Texte zur Musikdramatik im 17. und 18. Jahrhundert: Aufsätze und Vorträge 3990121782, 9783990121788

Der Wiener Musikwissenschaftler Herbert Seifert (* 1945) hat mit seinen Studien, in denen akribische Quellenarbeit eine

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Texte zur Musikdramatik im 17. und 18. Jahrhundert: Aufsätze und Vorträge
 3990121782, 9783990121788

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Her bert Seifert

t e x t e z u r m u s i k d r a m at i k i m 17. u n d 18. j a h r h u n d e rt Au f s ät z e u n d Vo rt r äg e Herausgegeben von M atthi as J. Per n erstor fer

DON JUAN ARCHIV WIEN Summa Summarum

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Reihe herausgegeben von M at t h i as J. Per n er stor fer ∙ H a ns Er nst Wei di nger

Umschlagbild: Kolorierter Kupferstich des Rossballetts La Contesa dell’Aria e dell’Acqua zur Hochzeit von Kaiser Leopold I. mit Margarita Teresa von Spanien (1667), von Nikolaus van Hoye und Johann Ossenbeeck nach einer Zeichnung von Carlo Pasetti. © Don Juan Archiv Wien

H er bert Sei fert

T e x t e z u r M u s i k d r a m at i k i m 17. u n d 18. J a h r h u n d e rt Au f s ät z e u n d Vo rt r äg e

Herausgegeben von M at t h i as J. Per n er stor fer

Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter: Nora Gumpenberger (Koordination, Lektorat) Jennifer Plank (Digitalisierung der Texte, OCR) Silvia Freudenthaler (Erstellung von Word-Dokumenten) David McShane (Musiksatz) Philipp Scholze (Lektorat) Johannes Schweitzer-Wünsch (Musiksatz, Lektorat) Paul S. Ulrich (Register) Gabriel Fischer (Layout) Druck und Bindung: Interpress, Budapest Publiziert mit freundlicher Unterstützung des Don Juan Archiv Wien Forschungsverein für Theater- und Kulturgeschichte Herbert Seifert: Texte zur Musikdramatik im 17. und 18. Jahrhundert. Aufsätze und Vorträge, hg. von Matthias J. Pernerstorfer. Wien: HOLLITZER Wissenschaftsverlag, 2014 (= Summa Summarum 2) Reihe Summa Summarum herausgegeben von Matthias J. Pernerstorfer und Hans Ernst Weidinger

© HOLLITZER Wissenschaftsverlag, Wien 2014

HOLLITZER Wissenschaftsverlag der HOLLITZER Baustoffwerke Graz GmbH, Wien www.hollitzer.at

Alle Rechte vorbehalten. Die Abbildungsrechte sind nach bestem Wissen und Gewissen geprüft worden. Im Falle noch offener, berechtigter Ansprüche wird um Mitteilung des Rechteinhabers ersucht.

ISBN 978-3-99012-178-8 hbk ISBN 978-3-99012-179-5 pdf ISBN 978-3-99012-180-1 epub

INHALT

IX

Vorwort des Herausgebers

I. Aus Italien ü ber Salzburg nach Europa

Vorspiel

Die Madrigalkomödie Der Karneval und Venedig 9 Neapel: ein vizeköniglicher Hof, Opernhäuser und vier Konservatorien 3 5

Salzburg: Marcus Sitticus, Francesco Rasi und die erste Blüte der Oper ausserhalb Italiens (1614–1619)

Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich 43 Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua. Die ersten Opern außerhalb Italiens in neuem Licht 67 Francesco Rasi: Musiche da chiesa e camera. Vorwort 75 The singing style of Monteverdi’s Orfeo, Francesco Rasi, and the folia 17

Barockoper im Heiligen Römischen Reich (1614–1806) 91 99 113 127 133 147 159 175 187 195 243

Italienische Oper des Barocks in Österreich Monteverdi und die Habsburger Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen: Salzburg, Prag, Wien, Regensburg und Innsbruck Die Aufnahme von italienischem Ballett und Oper an den österreichischen Habsburgerhöfen Early reactions to the new genre opera north of the Alps Gattungsbezeichnungen früher Musikdramen in Österreich Nordwärts reisende Gesangsvirtuosen aus Italien und ihr stilistisches „Gepäck“ im Seicento Musikzentren in Österreich im Barock Barockoper im Heiligen Römischen Reich Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna, with new informations about his last year and his œuvre Antonio Cesti im Licht neuer Quellen. Sein bewegtes Leben zwischen Italien und Österreich V

II. Oper am Wiener K aiserhof

Die kaiserliche Hofoper 255 263 281 289 299 305

Die kaiserliche Hofoper Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705. Appendix 2014 zu Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert. Tutzing 1985 Italienische Libretti im barocken Österreich Die Feste theatralischen Charakters während der kaiserlichen Aufenthalte in Prag zwischen 1617 und 1680 Habsburgs Krönungsopern Die Habsburger und Oberösterreich im Barock. Musicalia, Theatralia und Personalia Von Matthias bis Ferdinand III. (1612–1657)

Das erste Musikdrama des Kaiserhofs Das erste Libretto des Kaiserhofs 379 Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: Die erste Oper in Wien?

325

339

Leopold I. (1658–1705) 393 401 413 425 439 451 471

Die kaiserliche Hofoper zur Zeit Leopolds I. Kaiser Leopold I. im Spiegel seiner Hofoper Die Festlichkeiten zur ersten Hochzeit Kaiser Leopolds I. Die Feste zu den drei Hochzeiten Kaiser Leopolds I. Rapporti tra Commedia dell’Arte e musica alla corte cesarea Neues zu Antonio Draghis weltlichen Werken Da Rimini alla corte di Leopoldo. L’opera di Draghi in ambito viennese Joseph I. (1705–1711) & Karl VI. (1711–1740)

487 503 511 527 531 539 559

VI

Die Aufführungen der Wiener Opern und Serenate mit Musik von Johann Joseph Fux Musizieren der kaiserlichen Familie und des Hofadels zur Zeit von Fux The secular-dramatic compositions of Fux: a general survey Julo Ascanio [von J. J. Fux]. Eine Allegorie auf den Spanischen Erbfolgekrieg Fiat lux – Vivat Fux! Eine Oper zu Johann Joseph Fuxens 350. Geburtstag Pietro Pariati poeta cesareo Conti und Pariati: ein Glücksfall für die Operngeschichte

Die Hofkapellen (1619 –1792) 565 575 613 629 633 665 675

The institution of the imperial court chapel from Maximilian I to Charles VI 1619–1792: „Die kaiserlichen Hof kapellen“ Valentini am Wiener Kaiserhof 1619–1648 Giovanni Valentini between Venice, Warsaw, Graz and Vienna Die Musiker der beiden Kaiserinnen Eleonora Gonzaga Die komponierenden Kaiser. Ferdinand III., Leopold I. und ihre Musiker Die Aufgabenkreise der kaiserlichen Hof komponisten und Hof kapellmeister zur Zeit von Fux Dynastische und diplomatische Beziehungen

