denen jeweils mindestens die Hälfte der damals lebenden Arten verschwand, auch ,kleinere' Massenaussterben in einem Zyklus von 26 Mio. Jahren nachgewiesen, wobei aber die kleinsten dieser Aussterbephasen nur durch umfangreiche Untersuchungen

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Selektion überaus komplexe Entwicklungen hervorbringen könnte und die Entwicklung zu einer adäquaten Wahrnehmung keinesfalls ausgeschlossen wäre. Zudem wurde in den letzten Massenaussterbephasen die Uhr der Hirnevolution nie wieder ganz zurückgestellt. Die Säuger, die während der Saurierzeit lebten, d.h. die Vorfahren der künftigen Säugetiere, waren wohl zumeist nachtaktive Insektenfresser (vgl. Norman 1994: 182), was nahelegt, daß ihr Wahrnehmungsapparat sehr gut entwickelt war. Geht man darüber hinaus davon aus, daß für die Gehirnevolution vom Australopithecus bis zur Gegenwart kaum mehr als drei Mio. Jahre zur Verfügung standen, so läßt sich daraus schließen, daß eine evolutionäre Erkenntnistheorie nicht notwendig im Widerspruch zu regelmäßigen Massenaussterbephasen steht. Und schließlich stellt sich die Frage, was mit Spezialisierung genau gemeint ist und ob eine möglichst präzise Wahrnehmung relevanter Umweltbereiche unter die hinderlichen Aspekte dieser Spezialisierung zu rechnen sind. Wenn wir Spezialisierung mit einer möglichst genauen Anpassung an vorgegebene ökologische Nischen gleichsetzen, so bedeutet jede grundlegende Veränderung in der Umwelt tatsächlich, daß eine Vielzahl solcher Nischen vermutlich verschwindet und die Spezies, die sich nicht kurzfristig an die neuen Bedingung anpassen können, aussterben werden. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob nicht eine funktionsfähige Wahrnehmung der Flexibilität zugute kommt. Roth erwähnt als Bereiche, für die Minimalbedingungen gewährleistet sein müssen, Nahrungserwerb, Flucht, Reproduktion und Stoffwechsel (vgl. Roth 1996: 347). Sowohl für die Erschließung neuer Nahrungsquellen als auch für das Erkennen von Gefahren ist eine präzise Wahrnehmung der Umwelt zumindest hilfreich, wenn nicht ausschlaggebend. Nun kann natürlich keine Gleichsetzung von Wahrnehmung und Erkenntnis vorgenommen werden. Wahrnehmung kann immer nur die Vorstufe von Erkenntnis sein,9 und Instinktreaktionen im Tierreich - wie wohl auch beim Menschen 10 - zeigen, daß auch die präziseste Wahrnehmung keineswegs erkenntnisträchtig sein muß. Neben der Wahrnehmung ist ein Mindestmaß an Stabilisierung und Systematisierung notwendig, um die Verbindung von Prozeß und Ergebnis zu bewirken, die der Begriff der Erkenntnis beinhaltet. Jeder eine dieser Aspekte unterliegt nun potentiell wieder der Kritik, daß sich in ihm nicht die objektive Realität widerspiegelt, daß die Strukturen und Systematisierungen menschliche Konstrukte sind bzw. daß die Stabilisierung in Erinnerung oder Speichermedien notwendigerweise nur ungenau oder verfälschend sein kann. Gleichzeitig bedeutet aber gerade diese Kritik gemeinsam mit dem Nachweis ihrer Berechtigung durch die Aufdeckung subjektiver Bedingtheiten oder Verfälschungen auch selbst wieder eine Form der Erkenntnis, d. h., Erkenntniskritik ist selbst von dem, was sie kriti-

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von dem normalen Hintergrundaussterben zu unterscheiden waren (vgl. Gould 1995: i 8 j f . und 355). Die Frage, inwieweit Erkenntnis aus dem Subjekt heraus, d.h. ohne eine Form der Wahrnehmung, möglich ist, hat hier keine Bedeutung und wird daher nicht erörtert. Vgl. dazu Damasios Darstellung der Primäremotionen (Damasio 1998: 13 iff.).

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siert, nicht zu trennen. 11 Innerhalb der Evolution von Erkenntnis stellt die selbstreflexive Kritik einen wesentlichen Fortschritt dar. In diesem Sinne kann Roth „als neurobiologischer Konstruktivist durchaus mit Hilfe empirischer Evidenzen zeigen, daß ein erkenntnistheoretischer Realismus nicht gerechtfertigt ist" (Roth 1996: 353), ohne dabei in seiner Argumentation selbst in eine Selbstwidersprüchlichkeit zu geraten. Allerdings bezieht sich dies dann nur auf einen Realismus, der eine objektive Erkennbarkeit der Realität proklamiert. Eine hypothetische Erkenntnistheorie ist davon nicht betroffen, da diese eben keine absoluten Erkenntnisse annimmt, sondern davon ausgeht, daß die Ubereinstimmung unserer Erkenntnisse mit der Realität letztlich immer unbeweisbar bleiben muß. Die Frage nach der Beweisbarkeit scheint mir hier ein wesentlicher Faktor zu sein. Sowohl die von Vollmer vorgeschlagene evolutionäre Erkenntnistheorie wie auch die von Roth vertretene Form des Konstruktivismus gehen von der Existenz einer bewußtseinsunabhängigen Realität aus, und in beiden Ansätzen bleibt diese Realität insoweit unerreichbar, als eine Übereinstimmung unserer Aussagen mit ihr unbeweisbar bleiben muß. Der Unterschied liegt darin, wie diese Situation zu bewerten ist. Vollmer schließt aus der Existenz der externen Realität, daß es auch möglich sein muß, wahre Aussagen zu treffen, auch wenn diese nie letztgültig als solche erkannt werden können (vgl. Vollmer 1990: 3if.). Roth schreibt zwar, daß es auf der Grundlage der Realitätsannahme sinnvoll sein kann, sich über die Beschaffenheit dieser Realität Gedanken zu machen, um die Phänomene der eigenen Wirklichkeit besser erklären zu können, solange man für die Ergebnisse keine objektive Gültigkeit beansprucht. Er verwirft jedoch den hypothetischen Gedanken, daß objektive Aussagen möglich, wenn auch unbeweisbar sein könnten, mit der Frage, welchen Nutzen eine solche Annahme mit sich bringen könnte, und mit einem weiteren Verweis darauf, daß wir nicht besagen können, wie eine solche Aussage ausgedrückt werden sollte (vgl. Roth 1996: 357 und 359). Dagegen ließe sich allerdings auch die Frage stellen, ob die Nicht-Beweisbarkeit einer objektiven Wahrheit selbst schon als Gegenbeweis ihrer Möglichkeit gelten kann, d. h. implizit auch, ob es nicht sinnvoll wäre, in Fällen grundsätzlicher Unbeweisbarkeit diese zwar hinzunehmen, aber dabei doch der Plausibilität von Erklärungen eine wesentlichere Bedeutung zuzugestehen. Zumindest ist aber auch bei Roth eine Korrelation zwischen den Überlegungen zur bewußtseinsunabhängigen Realität und den besseren Erklärungen einer immer nur eigenen Wirklichkeit zu konstatieren, so daß unter der Annahme einer intersubjektiven Konsistenz der Ergebnisse dann auch von gesichertem Wissen gesprochen werden kann (vgl. ibid.: 357).

Die in der evolutionären Erkenntnistheorie vertretene Zwischenposition, die eine externe Realität voraussetzt und ein Verhältnis zu ihr als proble11

Ich spreche hier selbstverständlich von einer sachlichen Erkenntniskritik und nicht von einem ,anything goes'-Relativismus, wie er selbst von Feyerabend als seinem vermeintlichen Begründer verworfen wurde.

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matisch, aber doch gegeben sieht, wird im radikalen Konstruktivismus verworfen. Varela und Thompson kritisieren in ähnlicher Weise wie Roth den Versuch, Kognition als Resultat einer optimierenden Anpassung an die Umwelt zu verstehen (vgl. Varela und Thompson 1992: 264-74). An anderer Stelle definieren sie den naiven Realismus, der ihrer eigenen Sicht entgegengesetzt ist, als die Überzeugung, „die Welt existiere unabhängig vom Geist oder von der Kognition, und alles sei genau so, wie es uns erscheint" (ibid.: 34). Dabei stellt sich allerdings die Frage, welche Funktion das ,und' in diesem Satzzusammenhang hat. Verbindet es zwei Aussagen, die von den Autoren gleichermaßen verneint werden, so ist deren These sehr weitreichend und verneint sehr wohl die Existenz einer unabhängigen Wirklichkeit; steht das ,und' aber für eine Verknüpfung zwischen zwei Aussagen, die nur in Verbindung verneint werden, so reicht schon ein Widerspruch gegen den zweiten Teil der Proposition für eine Ablehnung des Gesamtgedankens. Dann wäre aber diese grammatische Konstruktion nicht unbedingt notwendig gewesen, denn die naiv realistische Sicht ließe sich wesentlich präziser formulieren als die Überzeugung, ,die unabhängig existierende Welt erscheine uns genau so, wie sie ist'. Damit wäre dann aber auch alles Provozierende oder auch nur Interessante an der Ablehnung des naiven Realismus hinfällig, denn der Gedanke, daß die Welt genau so ist, wie sie uns erscheint, wird wohl von niemandem mehr vorbehaltlos geteilt. 12 12

Die hier kritisierte rhetorische Konstruktion, durch die eine provokante Äußerung mit Hilfe einer damit verbundenen, aber weit weniger problematischen Parallelaussage abgesichert werden soll, ist in diesem Kontext häufiger anzutreffen. Sie findet sich auch fast wörtlich bei Hilary Rose, sie schreibt: „Scientists, unlike postmodernists and other ontologica! relativists, believe that there is something ,out there' and that by following the practices of science they can represent that ,thingyness' faithfully" (Rose 1996: 94, kursiv von mir). Genau diese Konstruktion parodiert Alan Sokal dann auch in seinem Text, der als ,Sokal's hoax' bekannt wurde, wenn er das wissenschaftliche Dogma ,verhöhnt': „that there exists an external world, whose properties are independent of any individual human being and indeed of humanity as a whole; that these properties are encoded in ,eternal' physical laws; and that human beings can obtain reliable, albeit imperfect and tentative, knowledge of these laws by hewing to the ,objective' procedures and epistemological structures prescribed by the (so-called) scientific method." (Sokal 1996: 217, kursiv von mir). Sokal und Bricmont behandeln diese Argumentationsstruktur selbst noch einmal unter der Überschrift „Ambiguity as subterfuge" und schreiben dort über „ambiguous texts that can be interpreted in two different ways: as an assertion that is true but relatively banal, or as one that is radical but manifestly false. And we cannot help thinking that, in many cases, these ambiguities are deliberate. Indeed they offer a great advantage in intellectual battles: the radical interpretation can serve to attract relatively inexperienced listeners or readers; and if the absurdity of this version is exposed, the author can always defend himself by claiming to have been misunderstood, and retreat to the innocuous interpretation" (Sokal und Bricmont 1998: 189).

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Eine überaus deutliche Abkehr von einer externen Realität findet sich in Maturanas Bestimmung seines eigenen Ansatzes: Betont sei, daß mein Ansatz weder eine objektive noch auch nur die Realität voraussetzt. Nicht einmal die Differenz zwischen Realität und Schein, Wahrnehmung und Täuschung fällt darin ins Gewicht, da wissenschaftliche Aussagen in keiner Weise von ihr abhängen. Sieht man nämlich ein, daß die Wissenschaft überhaupt nichts beobachterunabhängig erklären kann, dann spielen Realitätsannahmen in ihr keine Rolle mehr, sie sind sogar vollkommen überflüssig! (Maturana 1996: 67, kursiv im Original)13 Gleichzeitig besteht aber Maturana darauf, daß seine Theorie gerade nicht zum Solipsismus führen soll, auch wenn es unmöglich ist, eine direkte Interaktion des autopoietischen Systems mit der Welt anzunehmen oder zu postulieren. Das Problem besteht darin, zwischen den beiden Positionen Realismus und Solipsismus eine Gratwanderung vorzunehmen: Auf der einen Seite droht die Gefahr, daß wir eine Welt von Objekten annehmen, die uns informieren, da es in der Tat keinen Mechanismus gibt, der solch eine „Information" möglich macht. Zur anderen Seite eine andere Gefahr: das Chaos und die Willkür der Nicht-Objektivität, in der alles möglich erscheint. (Maturana und Varela 1987: 146) Maturana und Varela versuchen, dieses Problem durch die Einführung eines in ihrem Konzept zulässigen Perspektivwechsels zu lösen, durch den das kognitive System einerseits in der Abgeschlossenheit seiner inneren Zustände beobachtet wird, und andererseits als eine mit der Umwelt interagierende Einheit erscheint. Für die erste Beobachterposition existiert die Umgebung nicht und kann vollkommen ignoriert werden, für die zweite ist die innere Dynamik der Einheit irrelevant. Die beiden Blickwinkel ergänzen sich dabei, „beide sind notwendig, um ein gründliches Verständnis der Einheit zu erlangen" (ibid.: 148). 1 4 Damit wird die 13

Ich halte es allerdings für einen logischen Fehler, von einer grundsätzlichen Beobachterabhängigkeit jeglicher wissenschaftlichen Erklärung auf die Irrelevanz dessen zu schließen, was beobachtet wird. In diesem Zusammenhang muß jedoch auch darauf verwiesen werden, daß es, wie Schmidt feststellt, „,den Radikalen Konstruktivismus' als monolithische Theorie, getragen von einer unisono argumentierenden ,Konstruktivistenmafia', nicht gibt" (Schmidt 1992: 9), so daß problematische Argumente einzelner Autoren nicht als Einspruch gegen die Konzeption per se herangezogen werden sollten.

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Die Formulierung weist wohl unmißverständlich darauf hin, daß hier das Komplementaritätsprinzip der Quantenphysik Pate gestanden hat. Ein wesentlicher Unterschied zu dem hier geschilderten Problem der gewählten Perspektive liegt allerdings darin, daß die Welle/ Teilchen-Dualität nicht einen willkürlichen Wechsel von der Innen- zur Außenansicht beinhaltet, sondern zwei widersprüchliche Zustände, die bei Experimenten beobachtet werden können.

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Nahtstelle zwischen der Innen- und der Außenwelt ausgeblendet. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang der Begriff des ,Beobachtens', da auch dieser selbst wieder in die Dichotomie einer autopoietischen Konstruktion oder einer Interaktion mit der Außenwelt gefaßt werden kann, so daß schließlich ein infiniter Regress sich erweiternder Beobachtungssysteme entsteht. Es fällt schwer, bei dieser strengen Abkehr von jeglicher Verbindung zwischen innerer und äußerer Welt innerhalb einer Konzeption, die sogar die Annahme einer externen Realität als überflüssig erachtet, nicht an George Berkeleys Prinzipien der Erkenntnis zu denken. 15 Berkeley verwarf den ,naiven Realismus', „an opinion strangely prevailing amongst men, that houses, mountains, rivers, and in a word all sensible objects have an existence natural or real, distinct from their being perceived by the understanding" (Berkeley 1998: 104). Diese Sichtweise beinhaltet, wie er schreibt, „a manifest contradiction. For what are the forementioned objects but the things we perceive by sense, and what do we perceive besides our own ideas or sensations; and is it not plainly repugnant that any of these or any combinations of them should exist unperceived?" (ibid.). Bei Berkeley wird die Gefahr des Solipsismus jedoch auf andere Weise unterlaufen als bei Varela und Maturana, da der infinite Regress innerhalb eines religiösen Kontextes schließlich doch an seine letzte Grenze stoßen kann. [A]ll the choir of heaven and furniture of the earth, in a word all those bodies which compose the mighty frame of the world, have not any subsistence without a mind, that their being is to be perceived or known; that consequently so long as they are not actually perceived by me, or do not exist in my mind or that of any other created spirit, they must either have no existence at all, or else subsist in the mind of some eternal spirit, (ibid.: 105)

Aus dem radikalen Idealismus erwächst dadurch ein Gottesbeweis; 16 selbst ohne bewußte Wahrnehmung wäre die Existenz der Welt gesichert, da es noch das ewige Wesen gibt, in dessen Geist sie existiert und wahrgenommen wird. Dieser Aspekt ist natürlich im radikalen Konstruktivismus nicht vorhanden, und Varela und Thompson führen daher auch 15

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Dies ist nicht als Provokation gedacht, denn Berkeley gehört zu den Philosophen, auf die im Rahmen des Konstruktivismus häufig als Vorläufer verwiesen wird (vgl. z.B. Schmidt 1987: 40). Berkeley schrieb in seinem Vorwort zur ersten Auflage 1710, seine Ausführungen seien für diejenigen nützlich, „who are tainted with scepticism, or want a demonstration of the existence and immateriality of God, or the natural immortality of the soul" (ibid.: 87).

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Hilary Putnams Satz an: „Die Wissenschaft versteht es bestens, metaphysische Antworten zu zerstören, sie bietet aber keinen Ersatz" (zit. nach Varela und Thompson 1992: 297; Putnams Satz stammt aus The Many Faces of Realism, La Salle: Open Court, 1987). Wird in dem hier dargestellten Modell die Realität in Frage gestellt oder zumindest im Rahmen der Untersuchungen für irrelevant erklärt, so entwirft Nelson Goodman in seinen radikalen konstruktivistischen Überlegungen einen Pluralismus, der eine Vielfalt der möglichen Beschreibungsformen konstatiert und schließlich die Welten, die sich aus den unterschiedlichen Beschreibungen ergeben, als gleichberechtigt ansieht. Der Pluralist, alles andere als antiwissenschaftlich gesonnen, akzeptiert die Wissenschaften in ihrem ganzen Umfang. Sein typischer Gegner ist der monopolistische Materialist oder Physikalist, der behauptet, ein einziges System, nämlich die Physik, sei vorrangig und allumfassend, weshalb jede andere Version letztlich auf diese reduziert und andernfalls als falsch oder bedeutungslos verworfen werden müsse. (Goodman 1993: 17)

In dieser Passage ist der Pluralismus noch ausschließlich auf die Wissenschaften ausgerichtet, Goodman schreibt aber später auch innerhalb eines erweiterten Kontextes: Die Fiktion operiert in wirklichen Welten sehr ähnlich wie die Nicht-Fiktion. Cervantes, Bosch und Goya - nicht weniger als Boswell, Newton und Darwin - nehmen und zerlegen uns vertraute Welten, schaffen sie neu, greifen sie wieder auf, formen sie in bemerkenswerten und manchmal schwer verständlichen, schließlich doch erkennbaren - d. h. wieder-erkennbaren - Weisen um. (Goodman 1993: 130, kursiv im Original)

Die Genese der unterschiedlichen Welten folgt dabei nicht aus der Erfahrung, sondern aus der Umwandlung schon vorhandener Welten. Goodman verweist darauf, daß es eine absolute Unmittelbarkeit, das unschuldige Auge, nicht gibt, und spürt den Transformationsprozessen nach, die den Welterzeugungen zugrunde liegen. Es sind dies Komposition und Dekomposition, Gewichtung, Ordnen, Tilgung und Ergänzung sowie Deformation, wobei allerdings festgehalten werden muß, daß diese Klassifikation nicht als abgeschlossen oder verbindlich anzusehen ist (vgl. Goodman 1993: 2off.). Dem radikalen Konstruktivismus, wie er u.a. von Varela und Maturana und in anderer Ausformung auch von Glasersfeld oder Schwegler vertreten wird, stellt sich die Frage nach einer objektiven Weltsicht nicht, da die Möglichkeit einer Sicht der Welt als solche negiert wird. Bei Nel40

son Goodmans multiplen Welten dagegen stehen sich unterschiedliche Entwürfe gegenüber, und eine Entscheidung, welche Schöpfungen einer Welt erfolgreich sind, muß auch dann getroffen werden, wenn mehrere widersprüchliche als erfolgreich angesehen werden können. Goodman schreibt dazu: Sofern eine Version sprachlicher N a t u r ist und aus Aussagen besteht, kann Wahrheit relevant sein. Wahrheit kann jedoch nicht durch Uberprüfung mit ,der Welt' definiert oder geprüft werden. Denn nicht nur ist in verschiedenen Welten Verschiedenes wahr, sondern darüber hinaus ist bekanntermaßen unklar, was Übereinstimmung einer Welt-Version mit einer davon unabhängigen Welt sein soll. Vielmehr wird eine Version [...] dann für wahr gehalten, wenn sie keinen hartnäckigen Uberzeugungen widerspricht und keine ihrer eigenen Vorschriften verletzt. (Goodman 1993: 3 1 )

Es ist demnach, wie es Lacan ausdrückt, „die Welt der Worte, die die Welt der Dinge schafft" (Lacan 1975: 117). Der wesentliche Punkt ist hierbei, daß es sich bei den unterschiedlichen Entwürfen nicht um Versionen einer allen gemeinsam zugrundeliegenden Welt handelt, sondern daß es „viele richtige Versionen und wirkliche Welten gibt" (Goodman, 1993: 35). 17 Der Verweis auf hartnäckige Uberzeugungen' wirft allerdings ein Problem auf, denn er greift gerade eines jener Momente als wahrheitskonstituierend auf, die in der Wissenschaftsphilosophie seit Bacon als hinderlich für jegliche Erkenntnis angesehen wurden (vgl. Bacon 1990: 105). Goodmans Formulierung legt nahe, daß die Wahrheit der unterschiedlichen Versionen an die Vergangenheit gebunden bleibt, an die bestehenden Uberzeugungen und an die bestehenden Vorschriften. Damit wird hier, da es keine authentische Erfahrung gibt, die Möglichkeit des Neuen eigentlich eliminiert. Es paßt dazu, daß laut Goodman die unterschiedlichen Weltversionen nur aus bestehenden Welten geschaffen werden, also jeweils aus früheren Versionen. Das Beispiel, das er für seine Ausführungen wählt, betrifft aber gerade die Entstehung einer neuen Theorie in den Arbeiten von Boyle.

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In dem Gedanken an eine Vielzahl von Versionen ohne Original erahne ich eine nicht notwendigerweise beabsichtigte Nähe zu Lévi-Strauss' Sicht des Mythos (vgl. Lévi-Strauss 1981: 239). Dies wird dadurch erhärtet, daß Goodman sich ausdrücklich auf Ernst Cassirer beruft, der Sprache und Mythos als die beiden Seiten einer Medaille sah und feststellte, daß „der Aufbau der mythischen und der sprachlichen Welt auf weite Strecken hin von den gleichen geistigen Motiven bestimmt und durch sie beherrscht wird" (Cassirer 1994: 144). Dementsprechend spielt bei Goodman, der gleich auf der ersten Seite seines Buches auf diesen Cassirer-Text verweist, die Frage nach Wahrheit in nicht-verbalen Versionen der Welt oder in verbalen Versionen ohne Aussagen keine Rolle (vgl. Goodman 1993: 33).

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Goodman schreibt, daß Boyle „seine Daten zugunsten einer glatten Kurve verwirft, die sie am Ende alle verfehlt" (Goodman 1993: 31), geht aber nicht auf die Frage ein, wie denn die neue Theorie, die den Untersuchungen und dem glatten Kurvenverlauf zugrunde lag, ohne Erfahrung und nur auf der Basis bestehender Überzeugungen und Vorschriften entworfen werden konnte. Die Uberzeugungen und Vorschriften führen hier, selbst wenn das Thema von Goodman in diesem Kontext nicht ausgeführt wird, zur Frage der sozialen Interaktion und der Verhandelbarkeit der Welten, zu Konventionen und zur Sprache als der Grundlage für die Umformung von Welten und für die Entscheidungen über die jeweilige Gültigkeit oder Wahrheit. Goodman, der nicht von autopoietisch geschlossenen Systemen ausgeht, aber durch die Pluralität der Welten auch individuelle oder sogar ideosynkratische Entwürfe in seine Überlegungen einbezieht, steht hier gewissermaßen zwischen den beiden konstruktivistischen Varianten, die sich trotz gewisser Probleme, sie zur Übereinstimmung zu bringen, auch ergänzen: dem radikalen Konstruktivismus und dem sozialen Konstruktivismus. Letzterer soll jetzt kurz umrissen werden.

1.2. D e r soziale K o n s t r u k t i v i s m u s 1 8 Im radikalen Konstruktivismus entsteht die Wirklichkeit durch die internen Operationen eines strukturdeterminiertern Systems. Gleichzeitig ist aber diese Wirklichkeit auch Inhalt und Folge des sozialen Austausches. Der Kontakt mit dem Anderen unterliegt dabei auch dem Problem, daß er wie jede .Interaktion' mit der Umwelt systemintern konstruiert wird und daher keine überprüfbare absolute Wirklichkeit darstellt. Da sich [...] in erkenntnistheoretischer Hinsicht keine Realitätskonstruktion von einer anderen unterscheidet [...], muß eine konstruktivistische Sozialtheorie ihren ,Gegenstandsbereich' letztlich als den Prozeß zu denken versuchen, in dem Individuen ihrerseits ihre Realitäten konstruieren und sich damit die Möglichkeiten erfolgreichen Handelns und Kommunizierens schaffen. (Hejl 1987: 303, kursiv im Original) 18

Baecker, Borg-Laufs, Duda und Matthies (1992: 118) unterscheiden zwischen dem ,social constructionism', der sich vor allem mit der gesellschaftlichen Konstruktion yon Wirklichkeit beschäftigt, und dem von ihnen vertretenen ,sozialen Konstruktivismus', der diese Position mit der des radikalen Konstruktivismus zu verbinden sucht. Ich gehe auf diese Verbindung nicht weiter ein, der Begriff des sozialen Konstruktivismus soll hier in der gängigen Wortbedeutung verstanden werden, die im Englischen wahlweise als ,social constructionism' oder als ,social constructivism' bezeichnet wird.

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Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Notwendigkeit für die operational geschlossenen Systeme, überhaupt in einen Austausch eintreten zu können. Hejl spricht hier von einem „Prozeß wechselseitiger Interaktionen und damit wechselseitiger Veränderungen [...], der zu einer partiellen ,Parallelisierung' der selbstreferentiellen Subsysteme (der kognitiven Subsysteme) der interagierenden Systeme führt" (ibid.: 317). Daß in diesem Prozeß der Sprache eine besondere Rolle zukommt, kann wohl kaum überraschen. Dabei steht einerseits die wirklichkeitserschaffende Funktion der Sprache im Vordergrund, andererseits aber auch die wirklichkeitsrestringierende Funktion, da die Grenzen der Sprache auch die Grenzen des Sagbaren innerhalb des Diskurses und vielleicht auch für das sprechende Individuum selbst festlegen (vgl. Baecker et al. 1992: i2off.). Der linguistische Determinismus, demzufolge „Wortschatz und Struktur einer Sprache die ,Weltsicht' ihrer Benutzerinnen prägen" (ibid.: 120), wurde schon oben in dem Zitat von Lacan angesprochen; bei Baecker et al. wird auf Whorfs Language, Thought and Reality als Quelle hingewiesen.19 Im Gegensatz zum radikalen Konstruktivismus, dessen Vertreter teilweise selbst naturwissenschaftliche Forschungen betreiben und ihre erkenntniskritischen Schlußfolgerungen auf die dabei erzielten Ergebnisse stützen, hat der soziale Konstruktivismus zumindest bei vielen seiner Verfechter eine deutlich wissenschaftskritische Ausprägung. Der umfassende epistemologische Zweifel betrifft hier immer auch den Wissenschaftsbetrieb und die in ihm gewonnenen Erkenntnisse, die als Folge der dabei auftretenden sozialen Prozesse und Interessen erscheinen. In diesem Sinne schreibt Lepenies: Science m u s t n o l o n g e r give the i m p r e s s i o n it represents a f a i t h f u l reflection of reality. W h a t it is, rather, is a cultural s y s t e m , and it exhibits t o us an alienated interest-determined image of reality specific to a definite time and place. ( L e p e nies 1989: 64, zitiert nach C o l l i n i 1 9 9 3 : ι )

Bruno Latour, einer der einflußreichsten Autoren innerhalb der neueren Wissenschaftssoziologie,20 hat das „strong programme of social construc19

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Bei aller Radikalität, die sich in Whorfs linguistischem Relativismus finden läßt, bleibt eine wirkliche Totalisierung seines Gedankens bei ihm selbst allerdings ausgespart. Zum Thema der Naturwissenschaften schreibt er: „Thus the world view of modern science arises by higher specialization of the basic grammar of the Western Indo-European languages. Science of course was not CAUSED by this grammar; it was simply colored by it" (Whorf 1956: 221, Hervorhebung im Original). Latour selbst würde sich inzwischen nicht mehr notwendigerweise als Wissenschaftssoziologe oder auch nur als Anhänger eines ,social constructivism' sehen. Seine Position hat sich, soweit ich es überblicken kann, in den letzten Jahren erheblich gewandelt, wenn

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tivism" als den Nachweis definiert „that the content of any science is social through and through" (Latour 1988: 3; vgl. dazu auch Sokal und Bricmont 1998: i24ff.). Sehr ähnlich schreibt Gross in Rhetoric of Science·. [The] absolutist view of scientific truth now has an alternative, a sophisticated relativism in which thruth depends not on conformity to a substratum of reality, but on agreement among significant persons. N o theory of rhetoric in science can ignore this generally plausible relativism: since truth is intersubjective, science, like all persuasive discourse, must convince us of the truth it claims. (Gross 1990a: 21)

Die wesentlichen Aspekte sind dabei innerhalb des Prozesses zu finden, in dem Fakten durch eine wissenschaftliche Gemeinschaft geschaffen und nicht in der Natur vorgefunden - werden. Dieser Ansatz radikalisiert die Einbettung der Wissenschaft in einen kulturellen Kontext, die auch von vielen praktizierenden Wissenschaftlern als Begleiterscheinung ihrer Arbeit gesehen wird. Im ,strong programme' der Wissenschaftssoziologie - besonders bei der sogenannten ,Edinburgh School' - verschwindet die Natur als Gegenstand der Untersuchungen quasi vollständig aus dem Blickfeld; 21 Andrew Pickering bringt diesen Ansatz auf den Punkt, wenn er im Abschlußkapitel zu Constructing Quarks schreibt: „On the view advocated in this chapter, there is no obligation upon anyone framing a view of the world to take account of what twentieth century science has to say" (Pickering 1984: 413; eine deutliche Kritik zu dieser Position findet sich bei Weinberg 1993: i48f.). Zu den sozialen Faktoren, durch welche die Wissenschaft determiniert wird, gehören zunächst einmal die Ausbildung der Wissenschaftler, bestehende Theorien und Paradigmen im Kuhnschen Sinne, die Vergabe von Fördermitteln, die Beantragung von Forschungsprojekten, vorgegebene Verfahrensweisen in der experimentellen Labortätigkeit, der Umgang mit wissenschaftlicher Literatur, das durch Institutionen auferlegte Konkurrenzdenken oder auch eine notwendige Arbeitsteilung - die Liste ließe sich problemlos fortsetzen. Diese Momente, die mit der institutionellen Produktion von Fakten zusammenhängen, werden dann noch einmal ergänzt durch die Frage, wodurch diese Fakten schließlich von der relevanten Gemeinschaft anerkannt und so zu ,wahren' Fakten werden. Dazu

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auch nicht zu einer objektivistischen Sicht von Erkenntnis oder Wissenschaft (vgl. dazu Latour 1993: 255f·)· „Advocates of this program believe that they can and should expose the social construction of scientific knowledge by tracing that knowledge back to its constitutive (social) factors, to the frame surrounding all scientific phenomena: the social context." (Koch

ms- 33°)·

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gehören Themen wie ,peer-evaluation', rhetorische Strategien und Überzeugungsmittel, die Organisation von Konferenzen und Symposien und als Folge der Anerkennung Verhandlungen über die Finanzierung neuer Forschungsprojekte, womit sich der Kreis dann schließt. Die Konsequenzen dieser sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Fakten schließen selbstverständlich mit ein, daß die vorherrschenden Weltbilder, Vorurteile, Paradigmen, aber auch die bestehenden Machtstrukturen in die wissenschaftliche Arbeit einfließen. Daraus folgen dann auf Seiten der Wissenschaftskritik Untersuchungen, die u. a. auf der Basis von marxistischen,22 feministischen, 23 historischen,24 anthropologischen oder soziologischen25 Ansätzen den determinierenden Einfluß der jeweiligen Momente auf den Wissenschaftsbetrieb proklamieren. 26 An die Stelle von traditionellen Kriterien bei der Theorieauswahl wie z.B. Tatsachenkonformität, Widerspruchsfreiheit, Reichweite, Einfachheit und Fruchtbarkeit 27 treten nun manifeste oder latente Interessen, die sowohl die wissen22

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Zu den wichtigsten Vertretern dieser Richtung zählt Stanley Aronowitz mit seinem Buch Science as Power: Discourse and Ideology in Modern Society, in dem er argumentiert, daß Wissenschaft ein wesentliches Machtinstrument ist, das gleichermaßen der Beherrschung der Natur wie der des Menschen dient. Zu nennen wären hier als wichtige Vertreterinnen Sandra Harding mit ihrer Behauptung, die moderne Wissenschaft sei in toto „not only sexist but also racist, classist, and culturally coercive" (Harding 1986: 9); Donna Haraway und ihre Problemstellung „how to have simultaneously an account of radical historical contingency for all knowledge claims and knowing subjects, a critical practice for recognizing our ,semiotic technologies' for making meaning, and a no-nonsense commitment to a faithful account of a ,real' world ..." (Haraway 1988: 579, kursiv im Original), oder Evelyn Fox Keller mit ihrer Frage, „wie Geschlechterideologie und Wissenschaftsideologie sich in ihrer jeweiligen Ausprägung durchdringen, wie diese Ausprägung in unseren sozialen Ubereinkünften funktioniert und wie sie Männer und Frauen, Wissenschaft und Natur beeinflußt" (Keller 1998: 1 $). Eine Ausweitung der soziologischen Kontextualisierung von Wissenschaft auf die Wissenschaftsgeschichte findet sich in Shapins und Shaffers Leviathan and the Airpump: Hobbes, Boyle, and the Experimental Life·, dieser Ansatz hat inzwischen diverse Nachfolger gefunden. Der wichtigste Text in diesem Feld ist wohl Latours und Woolgars Laboratory Life: The Construction of Scientific Facts, in dem eine soziologisch-anthropologische Untersuchung der Arbeit in einem einflußreichen Labor, dem Salk Institute, durchgeführt wird. Auf diese Studie wird später noch genauer einzugehen sein. Weitere wesentliche Texte werden an gegebenem Ort angesprochen. Es ist hier keinesfalls mein Interesse, diese verschiedenen Kritikansätze in ihrer Bedeutung herabzusetzen. Wie in jedem Forschungsbereich gibt es auch hier konstruktive Arbeiten und absurde Übertreibungen, vielschichtige Argumentationsstränge und plumpe Vereinfachungen, wobei die Grenze nicht unbedingt zwischen unterschiedlichen Autoren und Autorinnen verläuft, sondern auch zwischen den Arbeiten ein und derselben Person oder sogar innerhalb eines einzelnen Textes. Diese Kriterien werden von Thomas Kuhn angeführt (vgl. Kuhn 1978: 423), der zwar von den Anhängern eines sozialen Konstruktivismus immer wieder für die eigene Sache reklamiert wird, sich selbst aber zumindest über das ,strong programme' überaus abfällig

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schaftlichen Ergebnisse als auch die Prozeduren und gruppeninternen Mechanismen der Ein- und Ausgrenzung bestimmen. So schreibt beispielsweise Gillian Beer über die Funktion wissenschaftlicher Sprache: „One of the primary functions of technical language is to keep nonprofessionals out" (Beer 1990: 88). Eine ganz ähnliche Behauptung findet sich bei Bazerman: „Scientific language serves to establish and maintain the authority of science, largely through exclusion and intimidation" (Bazerman 1988: 294);*8 bei Pickering wird dann jegliche epistemologische Zweckmäßigkeit der wissenschaftlichen Sprache, hier der Mathematik, endgültig unterlaufen: „[G]iven their extensive training in sophisticated mathematical techniques, the preponderance of mathematics in particle physicists' accounts of reality is no more hard to understand than the fondness of ethnic groups for their native language" (Pickering 1984: 413). Daß hier alle Fragen nach dem heuristischen Wert der Wissenschaftssprache ausgeblendet werden, zeigt wohl, daß es bei diesen extremen Vereinfachungen weniger um ein Erkenntnisinteresse geht, als um einen wissenschaftspolitisch motivierten Angriff auf naturwissenschaftliche Spezialisierung und die damit einher gehende Fachterminologie. Gleichzeitig läßt sich hier eine Einäugigkeit konstatieren, da die weit weniger notwendige und gelegentlich auch kaum gelungene Assimilation naturwissenschaftlicher Begriffe und Konzepte im eigenen Bereich nicht dem Verdikt verfällt. Alan Sokal und Jean Bricmont haben auf die mißbräuchliche Verwendung naturwissenschaftlicher Termini bei gängigen Vordenkern des sozialen Konstruktivismus und auch der neueren Literaturwissenschaft hingewiesen, auf ein „shamelessly throwing around technical terms in a context where they are completely irrelevant. The goal is, no doubt, to impress and, above all, to intimidate the non-scientist reader" (Sokal und Bricmont 1998: 5).29 Der Vorwurf scheint mir an dieser Stelle weit eher zu treffen, da im wissenschaftlichen Kontext zumin-

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geäußert hat. E r bezeichnete die dort vorgetragenen Behauptungen als „an example of deconstruction gone mad" (Kuhn 1992: 9; Kuhns Verdikt "wird auch von Feyerabend, 1993: 271, beifällig zitiert). Hier findet sich auch noch die weitergehende Feststellung: „Within the scientific community, scientific language serves the competitive interests of separate individuals and research groups. The language is partisan, argumentative, and manipulated for individual gain rather than an objective, dispassionate representation of things as they are [...]. Under this rubric the work of science is to advance the careers of individuals" (ibid.). Die Autoren legen dabei großen Wert auf die Feststellung, daß es ihnen bei ihrem Angriff auf die postmoderne' keinesfalls darum geht, eine gesamte geisteswissenschaftliche Richtung anzugreifen, sondern nur darum, den wissenschaftlichen Unfug, der bei einigen der Autoren auftaucht und dazu beigetragen haben mag, diese als besonders tiefsinnige Denker zu etablieren, als das herauszustellen, was er ist: eben Unfug.

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dest das Verständnis der intendierten Leserschaft vorausgesetzt werden kann, bei den von Sokal und Bricmont angeführten Autoren aber gerade die eigene Leserschaft durch die obskuren Verweise gleichermaßen beeindruckt werden soll und de facto ausgeschlossen wird. Die Natur spielt in den oben genannten Überlegungen zur Wissenschaftssprache und -Soziologie keine Rolle, da sie, folgt man den Autoren, weder in den Laboratorien noch in den Theorien zu finden ist. Die in der Natur auftretenden Phänomene werden, dieser Argumentation zufolge, nicht entdeckt, sondern produziert; als radikale Verschärfung findet sich bei Latour der Satz: „Die Nachfahren Boyles sagen nicht nur, daß die Naturgesetze unserem Zugriff entgehen, sie fabrizieren sie auch im Labor" (Latour 1995: 45). Karin Knorr-Cetina schreibt dazu: Where in the laboratory [...] do we find the „nature" or „reality" so critical to the descriptivist interpretation? Most of the reality with which scientists deal is highly precontracted, if not wholly artificial. What after all is a laboratory? A local accumulation of instruments and devices within a working space composed of chairs and tables. (Knorr-Cetina 1981: 3) 30

Dementsprechend ist das Ergebnis des Forschungsprozesses auch keine abstrakte oder sogar absolute Wahrheit, sondern eine historisch wie sozial kontingente Wirklichkeitskonstruktion, die sich an pragmatischen Vorgaben orientiert. N o r do we find in the laboratory the quest for truth which is customarily ascribed to science. [...] If there is a principle which seems to govern laboratory action, it is the scientist's concern with making things „work", which points to a principle of success rather than one of truth, (ibid.: 4)

Innerhalb der ,science wars' spielt der soziale Konstruktivismus wahrscheinlich die wichtigste Rolle als Gegenposition zum vermuteten naiven Realismus der Wissenschaftler. Das Problem oder eher der Streitpunkt liegt dabei weniger in der Annahme, daß soziale Einflüsse, historische Bedingungen und kulturelle Gegebenheiten in unterschiedlicher und vielfältiger Weise auf die Wissenschaften einwirken, als in der Bestimmung des Gewichtes, das diesen Einflüssen zukommt. Dabei stellt sich die Frage, ob eine Abhängigkeit der Wissenschaftler von sozialen Einflüssen hinrei,0

Hierbei muß allerdings festgehalten werden, daß auch eine Beobachtung der freien Natur sicherlich keine Gnade vor Knorr-Cetinas Augen finden würde. Zudem stellt sich die Frage, was denn der .Normalzustand' der Natur wäre. Innerhalb unseres Universums ist die Natur, so wie sie auf der Erde anzutreffen ist, sicherlich ein extremer Ausnahmezustand, und es ist zu vermuten, daß die Bedingungen in der Hochenergiephysik eher der ,normalen' Natur im Inneren von Sternen oder in Gaswolken entsprechen.

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chend ist, auch einen Determinismus durch diese Einflüsse zu konstatieren und damit wissenschaftsinterne Mechanismen der Theoriebildung und der Beurteilung zugunsten externer Begründungen auszuschließen. 31 Bei Knorr-Cetina findet sich hierzu eine konzeptuell weitreichende Umdefinition, durch welche nun die sozialen Komponenten der Wissenschaften als die internen Aspekte angesehen werden, während die Versuche einer Annäherung an die Wirklichkeit als extern ausgegliedert werden: [T]he products of science have to be seen as highly internally structured through the processes of production, independent of the question of their external structuring through some match or mismatch with reality. (KnorrCetina, 1981: 5, kursiv im Original).31

Dementsprechend kann die Arbeit des Praktikers auch lediglich im nun als intern erfaßten Wissenschaftsbetrieb angesiedelt werden; die Ergebnisse sind dabei die Folge der dort ablaufenden Prozesse: Scientific results, including empirical data, have been characterised as first and foremost the result of a process of fabrication. Processes of fabrication involve chains of decisions and negotiations through which their outcomes are derived, (ibid.)

Die Ergebnisse wären demnach von der Natur, die sie doch darstellen sollen, getrennt, da die Natur bei der Produktion von wissenschaftlichen Fakten an keiner Stelle wirksam wird. Die Arbeit in einem Laboratorium läßt sich somit in doppeltem Sinne als eine Beherrschung und Unterwerfung der Natur begreifen, einmal durch die artifizielle Konstruktion und Manipulation dessen, was als hypothetische Natur Gegenstand der Untersuchung ist, zum anderen durch die Darstellung, der die Natur dann unterzogen wird und die unsere Erfahrungen und Auseinandersetzungen mit ihr prägt, wenn nicht vollkommen determiniert. Diese Darstellung 31

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Brigitte Falkenburg verweist genau auf dieses Problem, wenn sie schreibt: „Wissenschaftliche Theorien und daraus erwachsende Weltbilder sind unbestritten kulturelle Erzeugnisse. Dieser Sachverhalt ist jedoch nicht [...] hinreichend dafür, jede Variante von wissenschaftlichem Realismus zu widerlegen" (Falkenburg 1995: 50, kursiv im Original). In einem weiteren Schritt können die Begriffe ,intern' und ,extern' dann noch einmal neu gefaßt werden. Intern sind danach die Prozesse, die innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft ablaufen, extern diejenigen, die sich mit der Finanzierung oder auch der Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen (vgl. Gregory und Miller 1998: 64). Damit bleibt dann schon rein sprachlich kein Raum mehr, in dem sich die Natur finden lassen könnte. Ich werde auf Knorr-Cetinas Ansatz und die Umdeutung der Begriffe ,extern' und ,intern' noch einmal im Kontext einer möglichen Evolution in der Wissenschaftsentwicklung zurückkommen.

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kann, da sie aus der wissenschaftlichen Arbeit resultiert, selbst nicht als konstitutiv für die Theoriebildung oder auch als bedeutsam für die wissenschaftliche Auseinandersetzung gesehen werden. Dementsprechend schreibt Bruno Latour: [SJince the settlement of a controversy is the cause of nature's representation, not the consequence, we can never use the outcome - Nature - to explain how and why a controversy has been settled. (Latour 1987: 99, kursiv im Original)

Das Problem an dieser Erklärung besteht darin, daß innerhalb eines unbestritten komplexen Geflechtes von Einflüssen und Beziehungen die Natur anscheinend nur an einer Position in Erscheinung treten kann und da sie am Ende in ihrer wissenschaftlichen Repräsentation ,präsent' ist, wäre damit ihre bedingende Anwesenheit zu Beginn oder im Verlauf der Theoriebildung ausgeschlossen. Hier wird, kurz gesagt, der einfache und nicht umkehrbare Pfeil der Einflußnahme wieder eingeführt, nachdem gerade die einfachen Konzepte von Kausalität unterlaufen und durch das Bild eines Netzwerkes ersetzt worden waren. Der komplexe Prozeß, im Verlauf dessen eine neue Theorie durch die Gemeinschaft der Wissenschaftler akzeptiert oder verworfen wird, verläuft, wenn wir Latours Argumentation folgen, zwar über diverse Stadien der Modifikation und Anpassung, bis eine Assimilation wirklich gelungen ist oder sich die Ablehnung durchgesetzt hat, er schließt aber auf jeder Stufe wieder eine Abgleichung mit der neuen oder auch früheren experimentellen Erfahrung der Natur aus oder läßt die Natur nur als im Laboratorium fabrizierte und damit nicht-authentische Konstruktion zu.33 Damit wird ein Bild der Wissenschaften nun wirklich konstruiert, das quasi statisch ist und mit der konstruierten Darstellung der Natur jeweils wieder einen Abschluß findet.34 Latour entwirft in Science in Action das Bild eines janusköpfigen Kommentators, in dem die gegensätzlichen Positionen einer „Science in the Making" und einer „Ready Made Science" erfaßt 53

34

Ian Hackings Kritik an einem sozialkonstruktivistischen Relativismus der Naturwissenschaften setzt genau an diesem Punkt an, indem er darauf verweist, daß soziale Praktiken ontologisch subjektiv sind - ohne die entsprechenden Institutionen gäbe es sie nicht - , diese Situation aber bei den Untersuchungsgegenständen der Naturwissenschaften keinesfalls so offensichtlich gegeben ist. Die Elementarteilchen der Natur (und Hacking fügt gewissenhaft hinzu, „wenn es denn welche gibt") sind überall und unabhängig von sozialen Praktiken und Institutionen vorhanden, (vgl. Hacking 1998: 40). Brigitte Falkenburg schreibt in einem etwas anderen Kontext: „Wenn man ausschließlich die Struktur ,fertiger' (oder semantisch abgeschlossener) Theorien analysiert, entsteht ein verzerrter Eindruck von der empirischen Basis und vom empirischen Gehalt physikalischer Theorien, denn die Erklärungsleistung physikalischer Theorien ist wesentlich mit der Reduktion von Kontingenz verknüpft" (Falkenburg 199$: 8$, kursiv im Original).

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werden. Während er dabei aber der Perspektive „Science in the Making" deutlich den Vorzug gibt (vgl. Latour 1987: 4 und 258), ist sein eigenes Modell gerade nicht als ein kontinuierlicher Prozeß zu sehen, in dem jede Darstellung ihre Bedeutung hauptsächlich dadurch bekommt, daß sie neue Fragen ermöglicht und ihre Uberprüfung zuläßt. Latour führt als Beispiel einer Problemlösung die Entdeckung der D N A durch Crick und Watson an3S und legt seinem Wissenschaftsjanus gegensätzliche Beurteilungen des Entscheidungsprozesses über die Richtigkeit des Modells in den Mund: ,Of course,' says the left side of Janus,,everyone is convinced because Jim and Francis stumbled on the right structure. The D N A shape itself is enough to rally everyone.' ,No', says the right side,,every time someone else is convinced it progressively becomes a more right structure' (Latour 1987: 13).

Damit wird eine Dichotomie aufgebaut, die so nicht richtig ist, da sie die Frage, was überzeugend wirkt und Zustimmung hervorruft, ausblendet. Frühere Modelle von Crick und Watson, aber auch von der damaligen Autorität Pauling, wurden zügig verworfen, weil sie, wie Latour selbst schreibt, falsch waren (vgl. ibid.: 2 und 6). Nun kann der Mangel einer Widerlegung noch nicht als Beweis angenommen werden, da bekanntlich jede Theorie nur falsifiziert, aber nicht verifiziert werden kann. Daraus zu schließen, daß eine Theorie durch nicht weiter qualifizierte Zustimmung ,richtiger' wird (wobei der Begriff der Richtigkeit hier vollkommen relativistisch eingesetzt wird), ist allerdings auch unzulässig, denn die Zustimmung beruht immer auch auf vorhandenem Wissen oder neuen Uberprüfungen. Korrekt müßte der Satz also lauten: Jedesmal, wenn der Versuch einer Widerlegung scheitert, wird die Richtigkeit einer Theorie

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Dieses Beispiel wird im Kontext des sozialen Konstruktivismus und der Rhetorik der Wissenschaften immer wieder benutzt. Der Grund dafür liegt wohl darin, daß sich zwei weitgehend unbekannte Forscher bei der Lösung eines Problems gegen die Autoritäten durchsetzten, daß ihr Artikel eine rhetorische Analyse zuläßt und daß darüber hinaus auch noch mit Watsons The Double Helix (1968, New York, Mentor) eine längere Darstellung in Buchform vorliegt, in der die Entdeckung und die Arbeiten, die zu ihr geführt haben, ausführlich beschrieben werden. Dabei sollte allerdings festgehalten werden, daß Watson in seinem Buch die eigene Geschichte so erheblich verfälscht, daß es sogar Gerüchte gab, Crick würde gegen seinen ehemaligen Kollegen einen Prozeß anstrengen. Während Gross' Untersuchung gerade die rhetorische Verzerrung betont (vgl. Gross 1990a: j8ff.) und damit die eigene Prämisse einer grundsätzlichen Rhetorizität der Wissenschaften an einem Ausnahmetext bewiesen werden soll, bleibt dieser Aspekt bei Latour ausgespart, und der Text wird ohne Vorbehalt als Bericht über die Forschungsarbeiten akzeptiert und präsentiert. Ich werde auf Gross und seine Analyse der Texte von Watson und Crick im Kapitel zur Rhetorik zurückkommen.

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wahrscheinlicher.36 Die Wissenschaftsgeschichte ist zwar voll von Beispielen dafür, daß Theorien, die für absolut gültig gehalten wurden, sich schließlich doch als falsch oder nur begrenzt zutreffend erwiesen haben die Newtonsche Mechanik ist in diesem Zusammenhang oft genug herangezogen worden - , und es ist daher unmöglich, aus dem Ausbleiben einer Falsifizierung auf die "Wahrheit einer Theorie zu schließen. Es ist aber gleichzeitig ein fundamentaler logischer Fehlschluß, die daraus folgende prinzipielle Unmöglichkeit eines absoluten Wahrheitsbeweises als hinreichenden Gegenbeweis gegen die Existenz irgendeiner Wahrheit anzuführen. Daß etwas nicht bewiesen werden kann, bedeutet eben nicht, daß es damit auch widerlegt ist. Einen m.E. problematischen Ansatz wählt in diesem Zusammenhang Barbara Herrnstein Smith. Sie geht in ihrer radikal relativistischen Abhandlung Belief and Resistance u.a. auf die notwendige Frage ein, wie es bei einer Ablehnung jeglicher verbindlichen Wahrheitsvorstellungen noch möglich sein kann, einer Leugnung des Holocaust wirksam entgegenzutreten - ein weiteres derzeit relevantes Beispiel dazu wäre die Frage, wie der Forderung religiöser Fundamentalisten nach einer Gleichsetzung der biblischen Schöpfungsgeschichte mit der Evolutionslehre im Unterricht begegnet werden kann, wenn wissenschaftliche Wahrheit lediglich als soziales Konstrukt angesehen wird. Herrnstein Smith führt als Mittel, die den Leugnungen entgegengestellt werden können, Indizien und dokumentarische Belege an: I speak here of such counteractivities as the gathering, analysis, labelling, and public exhibition of original documents and photographs, the development and public dissemination of vivid narratives incorporating exact descriptions of circumstantial details, and the identification, citation, and credentialing of survivors and other participants: the production, in effect, of a sense of „virtual witnessing," the construction, in short, of knowledge ... to which must be added, as the inevitable and necessary other side of this process, the deconstruction of other presumed knowledge. (Herrnstein Smith 1997: 3 3f., kursiv und Auslassung im Original )

Die Probleme, die sich nach der eigenen Konzeption für eine solche Argumentation auftun, sind offensichtlich. Da die hier anscheinend unproblematisch eingesetzten Begriffe ,original', ,exact' oder ,credentialing' selbst durch den Konstruktivismus unterlaufen werden, sind die Kriterien für eine Überlegenheit des hier vorgeschlagenen Vorgehens über die Me,6

Vgl. hierzu und zu Poppers Ablehnung einer wahrscheinlicheren Wahrheit Sokal und Bricmont 1998: 62Í.

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thoden, die von der Gegenseite eingesetzt werden könnten, nicht erkennbar. Die ,vividness' von Erzählungen als Mittel zur Erzeugung von Glaubwürdigkeit heranzuziehen, verschiebt zudem die Frage nach Wahrheit bzw. Wissen auf das Gebiet des individuellen erzählerischen Talents (wohin sie nach Auffassung einiger Wissenschaftsrhetoriker möglicherweise auch wirklich gehört). Daß ein solches Talent aber auch bei den Leugnern des Holocaust möglich wäre, so daß auch auf ihrer Seite ,vivid narratives' mit angeblich exakten Details eingesetzt werden könnten, scheint Herrnstein Smith entgangen zu sein. Und schließlich steht der hier vorgeschlagenen und anscheinend für die Akzeptanz von Aussagen bedeutsamen Dekonstruktion anderen Wissens die geradezu dogmatische Feststellung gegenüber, daß jedes Wissen dekonstruiert werden kann, denn es sind ja gerade die ,exakten',,authentischen' und durchaus ausreichend belegten Aussagen der Wissenschaft, die den relativistischen Vertretern der science studies als „ripe for deconstruction" (Winner 1996: 104) erscheinen. Auch die Möglichkeit, daß der soziale Konstruktivismus in der Lage sein könnte, die Entstehung oder auch Produktion wissenschaftlicher Ergebnisse wirklich vollständig zu beschreiben, kann nicht als ausschlaggebend für die Richtigkeit des Ansatzes angesehen werden, denn eine der eigenen Prämissen besagt, daß für jede endliche Menge an Daten und Ergebnissen eine unbegrenzte Anzahl von Theorien als Erklärung gefunden werden können. 37 Ein weiteres Problem besteht bei den genannten Ansätzen darin, daß der eigene Blickwinkel eher definitorisch vorausgesetzt als im Verlauf der Untersuchung überprüft wird. Die Theoriegeladenheit der Wissenschaft findet ihr Äquivalent in einer Analyse, die ihr Ergebnis von vornherein proklamiert und in einer selektiven Methodik zielstrebig verfolgt. So schreibt Knorr-Cetina programmatisch: Rather than considering scientific products as something capturing what is, we will consider them as selectively carved out, transformed and constructed from whatever is. A n d rather than examine the external relations between science

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Pickering schreibt, wenn auch aus konstruktivistischer Sicht und gegen den Gedanken einer objektiven, datenabhängigen Theoriewahl: „that choice of a theory is underdetermined by any finite set of data. It is always possible to invent an unlimited set of theories, each one capable of explaining a given set of facts" (Pickering 1984: ${.). Dieser Gedanke ist keineswegs neu; Falkenburg führt den Ansatz, „daß physikalische Theorien grundsätzlich empirisch unterbestimmt — d.h. durch die experimentellen Daten, die sie stützen, nicht vollständig festgelegt - sind" (Falkenburg, 199$: 20, kursiv im Original), auf Pierre Duhems Buch Ziel und Struktur der physikalischen Theorien aus dem Jahr 1908 zurück.

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and the „nature" w e are told it describes, w e look at those internal affairs of scientific enterprise which w e take to be constructive. (Knorr-Cetina 1981: 3, kursiv im Original)

Die Arbeit weist damit ein methodisches Problem auf, da die eigene Grundannahme einer ,construction of facts' selbst prästrukturierend wirkt. Hier stellt sich die Frage nach dem eigenen Untersuchungsgegenständ und seiner bedingenden Wirksamkeit für die Analyse. Der Anthropologe, der das Leben im Labor als das einer ihm unbekannten sozialen Gemeinschaft untersucht, kann dabei kaum eine größere Authentizität für seine Ergebnisse reklamieren als der Feldforscher, der sich einer fremden Kultur gegenübergestellt sieht.38 Und da die Resultate der Forschung grundsätzlich von einer Korrespondenz zur Wirklichkeit zu trennen sind und durch ausschließlich soziale Prozesse determiniert werden, kann auch die eigene Arbeit nicht den Anspruch erheben, eine externe Wirklichkeit, hier eben die sozialen Mechanismen des Wissenschaftsbetriebes, mit der verworfenen Präzision und Neutralität zu erfassen. Dieses Problem wird von Latour und Woolgar in ihrem Abschlußkapitel thematisiert; die soziale Bedingtheit der eigenen Studie dient dabei gewissermaßen der Nivellierung eines potentiell hierarchischen Gefälles zwischen den Naturwissenschaften und der Soziologie: Is there any essential distinction between the nature of our own construction and that used by our subjects? Emphatically the answer must be no. [...] Our account of fact construction in a biology laboratory is neither superior nor inferior to those produced by scientists themselves. [...] In a fundamental sense, our own account is no more than fiction. (Latour und Woolgar 1986: 254 und 257, kursiv im Original) 3 '

Das hier angesprochene Phänomen der Reflexivität findet sich in der relativistischen Wissenschaftskritik auf mehreren Ebenen. Hilary Putnam hat 38

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Latour und Woolgar bestehen auf der Analogie ihrer Arbeit zur anthropologischen Feldforschung: „We envisaged a research procedure analogous with that of an intrepid explorer of the Ivory Coast, who, having studied the belief system or material production of ,savage minds' by living with tribesmen, sharing their hardships and almost becoming one of them, eventually returns with a body of observations which he can present as a preliminary research report" (Latour und Woolgar 1986: 28). In einer Fußnote folgt dann die Einordnung des Begriffes Fiktion, durch die die vollkommene Trennung von Fakten und einer objektiven externen Realität vollzogen wird: „,Fiction' is to be taken as having a noncommitted or ,agnostic' meaning that can be applied to the whole process of fact production [...]. Our main interest in using the word ,fiction' is the connotation of literature and writing accounts'* (ibid.: 261). Auf die hier von Latour und Woolgar evozierte Verbindung von wissenschaftlichem und literarischem Schreiben werde ich noch im Kontext der Rhetorik der Wissenschaften eingehen.

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speziell im Kontext des sozialen Konstruktivismus, in dem Wahrheit als Konsens der ebenbürtigen Kulturgenossen verstanden wird, auf dieses Problem hingewiesen: [W]enn es ein empirisches Faktum ist, daß die Aussage „Die Mehrzahl meiner ebenbürtigen Kulturgenossen würde nicht zustimmen, daß der Relativismus zutrifft" wahr ist, trifft der Relativismus laut dem v o m Relativisten selbst vertretenen Wahrheitskriterium nicht zu! (Putnam 1997: 95)

In Repräsentation und Realität findet sich schon der gleiche Punkt, wobei die Konsequenz und das daraus folgende Paradox klar herausgestrichen sind: Der Relativist weiß ja schließlich sehr gut, daß die Mehrheit seiner kulturell Ebenbürtigen seine relativistischen Ansichten nicht teilt. Daraus zieht er aber nicht den Schluß, seine Ansichten müßten deshalb falsch sein, denn er spürt (vielleicht unbewußt), daß das belanglos ist für die Frage der Wahrheit (und für die Frage der Berechtigung) dieser Ansicht. (Putnam 1991: 193) 40

Barbara Herrnstein Smith versucht das Problem der logischen Selbstwiderlegung, das hier auftritt, zu umgehen, indem sie gegen radikal realistische Vorstellungen von Wahrheit, die quasi den direkten Zugang zur Wirklichkeit proklamieren, andere Kriterien zur Beurteilung besserer oder schlechterer Theorien heranzieht. Die Kategorien, die sie als ,ηοηobjective' heranzieht, gehören gerade zu denjenigen, die auch von Thomas Kuhn angeführt werden, nämlich „applicability, coherence, connectability and so forth" (Herrnstein Smith 1997: 78).41 Es fällt nun wahrscheinlich nicht schwer, ein Kriterium wie Kohärenz aus ausschließlich konstruktivistischer oder rhetorischer Sicht zu beurteilen, auch wenn der Terminus - ebenso wie Schönheit, Eleganz oder Symmetrie - in der Naturwissenschaft eine andere Bedeutung haben dürfte als im Normalgebrauch (vgl. Weinberg 1993: iojff., auf dieses Thema werde ich noch mehrfach zurückkommen). Die Anwendbarkeit und Anschlußfähigkeit einer Theorie läßt sich allerdings weit weniger leicht sozial konstruieren und ist doch wieder auf eine Objektivierbarkeit angewiesen, die hier gerade unterlaufen werden soll.

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Putnam weist dabei auch jeweils wieder darauf hin, daß Rorty, den er hier kritisiert und der diese Form des Relativismus ursprünglich formulierte, später davon Abstand genommen hat (vgl. ibid.). Für andere Vertreter des Relativismus gilt das nicht. Es ist auffällig, daß die v o n K u h n auch noch angeführten Kriterien Tatsachenkonformität und Widerspruchsfreiheit (s. o.) hier fehlen bzw. unter der Formulierung „and so forth" abgehandelt werden.

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Das Problem der Selbstwiderlegung wird auch von David Bloor angesprochen, der in seiner Rechtfertigung des ,strong programme' zunächst einmal selbst die absolute Rolle der sozialen Bedingungen für die Annahme oder Zurückweisung von ,beliefs' zu relativieren scheint. Er beschreibt als den ersten von vier grundsätzlichen Punkten, auf denen das Programm beruhen soll, die Rolle von Kausalitäten für sein Modell: It would be causal, that is, concerned with the conditions which bring about belief or states of knowledge. Naturally there will be other types of causes apart from social ones which will cooperate in bringing about belief. (Bloor 1991: 7, vgl. zu dieser Passage auch Sokal und Bricmont 1998: 90, Fn 1 1 5 )

Der hier benutzte Begriff von ,causes' wird allerdings zunehmend ausschließlich auf die sozialen Bedingungen reduziert, und der dritte Punkt in seiner Liste lautet: „It would be symmetrical in its style of explanation. The same types of causes would explain, say, true and false beliefs" (ibid).42 Damit wird in letzter Konsequenz ganz einfach negiert, daß experimentelle Naturbeobachtung eher zu richtigen Theorien führt als diverse gängige Formen des Aberglaubens. Bloor konstruiert nun (das Wort trifft hier tatsächlich zu) als Gegenposition zu seinem Programm einen hypothetischen naiven Empirismus, nach dem alle sozialen Einflüsse zu Irrtümern führen würden, während die individuelle Beobachtung - und nur diese - einem dem Menschen innewohnenden Wahrheitstrieb nachkäme und zu richtigen Aussagen führen könnte (vgl. ibid.: 13ff.)· Diese Position ist selbstverständlich leicht zu widerlegen, und indem Bloor nun behauptet, sie - oder ein ähnlich konstruiertes teleologisches Modell - läge dem Argument der Selbstwiderlegung notwendigerweise zugrunde, sieht er auch dieses als hinfällig an (vgl. ibid.: 17). Als nächstes folgert er nun aber nicht, wie es seine oben angeführte Maxime erwarten ließe, daß es eine Mischung aus sozialen und empirischen Gründen für ,beliefs' geben könnte, die im Zusammenspiel zu Entscheidungen zwischen richtigen und falschen Aussagen führen. Stattdessen verschiebt er seine Begriffe und spricht in der Folge nicht mehr von sozialen und anderen Gründen für ,beliefs', sondern beständig von einem „social determinism", der deut-

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Dieser Symmetriegedanke führt zu gravierenden logischen Fehlern. Bloor schreibt später: „The meaning of the symmetry postulate [...] is that our best and most cherished scientific achievements could not exist as they do without having the character of social institutions" (ibid.: 164). Selbst wenn man dies eingesteht, folgt daraus keinesfalls der nächste Satz: „They are therefore as socially influenced, and as sociologically problematic, as any other institution" (ibid.). Diese Form der Nivellierung ist schlicht Unfug.

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lieh über die zunächst definierten Thesen hinausgeht (vgl. ibid und passim). Jenseits der Frage, inwieweit die Reflexivität automatisch zu einer Selbstwiderlegung führt, läßt sich allerdings festhalten, daß der Diskurs, durch den die unhintergehbare Relativität jeglicher Wahrheit argumentativ vertreten wird, selbst in seinen Mitteln von der ebenfalls diskreditierten, aber ubiquitären Sprache und Rhetorik bestimmt ist. Und damit ist der dritte Bereich der relativistischen Wissenschaftskritik angesprochen, der mit dem sozialen Konstruktivismus eng verbunden ist, nämlich die Abhängigkeit jeglicher Erkenntnis von Sprache, die daraus folgende unaufhebbare Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit und ihrer Darstellung und schließlich die Instrumentalisierung der Sprache als Mittel zur Uberzeugung und zur Konsensbildung. Die Diagnose einer Rhetorizität in der Wissenschaftssprache wird von verschiedenen Autoren - Soziologen, Rhetorikern und auch Literaturwissenschaftlern - als Beweis dafür herangezogen, daß es keinen fundamentalen Unterschied zwischen wissenschaftlicher, nicht-wissenschaftlicher und literarischer Sprache gibt. Dabei werden sowohl die figurative Sprache und besonders die Metaphorizität als auch die Überzeugungsfunktion hervorgehoben, die sich, folgt man den Untersuchungen, in Forschungsbeiträgen, Artikeln und selbst noch in Laboraufzeichungen feststellen lassen. Nun läßt sich tatsächlich kaum bestreiten, daß die Ubiquität der Rhetorik vor der Wissenschaft nicht halt macht und daß sich rhetorische Elemente in wissenschaftlichen Texten finden - dieses Phänomen wird auch von Wissenschaftlern immer wieder thematisiert und auf seine Konsequenzen hin untersucht. Die Frage, die sich hier allerdings stellt, lautet, ob daraus dann auch eine prinzipielle Gleichartigkeit der Textsorten oder selbst der darin enthaltenen rhetorischen Elemente abgeleitet werden kann, ob also beispielsweise einer Metapher in einem naturwissenschaftlichen Artikel eine vergleichbare Funktion oder Wirkungsweise zugeschrieben werden kann wie in einem Gedicht. Dieser Frage soll nun ausführlicher nachgegangen werden.

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2. Die Rhetorik der Naturwissenschaften 1993 erschien, von Jack Selzer herausgegeben, eine Sammlung von Essays mit dem Titel Understanding Scientific Prose. Die darin enthaltenen Untersuchungen beschäftigten sich sämtlich mit einem einzelnen Artikel von Stephen Jay Gould und R. C. Lewontin, dem vielzitierten „The Spandreis of San Marco and the Panglossian Paradigm". Dieser Text wird von den unterschiedlichsten Seiten beleuchtet; zu den behandelten Themen gehören Narrativik und Intertextualität, die Konstruktion wissenschaftlicher Fakten und die Dekonstruktion des Textes, Gender und Struktur, Wissenschaftskritik und die Strategien des Zitierens. Ein wesentlicher Aspekt dieser Sammlung besteht zudem darin, daß Stephen Jay Gould selbst zu den Analysen Stellung nimmt, teilweise überrascht von den Ergebnissen, teilweise eher nachsichtig mit denjenigen Essays, die seinem Verständnis von Wissenschaft anscheinend entgegenlaufen. Am Ende seines Aufsatzes kommt er selbst auf die Frage zu sprechen, warum der Artikel so erfolgreich war: I believe that the success of „Spandrels" arises not so much from its „pure" science, or even from the logic of its argument, but most of all from its rhetoric (in the honorable, not the pejorative, sense) and its humanistic imagery. The very aspect of writing that rhetoricians treasure and analyze, but that w e scientists ignore and disparage, has caught our colleagues unawares and w o n attention for „Spandrels". (Gould 1993: 3 3 3 )

In diesem Kommentar werden fast alle Aspekte angesprochen, die für den Kontext,science and rhetoric' wesentlich sind. Zunächst einmal wird zwischen der reinen Wissenschaft und ihrer rhetorischen Vermittlung unterschieden, einer Vermittlung, die anscheinend einen wichtigen Faktor für die Aufnahme des jeweiligen Textes durch das Fachpublikum darstellen kann. Gould widerspricht hier der Annahme, in den Naturwissenschaften seien allein die Fakten und die Stringenz der Argumentation ausschlaggebend, die Form des Vortrags dagegen unerheblich. Es mag zwar in der Regel zutreffen, daß Wissenschaftler der stilistischen Seite ihres Schreibens wenig Beachtung schenken, ein rhetorisch ausgearbeiteter Text wird aber eher Aufmerksamkeit auf sich ziehen als einer, der 57

diesen Aspekt des Schreibens vernachlässigt. Eine ähnliche Aussage findet sich bei Finocchiaro: [ N J o r m a l l y the eloquence of an argument or of an experimental r e p o r t does not o u t w e i g h its substantive deficiencies; h o w e v e r , other things being equal, eloquence adds to persuasiveness and plausibility. ( F i n o c c h i a r o 1990: 1 8 8 )

Der zweite wichtige Aspekt in Goulds Einschätzung seines Artikels besteht darin, daß er zwischen zwei Momenten innerhalb der rhetorischen Vermittlung unterscheidet, zwischen der Rhetorik als ars bene dicendi und der ,imagery', der bildlichen Darstellung und Metaphorik, die in dem angesprochenen Artikel schon den Titel vollkommen bestimmt. Diese Trennung ist in der Diskussion um die Rhetorik in den Wissenschaften von erheblicher Bedeutung; sie teilt den Forschungsbereich in zwei weitgehend unabhängige Gebiete auf. Auf der einen Seite steht die Rhetorik als persuasio, d.h. als ein Mittel zur Überzeugung, das jenseits der Fakten auch Argumentationsstrategien einsetzt, die kontextunabhängig sind. Auf der anderen Seite steht die Bildhaftigkeit der Argumentation, die zwar ursprünglich dem sprachlichen ornatus zugeordnet war, aber spätestens seit den Metapherndiskussionen der letzten Jahrzehnte als quasi unhintergehbarer Aspekt jeglicher sprachlicher Äußerung angesehen wird. Beide Seiten der Rhetorik spielen in der gegenwärtigen Wissenschaftsdiskussion eine wesentliche Rolle und dienen gleichermaßen als Argumente für die grundsätzliche Relativierung eines wissenschaftlichen Wahrheitsanspruches. Die Unterscheidung, die Gould zwischen der ehrenhaften und der abschätzigen Bedeutung des Begriffs ,Rhetorik' vornimmt, greift dabei weit in die Geschichte zurück und findet ihre Vorläufer u. a. in den Angriffen auf die Rhetorik in Piatons Gorgias sowie auch in der Sprachkritik, die die Wissenschaftsentwicklung im 17. Jahrhundert begleitete und sich der gängigen Meinung zufolge in dem Motto der Royal Society Nullius in verba niederschlug.1 Der Vorwurf, daß Rhetorik verfälschend wirke und grundsätzlich keine Wahrheitsfindung ermögliche, schlägt auf die Wissenschaft zurück, sobald ihr nachgewiesen werden kann, daß sie selbst rhetorische Methoden anwendet oder sogar auf sie angewiesen ist. Der Aufschwung des Themas ,rhetoric of science' zeugt 1

Gould nimmt in seinem Essay auch zu diesem Motto Stellung und weist darauf hin, daß es sich dabei wohl weniger um eine Sprachkritik gehandelt hat als um eine Abkehr von Autoritäten (vgl. Gould 1993: 317). Das Motto selbst ist die Verkürzung eines Horazzitats aus den Briefen (Erstes Buch, Zeile 14): „Nullius addictus iurare in verba magistri .. („Keinem Meister verpflichtet, auf seine Worte zu schwören . . . " , Horaz 1983: 231).

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von diesem Gegenschlag; die Jahresbibliographie der Zeitschrift Configurations: A Journal of Literature, Science and Technology führt für das Jahr 1995 allein 1 1 0 Veröffentlichungen direkt unter dieser Rubrik auf, weitere 33 behandeln das Thema zumindest teilweise. 1987 schrieb G. S. Rousseau programmatisch: Many literary critics now study the language of „scientific" writings, past and present, as if these works inherently differed from non-scientific, yet the differences are assumed rather than made explicit and one wonders if these so-called differences have not been magnified and exaggerated. (Rousseau 1987:9)

Inzwischen ist die Frage nach einem inhärenten Unterschied zwischen wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Sprache von vielen Seiten untersucht worden. Hermann Josef Schnackertz hat dabei in seiner Untersuchung Darwinismus und Literarischer Diskurs darauf hingewiesen, daß „gerade die Betonung der Vergleichbarkeit unterschiedlicher Diskursformen einer Einebnung ihrer Differenzen Vorschub leistet" (Schnackertz 1992: 16). Er schreibt später noch einmal: „Dank seines Charakters als interdiskursives Sprachspiel ist der literarisch-fiktionale Diskurs nicht den gleichen Erklärungs- und Wahrheitsansprüchen verpflichtet [...]" (ibid.: 18). Gegen eine solche Sicht, die auf Differenzen besteht und damit dem literarischen Diskurs auch ein besonderes Potential zubilligt, werden im Kontext von ,science and rhetoric' vornehmlich die Grenzen zwischen wissenschaftlicher und literarischer Sprache aufgelöst; die Annahme eines speziellen Sprachgebrauchs in den Wissenschaften wird dabei vehement in Frage gestellt. So betont Peter Dear „the significance of literary form and textual strategy in understanding the structure and behaviour of scientific communities and the crucial role played by texts in the creation of knowledge" (Dear 1991: 2). Robert Kelley zieht eine direkte Verbindung zwischen wissenschaftlichen Texten und realistischen Romanen: „[RJeference in scientific discourse operates in essentially the same way as it does in the discourse of the classical realist text" (Kelley 1993: 137). Die Basis, auf der Kelley argumentiert, ist Barthes' S/2, und er kommt zu dem Schluß: Scientific texts [...] seem susceptible to the same kind of analysis that Barthes performs on Sarrasine. In short, despite its very different appearance and seemingly different assumptions, scientific discourse shares many traits with realistic narrative, (ibid.: 139)

Die interpretatorische Gewaltanwendung, die Kelleys Gleichsetzung von wissenschaftlichem und literarischem Diskurs zugrunde liegt, wird aller59

dings deutlich, wenn er eine Analogie zwischen dem wissenschaftlichen Text und der Spannung einer Detektivgeschichte zieht: „As with the mystery story, we can posit a pleasure derived by the reader of the scientific paper as his or her beliefs about the outcome and relevance of a particular experiment are confirmed" (Kelley 1993: 136). Diese Sicht der wissenschaftlichen Sprache führt hier zunächst nur bedingt zu einer Aufwertung des poetischen oder literarischen Sprachgebrauchs, stattdessen wird die Wissenschaft gewissermaßen auf das Maß der Dichtung zurechtgestutzt' und erscheint nun nur noch als eine der möglichen Weisen der rhetorischen Welterzeugung. Wissenschaft und Literatur konvergieren. Von der Gleichsetzung der beiden Sprachformen ist es nur ein kurzer Weg bis zum Postulat der Überlegenheit der literarischen Sprache selbst in wissenschaftlichen Kontexten. Zu den Verfechtern dieses Gedankens gehört David Porush, der Prigogines Forderung einer „new mode of description in which time and freedom, rather than determinism, would play a fundamental role" (Prigogine 1980: xvii) in der literarischen Sprache gewährleistet sieht: Prigogine's new paradigm empowers fiction as that „new mode of description" [...]. If he is correct, then science now is forced to grant that reality exists at a level of human experience that literary tools are best, and historically most practised, at describing. As a result, even by science's own terms, literary discourse must be understood as a superior form of describing what we know. (Porush 1991: 77)

Die literarische Sprache wird dabei zu einem sine qua non für zukünftige wissenschaftliche Diskurse: „[LJiterary language becomes a model for a kind of knowing that best communicates the ,opacity' - or at least the unpredictability - of the universe" (Porush 1991: 80). An anderer Stelle folgt dann noch die Aussage: „Literary language commands techniques that scientific discourse must adopt if it is going to succeed" (Porush 1992: 302). Dabei stellt sich natürlich die Frage, warum die Naturwissenschaftler anscheinend nicht in der Lage sind, von sich aus zu erkennen, welche Sprache ihnen nützt - und warum sie einen Literaturwissenschaftler dafür brauchen, sie darüber aufzuklären. Es ist allerdings kaum zu übersehen, daß in dem ersten Zitat von Porush ein recht weiter Schritt von der ersten Möglichkeit ("if he is correct") zu der umfassenden Feststellung einer Notwendigkeit („science now is forced" bzw. „literary discourse must be understood") vollzogen wird. Gleichzeitig steht die Verallgemeinerung der Aussage eines einzelnen Wissenschaftlers zu einer umfassenden Gesetzmäßigkeit auf keinem besonders stabilen Fundament; 60

die überaus selektiv gewonnene Feststellung erhält hier einen Wahrheitsanspruch, der den Wissenschaften selbst abgesprochen wird. Eine ähnliche Zielrichtung wie Porush lag auch schon Roland Barthes' einflußreichem Aufsatz „Science versus Literature" zugrunde. Barthes kritisiert darin die Annahme der Wissenschaften, es sei möglich, die Sprache rein instrumentell zu benutzen. Zwar gilt sein vordergründiges Interesse der Frage nach der Verortung des Strukturalismus zwischen Wissenschaft und Literatur, aber die Beantwortung dieser Frage beinhaltet auch die Forderung nach einer Neubewertung der wissenschaftlichen Sprache. [SJtructuralism will be just one more ,science' (several are born each century, some of them only ephemeral) if it does not manage to place the actual subversion of scientific language at the centre of its programme, that is to ,write itself'. (Barthes 1967: 898)

Indem sich der Strukturalismus dem Schreiben und damit einer Praxis der Sprache in ihrer Totalität zuwendet, vollzieht er sein Programm der Entthronisation eines fragwürdigen wissenschaftlichen Uberlegenheitspostulats und damit auch der Wahrheitsansprüche, die mit der Annahme einer neutralen Sprache einhergehen: Scientific discourse believes itself to be a superior code; writing aims at being a total code, including its own forces of destruction. It follows that writing alone can smash the theological idol set up by a paternalistic science, refuse to be terror-stricken by what is wrongly thought of as the ,truth' of the content and of reasoning, and open up all three dimensions of language to research, with its subversions of logic, its mixing of codes, its shifts of meaning, dialogues and parodies, (ibid.)2

Er kommt dann zu dem Schluß: [S]cience will become literature, to the same extent as literature, growing subject as it is to an overturning of the traditional genres of poetry, narrative,

2

Vgl. dazu Calvinos Kritik an Barthes, in der er nicht den Wahrheitsanspruch in den Wissenschaften verteidigt, sondern darauf hinweist, daß die Probleme des Sprachgebrauchs dort durchaus bekannt sind. „But can the science of today really be defined by such a trust in an absolute code of references, or is it not in itself by this time a continual questioning of its own linguistic conventions? In his polemic against science Barthes appears to envisage a kind of science far more compact and sure of itself than it really is" (Calvino 1997: 29). Zudem greift Calvino Barthes genau dort an, w o dieser seine Domäne errichten wollte, in der freien, lustbesetzten Sprache, und er vergleicht ihn mit dem mathematisch versierten Queneau: „On the one side is Barthes with his followers,,enemies' of science, who think and talk with scientific precision; on the other is Queneau with his, friends of science, who think and talk in terms of caprice and somersaults of language and thought" (ibid.: 31).

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criticism and essay, already is and has always been a science. What the human sciences are discovering today, in whatever field it may be, sociological, p s y chological, psychiatric, linguistic, etc., literature has always known. The only difference is that literature has not said it, but written it. (ibid.)

Offensichtlich war Wissenschaft laut Barthes schon immer in der Literatur aufgehoben. Was hier in die Zukunft verlegt wird, ist die Erkenntnis dieser Tatsache durch die Wissenschaftler, die ihre Prämisse eines neutralen Sprachgebrauchs aufgeben und sich der unvermeidlichen Vielschichtigkeit jeglicher Sprache bewußt werden müssen. Barthes' Programm richtet sich ausdrücklich an die Geisteswissenschaften; es kann kaum übersehen werden, daß am Anfang wie am Ende seines Textes eine Einschränkung auf die ,human sciences' steht. Der Angriff auf eine paternalistische Wissenschaft und „a theological truth proudly, and improperly, freed from language" (ibid.) läßt allerdings die Vermutung zu, daß die Überlegungen über diesen begrenzten Rahmen hinausgehen. Dementsprechend wird die Beschränkung von Autoren, die auf Barthes zurückgreifen, meist nicht berücksichtigt (vgl. z.B. Calvino 1987: 28ff.; Hayles 1990a: xii, 1991: 5, 1990b: 21 if.). Das Programm ist zweiseitig; es richtet sich einerseits an die entpersonalisierte Wissenschaft als solche, andererseits an das ebenso abstrakte ,Schreiben', dem die kritische Rolle zugewiesen wird. Da nun aber die Wissenschaft selbst zum ,Schreiben' werden soll, muß sie gewissermaßen in Distanz zu sich selbst treten und ihre eigene Kritik werden. Wesentlich ist dabei, daß der Kritik ihr Ziel und Ergebnis sozusagen schon eingeschrieben ist; es geht nicht um die Beantwortung einer offenen Frage, sondern um eine Bestätigung der vorgegebenen Antwort. Dieses Moment findet sich in den Untersuchungen zur Rhetorik wissenschaftlicher Sprache wieder. Steve Woolgar, von Hause aus strikter Anhänger des sozialen Konstruktivismus und vehementer Kritiker jeder Form von wissenschaftlichem Realismus, schreibt dementsprechend: In general terms, rhetorical analysis involves the identification of features of the organization of discourse/text. This kind of analysis seems to involve at least some degree of critical stance vis-à-vis the text: the identification of „features" serves to ironicize the (unanalyzed) text's claim to neutrality as a medium of representation. To point out (analyze) „features" is to insert a lever between text and object, to raise doubts about the text's claims to fidelity. (Woolgar 1989: 47Í.)

Die Analyse ist damit nicht eine Methode der Erklärung oder des Verstehens, sondern Mittel zur Entlarvung, einer Entlarvung, die durch die vor62

gewußte Ubiquität der Rhetorik ihr Ergebnis quasi als Prämisse vor sich her trägt. Entsprechend schreibt James Bono: „One task for the field of literature and science, arguably, is to unmask the reality of the discourse^) of science" (Bono 1990: 59).' Der Aspekt der persuasici in der rhetorischen Wissenschaftsvermittlung gewinnt dabei seine Bedeutung durch die berechtigte Annahme, daß die Anerkennung einer wissenschaftlichen Faktizität nicht allein aus der Evidenz der vorliegenden Forschungsergebnisse abzuleiten ist, sondern auch durch wissenschaftsexterne Komponenten der Argumentation gefördert wird. Daß die Überzeugungskraft wissenschaftlicher Texte bei der ,peer evaluation' und der Annahme durch das Fachpublikum nicht ausschließlich aus der strikten Vermittlung von Fakten resultiert, wird wohl von kaum einem praktizierenden Wissenschaftler bestritten, wenn auch in der Einschätzung des Gewichtes, das den rhetorischen Komponenten zugemessen wird, erhebliche Unterschiede bestehen. Finocchiaro hat in diesem Zusammenhang zudem darauf hingewiesen, daß auch die AntiRhetorik, die den wissenschaftlichen Diskurs traditionell als Topos begleitet, grundsätzlich eine Form der Rhetorik darstellt. Selbst der absichtsvoll kunstlosen Sprache einer oratio inornata läßt sich eine rhetorische Überzeugungsfunktion zuordnen, so wie auch puritas und perspicuitas einerseits Elemente wissenschaftlicher Darstellung sind, und andererseits eine besondere Stellung im System der Rhetorik einnehmen und zur persuasio beitragen. Noch deutlicher tritt der Überzeugungsaspekt der Wissenschaft hervor, wenn auch die Frage nach der finanziellen Förderung von Projekten in die Diskussion einbezogen wird. Der Zwang, nicht nur ein Fachpublikum, sondern auch die Wissenschaftsadministration, sowie gelegentlich den Gesetzgeber und darüber hinaus auch die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit und Fruchtbarkeit wissenschaftlicher Großprojekte zu überzeugen, stellt in den letzten Jahrzehnten einen wesentlichen Aspekt der Wissenschaftsvermittlung dar, der zwar strenggenommen kein Teil der wissenschaftlichen Arbeit ist, aber doch in die Tätigkeit des Wissenschaftlers einfließt.4 Das gesellschaftliche „anti-science phenomenon" (vgl. Holton 1992) hat unzweifelhaft Auswirkungen auf die Realisierbarkeit kostenintensiver Forschungsvorhaben; dementsprechend läßt sich z.B. Steven Weinbergs Dreams of a Final Theory als Versuch lesen, die 3 4

Eine Kritik von Bonos Artikel findet sich bei Carroll 1995: 7jf. Eine Untersuchung zur Bedeutung der Rhetorik in einer Anhörung zu potentiell riskanter gentechnologischer Forschung an der Harvard University findet sich in Waddell 1989.

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amerikanische Öffentlichkeit zugunsten einer staatlichen Finanzierung des ,Superconducting Super Collider' zu beeinflussen. Daß dieser Versuch auch eine ausgefeilte Rhetorik zur Anwendung bringt, wird nicht weiter erstaunen. Handelt es sich bei der rhetorischen Überzeugung um einen absichtsvollen Einsatz sprachlicher Möglichkeiten, so gilt das nur begrenzt für die Metaphorik. Goulds anfangs zitierte Ausführungen beziehen sich zwar auf eine kunstvolle und wirksame Bildhaftigkeit, die hier als ein Teil des ornatus gesehen werden kann, diese Einschränkung des figurativen Gehalts von Sprache auf eine bewußt eingesetzte Metaphorizität ist aber durch die Rhetorik-Diskussion der letzten Jahrzehnte in Frage gestellt worden. Paul de Man z.B. spricht von der Unmöglichkeit, „to maintain a clear line of distinction between rhetoric, abstraction, symbol, and all other forms of language" (de Man 1978: 28), und bei Alan Gross findet sich die kategorische Feststellung, „metaphors in science can disappear only when scientists can redescribe natural relationships in language free from metaphor. And they cannot; [...]" (Gross 1990a: 81). Ähnlich universelle Äußerungen finden sich im Kontext der Neuen Rhetorik auch zur persuasio, wenn dort festgestellt wird, daß jede sprachliche Äußerung auf Überzeugung abzielt (vgl. Ueding und Steinbrink 1994: 166).5 Rhetorik und Metaphorik erscheinen damit als notwendige Eigenschaften jeglicher Sprache und unfreiwillige Bestandteile selbst noch der kunstlosesten und trockensten wissenschaftlichen Darstellung. Richard Nate schreibt allerdings dazu: „Wird der Begriff der ,Rhetorik' zur universellen Kategorie, so droht er gerade wegen seiner Universalität als deskriptiver Terminus unbrauchbar zu werden" (Nate 1996: 112). Folglich ist eine Argumentation, die lediglich auf dem Nachweis einer allgemeinen Rhetorizität beruht und daraus ihr Angriffspotential bezieht, entweder banal, oder sie muß auf ältere Rhetorikkonzepte mit einer traditionelleren Sicht der Metapher zurückgreifen. Eine Vermischung sollte unzulässig sein. Sie ist es anscheinend nicht immer. Die Versuche, rhetorischen Figuren einen kognitiven Gehalt zuzusprechen oder ihre Rolle als „legitimate device not only in literature but in science, philosophy, and the law" (Davidson 1978: 31) zu bestimmen, werden dabei gelegentlich aufgegeben, eventuell sogar einfach dem wissenschaftspolitischen Kalkül geopfert, um so ihre Funktion als Lüge in einem gerade noch außermoralischen Sinne zu unterstreichen. Ich werde darauf zurückkommen. 5

Die Autoren zitieren in diesem Zusammenhang W. R. Winterowd mit dem Satz: „Whenever we use language we use persuasion" (ibid., das Zitat stammt aus Winterowd 1968:4).

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Den beiden angesprochenen Aspekten der Rhetorik, Bildhaftigkeit und Überzeugung, ist, wie schon gesagt, gemein, daß sie dem Idealbild einer interesselosen und uneingeschränkt präzisen wissenschaftlichen Sprache widersprechen und daß sie sich dazu eignen, die Grenzen zwischen literarischer und wissenschaftlicher Sprache in Frage zu stellen. Hier findet sich bei diversen Kritikern eine Ausweitung des Begriffs ,literarisch', die zumindest problematisch ist. Es wurde schon in der Einleitung auf Matthew Arnolds Totalisierung des Begriffs Literatur hingewiesen. Diese Argumentation findet sich erneut in verschiedenen radikal wissenschaftskritischen Texten der letzten Jahrzehnte. Es handelt sich dabei um eine Art geisteswissenschaftlichen Reduktionismus, durch den versucht wird, alle Wissenschaften und alle Formen des Wissens als textuell und rhetorisch fundiert zu begreifen und daher der eigenen Disziplin unterzuordnen.6 Das bekannteste und wohl auch am häufigsten zitierte Beispiel dürfte Bruno Latours und Steve Woolgars Laboratory Life sein. Einer der immer wieder hervorgehobenen Aspekte ihres Buches ist die Feststellung, daß die Arbeit in einem naturwissenschaftlichen Labor weitgehend auf Schrift und Schreiben, auf ,literary inscriptions' basiert. Wie schon oben angeführt, beschreiben die Autoren ihre eigene ,anthropologische' Arbeit im Labor in einer notwendigen selbstreflexiven Relativierung als „no more than a fiction" (Latour und Woolgar 1986: 257, kursiv im Original). In einer Fußnote dazu folgt eine genauere Bestimmung des Begriffes fiction'; u. a. heißt es dort: „Our main interest in using the word ,fiction' is the connotation of literature and writing accounts" (ibid.: 261), und mit Verweis auf Michel Serres schließen die Autoren mit dem programmatischen Satz: „Our discussion is a first tentative step towards making clear the link between science and literature" (ibid.). Diese Verbindung von Wissenschaft und Literatur basiert auf dem Begriff ,literary', wie er im 6

Unterschiedliche Formen des Reduktionismus finden sich in den Naturwissenschaften, in denen beispielsweise die Gesetze der Chemie potentiell unter die der Physik zu subsumieren sind. Ich werde später an verschiedenen Stellen darauf zurückkommen. Diese Art des physikalischen Reduktionismus wird gewöhnlich im geisteswissenschaftlichen Umfeld strikt kritisiert, die gegenläufige Bewegung eines soziologischen oder rhetorischen Reduktionismus sollte dabei aber nicht übersehen werden. Joseph Carroll schreibt dazu: „The leading figures in contemporary theory seek to promote literary studies not as an autonomous discipline but as a discipline that contains all others. The frequent manifestos in favour of ,interdisciplinary' study are not usually recommendations that literary critics should actually assimilate the information and methodological principles available in other disciplines; they are more often claims that the kinds of knowledge available in other disciplines can readily be translated into the principles of rhetoric or textuality" (Carroll 1995: 30, vgl. dazu auch McGuire und Melia 1995).

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Text eingeführt und kontinuierlich benutzt wird, und es lohnt sich, dem nachzuspüren. Die wichtigen Passagen dazu finden sich in Kapitel zwei, in dem die Autoren das Unterkapitel „Literary Inscription" mit dem Satz beginnen: In this chapter, we follow the trials and tribulations of a fictional character, „the observer," in his attempt to use the notion of literary inscription as a principle for organizing his initial observations of the laboratory, (ibid.: 45) In einer Fußnote dazu wird der Begriff der ,inscription' präzisiert oder vielmehr erweitert: The notion of inscription as taken from Derrida (1977) [d.h. aus der Grammatologie, es fehlt jede genauere Angabe; D. V.] designates an operation more basic than writing. It is used here to summarize all traces, spots, points, histograms, recorded numbers, spectra, peaks, and so on. (ibid.: 88) Was allerdings unbestimmt bleibt, ist das Adjektiv ,literary'; es könnte zwar so erscheinen, als würde, da der Begriff der ,inscription' stark erweitert wurde, nun wieder eine Einengung auf das eigentliche Schreiben vorgenommen; dies wird aber durch die weitere Argumentation nicht bestätigt, denn auf der folgenden Seite heißt es über einen Arbeitsplatzes im Labor: [A] desk belonging to one of the inhabitants of office space [...] is covered with paperwork. On the left is an opened issue of Science. To the right is a diagram which represents a tidied or summarised version of data sheets lying further to the right. It is as if two types of literature are being juxtaposed,·, one type printed and published outside the laboratory; the other type comprises documents produced within the laboratory, such as hastily drawn diagrams and files containing pages of figures, (ibid.: 47, kursiv im Original) Hier wird nicht nur beschrieben, wie ,zwei Arten von Literatur' miteinander verknüpft werden, sondern es werden auch zwei Begriffe von Literatur zusammengezogen und gleichgestellt, so daß die frühere Erweiterung von ,inscription' nun auch für ,literature' gilt und flüchtige Notizen und selbst maschinell erstellte Diagramme und Kurven als literarische Formen erscheinen. ,Literary inscription' ist damit in der Verwendung von Latour und Woolgar keine Präzisierung von ,inscription', sondern eine Tautologie. Folgerichtig werden die Labortechniker, die sämtliche Meßergebnisse notieren müssen, als „compulsive and almost manic writers" bezeichnet und mit „particularly scrupulous novelists" (ibid.: 48) verglichen. 66

Die hier beschriebene Verwendung des Begriffes ,literary inscription' ist zunächst noch nicht problematisch, da die eigenwillige Definition durch den Text noch mitgeliefert wird; darüber hinaus wird auch darauf hingewiesen, daß die "Wissenschaftler selbst in keiner Weise mit dieser Bestimmung einverstanden waren. Die Autoren schränken zudem ihren eigenen Sprachgebrauch wieder ein, indem sie auf den ,intermediary status' ihres fiktiven anthropologischen Beobachters hinweisen: One consequence of his intermediary status is that his account so far has failed to satisfy any one audience. It could be said, for example, that in portraying scientists as readers and writers he has said nothing of the substance of their reading and writing. Indeed, our observer incurred the considerable anger of members of the laboratory, who resented their representation as participants in some literary activity. In the first place, this failed to distinguish them from any other writers. Secondly, they felt that the important point was that they were writing about something, and that this something was „neuroendocrinology". Our observer experienced the depressing sensation that his Ariane's thread had led him up a blind alley, (ibid.: 53, Hervorhebungen im Original)

In der Literatur zu ,literature and science' oder ,rhetoric of science' bleiben diese Einschränkungen allerdings unberücksichtigt. Die Aussagen werden nun nicht mehr einem subjektiven anthropologischen Beobachter zugeschrieben, der versucht, seine neue Umgebung zu verstehen, sondern erscheinen als nachgewiesene Fakten, quasi als ,Wahrheit' über die allgegenwärtigen rhetorischen Merkmale wissenschaftlicher Auseinandersetzung. So verweisen Beer und Martins in ihrer Einleitung zu Rhetoric and Science auf Laboratory Life und ziehen u. a. den dort eingeführten Begriff der ,inscription', der, wie oben zitiert, auch maschinell erstellte Kurven, Diagramme und Markierungen umfaßt, unproblematisch als Beleg für den Gebrauch rhetorischer Mittel zu Uberzeugungszwecken heran: All these interactive roles involve the use of rhetoric in the more limited sense of exposition and persuasion. Latour and Woolgar, studying the life of a laboratory as anthropologists, indeed, emphasize that they are watching a tribe addicted to inscription. (Beer und Martins 1990: 1 7 1 )

Bei Karin Knorr-Cetina werden die Begriffe, die Latour und Woolgar durch ihre Definition der ,inscription' als „more basic than writing" (s.o.) eigentlich getrennt hatten, kurzerhand wieder gleichgestellt, wenn sie schreibt: „Latour and Woolgar have recently illustrated the importance of writing in the laboratory" (Knorr-Cetina 1981: 14) und dazu in einer Fußnote besonders „the notion of,literary inscription' for taking a meas-

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urement" hervorhebt (ibid.: 30). 7 Hier findet eine Begriffsverwirrung statt, die man für einfach nachlässig halten könnte, wenn sie nicht einem klar erkennbaren Zweck diente, nämlich eine Ubiquität der rhetorischen und letztlich literarischen Sprache in der Wissenschaft nachzuweisen und damit jegliche wissenschaftliche Forschung und die durch sie gewonnenen Ergebnisse lediglich als Resultate sozialer Interaktion und Konstruktion festzuschreiben. Auch wenn man diesen extremen Aussagen und den selbst überaus konstruierten Ansätzen nicht folgt, bleibt die Feststellung bestehen, daß wissenschaftliche Texte als Texte eine nicht unerhebliche rhetorische Komponente haben, und damit erhebt sich zwingend die Frage nach dem Stellenwert, der einer rhetorischen Analyse selbst zukommen soll. Zunächst einmal kann die Rhetorik zum Verständnis und Selbstverständnis der Wissenschaften beitragen und den rhetorischen Gehalt, der sich in jeder sprachlichen und wohl auch in jeder formallogischen Aussage finden läßt, als solchen, also als nicht ausschließlich sachbezogenen Aspekt der wissenschaftlichen Arbeit untersuchen. In diesem Sinne schreibt Lawrence Prelli in dem abschließenden Kapitel zu seiner Untersuchung wissenschaftlicher Rhetorik: I have shown there is a rhetorical dimension to doing science. That does not imply science is rhetoric. It is to say that we shall not fully understand how science is „done" unless we understand its rhetorical aspects as well as its other aspects. (Prelli 1989: z6zi., kursiv im Original) Ahnlich schreibt auch Richard Nate: Grundlegend [...] ist die Uberzeugung, daß es nicht Universalaussagen wie das positivistische „science is anything but rhetoric" oder das relativistische „science is nothing but rhetoric" sind, die zur Erhellung des Gegenstandsbereiches beitragen, sondern daß Differenzierungen notwendig sind, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen [...]. (Nate 1996: 112, kursiv im Original) Die hier vorgenommene Abwehr einer totalisierenden Einordnung der Wissenschaft unter das ,umfassendere' Feld der Rhetorik zieht eine Trennlinie zwischen einer ,rhetoric of science' und der ,science per se' (vgl. Prelli 1989: 6; ähnlich auch Locke, D . 1992: 210). Die Trennlinie zwischen der Wissenschaft und der Sprache als einem ihrer Aspekte wird auch von McGuire und Melia in ihrer Kritik an Alan 7

Weitere Verweise auf die ,literary inscriptions' in den Wissenschaften finden sich z.B. bei Winsor 1993: 128, Bazerman 1988: 28 n.; Dear 1991: 2, Golinski 1990: 496f.; der Versuch, hier Vollständigkeit zu erreichen, wäre zum Scheitern verurteilt. 68

Gross betont, wenn sie über die Texte der ,hard sciences', Physik, Astronomie und Mathematik, schreiben: „We doubt that the texts in these exemplary sciences can be exhaustively accounted for in rhetorical-hermeneutical terms alone" (McGuire und Melia 1989: 88). In seiner Antwort auf diese Kritik besteht Gross allerdings noch einmal auf der Totalität der Rhetorik und schreibt: [T]here is no line that can be successfully drawn between rhetoric and scientific knowledge. [...] B y means of the rhetorical analysis of the hard sciences

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biology, chemistry, and physics - rhetoric of inquiry inserts itself into the inner sanctum of epistemological and ontological privilege. If no aspect of these sciences is proof against this analysis, the case for the rhetorical construction of all knowledge is immeasurably strengthened. (Gross, 1991, S. 28 j) 8

Gross geht dabei deutlich über die oben angeführten Ansätze hinaus, welche die Rhetorik lediglich als einen Teil der wissenschaftlichen Arbeit und Vermittlung zu etablieren suchten. Hier findet sich letztlich eine Art ,theory reductionism', wie er von Weinberg beschrieben wird, d. h. „the explanation of a whole theory in terms of a more inclusive theory" (Weinberg 1993: 42 Fn). Während bei Weinberg jedoch verschiedene Zweige der Naturwissenschaften möglicherweise durch eine grundsätzlichere naturwissenschaftliche Fragestellung erfaßt werden können, werden hier die Wissenschaften als solche ausschließlich als Ergebnis der wissenschaftlichen Diskurse und der in ihnen wirksamen Uberzeugungsarbeit gesehen. Die Tatsachen verschwinden hinter den sozialen Beziehungen, durch die sie letztlich erst geschaffen werden. Einer der extremsten Verfechter dieser Position ist Steve Woolgar, der in einem Essay gemeinsam mit Keith Grint Abweichler von der reinen Lehre zur Ordnung ruft. Darin wird auch noch einmal die grundsätzliche Position umrissen: Research in social studies of science and technology has repeatedly and overwhelmingly demonstrated how truth is the contingent upshot of social action

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Die Diskussion war damit noch nicht beendet. McGuire und Melia reagierten erneut auf Gross' radikale Position und fragten dabei auch, wie unter den gewählten Prämissen überhaupt eine nicht-rhetorische Wissenschaft möglich sein könnte. „The peripety favoring rhetoric [...] seems to be accomplished by the following sequence: Everything is text (Derrida's ,11 n'y a pas dehors text'); ,A11 science is therefore text' (Latour and Woolgar); ,A11 text is rhetorical,' a possibly correct rendering of Roland Barthes and probably a misunderstanding of Kenneth Burke; ,A11 science is therefore rhetorical' - the incautious postulate of the radical rhetoric of science. Professor Gross, having had his Derridean cake, attempts to eat it by banishing facts from the realm of science: ,What is not textual is not science'" (McGuire und Melia, 1991: 30$).

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rather than its prerequisite. Knowledge claims are deemed to be true as a result of a particular concatenation of social relationships: truth is the ex post shorthand for agreement on a state of affairs; facts become true (facts) by virtue of actors' beliefs; beliefs are not caused by true facts. (Grint und Woolgar 1995: 3°4)

Die Bedeutung, wenn nicht die Dominanz der sozialen Interaktion und der Rhetorik in den Wissenschaften wird allerdings gelegentlich selbst mit einigem rhetorischen Aufwand und dabei auch mit Hilfe nicht vollkommen überzeugender rhetorischer Schlußverfahren hervorgehoben. Ein Beispiel soll hier genügen. Peter Dear stellt an den Anfang seiner Überlegungen zu „Narratives, Anecdotes, and Experiments" eine, wie er selbst schreibt, nicht vollkommen übliche Definition: The following pages employ the term „experiment" in a special way. An „experiment" will be a historical event in which an investigator experiences the behaviour of a contrived setup, or apparatus, and uses, or might use, a report of that historical event as an element in constructing an argument intended to establish or promote a knowledge-claim. An experiment, therefore, is only an experiment if it appears as one in scientific discourse, or might well do so given the context in which it was created. (Dear 1991: 137Í.)

Damit ist eine deutliche Einschränkung gegenüber der weiteren Definition des Experiments als eines rein praktischen Versuchs vorgenommen, und da der wissenschaftliche Diskurs hier ein konstituierendes Element jeglichen Experimentes sein muß, wird es nicht erstaunen, daß konsequenterweise die sprachliche Vermittlung nun ein wesentlicher Bestandteil der neuen Kategorie ,Experiment' ist. Damit wird aber auch die bisherige Praxis neu organisiert, und traditionelle Experimente fallen nicht mehr unter die neu vorgegebene Rubrik: Thus, for example, when Galileo rolled balls down inclined planes, and shot them off the edges of tables to measure the distance of travel, he was not performing experiments unless he did these things as underpinning for their formal presentation in his writings as discrete historical events. But such is not the case, (ibid.: 138)

Eine derartige Vorgehensweise könnte dazu genutzt werden, Untersuchungen an dem nun eingeschränkten Material vorzunehmen, aber Dear geht einen anderen Weg, indem er seine Analyse nun wieder dazu einsetzt, seine neue Definition zu verallgemeinern und damit den Erfahrungsbereich des Experiments der sprachlichen Vermittlung unterzuordnen: 70

To understand the appearance of experiment, or experimental science, in the seventeenth century, then, we have to look at the general category of experience as an element in formulating natural knowledge. That means investigating the literary constitution and function of experience in scientific argument, because it is in texts that the knowledge is made. Episodes such as Galileo's rolling of balls down inclined planes, or Riccioli's raining of clay balls from Bolognese towers, do not in themselves amount to experiments, (ibid.: 163)

Die eingeschränkte Definition wird hier schließlich dazu verwandt, sich selbst als Norm zu konstituieren, die anfangs ausgegrenzten Experimente werden folgerichtig als der Kategorie nicht zugehörig ,erkannt', die Prämissen der Untersuchung werden in einem Zirkelschluß zum Ergebnis erhoben. Damit ist es dann auch die rhetorische Analyse, die zu den eigentlichen Problemen vordringt, und Dear schreibt abschließend zu den genannten Experimenten: They have meaning only by virtue of an entire set of cognitive assumptions and expectations appropriate to their intended readership. [...] The creation of experimental natural philosophy must be understood through the exploitation and deformation of that framework by literary techniques and strategies. (ibid.)9

Folglich geht die empirische Naturphilosophie quasi restlos in der Rhetorik der Wissenschaft auf. Dabei ergibt sich notwendigerweise das Problem der Reflexivität. Die Relativierung, die diese Form der rhetorischen Analyse mit sich bringt, schlägt automatisch auf sie selbst zurück, wenn sie insistiert, daß es außerhalb der Rhetorik keinerlei Zugang zu einer unverstellten Realität gibt. Wie in anderen Bereichen der Wissenschaftskritik unterminiert hier der Einspruch gegen jeglichen Wahrheitsanspruch die eigene totalisierende Aussage. Ein weiterer Aspekt des Themas der Rhetorik in den Wissenschaften sollte in dieser Ubersicht des Gebietes noch kurz angesprochen werden. Hinter einem radikalen, disziplinüberschreitenden Reduktionismus, der zudem in einer jahrhundertealten Auseinandersetzung zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften einzuordnen ist, läßt sich auch ein Interesse vermuten, das nicht ausschließlich der Wahrheitsfindung dient. Weinberg weist darauf hin, daß sich die Diskussion um die fundamenta9

Eine ähnliche Argumentation findet sich auch in Dear 1985. Er beschreibt dort den Übergang von der Kommentierung autoritativer Texte wie beispielsweise der Bücher von Aristoteles zur Darstellung selbstvollzogener Experimente im Forschungsbericht primär als einen Wechsel zwischen unterschiedlichen literarischen Formen; die Bedeutung der Beobachtung für die wissenschaftliche Erkenntnis tritt in seiner Argumentation deutlich in den Hintergrund.

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len Wissenschaftsansätze nicht vollständig von der Frage der Wissenschaftsfinanzierung trennen läßt (vgl. Weinberg 1993: 42Î., vgl. auch Theocharis und Psimopoulos 1987). Diese Frage bestimmt zumindest teilweise die Diskussion um die ,science wars', die seit einigen Jahren vehement und gelegentlich überaus polemisch geführt wird. So bildet in George Levines Beitrag zu der inzwischen wohlbekannten Ausgabe von Social Text, in der auch Alan Sokals absurder Artikel erschien, die Frage nach Kürzungen der Budgets aller Fakultäten die Folie, auf der die Auseinandersetzung zwischen den Wissenschaftsbereichen geführt wird. Die Angriffe verschiedener Naturwissenschaftler gegen den Relativismus, der in den ,science studies' weitgehend die Regel ist, werden hier als Scharmützel in einem umfassenden Verteilungskampf gesehen: The squabbles ... have now been inflated to holy wars because there is so much at stake: intellectual authority, educational direction, disciplinary turf, the allocation of big money. Many more people than Levitt and Gross are taking cultural criticism of science seriously because scientists are themselves feeling vulnerable. Their funding is getting cut, too. (Levine 1996: ii4f., kursiv im Original)10

Diese durchaus anders gelagerte Rhetorik sollte hier zumindest beiläufig erwähnt werden, weil sie in der momentanen Diskussion zwischen den ,science studies' und den Naturwissenschaften eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Im Folgenden sollen die schon oben angesprochenen Aspekte der Rhetorik, Metaphorik und Uberzeugung und ihre Rolle in den Naturwissenschaften genauer untersucht werden. Sie sind dabei so weit voneinander unterschieden, daß es mir notwendig erscheint, sie getrennt zu behandeln. In beiden Fällen ist allerdings gleichermaßen die Frage zu stellen, ob es zwingend notwendig oder auch gerechtfertigt ist, aus dem rhetorischen Gehalt wissenschaftlicher Sprache weitgehende Folgerungen zur Relativität jeglicher Erkenntnis zu ziehen, und ob sich Analysen zu einem Zweig von Wissenschaft problemlos auf andere übertragen lassen. So lassen ErIO

Ein ähnliches Moment findet sich auch bei N. Katherine Hayles, die schreibt: „One of the grotesque exaggerations in which Levitt and Gross indulge is the fantasy that the cultural and social studies of science are responsible for cuts in their funding for basic scientific research." (Hayles 1996: 234). Norman Levitt und Paul Gross - letzterer darf keinesfalls mit dem WissenschaftsrhetorikerAlan Gross verwechselt werden - sind die Autoren von Higher Superstitions: The Academic Left and Its Quarrels with Science, einer heftigen Kritik der .science studies' und des radikalen Relativismus. Die Autoren stellen allerdings, wie sie selbst betonen, in diesem Buch keine Verbindung zwischen finanziellen Kürzungen der Wissenschaftsbudgets und den Angriffen der „cultural studies" her (vgl. Gross P. und Levitt 1998: 295f·)· Hayles' Behauptungen sind hier ganz einfach falsch.

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kenntnisse über die Narrativik in der Paläontologie und Archäologie nicht notwendigerweise auf Parallelen in der theoretischen Physik schließen, während andererseits die inzwischen hinreichend bekannten sprachlichen Probleme im Kontext der Quantenmechanik nicht unbedingt Analogien in der Evolutionstheorie haben. Es scheint mir ein wesentliches Problem im Umfeld des Arbeitsbereiches ,Literatur und Naturwissenschaft' zu sein, daß die verschiedenen Wissenschaften gelegentlich ziemlich unvermittelt zu der einen ,Wissenschaft' zusammengefaßt werden, daß der einzelne Wissenschaftler zum allgemeinen Typus erhoben wird und daß damit Generalisierungen vorgenommen werden, die zwar dem Interesse einer Wissenschaftskritik zugute kommen, aber keiner genauen Überprüfung standhalten. 11

2.1. Die uneigentliche Sprache oder: ,Ein Heer von Metaphern und Metonymien' Die Frage, ob eine metaphorische oder figurative Sprache lediglich den Anforderungen an den ornatns folgt, dem „Anspruch des Menschen (sowohl des Redenden als auch des Hörenden) auf Schönheit menschlicher Lebensäußerungen und menschlicher Selbstdarstellung überhaupt" (Lausberg 1984: 59), ist alles andere als neu. Schon bei Giambattista Vico findet sich eine Sicht der Sprache, die den poetischen und tropologischen Sprachgebrauch an den historischen Ursprung aller Äußerungen setzte (vgl. Vico 1953: § 409). 12 Gleichermaßen ist zumindest seit Piatons Kratylos die Sprache als Werkzeug zur Erkundung der Wahrheit und als Mittel, zum Wesen der Dinge vorzudringen, in Frage gestellt. Dort erscheint die Sprache als nur eine, und zwar die schlechtere der Möglichkeiten, die Dinge zu erkennen. Daneben läßt sich, zumindest hypothetisch, noch eine weitere Methode ausmachen, die Erkenntnis der Dinge durch sie selbst (vgl. Piaton 1957b: 180).Wörter können selbst im besten Falle nur Abbildungen der Dinge 11

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Vgl. z.B. Bazerman, der in seiner „Introduction: Rhetoricians on the Rhetoric of Science" grundsätzlich unterschiedslos von ,scientists' spricht, obwohl die Autoren dann in ihren Artikeln sehr spezielle Fälle behandeln. Dementsprechend werden die Ergebnisse auch generalisiert, die Rhetorik erscheint als „essential to all deliberation" (Bazerman 1989: 5). Die vielgeschmähte Induktion feiert hier ganz unproblematisch ihre Auferstehung. Zu Vicos Poetik vgl. Vanderbeke 1995: 1 7 1 - 1 7 7 . Auch Mary Hesse verweist in ihrem Versuch, die Metapher in der Wissenschaft als Mittel der Erkenntnis zu etablieren, auf Vicos Sprachtheorie (vgl. Hesse 1995: 358); ich werde auf diesen Artikel noch ausführlicher eingehen.

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sein, und daher stehen sie der unmittelbaren Betrachtung im Wege, sind widersprüchlich und potentiell trügerisch. Die Relativierung von Erkenntnis durch Sprache findet sich dann in dem Text wieder, mit dessen Erscheinen gewöhnlich der Beginn der modernen Wissenschaften in Verbindung gebracht wird, in Bacons Novum Organon und der darin enthaltenen Idolenlehre (vgl. Bacon 1990: 103 und iziff.). Die Rhetorikkritik, die nach Bacon die Entstehung der Royal Society begleitete, ist in den letzten Jahren umfassend bearbeitet worden. Gleichermaßen ist in den Untersuchungen dazu deutlich geworden, daß die angestrebte vollkommene Trennung der wissenschaftlichen Sprache von jeglicher Rhetorik und Metaphorik ebenso unmöglich war wie der völlige Verzicht auf jede Autoritätsgläubigkeit, wie es das Motto der Royal Society vorsieht.13 Die Frage, ob es sich bei einer notgedrungen metaphorischen Sprache automatisch und notwendigerweise um eine ,falsche', die Realität verzerrende Darstellung handelt, berührt offenkundig die Frage nach Referentialität. Alan Gross nannte dementsprechend seine conclusio zu The Rhetoric of Science „Reference without Reality" und stellte darin die Frage, ,,[d]o the central terms of science genuinely refer?" (Gross 1990a: 193); sie wird kurz darauf noch einmal paraphrasiert und für Sprache generell erweitert, wenn er das Problem anspricht, „whether language in one of its functions describes the real" (ibid.: 194). Diese Frage kann noch verschärft werden, wenn auch die Wahrnehmung schon als eine ,Übertragung' und damit als nicht der Wirklichkeit korrespondierend gesehen wird. Diese Position findet sich z.B. bei Gebhard Rusch, der aus der Sicht der Kognitionswissenschaften schreibt: Für Kognitionspsychologen ist es eine Selbstverständlichkeit: was in unserer Wahrnehmung erscheint, ist keine quasi fotografische Abbildung der uns umgebenden Wirklichkeit, und der Wahrnehmungsprozeß ist kein passiver Prozeß der getreuen internen Reproduktion äußerer Dinge und Sachverhalte. (Rusch

1984: 31) Rusch weist auch darauf hin, daß die kognitionsbiologischen Konzepte uns zu einer Auffassung führen, „die im philosophischen und metaphysischen Denken aller Zeiten und Traditionen immer wieder in verschiedenen Spielarten und mit unterschiedlichen Gewichtungen aufgetreten ist" 15

Vgl. dazu z.B. Dear 1985, Shapin 1984 oder auch De Man 1978. Eine vollständige Bibliographie aller neueren Bücher und Artikel zu diesem Thema würde eine eigene ausgedehnte Arbeit erfordern.