685 703 715 723 737 745 751 759

Die musikalischen Früchte dynastischer und diplomatischer Beziehungen der Habsburger zu Italien von Kaiser Matthias bis zu Karl VI. La politica culturale degli Asburgo e le relazioni musicali tra Venezia e Vienna Die Rolle Wiens bei der Rezeption italienischer Musik in Dresden Die Beziehungen zwischen den Häusern Pfalz-Neuburg und Habsburg auf dem Gebiet des Musikdramas vor und um 1700 Teti in Venice (1639), Mantua (1652), Paris (1654) and Vienna (1656). Obvious and hidden relations Die Rivalität der verfeindeten Cousins Leopold I. und Louis XIV. auf dem Gebiet der Musik Artaxerxes-Libretti bis zu Metastasio Europäische Querverbindungen. Französisch-italienische Einf lüsse in Wien, Hamburg und Florenz

III. Sak r ale und profane Musikdramatik

Sepolcro & Oratorium 765 783 791 795 807 817

The beginnings of sacred dramatic musical works at the imperial court of Vienna: sacred and moral opera, oratorio and sepolcro Das Sepolcro – ein Spezifikum der kaiserlichen Hof kapelle La Fuga in Egitto Don Ignazio Balbi, Milanese Dilettante, and his Oratorio della Madonna de Sette Dolori, dedicated to emperor Charles VI Oratorios at the court of emperor Charles VI by composers active in Milan Dittersdorfs Oratorien VII

Ordenstheater

Metrik und Musik in den Jesuitendramen 845 Ordenstheater in Oberösterreich 853 Theateraufführungen der Jesuiten anlässlich kaiserlicher Besuche in Prag 861 Die Prager Jesuitendramen zur Zeit Zelenkas 831

Oper nach 1730 869 881 891 895 909

Der junge Gluck Lorenzo Da Ponte a Vienna La capricciosa corretta – die Schule der Eheleute. Mozarts erfolgreicher Rivale und sein Librettist 1795 in London Die Beziehungen zwischen Libretto und Musik in Haydns Opern Die Verbindungen der Familie Erdödy zur Musik Nachspiel

931

Wein und Trunkenheit in der Oper: musikimmanente Regie

IV. ANHANG

Schriftenverzeichnis 937

Verzeichnis der wissenschaftlichen Veröffentlichungen Register

Bibliotheks-Sigel Orte und Institutionen 973 Personen 1039 Titel 953

955

VIII

Vorwort Ao. Univ.-Prof. i. R. Dr. Herbert Seifert (* 1945, Baden, Niederösterreich) studierte von 1963 bis 1970 an der Universität Wien Musikwissenschaft als Haupt- s­owie Theaterwissenschaft als Nebenfach und promovierte mit einer Dissertation zu Giovanni Buonaventura Viviani.1 Seine universitäre Lauf bahn am Institut für ­Musikwissenschaft hatte er 1966 als Studienassistent begonnen, und er setzte sie 1970 als Hochschulassistent, später als Universitäts- und Oberassistent fort. 1988 wurde er Assistenzprofessor, und im Folgejahr Außerordentlicher Universitätsprofessor. Seit 2010 ist Herbert Seifert im Ruhestand, lehrt jedoch weiterhin am ­Wiener Institut für Musikwissenschaft. Mit seiner Habilitationsschrift Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (1981, gedruckt 1985) 2 legte Seifert ein absolutes Standardwerk vor. Damit sowie mit einer großen Zahl weiterführender Studien, in denen akribische Quellenarbeit eine intensive Verbindung mit der Edition und Analyse von Libretti und ­Partituren eingeht, schrieb er die Geschichte der Musikdramatik nördlich der ­Alpen und insbesondere im Herrschaftsgebiet der Habsburger für das 17. und frühe 18. Jahrhundert neu. Deshalb ist es für das Don Juan Archiv Wien eine Ehre, diesem Forscher den zweiten Band der Reihe Summa Summarum zu widmen, in der gesammelte Schriften von Persönlichkeiten erscheinen, deren Werk für das Verständnis der euro­päischen Opern- und Theatergeschichte – besonders des 17. und 18. Jahrhunderts – eine zentrale Rolle spielt. 3 Der vorliegende Band Texte zur Musikdramatik im 17. und 18. Jahrhundert. Aufsätze und Vorträge versammelt insgesamt 72 Beiträge aus Herbert Seiferts umfangreichem wissenschaftlichen Œuvre,4 darunter acht bisher nicht publizierte Vortragstexte. Die Studien stammen aus Fachzeitschriften und Sammelbänden, besonders aber aus Tagungspublikationen, die Seiferts rege Vortragstätigkeit im In- und Ausland dokumentieren. Zudem sind Beiträge aus Programmheften (besonders des Wiener Festivals Resonanzen) sowie Booklets zu CD-Einspielungen berücksichtigt.

1

Giovanni Buonaventura Viviani. Leben, Instrumental- und vokale Kammermusikwerke (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 21). Tutzing: Hans Schneider 1982. 2 Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing: Hans Schneider 1985. 3 Siehe Reinhart Meyer: Schriften zur Theater- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, hg. von Matthias J. Pernerstorfer (Summa Summarum 1). Wien: Hollitzer Wissenschaftsverlag 2012; im vorliegenden Band dazu S. 1065–1067. 4 Die Bibliographie der Schriften von Herbert Seifert findet sich auf S. 937–950 des vorliegenden Bandes.

IX

Matthias J. Pernerstorfer

Abb. 1: „Aussicht aus dem hochfürstlichen Waltemsischen Steinernen Theater in Hellbrunn gegen das St. Peterische Schloss Goldenstein“. Kolorierter Kupferstich von Benedikt Seitner (Don Juan Archiv Wien).

Abb. 2: „Ansicht des hochfürstlichen Waldtemsischen Theaters in Hellbrunn“. Kolorierter Kupferstich von Benedikt Seitner (Don Juan Archiv Wien).

X

Vorwort des Herausgebers Die Artikel für Musiklexika – besonders Die Musik in Geschichte und Gegenwart, New Grove Dictionary of Music and Musicians und das Österreichische Musiklexikon – sind verzeichnet (S. 948–950), auf die seit den frühen 1980er Jahren zunächst in Wiener Tageszeitungen (Die Presse, Kurier), danach in Wiener Musikzeitschriften (Music Manual, Österreichische Musikzeitschrift) veröffentlichten Musikkritiken sei an dieser Stelle zusätzlich hingewiesen.