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(ibid.: 31), und tatsächlich ist seine Aussage gewissermaßen eine Neuauflage von Nietzsches bekannter Darstellung der Wahrnehmung als mehrfach metaphorischem Prozeß: [Der Sprachbildner] bezeichnet nur die Relationen der Dinge zu den Menschen und nimmt zu deren Ausdrucke die kühnsten Metaphern zu Hilfe. Ein Nervenreiz, zuerst übertragen in ein Bild! Erste Metapher. Das Bild wieder nachgeformt in einem Laut! Zweite Metapher. Und jedesmal vollständiges Uberspringen der Sphäre, mitten hinein in eine ganz andere und neue. (Nietzsche 1964a:

378) Nietzsches Konsequenz aus dieser Einschränkung eines unverstellten Zugangs zur externen Realität besteht bekanntermaßen in der umfassenden Relativierung jeglichen wissenschaftlichen Wahrheitsanspruches: Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken [...]. (ibid.: 379)

Der konventionelle Charakter der Sprache, wie er hier in den Vordergrund gestellt wird, beschreibt die Sprache allerdings als statisch. In ihr sind die ursprünglich lebendigen Metaphern erstarrt und werden schließlich als die Dinge selbst genommen. Während die Wissenschaft die Einordnung der Welt in die bestehende Begrifflichkeit vornimmt, gibt es einen lebendigen metaphorischen Prozeß nur in der Kunst. Damit stehen sich bei Nietzsche zwei gegenläufige metaphorische Bewegungen gegenüber: einerseits die künstlerische, erweiternde, in der die Begriffe frei verfügbar sind und kreativ kombiniert werden können, andererseits die wissenschaftliche, verengende, in der die Begriffe zunehmend zu Abstraktionen werden. Nun soll hier natürlich nicht der Versuch gemacht werden, eine strikte Form der Referentialität zu proklamieren und damit die Sprachprobleme, die selbst von allen mir bekannten Wissenschaftlern konzediert werden, hinwegzueskamotieren. Auch bei den Wissenschaftsphilosophen und -theoretikern, die einen radikalen Relativismus ablehnen, findet sich kaum der Versuch, einen ebenso radikalen Realismus und die dafür erforderliche Korrespondenztheorie der Sprache zu vertreten. Eher zeigt sich das Interesse, eine Art „moderate realism" (Hesse 1995: 352) zu entwerfen. Damit soll den epistemologischen Problemen, die sich aus den wissenschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts und ihrer wissenschaftstheoretischen Aufarbeitung ergeben haben, Rechnung getragen 75

werden, ohne gleichzeitig wissenschaftlichen Erkenntnissen per se jeglichen Wahrheitsanspruch abzusprechen. Damit stellt sich auch die Aufgabe, die Rolle der Metapher in der Sprache neu zu beleuchten: [ A ] radical shake-up of analytical philosophy of language is required in the light of modern revisions of scientific epistemology. O n e of the motivations and results of such a shake-up will be a better understanding of the nature and function of metaphor in natural language itself. (Hesse 1995: 3 5 2 )

Nietzsche sah die Metapher als eine Form der Lüge, und danach bleibt die fundamentale Trennung zwischen der Welt der Erscheinungen und der Sprache unwiderruflich bestehen. Diese Sicht bildet den einen Strang der Auseinandersetzung mit der Metapher in den Wissenschaften. Gross schreibt in diesem Sinne kategorisch, „science is full of metaphor, and it is the nature of metaphor deliberately to misname" (Gross 1990a: 80). Der von John Locke konstatierte „abuse of language [...] by applying old words to new and unusual significations" (Locke, J. 1994: 276) ist hier nicht weit, und Gross, der Rhetoriker, erscheint im Gewand des Anti-Rhetorikers, für den die Metapher .„purely' decorative or purely false and misleading" (Hesse 1995: 357) ist: Style in science is not a w i n d o w on reality, but the vehicle of an ideology that systematically misdescribes experimental and observational events. It is their ideological stance that makes contemporary scientists the legitimate heirs of medieval theologians: theirs is not a dispassionate search for truth, but a passionate conviction that the truth is their quotidian business. In science, understandably, metaphor is this ideology's chief tool: at the scientific verge, words routinely fail to refer. (Gross 1990a: 84)

Geht man allerdings von einer Erkenntnisfunktion der Metapher aus und die Metapherndiskussion der letzen Jahrzehnte weist deutlich in diese Richtung - , so könnte die Rolle der Metapher auch ganz anders bewertet werden. Die Vorschläge, die von Wissenschaftsphilosophen oder -rhetorikern gemacht wurden, sind dabei keinesfalls homogen, sondern richten sich auf unterschiedliche Aspekte des metaphorischen Prozesses. Zunächst einmal ist das Konzept einer grundsätzlich verfehlenden und damit die Realität verstellenden Metapher nicht unhintergehbar. Donald Davidson schreibt in seiner Untersuchung zu der Wirkung und Bedeutung der Metapher eben über den Unterschied zwischen der Metapher und der Lüge: What makes the difference between a lie and a metaphor is not a difference in the words used or what they mean [...] but in h o w the words are used. Using

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a sentence to tell a lie and using it to make a metaphor are, of course, totally different uses, so different that they do not interfere with one another [...]. (Davidson 1978: 41)

Der Unterschied zwischen der Lüge und der Metapher besteht darin, daß es bei der Metapher nicht, wie Nietzsche schrieb, darum geht, „ein Bild in einem Begriff aufzulösen" (Nietzsche 1964a: 380), sondern daß die Differenz, die eben nicht wie der Vergleich eine Ähnlichkeit proklamiert, sondern unvermittelt besteht, die unterschiedlichen Sphären aufeinanderprallen läßt. Die Metapher entspricht hier quasi der Kurzformel, mit der Pynchon sie erfaßte, als er schrieb: „The act of metaphor then was a thrust at truth and a lie" (Pynchon 1980: 95). Während die Lüge die Kluft zwischen den Polen der Aussage negiert, gewinnt die Metapher ihren Effekt aus dem Spannungsverhältnis zwischen den unterschiedlichen Sphären, einem Spannungsverhältnis, das sich einer endlichen Paraphrase verweigert und das daher auch jede Bestimmung der ,Bedeutung' einer Metapher ins Unendliche und damit notwendigerweise ins teilweise Ungewisse laufen läßt (vgl. Davidson 1978: 44). Don Swanson führt Davidsons Bild der Metapher als einer auf der wörtlichen Ebene falschen Behauptung weiter, wenn er schreibt: M y guess is that a metaphor, because it is an erroneous statement, conflicts with our expectations. It releases, triggers, and stimulates our predisposition to detect error and to take corrective action. [...] It preempts our attention and propels us on a quest for the underlying truth. (Swanson 1978: 162) 1 4

Swansons Ausgangspunkt ist Poppers Sicht der Theoriebildung als einem evolutionären Prozeß, bei dem fehlerhafte Konzeptionen von besseren Hypothesen abgelöst werden: Confrontations with the real world lead us to eliminate erroneous theories; we then reshape our conjectures and try again. The better theories emerge as the survivors in a process of natural selection. We approach, but never attain a true model of objective reality by endless cycles of conjectures and refutations, (ibid.: 161)

Indem hier wissenschaftliche Theorie und Metapher übereinandergelegt werden, bekommt die Metapher einen grundsätzlichen, wenn auch nie absoluten Wahrheitsgehalt zugesprochen. Sie ist eine vorläufige Hypo14

Eine ähnliche Formulierang findet sich schon bei Vaihinger, wenn er schreibt, daß eine „umformende Tätigkeit auch im spezifisch wissenschaftlichen Denken wirksam ist und auch hier, auf eine nur noch auffallendere Weise von der Wirklichkeit abweicht, und nicht trotz dieser Abweichung, sondern gerade durch sie - wieder mit der Wirklichkeit zusammentrifft" (Vaihinger 1913: 289^; vgl. dazu allerdings Iser 1983b: 498).

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these, deren Ungenauigkeit bekannt ist, eine bewußte Falschheit, die zwar für einen speziellen Rahmen nutzbar gemacht, aber jederzeit zugunsten eines besseren Bildes aufgegeben werden kann. Es muß dabei natürlich auch darauf hingewiesen werden, daß die wissenschaftliche Metapher eine Eigendynamik entwickeln kann und sich besonders auch im Unterricht - gelegentlich nicht so leicht exorzieren läßt, wie es für die Theoretiker wünschenswert wäre. Das Beispiel von Bohrs Übertragung eines Planetenmodells auf das Atom ist hinreichend bekannt. Ebenso ist die Bezeichnung ,Spin' für eine Eigenschaft, die nur im subatomaren Bereich existiert, potentiell problematisch, indem sie eine allzu leichte Assoziation zu stabilen Partikeln schafft und daher komplementäre Aspekte in den Hintergrund drängt (vgl. Gribbin 1985: 93ff.). In diesem Sinne schreibt auch Gould über die Beschränkungen, die kanonisch gewordene Bilder einer Wissenschaft mit sich bringen können (vgl. Gould 1996b). 15 Es läßt sich durchaus als eine Reaktion auf diese Schwierigkeiten verstehen, daß gelegentlich für noch unbestimmte oder unbestimmbare Eigenschaften Begriffe gewählt wurden, die gerade keine oder bewußt unsinnige Assoziationen wecken können, z.B. ,top', ,bottom', ,charm' oder ,flavor' im Kontext von Quarks. „The terms, being unanalytical, do not interrupt or curtail the process of theory formation" (Beer und Martins 1990: 169). In diesem Kontext wird in der neueren Diskussion eine weitere Einschränkung angeführt, m.E. zu Unrecht. Dabei wird neben der Unausweichlichkeit figurativer Sprache auch kontinuierlich die Widerspenstigkeit der Metapher gegen jegliche Fixierung hervorgehoben. So schreibt Gillian Beer kategorisch: „Metaphor is never fully stable. It initiates new meaning but not permanent meaning" (Beer 1985: 92). In ähnlichem Sinne besteht Hayles auf einer fundamentalen Uneindeutigkeit der Metapher und postuliert selbst für den Bereich der Meßtechnik: [E]ven dead metaphors retain some ability to generate surplus meaning. With measurement this resonance is slight, but it is not altogether negligible. On some level it makes a difference whether an object is measured in feet or metres. The foot can interact with shoes, socks, and hoofs in a way that the metre cannot. (Hayles 1990c: 214)

Es steht außer Zweifel, daß tote Metaphern wiederbelebt werden können, auch in den Wissenschaften. Daß aber die unterschwellige Konnotation 15

Gegen die Probleme der Metaphorik bei der Lehre, wie sie in diesen Beispielen angesprochen werden, bestehen Petrie und Oshlag allerdings auf den kognitiven Leistungen der Metapher im Unterricht und in der Erkenntnis des Neuen (vgl. Petrie und Oshlag 1994).

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ihrer Herkunft irgendeine Bedeutung im experimentellen Gebrauch oder in der Theoriebildung hat, ist lediglich eine Behauptung, die mögliche Phänomene der Alltagssprache in den Wissenschaftsbereich überträgt. Ich spreche hier absichtlich nur von möglichen Phänomenen, denn Blacks These, nach der erfolgreiche Katachresen als solche verschwinden und quasi zur normalen Sprache werden (vgl. Black 1962: 33), scheint mir insgesamt wahrscheinlicher zu sein als Hayles' Postulat. Für den Wissenschaftsbereich läßt sich darüber hinaus feststellen, daß Begriffe exakteren Definitionen unterworfen werden, als es in der Alltagssprache möglich ist. Das bringt es mit sich, daß die Metapher zwar, wie Nietzsche es konstatierte, zur Erstarrung tendiert, von daher aber möglicherweise gerade ihr epistemologisches Potential bezieht, da diese Entwicklung nicht passiv durch dauerhaften Gebrauch, sondern aktiv durch wissenschaftliche Uberprüfung vollzogen wird. Hier wird deutlich, daß eine Untersuchung der Metapher in der Wissenschaft die Konzepte zur poetologischen wie auch zur alltagssprachlichen Metaphorik nur bedingt übernehmen kann. Zu den wesentlichsten Unterschieden gehört, daß sich die wissenschaftliche Metapher durch häufigen Gebrauch nicht in der gleichen Weise abnutzt, nicht zum Klischee wird, wie die poetische Metapher. Gleichermaßen entwickelt sie sich auch nicht zur toten Metapher, die als solche nicht mehr wahrgenommen wird, da die Begriffe in den Naturwissenschaften notwendigerweise in einem ständigen Überprüfungsprozeß stehen. So wird sie im Prozeß der wissenschaftlichen Untersuchungen kontinuierlich neu definiert, durch die Resultate der Forschung modifiziert und gegebenenfalls aufgegeben und durch eine andere, evtl. ebenfalls vorläufige Terminologie ersetzt. Eleonora Montuschi führt daher in die Struktur der metaphorischen Funktion neben der Übertragung und Interpretation auch die ,correction' ein, einen Begriff, der für die poetische Metapher wenig Sinn ergeben würde, und sie schreibt: The result of the resistance on the part of the structure is an adjustment in the process of displacement, called correction. Correction implies mutual adaptation, and this can take a variety of forms, according to the contexts. (Montuschi

i995: 317) Die Metapher präzisiert sich auf diese Weise. Allerdings handelt es sich um eine ,mutual adaptation' und damit um eine Anpassung, die über die metaphorische Interaktion der vom Max Black beschriebenen „associated commonplaces" (Black 1962: 40) hinausgeht. In Blacks Analyse wird durch die Metapher ein momentaner Transfer vollzogen, durch den all 79

jene Eigenschaften des untergeordneten Gegenstandes (,subsidiary subject'), die sich ohne übermäßige Anstrengung auf den Hauptgegenstand (,primary subject') übertragen lassen, wirksam werden und dazu beitragen, unsere Sicht neu zu organisieren. Diese Übertragung ist auf den unmittelbaren Gebrauch der Metapher beschränkt und wirkt selektiv. Blacks Bild eines rußgeschwärzten Glases mit einigen klaren Linien, das wie ein Filter wirkt, verweist darauf, daß die beiden zusammenwirkenden Elemente der Metapher nicht dauerhaft miteinander verbunden werden und daß unvereinbare Aspekte der Gegenstände für den Moment in den Hintergrund gedrängt werden. Dies allerdings gilt nur sehr begrenzt für den Gebrauch der Metapher in den Wissenschaften oder zumindest nicht für einen beträchtlichen Teil der Begriffe, die in der Rhetorik der Wissenschaften - durchaus zu Recht - als Metaphern angeführt werden. Der dauerhafte Gebrauch und die jeweils neue Anpassung an neue Erkenntnisse relativieren die Verbindung der Metapher zu ihrer Herkunft. Montuschi beschreibt unter diesem Blickwinkel die Adaptation einer Metapher am Beispiel der ,Lichtwelle' bei Huygens (vgl. Montuschi 1995: 323). Ihr Schema enthält vier Schritte: ι. Transposition: Ein Konzept wird auf einen neuen Kontext verlagert die Fortpflanzung des Schalles in der Luft wird in den Kontext der Fortpflanzung von Licht in der Luft verlagert. 2. Interpretation: Übertragung eines Konzepts aus einem bekannten Umfeld auf spezifische Aspekte der neuen Situation - ein Aspekt des vertrauten Konzeptes ,Schall' (es handelt sich um eine Welle) wird auf das bisher nicht vertraute Konzept,Licht' übertragen. 3. Correction·. Anpassung des Konzeptes an die neue Situation und gegenseitige Angleichungen der beiden Konzepte - Schallwellen und Lichtwellen verhalten sich ähnlich, aber es gibt Unterschiede, z.B. im Medium der Ausbreitung (im Falle des Lichtes handelt es sich um den Äther). 4. Spelling out: Das Konzept erweist sich als zum neuen Kontext passend und als geeignet, bisher ungeklärte Phänomene zu deuten - die grundlegende Wellentheorie wird ausgeführt. Das Konzept der Lichtwelle wird auf der Basis des zusätzlichen Ätherpostulats formuliert. Hier wird deutlich, daß das resultierende Konzept einer Welle nicht mehr mit dem ursprünglichen gleichzusetzen ist. Es umfaßt jetzt Phänomene, die in wesentlichen Aspekten unterschieden sind. Das wird noch klarer, wenn man auch die frühere und weitere Entwicklung des Wellenbegriffs von der Wasserwelle bis hin zur Wellennatur der Materie mit einbezieht. Schon die Übertragung des Begriffes auf den Schall enthielt eine wesentli80

che Modifikation; die optisch wahrnehmbare Bewegung im Bereich zwischen zwei Medien, Flüssigkeit und Luft, wurde auf eine unsichtbare Fortpflanzung innerhalb eines Mediums übertragen. Die Ausbreitung in einem Medium blieb bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts wesentlicher Bestandteil der Wellendefinition, dadurch wurde der Äther für die Formulierung der Theorie erforderlich. Da allerdings alle Versuche, den Äther experimentell nachzuweisen und damit als Wellenträger des Lichts und anderer elektromagnetischer Strahlungen dingfest zu machen, fehlschlugen und darüber hinaus die Annahme eines Äthers mit experimentell gewonnenen Erkenntnissen der modernen Physik unvereinbar wurde, mußte der Wellenbegriff erneut modifiziert werden, so daß er nun die Fortpflanzung von Schwingungen im Raum oder in der Materie umfaßte. Die Feststellung, daß sich auch für das Elektron und schließlich für jegliche Materie, also für alle Arten von Partikeln, eine Wellengleichung formulieren läßt, verlagert nun noch einmal den Referenzbereich und unterläuft die ursprüngliche Anschaulichkeit der Metapher. Der Begriff der Welle ist damit innerhalb der Physik vollkommen von der Alltagssprache getrennt, er beschreibt kein Phänomen mehr, von dem aus Analogien gebildet werden könnten, sondern definiert sich über die Darstellbarkeit durch eine Gleichung bzw. eine Gruppe von Gleichungen. Der unendlichen Interpretierbarkeit, die der Metapher zugeschrieben werden kann (s. o.), steht hier eine Einengung gegenüber, die Heisenberg als „Verfeinerung der Begriffe des täglichen Lebens" (Heisenberg 1968: 39) bezeichnet hat. Die bestehende Gemeinsamkeit oder Ähnlichkeit zwischen Phänomenen, die ursprünglich die Basis für die Metapher bildete, entwickelt sich zum Inhalt des Begriffes selbst, die Metapher wird zur Kategorie. Als solche wird sie selbst zum Gegenstand der Untersuchung mit dem Ziel, ihre Definition mit immer größerer Genauigkeit zu erfassen und zu formulieren. Hier liegt für Richard Boyd die wesentliche Rolle, die der Metapher in der Wissenschaft zukommt. Sein Ausgangspunkt ist die Katachrese, „cases in which there are metaphors which scientists use in expressing theoretical claims for which no adequate literal paraphrase is known" (Boyd 1993: 486). 16 Während literarische Metaphern gewissermaßen der geistige Besitz von Autoren sind und den literarischen Texten ihrer Ent16

Boyd befürwortet hier auch einen ,epistemic access' durch die Metapher. ,,[T]heory-constitutive metaphorical terms - when they refer - refer implicitly, in the sense that they do not correspond to explicit definitions, but instead indicate a research direction toward them. The same thing is apparently true of theoretical terms in science generally" (Boyd 1993: 524)·

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stehung verbunden bleiben, werden wissenschaftliche Metaphern zum Allgemeingut der wissenschaftlichen Gemeinschaft, ihre Erklärung „is an essential part of the task of scientific inquiry" (ibid.: 488).17 Und diese im Gegensatz zur offenen Interpretation literarischer Metaphern - einschränkende Erklärung kann durchaus eine Art Endpunkt erreichen. Finally, whatever the merits of the claim that the cognitive content of literary metaphors can never be captured by literal paraphrase, there seems to be no reason to doubt that such explication is possible in the case of theory-constitutive metaphors, nor is there any reason to doubt that complete explications are often the eventual result of the attempts at explication which are central to scientific inquiry, (ibid.: 488)

In dieser Sicht bildet die wissenschaftliche Metapher eine Analogie zur Arbeitshypothese, die im Verlauf der Forschung kontinuierlich modifiziert wird, bis sie schließlich aufgegeben oder als verläßliches Wissen akzeptiert wird. Der metaphorische Sprachgebrauch kann dabei - ganz im Sinne von Max Black - subversiv auf seine Herkunft zurückschlagen. Ein gelungenes Beispiel findet sich in einem Aufsatz über A. S. Byatts Morpho Eugenia von Hans Ulrich Seeber. Seeber unterscheidet zunächst zwischen rein illustrativen oder auch imaginativen Metaphern (etwa ,Storchenschnabel' für eine Blume dieser Form) und Metaphern, die eine funktionale Analogie ausdrücken. Beispiel dafür ist die Verwendung militärischer Begriffe für das Verhalten von Ameisen, wie es bei Byatt beschrieben wird. Während die erste Art der Metapher keinerlei Erkenntnisfunktion hat, beinhaltet die zweite eine Fragestellung, die sich auf die Gültigkeit der Analogie bezieht und damit nicht mehr nur das Verhalten der Ameisen erfaßt. The typical actions humans and ants are engaged in are perfectly identical as far as their respective function is concerned. The only difference being that in one case we assume deliberate actions and in the other instinctual actions. However, it is precisely this binary which the analogy of functional life processes subverts. [...] The military analogies [...] serve both an illustrative and an exploratory function, the latter in fact breaking up a possible ideological binary insisting on the ontological difference between humans and animals. All 17

Eine Kritik von Boyds Sicht findet sich in Bono 1990: 63ff. Der Angriffspunkt, daß der Begriff des Autors in der postmodernen Literaturtheorie vollkommen unterminiert wurde und die literarische Metapher daher ebensowenig wie die wissenschaftliche individueller ,Besitz' eines Autors sein kann (vgl. Bono 1990: 65f.), ist allerdings unsinnig. Boyd geht es nicht um den Besitz durch einen Autor, sondern um die andauernde Polyvalenz der literarischen Metapher, ganz gleich, ob sie bei einem Autor, in einem Text oder auch in einem Diskurs beheimatet ist.

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the evidence provided by biological research in the last decades tends to erase precisely that distinction. (Seeber 1999: 125, kursiv im Original)

Daß anthropomorphisierende Metaphern für das Verhalten von Tieren nach Darwin eine andere Bedeutung haben konnten als vor seiner Zeit, ist wohl offenkundig. In ihnen drückt sich, wie Seeber deutlich macht, auch ein Programm aus, das durchaus noch nicht abgeschlossen ist und möglicherweise auch unabschließbar bleiben wird. Ein wesentlicher Teil der Erkenntnis läßt sich in diesem Fall auch darin ausdrücken, inwieweit die gewählte Metapher wirklich zutrifft und in welchem Sinne von einem solchen Zutreffen gesprochen werden kann. Die wissenschaftliche Metapher ist zwar nicht ,wahr', sie kann aber im Laufe ihrer Geschichte durch die zunehmend präzise Anwendung richtig werden. Durch die fortschreitende Präzisierung wird allerdings die Metapher von ihrem Ursprung zumindest potentiell vollkommen getrennt; sie gilt nun nur noch in dem modifizierten Sinn, der ihr im Verlauf der Überprüfung zuteil wurde. Die Ambivalenz oder Polyvalenz der Metapher wird in dem Grenzfall, daß eine endgültige Zuordnung zwischen Begriff und mathematischer Formulierung oder Definition gelingt, aufgehoben; der Naturwissenschaftler erscheint als der Nachfolger von Lewis Carrolls Humpty Dumpty, der behauptete: „When I use a word it means just what I choose it to mean - neither more nor less" (Carroll 1987: 269). In diesem Sinne gilt vielleicht auch hier der Satz von Max Black: „It is the fate of catachresis to disappear when it is successful" (Black 1962: 33). Genau diesen Punkt greift Hayles an, wenn sie schreibt: It is not enough to say that metaphors initially transgress categories, that they grow increasingly inert as they become more common, until they finally come to constitute categories. Such a description lends itself too easily to insistence by positivistic theorists that dead metaphors are actually literal usages that should be assimilated into literality, allowing the clear cut distinction between the literal and metaphorical to stand. (Hayles 1990c: 226)

Bei dieser Argumentation liegt der Verdacht nahe, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, daß jeder Unterschied zwischen metaphorischer und nicht-figurativer Sprache unbedingt negiert werden soll und alle anderen Aspekte sich dem unterzuordnen haben. Zu den Autoren, auf die Hayles sich explizit beruft, gehört auch Mary Hesse, die in dem mit Michael Arbib veröffentlichten Buch The Construction of Reality darauf hingewiesen hatte, daß Sprache grundsätzlich metaphorisch ist (vgl. Hayles 1990c: 212). Hesses Ansatz unterscheidet sich allerdings weitgehend, wenn nicht diametral, von Hayles', da sie die

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Metapher zwar als grundsätzliches und unaufhebbares Moment der Sprache sieht, gleichzeitig aber auch im Rahmen eines ,moderate scientific realism'· für Erkenntnis und die Vermittlung von Wissen nutzbar zu machen versucht. Dieses Moment soll hier noch als weiteres Beispiel für eine Verteidigung der Metapher und ihres kognitiven Potentials dargestellt werden. Hesse schreibt in dem schon oben zitierten Aufsatz zu „Models, Metaphors and Truth": I shall argue not just that metaphor is as apt as literal language to convey knowledge, but more radically, that metaphor properly understood has logical priority over the literal, and hence that natural language is fundamentally metaphorical, with the „literal" occurring as a kind of limiting case. (Hesse 1995: 352)

In ihrer Argumentation greift Hesse auf Gadamer zurück, und speziell auf das Unterkapitel „Sprache und Begriffsbildung" in Wahrheit und Methode. Die Grundannahme einer fundamentalen Metaphorizität der Sprache wird bei ihr gerade zur Vorbedingung eines dialektischen Prozesses, durch den Sprache den Notwendigkeiten der Erfahrungen kontinuierlich angepaßt wird. „Concept formation is always both a creative and corrective process of applying previously learned general terms to new particulars, and extending and modifying them in the process" (Hesse 1995: 364). Die Übertragung von Begriffen ist damit von dem Vorwurf der Verfälschung, wie er sich in Anti-Rhetoriken findet, freigesprochen und wird durch die sie begleitende Korrektur zu einer Bedingung des sprachlichen Potentials gewendet. Lockes „abuse of language [...] by applying old words to new and unusual significations" (s. o.) erscheint nun in der Erfahrungs- und Sprachkonzeption Gadamers quasi als das Paradigma jeglicher Erkenntnis, da die Erfahrung gerade dadurch definiert ist, daß sie sich von dem Bekannten abhebt und damit eine neue Zuweisung der vorhandenen Begrifflichkeit erforderlich macht. Gadamer schreibt: „Wenn wir an einem Gegenstand eine Erfahrung machen, so heißt das, daß wir die Dinge bisher nicht richtig gesehen haben und nun besser wissen, wie es damit steht" (Gadamer i960: 336). Diese Erfahrung fließt in die kontinuierliche Begriffsbildung mit ein, es folgt, daß sich der allgemeine Begriff, der durch die Wortbedeutung gemeint wird, selber durch die jeweilige Sachanschauung bereichert, so daß am Ende mitunter eine neue, spezifischere Wortbildung entsteht, die dem besonderen der Sachanschauung besser gerecht wird, (ibid.: 405)

Hesse kommt auf dieser Basis zu dem Schluß: ,,[T]here can be standards of correctness built into the metaphorical development of concepts ..." 84

(Hesse 1995: 369). Sie zieht Newtons Gebrauch der Begriffe ,force' und ,mass', die von ihm im Verhältnis zur bestehenden Theorie im übertragenen Sinne benutzt wurden, heran und verweist damit auf die Erweiterung und Korrektur der Begriffe durch die neue Theorie. Die Kontroverse mit Leibniz wird damit zu einer Auseinandersetzung über eine noch nicht vollständig verstandene oder akzeptierte Metaphorik (vgl. ibid.: 37of.). lS Der Erfolg der Newtonschen Mechanik im 18. Jahrhundert kann so als eine sukzessive Konvergenz zwischen der neuen Theorie und den übertragenen metaphorischen Begriffen gesehen werden. Es geht mir hier nicht darum, die Erkenntnisträchtigkeit der Metapher vorbehaltlos zu postulieren, und der ausführliche Hinweis auf einige theoretische Ansätze, die dies zu leisten versuchen, sollte nicht unbedingt als uneingeschränkte Bestätigung verstanden werden, besonders da diese Ansätze, wie schon anfangs festgestellt, in einigen Aspekten wesentliche Unterschiede aufweisen. Es ist aber notwendig, in der gegenwärtigen Diskussion zur Metaphorik in den Wissenschaften darauf zu verweisen, daß der Nachweis metaphorischer Elemente in wissenschaftlichen Texten nicht dafür ausreicht, eine Form der ,Lüge' anzunehmen oder auch eine einfache Gleichartigkeit mit literarischen Texten zu postulieren. Ich möchte aber auch noch auf ein weiteres Moment hinweisen, das in der Diskussion, soweit ich sie überblicke, kaum angesprochen wird, aber doch einige Relevanz aufweisen könnte. Es ist kaum zu übersehen, daß Thomas S. Kuhns Theorie der wissenschaftlichen Revolutionen zu den wichtigsten Texten im Kontext der Auseinandersetzung um wissenschaftliche Wahrheit, Objektivität und Fortschritt zählt. Nach Kuhn wechseln sich bekanntermaßen wiederkehrende Phasen in der Struktur wissenschaftlicher Arbeit ab, die grob als die Zeiten der normalen Wissenschaft bzw. die der Paradigmenwechsel gefaßt werden können. Die normale Wissenschaft, die sich innerhalb eines Paradigmas bewegt und quasi sukzessiv die Welt aus diesem Paradigma heraus erklärt, wird gelegentlich mit Anomalien konfrontiert, die sich nicht im Rahmen der bestehenden Grundprinzipien und der dazu gehörigen Begrifflichkeit auflösen 18

Vgl. dazu auch Yehuda Elkanas Anthropologie der Erkenntnis. Er schreibt darin: „Vage Begriffe spielen eine positive und unerläßliche Rolle bei der Entstehung neuer Theorien" (Elkana 1986: 376), und etwas später: „Theorien und Begriffe entstehen gemeinsam; es genügt, den berühmten Beweis Poincarés anzuführen, daß der Begriff der Energie ohne die Formulierung ihrer Erhaltung bedeutungslos ist und die Energieerhaltung nicht formuliert werden kann, ohne zu wissen, was Energie ist. Die Entlehnung von Ideen muß so vor sich gehen, daß Theorien und Begriffe gemeinsam entlehnt werden. Andernfalls ist das Ergebnis buchstäblich Unsinn - was nicht heißen soll, daß dies im programmatischen Stadium des Aufbaus einer neuen Theorie unwichtig wäre" (ibid.: 378).

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lassen. Die Konsequenz ist eine Suche nach neuen theoretischen Grundpositionen. Für diese Zeit beschreibt Kuhn eine Vervielfältigung, geradezu ein Wuchern von theoretischen Spekulationen als mögliche Grundlage für Experimente, die den Weg aus der Krise weisen sollen (vgl. Kuhn 1991: 83 und 100). Diese Umbruchszeit ist notwendigerweise auch eine Zeit, in der bestehende Begriffe umgedeutet und für neue Inhalte nutzbar gemacht werden, weshalb Kuhn auch von der Entstehung einer neuen Sprache spricht (vgl. ibid.: 215). 1 9 Durch diese Umbesetzung der bestehenden Terminologie entstehen auch die theorie-konstitutiven Metaphern für die folgende Zeit der normalen Wissenschaft, so wie sie von Boyd beschrieben wurden. Es lassen sich also in der Entwicklung der Wissenschaften unterschiedliche Zeiten feststellen, in denen Metaphorik potentiell in unterschiedlicher Weise wirksam wird, einerseits als Versuch, neue Möglichkeiten der Theoriebildung und der Forschung zu eröffnen, andererseits als bestehende sprachliche Basis, die kontinuierlich überprüft und ausgefüllt wird. Kuhn schreibt darüber hinaus, daß sich Wissenschaftler besonders in Krisenzeiten auch „der philosophischen Analyse als eines Mittels zur Lösung von Rätseln auf ihrem Gebiet zuzuwenden pflegen" (ibid.: 101). Es ist nun auffällig, daß in der Diskussion um den Stellenwert der Metapher die wissenschaftskritischen Ansätze weitgehend Beispiele aus Zeiten wissenschaftlicher Revolutionen als Grundlage wählen, d.h. aus Phasen, in denen zwar neue Theorien entstehen und neue Metaphern wuchern, aber auch bereitwillig wieder aufgegeben werden. Zu diesen Umbrüchen gehören besonders die Anfänge der modernen Wissenschaften im 17. Jahrhundert, die Entstehung der Evolutionslehre und die Ausarbeitung des Zweiten Thermodynamischen Gesetzes im 19. Jahrhundert, die Krise der Physik zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie in neuerer Zeit die Entwicklung der Informationstheorie/Kybernetik und der nicht19

Die Wissenschaftsgeschichte legt nahe, daß radikale Neuorientierungen und Paradigmenwechsel auch Umformulierungen der gesichertsten Erkenntnisse erforderlich machen. Inwieweit es sich dabei um Ubersetzungen in ein neues Paradigma handelt oder ob derartige Ubersetzungen überhaupt möglich sind, gehört zu den äußerst umstrittenen Themen der Wissenschaftsgeschichte und -philosophie. Kuhns Inkommensurabilitätsthese (vgl. z.B. Kuhn 1978, besonders 4 2 1 - 4 4 4 ) ist letztlich ein wesentlicher Aspekt in der Frage, ob es in der Wissenschaft echten Fortschritt gibt oder nur neue Sichtweisen, die miteinander nicht kompatibel sind. Kuhn selbst hat die radikale Auslegung seiner Position zurückgewiesen und darauf hingewiesen, daß er erstens ein ,unregenerate realist' sei und daß zweitens seine Inkomensurabilitätsthese nicht die Unvergleichbarkeit aufeinanderfolgender Theorien postuliere, sondern die Unmöglichkeit, diese Theorien und ihre Begriffe in eine theorieneutrale Sprache zu übersetzen (vgl. Kuhn 1993: 539 und 540). Eine überaus sachbezogene kritische Auseinandersetzung mit Kuhns These findet sich in Falkenburg 1995: io, i78ff. und 299ff.

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linearen Dynamik oder Chaos-Theorie. Eine Beschränkung auf diese Zeiten wird allerdings weit eher eine Willkürlichkeit der Metaphorik oder auch Beziehungen zwischen philosophischen und wissenschaftlichen Terminologien entdecken, als es bei einer Betrachtung größerer Zeiträume der Fall wäre, in denen die Begriffe zunehmend verfeinert werden und die Präzisierung fortschreitet, an deren Endpunkt möglicherweise eine Fixierung des Begriffs steht. Die Ergebnisse haben daher nur eine eingeschränkte Gültigkeit. Die Übertragung auf die Wissenschaft als solche, die aufgrund der fundamentalen Unterschiede zwischen den Wissenschaftszweigen insgesamt fragwürdig ist, sollte unzulässig sein. Es scheint aus den angeführten Gründen sinnvoll, die kritische Beurteilung der metaphorischen Sprache keinesfalls im anti-rhetorischen Sinne als theoretisches sine qua non zu verstehen. Die Diskussion über den Status der figurativen Sprache im Kontext der Erkenntnistheorie ist nicht abgeschlossen, und es läßt sich erkennen, daß hier sogar eine Art Überlegenheit gegenüber der nicht-figurativen postuliert wird. Wo Nietzsche die erstarrte Metapher als Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Kategorisierung sah, erscheint jetzt die unbestimmte, vage Zuordnung innerhalb der Theoriebildung als ein Potential, das sich im Verlauf künftiger Forschung präzisieren läßt und erst an einem immer nur vorläufigen Endpunkt eine Fixierung erreicht. Hier, wie auch insgesamt in dem Bereich von ,science and literature', läßt sich feststellen, daß die Beurteilung der Rhetorik nicht unabhängig von darüber hinausgehenden Positionen erfolgt. Aus wissenschaftskritischer bzw. anti-realistischer Sicht erfolgt die Relativierung wissenschaftlicher Wahrheit durch den Verweis auf den unhintergehbaren Gebrauch rhetorischer Hilfsmittel; die zumindest moderat realistische Position 20 beruft sich dagegen auf die kognitiven Potentiale der Metapher. Es ist hier sicherlich nicht übertrieben, die Theoriegeladenheit der jeweiligen Ansätze hervorzuheben, da gerade die relativistische Argumentation die2

° In der Diskussion wird die starke realistische Position, daß Wissenschaft absolute und zeitlose Wahrheit vermittelt, kaum einmal vertreten. Selbst die Naturwissenschaftler, die heftig gegen die postmoderne' Wissenschaftskritik polemisieren (u. a. Alan Sokal im Kontext seines bekannten Experiments oder Steven Weinberg), betrachten "wissenschaftliche Erkenntnis fast grundsätzlich als vorläufig und als eine Approximation an die externe Realität. Weinberg schreibt in einem Aufsatz zu ,Sokal's Hoax' „daß keines der heute bekannten physikalischen Gesetze (mit der möglichen Ausnahme der allgemeinen Prinzipien der Quantenmechanik) genau und universal gültig ist" (Weinberg 1997: 38). Ahnlich vorsichtig ist Peter Medawar, den man ebenfalls kaum zu den Relativisten zählen kann: „Scientific truth [...] is often thought of as the goal of a scientist's work, though asymptote' would be the better word, for there can be no apodictic certainty in science, no finally conclusive certainty beyond the reach of criticism" (Medawar 1986: 5).

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ses Moment als wesentlichen Aspekt einer Forschung unterstreicht, die ihrem Untersuchungsgegenstand nicht unvoreingenommen gegenübertritt, sondern nur aus einer schon bestehenden Theorie heraus experimentieren und interpretieren kann. Die Feststellung, daß Experimente theoriegeladen sind, wird auch von Wissenschaftlern kaum bestritten, und Stephen Jay Gould schreibt kategorisch: „Theory-free science makes about as much sense as value free politics. Both terms are oxymoronic" (Gould 1996a: 419). Das Gewicht, das diesem Prinzip beigemessen wird, dürfte jedoch variieren. Es ist nun aber vermutlich mehr als nur Polemik, wenn darauf hingewiesen wird, daß wenige Untersuchungen theoriegeladener sind als gerade diejenigen, die auf der sprachlichen Bedingtheit jeglicher Wissenschaft insistieren und aus den daraus folgenden Beschränkungen, zu denen die unhintergehbare Rhetorik gehört, eine letztlich bestenfalls periphere Verbindung zwischen Wissenschaft und Realität ableiten. Es ist darüber hinaus festzuhalten, daß sich der Ansatz, der mit Nietzsche von einer grundsätzlichen ,Lüge' der metaphorischen Sprache ausgeht, speziell auch in der literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Texten findet. Gerade hier wird die Gleichsetzung wissenschaftlicher und literarischer Sprache nicht durch eine Aufwertung der Metapher betrieben. Stattdessen wird der Wahrheitsanspruch der Wissenschaften gerade unter dem Verweis auf ihre Metaphorizität und Literarizität verworfen. Die Wissenschaft ist sozusagen ,auch nicht besser als die Literatur'. Damit werden die Unterschiede zwischen den verschiedenen Möglichkeiten des metaphorischen Gebrauchs von Sprache ausgeblendet, das vielschichtige Problem wird auf die leicht zu beantwortende Frage nach der Anwesenheit oder Abwesenheit von figurativer Sprache reduziert. Dies hat mehrere problematische Konsequenzen. Zunächst einmal wird damit auch die eigene kritische Arbeit als ein Ausdruck approximativer Wahrheit unterminiert. Die Kritik kann ihrer eigenen Voraussetzung nicht entkommen, daß jegliche Sprache, also auch die eigene, grundsätzlich metaphorisch ist und daher essentiell verfälschend wirkt. Darüber hinaus wird die Metapherntheorie als ein wesentlicher Arbeitsbereich der Literaturwissenschaft zumindest in einigen Teilen aufgegeben. Nun hat sich schon gezeigt, daß dieses Untersuchungsgebiet nicht alleiniges Terrain der Literatur-, Sprach- oder selbst der Geisteswissenschaften sein kann. Von den Kognitionswissenschaften über die Verhaltensforschung bis hin zur Biolinguistik und zur Neurologie erstrecken sich Ansätze, die sich mit dem Problem der Begriffs- und Metaphernbil88

dung und dem Verstehen von Metaphern beschäftigen. 21 Hier besteht damit eine Möglichkeit zu interdisziplinärer Arbeit, an der die Beteiligung der Literaturwissenschaft unabdingbar ist, da sie durch die Ergebnisse selbst erheblich betroffen werden könnte. G. S. Rousseau schrieb 1987: The discourse of contemporary philosophy differs from that of literary criticism, not so much in its rhetorical tropes and formal organization but according to the uses to which it puts metaphor (i.e. analogy, simile, example, literal figure). If this is true, as I believe it is, then it would seem that a part of the future of Literature and Science will be determined b y the fate of metaphor theory. (Rousseau 1987: 1 3 )

Eine kategorische Abkehr von jeglicher Erkenntnisfunktion der Metapher bringt es mit sich, daß dieser Forschungsbereich allzu bereitwillig und aus sehr fragwürdigen Motiven - preisgegeben wird, obwohl hier durchaus fruchtbare Arbeit geleistet werden kann. Durch die relativistische Nivellierung wissenschaftlicher und literarischer Sprache wird schließlich auch der produktive Zugang zur Metapher und damit zu einer Aufwertung der literarischen Sprache vorzeitig aufgegeben; die Möglichkeit einer metaphorischen und poetischen Wahrheit wird grundsätzlich unterlaufen, und zwar gerade von denjenigen, die vorzüglich geeignet und auch daran interessiert sein müßten, die Literatur als weitere Möglichkeit der Eröffnung einer - auch in den Wissenschaften immer nur vorläufigen - Wahrheit zu etablieren.22 Diese Preisgabe einer wichtigen theoretischen und möglicherweise auch wissenschaftspolitischen Position hat nicht nur die erwähnten reflexiven Konsequenzen, sie stellt sich auch potentiell gegen das Interesse des eigenen Untersuchungsgegenstandes, und dies nicht zuletzt in dem Gebiet von ,Literatur und Naturwissenschaft'. Gillian Beer lehnt zwar, wie schon in der Einleitung zitiert, eine Ubersetzungstätigkeit der Literatur im Dienste der Naturwissenschaften kategorisch ab (vgl. Beer 1990: 88), es kann aber keinesfalls im Interesse der Literaturwissenschaft liegen, der Literatur 21

"

Vgl. z.B. zu den Kognitionswissenschaften Maturana 1996: 1 9 9 - 2 1 2 ; zur Verhaltensforschung und der Begriffsbildung bei Primaten Franck 1985: 129, zur Biolinguistik Lenneberg 1972, Kap. V I I I „Sprache und Erkennen". In diesen Kontext gehören natürlich auch die hinreichend bekannten Untersuchungen von Roman Jakobson zu Aphasien und damit einhergehenden Beeinträchtigungen bei der Bildung und dem Verstehen von Metaphern bzw. Metonymien (vgl. Jakobson 1983) sowie Lakoffs und Johnsons Metaphors We Live By. Es gibt aber gerade bei Wissenschaftlern gelegentlich eine Aufwertung der Literatur als andersgearteten, aber ebenfalls unverzichtbaren Zugang zu einer Wahrheit; vgl. ζ. B. Medawar 1986: 88ff. oder den schon zitierten Satz von Barrow: ,,[N]o non-poetic account of reality can be complete" (Barrow 1992: 210).

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vorzuschreiben, was sie zu tun oder zu unterlassen hat - und es läßt sich kaum übersehen, daß literarische Texte in ihrer Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Themen Metaphorisierungen vornehmen und damit auch an der Diskussion der betreffenden Konzepte teilhaben (vgl. z.B. Freese 1997, Kapitel IV, passim).23 Von mehr oder weniger referierenden Romanpassagen wie z.B. in Jurassic Park, in dem ein Mathematiker auf der Basis von James Gleicks Chaos: Making a New Science einige Aspekte der Chaostheorie erklärt (vgl. z.B. Crichton 1991: 73ff-)> bis zu Thomas Pynchons dauerhafter Auseinandersetzung mit dem Zweiten Thermodynamischen Gesetz finden sich auf den unterschiedlichsten Ebenen Versuche, wissenschaftliche Phänomene metaphorisch zu verarbeiten.24 Hier wird auf anderer Ebene eine Verbindung zwischen wissenschaftlicher und literarischer Sprache gesucht. Kenneth Knoespel hat zudem deutlich gemacht, daß Literatur durchaus eine wesentliche Funktion für die Wissenschaft haben kann, indem sie gelegentlich eine Rückanbindung neuer Erkenntnisse an schon bestehende Muster und Denkfiguren ermöglicht und damit auch für die Wissenschaftler zum eigenen Verständnis und zur Vermittlung von Problemen beiträgt (vgl. Knoespel 1991: 105). Ich habe schon in der Einleitung darauf hingewiesen, daß es sich dabei selbstverständlich nur in Ausnahmen um echte Antizipationen handelt und daß die Übertragung - selbst ein metaphorischer Akt - weitgehend auf der Polyvalenz der literarischen Sprache beruht. Ich werde auf dieses Thema bei der Analyse literarischer Texte zurückkommen. Für die wissenschaftliche Metapher ließ sich sagen, daß die Begriffe zwar nicht in einem absoluten Sinne wahr sind, daß sie aber durch ihre Anwendung richtig werden können. Dies gilt gewissermaßen auch für die metaphorische Übertragung literarischer - oder philosophischer Zitate auf wissenschaftliche Kontexte. Auch hier handelt es sich nicht um eine reine Analogisierung oder um eine Vergleichsmetapher, wie sie von Black beschrieben und abgelehnt wurde; sie erhalten zu einem wesentli11

24

Daß es sich bei den dabei vorgenommenen literarischen Transformationsprozessen meist nicht um eine ,Ubersetzungstätigkeit' handelt und daß durch sie auch Bedeutungszusammenhänge hergestellt werden, die nicht notwendigerweise im Kontext der Naturwissenschaften anzusiedeln sind, soll hier zumindest schon erwähnt werden. Ich werde diesem Aspekt in meiner Untersuchung literarischer Texte genauer nachgehen. Der bekannteste Text dieser Art aus den letzen Jahrzehnten ist sicherlich Pynchons Kurzgeschichte „Entropy", zu der er schrieb: „I happened to read Norbert Wiener's The Human Use of Human Beings [...] at the same time as The Education of Henry Adams, and the theme of the story is mostly derivative of what these two men had to say" (Pynchon 1985: xxii).

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chen Teil ihre spezifische Bedeutung aus dem neuen Kontext, den sie gleichzeitig zu erhellen helfen. Sie werden so Teil des neuen Entwurfs, der zur Überprüfung ansteht, und in diesem Prozeß erweist sich ihre Funktionsfähigkeit für das Verstehen und für die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Phänomene. Dies gilt natürlich nicht immer; viele der literarischen Zitate, die in wissenschaftlichen oder populärwissenschaftlichen Texten erscheinen, sind lediglich schmückendes Beiwerk oder dienen primär dem Nachweis der Belesenheit des jeweiligen Autors. So ist in Paul Davies' Buch über die neueren Theorien zur Zeit auch ein Zitat aus Shakespeares A Midsummer Night's Dream enthalten („Behold! The jaws of darkness do devour it up"), das sicher keinerlei Hilfe für das Verstehen schwarzer Löcher oder des Schwarzschild-Radius' bietet, auch wenn es das entsprechende Kapitel einleitet (vgl. Davies 1995: i n ) . Im Gegensatz dazu stellen die ebenfalls in diesem Buch enthaltenen Verweise auf eine lange philosophische und literarische Tradition - von Piaton bis Lewis Carroll und Martin Amis - , in der eine Rückwärtsbewegung der Zeit thematisiert wird, einen sinnvollen und hilfreichen Bezug zu früheren Überlegungen über die Wahrnehmung von Zeit und zum Problem der,Wirklichkeit' von Zeit her.25 Die physikalische Auseinandersetzung mit dem Enigma der Zeit, mit einer möglichen Umkehrung des Zeitpfeils der Entropie im Falle einer Kontraktion des Universums, wie sie von Thomas Gold vorgeschlagen wurde, oder auch mit subjektiver Zeit, gewinnt durch diese Verweise an der Anschaulichkeit, die ihrer mathematischen Ausformulierung und den abstrakten Theorien fehlt. Gleichzeitig wird sie in einen Kontext gestellt, dessen Bedeutung gleichermaßen alltäglich und entrückt, konkret und abstrakt, lokal und universell ist. Die gelegentlich abstrus erscheinenden Konzepte der theoretischen Physik werden durch die Verweise auf frühere Denkfiguren und teilweise paradoxe Gedankenspielereien aus dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm befreit und erscheinen als Beiträge zur Diskussion von Fragen, die die Menschheit vom Anfang der Philosophie an begleitet haben. Die Literatur wird, wenn sie in dieser Weise zur Vermittlung wissenschaftlicher Überlegungen herangezogen wird, nicht lediglich einseitig in Dienst genommen und zum Wasserträger der Naturwissenschaften degradiert. Sie tritt genau in den Austausch von Metaphern, Ideen und Problemen ein, der in den Arbeiten über die kulturelle Interdependenz beschworen wird. 25

Ich werde auf diese Texte und auf die in ihnen dargestellte Umkehr der Zeit noch genauer eingehen.

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2.2. Von Überzeugung, Propaganda und sprachlicher Gewalt Der Titel dieses Unterkapitels leitet sich von einem Zitat aus Feyerabends Against Method ab, in dem er eine hypothetische Auseinandersetzung zwischen progressiven Rationalisten und konservativen Verteidigern eines bestehenden status quo beschreibt (vgl. Feyerabend 1993: 16). Erstere sehen sich aufgrund neuer Ereignisse veranlaßt, neu gewonnene Standards und komplexere Argumentationsstrategien anzunehmen, letztere greifen bei der Abwehr nicht nur auf bestehende Argumente zurück, sondern auch zu ,irrationalen' Mitteln: Even the most puritanical rationalist will then be forced to stop reasoning and to use propaganda and coercion, not because some of his reasons have ceased to be valid, but because the psychological conditions which make them effective, and capable of influencing others, have disappeared. And what is the use of an argument that leaves people unmoved, (ibid., kursiv im Original) In diesem idealisierten Fall scheint eine direkte Verbindung zwischen externen Ereignissen und einer - leider nicht immer allein überzeugenden - Rationalität der ihnen angemessenen Argumente zu bestehen. Rhetorische Mittel finden dort ihre Anwendung, w o die Rationalität der Argumente ignoriert wird, d.h., zugunsten der relativen Wahrheit greift selbst der Rationalist zu Formen der Uberzeugung, die im rationalen Diskurs eigentlich unlauter sind. Feyerabend bezieht sich hier wohl auf einen Satz von Kant, den er dann später gekürzt und in Übersetzung als Motto seines sechsten Kapitels zitiert. Das Original lautet: Wo aber das gemeine Wesen dafür hält, daß spitzfindige Vernünftler mit nichts anderem umgehen, als die Grundfeste der öffentlichen Wohlfahrt wankend zu machen, da scheint es nicht allein der Klugheit gemäß, sondern auch erlaubt und wohl gar rühmlich, der guten Sache eher mit Scheingründen zu Hilfe zu kommen, als den vermeintlichen Gegnern derselben auch nur den Vorteil zu lassen, unseren Ton zur Mäßigung einer bloß praktischen Uberzeugung herabzustimmen, und uns zu nötigen, den Mangel der spekulativen und apodiktischen Gewißheit zu gestehen. (Kant 1990: 686) Bei Feyerabend findet sich in einer Fußnote dann aber auch die Fortsetzung dieses Zitats, in der Kant jede verfälschende Argumentation - selbst im Interesse einer guten Sache - verwirft. 2 6 Alle Formen der argumenta-

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Die von Feyerabend angeführte Übersetzung ist dabei etwas eigenwillig, denn in ihr wird Kants „Gutartigkeit der Sache" ganz einfach als „truth" wiedergegeben (vgl. Kant 1990: 686 und Feyerabend, 1993: 55 Fn).

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tiven Täuschung sind demnach grundsätzlich der Sache abträglich, lassen sich aber bedauerlicherweise nicht aus der Diskussion eliminieren. Schon etwas früher hatte Kant auf argumentativer Aufrichtigkeit beharrt, indem er fragte: [W]as kann den Einsichten nachteiliger sein, als sogar bloße Gedanken verfälscht einander mitzuteilen, Zweifel, die wir wider unsere eigenen Behauptungen fühlen, zu verhehlen, oder Beweisgründen, die uns selbst nicht genugtun, einen Anstrich von Evidenz zu geben. (Kant 1990: 685)

Das bei Kant entworfene Ideal einer wissenschaftlichen oder philosophischen Diskussion ist ausschließlich auf Erkenntnis ausgerichtet. Gegen diese Sicht einer idealen wissenschaftlichen Auseinandersetzung steht das Postulat, auch dieser Diskurs sei als Sprachspiel organisiert, in dem es weniger um objektive oder auch approximative Wahrheit geht als um „an argumentation process, designed to win agreement from the addressees of scientific messages" (Lyotard 1984: 46). Darüber hinaus gibt es auch noch die Sicht eines Diskurses, dem es eigentlich um die Fortführung des Spiels selbst geht, d. h. darum, das Gespräch in Gang zu halten. Dieser Gedanke wurde u.a. von Richard Rorty vorgebracht (vgl. Rorty 1987: 403 und 4o8f.); 27 wobei hier allerdings nicht die Naturwissenschaften angesprochen sind, sondern die Philosophie, wenn auch im Kontext von Realismus vs. Relativismus. Alle drei Ansätze werden in der Diskussion um die Rhetorik der Wissenschaften vertreten (vgl. z.B. Gross 1990b: 195-209); einer der wesentlichsten Aspekte ist dabei die Frage, wodurch sich Wissen konstituiert, d.h., ob sich der angestrebte Konsens innerhalb der relevanten Gemeinschaft wesentlich über den Bezug auf eine externe Wirklichkeit erreichen läßt oder primär über gruppeninterne Strategien, die auf die Zustimmung innerhalb der Gemeinschaft relevanter Diskussionspartner abzielen. Damit ist das Regulativ im wissenschaftlichen Diskurs angesprochen, die Kontrollinstanz, die über Akzeptanz, Korrektheit, Relevanz oder sogar Wahrheit einer wissenschaftlichen Aussage befindet bzw. Widerspruch gegen sie einlegt. Es wird sich in dieser Frage als problematisch erweisen, einen der beiden Pole, Natur oder wissenschaftliche Ge27

Der Gedanke, daß es bei der Diskussion um die philosophischen und erkenntnistheoretischen Aspekte der naturwissenschaftlichen Auseinandersetzung wesentlich darum gehen könnte, das Gespräch in Gang zu halten, läßt - möglicherweise gegen das Interesse von Rorty selbst - die phatischen Elemente der Kommunikation hervortreten. Rortys Gedanke erinnert hier auch an David Lodges Small World und die ,Heilsfrage' von Persse McGarrigle, „What follows if everybody agrees with you?" an die versammelten Literaturtheoretiker (Lodge 1985: 319). Was daraus folgen würde, wäre, daß das Gespräch beendet wäre, d.h. etwas, woran keiner der Befragten ein Interesse haben könnte.

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meinschaft, grundsätzlich als ausschlaggebend anzusehen. Die starke Variante des sozialen Konstruktivismus, in der wissenschaftliche "Wahrheit einzig von dem rhetorisch erzielten Konsens der Gemeinschaft abhängt (vgl. z.B. Grint und Woolgar 1995: 304.), sieht sich vor das Problem gestellt, daß sie keine inhaltlichen Restriktionen für die Aussagen akzeptieren kann, ohne den Einspruch einer widerspenstigen Natur und damit externe Einflüsse zu konstatieren. Es folgt, daß sich Feyerabends „anything goes" (vgl. Feyerabend 1993: 14 und passim)28 von der Methodenebene auf die Ergebnisse verschiebt. Michael Redhead hat überaus polemisch auf die Konsequenz hingewiesen, daß damit nicht nur der Begriff der Wahrheit, sondern auch der des Irrtums in Frage gestellt wird und daß jegliche Aussage, sofern sie nur genügend Zustimmung findet, einen Wahrheitswert erhält. Sein Beispiel, daß nach relativistischer Sicht ein kollektiver Glaube an Elfen in Wissen umschlägt und somit dem Glauben einer gesellschaftlichen Minderheit an die Existenz von Quarks gleichkäme, hat deutlich komische Untertöne (vgl. Redhead 1995: u f f . ) . Im Kontext der Auseinandersetzung um die Wiedereinführung schöpfungsgeschichtlicher Erklärungen in den Naturkundeunterricht der Schulen, wie sie in den U S A geführt wird, läßt sich aber durchaus eine ernsthafte und bedrohliche Ebene dieses Problems ausmachen. In der Rezension zu einem Buch über das Verhältnis von Religion und amerikanischer Hochschulbildung findet sich folgende Passage: In the recent past, religion had been driven from the campus because it lacked scientific credentials. But since that criterion has itself lost its own credentials, Mr. Marsden wonders w h y religion cannot reclaim its place on the campus. He is right to raise such questions. (Diggins 1994: 25)

Ich gehe allerdings davon aus, daß derart extreme Konsequenzen auch für die meisten der ansonsten radikalen Konstruktivisten zu weit gehen, so daß eher ein theoretisches Paradoxon in Kauf genommen wird, als daß

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Dieses Schlagwort wird sowohl von Kritikern als auch von Anhängern häufig in einem viel weiteren Sinne gebraucht als bei Feyerabend. So findet sich in einer Darstellung Feyerabends in Science eine ihm zugeschriebene Sicht des freien Meinungsaustausches in einer zukünftigen besseren Wissenschaft: „Equal weight (...) should be given to competing avenues of knowledge such as astrology, acupuncture and witchcraft" (Broad 1979: 534). Es ist mir zwar nicht möglich, eine umfassende Durchsicht aller Publikationen Feyerabends vorzunehmen, die Aussagen zu ,witchcraft' und ,astrology' in Against Method haben aber eine deutlich andere Zielrichtung als die hier angeführte (vgl. Feyerabend 1993: 34Í. und 78 Fn). Dort wird eher ein kognitiver Gehalt des verschrienen Aberglaubens konstatiert, der durch die neuen Wissenschaften verloren ging, als eine Neuaufnahme der alten ,Methoden' und ,Inhalte' gefordert.

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der um sich greifende Fundamentalismus unterstützt würde. In diesem Sinne schreibt Donna Haraway in ihrer Antwort auf ,Sokal's hoax': I am committed to the solidity and non-optional, if also non-closed and révisable, quality of scientific projects. H o w else could I continue to argue that teaching Christian creationism in biology classes in the public schools is serious child abuse. (Haraway 1997: 126)

Es kann jedoch kaum übersehen werden, daß damit ein großer Schritt auf die schwache Variante des Konstruktivismus zu getan wird, wie sie u. a. auch von Gross und Levitt als durchaus konsensfähige ,commonsensical' Sicht beschrieben wurde, d. h. eine kulturelle und historische Einbettung der Wissenschaften und ihrer jeweiligen Methoden, Interessen und Vorurteile bei gleichzeitiger Beibehaltung der Grundannahme, daß nichtsdestotrotz Aussagen über die externe Wirklichkeit getroffen werden können, daß also die wissenschaftliche Praxis nicht vollständig in der sozialen Praxis aufgeht (vgl. dazu Gross und Levitt 1998: 4}ί·). Versuche, eine völlig unabhängige Wissenschaft mit einem uneingeschränkt objektiven Zugang zur externen Realität zu proklamieren, müßten notwendigerweise die Wissenschaftsgeschichte vollkommen ignorieren und damit auch die Tatsache, daß wissenschaftliche Wahrheit immer nur vorläufige Gültigkeit besaß. Für die gegenwärtigen Theorien einen fundamental anderen, absoluten Status anzunehmen, verstieße nicht nur gegen jede A r t von Einsicht in die eigene historische Bedingtheit, sondern auch gegen eine der wesentlichen Voraussetzungen der Wissenschaft, nämlich den grundsätzlichen Zweifel. Mir ist eigentlich nur ein neuerer Text bekannt, der vorbehaltlos auf einer absolut objektiven, theorieunabhängigen und zugänglichen Wahrheit insistiert. Theocharis und Psimopoulos schreiben in einem furiosen Angriff gegen jegliche Form kritischer Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftssoziologie, unter die hier neben Paul Feyerabend auch Karl Popper, Thomas S. Kuhn und Imre Lakatos gerechnet werden: It is only on true knowledge that the socially beneficial and economically profitable medical and technological application can be firmly grounded - knowledge normally discovered by means of the valid and judicious application of the scientific method. (Theocharis und Psimopoulos 1987: 598)

Etwas später folgt dann auch noch die Aussage: Both truths - ordinary and scientific - are of the same character in that they are both established by, either natural or artificial, either simple or sophisticated, observations. In fact, the only meaningful definition of truth is b y w a y

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of the objectivity of theory-free and context-transcendent observation, (ibid., kursiv im Original)

Eine so radikale Sicht objektiver, zeitloser Wahrheit wird auch bei denjenigen relativiert, die die Wissenschaften als Königsweg zur Erklärung der externen Realität ansehen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang eine Kritik von Jeremy Bernstein an Fritjof Capra und den Versuchen der New Age Philosophie, die neuere Physik mit verschiedenen Spielarten des Mystizismus in Verbindung zu bringen. Er lehnt dies gerade unter Verweis auf die Vergänglichkeit wissenschaftlicher Theorien ab: [T]he one thing I am sure of, beyond any doubt, is that the science of the present will look as antiquated to our successors as much of nineteenth-century science looks to us now. To hitch a religious philosophy to a contemporary science is a sure way to its obsolescence. (Bernstein 1978/79: 8)

Wissenschaftliche Auseinandersetzungen sind damit nicht von dem Konflikt zwischen absolut wahren und ebenso absolut falschen Aussagen und Theorien bestimmt, sondern, je nachdem ob man positivistische, pragmatische, evolutionäre oder auch ästhetische Aspekte der Wissenschaft in den Vordergrund stellt, von mehr bzw. weniger zutreffenden, funktionsfähigen, überlegenen oder auch ,schönen' Hypothesen 29 im Rahmen einer jeweils gegebenen historischen Situation. Dementsprechend stehen in der Diskussion um Wissenschaft und Rhetorik auch die sogenannten ,truth claims' wissenschaftlicher Texte im Zentrum des Angriffs; die Diskussion um doxa und epistéme hat seit der vorsokratischen Philosophie 30 nichts von ihrer Relevanz eingebüßt. Die wesentlichen Aspekte sind dabei: ι. die Vorläufigkeit jeder wissenschaftlichen Theorie, d. h. die unbestreitbare Tatsache, daß quasi jede wissenschaftliche Aussage früher oder später überholt wird, 19

30

Zur Bedeutung von ästhetischen Aspekten für wissenschaftliche Theorien vgl. Weinberg 1993, Kapitel 6 oder Zee 1992. Von Paul Dirac ist eine Geschichte überliefert, die mit dem Satz schließt: „Die Moral von der Geschichte ist, glaube ich, daß es wichtiger ist, Schönheit in seinen Theorien zu haben, als die Ubereinstimmung mit dem Experiment" (zitiert nach Elkana 1986: 501). Kuhn weist allerdings auf einen wesentlichen Unterschied in der Bedeutung der Ästhetik in Kunst und Wissenschaft hin: „[I]n the arts, the aesthetic is itself the goal of the work. In the sciences it is, at best, a tool: a criterion of choice between theories which are in other respects comparable, or a guide to the imagination seeking a key to the solution of an intractable technical puzzle" (Kuhn 1969: 405). Vgl. z.B. den Gegensatz zwischen der Wahrheit und menschlichen Meinungen in Parmenides' Lehrgedicht (Mansfeld 1987: 314/15).

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2. die Theoriegeladenheit jeglicher wissenschaftlicher Arbeit und daraus folgend die Frage nach der Wirklichkeit experimentell ermittelter Fakten, 3. die Abhängigkeit der wissenschaftlichen Arbeit von ihrem sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umfeld, 4. die Bedeutung des Konsens innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft für die Bestimmung wissenschaftlicher Wahrheit. Es liegt wohl auf der Hand, daß jeder dieser Punkte eine wesentliche Rolle in der wissenschaftlichen Arbeit spielt. Damit stellt sich die Frage, was die Überlegenheit oder auch nur die Bedeutung einer Theorie gegenüber ihren Vorgängern ausmacht, wenn auch sie nur den Status einer zu überwindenden Hypothese hat, bzw. von wissenschaftsexternen Faktoren oder Problemen der Konsensbildung mitbestimmt wird. Diese Frage schließt natürlich auch den Status der früheren, inzwischen widerlegten oder überholten Theorien ein und damit den Ablauf der Wissenschaftsgeschichte, entweder als einer asymptotischen Annäherung an eine adäquate Darstellung der externen Realität oder als die quasi zufällige Abfolge von Paradigmen, die aus dem jeweils dominierenden Diskurs und der in ihm vorherrschenden rhetorischen Strategien folgen. Die Dominanz einer sozialen Konsensbildung im Wissenschaftsprozeß, der als Folge wissenschaftlicher Diskurse rhetorisch determiniert ist, wird innerhalb des sozialen Konstruktivismus vehement vertreten. Die Kritik an traditionellen Konzepten wissenschaftlicher Wahrheit' endet aber nicht an dieser Stelle, und eben die von Kant angeführten unlauteren Aspekte der Überzeugung, d. h. der Einsatz von Scheingründen und das Verschweigen jeglichen Mangels an Gewißheit (s. o.), finden sich in einem Aufsatz zur Rhetorik der Wissenschaften als quasi typische Merkmale des wissenschaftlichen Textes: The rhetorical strategy of a traditional scientific text is to make an assertion and then to indicate that this assertion follows obviously from the evidence given. The traditional text elides the failed experiments and deadened hypotheses. It also puts up a unified front, implying that only one interpretation of the results is possible, that only one is called for. The strategy of the traditional text is to close down alternative possibilities and, through rhetoric, to indicate that the one finally chosen is the obvious and logical one. (Kelley 1993: 133f.)

Kelleys Angriff verbindet zwei Bereiche, die eigentlich zu trennen sind; einerseits den formalen Stil des wissenschaftlichen Textes, der durch seine vorgegebene Argumentationsstruktur wesentliche Aspekte der wissenschaftlichen Arbeit ausblendet (ich werde darauf zurückkommen), und 97

andererseits die bewußte Täuschung, durch die der Wissenschaftler ihm bekannte Fehler und Gegenargumente verschweigt, um damit seine eigene Position zu stärken. Der erste Punkt betrifft ein Problem der kodifizierten Wissenschaftssprache und der weitgehend verbindlichen Regeln wissenschaftlichen Schreibens, der zweite ein individuelles moralisches Manko. Kelley ist nicht der einzige Kritiker, der versucht, den letzteren Aspekt zu generalisieren und zu einem übergreifenden Thema zu erheben. David Stone verwischt die Grenze zwischen individuellen und allgemeinen Mängeln, wenn er schreibt, Wissenschaftler unterlägen per se einem „schizophrenic split, whereby whatever doubts they have are relegated to their private or unconscious lives, and thus can be categorized as inappropriate to scientific discussion" (Stone 1993: 304). Daß diese Darstellung nur ein groteskes Zerrbild wissenschaftlicher Arbeit wiedergibt, muß wohl nicht weiter belegt werden; aus dem wissenschaftlichen Denken ausgerechnet den Zweifel auszuschließen, gehört wohl selbst zu den Formen von Irreführung, die der Text zu kritisieren meint. Bazerman führt diametral entgegengesetzt die Feststellung von Wissenschaftlern an, sie seien „positively impressed when the author admits experimental or methodological difficulties" (Bazerman 1988: 248), so daß das Eingeständnis von Problemen geradezu zum Zeichen der Aufrichtigkeit erhoben wird. Daß es sich bei den Texten von Kelley und Stone um ideologisch eingefärbte Angriffe handelt, steht wohl außer Zweifel. Es wird besonders deutlich, wenn man einen weiteren Aufsatz aus derselben Aufsatzsammlung in Betracht zieht. Jeanne Fahnestock unterscheidet zwischen den rhetorischen Genres in wissenschaftlichen bzw. populärwissenschaftlichen Texten. Sie stellt in dem Ubergang zwischen wissenschaftlichen Äußerungen und ihrer Weitervermittlung an ein größeres Publikum eine wesentliche Verschiebung fest, und zwar von einer forensischen oder deliberativen zu einer epideiktischen Rhetorik: „their main purpose is to celebrate rather than to validate" (Fahnestock 1993a: 20). 31 Ein besonders schönes Beispiel für die Verschiebung von wissenschaftlicher Vorsicht zu vermeintlicher Sicherheit findet sich bei Cavalli-Sforza. Er beschreibt sein Unbehagen, als er feststellen mußte, daß in der Übersetzung eines seiner 31

Bei Gross findet sich eine Vermischung aller drei Genres, wenn er schreibt: „ A scientific report is forensic because it reconstructs past science in a way most likely to support its claims; it is deliberative because it intends to direct future research; it is epideictic because it is a celebration of appropriate methods" (Gross A. 1990a: 10). Daß hier eine Beschreibung schon wieder in ein Postulat der zugrunde liegenden Motive umgeschlagen ist, muß wohl nicht weiter ausgeführt werden. 98

p o p u l ä r w i s s e n s c h a f t l i c h e n B ü c h e r alle K o n j u n k t i v e u n d K o n d i t i o n a l e des O r i g i n a l s z u I n d i k a t i v e n g e w o r d e n w a r e n , „ w a s alle v o n m i r e i n g e b a u t e n Absicherungen u n w i r k s a m machte" (Cavalli-Sforza 1999: 15). Bei derartigen Verschiebungen gehen zumeist diejenigen Ä u ß e r u n g e n verloren, die Z w e i f e l , Einschränkungen, alternative

Erklärungsmöglich-

keiten oder Unsicherheiten ausdrücken,32 stattdessen w e r d e n sensationalistische A s p e k t e b e t o n t o d e r auch vielfältige A n w e n d u n g s m ö g l i c h k e i t e n neuer T h e o r i e n in den V o r d e r g r u n d geschoben.33 F a h n e s t o c k spricht hier v o n „the , w o n d e r ' a n d the a p p l i c a t i o n ' a p p e a l s " ( F a h n e s t o c k 1 9 9 3 a : 20): A n epideictic a r g u m e n t p r a i s i n g the s p a c e shuttle, f o r e x a m p l e , w o u l d u s e t h e w o n d e r a p p e a l if it t a l k e d a b o u t the „ n e v e r b e f o r e " a c h i e v e m e n t s o f the m a chinery, a s t r o n a u t s , a n d engineers, a n d w o u l d u s e the a p p l i c a t i o n a p p e a l if it p o i n t e d o u t s p i n - o f f s f r o m the s p a c e shuttle. If a scientific s u b j e c t c a n n o t b e recast u n d e r these a p p e a l s , it is n o t likely t o m a k e its w a y t o a w i d e r a u d i e n c e , (ibid.: zof.) E s fällt nicht schwer, Beispiele f ü r eine epideiktische R h e t o r i k in p o p u l ä r wissenschaftlichen B ü c h e r n zu finden, u n d häufig genug erscheint W i s s e n s c h a f t s g e s c h i c h t e d a b e i als e i n h e r o i s c h e r K a m p f g r o ß e r gegen die N a t u r u n d veraltete L e h r m e i n u n g e n . Dieses M o m e n t s i c h s o w o h l i n J a m e s G l e i c k s Chaos of Schrödinger's

52

33

34

Cat,

34

als a u c h i n J o h n G r i b b i n s In

d.h. Texten zur Chaostheorie und

die

Männer findet Search

Quantenphy-

Der hier geschilderte Prozeß hat Ähnlichkeit mit der Tendenz zur Ideenverschiebung, wie sie von Vaihinger beschrieben wird: ,,[W]as der Eine als Hypothese mitteilt, das nimmt der Andere als Dogma an" (Vaihinger 1913: 221). Dies gilt nicht nur für Bücher von Wissenschaftsjournalisten, sondern auch für populärwissenschaftliche Texte von Wissenschaftlern. Sokal und Bricmont schreiben: ,,[W]eIIknown scientists, in their popular writings, often put forward speculative ideas as if they were well-established, or extrapolate their results far beyond the domain where they have been verified. Finally there is a damaging tendency - exacerbated, no doubt, by the demands of marketing - to see a ,radical conceptual revolution' in each innovation. All these factors combined give the educated public a distorted view of science" (Sokal und Bricmont 1998: 193). Ich habe hier absichtlich Darstellungen gewählt, die einen gewissen Status als populärwissenschaftliche Standardtexte erlangt haben. Es geht mir keinesfalls darum, sie zu kritisieren oder in ihrer Bedeutung herabzuwürdigen, u. a. weil sie auch für mich wichtig waren und dementsprechend auch in meinen Bibliographien immer wieder auftauchen. Daß durch die Kanonisierung dieser Texte allerdings eine rein personenbezogene und heroisierende Darstellung von Wissenschaftsgeschichte ausgerechnet von den Literaturwissenschaftlern, die die Postmodernität der Chaostheorie und der Quantentheorie feiern, kritiklos hingenommen wird, sei noch am Rande angemerkt. Eine Ausnahme ist Katherine Hayles, die Gleick - wenn auch sehr milde - kritisiert (vgl. Hayles 1990a: I45Í und I7iff.); allerdings steht bei ihr hauptsächlich der Aspekt im Vordergrund, daß Frauen in Gleicks Buch nicht in Erscheinung treten.

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sik, die regelmäßig in den Bibliographien literaturwissenschaftlicher Annäherungen an diese Bereiche auftauchen. Dementsprechend werden bei Gleick die Schwierigkeiten der angehenden Chaostheoretiker betont: „Every scientist who turned to chaos early had a story to tell of discouragement or open hostility" (Gleick 1988: 37). Der Text kulminiert schließlich in der Darstellung eines schicksalhaften Schlüsselerlebnisses für einen der beteiligten Wissenschaftler; hoch in den Bergen stellt er plötzlich fest: „All of a sudden I knew that was my destiny" (William Schaffer, zitiert nach Gleick 1988: 317). Die letzten Sätze weisen dann deutlich auf eine Initiation des heroischen Wissenschaftlers hin: „Up in the mountains, he knew, the ants changed with the season. Bees hovered and darted in a dynamical buzz. Clouds skidded across the sky. He could not work the old way anymore" (ibid.). Gleichzeitig ist Gleicks Darstellung immer wieder von Hinweisen auf die Ubiquität chaotischer Systeme und die universelle Bedeutung der neuen Forschungsrichtung durchzogen (ibid., z.B. jf., 38f., 79f.); jeglicher Zweifel an dieser Bedeutung kann dementsprechend nur von denen geäußert werden, die noch zu sehr in der traditionellen, überholten Wissenschaft verankert sind. Kurz, die Rhetorik von Gleick entspricht sehr genau derjenigen, die Kelley und Stone als die der Wissenschaft kritisiert hatten. Der Verdacht drängt sich auf, daß diese Autoren mit populärwissenschaftlicher Literatur vertrauter sind als mit der wissenschaftlichen; erhärtet wird er durch die Literaturlisten, in denen neben den obligatorischen kritischen Texten zur Wissenschaftsrhetorik (Gross, Latour, Bazerman, Jones 35 ) fast ausschließlich populärwissenschaftliche Texte angeführt sind. Vergleicht man die dort in Erscheinung tretende Rhetorik mit der von wissenschaftlichen Texten, so wird deutlich, daß bei letzteren, soweit eine generalisierende Aussage nicht schon wieder notgedrungen verfälschend ist, weit größere Vorsicht herrscht. Ein Heranziehen wissenschaftlicher Texte, die den Thesen der wissenschaftskritischen Rhetoriker entgegenlaufen, kann bei der Masse von Material natürlich nicht dazu dienen, die dort vorgebrachten Behauptungen 35

Der Text von Roger Jones, Physics as Metaphor, ist dabei ein Spezialfall. Er findet sich in vielen Bibliographien, es wird aber nie wirklich aus ihm zitiert, sondern immer nur auf ihn verwiesen. Der Grund dafür ist nicht schwer zu erkennen: der Text ist eine abstruse Mixtur aus Mystik und Physik, in der Einleitung geht der Autor noch weit über die üblichen relativistischen Konzepte hinaus, wenn er schreibt: „I reject the myth of reality as external to the human mind, and I acknowledge consciousness as the source of the cosmos" (Jones 1983: ix). Dementsprechend gibt er auch seine ziemlich eigenwilligen Ansichten zur musikalischen Harmonie im Kosmos viel umfassender wieder als die weniger freundlichen Aspekte des Entropiegesetzes. IOO

zu widerlegen. Stattdessen möchte ich hier zwei längere Passagen von Alan Gross anführen: eine programmatische, in der die weitreichende, wenn nicht sogar absolute Bedeutung der Rhetorik und besonders der persuasio für wissenschaftliche Wahrheit proklamiert wird, und eine ,Analyse', in der zwei einflußreiche wissenschaftliche Arbeiten aus dem Umfeld der Entdeckung der DNA als Beleg für den Einsatz rhetorischer Uberzeugungsmittel angeführt werden sollen. Gross, Autorität zum Thema wissenschaftlicher Rhetorik für Kelley und viele andere, schreibt zunächst über sein Vorhaben: In this chapter I do not intend merely to rehearse, to deepen, or to extend the claims of [...] critics that Watson and Crick use persuasive devices to convince scientists of the correctness of their structure; rather I want to support a more radical claim: that the sense that a molecule of this structure exists at all, the sense of its reality, is an effect only of words, numbers, and pictures used with persuasive intent. (Gross 1990a: 54)

Es stellt sich dabei natürlich die Frage, ob irgendeine Analyse von Texten belegen könnte, daß die Annahme einer Existenz von bestimmten Molekülen ausschließlich aus sprachlicher Überzeugungsarbeit resultiert. 36 Die Wiederholbarkeit von Experimenten und die Tatsache, daß auf ihrer Basis sinnvolle Voraussagen getroffen werden können, scheint hier nicht weiter von Belang zu sein. Als Beleg für die radikale These werden dann zwei Artikel von Pauling bzw. Watson und Crick herangezogen: Examining the rhetoric of Pauling's alpha helix paper, we find that he is not averse to self-advertisement. In his exordium, he calls his predictions „reliable", his configurations „reasonable." What he finds is „important" and a „discovery" [...]. In their first paper on D N A , Watson and Crick imitate the spirit of this self-promotion. In their exordium, they „wish to suggest a structure for the salt of desoxyribose nucleic acid (D.N.A.). This structure has novel features of considerable biological interest." It is on these biological implica36

Eine ganz ähnliche Aussage findet sich bei Latour und Woolgar. Sie schreiben über eine Substanz, T R H , die durch chemische Rekonstruktion entdeckt wurde: „Claims about the universality of science should not obscure the fact that T R H exists as a ,new recently discovered substance' within the confines of a network of endocrinologists. [...] Outside these networks T R H simply does not exist [...]. In the hands of outsiders and once devoid of its label, T R H would be merely thought of a ,some kind of white powder.' It would only become T R H again through its replacement within the network of peptide chemistry where it first originated" (Latour und Woolgar 1986: n o ) . Hier wird das Wissen um eine Substanz mit der Existenz der Substanz gleichgesetzt; dagegen möchte ich darauf hinweisen, daß verschiedene weiße Pulver unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, ganz gleich, ob wir wissen, um was es sich dabei handelt, oder nicht - Rattengift wirkt auch dann wie Rattengift, wenn wir es nicht erkennen und mit Mehl verwechseln.

ΙΟΙ

tions that their peroration focuses: „It has not escaped our notice that the specific pairing we have postulated immediately suggests a possible copying mechanism for the genetic material" [...]. In the first passage, the bold connotations of „novel" and „considerable" contrast with the mock timidity of „suggest"; in the second, a repetition of this timid verb underlines the litotes of the opening phrase and the hyperbole of the adverb. In short, we are in the presence of irony. (Gross 1990a: 62)

Daß ein Wissenschaftler seine Vorhersagen als zuverlässig und seine Modelle als vernünftig ansieht, scheint mir eine conditio sine qua non seines Selbstverständnisses zu sein; ebenso, daß er seine Befunde für wichtig hält, sonst würde er seine eigene Arbeit als irrelevant disqualifizieren. Die letztere Einschätzung wird wohl nicht immer von allen Kollegen geteilt werden,37 aber jede positive Einschätzung der eigenen Arbeit und Ergebnisse schon als eine Art von Selbstbeweihräucherung zu denunzieren, erfordert ein mehr als gewöhnliches Maß an interpretatorischem Wagemut. Gleichermaßen ist es zumindest kühn, hinter dem offensichtlichen Understatement von Watson und Crick eine Form von ,self-promotion' zu entdecken oder auch, wie es in einem anderen Artikel beschrieben wird, einen „breezily confident ethos" (Charney 1993: 206).38 Eben die hier zitierten Sätze werden von Gould gerade als sein Lieblingsbeispiel und Beleg für die Behauptung angeführt: „Gute Prosa von Wissenschaftlern [...] ist häufig eher karg denn wortreich" (Gould 1991b: 164). Es steht außer Zweifel, daß die Texte, die hier untersucht wurden, rhetorische Mittel einsetzen - da die Rhetorik ein umfassendes System sprachlicher Ausdrucksformen ist, läßt sich dies per se nicht vermeiden. Die Funktion dieser Rhetorik scheint mir im Falle von Pauling vernachlässigbar, bei Watson und Crick allerdings weitaus vielschichtiger zu sein, als hier angenommen wird. Hier spiegelt sich wahrscheinlich die Außenseiterrolle, die die beiden Wissenschaftler einnahmen - oder für sich reklamierten - , und das Understatement entspricht sehr genau der Balance und dem SpannungsVerhältnis zwischen Unsicherheit und Erfolg. 37

38

Natürlich ist nicht jede "wissenschaftliche Untersuchung auch wirklich sinnvoll und erkenntnisträchtig. Das kann man u. a. auch daran ablesen, daß in den U S A alljährlich die überflüssigsten und unsinnigsten Forschungsarbeiten mit dem ,1g N o b e l Prize' ausgezeichnet werden. G a n z offensichtlich ist auch Gross die Unangemessenheit seiner Einschätzung aufgefallen, denn er beschäftigt sich im folgenden Abschnitt damit, daß die Rhetorik von Watson und C r i c k zwar keineswegs ,dazzling' sein mag, aber in der ansonsten trockenen Wissenschaftssprache doch hervorsticht (vgl. Gross, 1990a: 62). Vergleicht man diese Einschränkungen mit der kühnen Programmatik, die das Kapitel einleitete, so wird die Diskrepanz zwischen Anspruch und Ergebnis überaus deutlich.

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Hier zeigt sich, welche Konstruktionen und weitreichenden Interpretationen notwendig sind, um das radikale Konzept einer ausschließlich rhetorisch verfaßten Wissenschaft zu stützen. Daß ausgerechnet diese Arbeiten von Gross als Beleg herangezogen werden, läßt wohl auch darauf schließen, daß die Textlage für seine These nicht besonders günstig war. Zu den Problemen, die eine Detailanalyse wissenschaftlicher Rhetorik, wie sie Gross vornimmt, mit sich bringt, gehört, daß der Befund zumeist in den Rahmen einer vorgegebenen Theorie eingefügt wird, daß also hier ein speziell ausgeprägter Fall von Theoriegeladenheit vorliegt. Ein Ansatz, der von der fundamentalen Ambivalenz jeglicher Datenlage und der daraus folgenden Interpretationen ausgeht, müßte die weitaus grundsätzlichere Mehrdeutigkeit und Polyvalenz im Kontext von Rhetorik und Sprache eigentlich voraussetzen und allzu eindimensionale Lesarten vermeiden. Daß eine andere, um nicht zu sagen gegensätzliche Deutung konstituierender Elemente wissenschaftlichen Schreibens möglich ist, zeigt sich an einem Beispiel in Fahnestocks schon erwähntem Artikel (Fahnestock 1993a). Bei ihr findet sich nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit den jeweiligen rhetorischen Genres wissenschaftlicher bzw. populärwissenschaftlicher Texte, sondern auch eine Neubewertung einiger standardisierter Aspekte wissenschaftlichen Schreibens, deren rhetorische Funktion in Hinsicht auf ,truth claims' kaum noch in Frage gestellt wurde. Dazu gehört die Bedeutung von Zitaten. In den meisten Arbeiten zur Rhetorik der Wissenschaft wird das Zitat als Anlehnung an eine Autorität gefaßt und damit als Verweis auf gesichertes Wissen: The authority is that of authors with whom the current writers agree, plus the journals that publish the references and the referees of those journals, plus all the references cited by the cited articles and their journals, and so on. This combined authority can make for a powerful force that is difficult to resist. In social constructionist terms, collective authority is knowledge. (Winsor 1993:

129)39 Bei Fahnestock wird eben dieser Aspekt fast in sein Gegenteil verkehrt. Das Zitat oder der Verweis auf frühere wissenschaftliche Texte unterminiert (wenn auch nur geringfügig) die Gewißheit einer Behauptung, „just the citation of a reference or source following an assertion slightly 39

Ganz ähnlich schreibt Jan Golinski: „Scientific writers choose their citations with evident deliberation, aiming to situate their own w o r k in relation to a selective view of the past and borrowing the authority of certain past claims to support their o w n " (Golinski 1990: 497)·

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weakens the certainty of a claim because it suggests the need for a backing" (Fahnestock, 1993 a: 29).40 Eine ähnliche Umdeutung läßt sich für den Fall der oft kritisierten Auslassungen und Unterschlagungen weniger erfolgreicher Experimente anführen. Kelley hatte geschrieben: „The traditional text elides the failed experiments and deadened hypotheses" (s. o.). Bei Feyerabend findet sich ein ähnlicher Gedanke, wenn er schreibt: „no single theory ever agrees with all the known facts in its domain" (Feyerabend 1993: 39). Daraus ließe sich eine Art Betrug konstatieren, die sich kurz als eines der vielen Untergesetze zu Murphy's Law fassen läßt: „The experiment may be considered a success if no more than 50% of the observed measurements must be discarded to obtain a correspondence with the theory" (Bloch 1990: 53). Der Gedanke, daß hier eine Täuschung vorliegt, beruht allerdings auf der Prämisse, daß die Unterlassungen, die Nichterwähnung fehlgeschlagener Experimente oder widerlegter Hypothesen, gegen den Kodex der Wissenschaft verstoßen. Bei Frederic Holmes findet sich gerade der gegensätzliche Gedanke, wenn er betont, daß der Kodex und die gemeinsame Erfahrung wissenschaftlicher Arbeit die Erwähnung des Offensichtlichen überflüssig macht: Failed or preliminary experiments did not need to be described to enhance the verisimilitude of the description, because the author's colleagues would take it for granted that these were inevitable accompaniments of innovative research. (Holmes 1991: 178)

Gleichermaßen könnte auch der gelegentlich eigenwillige Umgang mit Daten und experimentellen Ergebnissen weniger auf eine Form des wissenschaftlichen Betrugs hinweisen, sondern gerade aus der Einsicht in die Vorläufigkeit jeder Theorie und der ihr zugrunde liegenden Methoden resultieren. Ein Beispiel dafür findet sich in einem Artikel von Walter C. Rothenbuhler über das Verhalten unterschiedlicher Bienenstämme und seine genetische Grundlage. Er schreibt mit einer Offenheit, die Kelley und Stone deutlich widerspricht, über ein unerwartetes Ergebnis in einer der von ihm beobachteten Bienenkolonien: „This result is beyond explanation at present. [...] We cannot disregard this result, regardless of how much we would like to, but we are basing the genetic hypothesis on the 40

Vgl. dazu auch Latour und Woolgar 1986: γγί. Fahnestock übernimmt Latours und Woolgars Einteilung unterschiedlicher Einschränkungen der ,Wahrheit' yon wissenschaftlichen Aussagen. In ähnlichem Sinne, wenn auch in einem ganz anderen Kontext, schreibt Aleida Assmann: „daß bereits die allzu explizite Wahrheitsbeteuerung zum Signal f ü r Fiktionsverdacht werden kann" (Assmann 1989: 254).

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other data." (Rothenbuhler 1964: 120; vgl. dazu Dawkins 1989: 61 und 282). Der -wichtige Punkt in dieser Aussage liegt in der Formulierung „at present"; damit wird das Eingeständnis eines theoretischen Problems mit der Erfahrung gekoppelt, daß innerhalb komplexer Phänomene nie alle einwirkenden Faktoren berechenbar und überprüfbar sind und daß daher eine spätere Aufklärung des widersprüchlichen Ergebnisses wahrscheinlich sein kann. Ein ähnliches Moment findet sich in den bei Feyerabend angeführten Beispielen 41 für Konflikte zwischen bestehenden Fakten und Theorien. Es handelt sich dabei jeweils um neue Theorien (Newtons Gravitation, Bohrs Atommodell, Einsteins spezielle und allgemeine Relativitätstheorie - letztere wurden 1906 bzw. 1919 angegriffen oder durch Messungen in Frage gestellt, vgl. Feyerabend 1993: 39ff·)» die Unvereinbarkeiten mit den bestehenden Fakten aufwiesen und an denen in der Folge gearbeitet wurde - potentiell bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie zugunsten einer anderen Theorie aufgegeben wurden. Soweit hier die Frage ist, inwieweit der Begriff der Theorie mit dem einer Wahrheit übereinstimmt, muß die Antwort wohl uneingeschränkt ,nein' lauten. Gleichermaßen läßt sich aber auch erkennen, daß eine solche Übereinstimmung es als quasi notwendig erscheinen ließe, daß die fragliche Theorie nicht partielle Antworten anzubieten hätte, sondern, indem sie alle Fakten zu erfassen hätte, eine ,Theory of Everything' sein müßte. Die Forderung an eine physikalische Theorie, mit allen bekannten Fakten ihres Gebietes übereinzustimmen, ist damit auch die Forderung nach einem vollständigen Reduktionismus, da sich alle Erscheinungen der physikalischen Welt aus der Physik heraus erklären lassen müßten. Das Problem besteht hier auch darin, daß sich der Geltungsrahmen einer Theorie besonders in der Zeit ihrer Entstehung nicht vollständig festlegen und begrenzen läßt.42 Theo41

42

Diese sind allerdings nicht als Ausgangspunkt einer Wissenschaftskritik zu verstehen. Er schreibt später dazu: „Always remember that my examples do not criticize science; they criticize those who want to submit it to their simpleminded rules [...]" (Feyerabend 1993: 46 Fn). Gerade hier findet sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen den wissenschaftlichen und den populärwissenschaftlichen Darstellungen neuer Forschungen, da letztere mit Blick auf den Markt, auf dem sie sich verkaufen wollen, den Referenzbereich neuer Theorien möglichst weit fassen und dabei gelegentlich den Bereich der seriösen Berichterstattung verlassen. Fahnestock führt hierzu ein Beispiel an, in dem die Darstellung von Untersuchungen zum Winterschlafmetabolismus bei Bären mit Spekulationen über eine Bedeutung für Dialysepatienten angereichert wurden (vgl. Fahnestock 1993a: 26). Analoge Fälle von übertriebenen medizinischen Erwartungen oder auch Spekulationen über schwarze Löcher und ihre Bedeutung für Zeit- oder Uberlichtgeschwindigkeitsreisen sind in den letzten Jahrzehnten immer wieder aufgetaucht und erfolgreich vermarktet worden.

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rien sind, wie Feyerabend deutlich feststellt, nicht statisch, sondern dynamisch. Eine mangelnde Ubereinstimmung mit bekannten Fakten oder Beobachtungen ist daher nicht notwendigerweise ein Todesurteil f ü r die Theorie, sondern Ausgangspunkt ihrer eigentlichen Ausarbeitung. E r schreibt: „Theories are not only used as premises f o r derivations; they are even more frequently used as a background f o r novel guesses whose formal relation to the basic assumptions is difficult to ascertain" (Feyerabend 1993: 48f. Fn). Inzwischen hat das offensichtlich nicht seltene Phänomen einer gewissen Diskrepanz zwischen Theorie und Beobachtung anscheinend die Schlußfolgerung begründet: „daß eine Theorie, die mit allen Beobachtungen übereinstimmt, wahrscheinlich falsch ist - da man schließlich so gut wie immer ein paar Fehler bei den Voraussagen oder Beobachtungen macht" (Krauss 1999: 52). Das scheinbare Manko einer neuen Theorie, nicht mit allen Fakten ihres Referenzbereiches zur Deckung gebracht werden zu können, kann damit potentiell auch einen Nutzen in sich bergen, da sich auf dieser Basis neue Fragestellungen entwickeln können und müssen, bzw. die Kontingenz der bestehenden Faktenlage hervortreten kann. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Abhängigkeit jeder neuen Theorie von bestehenden ,Hilfswissenschaften', auch solchen, die von der neuen Theorie selbst in Frage gestellt würden. Der Widerspruch zwischen einer neuen Theorie und anerkannten Fakten ist also teilweise auch Resultat der durch unzulängliche Methoden kontaminierten Fakten, die in der Folge zur Uberprüfung anstehen. Feyerabend schreibt: „Facts are constituted by older ideologies, and a clash between facts and theories may be a proof of progress" (Feyerabend 1993: 39), und später: [T]he material which a scientist actually has at his disposal, his laws, his experimental results, his mathematical techniques, his epistemologica! prejudices, his attitude towards the absurd consequences of theories which he accepts, is indeterminate in many ways, ambiguous, and never fully separated from the historical background. It is contaminated by principles which he does not know and which, if known, would be extremely hard to test, (ibid.: 51, kursiv im Original) D a in der Wissenschaftsgeschichte nicht nur alle Theorien, sondern auch alle Methoden der Datengewinnung irgendwann überholt oder zumindest substantiell modifiziert und verbessert wurden, kann auch die Überprüfung der Realität durch das Experiment nur bedingt als gesicherte Grundlage f ü r Wissen angesehen werden. Auch hier befinden wir uns zumindest teilweise im Bereich der doxa; es folgt, daß in vielen Berei106

chen43 Daten zwar eine Überzeugungs- aber keine absolute Beweiskraft haben. An dieser Stelle muß zudem noch einmal kurz das Problem der wissenschaftlichen Täuschung berührt werden, denn durch die begrenzte oder auch nur vorläufige Gültigkeit wissenschaftlicher Daten und durch das Wissen der Wissenschaftler um diese Einschränkung verwischt sich die strikte Grenze zwischen ordnungsgemäß gewonnenen und erfundenen oder auch mutwillig modifizierten Daten. Federico Di Trocchio schreibt dementsprechend in seinem Buch über Betrug und Fälschung in der Wissenschaftsgeschichte: [So] traf die Vorstellung, daß die Phänomene der physikalischen Welt strengen mathematischen Gesetzen folgten, nur teilweise zu, und zwar nur in dem Maße, in dem man kleine Störungen und Abweichungen außer acht ließ, die man, (wie wir heute wissen: zu Unrecht) für unwesentlich hielt. Aus diesem Grund sahen sich auch die Väter der modernen Physik gezwungen zu mogeln: Verharrte ein Phänomen in der Logik des Ungefähren, so halfen sie etwas nach, um es präzise erscheinen zu lassen. (Di Trocchio 1995: 25)

Später faßt er dann das erkenntnistheoretische Problem, das durch die Täuschungen hervortritt, kurz zusammen: Zu erklären, warum Wissenschaftler betrügen, macht es [...] erforderlich, ein Kriterium zu finden, das es erlaubt, den wahren Wissenschaftler vom Betrüger zu unterscheiden. Dies setzt allerdings voraus, daß wir über Kriterien für die Unterscheidung einer wahren von einer falschen Theorie verfügen, und das tun wir nicht, (ibid.: 189) 44

In die gleiche Richtung geht auch Alan Gross' Frage nach der epistemologischen Konsequenz bewußter Täuschungen. Er schreibt über den wissenschaftlichen Betrug: ,,[I]ts exposure typifies the defeat of all ontologica! claims in science, whether fraudulent or not, a defeat that reveals the 43

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Diese Einschränkung ist unbedingt notwendig, denn es gibt selbstverständlich wissenschaftliche Daten, die unzweifelhafte Gültigkeit haben, speziell in Bereichen, in denen die Frage nach der Wahrnehmung der Realität und der Meßtechnik nicht ganz so problematisch ist wie in der modernen Physik. Damit soll natürlich nicht behauptet werden, daß beispielsweise in der Paläontologie oder in der Neurophysiologie die Interpretation der Daten und die Theoriebildung unproblematisch wären, auch wenn die Existenz einer ausgestorbenen Spezies oder eines Botenstoffes zweifelsfrei nachgewiesen ist. Als einen Unterschied zwischen .wahren' und falschen' Theorien gibt Di Trocchio ihre jeweilige Lebensdauer an; als Begründung schreibt er, daß sich die Experimente im letzteren Fall nicht wiederholen lassen (vgl. ibid.: 201) und stellt sich damit auch gegen seine früheren verallgemeinernden Aussagen zur Modifikation von Ergebnissen in der Wissenschaft (s.o.). Als zweites Kriterium führt er aber auch noch „das Ausmaß der Zustimmung, die [einer Theorie] in der Welt der Wissenschaft zuteil wird," an (ibid. 20if.) und bringt damit das Moment der persuasio wieder ins Spiel.

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social and linguistic nature of such claims" (Gross 1990a: 81). Die hier vollzogene Verallgemeinerung läßt sich wohl nur so verstehen, daß wissenschaftliche Arbeiten fast grundsätzlich eine zeitlich begrenzte Gültigkeit haben und von späteren Konzeptionen überholt werden und daß dementsprechend sowohl im Falle des bewußten Betrugs wie auch in vollkommen aufrichtiger wissenschaftlicher Arbeit die Widerlegung letztlich mehr oder weniger unvermeidlich ist. Zieht man die Praxis der Wissenschaft - auch der durchaus ehrenhaften, wie sie Di Trocchio beschrieb in Betracht, so verbietet es sich, den grundsätzlichen Unterschied zwischen unehrlicher und ehrlicher Wissenschaft dadurch zu definieren, daß die eine die experimentellen Ergebnisse verfälscht, während die andere aus wahren Daten doch nur jeweils vorläufige theoretische Schlußfolgerungen ziehen kann. Diese einfache Setzung würde auf der zweifelhaften Prämisse basieren, daß Theorien aus neutral gewonnenen Daten resultieren und mit ihnen in allen Punkten übereinstimmen. Dem widersprechen aber sowohl Überlegungen zur Theoriebildung als auch Untersuchungen zur Erstellung und Verarbeitung experimenteller Ergebnisse. 45 Ein früher Artikel, der quasi alle wesentlichen Aspekte dieser Problematik anführt und dabei auch gleichzeitig eine Kritik der gängigen Rhetorik wissenschaftlicher Texte vorbringt, ist Peter Medawars Aufsatz „Is the Scientific Paper a Fraud?" (1963). Darin unterscheidet der Autor zunächst einmal zwischen einer absichtsvollen Fälschung, die ihn als Thema nicht interessiert, und der normierten und verfälschenden Form der Wissenschaftsvermittlung, die durch die standardisierte Form wissenschaftlicher Arbeiten vorgegeben ist: I mean the scientific paper may be a fraud because it misrepresents the processes of thought that accompanied or gave rise to the w o r k that is described in the paper [...] The scientific paper in its orthodox form does embody a totally mistaken conception, even a travesty, of the nature of scientific thought. (Medawar 1990: 228)

Der vorgegebene Aufbau wissenschaftlicher Arbeiten - Einführung, Verweis auf frühere Arbeiten zum Thema, Methoden, Ergebnisse, Diskussion 46 - verkennt die Prozesse, die tatsächlich bei der Theoriebildung, 45

Vgl. dazu Kuhn 1978 und besonders seinen Vortrag „Objektivität, Werturteil und Theoriebildung", ibid.: 4 2 1 - 4 4 5 . Kuhn verweist darin einerseits auf die Bedeutung der Übereinstimmung innerhalb der relevanten wissenschaftlichen Gemeinschaft, greift aber radikalisierende Mißverständnisse seiner Position heftig an - darunter auch jede Reduktion der Theoriebildung auf reine Rhetorik ohne empirische Grundlagen und argumentative Substanz.

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Diese Einteilung geht bis ins 17. Jahrhundert zurück (vgl. z.B. Holmes 1991: i68f.) und

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dem Zugang zu Daten und überhaupt dem Zusammenspiel von Theorie, Experiment und Interpretation zum Tragen kommen. Der wesentlichste Aspekt ist dabei die in der kodifizierten Textform verankerte Annahme, wissenschaftliche Theorien und Entdeckungen folgten einer vorgeschriebenen Methode, der Induktion, und damit aus der reinen und unverfälschten Beobachtung, also aus simple observation - simple, unbiased, unprejudiced, naïve, or innocent observation - and out of this sensory evidence, embodied in the form of simple propositions or declarations of fact, generalizations will grow up and take shape, almost as if some process of crystallization or condensation were taking place, (ibid.: 229)

Durch den verbindlichen Aufbau wissenschaftlicher Artikel, bei dem die Ergebnisse der Diskussion und damit ihrer Einordnung in das Gesamtbild vorangestellt werden, wird die grundsätzliche Erwartung, die jedem Experiment vorangeht, ausgeblendet.47 Die theoretische Fragestellung, aus der jedes Experiment resultiert, bleibt damit unerwähnt, das Experiment antwortet also scheinbar auf eine ungestellte Frage. 48 Medawars Gegenvorschlag stellt die Hypothese an den Anfang jeglicher Untersuchung; aus ihr resultieren die Erwartungen, die an ein Experiment gestellt werden, die Methoden, die sinnvoll erscheinen, die Überlegungen, welche Signifikanz die Ergebnisse haben oder auch welche Ergebnisse überhaupt relevant sind (vgl. ibid.: 231). 49 Zudem verwirft er jegliche Normierung

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kann wohl als eine Abkehr von der klassischen Rhetorik gesehen werden, bei der die propositio an den Anfang gestellt wurde. Die Funktion dieser Änderung ist wohl offensichtlich: sie versuchte eben die Objektivität in das wissenschaftliche Schreiben einzuführen, die in der Gegenwart als Chimäre verworfen wird. Möglicherweise wird allerdings diese verbindliche Anordnung durch die tatsächlich stattfindende Lektüre unterlaufen. Davida Charney verweist auf eine Studie, in der das Leseverhalten von Wissenschaftlern und Ingenieuren untersucht wurde und die dies nahelegen würde: „The scientists [...] read parts out of order, reading the results before the experimental methods and the conclusion before either of those. Similar reading strategies were reported by the physicists whom Bazerman interviewed" (Charney 1993: 212; vgl. dazu Bazerman 1988: 243). In diesem Zusammenhang ist es vielleicht interessant festzuhalten, daß quasi alle Teilchen, die in den letzten Jahrzehnten in modernen Großbeschleunigern nachgewiesen wurden, lange zuvor von theoretischen Physikern vermutet und in ihren Eigenschaften berechnet wurden. Ein theoretisches Problem könnten dabei die Anomalien bilden, die laut Kuhn am Anfang wissenschaftlicher Revolutionen stehen und die nach dem hier angeführten Modell als irrelevant zurückgewiesen werden könnten. Medawar geht in seinem tatsächlich sehr kurzen Artikel nicht auf diesen Aspekt ein. Eine Auseinandersetzung damit findet sich aber bei Elkana in einer Kritik an Imre Lakatos. Elkana schreibt über hypothetische Zufallsentdeckungen: „Meines Erachtens gibt es keine Zufallsentdeckungen im .objektiven' Sinn jedes Experiment bestätigt oder widerlegt irgendeine Theorie. Im subjektiven' Sinn kam

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bei der Entstehung neuer Ideen und Hypothesen und greift so Feyerabends Methodenanarchismus voraus. Hypothesen entstehen im Denken auf ungeklärten und nicht festlegbaren Wegen, sie sind imaginativ, folgen Inspirationen und sind ganz eigentlich „adventures of the mind" (ibid.: 233). John Bells schon zitierter Satz über die möglichen Welten der Quantenphysik ging scheinbar in die gleiche Richtung: „To what extent are these possible worlds fictions? They are like literary fictions in that they are free inventions of the human mind,, (Bell 1988: 194). Während Bell aber über Modelle spricht, bei denen sich die Frage stellt, „[whether] it is beyond human capability to decide which, if any, of those worlds is the true one" (ibid.: 195), wird bei Medawar die Überprüfung der frei erfundenen Theorie der imaginativen Entwicklung nachgestellt. Hier tritt der eine Faktor hinzu, der in der Diskussion um die wissenschaftliche Theoriebildung und besonders auch um die Rhetorik der Wissenschaften häufig vernachlässigt wird, nämlich die Zeit. Ausgehend von Kuhns Theorie der wissenschaftlichen Revolutionen und der in ihr angenommenen Phasen normaler Wissenschaft, die nur gelegentlich von radikalen Umwälzungen betroffen werden, hat sich weitgehend das Konzept einer Abfolge von länger andauernder Stasis und schnelleren Wechseln, die insgesamt die Ausnahme bilden, etabliert.50 Dadurch erscheinen Theorien als etwas weitgehend Stabiles, sie sind Elemente, die sich in den größeren Rahmen eines Paradigmas einfügen und dort zumindest einige Zeit überdauern. Medawar greift in dieses Bild ein, denn durch seine Umstellung wird gleichsam auch der Status der Theorie verändert und läßt sich nun nicht mehr von dem der Hypothese unterscheiden - der Begriff der Theorie spielt bei ihm tatsächlich keine Rolle.' 1 Der Prozeß der Theoriebildung, der auf eine Art Abschluß hinweist, wird hier durch einen dynamischeren ersetzt, in dem ein kontinuierlicher Wechsel zwischen Hypothese und Uberprüfung stattfindet, der eine wirkliche Verfestigung kaum zuläßt.

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es allerdings häufig vor, daß Versuche - im Einklang mit der herrschenden Wissenschaftsvorstellung - als theorieunabhängig betrachtet wurden" (Elkana, 1986: ι8γί.; in der Folge geht er dann auch auf Planck und die Schwarzkörperstrahlung ein, also auf die Anomalie, die schließlich zur Entwicklung der Quantentheorie geführt hat). Es kann kaum übersehen werden, daß dieses Konzept deutliche Ähnlichkeiten mit Eldredges und Goulds Modell des unterbrochenen Gleichgewichtes (,punctuated equilibrium') aufweist, nach dem die Evolution nicht gleichförmig verläuft, sondern lange Phasen relativer Stasis sich mit kürzeren Schüben beschleunigter Entwicklung abwechseln (vgl. Eldredge und Gould 1977). Ich werde später im Kontext der Evolution in Natur und Wissenschaft genauer darauf eingehen. In seinem Buch The Limits of Science findet sich dementsprechend der kategorische Satz: „The generative act in science is the proposal of hypotheses" (Medawar 1986: 33).

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Ganz ähnlich argumentiert Thomas Kuhn selbst in seinem Vortrag „The Trouble with the Historical Philosophy of Science", wobei er allerdings den Begriff ,belief' einsetzt. Für ihn liegt ein wesentlicher Fehler der Wissenschaftsgeschichtsschreibung in der historischen Ausrichtung auf einen Zustand. Geschichte beschreibt er als „development over time" (Kuhn 1992: 10), als einen Ablauf von Veränderungen, und er kommt zu dem Schluß: „the historian's problem is to understand not w h y people held the beliefs that they did, but w h y they elected to change them, w h y the incremental change took place" (ibid.: 11). Dieser Wechsel ist nun nicht mehr die große wissenschaftliche Revolution, als solche erscheint sie uns nur aus der Distanz, die nicht nur die momentane Bewegung, sondern auch die Folgen betrachten kann. From the historical perspective the changes to be evaluated are always small. In retrospect some of them seem gigantic, and these regularly affect a considerable body of beliefs. But all of them have been prepared gradually, step by step, leaving only the keystone to be put in place by the innovator whose name they bear. A n d that step too is small, clearly foreshadowed by the steps that have been taken before: only in retrospect, after it has been taken, does it gain the status of keystone, (ibid.: 12)

Auch hier wird die Unabgeschlossenheit eines Prozesses betont, der erst nachträglich als vorläufig beendet erscheinen kann. Daß die hier vorgenommene Umbewertung, die weitgehend der von Medawar entspricht, weitgehende Konsequenzen für die angenommenen ,truth claims' der Wissenschaft und der dabei eingesetzten Rhetorik hat, ist wohl offensichtlich. Gegen die heroisierende Geschichte wird hier die Mikrohistorie gesetzt, das alltägliche Lösen von Problemen innerhalb eines größeren Rahmens. Als wesentliche Aspekte der wissenschaftlichen Erklärungen sieht Kuhn, wie schon ewähnt, „accuracy, consistency, breadth of application, simplicity and so on" (Kuhn 1992: 17), bei Bell wird gleichfalls für die möglichen Welten gefordert, daß sie „mathematically consistent continuations of the visible world into the invisible" seien (Bell 1988: 195), und Medawar schreibt über den Alltag: „[T]he day to day business of scientists consists in making observations or experiments designed to find out whether this imagined world of our hypotheses corresponds to the real one" (Medawar, 1986: 51). Die Wissenschaftssprache, die in diesem Kontext gefordert ist, hat daher eher den momentan anstehenden Anforderungen gerecht zu werden; ihre Sätze müssen nicht in einem absoluten Sinne richtig sein, sie sollen vielmehr in dem jeweils vorgegebenen Kontext für die Lösung von Problemen nützlich sein. III

Die Rhetorik wissenschaftlicher Aussagen ist dabei zweiseitig: einerseits gibt es die rhetorische persuasio, die auf die Akzeptanz einer Gemeinschaft abzielt; diese ist als solche potentiell invariant, das heißt, der Text ist für die erste Leserschaft überzeugend oder nicht. Innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft gilt dabei wohl die Regel ,all else being equal'; ein Text ist überzeugender als ein anderer, wenn er bei gleicher Qualität der Daten und der Schlußfolgerungen ,besser', d.h. in diesem Kontext wohl angemessener', geschrieben ist. Da aber die Daten überprüfbar sind52 und übermäßige Rhetorik auch Mißtrauen hervorrufen könnte, ist auch die Einhaltung der neutralen Sprachform, d. h. das spezifische wissenschaftliche aptum einer oratio inornata als rhetorischer Standard wichtig und unterläuft den Einsatz einer ausgeprägten und außergewöhnlichen Rhetorik. Daß bei der ersten Akzeptanz Autorität eine wesentliche Rolle spielen kann, läßt sich kaum übersehen. Nur die ideologische Absicherung durch die staatliche Autorität konnte es Lysenko ermöglichen, seine gefälschten Ergebnisse zum Lamarckismus über Jahrzehnte als gesichertes Wissen zu verbreiten und mit verheerenden Folgen in der sowjetischen Agrarwirtschaft umzusetzen - ähnliche Beispiele aus der deutschen Geschichte ließen sich hier ebenfalls anführen (vgl. Blum 1998). Gleichermaßen ist auch das normale Wissenschaftsgeschehen alles andere als frei von Hierarchien, und manche der Methoden, die Lysenko praktizierte, um seine Gegner auszuschalten - Denunziation, Lüge, falsche Anklage, Verleumdung -

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Die Frage nach der Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Daten, die auch im Kontext von Fälschungen von Bedeutung ist, ist zumindest umstritten. Das Problem besteht darin, daß die Wiederholung von Experimenten weit weniger prestigeträchtig ist, als neue, eigene Untersuchungen durchzuführen, und daß daher hauptsächlich überraschende, unerwartete oder auch in ihrer Bedeutung sehr weitreichende Daten und Experimente überprüft werden (ein Beispiel wäre die ,kalte Fusion', die vor einiger Zeit mit großem Aufwand proklamiert wurde, sich aber als nicht-wiederholbar und damit vermutlich als Fälschung erwies). Di Trocchio schreibt dazu zunächst: „Eine Entdeckung wird erst dann als wahr in Betracht gezogen, wenn sie von verschiedenen, über den Globus verstreuten Forschungslabors bestätigt worden ist" (Di Trocchio 1995: 202). Es gibt dabei aber wohl einen Bereich zwischen den spektakulären Entdeckungen, die zu fälschen unmöglich ist, weil sie sofort überprüft würden, und den alltäglichen Daten, die zu fälschen sich nicht lohnt, weil sie zu wenig an wissenschaftlichem Prestige mit sich bringen. Di Trocchio beschreibt entsprechend zwei Techniken des Fälschens; die eine besteht darin „die Experimente so zu manipulieren, daß man Ergebnisse erhält, die man aufgrund des erreichten Wissensstandes in hohem Maße für wahrscheinlich hält und nach denen auch andere Wissenschaftler forschen", die andere darin, „mit einem Betrug Ergebnisse vorzutäuschen, die zwar durchaus bedeutsam sind, aber doch nicht so bedeutsam, daß andere Forscher sich bemüßigt fühlen, die Experimente zu wiederholen" (ibid.). Zu den hier angesprochenen Problemen vgl. auch Blum 1998.

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finden sich auf einer etwas niedrigeren Ebene auch in anderen Fällen von wissenschaftlicher Täuschung; einige Aspekte davon dürften wohl auch in heftigen Konflikten zwischen ansonsten durchaus glaubwürdigen Forschern auftreten. Daß in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen der Status der Kombattanten zunächst einmal ausschlaggebend sein kann, steht dabei außer Frage. Blum schreibt: „Unlautere Resultate werden [...] vor allem dann akzeptiert, wenn sie in plausibler und autoritärer Art präsentiert werden, mit vorherrschenden Vorurteilen und Erwartungen übereinstimmen und von qualifizierten Forschern aus renommierten Instituten stammen" (ibid.). Dies gilt aber unzweifelhaft auch für durchaus ehrlich gewonnene Ergebnisse, die mit anderen gleichermaßen lauteren Resultaten im Widerspruch stehen können - aus Gründen, die mit Meßproblemen, unerkannten externen Einflüssen und insgesamt mit der Komplexität der untersuchten Phänomen zu tun haben können. Eine sehr eindringliche Darstellung der Vorgänge, die dabei in der ,normalen' Wissenschaft auftreten können, gibt Daniel J. Kevles in „Forschungen gegen den Strom" am Beispiel von Untersuchungen zu Verbindungen zwischen Viren und Krebserkrankungen. Die Geschichte dieser Forschungen liest sich tatsächlich wie ein kontinuierliches Gefecht einzelner Untergrundkämpfer gegen das wissenschaftliche Establishment. Trotz anfänglicher Erfolge zu Beginn dieses Jahrhunderts war der Gedanke an eine solche Verbindung zunehmend in Verruf gekommen, und jeder, der in den dreißiger und vierziger Jahren diese Richtung weiter verfolgte, hatte mit schweren Behinderungen seiner Arbeit zu rechnen oder setzte seine wissenschaftliche Reputation aufs Spiel. Theorien, die sich mit Tumorviren beschäftigten, wurden ignoriert oder verlacht. Einer der Forscher, die trotzdem auf diesem Gebiet arbeiteten, wurde für einen Betrüger gehalten, weil seine Ergebnisse tatsächlich von anderen nicht wiederholt werden konnten, nur waren die Gründe dafür noch nicht ersichtlich - er hatte mit einer speziellen Mäuserasse experimentiert, die besonders anfällig für das Virus waren, und mit anderen Rassen waren die Resultate tatsächlich nicht zu reproduzieren. Auf der Seite der Forscher, die einen möglichen Zusammenhang suchten, wurde mit verschiedenen Tricks gearbeitet, um doch noch an der Diskussion beteiligt zu bleiben und die Ergebnisse präsentieren zu können - so wurde statt des diskriminierenden Wortes ,Virus' der unbelastete Begriff ,Faktor' benutzt, um die eigentliche Zielrichtung der Überlegungen vor den Stellen, die finanzielle Mittel zu bewilligen hatten, zu verschleiern. Kevles' Aufsatz ist damit ein deutlicher Beleg für die Bedeutung von Autoritäten, vorgefaßten Meinungen und ,peer pressures' in der Wissenschaft. 113

Allerdings läßt sich auch die gegenteilige Sichtweise aus dem Text erschließen, denn er zeugt letztlich vom Erfolg einer Forschung, die sich jahrzehntelang allen vorstellbaren Behinderungen ausgesetzt sah, vom Sieg der Underdogs über das Establishment und damit von der Möglichkeit, den Widerstand der ,powers that be' zu überwinden. Kevles schreibt dazu zunächst: Es dürfte schwierig sein, einen vergleichbaren Fall in der Geschichte des wissenschaftlichen Fortschritts zu finden, die Entwicklung eines Forschungszweiges nämlich, dessen große Pioniere fast ausnahmslos gegen den entschiedenen Widerstand ihrer Fachgenossen ankämpfen mußten. (Kevles 1996: 106)

Dabei muß zunächst noch einmal darauf hingewiesen werden, daß die sogenannten bahnbrechenden Wissenschaftler - besonders in populärwissenschaftlichen Publikationen - oft in der Rolle des anfangs Verfolgten und Mißverstandenen dargestellt werden (s.o. zu Gleicks Beschreibung der frühen Chaostheoretiker). 53 Später spricht Kevles aber zumindest für die neuere Forschung auch noch ein weiteres Regulativ an, durch das die Rolle der zentralen Dogmen und beherrschenden Autoritäten etwas eingeschränkt wird: Daß diesen Pionieren letztlich doch der Durchbruch gelang, ist zu einem großen Teil gewiß persönlichen Qualitäten wie Mut, Phantasie und Zähigkeit zu verdanken. Ein weiterer wichtiger Grund liegt aber in der Toleranz und dem Pluralismus, die in der biomedizinischen Grundlagenforschung herrschen die Toleranz gegenüber abweichenden Ideen und dem Pluralismus, der Nischen schafft [...], in denen Ideen gedeihen können, (ebd., S. 107)

In Anbetracht einiger der Hindernisse, die den ,Pionieren' in den Weg gelegt wurden, klingt der Begriff der Toleranz hier zwar etwas schief; der Pluralismus, den die weitgefächerte Forschung fast notwendig mit sich bringt, dürfte allerdings ein wesentlicher Faktor dafür sein, daß beherrschende Autoritäten nicht mehr ganz in dem gleichen Maße auftreten können wie in früheren Zeiten und speziell unter rigiden politisch-weltanschaulichen Voraussetzungen. Ganz ähnlich schreibt Evelyn Fox Keller 53

Da es sich bei den Pionieren der Wissenschaft notwendigerweise um Forscher handelt, die neue Gebiete erschlossen haben oder an wesentlichen Innovationen innerhalb eines Gebietes ursächlich beteiligt waren, ist es wohl unumgänglich, daß ihre Arbeit in den meisten Fällen nicht sofort begeistert aufgenommen, sondern vorerst einmal in Frage gestellt oder angezweifelt wurde. Wissenschaftler sind, besonders wenn es um Grundlagenforschung geht, zunächst einmal konservativ und nicht allzu leicht bereit, bestehende Annahmen (Evelyn Fox Keller nennt sie ,zentrale Dogmen') aufzugeben, besonders nicht zu Zeiten, in denen diese Annahmen offenbar experimentell bestätigt werden (vgl. dazu Keller 1998: 193; und Schwegler 1992: 264).