*** Die hier versammelten Texte sind in drei chronologisch aufeinanderfolgende Abschnitte gegliedert: „Aus Italien über Salzburg nach Europa“ (S. 1–252), „Oper am Wiener Kaiserhof “ (S. 253–762) – besonders dieser Teil kann als Weiterführung des gleichnamigen Buches gelesen werden – sowie „Sakrale und profane Musikdramatik“ (S. 763–934), die ihrerseits nach Möglichkeit chronologisch aufgebaut sind. Aus ihnen wird Herbert Seiferts historischer Zugang zur Musik- und Operngeschichte deutlich: ihm geht es nicht nur um ein Werk, sondern ebenso um die konkreten Personen, die an der Kunstproduktion beteiligt oder dafür verantwortlich waren, um deren Lebenssituation und den größeren gesellschaftlich-­politischen Kontext. Die biographische Forschung zu bedeutenden Künstlern zählt deshalb zu den Eckpfeilern von Seiferts Arbeit. Zu nennen sind Studien zu Francesco Rasi (1574–1621, S. 15–87),5 Giovanni Valentini (?1582–1649, S. 613–632), Antonio Cesti (1623–1669, S. 195–252), Antonio Draghi (?1634–1700, S. 451–484) und Pietro Pariati (1665– 1733, S. 539–562). Zu diesem Zweck durchforstete Seifert Adelsarchive in Florenz ­(Archivio di Stato/Archivio Mediceo del Principato), Mantua (Archivio di Stato/ Archivio Gonzaga) und Wien (Familienarchiv Harrach) sowie diplomatische Korrespondenzen in diesen Städten, wertete diese Quellen aus und edierte wichtige Funde, besonders Briefe, die Licht auf das interessante Verhältnis Künstler und Auftraggeber – Adel und Klerus – werfen. Damit ist ein zweiter Fokus angesprochen, unter dem Seifert die musikdramatische Produktion untersucht. Welche Rolle spielten kunstliebende Persönlichkeiten wie Marcus Sitticus Graf von Hohenems, Fürsterzbischof von Salzburg (1574–1619, reg. 1612–1619), für Sänger wie den genannten Francesco Rasi oder die Rezeption der Opern von Claudio Monteverdi (1567–1643) nördlich der Alpen? Und welche Bedeutung wiederum hatte diese damals neue Kunstform für ihre Förderer? Besonders zur ersten Blüte der italienischen Oper außerhalb Italiens in Salzburg (S. 15–87) sowie zur frühen Rezeption der Oper an den Höfen der Habsburger 5 Zu erwähnen ist hier auch die Edition von Francesco Rasi: Musiche da camera e da chiesa / Camillo Orlandi: Arie a tre, due et a voce sola, hg. von Herbert Seifert (Denkmäler der Musik in Salzburg 7). Salzburg: Selke-Verlag 1995, deren Vorwort im vorliegenden Band abgedruckt ist (S. 67–73).

XI

Matthias J. Pernerstorfer (besonders S. 323–390) konnte Seifert die mit den Namen Alexander von Weilen (1863–1918) und Franz Hadamowsky (1900–1995) verbundene ältere Forschung auf eine völlig neue Basis stellen. Seine Funde kontextualisiert Seifert in einer Reihe von Studien, in denen er eine Topographie der frühen Rezeption der Oper, aber auch anderer musikdramatischer Gattungen wie des Balletts entwirft,6 und Entwicklungs- wie Rezeptionslinien aufzeigt (S. 89–194), die ihrerseits häufig von dynastischen und diplomatischen Beziehungen (S. 683–762) abhängig waren. Alle frühen Opernaufführungen durch die Habsburger, sei es nun am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges im Landständischen Saal in Prag (1617), aus Anlass der Krönung von Eleonora ­Gonzaga, der zweiten Frau Kaiser Ferdinands II, zur Königin von Ungarn (1622) oder am Reichstag in Regensburg (1623), sind als politische Stellungnahmen zu verstehen. In diesen Zusammenhang gehören Beiträge zu Opernaufführungen im Rahmen von Hofreisen oder bei Hochzeiten7 (S. 289–322, 413–438, 845–860). Neben diesen Anlässen interessieren Seifert die institutionellen Rahmenbedingungen, was sich in seinen Arbeiten zu den kaiserlichen Hof kapellen und deren ­Musikern widerspiegelt (S. 563–683). Ausgehend von einer breit angelegten Erfassung der Informationen aus Hofzahlamtsrechnungen, Totenbeschauprotokollen und anderen Quellen in einer Datenbank würdigt er auch die nicht im Rampenlicht stehenden Künstler. Von den Musikern wurden nicht nur italienische Opern gegeben, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher musikalischer Formen gepf legt. Seifert schenkt der historischen Terminologie große Aufmerksamkeit (besonders S. 147–158), und beschreibt sehr differenziert szenisch und nicht-szenisch dargestellte Gattungen wie das ­Oratorium und – als Wiener Spezialität – das Sepolcro (S. 763–828), ebenso die Serenata, das Ballett und Aufführungen von Stücken der italienischen Commedia dell’arte. Das Unterhaltungsprogramm des kaiserlichen Hofes war umfangreich und vielfältig, und da Seifert seine Forschungen in den drei Jahrzehnten nach der Publikation seiner Habilitationsschrift intensiv fortgesetzt hat, verwundert es wenig, dass Ergänzungen und Korrekturen zu dem dort gedruckten Spielplan notwendig geworden sind. Für ein am Don Juan Archiv Wien laufendes Projekt zum Wiener Thea6 Zusätzlich zu den hier abgedruckten Texten sei besonders auf zwei Überblicksdarstellungen hingewiesen, in denen Seifert die musikdramatische Produktion im Kontext der Musikgeschichte verortet: „Die Entfaltung des Barocks“. In: Musikgeschichte Österreichs. 2. Aufl. Bd. 1. Wien 1995, S. 301–361, und „Barock (circa 1618 bis 1740)“. In: Wien. Musikgeschichte. Von der Prähistorie bis zur Gegenwart, hg. von Elisabeth Theresia Fritz-Hilscher und Helmut Kretschmer (Geschichte der Stadt Wien 7). Wien, Berlin 2011, S. 143–212. 7 Ergänzt werden diese Aufsätze durch Seiferts Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am Wiener Hof der Habsburger und ihre Allegorik 1622–1699 (dramma per musica 2). Wien: Musik­ wissenschaftlicher Verlag 1988.

XII

Vorwort des Herausgebers terspielplan fasste Seifert seine neuen Erkenntnisse 2010 zusammen, und diese sind im vorliegenden Band in erneut überarbeiteter Form publiziert (S. 263–280). Die Texte des Abschnitts „Sakrale und profane Musikdramatik“ (S. 765–934) sind teilweise im Zuge der Forschungen zum Kaiserhof entstanden, da der christliche Jahreskreis – besonders Fastenzeit und Karwoche – Anlässe für entsprechende Aufführungen gaben und sich auch Orden und insbesondere die Jesuiten (in Prag nicht anders als in Linz) mit theatralen Darbietungen vor dem Kaiser hervortaten. Mit Aufsätzen zu Christoph Gluck (1714–1787), Joseph Haydn (1732–1809), Carl Ditters von Dittersdorf (1739–1799), Lorenzo da Ponte (1749–1838) und Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791) wird der Untersuchungszeitraum in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts erweitert.