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über Barbara McClintock, eine weitere ,Außenseiterin' des Forschungsbetriebes: Es ist wichtig zu verstehen, daß die wissenschaftliche Tradition in der Praxis weit pluralistischer ist, als einzelne Darstellungen es vermuten lassen, und sicherlich pluralistischer als ihre herrschende Ideologie. U m als Wissenschaftlerin anerkannt zu werden, mußten die Positionen, die McClintock vertrat und die nicht repräsentativ waren, als zugehörig zu jener Wissenschaftstradition erkennbar sein, und das waren sie. (Keller 1998: 198)

Dies kann natürlich nicht als Beleg dafür gelten, daß sich ,richtige' Theorien grundsätzlich mit der Zeit durchsetzen, denn wir können heute nur diejenigen verborgenen Geschichten erkennen, die letztlich doch zu einem Erfolg geführt haben, ohne zu wissen, in wie vielen Fällen eine zutreffende oder wichtige Theorie verworfen wurde, ohne bisher wieder aufzutauchen. Es läßt sich allerdings feststellen, daß sich die wissenschaftliche Forschung wichtigen Überlegungen und Ergebnissen auf Dauer nicht verschließen kann, bzw. daß zutreffende aber verworfene Resultate oder Konzepte mit einer beträchtlichen Wahrscheinlichkeit zu einem späteren, historisch geeigneteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen werden - die Vererbungslehre von Gregor Mendel wäre hier wohl ein passendes Beispiel (vgl. Di Trocchio 1995: ii4ff.). In diesen Kontext gehören auch Überlegungen zur historischen Kontingenz wissenschaftlicher Entdeckungen, denn wenn damit auch einerseits festgestellt wird, daß wissenschaftliche Wahrheit von einem historischen, sozialen und kulturellen Umfeld mitbestimmt wird, so wird doch auch deutlich, daß eine Entdeckung nicht notwendigerweise an die jeweilige Person gebunden ist, sondern auch ,in der Luft liegen' kann. 54 So liegt es nahe, daß auch ohne Einstein eine Form der Relativitätstheorie entwickelt worden wäre, eventuell von Poincaré. 55 54

Dies ist kein Argument für einen unausweichlich vorbestimmten Gang der Wissenschaften. Elkana beschreibt in Anthropologie der Erkenntnis zwei grundsätzlich unterschiedene Sichtweisen der Wissenschaftsgeschichte, die eine - in Analogie zum griechischen Theater - als schicksalhaft vorgeschrieben, d. h., „daß die großen Wahrheiten der Natur, wenn sie nicht von einem Newton oder Einstein entdeckt worden wären, früher oder später von jemand anderem ergründet worden wären" (Elkana 1986: 252), die andere - als Pendant zum epischen Theater - als unvorhersehbar, d.h., „die Ereignisse können in jeder Richtung verlaufen" (ibid.: 253). Mein Ansatz geht dahin, diese beiden Sichtweisen zu verbinden, d. h., ich sehe die Gesamtentwicklung der Wissenschaften zwar als kontingent, innerhalb spezifischer historischer Situationen werden bestimmte Entdeckungen und Theorien aber überaus wahrscheinlich. Auch hier ist die Analogie zu einigen Überlegungen der neueren Evolutionstheorie deutlich, ich werde darauf zurückkommen. " Zur Entstehung der Relativitätstheorie und Poincarés Bedeutung dafür vgl. Simonyi 1995:

An dieser Stelle tritt noch einmal ein wesentlicher Unterschied zwischen Wissenschaft und Literatur hervor, der auch schon in der Einleitung kurz berührt wurde. David Topper hat auf die falsche Analogiebildung hingewiesen, die er als „parallel fallacy" bezeichnet und die auf der Behauptung beruht, künstlerische Leistungen seien an Personen gebunden, wissenschaftliche Theorien jedoch nicht. Hier findet eine falsche Gleichsetzung statt, denn das Äquivalent zum künstlerischen Werk ist, wie er schreibt, nicht die Theorie, sondern der individuelle Text, der die Theorie in sich birgt oder aus dem später die Theorie erschlossen wird. Als Beispiel für die „parallel fallacy" bringt er u. a. den Satz: „The Mona Lisa would not exist without Leonardo, whereas the Theory of Relativity would exist without Einstein" (Topper 1990: 311). Richtig müßte der Vergleich lauten: ,Die Mona Lisa würde ohne Leonardo nicht existieren, aber auch der Artikel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper" aus dem Jahr 1905 würde ohne Einstein nicht existieren.' Daraus ergibt sich die Frage, wo die Theorie zu finden ist, wenn nicht in ihren ,Urtexten', und Topper schreibt: [TJheories are to be f o u n d elsewhere - mainly in lectures and textbooks. E v i dence f o r this m a y be gleaned f r o m the written material itself. A n y standard text on ,relativity' bears little resemblance to Einstein's original paper, (ibid.: 3 1 4 , vgl. auch Sokal u n d B r i c m o n t 1998: 196Í.)

Für Topper ergibt sich aus diesen Überlegungen der Schluß, daß ein oft hervorgehobener fundamentaler Unterschied zwischen künstlerischen und wissenschaftlichen Werken nicht wirklich besteht. Seine weiteren Ausführungen, nach denen das Äquivalent für die Theorie auf Seiten der Kunst möglicherweise doch wieder im Originalwerk zu finden sei, da es durch die bekannte Überdetermination des poetischen Werks vielschichtig sei und potentiell auch seine eigene Theorie beinhalte, scheinen mir auf wackligen Füßen zu stehen, denn letzteres würde zumindest ebenso sehr für den wissenschaftlichen Originaltext gelten. Für den Kontext der Rhetorik in der Wissenschaft und speziell die rhetorische Überzeugung sind Toppers Gedanken aber wichtig, denn durch sie wird gerade dort wieder ein grundsätzlicher Unterschied aufgeworfen, wo er versucht, Gleichartigkeit zu konstatieren. Aus der Trennung von Originaltext und Theorie folgt zwingend, daß eine Theorie, um auf eine gewisse Dauer akzeptiert zu werden, von der 4o6ff. Einstein selbst schrieb dazu: „Es ist zweifellos, daß die spezielle Relativitätstheorie, wenn wir ihre Entwicklung rückschauend betrachten, im Jahr 1905 reif zur Entdeckung war" (zit. ibid.: 406).



ursprünglichen Rhetorik der Texte, aus denen sie folgt oder in denen sie zuerst dargelegt wurde, unabhängig sein muß, denn im Verlauf der Wissensaneignung und Vermittlung werden Originaltexte nicht oder kaum wieder eingesetzt. Bruno Latour, der in seinen soziologischen Studien durchaus auch die rhetorischen Komponenten der Wissenschaftsliteratur in den Vordergrund stellt, weist darauf hin, daß der Text auf verschiedene Weisen aus dem Blick der Praktiker verschwindet: The peculiarity of the scientific literature is now clear: the only three possible readings all lead to a demise of the text. If you give up, the text does not count and might as well not have been written at all. If you go along, you believe it so much that it is quickly abstracted, abridged, stylised and sinks into tacit practice. Lastly, if you work through the author's trials, you quit the text and enter the laboratory. (Latour 1987: 61)

Der Urtext gerät, nachdem er einmal seine Wirkung erbracht hat, im Verlauf der Theorieentwicklung zunehmend aus dem Blickfeld, 56 die darin vorgebrachten Überlegungen und Gleichungen werden modifiziert und neuen wissenschaftlichen oder sachlichen Erfordernissen angepaßt,57 so daß Kuhn noch 1969 schreiben konnte „only historians read old scientific works" (Kuhn 1969: 407)58 - inzwischen sind allerdings auch noch diverse Wissenschaftsrhetoriker und Literaturwissenschaftler hinzugekommen. Für den literarischen Text gilt dies natürlich nicht. Jede Veränderung des Originals läßt einen grundsätzlich neuen Text entstehen, selbst minimale Eingriffe können hier relevant sein; kurz, ein wie auch immer modi56

Auch hier läßt sich, nebenbei bemerkt, in populärwissenschaftlichen Texten eine weit größere rhetorische Beharrlichkeit feststellen. Dort werden einige Kernsätze der bekanntesten Theoretiker fast durchgängig angeführt, weil sie sich besonders gut eignen, die Probleme und die Schwierigkeiten des Zugangs zu verdeutlichen (vgl. Vanderbeke 1995:

57

Der Begriff der Anpassung ist hier nicht unproblematisch, denn er legt nahe, daß sich die Erfordernisse ausschließlich in der externen Realität stellen und aus ihr ableiten lassen. Dagegen spricht, daß ein theoretischer Text durch die in ihm enthaltenen Voraussagen und Konzepte potentiell die Anforderungen erst schafft, an denen die Theorie dann weiter erarbeitet und ihrerseits gemessen wird. Richard Lewontin hat im Kontext der Evolutionstheorie auf dieses terminologische Problem hingewiesen und als Alternative zur,Anpassung' den - nicht ganz neuen - Begriff der,Konstruktion' vorgeschlagen (vgl. Lewontin 1996: I2éff.). Ich halte diesen Begriff inzwischen für ebenso belastet, da er - zumindest in dem Verständnis, das ihm im Kontext des Konstruktivismus zukommt - seinerseits die Anforderungen der externen Realität weitgehend ausblendet. Ich halte es allerdings für falsch, daraus den oft zitierten Schluß zu ziehen, ,,[u]nlike art, science destroys its past" (ibid.). Die Vergangenheit der Wissenschaft liegt eben nicht nur in den Originaltexten, und in der Wissensvermittlung spielen historische Abläufe und Problemstellungen immer noch eine wesentliche Rolle (vgl. Vanderbeke 1999: 367f·)·

42ft.).

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fizierter literarischer Text würde in der ,Bibliothek von Babel' einen anderen Ort einnehmen. Gleichermaßen wird in den Geisteswissenschaften und besonders in der Philosophie, d. h. dort, wo auch ein kontinuierlicher Rekurs auf historische Texte stattfindet, größter Wert auf die präzise Erfassung und Rekonstruktion von Begriffen und Argumentationsstrukturen gelegt. Hinweise auf die individuelle und gelegentlich idiosynkratische Begrifflichkeit einzelner Autoren und gelegentliche ausgedehnte Zitate sind daher ein geläufiger Bestandteil der Forschungsarbeiten in diesen Bereichen. Es steht außer Zweifel, daß bei aller Rhetorizität naturwissenschaftlicher Texte dieser Aspekt in der dort stattfindenden Forschung keinen vergleichbaren Stellenwert einnimmt. 59 Die Frage lautet nun, welche rhetorischen Elemente und Aspekte des naturwissenschaftlichen Textes auch bei der späteren abstrahierenden Vermittlung invariant sind. Das wird natürlich hauptsächlich bei theoriekonstituierenden Metaphern der Fall sein, die sich aber im Verlauf der Untersuchung notwendigerweise maßgeblich verändern und damit zumindest teilweise ihre rhetorischen Eigenschaften aufgeben (s.o.). Für den Aspekt der persuasici gilt es mit Sicherheit nicht; die Theorie muß sich gegenüber der Gemeinschaft, die sicher nicht als die unkritischste angesehen werden kann, in unterschiedlichen Umformulierungen und Weiterentwicklungen sowie auch in fremden Kontexten und gegenüber neuen Fragestellungen behaupten. Durch diese Einschränkungen soll allerdings der Arbeitsbereich ,Rhetorik und Wissenschaft' nicht in seiner Bedeutung relativiert werden. Es geht hier nur um eine Verlagerung der Themenstellung von einer ideologisch eingefärbten Nivellierung wissenschaftlicher und literarischer Texte - hinter der sich unschwer der Grundgedanke erahnen läßt, literarische Texte wären vielleicht doch weniger wertvoll als wissenschaftliche, weshalb ein erheblicher Aufwand erforderlich ist, eben dies zu widerlegen - hin zu einer Betrachtung der jeweiligen Funktion, die der Rhetorik als einem nicht unbeträchtlichen Teil des wissenschaftlichen Arbeitens zukommt. Die Vereinnahmung der Wissenschaft durch die Rhetorik kann letztlich nur dazu führen, daß die jeweiligen Untersuchungen immer nur "

Es gibt allerdings auch Bereiche in den Naturwissenschaften, in denen ein kontinuierlicher Rückblick auf historische Texte die neueste Forschung begleitet, z.B. die Forschung im Umfeld der Evolutionstheorie, die sich auch immer wieder an dem Gründungsvater Darwin und einigen seiner Zeitgenossen orientiert. Für diese Bereiche möchte ich den gängigen Begriff der ,historischen' Wissenschaft übernehmen; den Gegensatz dazu bilden die .experimentellen' Wissenschaften, bei denen eine direkte oder zumindest indirekte Beobachtung der relevanten Phänomene möglich ist (vgl. dazu Gould 1991: 1 i^ff.). 118

wieder die prinzipielle Reduzierbarkeit bestätigen. Erst durch die Annahme einer Existenz nicht-rhetorischer Elemente in der wissenschaftlichen Arbeit, wie sie von Prelli, Locke, McGuire, Melia und anderen als wesentliche theoretische Position formuliert wird (s. o.), läßt sich die spezifische Funktion der Rhetorik für die Argumentation und die Vermittlung und Durchsetzung wissenschaftlicher Konzepte erschließen - wobei selbstverständlich auch Täuschungen und wissenschaftlicher Betrug mit in den Referenzbereich eingeschlossen sind. Darüber hinaus kann eine Rhetorik der Wissenschaften, die sich vornehmlich mit Urtexten einer Theorie oder auch mit dem rhetorischen Gehalt einzelner Texte beschäftigt, um die eigene Prämisse, die umfassende Rhetorizität wissenschaftlicher Texte, zu bestätigen, zwar Ausdrucksformen, sprachliche Idiosynkrasien und individuelle Uberzeugungsstrategien von Autoren untersuchen und dabei auch ganz erheblich zur Erhellung eines momentan gegebenen Diskussionsstandes in einem Wissenschaftsgebiet beitragen (auf einen weiteren wichtigen Aspekt, die potentielle Uberdeterminiertheit wissenschaftlicher Argumente, werde ich gleich noch genauer eingehen), sie verfehlt aber den wesentlichen Aspekt der theoretischen Entwicklung und Dynamik, der in jedem Bereich der Wissenschaften maßgeblich ist. So kann Gross' Untersuchung zum ,peer review' zwar deutlich machen, welche rhetorischen Strategien eingesetzt werden, um einen allerersten Konsens zu erreichen und damit eine Veröffentlichung des jeweiligen Artikels zu ermöglichen, seine Argumentation blendet aber vollkommen aus, daß dieser Konsens nicht uneingeschränkt bestehen bleibt. Er schreibt: In peer review [...] the results of a cognitive process are certified, at least initially, by a regulative one. This certification necessarily diminishes the epistemologica! status of the science it certifies: cognitive claims are judged, not by testing against the world, but procedurally, by peer consensus. (Gross 1990b: 204)

Es ist hier gar nicht notwendig, darauf hinzuweisen, daß eine Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten selbstverständlich auch eine Art Test an der Realität enthält, nämlich den an der bestehenden Erfahrung, die an der Welt gewonnen wurde. 00 Wichtiger ist, daß hier ein Konsens als Maßstab für wissenschaftliche Erkenntnis eingesetzt wird, der tatsächlich keines60

Daß dies zu ganz anderen Problemen führen kann, indem unerwartete, aber zutreffende Ergebnisse zunächst und möglicherweise auch auf längere Zeit abgelehnt werden, ist ein überaus unerfreulicher Nebenaspekt der Tatsache, daß bei derartigen Beurteilungen mehr als nur eine rhetorische Auseinandersetzung stattfindet.

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falls dauerhaft zu sein verspricht und der eher die Diskussionswürdigkeit einer Arbeit als ihre Richtigkeit attestiert - dazu gehört auch, daß Gross an einer anderen Stelle einräumt, daß ein Konsens gar nicht vorliegen muß; in einzelnen Fällen „publication can proceed even when there is a serious disagreement with a referee concerning the fundamental assumptions of the field" (ibid.: 201). Auch dort, wo die Wirkung wissenschaftlicher Artikel und Arbeiten untersucht wird, steht kaum der Aspekt einer übergreifenden oder stabilen rhetorischen Überzeugungsstrategie im Vordergrund. 61 Ich möchte hier als Beispiel den schon oben erwähnten Artikel „The Spandrels of San Marco" von Gould und Lewontin sowie einige Analysen dazu heranziehen, vor allem aus Selzers Aufsatzsammlung. Neben einigen gelungenen Ansätzen, lassen manche der darin vorliegenden Arbeiten sehr genau die Probleme von gängigen Untersuchungen zur Rhetorik der Wissenschaften erkennen. Dazu gehört zunächst einmal die verbindliche theoretische Grundannahme, die laut Selzer von allen Beiträgern geteilt wird, nämlich daß es sich in der Naturwissenschaft tatsächlich um ein zutiefst rhetorisches Unternehmen handelt. Er schreibt in seiner Einleitung recht selbstzufrieden 62 über die Essaysammlung: [0]ne important reason that the collaboration is so successful is that, despite the varieties in method, the contributors all share the conviction that science is indeed fundamentally rhetorical, drenched as it is in language. (Selzer 1993: 13) Der vorgefaßte Konsens - in Verbindung mit der Auswahl eines, wie Gould selbst feststellt, ungewöhnlich rhetorischen Artikels 63 - läßt kaum 61

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Ich bin an dieser Stelle allerdings etwas unsicher. Es ist durchaus möglich, daß eine solche Arbeit existiert, mir ist allerdings keine einzige bekannt, in der eine Kontinuität in der Uberzeugungsstrategie Thema gewesen wäre. Ein Grund dafür dürfte natürlich darin liegen, daß wörtliche Zitate in naturwissenschaftlichen Arbeiten häufig auf ein Minimum reduziert sind (dies gilt erneut nicht für populärwissenschaftliche Texte - und auch in diesen werden hauptsächlich ältere ,Ursprungstexte' oder vergleichsweise zugängliche Äußerungen aus Briefen und Gesprächen herangezogen). Ich weise auf diesen Punkt hin, weil jegliche positive Selbsteinschätzung naturwissenschaftlicher Autoren, auch wenn sie weniger lautstark vorgetragen wird, unweigerlich als ,self-advertisement' oder ,seIf-promotion' eingestuft und damit als Beispiel für unangemessene ,truth-claims' kritisiert wird; vgl. z.B. Alan Gross' schon oben zitierte rhetorische Analyse der Arbeiten von Pauling bzw. Crick und Watson. So schreibt Gould: „Something [...] about,Spandrels' is decidedly unusual, even provocative: its style - particularly its metaphors, literary and cultural allusions, and brashly personal language [...]. This does fly in the face of the most cherished and widely obeyed convention that good science is impersonal and that the intrusion of self can only denote partiality and attendant flawed reasoning" (Gould 1993: 321)· Damit wird die generalisierende Behauptung in Selzers Einleitung, „Any scientific document would have served for

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den Verdacht aufkommen, hier würde eine noch offene Frage behandelt. Es ist daher auch nicht erstaunlich, daß die Grundannahme in kaum einem der Essays noch der Erörterung bedarf und daß Generalisierungen ein häufig wiederkehrendes Merkmal der Schlußbemerkungen bilden. Eine der Ausnahmen ist die sehr überzeugende rhetorische Analyse der Überzeugungsstrategien in Goulds und Lewontins Essays, die von Jeanne Fahnestock vorgelegt wird. Sie warnt gleich eingangs vor unangebrachten Verallgemeinerungen und betont eher die Unterschiede zwischen wissenschaftlichen Arbeiten als ihre grundsätzlichen Gemeinsamkeiten (vgl. Fahnestock 1993b: 158)/ 4 Fahnestocks Artikel beschäftigt sich allerdings nur mit den rhetorischen Elementen, die im Spandrel-Essay selbst zum Tragen kommen und nicht mit einer möglichen Kontinuität und Stabilität rhetorischer Überzeugungsstrategien. Dorothy Winsor versucht darüber hinaus auch die Wirkung des Artikels zu erfassen. Sie geht zwar anfangs ebenfalls auf einige rhetorische Strategien ein - wie die Anrufung von Autoritäten in Form von Zitationen oder den Einsatz von experimentell gewonnenen Daten 6 ' - , beschreibt dann aber auch die Aufnahme des Artikels in der Fachwelt. Allerdings beschränkt sie sich dabei hauptsächlich auf die Anzahl von Zitationen und auf die Frage, ob die jeweiligen Autoren eher zustimmend oder ablehnend auf den Text reagiert hätten. Die rhetorische Überzeugung, die in dem Text zum Tragen kommen könnte, wird dabei nicht mit erfaßt. Aus Winsors Untersuchung läßt sich ablesen, daß der Text gelegentlich auch von Gegnern der darin vertretenen Position akzeptiert wird; die Ursache dafür dürfte aber

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the analysis of this book" (Selzer 1993: 7) deutlich in Frage gestellt. Der ausgewählte Text ist alles andere als typische Wissenschaftsprosa und Selzers Aussage eine offenkundig unzulässige Verallgemeinerung. Im Gegensatz dazu folgen bei Charles Bazerman auf eine gelungene Darstellung des übergeordneten Themenkomplexes ,Soziobiologie' eine ganze Reihe von generalisierenden Passagen (vgl. Bazerman 1993: 38); Susan Wells schreibt kategorisch: „all scientific texts can be read as competing narratives" (Wells 1993: 45); Gragson und Selzer schreiben, sie hätten „the goal of establishing the accuracy and the potency of Ong's assertion that ,the historian, the scholar or scientist, and the simple letter writer all fictionalize their audiences'" (Gragson und Selzer 1993: 199); die Liste ließe sich fortsetzen. Dabei findet sich eine etwas merkwürdige Gewichtung, da in ihrer Darstellung Zitationen und Belege offenbar eine größere Bedeutung haben als die wissenschaftlich gewonnenen Fakten und Daten, die für die Argumentation herangezogen werden - letztere werden auch lediglich als Mittel zur Uberzeugung angeführt und nicht als wesentlich für die Entwicklung der Theorie. So schreibt sie: „In addition to drawing on previous scientists, Gould and Lewontin also try to place on their side various natural allies: data and methodologies that are accepted in their field. In the sciences in general, of course, data from nature and from the instruments and methodologies that produce them are highly respected" (Winsor 1993: 133).

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weniger in der rhetorischen Überzeugungsstrategie liegen, als in der Tatsache, daß eine Vielzahl von alternativen Sichtweisen zu einem, wie es Gould und Lewontin sehen, radikalen Adaptionismus vorgebracht werden. Der Text zielt so eher auf die Eröffnung einer neuen Diskussion ab als auf die Durchsetzung einer speziellen Theorie, und er kann daher auch von verschiedenen Seiten als Argument herangezogen werden. Eine deutliche Relativierung der rhetorischen Wirkung wissenschaftlicher Texte findet sich in einem weiteren Beitrag zur Rezeption des Artikels. Die Untersuchung von Davida Charney legt trotz einiger methodischer Probleme66 nahe, daß die Rhetorik von Gould und Lewontin nur wenig oder gar keinen Einfluß auf die Zustimmung - oder eher Ablehnung - in der von ihr untersuchten Gruppe von Lesern hatte. Sie schreibt: The participants as a group seemed to refuse the rhetorical gambit of the extrascientific allusions. They continually brought to bear their knowledge of science, of scientific texts, and of the specific scientific debate at hand. On the other hand, they seemed remarkably tolerant of the unusual rhetorical moves in the piece: only one of them called them „unscientific," many attributed them to Gould's well-known stylistic proclivities or to the genre of „think pieces," and a few simply ignored them. (Charney 1993: 226)

Ein vehementer Angriff auf Goulds und Lewontins Rhetorik findet sich in Dennetts Darwin's Dangerous Idea. Dort erscheint die „inflammatory rhetoric" (Dennett 1996: 278) als eine eher unerwünschte Beigabe zum Text, durch die der eigentlich unspektakuläre wissenschaftliche Beitrag ungebührlich aufgebauscht wurde. Daß es sich hier allerdings selbst wieder um einen rhetorischen Angriff handelt, steht wohl außer Frage, denn Dennetts Ablehnung betrifft keinesfalls nur die Rhetorik des SpandreiEssays, sondern Goulds Arbeit in toto (vgl. ibid.: Kapitel 10, passim). Dennett kritisiert dabei unter anderem den Schlüsselbegriff der ,Spandreis' als fehlerhaftes Bild. Gould und Lewontin hatten ihre Argumentation auf dem Gedanken aufgebaut, architektonische Zwänge hätten die Spandrillen erforderlich gemacht; die künstlerische Verzierung der dabei entstehenden Flächen sei also nicht Ursache oder Zweck ihrer Existenz, 66

Die Anzahl der Personen, an denen Charney das Lektüreverhalten untersucht (sieben mehr oder weniger Fachkundige vom Studenten bis zum Professor, die bei der Lektüre beobachtet werden und deren direkt gesprochenen Reaktionen - anhand von ,thinkaloud' Protokollen - analysiert werden) reicht eigentlich nicht für eine statistische Aussage aus. Charney kommt in ihrem Text u.a. zu einigen wenig überraschenden Schlüssen, wie z.B. der Feststellung, daß arrivierte Wissenschaftler auf Grund ihrer umfassenderen Kenntnisse kritischer lesen als Studenten (vgl. Charney 1993: 228).

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sondern nur ein Folgephänomen, keine Adaptation, sondern lediglich die Ausnutzung einer unabhängigen Gegebenheit. Dennett weist darauf hin, daß es durchaus auch andere architektonische Möglichkeiten für die Realisierung der Gewölbebögen gegeben hätte als nur die Spandrillen, und er kommt zu dem Schluß: „They were designed to have the shape they have precisely in order to provide suitable surfaces for the display of Christian iconography" (Dennett 1996: 274). Dies ist nur scheinbar eine pedantische Metaphernkritik, ebenso wie die Entscheidung von Gould und Lewontin, ein Beispiel aus der Architektur heranzuziehen, nicht wirklich den Rahmen ihrer Argumentation sprengt, sondern deutlich macht, daß hier auch eine Diskussion angesprochen wird, in der biologische und kulturelle Phänomene in Bezug gesetzt werden. An dieser Stelle wird es notwendig, eine sehr kurze Erläuterung des Themas von Goulds und Lewontins Text einzufügen. Der Adaptionismus, wie er in dem Text beschrieben und kritisiert wird, geht davon aus, daß alle biologischen Eigenschaften einer Spezies jeweils aufgrund der natürlichen Selektion entstanden sind und damit auch die beste - oder zumindest eine gelungene - Anpassung an vorgegebene externe Bedingungen darstellen. Die Gegenposition lehnt die Atomisierung des biologischen Gesamtkörpers in einzelne Eigenschaften oder Charakteristika ab, sieht daher stärkere Vorgaben durch ,Gesamtbaupläne' eines integrierten Organismus als Behinderung oder Einschränkung einer universell wirksamen Adaptation und folgert, daß spezifische Eigenschaften nicht notwendigerweise durch Anpassung, sondern auch durch die Nutzbarmachung zufällig vorhandener organischer Möglichkeiten entstehen. Die Metapher der Spandrillen von San Marco erscheint damit zunächst gut gewählt, und Dennetts Kritik ist schon aus diesem Grund mehr als Pedanterie. Darüber hinaus hat die Metapher aber auch noch eine weitere Funktion, sie ist tatsächlich polyvalent. Goulds und Lewontins Text beschäftigt sich zwar primär mit dem Adaptionismus in der Biologie und der Evolutionstheorie, nimmt aber auch gleichzeitig mehr oder weniger implizit zu den weitreichenderen Diskussionen Stellung, die zur Zeit des Erscheinens - und auch jetzt noch - innerhalb der Biologie und Evolutionstheorie um die Soziobiologie und innerhalb der Wissenschaften insgesamt um die Frage von Komplexität oder Reduzierbarkeit von Systemen geführt wurde. Hinter der Kontroverse steht damit auch die Auseinandersetzung zwischen einer eher kumulativen Sicht, in der sich die Teile zu einem Gesamtkörper addieren, und einer holistischen Sicht, nach der das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Dieser holistische 123

Aspekt wird in Goulds und Lewontins Beschreibung von „organisms as integrated wholes, fundamentally not decomposable into independent and separately optimized parts" (Gould und Lewontin 1993: 357) deutlich angesprochen. 67 Folgt man dagegen den Überlegungen einer reduktionistischen Soziobiologie, daß das gesamte Verhalten lediglich eine Folge von genetischen Adaptationen ist, so erscheinen das biologische Wesen und damit auch der Mensch als genetisch determiniert. Dies gilt dann auch für Eigenschaften und ,Errungenschaften' wie Altruismus, Ethik oder selbst ästhetische Wahrnehmung68, und Individualität ist nur noch die Folgeerscheinung der jeweiligen Zusammensetzung des spezifischen genetischen Materials.69 Der politische Sprengstoff, der in dieser Diskussion liegt, ist wohl kaum zu übersehen. Ebenso liegt auf der Hand, daß durch die neuen Gentechnologien, die es ermöglichen, in einzelne Gene gezielt einzugreifen, gerade eine Sicht des Organismus als lediglich die Summe seiner Teile bedenklich ist, da dies auch die ,lokale' Manipulation einzelner Gene ohne unvorhergesehene ,globale' Konsequenzen für den Organismus erlauben würde. Die Gegenposition eines hierarchischen Modells, bei dem die verschiedenen Ebenen (Gen, Gesamt-DNS, Bau67

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Der Kontrast zwischen den beiden Sichtweisen taucht auch in anderen Wissenschaftsbereichen auf. Bell unterscheidet für die Quantentheorie klassische (partikulare) und romantische (totalisierende oder holistische, aber auch phantasievolle) Erklärungsmodelle (vgl. Bell 1988: I92ff.). Die gleiche Unterscheidung findet sich bei dem Neurologen Lurija, für den sich die beiden Herangehensweisen nicht gegenseitig ausschließen, sondern als quasi komplementäre Methoden ergänzen (vgl. die Auszüge aus der Autobiographie, zit. in der Einleitung von Oliver Sacks zu Lurija 1992: 9f·)· „The genes hold culture on a leash. The leash is very long, but inevitably values will be constrained in accordance with their effects in the gene pool. The brain is a product of evolution. Human behaviour - like the deepest capacities for emotional response which drive and guide it - is the circuitous technique by which human genetic material has been and will be kept intact. Morality has no other demonstrable function" (Wilson 1978: 167; zum Thema des Reduktionismus vgl. ibid.: 1 1 - 1 3 , zur Ästhetik ibid.: 2, zu Ethik ibid.: 5, zu Altruismus ibid.: 149-167 passim). Dies ist natürlich die radikalste Sicht oder auch fast eine Karikatur dieses Ansatzes; viele Wissenschaftler im Bereich der Soziobiologie sind weit vorsichtiger - und auch Wilson kann nicht unbedingt mit dieser extremen Position identifiziert werden (vgl. Wilson 1998: 188). Mayr schreibt: „Für Wilson bedeutete .biologisch', daß eine genetische Disposition einen Beitrag zu sozialem Verhalten leistet. Natürlich wären wir Menschen reine genetische Automaten, wenn alle unsere Haltungen von Genen bestimmt wären. Jeder stimmt dem zu, daß dies nicht der Fall ist" (Mayr 1994: 199, kursiv im Original). Es wäre ein Fehler, hier einzelne Aussagen allzusehr zu verallgemeinern. Richard Dawkins schreibt als Vertreter der Soziobiologie der menschlichen Kultur selbst eine evolutionäre Form der Replikation zu (ich werde auf sein diesbezügliches Konzept noch eingehen) und kommt zu dem Schluß (der von seinen Gegnern nicht immer mitzitiert wird): „We are built as gene machines and cultured as meme machines, but we have the power to turn against our creators. We, alone on earth, can rebel against the tyranny of the selfish replicators" (Dawkins 1989: 201).

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plan, Organismus, Spezies) auf komplexe Weise und dabei auch restringierend aufeinander einwirken, ist zwar nicht notwendigerweise weniger deterministisch, die Kausalitäten sind hier aber weniger zugänglich und bestimmbar. Darüber hinaus ist in diesem Modell die Interaktion des individuellen Organismus mit der Umwelt ein wesentlicherer Faktor als in dem streng soziobiologischen Ansatz. Wie schon im Fall von Barbara McClintock, der von Evelyn Fox Keller beschrieben wurde (s. o.), liegt auch in Goulds und Lewontins Kritik am adaptionistischen Programm nicht die ,typische' Situation vor, daß durch Anomalien im Kuhnschen Sinne ein bestehendes Modell an seine Grenzen gestoßen wäre und daher durch eine neues ersetzt werden müßte. Vielmehr gilt der Angriff einem überaus erfolgreichen Ansatz in einer Einzelwissenschaft; seine Kraft gewinnt er in gewissem Maße durch die Diskussion, die in den unterschiedlichsten Wissensgebieten um einfache oder komplexe Systeme geführt wird. Gould schreibt dazu: „Der Cartesische Reduktionismus ist seit 300 Jahren die Quelle der Triumphe der Wissenschaft; aber ich habe den Verdacht, daß wir in mehreren Gebieten seine Grenzen erreicht haben" (Gould 1991b: 174). Da die Grenzlinien in diesen größeren Diskussionen, die, wie gesagt, erhebliche politische Implikationen mit sich bringen, nicht an genau den gleichen Stellen verlaufen wie in der Frage um den Adaptionismus, ist es verständlich, daß sich Wohlwollen oder auch Kritik der Fachkollegen nicht ausschließlich an dem vorliegenden Artikel orientiert. Dies wird auch durch die oben angeführten Untersuchungen von Winsor und Charney nahegelegt. Unterstützt wird der Versuch, eine möglichst breite Zustimmung auch jenseits der direkt vorgegebenen Thematik zu finden, durch die wenig dogmatische Argumentationsweise, die zunächst nur die radikale - aber scheinbar weit verbreitete - Gegenposition angreift und unterschiedliche Varianten von Alternativen vorschlägt. Der Text entspricht damit auch formal dem Ansatz, den er selbst vertritt, denn in ihm wird nicht ein einzelnes Thema isoliert behandelt. Die Aussagen und Argumente sind nicht auf einen Partikularbereich reduzierbar, sondern gewinnen an Momentum und besetzen unterschiedliche Positionen in den Diskussionen, die selbst wieder eine Hierarchie bilden. Hier zeigt sich ein weiteres Gebiet, das zum Kontext der Rhetorik der Wissenschaften gehört, d. h. die Frage, inwieweit wissenschaftliche Texte neben ihren eigentlichen Themen auch noch Sekundär- oder vielleicht sogar aus der Sicht ihrer Autoren Primärziele verfolgen, die eher unterschwellig behandelt werden. Die Zentralmetapher der ,Spandreis' ist dabei alles andere als nur Teil des ornatus, da in ihr die Verbindung von Genetik und Kultur I2

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aufgegriffen und die Analogie scheinbar bestätigt wird, gleichzeitig aber als Argument gegen den Adaptionismus eingesetzt wird. Hier läßt sich natürlich auch feststellen, daß die Auswahl dieses spezifischen Textes für Jack Selzers Aufsatzsammlung keinesfalls arbiträr gewesen sein kann. Die schon früher zitierte Behauptung, „Any scientific document would have served for the analysis of this book" (Selzer 1993: 7), läßt sich angesichts des Stellenwertes, den Gould und Lewontin in der wissenschaftlich wie populärwissenschaftlich geführten Diskussion einnehmen, nicht aufrechterhalten. Der Text unterscheidet sich erheblich von der Masse an Artikeln und Beiträgen, die das Gros der wissenschaftlichen Arbeiten ausmachen. Der Biologe Gerald Borgia schreibt dementsprechend in seiner extrem kritischen Rezension zu Selzer: The editor is well aware that „Spandrels" is a rhetorical outlier, but he is undeterred in using it to support his view that scientific texts are not as rhetorically transparent as has been previously supposed, and are thus suitable for rhetorical analysis. (Borgia 1994: 373Í.)

Auch David Queller, ebenfalls Biologe, macht in seiner Kritik zu ,Spandreis' - und Selzers Buch - deutlich, daß es gerade die ungewöhnliche Form ist, die den Artikel für eine rhetorische Analyse geeignet erscheinen läßt, und daß daher eine Verallgemeinerung unzulässig sein sollte: Spandrels is not a simple scientific article. It is an opinion piece, a polemic, a manifesto, and a rhetorical masterpiece. [...] The rhetoric [...] is so unusual and effective that it has recently been subjected to book-length analysis. (Queller 1995: 485) 70

Queller nutzt bei seiner Kritik selbst die Metapher der ,Spandrels', um damit die rhetorischen Elemente wissenschaftlichen Schreibens als sekundäre Phänomene zu erfassen. Er unterläuft die Zielsetzung von Selzers Essaysammlung, indem er ihren eigentlichen Wert als „training manual for readers, rather than for writers" sieht: „It helps us to recognize rhetorical devices for what they are, the spandrels of scientific argument. They are a necessary part of a scientific edifice, and it is to them we look 70

In Quellers Text finden wir auch die inzwischen schon mehrfach angeführte Haltung eines schwachen Konstruktivismus, wenn er schreibt: „Equating scientific knowledge with storytelling carries two perils. The first is that it may contribute to an impression that scientific knowledge is no more reliable than the stories from cultural analysis or even literature. Taken to the postmodern extreme, we get a view that scientific knowledge is, like everything else, just a text to be deciphered, and that all interpretations are equally valid (i.e. equally invalid). This view is even sillier than the opposite extreme, which holds that science operates in a cultural vacuum" (ibid.: 488, kursiv im Original).

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to see evangelists strutting their stuff, but they are secondary to the more fundamental architecture of ideas" (ibid.: 489). Borgia hebt allerdings in seiner Kritik noch einen weiteren Punkt hervor, wenn er darauf hinweist, daß die Autoren wenig Interesse gezeigt hätten, die Kluft zwischen den beiden Kulturen zu überbrücken: „Most stay within their own rhetorical culture and demonstrate no particular interest in science or its rules of discourse" (Borgia 1994: 374). U n d schließlich weist er auch noch auf einen wesentlichen Aspekt hin, der den Autoren selbst entgangen zu sein scheint, daß nämlich eine erhebliche Differenz zwischen ihrer Einschätzung des Textes und der Beurteilung durch die Fachwelt vorliegt: The most condemning voices heard in USP [Understanding Scientific Prose] do not come from any of the authors, but from participants in Charney's reader response analysis [...]. Quite in contrast to the generally supportive or neutral analyses of many USP contributors [...] these criticism were uniformly negative. They expressed strong disagreement and even outrage over passages in the text (ibid.). Als Grund für diese Differenz vermutet Borgia mangelnde biologische Kenntnisse der Autoren. Dem wäre vielleicht noch hinzuzufügen, daß Gould zu den meistgelesenen Autoren populärwissenschaftlicher Bücher und Artikel gehört und daß seine Thematik, sein Stil und seine Meinungen bei Geisteswissenschaftlern, die sich auch mit Naturwissenschaften beschäftigen, durchaus ihre Spuren hinterlassen haben. Es gibt allerdings auch noch einen weit wesentlicheren Punkt, der hier zum Tragen kommt. Ich habe schon auf die politische Brisanz der Diskussion um die Soziobiologie hingewiesen, und der Vorwurf, besonders Gould ließe sich allzu sehr von wissenschaftsexternen - in seinem Fall marxistischen - Überzeugungen leiten, durchzieht die Argumentation seiner Gegner und klingt auch in einigen Kommentaren der Leser in Charneys Untersuchung an. 71 Diese politischen Prämissen - nicht notwendigerweise deren marxistische Ausrichtung, aber wohl die generelle wissenschaftspolitische Grundhaltung - kommen denen, die in den s o cial studies of science' Programmen und in der relativistischen Wissenschaftsphilosophie vorherrschen, weitgehend nahe. Im Gegensatz dazu gehört der soziobiologische Ansatz mit seinen potentiell deterministischen Konsequenzen zu den wesentlichen Angriffsgebieten der ,sociology 71

Ein Leser bemerkte: „Steve and Dick are a bit too philosophical here, rather than scientific. And I think they're blunting the sharpness of their attack by doing so" (vgl. Charney 1993: 22 5 f).

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of science', wie sie im relativistischen Kontext betrieben wird. So schreibt die Soziologin Hilary Rose: „Sociobiology's endorsement of rape, polygamy, male violence, male dominance, etc. over the last two decades surely merits criticism both from within the canon and from without" (Rose 1996: 97). Daß hier die Untersuchung biologischer Grundlagen von Verhalten mit der Befürwortung dieses Verhaltens verwechselt wird, ist wohl offensichtlich. 72 Diese Angriffe werden allerdings tatsächlich primär mit wissenschaftsexternen Argumenten geführt; es stellt sich weniger die Frage, ob ein Ansatz zu zutreffenden Erkenntnissen führt, sondern ob diese Ergebnisse wünschenswert sind. Im wissenschaftspolitischen Diskurs können solche Überlegungen durchaus notwendig sein - nicht jede Forschung ist schon deshalb sinnvoll, weil sie durchführbar ist - , innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion über die Richtigkeit der Ergebnisse haben sie jedoch nichts zu suchen. Da nun aber die konstruktivistische Konzeption davon ausgeht, daß Wissenschaft grundsätzlich von wissenschaftsexternen Parametern wie der Rhetorik, dem kulturellen Zeitgeist, persönlicher Disposition oder komplexen sozialen Überzeugungs- und Zustimmungsprozessen determiniert ist, würde die Feststellung, daß in eine wissenschaftliche Arbeit zu viele dieser Aspekte einfließen und wirksam werden, die Möglichkeit nahelegen, daß eben auch andere und möglicherweise neutrale Elemente wesentlich sind. Und damit würden die Untersuchungen ihre eigene Prämisse, zu deren Bestätigung der Text von Gould ausgewählt wurde, unterlaufen. Die Kritik der Biologen richtet sich dagegen genau auf diesen Aspekt. Teilweise wird dabei die unangemessene Rhetorik angegriffen, im Zentrum der Kritik steht aber die Wahrscheinlichkeit, daß Goulds und Lewontins Kritik nicht die Richtigkeit der adaptionistischen Überlegungen und Theorien betrifft, sondern dem Mißfallen über ihre politischen und philosophischen Konsequenzen entspringt. An die Stelle des von Gould und Lewontin verhöhnten ,panglossian paradigm'' tritt damit das ,Palmström Prinzip', nach dem „nicht sein kann, was nicht sein darf" (Morgenstern 1993: 105). Gould bringt diese Kritik selbst in seinem Beitrag zu Selzers Band zur Sprache, wenn er auf den - aus seiner Sicht nun wieder unangemessenen - Angriff Arthur Cains hinweist, that Lewontin and I had consciously betrayed the norms of science and intellectual decency by denying something that we knew to be true (adaptationism) 72

Roses Angriff gilt hier Richard Dawkins, und ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich auf dessen einschränkende Äußerungen zum strikten Determinismus und seine Hinwendung zu einer Entscheidungsmöglichkeit des Menschen hinweisen (s.o.).

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because we so disliked the political implications of an argument (sociobiology) based upon it. (Gould 1993: 317) 7 3

Die fachinterne Kritik von Cain, Borgia, Queller und einigen der Leser in Charneys Untersuchung 74 richtet sich damit genau auf die Aspekte, die eine konstruktivistische Analyse als wissenschaftstypisch bestätigen und generalisieren möchte. Der Text, an dem die Bedingtheit jeglicher wissenschaftlicher Prosa nachgewiesen werden soll, wird damit wieder als Außenseiter an den Rand gedrängt - und von einigen Kritikern fast aus dem Bereich ordentlicher wissenschaftlicher Argumentation verwiesen. Ein weiterer Aspekt von Goulds und Lewontins Text muß noch angesprochen werden, denn an ihm zeigt sich noch einmal, daß die rhetorische Analyse durchaus auch produktive und ideologisch unbelastete Ergebnisse hervorbringen kann. Queller weist in seiner Kritik auch implizit auf eine notwendige Differenzierung innerhalb wissenschaftlichen Schreibens hin, nämlich auf den schon oben erwähnten Unterschied zwischen experimentellen und historischen Wissenschaften und damit auf die Tatsache, daß der hier untersuchte Artikel einer interpretierenden Wissenschaft entstammt, die das Material, mit dem sie arbeitet, nicht direkt beobachten und auch nicht auf es einwirken kann. Für ihn steht dabei die Bedeutung der Narrativik im Vordergrund, die Notwendigkeit, historische Abläufe und besonders einmalige Geschehnisse als Geschichten zu erzählen (vgl. Queller 1995: 488). Damit sind die Unterschiede zwischen historischen und experimentellen Wissenschaften aber bei weitem nicht vollständig erfaßt. Ein wichtiger Text in Selzers Aufsatzsammlung ist daher Millers und Hallorans Beitrag, in dem gerade auf diesen Aspekt sehr genau eingegangen wird. 75 Darin wird die rhetorische Analyse, die Untersuchung der Zitatation und der Argumentationsform eingesetzt, um die Unterscheidung zwischen experimentellen und historischen Wissenschaften zu untermauern /é und ein methodisches Gerüst zu erstellen, nach dem sich 73

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75

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Vgl. dazu auch Borgia 1994: 375. Borgia greift die Kritik von Cain auf und schreibt dann kritisch über Goulds Versuche, seinen Angriff doch als sachbezogen zu begründen. Möglicherweise wäre hier auch noch Dennett anzuführen, aber auch dieser hat ein größeres Programm, das er durchsetzen möchte, und ist daher in seiner Kritik vielleicht auch nicht vollkommen unbefangen. In dem Band von Selzer weist außerdem auch noch Jeanne Fahnestock auf diese Unterscheidung hin und dabei auch auf die Tatsache, daß Goulds und Lewontins Artikel natürlich nicht für verallgemeinernde Aussagen über wissenschaftliche Texte herangezogen werden kann (s. o.). Diese Unterscheidung findet sich implizit auch bei Foucault, wenn er schreibt: „Die Überprüfung eines Galilei-Textes kann unsere Kenntnisse über die Geschichte der Mechanik modifizieren, aber nie die Mechanik selbst. Die Uberprüfung der Texte von Freud hinge-

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individuelle Texte zuordnen und beurteilen lassen. Durch den Blick auf das Alter der zitierten Texte und auch auf die Art der Reverenz, die den zitierten älteren Texten oder sogar Urtexten erwiesen wird, läßt sich hier eine Parallele zu Wissenschaften ziehen, die sich kontinuierlich an ihren Gründervätern (Darwin, 77 Freud, Marx) orientieren und die sicher nicht als paradigmatisch für alle anderen Wissenschaftsbereiche gesehen werden können/ 8 Damit ist Millers und Hallorans Studie ein Beispiel für eine Analyse, die weder reduktionistisch noch generalisierend arbeitet, sondern ihre Methoden zu einer größeren Differenzierung einsetzt und daher mehr als nur vorgewußte Urteile an den jeweiligen Text heranträgt. Sie leistet einen Beitrag zum Verständnis von Wissenschaft, die hier nicht als Monolith erscheint, sondern als ein aus differenzierter Prozeß unterschiedlicher Unternehmungen. Die rhetorische Analyse bietet damit eine überaus sinnvolle Möglichkeit, Aussagen über die spezifische Zuordnung einzelner Texte innerhalb einer größeren Diskussion zu treffen und zu begründen. Dieser Ansatz ist alles andere als unkritisch oder lediglich beschreibend. Durch ihn kann die rhetorische Untersuchung einen im besten Sinne interdisziplinären

77

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gen modifiziert die Psychoanalyse und die von Marx den Marxismus" (Foucault 1988: 28). In diesem Punkt lassen sich daher eher Analogien zu den Geisteswissenschaften als zu den harten Naturwissenschaften erkennen. Gleichzeitig zeigt sich aber auch ein Unterschied zwischen den naturwissenschaftlichen Disziplinen, so daß die Molekularbiologie deutlich zu den experimentellen, die Kosmologie dagegen gelegentlich zu den historischen Wissenschaften gezählt werden kann. Selbstverständlich beziehen sich nicht nur Gould und Lewontin, sondern auch Wilson auf Darwin, der in einem Brief an Wallace die menschliche Mentalität als Produkt der Evolution gesehen haben soll (vgl. Wilson 1978: 224). Es wäre aber verfehlt, den Rekurs auf Darwin in das Zentrum der Theorie zu stellen. Tomas Fitzel schreibt in seiner Rezension zu Burkhard Müllers Das Glück der Tiere über angebliche „Ultra-Darwinisten" wie Dennet und Dawkins, sie seien „als Fundamentalisten - wie ihre Gegner, die Kreationisten - Buchstabengläubige. Daher muß man sie schon beim Wort packen und ihre ,Heilige Schrift', Charles Darwins Hauptwerk Die Entstehung der Arten von 1859, einmal wortwörtlich durchbuchstabieren. [...] Denn unbestechlich bleibt der Satzbau', [...] und ein ,einziger mit Entschiedenheit geführter Stich' brächte endlich das ,Geschwür' Darwinismus zum Platzen" (Fitzel 2000: 14). Hier wird Forschung als Exegese mißverstanden und damit die Arbeit der Evolutionsbiologen verkannt. Wenn Müller als Dozent für Latein durch die Analyse von Darwins Text den „offenkundigen Unsinn der Evolutionstheorie" (ibid.) demonstrieren will, zeigt er, daß er 150 Jahre Wissenschaftsgeschichte nicht zur Kenntnis genommen haben kann. Daß eine solche Rezension in der Süddeutschen Zeitung erscheinen kann, gibt allerdings zu denken. A n dieser Stelle wird auch klar, daß es sich, wenn man die Rhetorik, die starke Ausrichtung auf theoretische Urtexte und die Rolle der entsprechenden Vaterfiguren in Betracht zieht, bei populärwissenschaftlichen Publikationen fast durchgängig um Analogien zu den Texten einer historischen Wissenschaft handelt - ganz unabhängig davon, wie der dargestellte Wissenschaftsbereich selbst einzuordnen ist.

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Beitrag zum Selbstverständnis der Wissenschaften leisten und gleichzeitig sehr spezifische Erkenntnisse über die jeweiligen Diskurse, die in einem einzelnen Text, in einer Subdisziplin oder auch in einem größeren Wissenschaftsbereich wirksam werden, formulieren und methodisch untermauern. Gleichzeitig werden dabei auch die Nahtstellen zwischen unterschiedlichen Diskursen sichtbar, Überschneidungen und Abgrenzungen, Kontinuitäten und Wechsel. Hier soll natürlich nicht nahegelegt werden, daß diese spezielle Form der Differenzierung die einzige Alternative zu reduktionistischen und generalisierenden Programmen in dem Bereich von Rhetorik und Wissenschaft darstellt. Der von Miller und Halloran verfolgte Ansatz entspricht aber in seiner Grundidee einer Voraussetzung jeglicher interdisziplinärer Arbeit, nämlich der Ausrichtung auf eine gegenseitige Befruchtung. Diese kann nur dort stattfinden, wo der Fachchauvinismus überwunden wird, 79 die Gemeinsamkeiten durchdacht und gleichzeitig die Gegensätze akzeptiert werden. Damit wird der Pluralismus des Wissens und der Methoden im Feyerabendschen Sinne zum Untersuchungsgegenstand, die Rhetorik setzt sich als kritisches Instrumentarium an die Schnittstellen, die durch die Umstrukturierungen der Wissenschaften innerhalb dieses Jahrhunderts entstanden sind. Das Instrumentarium der rhetorischen oder literaturwissenschaftlichen Analyse kann sich daher nicht darin erschöpfen, eine allgemeine Nivellierung aller sprachlichen Äußerungen zu vollziehen und damit das Supremat der Rhetorik oder der Literaturwissenschaft über alle Wissensgebiete anzustreben, in denen mit Texten irgendeiner Couleur gearbeitet wird - was unzweifelhaft alle Wissenschaften einschließen würde. Die notwendige Kritik an einem naturwissenschaftlichen Reduktionismus kann nicht mit einem rhetorischen oder literarischen Reduktionismus einhergehen, der die Hierarchie einfach umzukehren sucht und alle möglichen Äußerungen kategorisch unter sich subsumiert. Die sprachliche Analyse gewinnt ihre Aussagekraft nicht durch die zielgerichtete Einebnung aller Unterschiede, sondern durch eine differenzierende Perspektive, die nicht nur die Ähnlichkeit im scheinbar Unterschiedenen, sondern auch die Ungleichartigkeit im scheinbar Ähnlichen feststellen kann. Lyotard schreibt zur Krise des Wissens und der Entlegitimierung von Wissenschaft: 79

Vgl. Markus, M. 1994: 286. Markus spricht an dieser Stelle nur von interdisziplinärer Forschung innerhalb der Naturwissenschaften, es wäre wünschenswert, wenn auch die Geisteswissenschaften hier einen Beitrag leisten könnten.

There is erosion at work inside the speculative game, and by loosening the weave of the encyclopaedic net in which each science was to find its place, it eventually sets them free. The classical dividing lines between the various fields of science are thus called into question - disciplines disappear, overlappings occur at the borders between sciences, and from these new territories are born. The speculative hierarchy of learning gives way to an immanent and, as it were, „flat" network of areas of inquiry, the respective frontiers of which are in constant flux. (Lyotard 1984: 39)

Es kann in diesem Zusammenhang nicht die Aufgabe der Rhetorik sein, einerseits den Prozeß der Entlegitimierung voranzutreiben, und sich andererseits selbst als neue ,Grand Narrative' anzubieten und damit eine Totalität jenseits von Legitimation zu errichten. Es ist aber sicher ihre Aufgabe, die unterschiedlichen Diskurse zu verfolgen und mit ihren Mitteln die Strömungen und Vermischungen, die Ausdifferenzierungen und die gegenseitigen Beeinflussungen zu erfassen.

3· Die Evolution der Wissenschaften und die Rhetorik der Replikatoren Meine bisherigen Ausführungen zu den Möglichkeiten der Rhetorik, in einen interdisziplinären Austausch mit den Naturwissenschaften zu treten und dabei einen Beitrag zu den Fragen nach der Erkenntnisträchtigkeit rhetorischer Sprache und der Uberzeugungsfunktion wissenschaftlicher Texte zu leisten, blieben weitgehend auf das bestehende Instrumentarium der Text- und Redeanalyse beschränkt. Die Rhetorik ist traditionell ein umfassendes System zur Beschreibung wesentlicher Merkmale sprachlicher Äußerungen; damit ist die Feststellung der Rhetorizität eines Textes oder einer Rede nicht Ziel der Analyse, sondern Ausgangspunkt einer Ausdifferenzierung und Einordnung der jeweils eingesetzten rhetorischen Mittel. Dabei stellt sich allerdings nicht nur die Frage, mit welchen Mitteln die sprachliche Äußerung ihren Zweck der Uberzeugung zu erreichen sucht, sondern auch die nach der Wirkungsweise, durch welche diese Mittel ihren Zweck tatsächlich erreichen oder zumindest erreichen könnten. Während die rhetorische Untersuchung eines Kunstwerkes mit dem Befund schon eines ihrer wesentlichen Ziele erreicht hat, muß die Analyse rhetorischer Momente in außerliterarischen Kontexten auch das Thema der Selektion durch die Rezipienten beachten. Die Rhetorik einer politischen Rede ist primär dann von Interesse, wenn diese Rede Wirkung gezeigt hat, und ebenso fallen die rhetorischen Aspekte der Werbung vornehmlich dann ins Auge, wenn sie ihr Ziel auch erreichen. Gleichermaßen kann bei einer wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchung die Rhetorik nur insoweit relevant werden, wie sie auch tatsächlich in der Aufnahme von Konzepten und Theorien eine Rolle gespielt hat. Es ist hier notwendig, die Produktion von Wissen in Form von sprachlich ausgearbeiteten Theorien und Konzepten auch mit seiner Gegenseite zu konfrontieren, d.h. mit der Frage nach den Bedingungen der Selektion durch die relevante Gemeinschaft. 1 1

Während z.B. Gould vermutet, daß bei der Wirkung des Spandrei-Aufsatzes die unge-

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Dies ist selbstverständlich ein wesentlicher Aspekt jeder Soziologie der Wissenschaften; es läßt sich jedoch feststellen, daß in den schon oben angeführten Untersuchungen die Rhetorik sehr rationale und pragmatische Züge annimmt, wenn es zu der Frage der Rezeption wissenschaftlicher Texte und der Aufnahme von Wissen kommt. So erscheint der leserorientierte Teil in Charles Bazermans Shaping Written Knowledge (vgl. Bazerman 1988: 235-253) 2 als eine Sammlung von wenig überraschenden Beobachtungen zu der Frage, wie Wissenschaftler ihr Lektürepensum auswählen und bearbeiten. Es ergibt sich, was wohl auch ohne diese Studie jeder ahnen würde, daß Wissenschaftler besonders Artikel und Bücher lesen, die mit ihrer direkten Arbeit zu tun haben, daß sie bei der Auswahl der Texte auf Titelstichwörter und Autorennamen achten, die ihnen bekannt sind, daß sie bemerken, ob die Autoren der Fachsprache mächtig sind, und daß sie die Lektüre abbrechen, wenn sich die Erwartungen an den Text als falsch erweisen. Damit erscheint nun die standardisierte dispositio, d.h. der Aufbau wissenschaftlicher Artikel, der laut Medawar (s.o.) und Gross (vgl. Gross 1990a: 85-96) die Induktion als verbindliche wissenschaftliche Methode vortäuscht und aus diesem Grund mit einiger Berechtigung als eine Form der Täuschung kritisiert wurde, auch als ein funktionales Hilfsmittel für den Leser, wichtige Informationen möglichst schnell finden und aufnehmen zu können oder gegebenenfalls die Lektüre vorzeitig zu beenden. Auch Bazermans Beobachtung, daß Wissenschaftler auf Grund ihrer Erfahrungen bestimmte Ergebnisse anzweifeln und nur ungern Ausflüge in die Phantastik unternehmen, wird wenig Erstaunen hervorrufen.3 Als wesentlichstes Kriterium zur Akzeptanz stellt sich in seiner Untersuchung die Arbeitsfähigkeit eines neuen Konzeptes heraus. [IJndividual experiments [ . . . ] in the l o n g run m u s t accord w i t h the continuing experience of a range of researchers in o r d e r to maintain current acceptance. T h e statements that will h a v e a continuing life in the literature w i l l be those that readers w i l l consistently integrate into their w o r k . ( B a z e r m a n 1988: 2 5 2 )

2

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wohnliche Rhetorik mitbestimmend gewesen sei (s.o.), legen die Äußerungen seiner Kollegen nahe, daß sie zwar zur Kenntnis genommen wurde, für die Zustimmung oder Ablehnung aber bestenfalls geringfügige Bedeutung hatte. Bazerman schreibt in diesem Kapitel über eine Untersuchung, in deren Verlauf er sieben Wissenschaftler über ihr Leseverhalten befragte und sie auch dabei beobachtete. Daß diese Zahl für eine aussagekräftige Statistik viel zu gering ist, sei hier nur am Rande angemerkt. „If the new message cannot be meaningfully associated with what the reader knows, the reader finds it difficult to obtain a meaning from it. Moreover, he or she has difficulty reading it like a fiction - the presentation of a hypothetical world" (Bazerman 1988: 245).

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Es fällt schwer, darin eine Aussage zur Rhetorik der Texte zu sehen oder auch eine Bestätigung von Bazermans eigener These, seine Untersuchung konfrontiere uns „once again with the epistemological problem of the socially constructed nature of science and scientific knowledge" (Bazerman, 1988: 250). Bei Gross bleibt die Frage nach der Wirkung der Rhetorik, die er in wissenschaftlichen Texten konstatiert, merkwürdig vage: When scientific truth is seen as a consensus concerning the coherence of a range of our utterances rather than the fit between the facts and reality, conceptual changes need no longer be justified on the basis of its closer approximation to that reality. It is instead the natural result of the persuasive process of science, a persistent effort to renew consensus despite a constant influx of potentially disruptive utterances. (Gross 1990a: 204)

Wenn er allerdings schreibt, daß Wahrheit nicht mehr in ihrem Verhältnis zur Wirklichkeit beurteilt werden muß, so ergibt sich die Frage, auf welcher Basis sie dann beurteilt werden kann. Die rhetorische Überzeugungsabsicht des Textes birgt noch kein Gelingen in sich; das ,natürliche Ergebnis' des Selektionsprozesses verlangt nach einer Erklärung seiner Natur auf der Seite derer, die schließlich zustimmend oder ablehnend reagieren. Dieses Problem verdient es, sehr ernst genommen zu werden, denn selbst wenn man von einer moderat realistischen Position aus argumentiert und damit in den Wissenschaften mehr als nur eine weitere Spielart der Rhetorik sieht, bleibt die Frage nach der Theoriewahl, die unzweifelhaft nicht immer gradlinig verläuft, bestehen. Sie wird natürlich auch von wissenschaftsexternen Faktoren mitbestimmt, die dazu führen, daß immer wieder brauchbare Forschungsansätze verworfen und Wege eingeschlagen werden, die in Sackgassen führen. 4 Thomas Kuhn gibt fünf Eigenschaften als Kriterien für die Beurteilung von Theorien an: Tatsachenkonformität, Widerspruchsfreiheit, Reichweite, Einfachheit und Fruchtbarkeit (vgl. Kuhn 1978: 422Î.), er weist aber auch darauf hin, daß diese Werte die Entscheidung nicht bestimmen, sondern nur beeinflussen, und daß es daher zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen kann (vgl. ibid.: 432). Zudem lassen sich über einige der Kriterien - Reichweite und Fruchtbarkeit - möglicherweise erst dann gültige Aussagen machen, wenn eine erste Zustimmung schon stattgefunden hat. Für den Erfolg einer Theorie im Vergleich zu einem 4

Der schon oben angeführte Aufsatz über die Ächtung von Wissenschaftlern, die eine Verbindung zwischen Viren und Krebserkrankungen vermuteten, soll hier als Beispiel genügen (vgl. Kevles 1996).

I

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konkurrierenden Vorschlag ist damit nicht nur ihr eigener Inhalt von Bedeutung, sondern auch die Disposition des Umfeldes, von dem sie aufgenommen werden soll. Als Metapher - vielleicht sogar mehr als nur eine Metapher - für eine Wissenschaftsentwicklung, in der Theorien miteinander konkurrieren, sich durchsetzen, aber auch wieder von anderen abgelöst werden und verschwinden, wird häufig die Evolution herangezogen, und ich möchte diesem Bild hier folgen. Es wird sich zeigen, daß die Untersuchung der Metapher einer Evolution der wissenschaftlichen Theorien durchaus geeignet ist, einerseits einige Prinzipien der Entwicklung zu erhellen, andererseits aber auch zu zeigen, wo erhebliche Differenzen auftauchen. Dabei läßt sich das Zusammenspiel von Form und Inhalt bei der Selektion verfolgen, aber auch die Frage, inwieweit die Rhetorik selbst als wesentliches Element bei der Vermittlung und Aufnahme von Ideen inhärente Vorteile mit sich bringt und damit auch auf einer evolutionären Entwicklung basieren könnte. Und schließlich werden sich meine Ausführungen von der Naturwissenschaft zur Sprache im Allgemeinen und zur poetischen Sprache wenden. Die Momente, die die Rezeption von Ideen und ihre Akzeptanz begünstigen, lassen sich zwar in den unterschiedlichen Bereichen nur sehr begrenzt vergleichen; sie könnten aber in einigen Aspekten auf analoge und übergreifende Grundprinzipien zurückgehen, die sich auch im Kontext der Rhetorik erfassen lassen. Einige der angesprochenen Themen werden dann später auch in den Untersuchungen literarischer Werke - besonders im Kontext der Romane von Ian McEwan - eine Rolle spielen. Bei der Frage nach einer möglichen Analogie zwischen der Entwicklung wissenschaftlicher Ideen und evolutionären Prozessen ergibt sich zunächst ein Problem. Analogien zwischen der Wissenschaftsentwicklung und der Evolution wurden immer wieder vorgeschlagen - ich werde auf einige der Ansätze noch eingehen - , da sich aber die Evolutionstheorie und die Wissenschaftsgeschichte als Disziplin jeweils eigenständig entwickeln, ändert sich auch das Analogieverhältnis ungleichzeitig. Eine radikale Neubewertung der Wissenschaftsgeschichte findet nicht notwendigerweise ihre Parallele im Bereich der Biologie, und man muß im Auge behalten, welches Konzept zur Ideenentwicklung mit welcher Evolutionstheorie in Beziehung gesetzt wird. Dies betrifft besonders den Aspekt des Fortschritts und die Frage nach einer Teleologie. Wenn Kuhn schreibt, daß sich der evolutionäre Prozeß in der Natur „zwar stetig von primitiven Anfängen fort, aber nicht auf ein Ziel hin bewegte" (Kuhn 1991: 184, kursiv im Original.), so steht dies 136

in Zusammenhang mit seiner folgenden Feststellung zu einem wissenschaftlichem Fortschritt „ohne den Vorteil eines wohlbestimmten Ziels, einer überzeitlichen feststehenden wissenschaftlichen Wahrheit, von der jedes neue Stadium der Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnis ein besseres Abbild ist" (ibid.). Der Fortschritt liegt dann in einer „Steigerung der Artikulation und Spezialisierung" (ibid.), also genau in der Bewegung vom Primitiven zum Komplexen, die er in der Biologie angenommen hatte. Eben diese Bewegung wird allerdings von neueren Evolutionsbiologen negiert. Gould weist darauf hin, daß die „ersten und einfachsten Zellen, die Bakterien und ihre Verwandten, [...] bis heute die zahlreichsten, am weitesten verbreiteten und entwicklungsgeschichtlich erfolgreichsten Lebensformen geblieben [sind]" (Gould 1996b: 49) und daß bei vielzelligen Wesen „80 Prozent von ihnen Insekten sind, und diese unglaublich erfolgreichen Geschöpfe lassen in den letzten 300 Millionen Jahren keinerlei einheitlich gerichtete Verbesserung erkennen" (ibid.). Es wäre also ein grundsätzlicher Fehler, Kuhns Äußerungen im Rahmen der neueren Evolutionstheorie zu lesen und damit auch den Fortschritt, den er noch zuläßt, aus seinem Konzept zu eliminieren. Darüber hinaus kann, wie Kuhn selbst schreibt, „die Analogie zwischen der Evolution von Organismen und der Evolution wissenschaftlicher Ideen [...] leicht zu weit getrieben werden" (Kuhn 1991: 184). Dieses Problem findet sich in dem Aufsatz „Stephen Jay Gould and the Contingent Nature of History" von Murdo William McRae, der darin eine Verbindung zwischen Goulds Theorie des unterbrochenen Gleichgewichtes5 und Kuhns wissenschaftlichen Revolutionen zieht (vgl. für das Folgende auch Vanderbeke 1999). Eine solche Verbindung ist zunächst sehr sinnvoll, da es scheint, als hätte Gould seine Theorie zur Evolution in Analogie zu Kuhns Wissenschaftsentwicklung entworfen/ Auslöser in der Wissenschaftsgeschichte ist laut Kuhn eine Anomalie in den vorliegenden Forschungsdaten, die mit den früheren Theorien nicht in Einklang gebracht werden kann und damit ein Umdenken erzwingt. In der 5

6

Die Theorie des unterbrochenen Gleichgewichtes (,punctuated equilibrium') in der Evolution wurde von Gould und Eldredge entworfen und besagt, daß die Evolution nicht gleichförmig verläuft, sondern daß sich lange Phasen relativer Stasis mit kürzeren Schüben beschleunigter Entwicklung abwechseln. Als Auslöser der Entwicklungsphasen werden häufig Veränderungen in den Umweltbedingungen wirksam (vgl. Eldredge und Gould 1977). Diese Theorie ist unter Evolutionstheoretikern sehr umstritten, hat aber durch die populärwissenschaftliche Vermittlungstätigkeit von Gould einen beträchtlichen Bekanntheitsgrad erreicht und gilt unter Laien oft als Standardmodell der Evolution. Gould verweist auf Kuhns Buch als den wichtigsten Einfluß auf seine Überlegungen zum unterbochenen Gleichgewicht (vgl. Gould 2002, 967). x

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Naturgeschichte handelt es sich Gould zufolge häufig um katastrophale Ereignisse wie den Meteoriteneinschlag, der möglicherweise das Aussterben der Dinosaurier bewirkte und damit auch neuen Arten Entfaltungsmöglichkeiten bot, oder auch um erhebliche Veränderungen in der Umwelt, wie sie beispielsweise durch Warm- oder Eiszeiten ausgelöst werden (vgl. Gould 1996a, Kap. 11: passim). Eine solche Entwicklung bringt es mit sich, daß der Gedanke an einen graduellen, aber kontinuierlichen Fortschritt problematisch wird, da die katastrophalen Umwälzungen auch - wenn nicht sogar in besonderem Maße - die spezialisiertesten und komplexesten Spezies treffen, so daß die Evolution immer wieder unterbrochen wird und an neuen Stellen mit einem zeitweilig beschleunigten Tempo ansetzt. Als eine Analogie zu dieser rapideren Entwicklung und der Entstehung unverhältnismäßig vieler neuer Arten nach einer Katastrophe, wenn neue Nischen in der Natur entstanden sind oder die alten nicht mehr besetzt sind, könnte das Wuchern neuer Theorien im Verlauf wissenschaftlicher Revolutionen gesehen werden, mit denen versucht wird, die Anomalie konzeptionell zu erfassen.7 Bei McRae erfolgt nun ein Angriff auf Gould und sein Wissenschaftsverständnis, weil dieser in Wonderful Life die Analogie zwischen Natur und Wissenschaftsentwicklung nicht weit genug vorangetrieben hätte. Gould hätte, so das Argument, dort durch einen Verweis auf das akademische Lehrer-Schüler-Verhältnis eine Kontinuität konstatiert und damit in der Wissenschaftsgeschichte noch einen Fortschritt angenommen, den er in der Evolution verneint. Als Kronzeuge für eine ungerichtete Wissenschaftsentwicklung wird dabei einerseits Kuhn herangezogen, noch wichtiger erscheint McRae aber die Diskrepanz zur Entwicklung in der Naturgeschichte, die nach zufälligen und unvorhersagbaren Mustern verläuft: Rather self-evidently, this story of teachers and students, with its belief that the successes of one generation are carried into the next, cannot be reconciled with Kuhnian notions of scientific revolution, nor, more importantly, with contingency, with the historical lesson that events merely happen in unpredictable and nonprogressive ways. (McRae 1993: 247)

Hier hat ein wesentlicher Übergang stattgefunden, die Evolution wird nicht mehr als Analogie zur Wissenschaftsgeschichte herangezogen, sondern als Beweismittel. Da sie, wie Gould immer wieder schreibt, nach Prinzipien der Kontingenz und des Zufalls verläuft, muß dies anschei7

Gould spricht an einer Stelle von „early experimentation and later standardization" (Gould 1991a: 304) in der Natur und benutzt damit eine Metaphorik, die deutlich auf die Wissenschaftsgeschichte und wohl auch auf Kuhn verweist (vgl. Kuhn 1991: 100). 138

nend auch für den korrespondierenden Bereich zutreffen, und Gould wird nun mit dem Argument kritisiert, dies in seiner Darstellung mißachtet zu haben. N o s o o n e r does G o u l d establish a K u h n i a n f r a m e w o r k f o r reading the n e w research in the B u r g e s s f a u n a than he s w e r v e s f r o m it, claiming that science is cumulative. N o s o o n e r does he hint that the w o r k of the B u r g e s s revisers m e r e l y h a p p e n e d than he c o m p o s e s a narrative w i t h the m o s t c o m f o r t i n g of traditional p e d a g o g i c a l morals. A l w a y s w e are left asking w h y G o u l d tells a dramatic h u m a n s t o r y c o n c e p t u a l l y at odds w i t h his paleontological

one.

( M c R a e 1 9 9 3 , 247)

Hier lassen sich gleich zwei konzeptuelle Fehler feststellen. Einerseits wird ein potentielles Analogieverhältnis über seinen eigentlichen Gültigkeitsbereich hinaus getrieben, bzw. eine Metapher wird überstrapaziert. Der poetische Satz, daß die Lippen einer schönen Frau einer Rose gleichen, schließt eben nicht ein, daß die Fortpflanzung durch pollentransportierende Insekten vonstatten geht, was den Interessen des lyrischen Ichs wohl auch diametral entgegenlaufen dürfte. Gleichzeitig wird, nachdem die literaturwissenschaftlichen Vertreter der,science studies' mit teilweise erheblichem interpretatorischen Aufwand narrative Strukturen in naturwissenschaftlichen Texten nachgewiesen haben (vgl. z.B. Dear 1991b, Holmes 1991, White, E. C. 1990),8 nun als Kritikpunkt angeführt, daß Goulds Buch poetischen und narrativen Anforderungen nicht genügt. Denn es geht hier um nichts anderes als um die Forderung, einen Parallelismus zu konstruieren, ganz gleich ob der Befund dies rechtfertigt oder nicht. Damit wird letztlich eingeklagt, was ursprünglich einmal kritisch angeführt wurde, um die Differenz zwischen literarischen und wissenschaftlichen Texten aufzuheben. Nun erscheint der wissenschaftliche Text, der dies nicht erfüllt, als defizitär. Die Frage, ob Gould als Wissenschaftler einen Fortschritt in seiner Disziplin sieht oder für möglich hält, stellt sich gar nicht mehr.9 Die Dominanz der Form über den Inhalt erscheint als sine qua non, dem sich der Autor unterzuordnen hat. 8

9

Eric White überträgt ζ. B. in einem Aufsatz Probleme der historischen Geschichtsschreibung, u. a. Hayden Whites Zweifel an der „legitimacy of narrative as a way of making sense of human history" (White, E. C., 1990:91), auf die Kosmologie. Dabei werden die verschiedenen Theorien auch je nachdem, ob sie ein kosmisches Ende annehmen oder nicht, in das Schema von Tragödie oder Komödie einsortiert. Der Kulminationspunkt des Textes soll dem Leser nicht vorenthalten werden: „The most appropriate way to tell the story of nature is, then, a satiric emplotment of cosmic evolution as farce or picaresque" (ibid.: 107). Daß Gould einen Fortschritt in den Wissenschaften annimmt, steht außer Frage, sonst wäre seine Begeisterung für Whittingtons neue Sicht der Burgess Fauna, wie sie in Wonderful Life dargelegt wird, einfach unsinnig; vgl. z.B. Gould 1991a: 8off. oder 136.

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McRaes Artikel gehört in die lange Reihe der Ansätze, die versuchen, Wissenschaft als ein rein soziales Phänomen zu erfassen. Der Grundgedanke lautet: [C]ontingency erases the very notion that there are superior and inferior ideas defined in terms of competitive advantage, of the ability of one idea to adapt more readily to changing intellectual conditions. But if one idea merely replaces another along the unpredictable avenues of history, it becomes difficult to characterize an idea as either true or false, entangled as such valuations are with notions of progress and predictability. [...] [Scientific progress does occur, but only in political and social terms, not intrinsic ones. (McRae 1993: 246)

Dabei stellt sich jedoch wieder einmal das Problem der Reflexivität, denn diese Sicht der Wissenschaftsentwicklung wird von ihrem Autor ganz offenkundig als besser eingeschätzt als die Alternative eines Fortschritts und einer allmählichen Annäherung an eine Wahrheit. McRae kann seinem eigenen Verdikt nicht entgehen, da auch seine Argumentation keinen privilegierten Ort einnehmen kann. McRaes Artikel ist ein Beispiel für ein nicht gerade seltenes Phänomen, das ich analogical fallacy nennen möchte, d. h. dafür, daß Analogien zu weit getrieben werden können. Erkenntnisträchtige Metaphern lassen sich zwar zur Darstellung oder auch zur Überprüfung ihrer Reichweite, nicht aber als Beweise heranziehen. Damit stellt sich die Frage, welche Elemente der Phänomene für eine Darstellung fruchtbar sind und welche Konzepte der Evolution wie der Wissenschaftsentwicklung die Grundlage des Vergleiches bilden. Gerald Holton hat 1958 vier Aspekte genannt, die eine diesbezügliche Analogie begründen (vgl. Holton 1987: besonders io2ff.): a) einen Mechanismus, der Kontinuität ermöglicht - in neueren Texten wird gewöhnlich von einem Kopiermechanismus gesprochen - , b) einen Mechanismus, der Mutationen hervorbringt, c) eine Vielfalt an individuellen Anstrengungen und schließlich d) einen Selektionsmechanismus, durch den entschieden wird, welche der unzähligen individuellen Beiträge und welche der theoretischen Mutationen in dem kontinuierlichen Prozeß der Wissenschaft akzeptiert und weitergegeben werden. Es ist dieser Selektionsmechanismus, der hier besonders interessiert; Holton schreibt dazu: The survival of a variant under the most diverse and adverse conditions is mirrored in science b y the survival of those discoveries, concepts, and relationships that find usefulness in the greatest variety of further application, of those conceptual schemes that withstand the continual check against experience. (Holton 1987: 103)

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Die Selektion findet hier nicht in Form einer Primärauswahl durch die wissenschaftliche Gemeinschaft statt; sie ist ein dauerhafter Prozeß, der eine gewisse Nähe zu Poppers Idee der Falsifizierung aufweist. Eine arbeitsfähige Theorie ist in diesem Zusammenhang nicht wahr, sie hat nur bisher jeden Test an der Realität bestanden, so wie es in der Naturgeschichte auch keine Krone der Schöpfung gibt, sondern nur Arten, die zu einem gegebenen Zeitpunkt noch nicht ausgestorben sind. Die Sprache spielt bei Holton keine Rolle, obwohl Kommunizierbarkeit für ihn ein wesentlicher Aspekt der Wissenschaftsentwicklung ist. Es ist ganz offenkundig, daß dieses Thema für ihn zur Entstehungszeit des Textes nicht vordringlich auf der Agenda stand. Ein weiterer Punkt, den Holton später anführt und der in der Analogie zwischen Wissenschaftsgeschichte und Evolution keinen Platz hat, verdient aber noch, erwähnt zu werden. Es handelt sich um die nachträgliche Akzeptanz vormals verworfener Theorien. In der Natur gibt es kein vergleichbares Phänomen, eine ausgestorbene Spezies kann nicht wiederbelebt werden. Die Wissenschaft kann aber auf früher abgelehnte Konzepte zurückgreifen und sie rehabilitieren. Damit besteht in der Wissenschaftsgeschichte auch die Möglichkeit, zielgerichtet vorzugehen, ein Moment, das an Lamarcks Theorie einer absichtsvoll erworbenen Mutation erinnert.10 Ich werde darauf noch zurückkommen. Stephen Toulmin versucht in „The Evolutionary Development of Natural Sciences" unterschiedliche Ansätze zur Beschreibung der Wissenschaftsentwicklung zusammenzubringen, d.h., er zielt darauf ab, interne Momente mit externen Bedingungen zu verbinden, die Ontogenese oder Morphogenese in Beziehung zum Umfeld zu setzen. Dabei greift er auf einige Untersuchungen zurück, in denen tatsächlich Parallelen zwischen biologischen Phänomenen und Aspekten der Ideenvermittlung auftauchen. So spricht er von Überträgern, ,carriers', des Wissens und unterstreicht noch einmal den epidemiologischen Kontext, der dabei mitschwingt: In this context the word „carriers" is, quite deliberately, ambiguous. N o r need the manifest implication - that scientific curiosity in general, and specific ideas in particular, spread through a population infectiously, like a disease - be regarded as derogatory: after all, the statistical evidence already hints at the possi10

Jean-Baptiste de Lamarck (1744-1829) nahm an. daß erworbene Eigenschaften vererbt werden können und damit auch die Möglichkeit einer absichtsvollen autogenen Vervollkommnung besteht. Diese Theorie wurde durch die Evolutionslehre Darwins und durch die Genetik verworfen, sie wird aber gelegentlich in Versuchen aufgegriffen, der Evolution eine Richtung zu geben oder einen Sinn in ihr aufzudecken.

141

bility that the spread of ideas follows patterns familiar from epidemiology. (Toulmin 1967: 460) A u f der einen Seite steht also das Bild einer sich ausbreitenden Idee, und Toulmin hatte schon anfangs darauf hingewiesen, daß die reine Menge wissenschaftlicher Arbeit sich anhand v o n biologischen Wachstumskurven beschreiben ließe. D i e neuen Ideen, die aus der N e u g i e r und Kreativität der Wissenschaftler resultieren, stellen f ü r ihn eine Analogie zu biologischen Mutationen dar, deren Funktionsfähigkeit sich dann erweisen muß. D a m i t steht auf der anderen Seite die Frage nach den Rezipienten, die durch eine neue Idee ,infiziert' werden. Interessanterweise w i r f t er dabei weniger die Frage nach der Innovation auf, da er davon ausgeht, daß in jeder menschlichen Gesellschaft eine vorgegebene Minorität über die erforderliche angeborene N e u g i e r verfügt. Stattdessen fragt er nach den Hindernissen, die neuen Ideen normalerweise in den Weg gestellt werden, bzw. nach den Bedingungen, durch die Menschen dazu gebracht werden, ihre Sicht der Welt zu ändern (vgl. Toulmin 1967: 4.6 o f . ) . 1 1 D i e neue Idee muß quasi eine I m m u n schranke überwinden, u m erfolgreich sein zu können. Seine A n t w o r t lautet, daß wissenschaftliche Neuerungen in der Geschichte immer eine A r t N e b e n p r o d u k t anderer Aktivitäten waren -

er nennt besonders die

antike Astronomie, die im Dienste der Herrscher aus kalendarischen B e rechnungen und Versuchen v o n Vorhersagen entstanden sei. Ein vorgegebener sozialer, politischer oder kultureller Kontext schafft also die B e dingungen, unter denen eine wissenschaftliche Idee angenommen werden bzw. sich ausbreiten kann. Damit wäre Toulmins Modell rein soziologisch begründet, und die Wissenschaft würde nun doch v o n externen M o menten bestimmt. Allerdings bezieht er sich in seinen A u s f ü h r u n g e n auf die erste A n nahme einer Innovation, auf die Selektion des N e u e n durch Mitglieder einer Gemeinschaft, und noch nicht auf die endgültige Ü b e r n a h m e in den K o r p u s der Wissenschaft. [W]e are here concerned with the „initial plausibility" attributed to certain classes of hypotheses, not with the „verification" or „establishment." We are 0

Auch bei Kuhn findet sich die Frage nach den Bedingungen und Widerständen, unter denen alte Konzepte aufgegeben und neue akzeptiert werden, als ein zentrales Problem der Wissenschaftsgeschichte (vgl. Kuhn 1992). Eine Parallele dazu findet sich anscheinend bei einigen Evolutionstheoretikern, und Dawkins schreibt: „They believe that there are genetic forces in large populations that actively resist evolutionary change" (Dawkins 1991: 243, kursiv im Original). Dawkins nennt hier keine Namen, er selbst lehnt dieses Modell allerdings ab (vgl. ebd.: 247; vgl. dazu auch Gould 1980: 12 iff.).

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asking how scientists come to take certain kinds of new suggestions seriously in the first place - considering them to be worthy of investigation at all rather than with the standards they apply in deciding that those suggestions are in fact sound and acceptable. (Toulmin 1967: 462t.)

Hier wird implizit ein doppelter Selektionsprozeß eingeführt. Den ersten Momenten von Plausibilität, einer Form von Wahrscheinlichkeit, steht die spätere Überprüfung gegenüber, die dann doch noch erforderlich ist, um eine neue Idee oder Theorie zumindest vorläufig zu kanonisieren." Es ergibt sich eine Spannung zwischen den Polen Variabilität und Kontinuität, und zu jeder Zeit ist eine Vielzahl von Alternativen vorhanden, von denen jedoch nur wenige tatsächlich ausgewählt und weitergegeben werden. Damit ist das evolutionäre Szenario 13 komplett: Science develops [...] as the outcome of a double process: at each stage, a pool of competing intellectual variants is in circulation, and in each generation a selection process is going on, by which certain of these variants are accepted and incorporated into the science concerned, to be passed on to the next generation of workers as integral elements of the tradition. (Toulmin 1967: 465)

Toulmin weist auch noch auf einige Unterschiede zwischen den biologischen und wissenschaftlichen Entwicklungen hin, u. a. auf die Hybridisierung zwischen wissenschaftlichen Disziplinen, die in der Biologie unmöglich ist, und auch - wie schon Holton - auf die Verdrängung und spätere Rehabilitierung vergessener Erkenntnisse am Beispiel Gregor Mendels. Er kommt dann zu dem Schluß: In talking about the development of natural science as „evolutionary", I have not been employing a mere façon de parler, or analogy or metaphor. The idea that the historical changes by which scientific thought develops frequently follow an „evolutionary" pattern needs to be taken quite seriously; and the implications of such a pattern of change can be, not merely suggestive, but explanatory. (Toulmin 1967: 470)

Der wesentliche Punkt in Toulmins Ansatz scheint, wie schon gesagt, zu sein, daß er externe und interne Aspekte der Wissenschaftsentwicklung durch das evolutionäre Modell verbindet. Das Problem, welche Neuhei"

13

Popper schreibt in ganz ähnlichem Sinne zur Evolution von Theorien: „Die Bewertung oder Beurteilung konkurrierender Theorien geht ihrer Prüfung teilweise voraus [...,] teilweise folgt sie ihr nach" (Popper 1993: 147). Das Bild der Evolution entspricht hier dem der Entstehungszeit von Toulmins Text. Die Entwicklung wird als weitgehend gleichförmig angenommen, und dies wird auch für die Wissenschaftsentwicklung postuliert, wenn Toulmin Kuhns radikalen Revolutionen widerspricht (vgl. Toulmin 1967: 466 und 471, Fn. 8).

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ten akzeptiert werden, findet sein Korrelat in der Frage, nach welchen Kriterien traditionelle Elemente beibehalten und weitergegeben werden. Er schließt mit dem Verweis, daß das biologische Prinzip von Variabilität und Selektion seine wissenschaftliche Parallele in dem Titel von Karl Poppers Buch Vermutungen und Widerlegungen (Conjectures and Refutations) findet: „Freedom of conjecture enlarges the available pool of variants: severity of criticism enhances the degree of selective pressure" (Toulmin 1967: 471). Damit wird der potentiellen (und kaum auszuschließenden) Kontingenz der Primärselektion die dauerhafte Bewährung entgegengestellt und der sozialen Bedingtheit, die alle unsere Handlungen begleitet, die rationale Kritik, der jede Theorie unterzogen wird. 14 Toulmins Ansatz wird von Karin Knorr-Cetina in The Manufacture of Knowledge aufgegriffen und kritisiert. Dabei wird sofort eine wesentliche Veränderung vorgenommen, indem der evolutionäre Druck der Umwelt in den Vordergrund gerückt und gleichzeitig eine nicht-rationale Form der Selektion als Ergebnis angestrebt wird. Das Ziel der Untersuchung wird damit zur Prämisse: If we take the idea of contextual contingency one step further to suggest that acceptance is a form of environmental selection analogous to the model of biological evolution, we have a plausible alternative to the model of (rational) opinion formation. Like adaptation, acceptance can be seen as the result of contextual pressures which come to bear on the scientists' selections in the environmental niches provided by the laboratory. (Knorr-Cetina 1981: 9)

Hier ist ein deutlicher Wechsel zu verzeichnen, bei dem die Umwelt und die Natur, durch die wissenschaftliche Entscheidungen determiniert oder zumindest beeinflußt werden könnten, durch das gesellschaftliche Umfeld des Labors ersetzt wird. Das vorgeschlagene Modell „has the advantage of specifying as potentially relevant the larger social context in which 14

Vgl. dazu auch Poppers „Schema des Erkenntnisfortschritts durch Fehlerelimination mittels systematischer rationaler Kritik" (Popper 1993: 124); es liefert, wie er schreibt, „eine rationale Beschreibung der evolutiven Emergenz und unserer Selbsttranszendenz durch Auslese und rationale Kritik" (ibid.: 125, kursiv im Original). Popper beschreibt später auch die Entwicklung des Wissens in Analogie zur Evolution: „Unser Wissen besteht zu jedem Zeitpunkt aus denjenigen Hypothesen, die ihre (relative) Tüchtigkeit dadurch gezeigt haben, daß sie bis dahin in ihrem Kampf ums Dasein überlebt haben; in einem Konkurrenzkampf, der die untüchtigen Hypothesen eliminiert. Diese Interpretation läßt sich auf das tierische Wissen, das vorwissenschaftliche Wissen und die wissenschaftliche Erkenntnis anwenden. Das Besondere der wissenschaftlichen Erkenntnis ist, daß der Kampf ums Dasein durch die bewußte und systematische Kritik unserer Theorien härter wird" (ibid.: 273^). In dem Verweis auf eine Evolution des tierischen Wissens läßt sich eine evolutionäre Erkenntnistheorie, wie sie schon angeführt wurde, erkennen. 144

science is embedded and of which the scientists' decisions form a part" (ibid.). Die Kritik an Toulmin setzt nun an seiner Analogisierung von zufälliger Mutation und wissenschaftlicher Kreativität an, da letztere nicht weniger als die spätere Selektion durch die Fachkollegen von sozialen, ausbildungsbedingten und kontextabhängigen Kriterien determiniert wird. Indem die wissenschaftliche Neuerung als eine Art Fluktuation oder Drift in einem diskursiven Geflecht gesehen wird, bleibt die Natur als beeinflussender Faktor vollständig ausgeschlossen. Die Begriffe ,intern' und ,extern' bezeichnen in diesem Modell die wissenschaftliche Gemeinschaft und den sie umgebenden sozialen Kontext; damit verschwindet die strikte Unterscheidung zwischen internen und externen Entscheidungsprozessen, da es sich jeweils wieder um soziale Prozesse handelt.15 Jede Entscheidung und Akzeptanz bestätigt und verstärkt dabei die früheren Selektionen, auf denen sie beruht. The incorporation of an earlier result into the ongoing process of investigation is seen as a potential step toward solidification. The selection of an available method or interpretation extends its presence [...] and prolongs its duration. It thereby increases the chances of its further selection and incorporation. (Knorr-Cetina 1981: 9)

Der hier beschriebene Prozeß einer Konsolidierung des anerkannten Wissens vernachlässigt das gegenläufige Moment der nachträglichen Widerlegungen auch lange anerkannter Theorien und Konzepte. In Knorr-Cetinas Modell ließe sich dies zwar als eine weitere Form der Neuerung erfassen; dem evolutionären Prinzip, nach dem das Verschwinden einer Art bzw. einer Theorie nur besagt, daß ihre Funktionsfähigkeit in einer neuen Situation nicht mehr gegeben ist, wäre damit Rechnung getragen. An dieser Stelle ist aber die Analogie zu weit getrieben, denn während es in der Natur sicher keine ,falschen' Arten gibt, die später widerlegt werden, ist die Wissenschaftsgeschichte davon geprägt, daß frühere Erkenntnisse nicht nur weiterentwickelt oder modifiziert werden, sondern sich eben häufig auch als schlicht falsch erweisen. Der determinierende Faktor, durch den dies geschieht, ist die im sozial-konstruktivistischen Modell ausgeschlossene Natur, die sich dem anerkannten Wissen gegenüber als

„The decision-translations through which the selections of the laboratory are produced refer us to the context in which they are imbedded. The selective interpretations of the laboratory are situationally and contextually contingent. In this way, the process of natural selection' can be reconceived as one of contextual reconstruction in which the internal and the external are not analytically separated" (Knorr-Cetina 1981: S. 16, kursiv im Original).

*45

widerspenstig zeigt und ein Umdenken erzwingt. Kuhns Untersuchung wissenschaftlicher Revolutionen hat deutlich gemacht, daß Krisen eben nicht aus der Verdrängung einer bestehenden wissenschaftlichen Wahrheit' durch eine bessere Theorie erfolgen, sondern durch Anomalien, die zwar anerkanntes Wissen widerlegen, aber noch nicht theoretisch erklärbar sind (vgl. Kuhn 1991, Kap. VI und VII: passim). Wenn Knorr-Cetina also ein Modell entwirft, in dem die Akzeptanz einer Innovation den Selektionsprozeß abschließt, dann bleibt das eigentliche Moment der Bewährung einer Theorie ausgespart, und die umfassende Kritik durch die Fachwelt, die in Toulmins Konzept als dauerhaftes Prinzip wirksam bleibt, wird auf ein Minimum reduziert. Damit wird auch ein wesentlicher Aspekt der Evolution ausgeblendet, die hier als Analogie und Metapher herangezogen wurde, nämlich die Zeit, deren Bedeutung dann einsetzt, wenn ein neues und vorläufig funktionsfähiges Modell' entstanden ist. Der Erfolg einer Mutation bemißt sich nicht daran, ob sie ein prinzipiell lebensfähiges Geschöpf hervorgebracht hat, sondern an der Dauer seines Uberlebens als Spezies, seiner Anpassungsfähigkeit auch unter wechselnden Umständen, seiner Ausbreitung etc. Die Frage nach der Zeit, die eine Theorie überdauern kann, nach Vielfältigkeit und Verbreitung, d. h. nach den unterschiedlichen Umständen, in denen sie nützlich und anwendbar ist, sowie auch nach ihrer Zweckmäßigkeit, durch die sie anderen, ebenfalls möglichen Alternativen vorgezogen wird, ruft noch einmal - jetzt im Kontext der Evolution zwei der schon oben angesprochenen Kriterien der Theoriewahl auf: Reichweite und Fruchtbarkeit. Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß diese Kriterien ihre Relevanz potentiell erst dann entwickeln können, wenn eine Primärauswahl schon erfolgt ist. Hier sind sie deshalb wichtig, weil sie einer Theorie Dauer verleihen können, bzw. im gegenteiligen Fall auch Theorien, die die erste Hürde der Selektion genommen haben, wieder in Frage stellen und gegebenenfalls zum Verschwinden bringen. Für meine eigenen Überlegungen zu der Analogie zwischen der Wissenschaftsgeschichte und der Evolution möchte ich auf die Terminologie zurückgreifen, die sich in neueren Arbeiten zur Ausbreitung von Ideen und zum Verhältnis zwischen Natur und Kultur meiner Meinung nach als nützlich erwiesen hat. Im Zentrum steht dabei der von Richard Dawkins in The Selfish Gene eingeführte Begriff der ,Meme' (vgl. Dawkins 1989, Kap. 11: passim), der inzwischen auch schon den Weg ins neueste OED gefunden hat. Dort wird er definiert als: „An element of a culture that may be considered to be passed on by non-genetic means, esp. imitation" (zit. nach Dawkins 1999a: viii). 146

Bei Dawkins wurde der Begriff in Analogie zu dem der Gene eingeführt (im Englischen besteht ein Assonanzverhältnis zwischen den Wörtern); das wichtige Moment ist dabei, daß es sich in beiden Fällen um Replikatoren handelt, die sich selbst vervielfältigen. Ein Meme ist eine Information - es kann sich dabei um eine Melodie, eine eingängige Formulierung, eine Idee, einen Werbeslogan, ein Rezept, ein Gerücht, eine Pointe oder Ähnliches handeln - die sich ausbreitet bzw. weitergegeben wird. lé Schon Toulmin sprach in dem oben zitierten Artikel von Uberträgern von Ideen, ,carriers' (s.o.), und griff damit dem Konzept der Meme voraus. Sein Ansatzpunkt, daß sich Ideen - wie auch Gerüchte - gelegentlich auf ähnliche Weise wie Infektionen ausbreiten, wird im Kontext der ,Memetics' immer wieder angeführt. Am deutlichsten ist dieser Aspekt im Titel von Richard Brodies Buch über Meme angesprochen: Virus of the Mind.17 Dawkins selbst sieht Meme nicht nur im übertragenen, sondern auch im rein technischen Sinne als lebende Strukturen an und verweist als Analogie auf Parasiten (vgl. Dawkins 1989: 192). Damit erscheinen Meme als aktive Einheiten, die Replikation wird als Selbst-Vervielfältigung gesehen. Der Ort, an dem dies geschieht, also das menschliche Gehirn, hätte in dieser Sicht die gleiche Funktion wie der Wirtskörper für einen Parasiten; es würde lediglich für die Zwecke des Eindringlings instrumentalisiert.18 Der Begriff der Meme weist darüber hinaus, wie Dawkins eher beiläufig erwähnt, auch eine gewisse Nähe zur memoria auf (vgl. Dawkins 1989: 192). Dieses Moment wird von Delius aufgegriffen, der das Phänomen aus neurologischer Sicht betrachtet. Er beschreibt das Gedächtnis als einen Informationsspeicher, der auf biochemischen neuronalen Strukturen beruht, so daß die Aufnahme neuer Informationen als Modifikation in ,6

17

18

Eine Diskussion des Begriffes ,Meme' und seiner Vorteile gegenüber anderen Begriffen für Einheiten kultureller Übertragung findet sich bei Durham 1991: 18/ff. Dem Buch ist eine ,Warnung' vorangestellt, die dieses Thema noch einmal betont: „This book contains a live virus. D o not read further unless you are willing to be infected. The infection may affect the way you think in subtle or not-so-subtle ways - or even turn your current world view inside out" (Brodie 1996: 11). Die Parallele, die verschiedene Autoren zu Parasiten oder Viren ziehen, hat vermutlich auch eine sensationalistische Funktion. Die Assoziation an die unterschiedlichen Filmversionen von The Invasion of the Body Snatchers (Don Siegel 1956, Philip Kaufmann 1978, Abel Ferrara 1994), in denen hilflose Menschen von parasitären außerirdischen Lebensformen umprogrammiert werden, drängt sich geradezu auf. Juan D. Delius unterscheidet dagegen zwischen nützlichen Memen, mit denen quasi eine Symbiose eingegangen wird, und parasitären Memen wie z.B. suizidären Verhaltensweisen, die für den Wirtskörper bedrohlich sind (vgl. Delius 1989: 54-65).

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der Konfiguration der Synapsen gefaßt werden kann. Damit sind Ideen, Meme, nicht mehr nur substanzlose Phänomene, ihnen entsprechen materielle Strukturen in unserem Gehirn: A n y cultural trait that is taken over b y a given individual from another individual must accordingly be thought of as the transfer of a particular pattern of synaptic hotspots within the associative networks of one brain to the associative networks of another brain. (Delius 1989: 4 4 ) 1 9

Hier werden Ideen jeglicher Art auf neurologische Konfigurationen des Gehirnes zurückgeführt. 20 Zu jedem Zeitpunkt entspricht den Ideen bzw. Memen damit ein materieller Zustand eines Speichers wie dem Gedächtnis, Büchern, Artefakten oder Ahnlichem innerhalb eines Verarbeitungsmediums wie des Gehirns oder eines Ubertragungsmediums wie einer Sprache, die mündlich, schriftlich oder auch elektronisch vermittelt werden kann. Die treffendste Analogie für diese Sicht der Meme wären damit wohl Computer-Viren, die als Informationen ihre materielle Entsprechung in der Konfiguration der Hardware haben, durch Informationstransfer übertragen werden und schließlich die neue Hardware dazu benutzen, sich selbst zu kopieren und weiter zu verbreiten. Der Gedanke, daß sich Meme eigenständig und auf ähnliche Weise wie Parasiten oder auch Computer-Viren vervielfältigen, führt fast notgedrungen zu der Frage nach der Rolle, die das Bewußtsein in diesem Prozeß spielt, d. h., inwieweit wir Maschinen sind - biologische und men19

20

Vgl. dazu auch Roth 1996: 274Ü. Roth weist darauf hin, daß „in die aktuelle Bedeutung einer neuronalen Aktivität die semantische Vorgeschichte, d. h. die Bedeutungen früherer Aktivitäten an diesem Ort ebenso eingeht wie die Bedeutung anderer beteiligter Netzwerke, die ebenfalls eine Vorgeschichte haben" (ibid.: 276, kursiv im Original). Damit ist die doch ziemlich mechanische Gleichsetzung der neuronalen Konfiguration im Ursprungs· und im Rezeptorgehirn, wie sie bei Delius erscheint, deutlich relativiert. Auch Roth beschreibt aber eine „sehr enge Parallelität zwischen Hirnprozessen und kognitiven Prozessen" (ibid.: 301). Siegfried J. Schmidt wendet sich ebenfalls gegen die „Annahme einer Eins-zu-eins-Beziehung zwischen (komplexen) mentalen Mustern (z.B. Begriffen) und lokalisierbaren physiologischen Strukturen (oder Substraten)" (Schmidt 1991: 22), insistiert aber mit Roth auf dem unauflöslichen Zusammenhang zwischen mentalen und neuronalen Prozessen (ibid.: 18). Es ist hier sicherlich nicht von Bedeutung, daß es derzeit noch unmöglich ist, Gedanken durch die neurologische Forschung sichtbar zu machen, sie also aus den materiellen und natürlich auch individuellen Konfigurationen des Gehirns und den neuronalen Aktivitäten abzuleiten. Roth weist zwar darauf hin, daß die „sich heute abzeichnende Möglichkeit des Nachweises einer relativ engen Korrelation zwischen neuronalen und mentalen Prozessen [...] nicht als eine Reduktion des Mentalen auf das Neuronale verstanden werden [kann]" (Roth 1992: 130), schreibt aber auch: „Es ist heute eine Frage der Auflösungskraft diagnostischer Methoden, mit denen die globale und lokale Hirntätigkeit,on-line' sichtbar gemacht werden kann, inwieweit wir in der Tat Gedanken lesen können" (ibid.). 148

tale - , durch die sich Gene und Meme fortpflanzen. Der Gedanke, der u.a. Dawkins The Selfish Gene zugrunde liegt, daß der Körper nur das Mittel der Gene ist, sich fortzupflanzen (vgl. z.B. Dawkins 1989: i^f. 21 ), hätte seine Entsprechung in der Vorstellung, daß das Gehirn nur das Instrument der Meme ist, sich zu vervielfältigen. Susan Blackmore sieht die Evolution des menschlichen Gehirns tatsächlich als eine direkte Folge von Vorteilen, die sich aus der Fähigkeit zur Imitation und zur sprachlichen Verbreitung von Memen ergaben.22 Folgt man diesem Gedanken, dann würde die postmoderne Vorstellung, der Mensch sei nur die Schnittstelle der durch ihn sprechenden Diskurse, zumindest unterstützt und auf eine naturwissenschaftliche Basis gestellt. Dieser Gedanke, daß das Selbst nur eine Illusion ist, findet sich dementsprechend auch bei Blackmore; sie beschreibt das Selbst als Memeplex, als ein Geflecht von Memen, die sich gegenseitig stabilisieren und gleichzeitig den Ort bilden, an dem weitere Meme verarbeitet werden und ihrerseits die Gefühle und Handlungen bestimmen (vgl. Blackmore 1999a: 23 iff. und Blackmore 1999b). In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage nach den Selektionsmechanismen, die bestimmten Memen den Vorzug vor anderen geben. Da Meme sicher nur zum Teil aufgrund ihrer Kohärenz oder Ubereinstimmung mit Erfahrungen der Wirklichkeit ausgewählt werden, sind notwendigerweise auch Kriterien bei der Selektion wirksam, die sich nicht auf diese Aspekte zurückführen lassen. Als Kriterien, die zur Annahme eines Mernes wesentlich beitragen, führt Delius einerseits die Anzahl von Personen an, die ein spezifisches Meme vertreten, und andererseits die individuellen Qualitäten von Trägerpersonen. Beide Aspekte können instinktiv als ein Anzeichen für die Nützlichkeit des Mernes verstanden werden, also als Hinweise darauf, daß durch die Annahme eines Mernes die eigene Überlebensfähigkeit gefördert wird (Delius 1989: 57; vgl. auch Cialdini 2001: 79 und passim). Darüber hinaus können sich Meme aber auch unabhängig von früheren Trägerpersonen aufgrund ihrer 21

In die Literatur hat dieser Gedanke durch John Barth Einzug gehalten, der in „Night-Sea Journey" (in Barth 1978: 3 - 1 2 ) den Kampf ums Überleben aus der Perspektive eines Spermatozoons beschreibt. In Tidewater Tales greift er das Thema in einem skurrilen Theaterstück aus der Sicht von Eizellen wieder auf (vgl. Barth 1988a: 145 — 161, 3 7 1 - 9 3 und 619-632).

22

»»[Ojnce imitation evolved and memes appeared, the memes changed the environment in which genes were selected and so forced them to provide better and better meme-spreading apparatus" (Blackmore 1999a: 93). Ich halte diese Sicht für sehr vereinfacht, da Imitation in der Natur nicht nur beim Menschen auftaucht, bei anderen Spezies jedoch keine analoge Entwicklung bewirkt hat. Susan Blackmores Argumentation ist in vielen Fällen sehr konstruiert, ihre Beispiele reduzieren sich gelegentlich auf eine Art Just-So-Stories manchmal sogar nur auf schlecht erzählte Just-So-Stories.

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eigenen Eigenschaften zur Annahme und Verbreitung anbieten, z.B. weil der Vorteil, der von ihnen ausgeht, evident ist oder auch eine Übereinstimmung mit angeborenen Instinkten und Bedürfnissen vorliegt. Gleichzeitig wird auch die Rhetorik wieder relevant. Die oben angeführte Bedeutung der Anzahl oder des Status von Personen, die ein Meme vertreten, läßt sich im Rahmen der persuasio als der Verweis auf einen weitgehenden oder allgemeinen Konsens bzw. als das Heranziehen von Autoritäten erfassen. Zudem wird aber auch die Form, in der eine Idee oder Information erscheint, wieder wichtig, da diese Form einen Einfluß auf die Akzeptanz nimmt, in manchen Fällen, wie z.B. bei manchen Werbeslogans oder Wortspielen, sogar der ausschlaggebende Faktor sein kann. Es ist sicher kein Zufall, daß meist musikalische Ohrwürmer, Pointen oder besonders gelungene Slogans als Beispiele für erfolgreiche Meme angeführt werden. Nun aber stellt sich die Frage nach der Rhetorizität nicht mehr von der Seite des Produzenten, stattdessen tritt die Selektion in den Vordergrund und damit das Problem, welche Eigenschaften an Nachrichten und Informationen geeignet sind, ihre Aufnahme zu begünstigen, und welches die Gründe dafür sind. Es läßt sich unschwer feststellen, daß es Phrasen oder Melodien gibt, derer wir uns kaum erwehren können - der Slogan „I like Ike" wird wohl jedem, der Jakobsons Aufsatz über „Linguistic and Poetics" gelesen hat, im Gedächtnis haften bleiben und sich für spätere Zeiten als Beispiel für Parallelismus anbieten (vgl. Jakobson 1988: 38). Dies gilt allerdings hauptsächlich für kurze, eingängige Phrasen; komplexere Informationen sind notwendigerweise weniger schlagkräftig' und erfordern für ihre Annahme daher ausgedehntere Selektionsprozesse. Damit soll allerdings nicht behauptet werden, diese ,Auslese' sei grundsätzlich ausschließlich rational begründet oder in einem autonomen Selbst verankert, wenn sich auch die Gewichtung zwischen den Eigenschaften, die eine Akzeptanz und damit Vervielfältigung bedingen, verschieben dürfte. Es gibt damit keinen Grund, wissenschaftliche Ideen nicht ebenso als Replikatoren anzusehen wie andere Meme. 23 Sie breiten sich in der ökologischen Nische, in der sie ihre Bedeutung haben, aus wie andere Arten von Informationen in vergleichbaren Kontexten. Dabei lassen sich unterschiedliche und konkurrierende Strömungen feststellen, aber auch längerfristige Verlagerungen oder kurzlebige Modeerscheinungen. 23

Dawkins führt wissenschaftliche Ideen explizit als Beispiele an und schreibt: „If a scientist hears or reads about a good idea, he passes it on to his colleagues and students. He mentions it in his articles and his lectures. If the idea catches on, it can be said to propagate itself from brain to brain" (Dawkins 1989: 192).

150

Es erscheint hier sinnvoll, die Selektion von wissenschaftlichen Meinen als das Resultat von Entscheidungsprozessen zu sehen, und ich möchte auf das Modell von Antonio Damasio verweisen, der im Rahmen seiner ,somatic markers'-Theorie die Bedingungen von Entscheidungen untersucht hat. Ausgangspunkt ist für ihn - neben seinen Falluntersuchungen an Patienten, die durch Hirnschäden an Verhaltensstörungen leiden - der Gedanke, daß ein Entscheidungsprozeß nicht wirklich nach rein rationalen Geschichtspunkten ablaufen kann, da die Konsequenzen einer Entscheidung nie bis in ihre letzten Auswirkungen bedacht werden können. Jede Notwendigkeit dazu würde den Entscheidenden vor eine Anforderung stellen, die ihn schließlich lähmen müßte (vgl. Damasio 1998: i6$ff. und besonders sein Fallbeispiel lyzii. 2 · 4 ). Eine wesentliche Rolle spielen daher die von ihm beschriebenen ,somatic marker', Gefühlsreaktionen, die jeden Entscheidungsprozeß begleiten und auf der Basis von früheren Erfahrungen die Anzahl der zur Auswahl stehenden Alternativen reduzieren. Ihren Ursprung haben sie in Sekundäremotionen, d. h. in Gefühlen, die im Gegensatz zu instinktiven oder vegetativen Reaktionen (Primäremotionen) nicht angeboren sind, in ihrer affektiven Wirkung aber die gleichen Symptome hervorbringen (Herzklopfen, Schweißausbrüche oder Blässe bei Schreck- oder Angstgefühlen etc.). Die somatischen Marker, d. h. die Gefühle, die bei der Abwägung von Alternativen auftreten, determinieren zwar nicht das Resultat eines Entscheidungsprozesses, aber sie lassen einige Aspekte in besserem oder schlechterem Licht erscheinen und eliminieren damit potentiell die Möglichkeiten, die von unterschwelligen Angstreaktionen oder allgemeinem Unbehagen begleitet werden. Es sind sozusagen die körperlichen Erinnerungen an frühere ähnliche Entscheidungen, die nun wirksam werden und unsere Wahl beeinflussen. Damit wird nahegelegt, daß sich die Wirkung von Uberzeugungsfunktionen auch als Resultat epigenetischer Regeln 25 verstehen ließe. Damasios Konzept der somatischen Marker ergänzt dabei das Bild einer angeborenen 24

Ich werde auf Damasio und diese Theorie im Kontext der Romane von Ian McEwan zurückkommen.

25

.»[EJpigenetic rules comprise the full range of inherited regularities of development in anatomy, physiology, cognition, and behavior. They are the algorithms of growth and differentiation that create a fully functioning organism" (Wilson 1998: 150). Daraus folgt kein Verhaltensdeterminismus, sondern nur eine Disposition, in bestimmten Situationen einem bestimmten Verhalten eher den Vorzug zu geben. Das spezifische Verhalten entsteht - nach diesem Modell - aus der Interaktion zwischen einer Situation, früher erworbenen Erfahrungen und den ererbten, weil evolutionär adaptiven Dispositionen, auf eine derartige Situation zu reagieren. Γ



Präferenz durch die sekundären Emotionen und damit durch das Zusammenwirken von ererbten und erworbenen Entscheidungsmechanismen. Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß nicht auch gegen diesen Einfluß auf rationaler Basis Entscheidungen getroffen werden können, die uns zwar zunächst unangenehm erscheinen, aber trotzdem sinnvoll oder erforderlich sind. Damasio führt insgesamt drei wesentliche Faktoren an, die zusammenspielen: „automated, somatic states, with their biasing mechanisms; working memory·, and attention" (Damasio 1998: 198, kursiv im Original). Die somatischen Marker sind Vor-Urteile - und als solche teilweise sehr begründet - , die uns zwar leiten, ohne daß wir uns ihrer Wirkung bewußt wären, die uns aber nicht beherrschen.26 Das von Damasio untersuchte Phänomen deckt sich in vielen Aspekten mit der ,intuitiven' Theoriewahl, wie sie von verschiedenen Wissenschaftlern und Wissenschaftshistorikern beschrieben wurde. 27 Die dabei auftretenden Entscheidungsprozesse finden zwar in einem weitaus größeren Zeitrahmen statt als die von Damasio beschriebenen, aber auch hier lassen sich Momente feststellen, in denen ähnliche Phänomene wie die somatischen Marker zum Tragen kommen könnten. Zum einen tendieren Entscheidungen, da sie von Erfahrungen und daher auch von früheren Entscheidungen beeinflußt werden, dazu, zunächst konservativ zu sein. Der von Toulmin beschriebene Widerstand gegen Innovationen könnte hier einen Ausgangspunkt haben. Wie Feyerabend darüber hinaus festgestellt hatte, sind bei einer Entscheidung für eine neue Theorie kaum je von Anfang an die Konsequenzen für das eigene theoretische Gerüst oder auch die Hilfswissenschaften zu überblicken (s. o.). Und wie Weinberg schreibt, waren die Entscheidungen für innovative Theorien in diesem Jahrhundert nicht immer durch die experimentellen Daten abgesichert, sondern folgten gelegentlich Kriterien, die nicht nur auf rationale Erwägungen zurückzuführen waren, speziell formalen Kriterien wie Ein26

27

Ähnlich wie Damasio argumentiert auch Durham in seiner Unterscheidung einer ,primary' bzw. ,secondary value selection', wobei die .primary values' genetische Ursprünge haben, während die ,secondary values' kulturell vermittelt sind. Durham behandelt dabei auch wissenschaftliche Ideen als Meme, die kritischen Standards zu genügen haben, wobei auch diese Standards Meme sind (vgl. Durham 1991: 20if). Er schreibt: ,,[I]n this special domain there is a deliberate attempt to minimize the influence of primary values on cultural fitness" (ibid.: 203), und zitiert Van Potter mit der Feststellung, der wesentliche Punkt an der wissenschaftlichen Methode sei sicherzustellen „that the correctness of an idea is not determined by how good the idea makes us feel at the moment of illumination"; (ibid.; das Zitat stammt aus Potter 1964: 1020). Wenn ich hier von einer intuitiven Theoriewahl spreche, dann möchte ich damit nicht nahelegen, daß diese Wahl ausschließlich intuitiv begründet ist, sondern nur, daß die Intuition auch eine wichtige Rolle spielt.

fachheit oder auch dem, was Weinberg die Schönheit einer Theorie nennt (vgl. Weinberg, 1993: 125t.,

die Passage wird v o n mir später vollständig

zitiert). Wenn w i r mit diesem B e f u n d z u m Kontext der evolutionären E n t wicklung der Wissenschaften zurückkehren, so zeigt sich also, daß die Selektion wissenschaftlicher M e m e zunächst ähnlichen Prinzipien folgt wie andere memetische Selektionen und Entscheidungsprozesse im Allgemeinen, bei denen bewußte oder unbewußte Erinnerungen, Emotionen und Körperzustände beteiligt sind. Diese Prinzipien sind allerdings im Falle wissenschaftlicher Entscheidungen durch die spezifischen E r f a h r u n gen und die Ausbildung mitbeeinflußt. K u r z gesagt, es macht einen nicht unerheblichen Unterschied, ob eine unwillkürliche Reaktion durch die Erinnerung an eine frühere erfolgreiche - oder erfolglose - wissenschaftliche Arbeit hervorgerufen w i r d , d. h. an eine rationale und überprüfbare Gegebenheit, oder durch subjektive Erlebnisse in der Alltagswelt. N u n k o m m t aber im R a h m e n der Evolution v o n M e m e n auch noch der schon mehrfach angeführte A s p e k t ins Spiel, nämlich die Zeit, die in diesem R a h m e n häufig ignoriert w i r d , und es w i r d notwendig, den Selektionsprozeß komplexer M e m e differenzierter zu sehen. Cavalli-Sforza beschreibt kulturelle Selektion als einen doppelten P r o zeß, bei dem zunächst eine individuelle Entscheidung und A k z e p t a n z und danach eine B e w ä h r u n g dieser Entscheidung stattfinden muß. Es läßt sich also voraussagen, daß jede Entscheidung im kulturellen Bereich zwei Kontrollen überwinden muß: zuerst die der kulturellen Selektion, bei der das Individuum eine Wahl trifft, und danach die der natürlichen Selektion, die automatisch den Nutzen dieser Entscheidung hinsichtlich der biologischen Grunderfordernisse bewertet, die die Erhaltung der Art garantiert. (CavalliSforza 1999: 191) Cavalli-Sforza geht hier bei der natürlichen Selektion v o n der N ü t z l i c h keit einer Entscheidung f ü r das Uberleben des Individuums und seine Fortpflanzung aus, nicht v o n der Frage, inwieweit es auch e i n , Ü b e r l e b e n ' einer Idee als solcher gibt. E r weist aber auch darauf hin, daß natürliche und kulturelle Selektion gelegentlich sehr unterschiedliche Wege gehen können und daß Ideen eine beträchtliche Zeit überdauern können, auch w e n n sie der individuellen Lebensfähigkeit oder Fortpflanzung abträglich sind - als Beispiel führt er den D r o g e n k o n s u m an, der sicher die U b e r lebensfähigkeit senkt, oder auch den K o n f l i k t zwischen sexuellen W ü n schen und dem Wissen u m sexuell übertragbare Krankheiten. Z u den Themen, die v o n anderen A u t o r e n in diesem Kontext behandelt werden,

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gehört natürlich auch das Zölibatsgebot in der katholischen Kirche und anderen Religionen, das zwar, wenn man mittelalterlichen Autoren Glauben schenken will, der Fortpflanzung nicht zwingend im Wege stand, aber doch eine einschränkende Wirkung gehabt haben mag. Obwohl nun aber, wie ein alter Witz besagt, das Zölibat nicht erblich ist, war es in der Kirchengeschichte durchaus ein erfolgreiches Lebensmodell. 28 Während sich Gene nur von Generation zu Generation, d. h. vertikal vervielfältigen können, findet eine kulturelle Übertragung von Memen auch horizontal statt 29 und ist daher nicht an die Existenz biologischer Nachfahren gebunden. Individuelle Vorteile können dabei die Verbreitung eines Mernes begünstigen, das eigentlich der genetischen Fortpflanzung entgegensteht. Die Uberlebensdauer eines Mernes ist damit zwar nicht von der Lebensfähigkeit und Fortpflanzung des Individuums abhängig, es muß sich aber trotzdem in irgendeiner Weise bewähren, wenn es Erfolg haben will. Das Prinzip einer doppelten Selektion läßt sich nun im Kontext der Meme bzw. innovativer wissenschaftlicher Konzepte auch noch weiter verfolgen. Wir finden hier einen Prozeß, in dem zwei Komponenten zum Tragen kommen. Eine erste Bereitwilligkeit zur Akzeptanz einer neuen Idee ist erforderlich, und dabei können nicht nur offenkundige Vorteile wirksam werden, sondern auch der Einfluß somatischer Marker und erworbener Vor-Urteile, eine intuitive Plausibilität der neuen Idee oder die Uberzeugungsmechanismen, wie sie in den unterschiedlichen Arbeiten zur Wissenschaftsrhetorik ausgeführt wurden. Diese erste Akzeptanz ist unabdingbar, da eine neue Idee ohne sie nicht über einen minimalen Kreis - z.B. die Gutachter eines Artikels - hinaus wahrgenommen wird. Auf diese erste Akzeptanz folgt aber eine zweite Phase, in der sich die ,Überlebensfähigkeit' einer Idee oder Theorie erweisen muß, eine längere Durchsetzung und Bewährung bis hin zur Aufnahme in den traditionellen Korpus der Disziplin. 28

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Vgl. z.B. Dawkins 1989: I98f., Blackmore 1999: 128, Wright 1995: 36$f., Dennett 1996: 367. Die Erklärungen, die für den Erfolg des Zölibat-Memes gegeben werden, sind gelegentlich sehr konstruiert und vernachlässigen häufig, daß die Entscheidung nicht immer freiwillig und oft auch in Notlagen getroffen wurde, in denen die kirchliche Gemeinschaft das Uberleben in einer Gesellschaft sichern konnte, in der Armut und Hunger nicht gerade selten waren. Cavalli-Sforza führt als weitere Mechanismen kultureller Übertragung auch noch die magistrale Übermittlung an - von einem auf viele, was der Lehrer-Schüler-Situation entspricht - sowie auch die konzertierte Übermittlung - von vielen auf einen, was z.B. im Falle eines Gruppenzwanges gegeben wäre (vgl. Cavalli-Sforza 1999: 201). Beide dieser Formen können als horizontale oder als vertikale Übermittlung auftreten. Cavalli-Sforza verweist auch darauf, daß gerade die konzertierte Übermittlung einen erheblichen Widerstand gegen Innovationen bewirken kann (vgl. ibid.: 202).