*** Die Texte zur Musikdramatik im 17. und 18. Jahrhundert stellen Herbert Seiferts Forschungen erneut zur Diskussion. Um die Benützung des Bandes zu erleichtern, wurden zusätzlich zu einem Verzeichnis der Bibliotheks-Sigel (nach RISM – Répertoire International des Sources Musicales) drei Register erstellt. Das Register „Orte und Institutionen“ (S. 955–971) bietet u. a. aufgrund der detaillierten Auflistung von Spielstätten eine Topographie der Musikdramatik im 17. Jahrhundert. Bei den „Personen“ (S. 973–1037) wurden neben historischen Persönlichkeiten auch Wissen­schaftler aufgenommen, zu den Künstlern sind auch deren Werke und weitere daran beteiligte Personen verzeichnet. Dadurch bietet dieses Personenregister einen guten Überblick, wer mit wem zusammengearbeitet hat. Den Abschluss bildet das Titelregister (S. 1039–1061), angereichert mit Angaben zu alternativen Titeln, Vorlagen, Autoren und Komponisten. Um das Auffinden von Zitaten aus Herbert Seiferts Studien in der Sekundärliteratur so bequem wie möglich zu gestalten, sind die ursprünglichen Seitenumbrüche in den Texten zur Musikdramatik im 17. und 18. Jahrhundert durch senkrechte Striche markiert und Referenz-Seitenzahlen an den äußeren Rand des Textblocks gesetzt. Wo der Autor in einem Aufsatz auf einen anderen Text aus seiner Feder verweist, der im vorliegenden Band enthalten ist, sind im Anschluss an die Originalseitenzahlen die entsprechenden Seitenzahlen des vorliegenden Bandes in eckiger Klammer angegeben. Eine Besonderheit stellt der hier abgedruckte Vortrag „Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua. Die ersten Opern außerhalb Italiens in neuem Licht“ (1980) dar, der in geringfügig bearbeiteter, doch etwa um die Stammtafeln gekürzter Form unter dem Titel ­„ Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“ in den ­M usicologica Austriaca (1989) erschienen ist. Verweise auf diese gedruckte Fassung des Vortrags sind mit einem in eckiger Klammer stehenden „siehe S. 43–65“ versehen. XIII

Matthias J. Pernerstorfer Die gemeinsame Publikation von in der Regel nach unterschiedlichen redaktionellen Kriterien gestalteten Aufsätzen macht Vereinheitlichungen notwendig: Endnoten sind in Fußnoten umgewandelt, längere Zitate sind durchgehend eingerückt und die bibliographischen Angaben standardisiert: Buchtitel sind durchgehend kursiv gesetzt, Titel von Aufsätzen stehen in Anführungszeichen, die Groß- und Kleinschreibung in englischen Titeln ist vereinheitlicht. Abkürzungen und Kurztitel für Lexika oder Journale sind, wenngleich in der Musikwissenschaft etabliert, aufgelöst, da sich die vorliegende Publikation auch als Beitrag zur Theater- und Kulturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts versteht und nicht nur ein musikwissenschaftliches Publikum erreichen will. Sofern – vor ­a llem in den in Italien publizierten Aufsätzen – auch die Verlage angegeben ­waren, sind diese Informationen zwar nicht im Sinne der Vereinheitlichung gelöscht, doch wurden die Verlage für sämtliche andere Publikationen nicht ergänzt. Von einer Einarbeitung neuerer Forschungsliteratur wurde abgesehen; Herbert Seifert fügte jedoch bei Bedarf Kommentare hinzu, die durch geschwungene Klammern markiert sind, und nahm kleinere, nicht eigens ausgezeichnete Korrekturen vor. Ohne dies kenntlich zu machen, wurden Verweise auf seinerzeit im Druck befindliche Publikationen aktualisiert, sofern diese mittlerweile erschienen sind. Wo Herbert Seifert seine 1981 eingereichte Habilitationsschrift zitiert oder sich auf diese bezieht, sind die entsprechenden Seitenangaben der 1985 gedruckten Fassung ergänzt. In die Orthographie der Texte wurde, abgesehen von der Behebung einfacher Druckfehler, nicht eingegriffen; eine Uneinheitlichkeit bezüglich alter und neuer Rechtschreibung wurde in Kauf genommen. Bislang nicht gedruckte Vortragstexte folgen der neuen Rechtschreibung. Neu gestaltet sind Tabellen und Stammbäume. Dasselbe gilt für Noten, sofern in den Originalpublikationen Passagen aus modernen Editionen gedruckt waren. Handschriftliche Partituren und historische Drucke sind auch im vorliegenden Band abgebildet. Für die im Aufsatz „Dittersdorfs Oratorien“ zitierten Partituren ist dies leider nicht der Fall, da der von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien für die Reproduktion geforderte Betrag das Budget für diesen Band gesprengt ­h ätte. Die Bilder der Originalpublikationen sind immer dann aufgenommen, wenn sie für die Argumentation von Bedeutung sind. Sofern ihnen nur illustrativer Charakter zukommt, was bei Texten aus Programmheften oder Ausstellungskatalogen oft vorkommt, sind sie entfallen.

*** An der Entstehung der Texte zur Musikdramatik im 17. und 18. Jahrhundert war eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus dem Team des Don Juan Archivs beteiligt: Hans Ernst Weidinger, der Gründer des Archivs, initiierte die Aufnahme des XIV

Vorwort des Herausgebers Bandes in die Reihe Summa Summarum und ermöglichte die schöne Ausstattung des Buches. Die Texte, sofern nicht von Herbert Seifert in Form von Word- oder PDF-Dokumenten übergeben, wurden von Jennifer Plank digitalisiert, von Silvia Freudenthaler für die Weiterarbeit auf bereitet und von Philipp Scholze korrekturgelesen. Nora Gumpenberger koordinierte diese Tätigkeiten und verwaltete die Daten während der Vorbereitungen. Die eigentlich redaktionelle Tätigkeit konnte im intensiven Zusammenspiel zwischen Autor, Herausgeber und dem Grafiker, ­Gabriel Fischer, binnen weniger Monate abgeschlossen werden. David McShane und ­Johannes Schweitzer-Wünsch erledigten in dieser Zeit den Notensatz. Paul S. Ulrich bereitete die Register zu diesem Band vor. Ihnen allen sei herzlich gedankt. Herbert Seifert selbst möchte ich für die hervorragende Zusammenarbeit an den Texten zur Musikdramatik im 17. und 18. Jahrhundert danken, für seine prompte ­Abarbeitung sämtlicher Fragen, die im Zuge der Arbeit an diesem Band aufgetaucht sind, die akribische Lektüre des Manuskripts und den fachlichen Austausch in den vergangenen Monaten. Kein anderer hat so viel für die Erforschung der Geschichte der italienischen Oper nördlich der Alpen im frühen 17. Jahrhundert geleistet wie Herbert Seifert. Er konnte es mit seinen Studien auch sehr wahrscheinlich machen, dass im Jahre 1614 L’Orfeo von Claudio Monteverdi auf ein Libretto von Alessandro Striggio jun. (1573–1630) als erste Oper außerhalb ­Italiens auf die Bühne gebracht worden ist. Es freut mich deshalb ganz besonders, dass der vorliegende Band zur 400jährigen Wiederkehr dieser Aufführung des Orfeo in Salzburg das Licht der Welt erblickt. Matthias J. Pernerstorfer 23. August 2014