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Dieser doppelte Prozeß kann als Analogie zu den beiden Formen der Selektion in der Evolutionstheorie angesehen werden, d. h. zu der sexuellen und der natürlichen Selektion. Die sexuelle Selektion beruht in vielen Fällen auf einem Eindruck, der zwar ,Tüchtigkeit' oder,Überlebensfähigkeit' signalisiert, aber damit nicht notwendigerweise korreliert ist. Da auch die Auswahlkriterien für sexuelle Präferenz vererbt werden, kann es dazu kommen, daß Merkmale bevorzugt werden, die eigentlich hinderlich sind, wie z.B. der überlange Schwanz des Paradiesvogels oder das ausufernde Geweih bei manchen Hirscharten (vgl. dazu Dawkins 1989: 157f£.). Die Attraktivität liegt nun nicht mehr in tatsächlich vorteilhaften Eigenschaften, die signalisiert werden sollten, sie ist zu einem Selbstläufer geworden. Dieses Moment stößt aber an seine Grenze, wenn die Behinderung die Uberlebensfähigkeit so reduziert, daß sie nicht mehr durch eine erfolgreiche Fortpflanzung aufgewogen wird. Das heißt, jede Eigenschaft, die zunächst im Rahmen der sexuellen Selektion erfolgreich ist, muß sich trotzdem im Langzeittest der Natur beweisen, da sie sonst der natürlichen Selektion zum Opfer fällt. Analog dazu muß jede Theorie, so attraktiv sie im ersten Moment auch erscheinen mag, den Test an der Wirklichkeit überstehen. Attraktivität kann dabei in dem Versprechen liegen, die oben genannten Kriterien für die Theoriewahl zu erfüllen, aber auch in dem Einsatz gängiger Schlüssel- oder auch Modebegriffe, der Zitation einschlägiger Autoren, in wirklicher oder vermeintlicher Komplexität des Gedankenganges oder ähnlichen Aspekten. Bleibt es aber bei dem Versprechen oder werden die vorgeblichen Qualitäten einer Theorie nicht durch zutreffende Prognosen oder gelungene Experimente gedeckt, so wird sie früher oder später aufgegeben werden, da konkurrierende Ideen sich als besser tauglich erweisen, d. h., sie ist der wissenschaftlichen Variante der natürlichen Selektion zum Opfer gefallen. 30 Dabei muß allerdings im Auge behalten werden, daß die Natur, in der sich eine Theorie - und im biologischen Kontext eine Mutation - bewähren muß, auch 30

Es läßt sich kaum verhehlen, daß es in akademischen Disziplinen, bei denen ein Test an der Wirklichkeit nicht oder nur bedingt erfolgt, gelegentlich lange dauern kann, bis Ansätze, die wenig mehr zu bieten haben als einen dunklen Jargon und eine wuchernde Komplexität, durch eine Art natürliche Selektion aussortiert werden. Judith Macheiner schreibt über die Verführung und Verführbarkeit durch Sprache, die in den Geisteswissenschaften gelegentlich zu vermerken ist, das eigentliche Problem seien „abstrakte Theoriebildungen, gewissermaßen Nullwissenschaften, für die es weder eine empirische noch eine deduktive Form der Falsifizierung gibt, weil sie so allgemein sind, daß sie in ihrer Banalität immer richtig sind. Sie sind in der Regel auch leicht zu verstehen, auch wenn sie sich kompliziert geben. Ihr einziges Manko ist, dass sie nichts erklären" (Macheiner 2001: 39). Die Analogie zu dem überlangen Schwanz des Paradiesvogels bietet sich für diese Theoriebildungen an. 1

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immer von der jeweiligen Theorie oder auch der neuen Art beeinflußt wird. Unsere Sicht der Natur ist, wie schon mehrfach erwähnt, nicht theorieunabhängig, und eine einmal - möglicherweise voreilig - akzeptierte Idee kann potentiell auch die Perspektive erst erschaffen, durch die sie dann als eine Art,self-fulfilling prophecy' bestätigt wird (vgl Falkenburg 1995: 48f.). Gleichermaßen kann in der Natur eine neue Spezies auf ihre spezifische Umwelt so einwirken, daß sie sich nun an der veränderten Umgebung bewähren muß - was je nach der betreffenden Art den Erfolg begünstigen oder auch behindern kann. 31 Es bedarf allerdings spezieller Begleitumstände, wie z.B. einer extremen ideologischen Ausrichtung der Gesellschaft, damit ein wirklich falscher theoretischer Ansatz sich gegen bessere und auch realisierbare Alternativen über längere Zeit halten und die Perspektive seiner Fachrichtung nachhaltig beeinflussen kann - die Wiederaufnahme des Lamarckismus in der genetischen und landwirtschaftlichen Forschung der Sowjetunion unter der Leitung von Lysenko wäre ein solcher Fall. Viel eher kann eine einmal akzeptierte Idee dazu führen, daß unter verschiedenen gleichermaßen möglichen und potentiell fruchtbaren Richtungen, in die sich die Forschung bewegen kann, eine den Vorzug erhält, ohne daß sie notwendigerweise einen intrinsischen Vorteil gegenüber alternativen, aber nicht realisierten Konzepten beinhaltet. Dieser Aspekt der Wissenschaftsentwicklung ist hier nicht von vordringlichem Interesse, da, wie schon oben ausgeführt, die Form und damit auch die rhetorischen Elemente der Urfassung bei der eigentlichen Arbeit mit einer naturwissenschaftlichen Theorie kaum noch eine Rolle spielen. 32 Für die erste Akzeptanz, die ausschlaggebend dafür ist, daß ein Konzept überhaupt eine Chance erhält, läßt sich die Bedeutung ästhetischer und rhetorischer Momente allerdings nicht ausschließen, was in Übereinstimmung mit Aussagen von Praktikern steht, daß die Schönheit' einer Theorie oder auch ihrer mathematischen Ausarbeitung ein wesentliches Kriterium bei ihrer Beurteilung ist. Und selbst wenn man dabei in Betracht zieht, daß der Begriff der Schönheit in den Naturwissenschaften andere - und potentiell rationalere - Konnotationen mit sich bringt als in der Kunst, 33 so bleibt doch bestehen, daß es eben auch die Intuition 31

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Maturana und Várela sprechen dabei von struktureller Koppelung (vgl. Maturana und Varela 1987: iojff.). Dabei sind theorie-konstitutive Metaphern natürlich ausgenommen, da sie einen integralen Bestandteil einer Theorie bilden können. Sie unterliegen aber, wie oben dargestellt, ebenfalls einer kritischen Überprüfung und ändern damit auch ihren Gehalt; sie können daher nur bedingt als Beispiele für stabile rhetorische Elemente angeführt werden. Den vorsichtigen Versuch, eine Verbindung zwischen der Gehirnstruktur und einem 156

ist, die durch sie angesprochen wird. „ A physicist's sense of beauty is [...] supposed to serve a purpose - it is supposed to help the physicist select the ideas that help us to explain nature" (Weinberg 1993: 106). Dies könnte, wie gesagt, dazu führen, daß unter verschiedenen gleichermaßen sinnvollen Möglichkeiten die intuitiv ansprechendere gewählt wird, aber nur in extremen Ausnahmefällen kann daraus folgen, daß auf Dauer einer falschen Richtung der Vorzug gegeben wird. Weinberg nimmt nun allerdings für die Physik eine weitgehende Korrelation zwischen der Schönheit einer Theorie und ihrer Tragfähigkeit an: In this century no theory that has been generally accepted as valid by the world of physics has turned out simply to be a mistake, the way that Ptolemy's epicycle of planetary motion or the theory that heat is a fluid called caloric were mistakes. Yet in this century, as we have seen in the cases of general relativity and the electroweak theory, the consensus in favour of physical theories has often been reached on the basis of aesthetic judgement before the experimental evidence for these theories became really compelling. I see in this the remarkable power of the physicist's sense of beauty acting in conjunction with and sometimes even in opposition to the weight of experimental evidence, (ibid.: io2f.)

Im Kontext einer evolutionären Sicht der Wissenschaftsentwicklung wäre das ein Indiz dafür, daß das äußere Zeichen, das eine Primärselektion auslöst, tatsächlich auf die Qualität der Überlebensfähigkeit und Fruchtbarkeit hinweist. Die Frage, die sich daraufhin stellt, ist, worin der Ursprung des Gefühls des Schönen liegt, das es uns ermöglicht, Theorien zu bewerten und damit auch tatsächlich zutreffende Lösungen zu finden. Weinberg gibt drei Antworten, deren erste hier von Interesse ist,34 weil sie die Evolution mit der Entwicklung von Ideen verknüpft:

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Schönheitsgefühl zu konstatieren, unternehmen Lamberto Maffei und Adriana Fiorentini in Das Bild im Kopf. Von der optischen Wahrnehmung zum Kunstwerk. Als wesentliche Aspekte tauchen dabei Regelmäßigkeiten und Symmetrien auf (vgl. Maffei und Fiorentini 1997: 68). Trotz der Versuchung, hier auch auf die Symmetrien der Physik zu verweisen, muß festgehalten werden, daß eine einfache Gleichsetzung der Symmetrie von Abbildungen, Körpern oder Gegenständen und der Symmetrie von physikalischen Gesetzen zumindest problematisch ist (vgl. Weinberg 1993: io8f. und Zee 1990: 27). Auf das Thema der Symmetrie werde ich im Kontext von Jeanette Wintersons Roman Gut Symmetries zurückkommen. Die beiden anderen Begründungen für den Erfolg schöner Theorien sind hier nicht von Bedeutung. Die eine lautet, daß Physiker dazu neigen, sich Problemen zuzuwenden, die schöne Lösungen versprechen, die andere basiert auf der Erwartung einer schönen letzten Theorie: „For us, the beauty of present theories is an anticipation, a premonition, of the beauty of the final theory" (Weinberg 1993: 131)· Die erste dieser Begründungen halte ich für falsch, weil sie den Wissenschaftler als eine Art frei schwebenden Künstler betrachtet, der sich sein Arbeitsgebiet mehr oder weniger selbst aussuchen kann, was - trotz even-

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The first explanation is that the universe acts on us as a random, inefficient, and yet in the long run effective, teaching machine. Just as through an infinite series of accidental events, atoms of carbon and nitrogen and oxygen and hydrogen joined together to form primitive forms of life that later evolved into protozoa and fishes and people, in the same manner our way of looking at the universe has gradually evolved through a natural selection of ideas. Through countless false starts, we have gotten it beaten into us that nature is a certain way, and we have grown to look at that way that nature is as beautiful. (Weinberg 1993: I2jf.)

Der Sinn für Schönheit erhält hier einen ähnlichen Status wie andere Sinneswahrnehmungen, die für den Rezipienten angenehm sind. Als wohlschmeckend erscheint uns das, was für den Nahrungshaushalt und Stoffwechsel des Urmenschen notwendig war, auch wenn diese ursprüngliche Nützlichkeit in unserer heutigen Welt teilweise in ihr Gegenteil umgeschlagen ist. Die Temperaturen, die für unser Uberleben am geeignetsten sind, werden als angenehm empfunden, und auf der Gegenseite bewirkt eine instinktive Schmerzvermeidung den Selbstschutz des Organismus. Allerdings wäre es der Evolution kaum aufzubürden, dem Menschen auch ein angeborenes Gefühl für schöne Mathematik mit auf den Weg gegeben zu haben. Roger Penrose schreibt dazu: „For our remote ancestors, a specific ability to do sophisticated mathematics can hardly have been a selective advantage, but a general ability to understand could well have" (Penrose 1999: 114). Folglich postuliert Weinberg, daß es in der Wissenschaft eine spezifische Entwicklung davon gibt, was als schön gelten kann: „One of the things that makes the history of science so endlessly fascinating is to follow the slow education of our species in the sort of beauty to expect in nature" (Weinberg, 1993: 126). In ähnlichem Sinne schreibt Anthony Zee über die Suche nach Schönheit in der Physik, die Natur sei „auf ihrer fundamentalen Ebene nach ästhetischen Prinzipien konstruiert" (Zee 1990: 16), die Wissenschaftler hätten allerdings „ihre Sicht zu schulen, um die beim Bau der Natur geltenden universalen Prinzipien zu erkennen" (ibid.). Auch die Primärselektion, durch die Theorien zunächst einmal intuitiv angenommen werden, wird hier auf eine Art rationale Grundlage gestellt.

tuell existierender Ausnahmen bei den wissenschaftlichen ,Stars' - tatsächlich allen Aspekten einer Wissenschaftssoziologie widersprechen würde. Die zweite halte ich, obwohl sie berechtigt sein mag, auch für eine Werbestrategie für die Finanzierung weiterer Forschungen, denn Weinbergs Buch hatte primär das Ziel, den Bau des ,Superconducting Super Colliders' zu propagieren.

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Die hier angesprochene Entwicklung einer funktionsfähigen wissenschaftlichen Ästhetik basiert auf der Verbindung zwischen einer evolutionären Erkenntnistheorie (s.o.) und einem Lernprozeß, der dieses Prinzip durch wissenschaftliche Methoden weiterführt und verfeinert. Diese Verbindung läßt sich als eine Form der ,Coevolution' sehen. Dabei wirken angeborene Merkmale - wie z.B. die Organisation der Wahrnehmung zu einem konsistenten Weltbild oder die inzwischen problematisierte Konstruktion von Kausalitätsverhältnissen zwischen zeitlich korrelierten Ereignissen, aber auch ein grundlegendes intuitives Gefühl für eine Nützlichkeit oder Plausibilität von Erklärungen - mit kulturell erworbenen Elementen zusammen. Zu letzteren gehört seit dem Beginn der Philosophie auch das Wissen um die Täuschbarkeit der Wahrnehmung, 35 um die Konstruktion der Welt durch die Sinne36, aber auch um das Problem der Referentialität in der sprachlichen Vermittlung von Erkenntnissen über die Welt. 37 Dazu kommt zumindest seit dem Beginn der Neuzeit auch das mehr oder weniger stille Wissen um die historisch und gesellschaftlich kontingente Form, der eine Aussage über die Welt entsprechen muß, um als wissenschaftliche Wahrheit oder Erkenntnis akzeptiert werden zu können. Eines der Resultate dieses Zusammenwirkens ist dabei auch das intuitive - und keinesfalls untrügliche - Gefühl für die ,Richtigkeit' oder auch ,Schönheit' einer Theorie, wie es von Weinberg beschrieben wurde (s.o.). Das Resultat dieses Prozesses ist nicht nur die Wissenschaftsentwicklung, d.h. die Evolution der Meme, die in den Wissenschaften der jeweiligen Zeit anerkannt sind, sondern auch die Wissenschaftsrhetorik, die als mehr oder weniger verbindlicher und formulierbarer Standard selbst als Meme bzw. als eine Menge von veränderbaren Memen verstanden werden muß. Als Meme unterliegen sie auch der Konkurrenz, d. h., auch sie müssen sich als nützlich erweisen, um kopiert zu werden und damit zu ,überleben'. Und die Nützlichkeit ist selbst wieder das vorläu35



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Vgl. z.B. Heraklits Erkenntniskritik: „Schlechte Zeugen sind den Menschen Augen und Ohren, wenn sie unverständige Seelen haben" (Mansfeld 1987: 255). z.B. in Demokrits Feststellung: „Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter; in Wirklichkeit gibt es nur Atome und den leeren Raum", bzw. „Alle anderen sinnlich wahrnehmbaren (Eigenschaften der Dinge) hätten keine objektive Wirklichkeit, sondern wären sämtlich (nur) Eindrücke des veränderten Sinnesorgans, wodurch die Vorstellung entstehe" (Capelle 1968: 399). Vgl. z. B. Gorgias: „Denn das Organ, wodurch wir etwas mitteilen, ist das Wort; das Wort aber ist nicht das Ding, das existiert. Wir teilen also unseren Mitmenschen nicht die Dinge mit, sondern Worte, die von den Dingen (selber) ganz verschieden sind. Wie nun das Sichtbare nicht hörbar wird, und umgekehrt, so kann, da das Ding draußen existiert, es auch nicht zu unseren Worten werden. Wenn es aber nicht das Wort ist, kann es auch nicht einem anderen mitgeteilt werden" (Capelle 1968: 3Jof.).

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fige Endergebnis eines evolutionären Prozesses, d. h. der Entwicklung der Wissenschaftssprache. Auch die Wissenschaftsrhetorik ist damit der oben beschriebenen doppelten Selektion unterworfen, d. h., neben einer ersten Akzeptanz der Regeln, die für die wissenschaftliche Kommunikation gelten sollen, muß auch eine dauerhafte Zweckmäßigkeit vorliegen, um in der vorgegebenen ökologischen Nische, d.h. im alltäglichen Wissenschaftsbetrieb, bestehen zu können. Damit soll natürlich nicht behauptet werden, daß in der Geschichte der Wissenschaftssprache ein beständiger Fortschritt zu verzeichnen wäre und daß hier eine asymptotische Adaptation an eine .richtige' Sprache oder besser Sprachform stattgefunden hätte. Es ist lediglich festzustellen, daß sich die derzeitige Sprache für die gegebenen Probleme der Wissenschaftsvermittlung 38 als funktionsfähig erwiesen hat und daß sie bisher noch nicht von einer konkurrierenden Sprachform verdrängt wurde. Zu diesem momentanen Zustand gehört inzwischen auch das Wissen, das durch die linguistische Wende Eingang in die Wissenschaftstheorie gefunden hat, das also als hilfreich, zweckmäßig oder sogar notwendig erkannt und akzeptiert wurde und sich dadurch - und trotz seiner kritischen Aspekte - als Konzept oder Meme ausbreiten konnte. Und hier tritt ein wesentlicher Unterschied zur biologischen Evolution auf, die ausschließlich durch genetisches Driften 39 und zufällige Mutationen in Verbindung mit der natürlichen Selektion Veränderungen hervorbringt. Gezielte Veränderungen sind hier, wenn man von Züchtungen oder gentechnischen Manipulationen einmal absieht, unmöglich, und absichtsvoll erworbene Eigenschaften des Phänotyps haben keinen Einfluß auf den Genotyp. In der kulturellen Evolution der Meme sind absichtsvolle Veränderungen jedoch verbreitet. Zwar treten natürlich auch zufällige Modifikationen auf, denn das unvermeidbare Rauschen in den Übertragungsmedien führt notwendigerweise zu Kopierfehlern. Aber gleichzeitig werden Nachrichten, Informationen und alle anderen For38

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Ich spreche hier allerdings nur von der Vermittlung innerhalb der Gemeinschaft von Wissenschaftlern. Für die populärwissenschaftliche Vermittlung läßt sich dies in vielen Bereichen nicht sagen - die Sprachprobleme bei Erklärungen der Quantenphysik sind da nur die Spitze eines Eisberges. Veränderungen durch genetisches Driften entstehen dadurch, daß bei der Vererbung auch der Zufall durch statistische Fluktuationen eine wesentliche Rolle spielt, da verschiedenen Nachkommen verschiedene Gene vererbt werden. Bestimmte Kombinationen können sich allerdings auch als vorteilhaft erweisen, was dann durch die natürliche Selektion dazu führt, daß sie in einer Population häufig vorkommen, während andere kaum auftreten oder sogar verschwinden. Auf diese Weise können genetische Distanzen zwischen Populationen entstehen, ohne daß dafür Mutationen erforderlich wären (vgl. Cavalli-Sforza 1999: 56-59)· 160

men von Memen auch beständig neuen Gegebenheiten angepaßt und dann in der neuen Form weitergegeben.40 Dennett zitiert in diesem Zusammenhang ein Gespräch mit Stephen Pinker, in dem letzterer betonte: „much of the mutation that happens to memes - how much is not clear is manifestly directed mutation" (Dennett 1996: 355, kursiv im Original), und er fährt eben mit einem Verweis auf die wissenschaftliche Entwicklung fort: „Memes such as the Theory of Relativity are not the cumulative product of millions of random (undirected) mutations of some original idea, but each brain in the chain of production added huge dollops of value to the product in a non-random way" (ibid., der Satz ist im Text als Zitat ausgewiesen, aber nicht belegt; er dürfte daher auch von Stephen Pinker stammen). Darüberhinaus gibt es in der Natur keine konstruktive Kritik, sondern nur den Erfolg oder Mißerfolg von Einzelwesen, Spezies, Familien, Phylen etc. Innerhalb der kulturellen Evolution ist die Kritik aber ein ständig wirksames Phänomen, durch das Meme nicht unbedingt abgelöst, aber doch überprüft und beeinflußt werden. Problematische Meme, zu denen die Wissenschaftssprache und -rhetorik mit Sicherheit gehören, können so gezielt verändert werden oder im Bewußtsein ihrer Mängel und trotz dieser eingesetzt werden. Hier wird noch einmal ein Punkt berührt, der auch schon im Kontext der Metapher ausgeführt wurde, daß nämlich das Wissen um die unaufhebbare Differenz zwischen einer Metapher, einem Begriff oder einer Sprachform und dem Referenten bzw. einer kaum zu erreichenden ,idealen' Sprache selbst erkenntnisträchtig sein kann (vgl. Swanson 1978: 162). Die Wissenschaftsrhetorik läßt sich auf diese Weise auch als ein funktionales und sogar rationales Element der Wissenschaftssprache erfassen, da einerseits die in ihr wirksamen Uberzeugungsmittel auf rational erworbenen Kriterien wie einem wissenschaftlichen Konsens oder früheren Arbeiten beruhen können und andererseits die spezifische und immer auch metaphorische Begrifflichkeit selbst überprüft und rationaler Kritik ausgesetzt wird. 40

Susan Blackmore diskutiert die Frage, ob bei der memetischen Evolution eine Vererbung erworbener Eigenschaften im Sinne Lamarcks auftritt (vgl. Blackmore 1999: 59-63), ihre Argumentation leidet allerdings unter dem schlecht gewählten Beispiel eines Kochrezeptes als Genotyp und dem fertigen Gericht als Phänotyp. Eine zufällige Veränderung - wie z.B. ein Fehler in einer Mengenabmessung oder die Ersetzung einer fehlenden Zutat durch eine Alternative - würde dann zwar zu einem neuen Phänotypus führen, das Rezept aber unverändert belassen. Mein Verdacht ist hier, daß Susan Blackmore nicht besonders viel kocht. Rezepte können natürlich zielgerichtet verändert werden, und auch zufällige Veränderungen werden, wenn sie zu einem erfreulichen Ergebnis führen, absichtsvoll in bestehende Rezepte eingefügt.

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Dabei ist, wie schon oben erwähnt, auch anzunehmen, daß bei der Organisation des Wissens durch die standardisierte Form wissenschaftlicher Artikel, d. h. bei der disposino, auch der Aspekt der schnelleren und leichteren Aufnahme eine Rolle spielt. Es ist durchaus nachvollziehbar, daß eine Form, die zur Zeit ihrer Entstehung das Ideal einer wissenschaftlichen Unvoreingenommenheit bei den Beobachtungen signalisieren sollte (vgl. Medawar 1990: 229 und s.o.), später eine andere Funktion erlangt hat und daher auch nach der Aufgabe des ursprünglichen Ideals sinnvoll geblieben ist. Stephen Jay Gould und Elisabeth Vrba haben den Begriff der ,Exaptation' für den evolutionären Funktionswandel von biologischen Merkmalen vorgeschlagen, die sich für bestimmte Zwecke oder auch ohne erkennbaren Zweck entwickelt haben, später aber für neue Funktionen nutzbar gemacht wurden (vgl. Gould und Vrba 1982: 6).41 Dieses Phänomen läßt sich potentiell auch auf die Entwicklung der normativen Aspekte in der Wissenschaftssprache und -Vermittlung übertragen. Die Standardisierung, die sich zunächst aus wissenschaftsphilosophischen Gründen anbot und durchsetzte, kann nun für die Orientierung, die schnelle Aufnahme und möglicherweise auch die Erinnerung durch den Rezipienten hilfreich sein. Der letztgenannte Punkt widerspricht nicht der Tatsache, daß ein aus dem Rahmen fallender Text sicher besonders gut im Gedächtnis behalten wird - der ,Spandrei-Artikel· wäre dafür ein treffendes Beispiel - , denn dies beruht primär auf der Ausnahmesituation, d. h. einer ungewöhnlichen Differenz zur Standardisierung. Es ist aber ein seit der Antike bekanntes Mittel der Mnemotechnik, eine feste Folge von rhetorischen Merkörtern {loci) mit wechselnden Inhalten auszustatten (vgl. Gomille 1991: 219). Quintilian schlug als Beispiel für die Organisation derartiger Merkörter ein Haus vor, das in unterschiedliche Räume eingeteilt ist; für die Raumeinteilung wird von Theoretikern oft das fünfgliedrige Schema vorgeschlagen, das den Redestadien der Rhetorik entspricht (vgl. Ueding und Steinbrink 1994: 230) und das, wenn auch in veränderter Form, in dem Aufbau wissenschaftlicher Texte eine Entsprechung findet. Und dies heißt zunächst nichts anderes, als daß die schematischen Strukturen von Texten der Aufnahme und der Erinnerung vielfältiger Inhalte förderlich sein könnten.42 41

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Ein Beispiel wäre die Entwicklung der Federn bei Vögeln, die wohl zunächst als Wärmeschutz gedient haben, dann aber auch die Flugfähigkeit begünstigten und sich in diese Richtung weiterentwickelten (vgl. Glaubrecht 1995: 177, Glaubrecht spricht dabei von Präadaptationen). Ein Beispiel dafür, daß diese Methode nichts an Aktualität verloren hat, findet sich bei Norman Mailer in dem Spionage-Roman Harlot's Ghost. Mailer beschreibt dort die Ausbildung von CIA-Mitarbeitern und die standardisierte Methode, sich viele Telefonnum-

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Der Begriff der Meme verweist, wie schon oben erwähnt, nicht nur auf die Mimetik, also die Imitation oder Nachahmung, sondern auch auf die memoria, denn es genügt für die Stabilisierung nicht, ein Meme zu kopieren, es muß auch verfügbar und abrufbar bleiben, d. h. gespeichert werden. Und damit tritt der schon oben mehrfach erwähnte wesentliche Unterschied zwischen der genetischen und der memetischen Evolution in den Vordergrund, d. h. die Tatsache, daß die Natur im Gegensatz zur Kultur kein Gedächtnis besitzt. Eine einmal ausgestorbene Art kann nicht wieder ,hervorgekramt' werden, wenn sich die Verhältnisse ändern und neue Uberlebenschancen gegeben wären. In der Natur können sich erfolgreiche Formen nur durch Konvergenzen wiederholen (bekannte Beispiele sind Wolf und Beutelwolf oder auch verschiedene Ichtyosaurier und Fischarten), die sich aber jeweils wieder von Grund auf neu entwickeln müssen. In der memetischen Evolution gibt es dagegen die Möglichkeit, Meme zu speichern, sei es durch orale Traditionen oder auch durch Aufzeichnungen mittels der verschiedensten Speichermedien.43 Dies gilt selbstverständlich nicht nur für kulturelle Artefakte, sondern auch für den gesamten Bereich der Ideen - und damit auch für die Wissenschaften. Der schon zitierte Satz von Thomas Kuhn, „unlike art, science destroys its past" (Kuhn 1969: 407), muß an dieser Stelle relativiert werden, und die Wiederentdeckung und -aufnähme übersehener oder früher verworfener Forschungsbeiträge belegt, daß es eine Erinnerung gibt, auf die die Wissenschaft zurückgreifen kann. Dies wird u. a. durch die Auseinandersetzung von Physikern mit der Vergangenheit ihrer Disziplin belegt, wie z.B. durch Heisenbergs Kommentare zu Heraklit oder Weizsäckers Ausführungen zu Parmenides. Die Wiederaufnahme von Mendels Erkenntnissen dreieinhalb Jahrzehnte nach ihrer Formulierung ist natürlich das bekannteste Beispiel (vgl. Löther 1990: 37), aber auch die Wiederent-

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mern merken zu können. Diese Methode besteht darin, den einzelnen Ziffern Farben zuzuordnen und sich dann einen vorgegebenen Raum mit entsprechend farbigen Möbeln und einer meist ziemlich bunt bekleideten Frau vorzustellen. Durch die Erinnerung an dieses Bild kann dann die Nummer wieder rekonstruiert werden. Auch hier wird ein feststehendes Schema immer wieder mit neuen Inhalten gefüllt (vgl. Mailer 1992: i6j{.). Ich habe wenig Zweifel daran, daß sich Mailer tatsächlich über die Ausbildungsmethoden der C I A informiert hat, bevor er seinen Roman schrieb. Dagegen ließe sich anführen, daß ein Meme, solange noch eine Kopie von ihm vorhanden ist, eben noch nicht ausgestorben wäre. Die in einer Bibliothek vergrabene Handschrift mit einer vergessenen Idee wäre dann die Analogie zu einer ökologischen Nische für ein lebendes Fossil. Ich hielte dies allerdings für falsch, denn ebenso könnte angezweifelt werden, daß Tierarten wie das Mammut ausgestorben wären, solange noch D N S aus Fossilien extrahiert werden könnte.

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deckung mathematischer Kuriositäten wie der Kochschen Schneeflocke oder der Julia-Mengen im Kontext der Chaostheorie (vgl. Mainzer 1994: 40) legen nahe, daß die Wissenschaftsgeschichte auch noch von den Praktikern rezipiert wird. Hölldobler und Wilson schreiben dazu ganz kategorisch: „Old ideas in science never die, however. They only sink to mother Earth, like the giant Antaeus, to rise again with renewed vigor" (Hölldobler und Wilson 1990: 3 5 8f.). Dabei ist zwar anzunehmen, daß diese Wiederentdeckungen zumeist erst realisiert werden können, wenn schon ein wesentlicher Schritt in die ehemals nicht weiterverfolgte Richtung getan wurde, Oliver Sacks beschreibt aber auch den Fall, daß er für ein in seiner Zeit vernachlässigtes neurologisches Phänomen gezielt nach Untersuchungen in Lehrbüchern des letzten Jahrhunderts suchte und dort dann auch ausführliche Beschreibungen fand (vgl. Sacks 1996: i36ff.). 44 Sacks Beispiel zeigt darüber hinaus, daß eine Wiederaufnahme früher verfügbaren, inzwischen aber verschütteten Wissens in manchen Bereichen auch Auswirkungen auf die Darstellungsform von Wissenschaft hat, indem er - wie auch schon sein ,Vorbild' Alexander Lurija in seinen Krankengeschichten explizit an die alten Traditionen des 19. Jahrhunderts anknüpft (vgl. Sacks 1998: III). Das Gedächtnis der Wissenschaften ist einer der möglichen Wege, aus einer Sackgasse herauszufinden oder auch aus anderen Gründen an frühere Ergebnisse anzuknüpfen. Dieses Phänomen läßt sich besonders gut in einem Bereich feststellen, in dem die analytische und reduktionistische Wissenschaft als defizitär kritisiert und mit früheren Formen von Wissen konfrontiert wird - d. h. in der Medizin. Hier hat eben durch die Wissenschaftskritik eine Bewegung eingesetzt, durch die Naturheilverfahren nach langer Zeit wiederaufgenommen, untersucht und zunehmend angewandt werden, durch die in einigen Gebieten holistische Ansätze für Heilverfahren einer Partikularbehandlung mit Erfolg entgegengesetzt wurden und durch die insgesamt ein Interesse - auch der etablierten Wissenschaft und der Pharma44

Sacks führt in diesem Essay - und besonders in den Anmerkungen - auch noch eine Vielzahl weiterer Beispiele für vergessene und später wiederentdeckte Erkenntnisse an. Darüber hinaus zitiert er in diesem Zusammenhang auch Einsteins Beharren darauf, daß neue Theorien alte nicht vernichten, sondern erlauben, „unsere alten Begriffe von einer höheren Stufe wiederzuerlangen" (ibid.: 158, das Zitat stammt aus Einstein und Infeld 1987: 138). Die Autoren schreiben dabei auch in direktem Gegensatz zur These einer verdrängten oder vernichteten Wissenschaftsgeschichte: „So müssen wir uns in altes Gedankengut, alte Theorien versenken, auch wenn sie längst der Vergangenheit angehören; denn sonst können wir die Bedeutung neuer Ideen niemals richtig einschätzen" (Einstein und Infeld 1987: 74).

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unternehmen45 - an früheren Behandlungsmethoden geweckt wurde. Die Kritik, daß die Wissenschaft ihre Vergangenheit zerstört hat, kann in diesem Fall quasi selbst als ein Gegenbeispiel zu der eigenen These angeführt werden, da sie selbst als das Gedächtnis wirksam wurde, das die Wiederaufnahme früherer Konzepte veranlaßt hat. Das Problem des Gedächtnisses führt allerdings auch noch einmal zurück zur Frage nach der Coevolution von ererbten und kulturell erworbenen Eigenschaften. Die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, gehört ganz sicher zu den wesentlichen Eigenschaften des Menschen. Dabei ist nicht wirklich von Bedeutung, ob die Entwicklung dieser Fähigkeit durch Umweltselektion ausgelöst wurde4"5 oder ob sie durch eine innere Dynamik bzw. als eine Art Selbstläufer in Analogie zu anderen extremen Spezialisierungen im Tierreich (Beispiele wie der Schwanz des Paradiesvogels wurden schon erwähnt) in Form einer selbstverstärkenden Progression hervorgebracht wurde.47 Es bleibt nur festzuhalten, daß diese Fähigkeit durch die kulturelle Entwicklung einerseits forciert wurde, andererseits aber auch durch ein zunehmend verfügbares Wissen um praktische Methoden zur Unterstützung des Gedächtnisses gefördert wurde und wird. Es ist unzweifelhaft, daß die Verarbeitung und Speicherung von Informationen für den Menschen überlebensnotwendig ist und daß die Menge an Informationen im Verlauf der menschlichen Evolution ungeheuer zugenommen hat. Gleichermaßen gehört zu den ältesten Problemen, mit denen sich Philosophie und Rhetorik beschäftigt haben, die Frage nach den Methoden, durch die sich Informationen aufnehmen und im Gedächtnis speichern lassen, so daß die memoria neben inventio, disposino, elocutio und pronunciato als einer der fünf grundlegenden Aspekte der Rhetorik galt. Dabei läßt sich die Frage nach den Zusammenhängen zwischen dem Gedächtnis und der Form der zu erinnernden Aussage oder auch des 45

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Daß dies auch neue Probleme und potentiell auch neue Formen der Ausbeutung von Natur mit sich bringen kann, soll hier keinesfalls unterschlagen werden. Roth stellt fest, daß die Rolle der Umweltselektion für die Gehirnentwicklung bisher nicht nachgewiesen werden konnte, vgl. Roth 1996: 348. Dieses Moment wird in Kurt Vonneguts Galápagos satirisch nutzbar gemacht. Dort wird das menschliche Gehirn als eine evolutionäre Sackgasse in Analogie zum überdimensionierten Geweih des Irish Elk beschrieben; „their antlers were too unwieldy for fighting or self-defence, and kept them from seeking food in thick forests and heavy brush" (Vonnegut 1987: 30). Wie der Irish Elk so verschwindet in Galápagos auch die Menschheit, die wenigen Uberlebenden entwickeln sich evolutionär zu einer Art von Meeressäugern, und ein unerfreuliches Intermezzo in der Naturgeschichte ist damit abgeschlossen (vgl. dazu auch Schnackertz 1992: I9éff., ich werde später noch einmal im Kontext der literarischen Auseinandersetzung mit der Evolutionstheorie auf dieses Thema zurückkommen). 165

Textes nun auch dahingehend erweitern, daß sie nicht mehr nur die Wissenschaftsrhetorik betrifft, sondern auch die Rhetorik im Allgemeinen, so daß auch diese als Resultat einer Coevolution zwischen genetischen Grundvoraussetzungen - d.h. in diesem Falle der Gehirnstruktur - , epigenetischen Regeln und erworbenen kulturellen Elementen erscheint. An dieser Stelle muß allerdings auch gleich die Einschränkung gemacht werden, daß sich zu diesem Thema zu dieser Zeit noch keinerlei gesicherte Aussagen machen lassen. Die Forschung im Bereich der Neurowissenschaften entwickelt sich so schnell, daß es in einer Rezension zu einem gerade erschienenen Buch heißt: „[Virtually nothing on the table at this point can be considered doctrinal, or not subject to potentially major modifications" (Watt 2000). Ebenso schreibt Cavalli-Sforza in seinem Buch über die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation: „Bereitet man einen für das Erscheinen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften bestimmten Text vor, so weiß man genau, welche Aussagen später wahrscheinlich modifiziert werden müssen: so gut wie alle" (Cavalli-Sforza 1999: 15). Es steht mir daher in keiner Weise an, den Versuch zu unternehmen, auf derzeitigen Forschungsergebnissen mir fremder Wissenschaften eine gültige Konzeption der Verbindung zwischen biologischen und speziell gehirnphysiologischen Bedingungen und sprachlichen Phänomenen zu entwerfen. Meine folgenden Ausführungen verstehen sich daher als Fragen an eine interdisziplinäre Forschung, zu der allerdings die Literaturwissenschaft wesentliche Beiträge liefern könnte, da sie über eine lange Geschichte von Erfahrungen und Untersuchungen verfügt, die nun in einem wirklichen Austausch nutzbar gemacht werden können. Für einige Aspekte der Uberzeugungskunst wurden schon oben Verbindungen zu evolutionär sinnvollem Verhalten gezogen, wie z.B. für die Berufung auf Autoritäten, also erfolgreiche Personen, oder den allgemeinen Erfolg des Mernes. Die Übernahme eines Mernes muß eben nicht nur den rationalen Grund der angenommenen Richtigkeit haben, sondern wird auch - und dies gilt besonders in Kontexten, in denen sich die Meme durch andere Prinzipien wie Moden, Witz oder sonstige Formen des Gefallens auszeichnen - durch den Status derjenigen motiviert, die das Meme verbreiten.48 Diese Momente gehören in den Kontext der sozialen Anpassung, und es erhebt sich nun die Frage, inwieweit auch andere Aspekte der Rhetorik in dem Zwischenbereich von biologischen Be-

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Allerdings kann auch der Widerstand gegen Autoritäten im Kontext evolutionär erworbenen Verhaltens verstanden werden, nämlich als Analogie zum Kampf gegen ein dominantes ,Alpha-Männchen'.

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dingungen und kulturellen Ausformungen, d.h. in einer Form von Coevolution, begründet sind, wobei die Funktion der Rhetorik als mnemotechnisches Hilfsmittel eine wesentliche Rolle spielt. In Analogie zu anderen evolutionär gebildeten Formen des Angenehmen läßt sich hier eine Präferenz von Formen der Informationsvermittlung vermuten, die der Erinnerung förderlich sind, d.h. einer tatsächlichen Bevorzugung und daher auch Wirkung von Nachrichten, die sprachliche Mittel einsetzen, wie sie in der Rhetorik als Hilfsmittel der memoria beschrieben werden. Dies läßt sich an einigen Momenten der neueren Gedächtnisforschung erhärten. Bei allen Gegensätzen und Kontroversen, die in diesem Forschungsbereich festzustellen sind, gibt es doch den Konsens, daß es sich bei dem Gedächtnis wohl nicht um fest lokalisierbare neuronale Orte in unserem Gehirn handelt, an denen bestimmte Inhalte dauerhaft gespeichert werden. Stattdessen wird in Analogie zu unserer Wahrnehmung ein distributives Modell angenommen, d.h., das Gedächtnis beruht eher darauf, daß bestimmte kohärente Erregungsmuster aufgrund von Kombinationen bestimmter Merkmale zur selben Zeit und am selben Ort immer wieder auftreten, [dadurch] verstärken sich [...] bestimmte Verknüpfungen, die dann mit bestimmten Korrelationen visueller Objekte korrespondieren. Das visuelle System lernt auf diese Weise die Strukturierung der visuellen Welt in Objekte und Prozesse. Es antwortet dann mit erhöhter Bereitschaft auf Strukturen und Ereignisfolgen, die sich in früheren Erlebnissen als geordnet und kohärent erwiesen haben. Dies zeigt, daß Wahrnehmung und Gedächtnis untrennbar miteinander verbunden sind. (Roth 1991: 147) 4 9

Rusch verknüpft nun dieses Bild der neuronalen Erregungsmuster mit der Möglichkeit, Vorstellungen und Erinnerungen gezielt abzurufen: Wie die bekannten Mnemotechniken zeigen, kommt es nämlich darauf an, besonders zuverlässig funktionierende Assoziationsketten oder bildliche Vorstellungen (mit anderen Worten: Wege der Erregungsausbreitung) zu nutzen, indem man mit deren Elementen die zu memorierenden ,Inhalte' verknüpft. Solche Verknüpfungen können durch Verbalisierungen, durch sogenannte Eselsbrücken, durch Metaphorisierungen usw. etabliert und gefestigt werden. J e zahlreicher die zu einem Item führenden Querverbindungen werden, desto höher wird auch die Wahrscheinlichkeit, daß das Item über die Aktivierung der mit ihm verbundenen Strukturen ebenfalls aktiviert wird. (Rusch 1991: 284)

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Zu weiteren Ansätzen, die ebenfalls mit Modellen einer Distributivität arbeiten, vgl. Schmidts Einleitung zu diesem Band (Schmidt 1991: 16).

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In ganz ähnlichem Sinne verweisen Allan Paivo und Mary Walsh im Kontext des Verstehens von Metaphern darauf, daß die Doppelkodierung von Informationen (,dual coding') für die Erinnerung nützlich ist: „two independent, but interconnected sources of information in long-term memory increase the probability of finding a connection between topic and vehicle. The mechanism is simply additivity of independent systems" (Paivo und Walsh 1993: 320). Damit wird einerseits aus der Perspektive der ,memetics' plausibel, daß die Uberlebenschance von Informationen durch Mehrfachkodierung zunimmt, daß also der rhetorische ornatus mit seinen Figuren und den vielfältigen Formen von Verdopplungen, Amplifikationen und auch Kontrasten an der Aufnahme und Speicherung von Ideen wesentlich beteiligt sein könnte. Gleichzeitig wird für die Rezipientenseite deutlich, daß im Falle einer Coevolution, die eine gut funktionierende Verarbeitung von Informationen begünstigt, auch ein Zusammenwirken von epigenetischen Regeln und kultureller Ausprägung in Richtung auf eine Favorisierung derartiger Informationen wirksam wird. Peter Rühmkorf hat dies in agar agar zaurzaurim im Rahmen seiner Reimtheorie vermutet. Ausgangspunkt ist für ihn das quasi ubiquitäre Phänomen der Lautverdopplungen, nicht nur in poetischen Kontexten, sondern auch in der Werbung, in den Medien, bei Namen und speziell bei Künstlernamen, besonders aber auch in der Sprache von Kleinkindern und in dem weiten Feld der Kinderreime, ganz gleich ob es sich dabei um die sittsamen Ammenverse handelt oder um die anarchischeren Beispiele aus dem ,literarischen Untergrund', die er schon in seinem Buch Über das Volksvermögen gesammelt und beschrieben hatte. Rühmkorf geht dabei zwar davon aus, daß seine ,Resonanzkunde' über den Status der Vermutungen bzw. eines Indizienbeweises nicht hinauskommen wird, proklamiert aber „das Vorhandensein gewisser nervöser Verbindungsfäden zwischen früher Kinderreduplikation und einer lebenslangen Lust an geklonten Lauten", einen „Nennen-wir-es-einmalVibrationsnerv" (Rühmkorf 1985: 60). Der Reim ist allerdings, wie Jakobson schon lange vor Rühmkorfs Vorträgen zur Poetik schrieb, nur ein spezieller Fall des weitaus umfassenderen fundamentalen Merkmals der Poetik, nämlich des Parallelismus, den Jakobson in einer Vielzahl von Kulturen und Literaturen als wesentlichen, wenn nicht definierenden Aspekt der poetischen oder ästhetischen Sprache ausmacht (vgl. Jakobson 1988: 47).5° Und auch die Vermutung, Wolf-Dieter Stempel merkt dazu an, daß die poetische Funktion in Jakobsons früherer und richtigerer Terminologie als die ästhetische Funktion gefaßt wurde (vgl. Stempel 1983: 388).

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daß es sich bei der Wiederholung des Reims, der Ungleiches einander angleicht, um eine Wortmagie handelt, die „eine ziemlich früh verlorene und heiß zurückersehnte Ganzheit meint" (Rühmkorf 1985: 60), findet sich in anderer - und etwas nüchternerer - Form bei Jakobson, wenn er schreibt: „equivalence in sound, projected into the sequence as its constitutive principle, inevitably involves semantic equivalence" (Jakobson 1988: 48). 51 Wolf-Dieter Stempel hat darauf hingewiesen, daß die von Jakobson angeführten Beispiele für Parallelismus, die als konstituierende Elemente der poetischen Funktion beschrieben werden, der literarischen Rhetorik entstammen, „daß Vers, Metrum, Reim usw. für sich genommen nichts anderes als ,Figuren' sind, die sowohl in poetischen Texten fehlen wie in praktischen Verwendung finden können" (Stempel 1983: 388). Neben den vielfältigen Figuren der Wiederholung führt Jakobson auch noch in Anlehnung an seinen Gewährsmann Gerard Manley Hopkins Tropen der Gleichheit oder der Ungleichheit - Metaphern und Vergleiche sowie Antithesen und Kontraste - als weitere Momente des Parallelismus an (vgl. Jakobson 1988: 48) und unterstreicht damit noch einmal die Nähe seiner poetischen Funktion zur literarischen Rhetorik. Indem Jakobson die Aphasieforschung in seinen Arbeiten zur Metapher und Metonymie in den Vordergrund stellt, zieht auch er schon eine deutliche Verbindung zwischen den materiellen Strukturen des Gehirns und der Fähigkeit, komplexe rhetorische Figuren zu erkennen und anzuwenden. Ein Phänomen, das ebenfalls auf eine Verbindung zwischen kognitiven Strukturen und poetischen Ausdrucksformen verweisen könnte, ist die möglicherweise angeborene Wahrnehmung von Zeit, wie sie von Ernst Pöppel beschrieben wurde. Er schreibt, daß das menschliche Zeiterleben wie auch das Erfassen von Informationen - selbstverständlich mit begrenzten individuellen Unterschieden - in Einheiten von etwa 3 Sekunden erfolgt (vgl. Pöppel 1988, Kap. 7 - 9 : passim 52 ). Pöppels Untersuchungen, die auch eine Vielzahl von Kulturen miteinbeziehen,53 besagen, daß >' Wenn Iser dagegen zu seinem Beispiel aus Eliots The Love Song of J. Alfred Prufrock schreibt: „Die in Reimstellung stehenden Worte heben gerade durch ihren Gleichklang die semantische Differenz hervor" (Iser 1983a: 129), so scheint für ihn der von Jakobson proklamierte erste Schritt einer Gleichheitsvermutung schon vorgegeben zu sein, der in der modernen Dichtung nutzbar gemacht wird, um „eine Steigerung des semantischen Potentials" (ibid.) zu erreichen. 52 Dort finden sich auch die Angaben zu den Quellen und Untersuchungen, auf denen Pöppel seine Argumentation aufbaut. 55 Ich gebe Pöppels Überlegungen hier mit aller Vorsicht wieder, da es mir selbstverständlich nicht möglich ist, seine Ausführungen zu Sprachen wie dem Chinesischen oder Japanischen zu überprüfen. Ein Problem ist zudem, daß auch er dieser Sprache nicht mächtig

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„bestimmte Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Zeitwahrnehmung sich auch auf den dichterischen Schöpfungsakt auswirken" (Pöppel 1988: 77). Der Drei-Sekunden-Rhythmus, durch den Sprechen und Hören aneinander angepaßt werden, läßt sich, so sein Postulat, auch fast universell in der Dichtung nachweisen. 54 Ein weiterer Schritt findet sich bei Aleida und Jan Assmann. Sie widersprechen Rühmkorfs Annahme von ,menschlichen Anklangsnerven' und stellen die mnemotechnischen Aspekte jeder Form von Parallelismus in den Vordergrund (vgl. Assmann, A. und J. 1993: 269). Damit wird aber, wie auch schon bei der traditionellen Rhetorik, wieder primär die Produzentenseite berücksichtigt; die Frage, warum auf der Rezipientenseite neben der Einprägsamkeit auch noch ein Gefallen auftritt, bleibt zwar nicht unberücksichtigt, der Schluß, daß das „sinnlich und erinnerlich Einprägsame auch zugleich das Suggestive" (Assmann, A. und J. 1993: 270) darstellt, ist für sich allerdings nicht vollkommen ausreichend. Aufgrund der Feststellung aus den Kognitionswissenschaften, daß die emotionalen Begleitzustände für die Art und Tiefe der Einspeicherung von Erinnerungen maßgeblich sind (vgl. Roth 1996: 210), läßt sich auch der umgekehrte Schluß ziehen, daß das, was gefällt und erfreut bzw. auch das, was erschreckt und entsetzt, aus genau diesen Gründen auch besser im Gedächtnis festgehalten wird. Die Freude an den unterschiedlichen Formen von Verdoppelungen und Parallelismen allerdings scheint angeboren zu sein, oder aber es besteht zumindest eine starke Prädisposition dafür, die schon im sehr frühen Alter von Kleinkindern wirksam wird. Die poetische Funktion - und damit auch wesentliche Teile der rhetorischen elocutio — erscheinen damit als die jeweiligen kulturellen Ausprägungen eines Phänomens, das ubiquitär ist, so wie auch die musikalischen Harmonien in verschiedenen Kulturen zwar unterschiedliche Formen annehmen, aber auf eine allgemeine Prädisposition für Harmonie hinweisen. Bei Aleida und Jan Assmann findet sich in diesem Zusammenhang auch noch eine Anlehnung an Gedanken, die über die reine Funktionalisierung der Wiederholungen als Gedächtnisstützen hinausgehen und nun doch

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ist, dies aber für seine Perspektive zu einem Vorteil umdeutet, da er sich, wie er schreibt, „dadurch ganz auf den zeitlichen Ablauf des Sprechens konzentrieren konnte, ohne durch den Inhalt abgelenkt zu werden" (ibid.: 72). Er verweist aber auch auf systematische und weniger systematische - Untersuchungen zu diversen Sprachen (vgl. ibid.: 7jf.). Es ist in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, Gedichte als Gegenbeispiele anzuführen, die einen derartigen internen Zeitrahmen bewußt unterlaufen, wie es auch für Jakobsons Darstellung der poetischen Funktion nicht relevant ist, daß es neuere Gedichte gibt, die gezielt auf jegliche Form des Parallelismus verzichten. Sie stellen eine Gegenposition zu traditionellen Formen dar und setzen diese implizit immer noch voraus.

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noch eine anthropologische Basis evozieren. Ihr Verweis auf die antike Musiktheorie und auf Cicero, der Rhythmen mit seelischen Verfassungen korreliert und dies als angeboren sieht (vgl. Assmann A. und J. 1993: 270 und 282, Anm. 16), geht in die Richtung einer Gen-Meme Coevolution, wie sie von Wilson angenommen wird.55 Zieht man nun in diesem Zusammenhang den Aspekt der Imitation oder Nachahmung als definierendes Element der memetischen Evolution in Betracht, so erscheint die Wiederholung bzw. der Parallelismus innerhalb von Aussagen und Texten als vorteilhaft für die Erinnerung und damit schließlich auch für die Wiederholung eben dieser Aussage oder dieses Textes durch den Sprechenden oder den Rezipienten. Der Satz „Das Gedächtnis ist Ursprung und Fundament der Kultur" (Assmann A. und J. 1993: 267, kursiv im Original) kann damit noch auf eine frühere Bedingung zurückgeführt werden, d.h.: Die Fähigkeit zur Wiederholung und Imitation ist Ursprung und Fundament des Gedächtnisses. Gleichzeitig wird plausibel, daß der Vorteil einer Befähigung zur Imitation von (nützlichen) Memen auch ein Gefallen an den dabei hilfreichen mnemotechnischen Mitteln begünstigt - gerade so wie entwicklungsgeschichtlich beispielsweise auch die Geschmacksausrichtung auf eine nahrhafte und gesunde Ernährung begünstigt wird. Der Ubergang von oraler Kultur zu Schriftkultur, bei dem die unterschiedlichen mnemotechnischen Hilfsmittel, die für die Gedächtnisarbeit stark an Bedeutung verloren, nun nichtsdestotrotz als poetische/ästhetische Funktion weiterbestanden, kann als Hinweis darauf gelten, daß der partizipatorische Aspekt dieser Mittel nicht nur von der Erinnerungsfunktion abhängt. Es handelt sich dabei eher um eine selbständige und anscheinend universale Eigenschaft des Menschen, die sich im Kontext von Nachahmung und Erinnerung herausgebildet hat, inzwischen aber eine autonome Funktion in der Wahrnehmung und Rezeption von Sprache einnimmt. Bei der Untersuchung der kognitiven Grundlagen ästhetischen Empfindens kann daher die Rhetorik und mit ihr die Literaturwissenschaft eine erhebliche Rolle spielen. Es handelt sich hier möglicherweise um eines der Gebiete, in denen eine echte Interdisziplinarität mit Bereichen der Naturwissenschaft möglich ist. Damit sollen dezidiert nicht die vorläufigen Ergebnisse der Kognitionswissenschaften oder auch der Soziobiologie als unhinterfragte is

Edward Wilson postuliert ein angeborenes Gefühl für Wohlklänge und sieht das spätere musikalische Harmoniegefühl bei Kleinkindern als Folge epigenetischer Regeln (vgl. Wilson: 1998: 151). Das Thema wird von Ian McEwan, der Wilson als eine seiner Quellen angibt, in Amsterdam aufgegriffen.