XV

xxxxxxx

I. Au s I ta l i e n ü b e r S a l z b u rg n ac h E u ro pa *

Vo r s p i e l

1

Herbert Seifert

2

DIE MADRIGALKOMÖDIE * Die bei diesem Festival [Resonanzen ’94] gesungenen Auszüge aus Giovanni ­Croces Madrigalkomödie Triaca musicale bieten Anlaß, diesen Zyklus in Zusammenhang mit ähnlich gelagerten aus der Zeit um 1600 zu stellen. Sie bestehen entweder aus Einzelszenen – wie Croces Werk – oder aus einer zusammenhängenden Handlung und gehören zu den im Italien des späten 16.  Jahrhunderts häufigen Bestrebungen, Drama und Musik zu verbinden; der folgenschwerste dieser Versuche war es eben, einen Dramentext für Solisten durchzukomponieren  – die Oper. Die erst von ­Alfred Einstein in seinem großen Werk über das italienische Madrigal 1949 so benannte Madrigalkomödie gehört jedoch einem anderen Entwicklungsast an, zählt also nicht zu den Vorläufern der Oper. Hier verkörpern nicht einzelne Sänger jeweils eine Rolle des Dramas auf der Bühne, sondern ein Ensemble singt die Dialoge der irgendwie miteinander verbundenen Madrigale, die heute richtigerweise nicht mehr mit einem Chor, sondern solistisch besetzt werden. Selbstverständlich schließt eine solche „Rollenverteilung“ auch die für die Oper charakteristische szenische Darstellung aus. Man hat vielfach angenommen, daß | die Handlung der 38 Madrigalkomödie von Schauspielern pantomimisch dargestellt wurde, während die Sänger den Dialog vortrugen, doch zeigen Vorreden zu solchen Zyklen, daß das Schauspiel „nicht durch die Augen, sondern durch die Ohren in den Geist des Publikums eindrang“, wie es Orazio Vecchi 1597 für seinen Amfiparnaso formulierte. Eine Ausnahme scheint Adriano Banchieris Madrigalkomödie La saviezza giovenile gewesen zu sein, die allerdings über 20 Jahre später gedruckt wurde und tatsächlich mit einer von Schauspielern getragenen Darstellung zu den gesungenen Dialogen rechnete. Diesen Einzelfall aus der Spätzeit der Gattung sollte man aber nicht als repräsentativ ansehen; vielmehr war Vecchis L’Amfiparnaso ihr typischer Vertreter. Orazio Vecchi (1550–1605), ein Priester aus Modena, ließ seine Madrigalkomödie in 13 Szenen 1594 singen und drei Jahre später drucken. Ihre Handlung entspricht ganz dem Schema der italienischen Stegreif komödie, der Commedia dell’arte: ein „seriöses“ und in Hochsprache konversierendes Paar findet nach mehreren Hindernissen zueinander und wird von den maschere, den komischen Typen wie Dottor Graziano, Pantalone, dem spanischen Soldaten und den Dienern (Zanni), umgeben und in verschiedenen lokalen Dialekten paraphrasiert. Etwa ein Vierteljahrhundert davor schon, im Jahr 1567, hatte der Mantuaner Edelmann Alessandro Striggio, Vater des gleichnamigen Librettisten von Monteverdis * Zuerst erschienen in: Resonanzen ’94. Musik des 16. Jahrhunderts. Das Zeitalter Palestrinas und Lassos. Wien: Wiener Konzerthausgesellschaft 1994, S. 38 f.

3

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Oper Orfeo, seine Commedia armonica Il Cicalamento delle Donne al Bucato (Das Geschwätz der Frauen bei der Wäsche), in Dialogform lose verbundene ­Madrigale, herausgebracht. Der erfolgreichste Nachahmer Vecchis war dann Adriano B ­ anchieri (1568–1634), Benediktinermönch und Organist aus Bologna. 1598 erschien in ­Venedig seine später mehrfach nachgedruckte Komödie Pazzia ­s enile (Alterstorheit), in der es um die vergeblichen Bemühungen von Graziano und ­Pantalone um ein junges Mädchen und eine Kurtisane geht. Auch hier läßt sich eine szenische Darstellung ausschließen, denn einer der Sänger sollte vor den ­Madrigalen die erklärenden Texte lesen. Banchieris Barca di Venetia per Padova (1605) läßt in lockerer Folge die Unterhaltungen einer Schiffsgesellschaft von fünf Stimmen singen – außer in italienischen Dialekten auch in deutschem und h­ ebräischem Kauderwelsch –, während die Komödie Prudenza giovenile ( Jugendliche Klugheit, als Gegensatz zur Pazzia senile so betitelt) 1607 wie ihr Gegenstück von 1597 dreistimmig ist und in der genannten zweiten Version von 1628 mit dem Titel Saviezza giovenile erstmals szenische Darstellung fordert, um mit den inzwischen in Mode gekommenen Opern mithalten zu können. Auch eines der für die Zeit typischen Pastoraldramen wurde im Madrigalstil vierstimmig durchkomponiert, nämlich I fidi Amanti (Die treuen Liebenden), 1600 von Gasparo Torelli veröffentlicht. Die ernste Liebeshandlung zwischen Hirten wird durch komische Intermedien konterkariert, in denen wieder Pantalone und Graziano singen. Die Verbindung zur Commedia dell’arte und damit die Mehrzahl der Sprachschichten ist also ein konstantes Element der Madrigalkomödien. Wir finden es auch in Giovanni Croces Triaca musicale. Der geistliche Sänger war an San Marco in Venedig tätig, wo er es bis zum Kapellmeister brachte. Der Titel des Werkes deutet schon auf den episodischen Charakter dieser 1595 gedruckten Sammlung hin. „Triaca“ war der Name für eine Mixtur aus den unterschiedlichsten Zutaten, die als Allheilmittel galt. Die vier- bis siebenstimmigen Madrigale reihen einen Dialog Pantalones mit seinem Echo, eine „Mascherata de Graziani“, einen Wettstreit zwischen Kuckuck und Nachtigall mit einem Papagei als Schiedsrichter, Gesänge von Schulkindern mit dem Alphabet, von Bauern, ein Glücksspiel und die Versteigerung einer Sklavin in Venedig ohne dramaturgisch verbindenden Faden aneinander, gehören also nur bedingt zur Gattung der eigentlichen Madrigalkomödie. Wie bei den anderen besprochenen Werken gibt es Gegenüberstellungen von Stimmgruppen, um die Dialogpartner zu charakterisieren, aber auch schon relativ viele kurze Soli einzelner Stimmen.