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Grundlage literaturwissenschaftlicher Arbeiten und Theorien angeboten und damit ein hierarchisches Verhältnis zwischen den Bereichen impliziert werden. Gerade in der Soziobiologie und den ihr verwandten Forschungsbereichen findet sich eine Vielzahl von Untersuchungen und Konzepten, die ideologisch motiviert sind und gelegentlich haarsträubende Vorstellungen als wissenschaftliche Erkenntnisse proklamieren ich werde später im Kontext der Aufnahme des Darwinismus und der Verhaltensbiologie in literarische Texte einige Beispiele anführen - , und hier können Untersuchungen zur Metaphorik, zu rhetorischen Uberzeugungsmechanismen, zu unterschwelligen narrativen Strategien und schließlich zur Aussagenlogik zweifellos als kritisches Instrumentatrium gefragt sein und wirksam werden. Aber erst durch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Arbeitsmethoden und Theorien derjenigen naturwissenschaftlichen Arbeitsbereiche, die selbst versuchen, die biologischen und kognitiven Grundlagen der ästhetischen Wahrnehmung zu untersuchen, können die Rhetorik und die Literaturwissenschaft in die Diskussion eintreten und ihre eigenen Befunde als Befruchtung, Bestätigung oder auch als Einspruch anführen. Die bedingungslose Verweigerungshaltung gegenüber biologischen, darwinistischen oder neurologischen Ansätzen, die in den Geisteswissenschaften und besonders in der amerikanischen Literaturwissenschaft häufig festzustellen ist und in manchen Kreisen quasi wie ein Schibboleth wirkt, führt dagegen zu der Gefahr, daß möglicherweise wichtige Erkenntnisse schlicht ignoriert werden und daß eigene produktive und/oder kritische Beiträge im Rauschen der allgemeinen Abwehr untergehen. Die Teilnahme an der Diskussion und der interdisziplinären Arbeit setzt voraus, daß die jeweils andere Disziplin potentiell ernst genommen wird und rituelle Dominanzkämpfe unterbleiben. Wenn Gross und Levitt provokativ behaupten, die Naturwissenschaftler könnten im Notfall ohne allzu große Probleme die Geisteswissenschaftler ersetzen und einen Lehrplan für die ,Humanities' auf die Beine stellen (vgl. Gross und Levitt 1998: 243), so ist dies ebenso arrogant und kontraproduktiv wie die Gegenaussage, wissenschaftliche Arbeiten und Entwicklungen könnten nur durch die Rhetorik bzw. die Soziologie abschließend und umfassend beurteilt werden. Dieses Kapitel und meine Arbeit insgesamt verstehen sich als ein Versuch, derartige unsinnige Generalisierungen zu überwinden und stattdessen die Frage ins Zentrum zu stellen, in welchen Bereichen Verbindungen bestehen und daher eine interdisziplinäre Forschung möglich ist. Daß die Rhetorik und die Literaturwissenschaft in einer solchen Forschung eine beträchtliche Rolle spielen können, hoffe ich, deutlich gemacht zu haben. 172

II. LITERATUR U N D NATURWISSENSCHAFT

ι. Einflüsse, Pfeile, Geflechte, Antizipationen Wie schon in der Einleitung beschrieben, hat sich das Bild des Verhältnisses von Literatur bzw. Literaturtheorie und den Naturwissenschaften in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. In den vierziger und fünfziger Jahren wurde zunächst weitgehend die Aufnahme naturwissenschaftlicher Themen und Konzepte in die Literatur untersucht; der bekannteste und meistzitierte Text dieser Richtung dürfte Marjorie Nicolsons Arbeit Newton Demands the Muse: Newton's Opticks and the Eighteenth Century Poets aus dem Jahr 1946 sein. Eine solche Einflußstudie aus der neueren Zeit wäre zum Beispiel Elisabeth Emters Literatur und Quantentheorie (1995). Emter insistiert bei ihrer Untersuchung deutschsprachiger Texte darauf, daß bei den Autoren Kenntnisse der physikalischen Phänomene und Prinzipien vorlagen. Der Nachweis dieser Kenntnisse, z.B. durch Äußerungen in Interviews oder in Tagebuchaufzeichnungen, legitimiert dann dazu, die Bedeutung der Wissenschaft für den jeweiligen Autor und schließlich für die deutsche Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts zu konstatieren. Die Zielsetzung von Emter erklärt sich dabei aus dem „Schweigen der Literaturwissenschaft gegenüber naturwissenschaftlichen Erkenntnissen" (Emter, 1995: 2), die auf die Literatur Einfluß genommen haben. Nur wenn eine direkte Einwirkung der modernen Physik auf das Denken der Schriftsteller nachgewiesen werden kann, ist die Voraussetzung gegeben, von einem expliziten Zusammenhang zwischen modernem physikalischen Weltbild und Literatur zu sprechen. Erst wenn von literaturwissenschaftlicher Seite anerkannt wird, daß die Autoren die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse aufnahmen und verarbeiteten, kann davon ausgegangen werden, daß die Kluft zwischen den ,Zwei Kulturen' überwindbar ist. (Emter, 1995: 19, Hervorhebung im Text)

Die Kluft, die Snow zwischen den beiden Kulturen beschrieb, wäre demnach zumindest im Umfeld der deutschen Literatur weitgehend auf den akademischen Bereich begrenzt, der das genuine Interesse der Autoren an der neueren Physik aus eigenem Desinteresse oder auch aus Unkenntnis unberücksichtigt läßt. Es ist kein Zufall, daß Emter der naturwissenτ

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schaftlichen Ausbildung mehrerer Autoren (u.a. Jünger, Musil, Döblin, Bense) erhebliche Bedeutung zumißt, da diese direkt als Beweis für Kenntnisse und ein grundsätzliches Interesse herangezogen werden kann. Besonders im englischsprachigen Raum kann von einem derartigen Desinteresse der Literaturwissenschaft an naturwissenschaftlichen Themen keine Rede mehr sein, und auch die English bzw. American studies in Deutschland haben sich verstärkt mit dem Bereich ,literature and science' beschäftigt. Gleichzeitig hat sich das Interesse zunehmend verschoben und richtet sich nun auf Fragen nach impliziten Hierarchien, wechselseitigen Abhängigkeiten, inhärenten Gemeinsamkeiten oder auch Parallelentwicklungen, nach der kulturellen Einbettung der jeweiligen Bereiche und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für ihre Entwicklungen. Die Verschiebung in den Akzenten der Diskussion läßt sich anhand der Umdeutungen des kleinen Wörtchens ,and' verfolgen, das Literatur und Naturwissenschaft miteinander verbindet (vgl. Vanderbeke 1998a). Das Spektrum der Interpretationen reicht von der Beschreibung eines weitgehend unbelasteten Verhältnisses1 bis zur Annahme von Machtkämpfen, die von dem harmlosen Wort kaschiert werden,2 und mündet schließlich in die These, das ,and' verberge ein Herrschaftsverhältnis, wobei dieses sich jedoch potentiell verkehrt habe, so daß nun die Wissenschaften der Literatur untergeordnet seien.3 Die traditionelle Einflußstudie wird in diesem Zusammenhang als implizites Eingeständnis eines hierarchischen Gefälles gewertet. Dementsprechend schreibt N. Katherine Hayles: In m y view this methodology is seriously misleading if taken as a model h o w culture is formed and transmitted. Because it assumes that „influence"

flows

from science to literature, it necessarily implies that science occupies a privi-

1

2

3

„Literature and Science, or Science and Literature - the two are virtually synonymous ..." (Rousseau 1978: 583). „Literature and science: science and literature: what is the force of the connective? It polarizes the two domains; it yokes them together in a privileged pair, separated from other cultural expressions. It also sorts them hierarchically according to which is mentioned first, so that they become prime term and concessive term: sdence and literature; literature and science. One is given the originating role, the other that of dependent, providing,context' or,background'. Power struggles are masked by the deliberately evenhanded and non-directive ,and'" (Beer 1989: 1, kursiv im Original). Elinor Shaffer vergleicht das Verhältnis von Literatur und Naturwissenschaft mit dem, wie sie es sieht, ähnlich problematischen von Literatur und Psychoanalyse und schreibt dann: ,,[A]s in the case of .psychoanalysis and literature', the master-slave relation has been reversed, and the first mentioned discipline - here science - has become in effect subordinate to the second - literature" (Shaffer 1991: xvii).

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leged position within the culture instead of being part of the culture. (Hayles 1987: 1 1 9 )

In einem späteren vielzitierten Artikel schreibt Hayles noch einmal ganz ähnlich: The premise that influence flows from science to literature implicitly valorizes science as the source of truth to which literature responds. Such an approach ignores the w a y s in which scientific theories, no less than literary theories and literature, are social constructions that reflect the prevailing concerns of culture. (Hayles 1989: 3 1 7 ) 4

Das nun wieder ist noch keine hinreichende Widerlegung eines direkten Einflusses der Wissenschaft auf die Literatur; es ist zwar kaum zu vermuten, daß sich die Literatur und Literaturwissenschaft in ein Abhängigkeitsverhältnis drängen ließen, aber der Einspruch allein genügt nicht, um ein solches Abhängigkeitsverhältnis, sollte es denn existieren, außer Kraft zu setzen. Zudem enthält die Passage von Hayles einige Implikationen, die so ganz einfach falsch sind. So werden Schriftsteller durchaus von einer Vielzahl von Themen beeinflußt, beispielsweise von Kunst, Musik, Politik oder auch literaturwissenschaftlichen Entwicklungen, ohne daß sich deshalb für sie auch notwendigerweise die Frage nach ,Wahrheit' stellt. Die Frage nach einem Einfluß naturwissenschaftlicher Themen und Theorien auf die Literatur betrifft damit nicht den Status der Naturwissenschaften innerhalb der Kultur, sondern den der Literatur, die sich tatsächlich umfassend mit allen Aspekten dieser Kultur auseinandersetzt. Die Abwehr der Einflußstudie als mögliches Modell für den kritischen Umgang mit dem Thema Wissenschaft und Literatur setzt zudem Einfluß unhinterfragt mit Affirmation gleich und übersieht dabei, daß auch eine kritische Auseinandersetzung und sogar die radikale Absage an wissenschaftliche Konzepte deren Kenntnis und damit einen Einfluß voraussetzt oder zumindest voraussetzen sollte. Es wird sich bei der Untersuchung einzelner literarischer Texte zeigen, daß es dort kaum einmal eine ungebrochene Affirmation der Wissenschaften und ihrer Ergebnisse gibt und daß auch bei Autoren und Autorinnen, die explizit einen Einfluß naturwissenschaftlicher Texte auf ihre Arbeit konstatieren, eine kritische Haltung vorherrscht. Darüber hinaus schließt selbst die Annahme eines 4

Diese Passage wird beispielsweise von Angela Montgomery (1991: 1 7 1 ) und Peter Freese (1997: 137) zitiert. Kenneth Knoespel schreibt unter Verweis auf den Artikel von Hayles: „Katherine Hayles deserves much credit for reorienting the approach to interdisciplinary studies by challenging ,impact' studies that would register the influence of science on literature" (Knoespel 1991: 101).

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direkten und geradezu mechanischen Einflusses von wissenschaftlichen Ideen auf literarische Werke keinesfalls aus, daß nicht ein ebenso direkter Einfluß auch in die Gegenrichtung vorhanden sein könnte. Das Problem, dem sich die Kritiker hier allerdings stellen müssen, besteht darin, daß tatsächlich kaum ein Naturwissenschaftler mit dem Hinweis an die Öffentlichkeit tritt, er habe in seiner Arbeit versucht, ein literarisches Konzept aufzugreifen und umzusetzen, während Schriftsteller durchaus unbefangen die Bedeutung wissenschaftlicher Gedanken und Theorien für ihre Texte hervorheben. Eben diese Frage nach dem direkten Kontakt zwischen Literatur und Naturwissenschaften wird allerdings in der neueren Diskussion durch den Hinweis auf den umfassenderen Kontext der Kultur, dem die jeweiligen Bereiche gleichermaßen angehören, unterlaufen. [Approaches have customarily relied heavily on notions of influence - one of the main ways in which historians of ideas have conceptualized relations between individuals. B y contrast, we emphasize shared cultures, contexts and even philosophical structures, since historically specific ways of knowing the natural world give rise to related modes of writing about it. [...] One important way forward in the study of science and literature is to seek their common ground in cultural and social history [...]. (Jordanova 1986: 17)

An die Stelle des direkten Einflusses als Form der Vermittlung tritt nun eine Art Netzwerk oder Geflecht, durch das die scheinbar getrennten Felder miteinander verknüpft sind. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Naturwissenschaften und der Literatur ist damit Teil des größeren Problems der Praxis der Diskurse, ihrer Autonomie oder Interdependenz, der Grenzen, die zwischen ihnen bestehen oder errichtet werden, und der Durchlässigkeit dieser Grenzen, der osmotischen Bedingungen und des Diffusionsdrucks, der zwischen den Bereichen herrscht. Dementsprechend finden sich verschiedene Modelle, die einen einfachen unumkehrbaren Pfeil des Einflusses zu unterlaufen suchen. Eine wesentliche theoretische Basis für die Annahme einer kulturellen Einbettung und Bedingtheit wissenschaftlicher Entwicklung bilden dabei die Diskurskonzepte Foucaults, d.h. die Vorstellung einer Verflechtung der verschiedenen Diskurse, die innerhalb einer historischen und gesellschaftlichen Konstellation aktiv sind (vgl. z.B. Foucault 1981: i04ff.). Foucault gehört daher zu den meistzitierten Autoren im Kontext des Themenkomplexes Naturwissenschaft und Literatur'. 5 Bei Foucault wäre es allerdings 5

Dementsprechend widmete die Zeitschrift Configurations, A Journal of Literature, Science and Technology, Foucault eine Sondernummer (7:2, spring 1999). 178

problematisch, von einer grundsätzlich nicht-hierarchischen Situation auszugehen, da sich bei ihm immer auch die Frage nach Macht und Autorisation stellt: [I]n unseren Gesellschaften (und wahrscheinlich in vielen anderen) ist der Besitz des Diskurses - gleichzeitig als Recht zu sprechen, Kompetenz des Verstehens, erlaubter und unmittelbarer Zugang der bereits formulierten Aussagen, schließlich als Fähigkeit, diesen Diskurs in Entscheidungen, Institutionen oder Praktiken einzusetzen, verstanden - in der Tat (manchmal auf reglementierende Weise sogar) für eine bestimmte Gruppe von Individuen reserviert. (Foucault 1981: 99Í. ) Dies trifft in unserer Gesellschaft auf den wissenschaftlichen Diskurs zu, da er für sich in der Sprache wie in der rein räumlichen Praxis eine Abgeschlossenheit hergestellt hat, die für Außenstehende kaum zu überwinden ist.6 Dies hat dazu geführt, daß quasi eine Autonomie von den üblichen gesellschaftlichen Kontrollmechanismen gefordert werden konnte, da dieser Diskurs nur noch durch sich selbst beurteilt und überprüft werden könnte. Indem wissenschaftliche Kompetenz als sine qua non jeglicher Wissenschaftskritik gefordert wird, bleibt die Auseinandersetzung über Legitimation, Zielsetzungen und Praktiken auf eine interne Diskussion beschränkt, die eine Öffentlichkeit effektiv ausschließt. Ein weiteres Modell, das für die Erklärung des kulturellen Geflechts herangezogen wird, ist das von Lyotard entworfene Bild eines Netzwerkes: A self does not amount to much, but no self is an island; each exists in a fabric of relations that is now more complex and mobile than ever before. Young or old, man or woman, rich or poor, a person is always located at „nodal points" 6

Ich möchte hier nicht dafür plädieren, daß diese Abgeschlossenheit zu den vordringlichsten Funktionen einer Unzugänglichkeit des Diskurses gehört, wie es z.B. Gillian Beer postuliert, wenn sie schreibt: „One of the primary functions of technical language is to keep non-professionals out" (Beer 1990: 88). Eine solche Verkürzung erscheint mir in Hinsicht auf die Naturwissenschaften unangemessen zu sein, denn neben dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch gab und gibt es auch immer Versuche, die Ergebnisse und Konzepte zugänglich zu machen und in eine Alltagssprache zu übertragen. In anderen Bereichen, und hier sind die Geisteswissenschaften nicht vollständig auszuschließen, läßt sich allerdings eine Tendenz zu einer absichtlich dunklen Sprache erkennen, ohne daß ähnliche Versuche der Vermittlung für ein fachfremdes Publikum unternommen würden. Ganz in diesem Sinne äußert sich Antonia Byatt in einem Interview: „ I think [...] one of the great forms that's coming up in our world is popular science. The scientists have actually got hold of the idea that they have depth, that they can't expect even the beginning of depth in others, and yet people want to know. They are learning how to tell us how to begin to approach it. [...] I think this ought now to be true of literary criticism. What one needs, far from a very, very complex theory and a very, very difficult language, is a way of talking to people about reading" (Byatt 1999: 18).

179

of specific communication circuits, however tiny these may be. O r better: one is always located at a post through which various kinds of messages pass. N o one, not even the least privileged among us, is ever entirely powerless over the messages that traverse and position him at the post of sender, addressee, or referent. (Lyotard 1984: 1 5 , kursiv im Original)

Lyotard differenziert dieses Bild des Netzwerkes aber so weit aus, daß keinesfalls alle gesellschaftlichen Bereiche auf der gleichen Ebene miteinander in Austausch stehen, und dabei wird besonders die Wissenschaft bzw. das dort vorhandene Wissen aus dem mehr oder weniger freien Sprachspiel ausgenommen: „Scientific knowledge is [...] set apart from other language games that combine to form the social bond. Unlike narrative knowledge, it is no longer a direct and shared component of the bond" (ibid.: 25). Es steht hier nicht zur Debatte, ob es sich dabei um einen wünschenswerten Zustand handelt, denn durch diesen Ausschluß kommt die Machtfrage, die auch bei Foucault eine wesentliche Rolle spielt, zum Tragen; und wie Foucault beschreibt auch Lyotard die Tatsache, daß sich eine professionelle Klasse konsolidiert hat und nun allein legitimiert erscheint, an dem Sprachspiel der Wissenschaft teilzunehmen (vgl. ibid.). Als ein wesentliches Moment, das die Abgeschlossenheit der wissenschaftlichen Diskurse unterläuft, führt Lyotard nun das Prinzip an, daß jede Form von Konsens immer nur vorläufig existiert und auch immer nur von einer begrenzten Anzahl aller Beteiligten an einem Diskurs getragen wird. Gleichzeitig ist auch der Konsens über die zulässige Form des Diskurses, über die Regeln der erforderlichen Sprachspiele, nicht global, sondern lokal und zudem Veränderungen unterworfen. Die Störung des Konsenses, „the search for dissent" (ibid.: 66), wird nun zur Grundbedingung für eine Befreiung vom ,Terror' der Hegemonie; sie ist die Lücke, in die der andere Diskurs eindringen und sich gegen die akzeptierten Regeln durchsetzen kann - sofern er eine funktionale Alternative anzubieten hat. Zu dem Problem der Verflechtung der Diskurse gehört auch die Frage nach der Selektion, d. h., wenn nicht postuliert werden soll, daß alle gesellschaftlichen Bereiche gleichermaßen miteinander verknüpft sind - die moderne Kompositionslehre mit der Meteorologie, die Pädagogik mit der medizinischen Transplantationstechnik oder die Freizeitindustrie mit der reinen Mathematik 7 - so stellt sich das Problem nach der Präferenz oder 7

Ich möchte hier keinesfalls behaupten, daß es zwischen diesen Bereichen keinerlei Kontakt oder Austausch geben könnte. Innerhalb eines komplexen Systems, das jede Gesellschaft darstellt, können, wie es im Schmetterlingsefffekt der Chaostheorie beschrieben wird, kleine Ereignisse an einer Stelle weitreichende Konsequenzen an anderen Orten

180

auch nach einer inhärenten Logik, die bestimmte Strömungen bevorzugt oder begünstigt. Dieses Problem der Selektion, das bei Foucault und Lyotard durch die Untersuchung der Machtstrukturen betont wird, bleibt im Kontext der Studien zur Naturwissenschaft und Literatur weitgehend ausgeblendet. Man könnte hier eher von einem Modell wie dem Rhizom von Deleuze und Guattari ausgehen, dessen Autoren explizit darauf bestehen, daß das Geflecht keinerlei Präferenzen für bestimmte Vermittlungswege aufweist, wenn sie schreiben: „Jeder beliebige Punkt eines Rhizoms kann und muß mit jedem anderen verbunden werden" (Deleuze und Guattari 1977: 11). So unterscheidet Hayles in ihrem Vorwort zu Chaos and Order zunächst zwischen der Wissenschaft, in der Chaosstudien betrieben werden, und den von ihr so genannten chaotics, wobei letztere eine bestimmte Haltung gegenüber dem Chaos ausdrücken sollen, wie sie innerhalb der Kultur an den unterschiedlichsten Stellen nachweisbar sei. Dann argumentiert sie für Isomorphien zwischen diesen kulturellen Orten und schreibt: The question of how such isomorphisms arise is not easily answered. Let me say at the outset, however, that I do not assume they are the result of direct influence between one site and another. In particular, I am not arguing that the science of chaos is the originary site from which chaotics emanates into the culture. Rather, both the literary and the scientific manifestations of chaotics are involved in feedback loops with the culture. They help to create the context that energizes the questions they ask; at the same time they also ask the questions energized by the context. (Hayles 1991: 7, kursiv im Original )

Es ist auffällig, wie hier eine wissenschaftliche Metaphorik - aus der Kybernetik und damit aus dem Bereich, aus dem auch die Chaostheorie wesentliche Anstöße erhielt - zu dem Zweck eingesetzt wird, eben diese Wissenschaft in ihrer Bedeutung zu unterminieren. Die wissenschaftlichen Konzepte zur Komplexität von Systemen werden dabei als Autoritätsanleihe benutzt, um gerade diese Autorität anzugreifen.8

8

hervorrufen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß ein Einfluß zwischen diesen Bereichen von begrenzter Wahrscheinlichkeit ist, und bekanntlich wird nicht jeder Tornado durch den Flügelschlag eines Schmetterlings hervorgebracht (vgl. dazu auch Gross und Levitt 1998:99). In ähnlicher Weise wird in ihrem früheren Buch The Cosmic Weh: Scientific Field Models and Literary Strategies in the Twentieth Century der physikalische Feldbegriff herangezogen, um einerseits eine Verbindung zwischen Naturwissenschaft und Literatur herzustellen, dann aber auf der Basis eben des entliehenen Begriffs einen Einfluß zu negieren: „One of the many ideas that the field model revises is the notion of a one-way chain of reaction between the event labeled as the ,cause' and that labeled the ,effect'. Although I spoke 181

D a s v o n H a y l e s b e s c h r i e b e n e G e f l e c h t e r s c h e i n t d a b e i als u n e n t w i r r bar, die K o m m u n i k a t i o n s k a n ä l e k ö n n e n nicht r e k o n s t r u i e r t w e r d e n u n d verlieren sich in einer u n b e s t i m m b a r e n Vielfalt v o n S t i m m e n u n d Texten. Gleichzeitig werden

selbst nachvollziehbare

Kausalitätsverhältnisse

als

a u s u f e r n d e S y s t e m e dargestellt, die sich, d a sie n i c h t v o l l s t ä n d i g u n d a b schließend z u erfassen sind, jeder Beurteilung entziehen: L e t us s u p p o s e , f o r example, that I c o u l d i d e n t i f y a definitive source that w o u l d connect D e r r i d a w i t h chaos theory. T h i s still w o u l d n o t explain w h y that source, a m o n g m a n y possible ones, caught his attention. T o explain this, I w o u l d h a v e to postulate s o m e p r i o r source, f o r it must have sensitized h i m t o the issues he f o u n d in the later source. B u t his p r i o r s o u r c e m u s t also have had an earlier source to explain w h y it seemed significant. . . . If I attempt to trace an entire n e t w o r k of sources, then I have in e f f e c t m o v e d f r o m an i n f l u ence to an argument a b o u t culture. ( H a y l e s 1989: 3 1 7 , A u s l a s s u n g i m Original) E s scheint m i r n u n allerdings nicht u n b e d i n g t n o t w e n d i g z u sein, einen infiniten Regress zu konstruieren, nur u m zu erklären, w a r u m

Derrida

ein B u c h liest.9 D a s A r g u m e n t basiert auf d e r A n n a h m e , daß ü b e r Teile v o n k o m p l e x e n S y s t e m e n keine A u s s a g e n m ö g l i c h sind, w e n n nicht das g a n z e S y s t e m in d i e E r k l ä r u n g e i n g e s c h l o s s e n ist. S u b s y s t e m e l a s s e n s i c h j e d o c h d u r c h a u s a n a l y s i e r e n , s o l a n g e n i c h t v e r g e s s e n w i r d , d a ß sie Teile des größeren Systems sind u n d die A n a l y s e damit keinen Absolutheitsanspruch

erheben kann. Z u d e m

können

auch komplexe

Systeme

k o m p l e x e P h ä n o m e n e beinhalten, die z u s a m m e n die K o m p l e x i t ä t ben -

9

nichterge-

u n d der W e g eines einzelnen m a r k i e r t e n Partikels läßt sich

gut

earlier of the ,influence' of the field view on modern literature, I do not mean to imply by this that the literature I discuss is,caused' by scientific field models. Rather, the literature is an imaginary response to complexities and ambiguities that are implicit in the models but that are often not explicitly recognized. Thus a comprehensive picture of the field concept is more likely to emerge from the literature and the science viewed together than from either alone. In this sense the literature is as much an influence on scientific models as the models are on the literature, for both affect our understanding of what the field concept means in totality" (Hayles 1984: 10). Ich überlasse es hier dem Leser, die falschen Schlußfolgerungen zu zählen. Darüber hinaus weisen Matheson und Kirchhoff in ihrem Artikel „Chaos and Literature" nach, daß die Begriffe, aus denen Hayles eine Analogie zwischen Derrida und der Chaostheorie ableitet (,iteration' und ,folding'), in den beiden Bereichen keinesfalls gleichzusetzen sind. Sie schreiben einerseits, „not only does iteration fail to be vital to chaos, but the sense in which iteration does occur in chaos is markedly different from the sense in which it occurs in Derridean deconstruction" (Matheson und Kirchhoff 1997: 33), und andererseits, „there is no plausible way in which either of [the] chaotic uses of ,fold' are remotely connected to the Derridean use. Concealment and topological folding have nothing important in common, this appears to be simply a case of a single word being used in two radically different ways" (ibid.: 34). 182

verfolgen, auch wenn die Bewegung aller Teilchen nur statistisch beschreibbar ist. Zudem liegt in Hayles Argumentation auch noch ein weiterer logischer Fehler vor. J e weiter die letzte Ursache, die einen Autor für ein Thema sensibilisiert hat, zurückverlegt wird, desto größer wird die zeitliche Differenz zwischen seiner eigentlichen Rezeption des Themas und dessen Aufkommen. So äußert Stoppard in einem Interview ganz im Sinne von Hayles - auf die Frage, ob sein Stück Arcadia mit Gleick's Chaos seinen Anfang genommen hätte: I think so. On the other hand, I must have been reading Chaos because of something else I read, maybe in a magazine or a newspaper. It's like a river with more than one source. There's no ,where' about it. (Gussow 1995: 8 S. 384-394; 199$ 3:2, S. 279-284; 1997 5:2, S. 3 0 1 - 3 5 2 ; 1998 6:3, S. 4 1 1 474; 1999 7'·}, S. 4 3 0 - 5 1 9 . 2

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Personenverzeichnis Abrahams, Marc 4 Ackerman, Forrest J. 203 Ackroyd, Peter 22, 30, 205, 242, 254-259, 2 6 1 - 2 6 3 , 265-267, 269, 271, 272, 275, 288, 289 Adams, Douglas 308 Aldiss, Brian 260 Amis, Martin 22, 91, 220, 242, 302, 306-309, 318, 319, 321, 322, 3 2 4 - 3 2 7 , 329-334, 34°, 341 Anders, Günther 6, 303 Andrew, Christopher 295-297 Angleton, James Jesus 296 Antor, Heinz 220-222, 229, 230 Aparicio, Samuel A. J. R. 440 Appleton, Tom 402 Araji, Sharon 391 Arbib, Michael 83 Archimedes 298 Arendt, Hannah 331 Argyros, Alex 412 Ariosi, Ludovico 288 Aristoteles 71 Arnold, Matthew 1, 2, 12, 65 Aronowitz, Stanley 45, 335 Asimov, Isaac 199, 245 Aspect, Alan 16, 253 Assmann, Aleida 104, 170, 171 Assmann, Jan 170, 1 7 1 Austen, Jane 13 Bacon, Francis 6, 41, 74, 202, 362 Baecker, Jochen 42, 43 Bagshaw, Geoff 398 Barnes, Julian 216, 217, 318 Barrow, John D. 18, 29, 89 Barth, John 149, 307, 353, 368 Barthes, Roland 12, i8, 59, 61, 62, 69 Bate, Jonathan 186 Bates, Henry Walter 420, 429 Baudrillard, Jean 305, 306 Bazerman, Charles 15, 46, 68, 73, 98, 100, 109, 1 2 1 , 134, 135 Bear, Greg 246

Beckett, Samuel 227, 2 3 1 , 368 Beer, Gillian 8, 10, 1 1 , 13, 15, 19, 23, 46, 67, 78, 89, 176, 179, 239, 356, 374 Bell, John S. 16, 29, 1 1 0 , i n , 124, 227, 253, 265, 300 Belov, Yevgeni Aleksandrovitch 297 Benigni, Roberto 331 Benjamin, Walter 334 Bense, Max 176 Benterrak, Krim 400, 410 Berkeley, George 39 Berkeley, Michael 352 Bernard, Catherine 331 Bernard, Claude 10, 15 Bernstein, Jeremy 16, 96, 231 Black, Max 79, 80, 82, 83, 90, 423 Blackmore, Susan 149, 154, 161, 401 Blake, George 295 Blake, William 259 Bloch, Arthur 14, 20, 104 Bloor, David 55, 192 Blum, André 1 1 2 , 1 1 3 Blumenberg, Hans 232 Blunt, Anthony 294 Boesch, Christophe 393 Boghossian, Paul 4 Böhm, David 16, 22, 218, 219, 247, 248, 253, 257» 265, 334, 335, 346-352. 357, 37A 375, 376 Bohnenkamp, Dennis 280 Bohr, Niels 78, 105, 247 Boireau, Nicole 294 Boltzmann, Ludwig 5 Bono, James 63, 82 Booth, Wayne 185 Borges, Jorge Luis 223-229, 2 3 1 , 2 3 3 - 2 3 6 , 397 Borgia, Gerald 126, 127, 129 Borg-Laufs, Michael 42 Bosch, Hieronymus 40 Boswell, James 40 Bouchard, Thomas J. Jr. 390 Boyd, Richard 81, 82, 86 Boyle, Robert 41, 42, 45, 47

469

Brahe, T y c h o 288 Brain, Charles Κ . 407, 4 1 3 Branagh, Kenneth 6 Brenig, Wilhelm 324 Bricmont, J e a n 37, 44, 46, 47, 5 1 , 55, 99, 1 1 6 , 194, 209 Broad, Willam J . 94 Brockman, J o h n 4, 375 Brodie, Richard 147 B r o w n , J . R . 16, 2 1 9 , 227, 248, 2 5 1 — 253, 296 B r o w n , Michael 188 Brownmiller, Susan 391 Brunner, J o h n 205 B r u n o , Giordano 198 Buddha, Siddhartha Gautama 400 Burgess, G u y 294 B u r k e , Kenneth 69 Burnet, Thomas 187 Byatt, Antonia S. 82, 179, 242, 395, 4 1 8 420, 426, 428, 429, 4 3 3 - 4 3 6 Cain, A r t h u r 128, 129 Cairncross, J o h n 294 Calvino, Italo 6 1 , 62 Campbell, J o s e p h 359 Capelle, Wilhelm 30, 159, 265 Capra, Fritjof 16, 96, 199, 209, 2 3 1 , 247, 248, 257

Carnot, Nicolas Léonard Sadi 2 1 0 , 2 1 1 Carpentier, A l e j o 287, 288, 322 Carroll, J o s e p h 63, 65 Carroll, L e w i s 83, 9 1 , 274, 3 2 1 , 322 Cassirer, Ernst 41 Cavalli-Sforza, Luigi Luca 98, 99, 1 5 3 , 154, 160, 166, 390, 394 Cervantes Saavedra, Miguel de 40, 228 Cézanne, Paul 282, 286 Chandler, R a y m o n d 2 1 7 , 232 Charney, Davida 102, 109, 1 2 2 , 1 2 5 , 1 2 7 , 129 Charon, Jean E. 16 Chatwin, Bruce 242, 3 9 5 - 4 1 3 , 4 1 5 - 4 1 8 , 432 C h o m s k i , N o a m 373 Cialdini, Robert B. 149 Cicero 1 7 1 Cirker, Bianche 218 Clair, René 233, 234 Clarke, A r t h u r C . 260 C l i f f o r d , W. K . 15 Collini, Stefan 1, 1 3 , 19, 43 Collins, H . M . 192 C o l p e , Carsten 408 C o m t e , Auguste 433 Connolly, Cressida 335

470

Coover, R o b e r t 2 1 8 , 240, 241 Coppen, Y v e s 403 Cornwell, Patricia 239 Costello, J o h n 3, 296 Crichton, Michael 90, 195, 196 Crick, Francis H . 50, 1 0 1 , 102, 120 Curie, Marie 273 Damasio, Antonio 32, 35, 1 5 1 , 1 5 2 , 376, 377, 379-381 Darlington, C . D . 403 Darwin, Charles 10, 1 1 , 1 5 , 18, 19, 40, 83, 1 1 8 , 1 2 2 , 130, 1 4 1 , 222, 374, 3 8 1 , 386, 387, 4 1 9 - 4 2 1 , 426, 427, 4 3 1 - 4 3 3 , 435 Davidson, Donald 64, 76, 77 Davies, Paul 9, 16, 9 1 , 2 1 9 , 227, 245, 248, 2 5 0 - 2 5 3 , 296, 324 Dawkins, Richard 3, 24, 105, 124, 128, 130, 142, 146, 1 4 7 , 1 4 9 , 1 5 0 , 154, 1 5 5 , 364, 440 D e Man, Paul 64, 74 Dear, Peter 59, 68, 70, 7 1 , 74, 1 3 9 Dechend, Hertha von 255, 256, 263, 267 Deleuze, Gilles 1 8 1 , 4 1 3 , 4 1 4 D e L i l l o , D o n 22, 305 Delius, Juan D . 1 4 7 - 1 4 9 Demastes, William W. 207 Demokrit 159 Dennett, Daniel C . 1 2 2 , 1 2 3 , 129, 154, 1 6 1 , 364 Derrida, Jaqcues 66, 69, 182 Descartes, René 2 1 0 , 3 5 1 , 362 Descombes, Vincent 2 1 0 D i Trocchio, Federico 107, 108, 1 1 2 , 1 1 5 Dick, Philip K . 205, 323 Diedrick, James 303, 307, 329, 3 3 1 Diggins, J o h n Patrick 94 Dirac, Paul 96 Dodge, J i m 272 Donne, J o h n 341 D o r f m a n , Donald D . 390 D r u x , Rudolf 439, 440 Duda, Lothar 42 Duerr, Hans Peter 287, 359 Dürr, Hans-Peter 247 Duhem, Pierre 52 Durham, William H . 147, 1 5 2 Eddington, Arthur 283, 325 Einstein, Albert 105, 1 1 5 , 1 1 6 , 164, 193, 194, 227, 229, 280, 282, 283, 373, 380 Eldredge, Niles n o , 1 3 7 , 194 Elias, A m y 303 Eliot, T. S. 4, 5, 169, 270, 355, 357

Elkana, Yehuda 85, 96, 109, n o , 1 1 5 Emerson, Sheila 223 Empedokles 350 Empson, William 186, 301, 302 Emter, Elisabeth 6, 175, 194 Enoch, David 369 Enzensberger, Hans Magnus 266, 267 Epikur 350 Everett, Hugh 226 Fahnestock, Jeanne 98, 99, 1 0 3 - 1 0 5 , 1 2 1 , 129 Falkenburg, Brigitte 48, 49, 52, 86, 156 Ferrara, Abel 147 Feyerabend, Paul 36, 46, 92, 94, 95, 1 0 4 106, 110, 152, 255, 266 Feynman, Richard 7, 9, 207, 250, 294, 354 Fiedler, Leslie Α. 373 Finocchiaro, Μ. Α. 58, 63 Fiorentini, Adriana 157 Fish, Stanley 19, 20, 197 Fitzel, Thomas 130 Flaubert, Gustave 216 Floyd, Pamela Dineen 282 Fludd, Robert 278 Fokkema, Aleid 257, 258, 262, 270 Foucault, Michel 129, 130, 1 7 8 - 1 8 1 , 191 Fowles, John 23, 318 Franck, Dierk 89, 394 Frankenheimer, John 6 Frazer, James George 260 Freese, Peter 23, 90, 177, 190, 1 9 1 , 1 9 3 - 1 9 6 , 198, 199, 200, 201, 203, 207, 241, 322 Freud, Sigmund 129, 130, 264, 333, 379, 383 Friedman, Alexander 324 Fuentes, Carlos 303 Furnival Jones, Martin 296 Gadamer, Hans-Georg 84 Galilei, Galileo 70, 71, 129 Galván, Fernando 396, 4 1 1 , 415 Gamow, George 8, 241 Gardner, Martin 16 Garrard, George 2 1 1 Gebelein, Helmut 273, 274 Genette, Gerard 207, 208 Gerasback, Hugo 203 Gerrold, David 30 Glasersfeld, Ernst von 32, 40 Glaubrecht, Matthias 162 Gleick, James 90,99, 100, 114, 183, 184,207, 290 Godei, Kurt 188

Goethe, Johann Wolfgang 10 Gold, Thomas 91, 324 Golinski, Jan 15,68, 103 Golizin, Anatoli 295 Gomille, Monika 162 Goodman, Nelson 4 0 - 4 2 Goodstein, David 7 Gordievsky, Oleg 295, 296 Gorgias 159 Gossel, Christoph 346 Gould, Stephen Jay 9, 10, 24, 35, 57, 58, 64, 78, 88, 102, n o , 118, 1 2 0 - 1 3 0 , 133, 1 3 7 139, 142, 162, 1 8 7 - 1 8 9 , 194, 196, 222, 234. 359> 377. 387, 388, 390, 393, 401, 4°3: 4 3 2

Goya y Lucientes, Francesco de 40 Gragson, Gay 1 2 1 Gregory, Jane 48 Gribbin, John 10, 78, 99, 246, 320, 324 Grice, Helena 279, 284, 287 Grint, Keith 69, 70, 94 Gross, Alan 1 3 - 1 5 , 4 4 , 50, 64, 69, 72, 74, 76, 93, 98, 1 0 0 - 1 0 3 , 107, 108, 119, 120, 134, T

35

Gross, Paul 72, 95, 172, 181, 335 Guattari, Félix 181, 413, 414 Gusfield, Joseph 15 Gussow, Mei 183,300 Habermeier, Steffi 222 Hacking, Ian 49 Haeckel, Ernst 359 Halloran, Michael 1 2 9 - 1 3 1 Hansson, Heidi 433, 434 Haraway, Donna 45, 95 Harding, Sandra 45 Hardy, Thomas 261, 262 Hardyment, Christina 339 Harms, Ingeborg 441, 442 Hawkes, Nigel 294 Hawking, Stephen 29, 290, 307, 308, 310, 314, 325, 330, 354 Hawkins, Gerald S. 255 Hawkins, Harriet 17, 195, 196, 233 Hayles, N . Katherine 62, 72, 78, 79, 83, 99, 176, 177, 1 8 1 - 1 8 4 , 191, 195, 201, 206, 222, 223, 227, 228 H. D. (Hilda Doolittle) 223 Hegerfeldt, Anne 410 Heidegger, Martin 400, 406 Heilbronn, Lisa M. 6 Heisenberg, Werner 7, 8, 81, 163, 247, 282, 298, 302, 317, 336, 360

471

Hejl, Peter M. 42, 43 Heraklit 159, 163 Herman, Luc 271 Herrnstein, Richard J. 390,391 Herrnstein Smith, Barbara 51, 52, 54 Hesiod 233 Hess, Rudolf 331 Hesse, Mary 10, 12, 73, 75, 76, 83-85 Hiley, Basil J. 335 Hillyard, Paul 424 Hobbes, Thomas 45, 406 Hölldobler, Bert 164, 429, 430 Holmes, Frederic 104, 108, 139 Holton, Gerald 24, 30, 63, 140, 141, 143, 238 Honda, Ishiro 6 Hopkins, Gerard Manley 169 Horaz 58 Horner, John 189 Hubble. Edwin 194 Hughes, Linda K. 223 Hutcheon, Linda 271, 320, 415 Huxley, Aldous 7, 205, 206 Huxley, T. H. 1, 2 Ignatieff, Michael 414 Infeld, Leopold 164 Iser, Wolfgang 77, 169 Jakaitis, Jake 323 Jakobson, Roman 89, 150, 168-170, 215 James, Edward 203, 234 James, William 228 Janich, Peter 441 Johnson, B. S. 197 Johnson, Mark 89, 219 Jones, Roger 100 Jordanova, Ludmilla J. 178 Joyce, James 218, 227, 230, 231, 239, 282,442 Jünger, Ernst 176 Kafka, Franz 334 Kant, Immanuel 92, 93, 97 Kaufmann, Philip 147 Keats, John 366 Keller, Evelyn Fox 45, 114, 115, 125 Kelley, Robert 59, 60, 97, 98, 100, 101, 104 Kelly, Katherine E. 207 Kenner, Hugh 217 Kepler, Johannes 288 Kermode, Frank 315 Kersten, Felix 331 Kevles, Daniel J. 113, 114, 135 Kiernan, Ryan 357, 360

47 2

Kipling, Rudyard 2 Kirchhoff, Evan 182 Klähn, Bernd 218, 240, 242 Knightly, Philip 295 Knoespel, Kenneth 17, 90, 177 Knorr-Cetina, Karin D. 15, 24, 47, 48, 52, 53, 67, 144-146 Koch, Robert 44 Kohl, Stephan 396, 410, 416 Kosellek, Reinhart 384 Krance, Charles 227 Krauss, Lawrence M. 106, 324 Kuhn, Thomas S. 21, 24, 44-46, 54, 85, 86, 95, 96, 108 — m , 117, 125, 135-138, 142, 143, 146, 163, 187, 349 La Fontaine, Jean de 210 Lacan, Jacques 41,43 Lagrange, Joseph Louis de 211 Lakatos, Imre 95, 109 Lakoff, George 89, 219 Lamarck, Jean-Baptiste de 141, 156, 161 Lambourne, Robert 202, 203, 204 Laplace, Pierre Simon Marquis de 234, 310 Latour, Bruno 14, 15, 43-45, 47, 49, 50, 53, 65-67, 69, 100, 101, 104, 117 Lausberg, Heinrich 73 Le Carré, John 292 Le Guin, Ursula 203 Leavis, F. R. 1, 3 Leibniz, Gottfried Wilhelm 85 Lem, Stanisiaw 204-206, 216, 217, 249, 250, 252 Lenneberg, Eric H. 89 Leonardo da Vinci 116 Lepenies, Wolf 43 Lessing, Doris 248 Lessiowsky, Viktor 295, 296 Levi, Primo 22, 330 Levine, George 6, 19, 21, 23, 72, 374 Lévi-Strauss, Claude 41 Levitt, Norman 72, 95, 172, 181, 335 Lévy-Leblond, Jean-Marc 203, 206 Lewes, G. H. 15 Lewis, Wyndham 3 Lewontin, Richard C. 57, 117, 128-130, 377, 432 Lifton, Robert Jay 329, 331 Linnaeus, Carolus 425 Locke, David 12, 68, 119 Locke, John 76, 84, 336 Lodge, David 93 Löther, Rolf 163

120-126,

Longair, Malcolm 354 Lorenz, Konrad 395, 404, 405, 4 1 7 Luck, Georg 256, 276 Lukacher, Brian 2 1 2 Lukrez 2 1 3 , 214, 345, 349, 350 Lund, Michael 223 Lurija, Alexander R . 124, 164 Lussier, Mark 222 Lyell, Charles 10, 15 Lyne, John 15 Lyotard, Jean-François 93, 1 3 1 , 132, 180, 181, 271 Lysenko, Trofim. D . 1 1 2 , 156

Melia, Trevor 65, 68, 69, 1 1 9 Mendel, Gregor 143, 163, 387 Mengele, Joseph 328 Menke, Richard 329, 331 Meriwether, James 227 Mikkelson, Holly 227 Miller, Carolyn 1 2 9 - 1 3 1 Miller, Steve 48

179,

Maack, Annegret 248 Maack, Ferdinand 273 Maasen, Sabine 17 Macheiner, Judith 155 Maclean, Donald 294 Maeterlinck, Maurice 430 Maffei, Lamberto 1 5 7 Mailer, Norman 162, 163 Mainzer, Klaus 164 Malin, Irving 420 Malthus, Thomas 10 Mandelbrot, Benoit B . 215 Mansfeld, Jaap 96, 159 Markus, Gyorgy 12, 15 Markus, Mario 11, 1 3 1 , 184, 265 Marshall, William 223 Mars-Jones, Adam 277, 336, 339 Martins, Herminio 13, 67, 78, 356 Marx, Karl 130 Matheson, Carl 182 Matisse, Henri 282, 286 Matthies, Ellen 42 Maturana, Humberto R. 38, 39, 40, 89, 156 Maxwell, Clerk 15, 193 Mayr, Ernst 24, 124, 387, 403 McClintock, Barbara 1 1 5 , 125 McDonnell, Kate 277 McEwan, Ian 22, 136, 1 5 1 , 1 7 1 , 207, 208, 2 1 3 , 242, 260, 284, 3 3 4 - 3 3 6 , 3 3 8 - 3 4 2 , 344. 345. 3 S 0 - 3 5 2 > 355. 3^0, 3 6 4 - 3 7 1 , 373. 377. 378, 3 8 1 - 3 8 5 McGregor, H . R. 246 McGuire, J . E. 65, 68, 69, 1 1 9 Mcintosh, J . T. 205 McKie, Robin 188, 189 McRae, Murdo William 24, 1 3 7 - 1 4 0 Mecke, Klaus 240 Medawar, Peter 87, 89, 1 0 8 - 1 1 1 , 134, 162 Melbourne, Lucy 296, 297

Milton, John 10, 17, 222, 233, 341, 423 Mitrokhin, Vasili 297 Mommsen, Hans 394 Montgomery, Angela 177, 227 Montuschi, Eleonora 79, 80 Morgenstern, Christian 128 Morris, Adalaide 223 Morse, Donald E. 324, 326, 334 Mosher, Mark 227 Motz, Loyd 269 Mouffet, Patience 424 Mouffet, Thomas 424 Muecke, Stephen 400, 4 1 0 Müller, Burkhard 130 Murray, Charles 390, 391 Musil, Robert 176 Nabokov, Vladimir 206, 326, 367 Naipaul, V. S. 309 Nate, Richard 64, 68, 372 Nathan, David 290 Neri, Michele 360 Neugebauer, Gerry 7 Newton, Isaac 2, 18, 40, 85, 105, n j , 175, 187, 199, 228, 256, 259, 283, 291, 3 1 1 , 37°. 371 Nicholls, Peter 202, 204, 245 Nicolson, Marjorie 175, 228 Nietzsche, Friedrich 7 5 - 7 7 , 79, 87, 88, 268, 269 Nikolaus de Cusa 248 Norman, David 35, 189 Norwood, Melita 297 Nosenko, Yuri 295, 296 O'Faolain, Sean 326 Onega, Susana 267 Oppenheimer, Robert 282, 283 Organick, Avrum 230 Oshlag, Rebecca 78 Overstreet, David 229, 230 Ovid 10, 270, 402, 4 1 2 Pagels, Heinz R . 235 Paivo, Allan 168

473

Palmer, Craig T. 3 8 9 - 3 9 4 Paracelsus, Theophrastus 274, 275 Parmenides 96, 163 Pascal, Blaise 370, 371 Pati, Jogesh C . 308 Patterson, Lee 4 1 0 Paul, Gregory S. 189 Pauling, Linus C . 50, ι ο ί , 102, 120 Pearce, Joseph Chilton 3 4 2 - 3 4 5 , 349 Pearce, Margaret 426 Peck, J o h n 260 Penrose, Roger 158, 188, 296, 354 Pernicka, Ernst 394 Petrie, Hugh G. 78 Pfister, Manfred 4 1 1 Philby, Kim 294 Philostratos 198 Picasso, Pablo 282, 286 Pickering, Andrew 44, 46, 52 Pinker, Stephen 161 Planck, Max n o , 282, 283 Platon 58, 73, 91, 263, 3 2 1 , 324, 3 5 1 , 370 Poe, Edgar Allan 198 Pöppel, Ernst 169, 170 Pohl, Frederick 245 Poincaré, Jules Henri 85, 1 1 5 , 184 Ponomarjow, Leonid I. 7 Popper, Karl R . 51, 77, 95, 141, 143, 144 Porush, David 60, 61, 222, 223 Potter, V. R. 1 5 2 Pound, Ezra 3, 20, 2 1 7 Prelli, Lawrence 68, 1 1 9 Prigogine, Ilya 11, 14, 60, 223, 3 5 1 , 356 Protagoras 30 Psimopoulos, M. 72, 95 Putnam, Hilary 40, 53, 54 Pykett, Lyn 287 Pynchon, Thomas 22, 23, 77, 90, 198, 199, 206, 207, 218, 222, 241, 242, 253, 254, 307, 310, 3 3 2 - 3 3 4 , 340, 341 Pytheas 198 Queller, David 126, 129 Queneau, Raymond 61 Quintilian 162 Rabelais, François 288 Raithel, Jürgen 396, 397, 400, 409, 4 1 3 - 4 1 6 Rea, Alastair 14 Redhead, Michael 94 Reitz, Bernhard 290, 291, 301 Riccioli, Giovanni Battista 71 Ricoeur, Paul 20

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Robbins, Tom 309 Roe, Paddy 400, 410 Rorty, Richard 54, 93 Rose, Hilary 37, 128 Roth, Gerhard 3 1 - 3 7 , 148, 165, 167, 170 Rothenbuhler, Walter C . 104, 105 Rousseau, G. S. 6, 59, 89, 176 Rousseau, Jean-Jacques 406 Rühmkorf, Peter 1 6 8 - 1 7 0 Rupke, Nicolaas A. 222 Rusch, Gebhard 74, 167 Ruskin, J o h n 223 Sacks, Oliver 124, 164 Salk, Jonas 15 Santillana, Giorgio de 255, 256, 263, 267 Savitt, Steven F 325 Schenkel, Elmar 292, 397 Schmidt, Arno 197, 198 Schmidt, Siegfried J . 3 1 , 38, 39, 148, 167 Schnackertz, Hermann Joseph 23, 59, 165, 2 37> 374. 386, 387. 389 Schneider, Gerwulf 394 Scholem, Gershom 276, 279 Schopenhauer, Arthur 198 Schrödinger, Erwin 99, 246, 247 Schütt, Hans-Werner 273 Schulte, Christoph 408 Schultze, Dirk 198 Schulz, Matthias 188, 189 Schwegler, Helmut 32, 40, 1 1 4 Seeber, Hans Ulrich 82, 83, 420, 423, 425, 426, 429

Selzer, Jack 57, 120, 1 2 1 , 126, 128, 129 Sepkosi, Jack 34 Serres, Michel 11, 22, 65, 204, 2 1 0 - 2 1 5 , 22 3> 225, 284, 345, 3 4 9 - 3 5 2 , 355, 356, 3 7 0 372, 420 Shaffer, Elinor 4, 176 Shaffer, Simon 45 Shakespeare, Nicholas 3 9 5 - 3 9 9 , 407, 408, 4 1 1 , 413, 4 1 6 - 4 1 8 Shakespeare, William 3, 13, 17, 91, 288, 334, 341 Shannon, Claude E. 20 Shapin, Steven 45, 74 Sheldrake, Rupert 375 Shelley, Mary 6 Shipman, P. 401 Siegel, D o n 147 Simonyi, Károly 1 1 5 , 2 9 8 Singer, Wolf 388 Sklar, Lawrence 325

Slater, Maya 326 Slay, Jack Jr. 338 Smith, Penny 303 Snow, C. P. ι - 6 , 8, 10, 19, 2 1 , 175, 212, 247, 341. 345 Sokal, Alan 4, 37, 44, 46, 47, 51, 55, 72, 87, 95. 99. 194, 209 Souza, Francisco de 416 Spengler, Oswald 210 Spielberg, Steven 196 Spinoza, Baruch 198 Steinbrink, Bernd 64, 162 Stempel, Wolf-Dieter 168, 169 Stengers, Isabelle 1 1 , 3 5 1 , 3 5 6 Sterne, Laurence 234, 336 Stockhammer, Robert 273 Stone, David 98, 100 Stoppard, Tom 23, 183, 207, 208, 222, 242, 249, 250, 253, 254, 2 8 9 - 2 9 1 , 294, 297, 300, 302, 3 1 1 , 313 Strehlow, Theodor 398, 399 Sutin, Lawrence 323 Suvin, Darko 204 Swanson, Don 77, 161 Tatters all, Ian 188 Taylor, D . J . 338 Tennyson, Alfred 222 Theocharis, T. 72, 95 Theweleit, Klaus 230 Thomas, Keith 266 Thomé, Horst 198 Thompson, Evan 37, 39, 40 Thornhill, Randy 389-394 Topper, David 18, 19, 1 1 6 Toulmin, Stephen 24, 1 4 1 - 1 4 7 , 152 Trethowan, William 369 Trilling, Lionel 1, 3, 5 Troiano, Maureen DiLonardo 16 Tschingis Khan (Temudschin) 400 Tsiolkovski, Konstantin 202 Turing, Alan 188 Turnbull, H. W. 187 Turner, William 2 1 0 - 2 1 2 Twain, Mark 184, 234 Tyndall, John 15 Ueding, Gert 64, 162 Updike, John 247, 309 Utz, Richard Johann 416 Vaihinger, Hans 77, 99 Varela, Francisco J. 3 7 - 4 0 , 1 5 6

Verlaine, Paul 213 Vico, Giambattista 73, 218, 239, 336, 406 Vollmer, Gerhard 33, 36 Voltaire, François-Marie 275, 432 Vonnegut, Kurt 23, 165, 260, 322, 386, 387 Vrba, Elisabeth 162, 393, 400, 401, 403, 417 Waddell, Craig 63 Wagner, Astrid 360 Walcott, Charles Doolittle 189 Walker, A. 401 Walker, John 2 1 1 Wallace, Alfred R. 130 Walsh, Mary 168 Ward, Peter Douglas 34 Watson, James D. 50, 101, 102, 120 Watt, D. F. 166 Weaver, Warren S. 20 Weinberg, Steven 9, 29, 44, 54, 63, 6 9 - 7 2 , 87, 96, 152, 153, 1 5 7 - 1 5 9 , 278, 373, 374, 380 Weingart, Peter 17 Weininger, Stephen 6 Weismann, August 333 Weissen, Thomas P. 1 7 , 2 2 0 , 2 2 3 - 2 2 9 Weizsäcker, Carl Friedrich von 163, 247 Wells, H. G. 6 Wells, Susan 1 2 1 West, Nigel 296 Wheeler, John 16, 226, 227, 251 Wheeler, William Morton 430 White, Eric Charles 139, 213 White, Hayden 139, 384, 385 White, T. H. 322, 323 Whiten, Andrew 393 Whiting, John W. M. 402 Whittington, Harry 139, 189, 190 Whorf, Benjamin Lee 43, 227 Wiener, Norbert 90, 207 Wilson, Edward O. 24, 124, 130, 1 5 1 , 164, 1 7 1 , 334. 335. 3^4, 3^6, 368, 369, 3 7 1 , 373. 376, 381, 387. 390, 393, 402, 407. 429-432, 435 Wingrove, David 260 Winner, Langdon 52 Winsor, Dorothy A. 68, 103, 1 2 1 , 125 Winston, Mathew 199, 242 Winterowd, W. R. 64 Winterson, Jeanette 157, 199, 200, 207-209, 240, 242, 254, 272, 274-276, 278-280, 284, 286-289 Woods, Tim 279, 284, 287

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Woolgar, Steve 14, 1 J, 45, $3, 62, 65 — 67, 69, 70, 94, 101, 104 Wordsworth, William 368 Wright, Peter 29$ Wright, Robert 24, 154, 364, 381, 382, 435 Wullimann, Mario 34

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Yates, Frances A. 265, 278 Yeats, William Butler 3 Zee, Anthony 9, 96, 157, 158, 275, 276, 278 Zola, Emile 2 1 3 , 214 Zukav, Gary 16, 199, 247, 248

Danksagungen Eine Arbeit wie diese ist nicht vollständig, solange noch die Hinweise auf diejenigen fehlen, die daran in irgendeiner Weise Anteil hatten oder auch Anteil genommen haben. Mein erster und wichtigster Dank geht an Prof. Dr. Jürgen Klein, der mir am Institut für Anglistik/Amerikanistik der Universität Greifswald eine akademische Heimstätte geboten hat, nachdem es meine Familie und mich nach Mecklenburg-Vorpommern verschlagen hatte. Durch Jürgen Kleins Vermittlung wurde es mir auch möglich, 1996 zwei Monate als Visiting Scholar am Wolfson College in Cambridge zu verbringen und unter den dortigen hervorragenden Bedingungen für meine Arbeit zu recherchieren. Mein Dank geht dabei natürlich auch an das Wolfson College, sowie an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der University Library in Cambridge, die mir meine Arbeit dort durch ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft so angenehm wie nur möglich gemacht haben. Anne Hegerfeldt war, während sie selbst an ihrer Dissertation arbeitete, eine wichtige und kritische erste Leserin, die mir mit ihren Fragen und Anregungen sehr geholfen hat. Erst wenn ich das Gefühl hatte, sie mit meiner Argumentation überzeugt zu haben, war ein weiterer Abschnitt der Arbeit wirklich abgeschlossen. Mit Richard Nate konnte ich mich über die Rhetorik in den Wissenschaften austauschen, so daß die Arbeit an diesem Thema nicht so einsam verlief, wie man es manchmal befürchtet. Mit Christoph Gossel konnte ich viele Fragen zur Physik klären, und auch darüber hinaus haben wir einige sehr anregende Diskussionen über naturwissenschaftliche Konzepte und Theorien geführt. Es ist gerade bei interdisziplinären Untersuchungen sehr hilfreich, jemanden aus dem jeweils anderen Fach fragen zu können, der wirklich etwas davon versteht. Sigrid Altdorf hat einige Kapitel gelesen und mir mit ihrer beständig freundlichen Kritik nicht nur geholfen, einige Gedanken klarer zu fassen, sondern auch die akademische Seele gestreichelt, falls es denn eine solche geben sollte. Wissenschaftliche Arbeiten müssen allerdings nicht nur verfaßt, sondern auch veröffentlicht werden. Ich möchte mich bei der Deutschen 477

Forschungsgesellschaft bedanken, die durch ihre Publikationsbeihilfe das Erscheinen dieser Arbeit ermöglicht hat. Und schließlich gilt mein Dank auch meiner Frau und meinen beiden Töchtern, die mich während der Zeit, in der ich mit dieser Arbeit beschäftigt war, ertragen und unterstützt haben, sowie auch meiner Mutter, die sich, wann immer es nötig war, liebevoll um meine Töchter gekümmert und damit in nicht geringem Maße zu der Fertigstellung der Arbeit beigetragen hat.

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