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DER KARNEVAL UND VENEDIG * Jene Zeit, die im Deutschen als „Fastnacht“ oder „Fasching“ bezeichnet wird, heißt im romanischen Sprachbereich „carnevale“ oder ähnlich, woraus auch der rheinische „Karneval“ wurde. Diese Worte beziehen sich alle auf die kirchliche Fastenzeit: „Fastnacht“ war ursprünglich und ist im engeren Sinn noch immer der Vortag des Aschermittwochs, „Fasching“ geht auf das mittelhochdeutsche „vastschanc“ zurück, das den Ausschank vor dem Fasten bezeichnete; die wahrscheinlichste Ableitung von „carnevale“ ist die aus dem lateinischen „carnem levare“, also die Auf hebung des Fleischgenusses. Während diese Festzeit nach dem kirchlichen Kalender mit dem Epiphanietag am 6. Jänner beginnt, fingen in Venedig, das sich vom Mittelalter bis zur Abschaffung durch Napoleon 1797 durch eine besondere Karnevalkultur auszeichnete, die öffentlichen Feste schon am Tag des Heiligen Stephan, also unmittelbar nach dem Weihnachtstag an. Alle Darbietungen sollten ursprünglich an den Sieg der Venezianer über den Patriarchen von Aquileia und seine friulanischen Untertanen im Jahr 1162 erinnern; im Lauf der Zeit wurden sie zu Unterhaltungen, die vom Gedenken an dieses historische Ereignis losgelöst waren. Masken sind seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar und sollten in ihren typischen Ausprägungen zum Markenzeichen Venedigs werden. In der Barockzeit waren sie in der Lagunenstadt, und nur dort, fast ein halbes Jahr lang erlaubt: von Oktober bis Mitte Dezember, im Karneval und während der zahlreichen städtischen Feste. Am Stefanitag leiteten Maskenumzüge auf dem Markusplatz und anderen Plätzen die Feste ein; im Hof des Fontego dei Tedeschi, des deutschen Warenhauses, wo heute die Hauptpost Venedigs ihren Sitz hat, folgten Maskenbälle, die drei Tage und Nächte dauerten. Ihren Höhepunkt fanden die Feiern aber in den letzten Tagen vor der Fastenzeit, am Giovedì Grasso, dem „fetten Donnerstag“, und am Martedì Grasso, dem ­Faschingdienstag. An jenem wurden auf dem Markusplatz und der Piazzetta Stierjagden veranstaltet, die mit der Köpfung von drei Rindern endeten, dann sportliche Wettbewerbe zwischen den Nicolotti und Castellani, den Bewohnern der beiden Stadtteile, die Forze d’Ercole (Menschenpyramiden), der Aufstieg zur Spitze des Campanile auf einem Seil, die Moresca, ein Kriegstanz mit Schwertern, der den Kampf zwischen Christen und Mauren im mittelalterlichen Spanien symbolisch darstellte, und schließlich ein Feuerwerk. Der Doge und die Signoria betrachteten diese Darbietungen von der Loggia des Palastes aus.

* Zuerst erschienen in: Resonanzen ’97. „Condicio humana“. ­M usik zwischen Mittelalter und Barock. Wien: Wiener Konzerthausgesellschaft 1997, S. 62 f.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Im Karneval standen auf den beiden genannten, miteinander verbundenen Plätzen auch die Bühnen der Komödianten, Akrobaten, Sänger, Musikgruppen, Marionetten­spieler, Zauberer und Astrologen. Seit Ende des 16. Jahrhunderts wurden in der Stadt außerdem Theatersäle eröffnet, 1637 die erste öffentliche Opernbühne (Teatro San Cassiano); und zum Ausgang des 17. Jahrhunderts gab es über 20 Musiktheater. Die Hauptspielzeit für Opern war natürlich – der venezianische Karneval, in dem, wie ganz allgemein in dieser Zeit des Kirchenjahres, die sonstige Ordnung aufgehoben und vieles sonst Verbotene erlaubt war. Die nur scheinbar geordnete Welt wurde durch chaotische Strukturen verspottet, die wohl eine Ventil­f unktion übernahmen. Mit dem Aschermittwoch hatte dann alles wieder in den mehr oder weniger vorgeschriebenen Bahnen zu verlaufen. 63 Unter den Masken, die von den Venezianern und ihren Gästen angelegt wurden, war die beliebteste die bekannte weiße Larve mit dem bauta genannten, weiten Mantel. Unter den vielen anderen, die zur Abwechslung verwendet wurden, sind die traditionellen Kostüme der Typen der Commedia dell’arte hervorzuheben, also etwa Pantalone, Arlecchino, Pulcinella, Brighella und Dottore. Der aus Chioggia stammende Geistliche Giovanni Croce, Schüler des berühmten Musiktheoretikers Gioseffo Zarlino, war unter anderem Anführer einer der aus der Kapelle von San Marco gebildeten Sängergruppen, die zu verschiedenen Anlässen engagiert wurden. Schon 1590, bevor er Vize- und später Kapellmeister der Basilika wurde, veröffentlichte er eine Sammlung von Kanzonetten im Dialekt unter dem Titel Mascherate piacevoli et ridicole per il Carnevale, die im Kloster der Malteserritter von seiner Gruppe als Intermedien aufgeführt wurden. 1596 folgten die Madrigale der Triaca musicale (einer „wundertätigen Mixtur“) für vier bis sieben Stimmen, die eine Reihe von Skizzen aus dem Leben in Venedig enthält, darunter wieder eine Mascherata. Diese wird von Graziani dargestellt, also von vier als Dottore Graziano der Commedia dell’arte maskierten Sängern, drei Tenören und einem Baß. Diese Karikatur eines Gelehrten sprach immer im Bologneser ­Dialekt und streute verballhornte Brocken in Maccheroni-Latein ein. Hier wird etwa aus dem Pantalone ein „Piantalimon“, ein Zitronenpf lanzer. Orazio Vecchi, Priester aus Modena, ließ seine Mascherata della Malinconia et ­A llegrezza am 26. Februar 1604, dem Giovedì Grasso, in Modena als Teil der Feste zur Hochzeit einer Prinzessin aus dem Haus der Este singen. Dieser Madrigal­ dialog bildete das Ende eines Maskenzugs von 33 Personen, denen zahlreiche Instrumentalisten vorangingen. Die Melancholie mit dem Schmerz, der Traurigkeit und sechs Witwen in ihrem Gefolge, dann die Freude, der Hochzeitsgott Hymen, Venus, Diana, Juno und Jupiter waren die Hauptpersonen dieser Mascherata, und während die beiden fünfstimmigen Gruppen von Madrigalisten den Dialog zwischen Melancholie und Freude sangen, die schließlich durch die Macht von Dichtung und Musik siegte, wandelte sich die Maske der Melancholie in eine freudige. 6

Der Karneval und Venedig Der führende Opernkomponist nach Monteverdi, Francesco Cavalli, schrieb für das genannte erste Opernhaus Venedigs in den Jahren 1639–1649 zehn ­Werke, darunter La Didone im Jahr 1641. Ihr Librettist war Giovanni Busenello, d­ essen L’Incoronazione di Poppea Monteverdi zwei Jahre danach vertonen sollte. Für ­Cavalli hatte er die bekannte Geschichte von Dido und Aeneas mit einem ­h appy end versehen, indem er die verlassene Dido den König Jarbas ehelichen statt durch Selbstmord sterben läßt. Außerdem paßte er die Oper noch weiter dem Anlaß ­Karneval an, indem er komische Charaktere die ernste Haupthandlung paraphrasieren läßt. Die im Konzert gesungene Szene ist ein Beispiel dafür, daß auch königlich-­seriöse Personen in lächerlichen Situationen gezeigt werden – eine der Freiheiten des ­Karnevals. Jarbas ist hier ein pazzo per amore, also verrückt geworden, weil Dido seine Liebe verschmäht hat. Er redet wirres Zeug, was die beiden Hofdamen nicht daran hindert, ihn als Lustobjekt zu umschwärmen. Giovanni Giacomo Gastoldi, Musiker an der Hof kirche der Gonzaga in Mantua, hat mit seinen Balletti von 1591 ein ungemein populäres Werk geschaffen, das mit zahlreichen Auf lagen in Italien, den Niederlanden und sogar Schottland bis 1662 als europäischer Erfolg bezeichnet werden kann. Die Balletti waren zum Singen, Spielen und Tanzen gedacht, stellen verschiedene Typen oder Charaktere ähnlich den Figuren der Commedia dell’arte dar und enthalten auch eine Mascherata de Cacciatori. Sätze aus dieser Sammlung wechseln im heutigen Konzert mit anonymen canti carnevaleschi ab und werden so noch stärker mit dem Karneval in Beziehung gesetzt. Lorenzo Allegri war Lautenist in Diensten der Medici in Florenz und komponierte unter anderem die Musik für die von Adeligen getanzten Ballette im P ­ alazzo P ­ itti; einige dieser meist im Karneval aufgeführten Suiten ließ er 1618 drucken. Die Tänze des Violinisten Biagio Marini, der einige Jahre lang in Venedig wirkte, können durchaus für Faschingsveranstaltungen gedacht gewesen sein. Die Sonaten des bedeutenden Instrumentalkomponisten Dario Castello sind in V ­ enedig nicht nur gedruckt, sondern wahrscheinlich auch komponiert worden. Und schließlich war Monteverdi 1638, als er sein achtes Madrigalbuch veröffentlichte, Kapellmeister an San Marco. Mentre vaga Angioletta auf einen Text des berühmten ­Gianbattista ­Guarini ist eine Huldigung an die Sängerin Angela (Angioletta) Zanibelli, die im Karneval 1608 in Mantua wahrscheinlich die Titelrolle in Marco da Gaglianos Oper Dafne gesungen hatte.

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Neapel: ein vizeköniglicher Hof, Opernhäuser und vier Konservatorien * Trotz der räumlichen Nähe zum päpstlichen Rom entwickelte sich die Musik in der Barockzeit in Neapel, bedingt durch die politischen Verhältnisse, anders als dort und natürlich auch anders als in der Republik Venedig. Seit 1504 war das frühere Königreich Neapel zusammen mit Sizilien als Vizekönigreich der spanischen Krone unterstellt. Im Spanischen Erbfolgekrieg wurde es 1707 zunächst von österreichischen Truppen besetzt und in den Friedensverhandlungen 1713 Kaiser Karl VI. zugesprochen. Doch bereits 1734 wurde Neapel-Sizilien zur unabhängigen Sekundogenitur der spanischen Bourbonen erklärt. Bis dahin hatten Vizekönige als Vertreter des spanischen Königs und dann des Kaisers im Palazzo Reale residiert und mit ihrer Hof kapelle einen wesentlichen Teil des Musiklebens der Metropole getragen. Daneben gab es aber im 17. Jahrhundert auch die städtische Intelligenz, die dazu einen wichtigen Gegenpart bildete. Ab 1650 brachten norditalienische Truppen Opern von Francesco Cavalli, Claudio Monteverdi und anderen aus Venedig an den Hof, der auch weiterhin die venezianische Ausprägung der Gattung pf legte, während das neapolitanische Volk zunächst anlassgebundene Feste veranstaltete, die aber bald versiegten und in der Beschäftigung einheimischer Dichter und Komponisten für die Hofoper oder Produktionen in Adelshäusern aufgingen. Außerdem wurden die im Palast gespielten Opern gewöhnlich auch in das öffentliche Teatro San Bartolomeo übernommen, wo diese exquisiten Produktionen auch zahlendem Publikum zugänglich waren – anders als an den meisten anderen Höfen wie etwa Wien. Die vier Konservatorien, die im 17. und 18. Jahrhundert in Neapel existierten, waren als Ausbildungsstätten zunächst für die Musiker des eigenen Herrschaftsbereichs, im 18. Jahrhundert dann auch für solche aus entfernteren Regionen, der Nährboden für die musikalische Bedeutung der Stadt. Ursprünglich zur ­musikalischen Unterweisung von Findelkindern und Waisen gegründet, nahmen sie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch zahlende Schüler auf. An ­i hnen waren die besten Musiker der Stadt als Lehrende tätig: am Conservatorio di S. Maria di ­L oreto Francesco Provenzale, Francesco Mancini, Nicolo Porpora und Francesco Durante, am Conservatorio di S. Onofrio in Capuano Pietro Andrea Ziani, ­Cristoforo Caresana, Leonardo Leo und Durante, am Conservatorio di S. Maria della Pietà dei Turchini ebenfalls Provenzale und später Leo, und am ­C onservatorio dei Poveri di Gesù Cristo wieder Durante und Francesco Feo. So * Zuerst erschienen in: Resonanzen: Metropolen. Wiener Konzerthaus 2005. Wien: Wiener Konzerthausgesellschaft 2005, S. 40–42.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa wurde beispielsweise Durante zum Lehrer bedeutender Komponisten wie ­Giovanni Battista Pergolesi, Niccolò Piccinni und Giovanni Paisiello. Natürlich gab es auch Lehrer für Instrumente und Gesang, für diesen seit 1675 vor allem Kastraten, die die berühmtesten Opernstars wie etwa Farinelli oder Caffarelli ausbildeten. Diese beiden waren übrigens auch Porporas Schüler. Orchester und Sänger der Konservatorien wurden für städtische und kirchliche Festivitäten engagiert und trugen damit sowohl zur Verbreitung des Rufs dieser Institutionen als auch zu deren finanzieller Sicherung bei. 1684, nach dem Tod des vizeköniglichen Hof kapellmeisters Pietro Andrea ­Ziani, der vorher in Venedig und am kaiserlichen Hof in Wien tätig gewesen war, wurde der junge Sizilianer Alessandro Scarlatti (1660–1725) aus Rom zu seinem Nachfolger berufen, der diesen Posten mit Unterbrechungen bis zu seinem Tod im Jahr 1725 bekleidete. Der Vizekönig Marchese di Carpio hatte zuvor als spanischer Botschafter beim Papst Gelegenheit gehabt, seine Musik kennen zu lernen. ­Scarlatti versorgte in der Folgezeit das Theater im Palazzo Reale mit Opern­ musik zu importierten Libretti meist heroischen Typs aus Venedig. Sein intensiver, ­pathetischer Stil wurde dem Anspruch der Regenten auf Repräsentation königlicher ­Erhabenheit in idealer Weise gerecht. Der Vizekapellmeister Francesco Provenzale hatte sich allerdings selbst ­Hoffnungen auf diese leitende Stelle gemacht und trat nun mit anderen einheimischen ­Musikern der Hof kapelle aus Protest gegen die Bestellung des „Fremden“ zurück. Außer41 dem wurde eine von Scarlattis Schwe|stern, die als Sängerin tätig war und schon in Rom durch die geheime Heirat mit einem Geistlichen einen Skandal verursacht hatte, in Neapel unerlaubter Beziehungen zu einem hohen Hof beamten beschuldigt, der die Anstellung Alessandros erwirkte habe, und für einige Monate in einem Kloster interniert. Doch diese Krisen konnten die Karriere des genialen Komponisten nicht ernstlich gefährden. Außer den auf Breitenwirkung angelegten Opern komponierte er – wie zuvor in Rom – Kantaten für den intimeren Rahmen der vizeköniglichen Kammer und der Salons des Adels, meist nur für einen Kastraten und Generalbass bestimmt. Seine Opern, nach den Uraufführungen bei Hof oft in das Teatro San ­B artolomeo übernommen, ließen Neapel in den folgenden zwei Jahrzehnten zur zweiten ­Metropole der Gattung in Italien – neben Venedig – aufsteigen. In der Lagunenstadt selbst traf Scarlatti allerdings mit zwei Opern für das Teatro San Giovanni Grisostomo 1707 nicht den dann vorherrschenden Publikumsgeschmack, und auch die folgenden, wieder für Neapel komponierten Musikdramen wurden als nicht mehr zeitgemäß empfunden: Graf Francesco Maria Zambeccari etwa nannte ihn einen großen Mann, der wegen der extremen Schwierigkeit seiner Opern, die eher im Kammerstil komponiert seien, auf der Bühne wenig erfolgreich sei. Sein anspruchsvoller Kontrapunkt werde eben nur von Wenigen verstanden. 10

Neapel Die Entwicklung hatte seinen Stil also überholt. Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts gab es in Neapel als Neuheit zunächst die verschiedenen Erscheinungsformen der volkstümlichen komischen Oper – im Dialekt, als Intermezzo oder als Opera buffa – und anschließend, ab 1724, die Ausbildung der Opera seria mit Libretti des in Neapel lebenden Römers Pietro Metastasio, der von Kaiser Karl VI. bald an den Wiener Hof berufen werden sollte und fast ganz Europa mit Operntexten versorgte, die viele Jahrzehnte lang von zahlreichen Komponisten vertont wurden. Diese musiktheatralischen Gattungen wurden von jüngeren neapolitanischen Komponisten wie Leonardo Vinci, Leonardo Leo und Giovanni Battista Pergolesi höchst erfolgreich mit Musik versehen. Es ist bezeichnend, dass der englische Musikschriftsteller Charles Burney noch ein halbes Jahrhundert nach Scarlattis Tod, zu einer Zeit, als dieser als Opernkomponist schon vergessen war, seine Leistung als Kontrapunktiker hervorhob und gerade seine Kammerkantaten, die Musik für Kenner, begeistert beschrieb. Schon rein quantitativ ist diese Gattung mit über 600 Kompositionen die am stärksten vertretene in seinem Werkkatalog. Die überwiegende Mehrzahl sind Solokantaten für Sopran und Basso continuo; ihre in Abwechslung von Rezitativen und Arien gebauten Texte handeln fast durchwegs von der Liebe im Hirten- und Nymphenmilieu. Scarlatti wählte dafür seit den 1690er Jahren eine standardisierte Form: zwei kontrastierende Da-capo-Arien mit jeweils einem einleitenden Rezitativ. Der Text der Solokantate Andate, o miei sospiri war schon von dem fast gleich­ altrigen Komponisten Francesco Gasparini (1661–1727) vertont worden. Dieser war zwischen 1705 und 1709 Lehrer von Alessandros Sohn Domenico Scarlatti in Venedig. Scarlatti hatte offenbar die Komposi|tion 1712 von dem mit ihm befreun- 42 deten Kapellmeister am Ospedale della Pietà (wo auch Antonio Vivaldi wirkte) erhalten und wollte sich bei ihm mit zwei im März dieses Jahres geschaffenen Vertonungen desselben Textes revanchieren. Zur ersten setzte er die Beischrift „Con idea humana“, zur zweiten aber „Con idea inhumana, ma in regolato ­Cromatico, non è per ogni Professore“. Die erste ist eleganter, ohne ungewöhnliche Züge. Der Beginn des Textes ist dort als Arioso vertont, in der zweiten Version dagegen als Rezitativ, das sich durch gewagte Chromatik und unerwartete Modulationen in damals noch nicht gebräuchliche Tonarten auszeichnet, worauf der Komponist wohl mit seiner Charakterisierung als „unmenschlich“ und „nicht für jeden Musiker geeignet“ hinweisen wollte. Francesco Durante (1684–1755) befasste sich – anders als Scarlatti, ­Gasparini und seine Landsleute Leo, Vinci oder Pergolesi – nicht mit der Komposition von Opern. Außer mit einigen Oratorien ist er vor allem mit Kirchenmusik, Instrumental­werken und vokaler Kammermusik, d. h. Duetten sowie Terzetten, an die Ö ­ ffentlichkeit getreten. Er hat sowohl den kontrapunktischen Palestrinastil als auch ­einen modernen, mit Chromatik und unerwarteten Dissonanzen gewürz11

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa ten und in seiner regelmäßigen Periodik auf die Frühklassik vorausweisenden Stil gepf legt. Ganz ungewöhnlich große Verbreitung in Italien und darüber hinaus in fast ganz Europa hatten Abschriften seiner zwölf Duetti (Madrigali) da camera für Sopran, Alt und Basso continuo, in denen er zu Rezitativen aus Solokantaten ­Alessandro Scarlattis eine zweite Stimme und Zwischenspiele hinzusetzte. Fünf davon erklingen im heutigen Konzert, das erste über das chromatische Eröffnungsrezitativ der eben besprochenen Andate, o miei sospiri, was in der unmittelbaren Aufeinanderfolge die Möglichkeit zum hochinteressanten Vergleich zwischen Original und Bearbeitung bietet. Diese ist eine Form der sogenannten musikalischen „Parodie“, der Umformung eines Tonsatzes zu einem neuen Werk, wie sie etwa Renaissancekomponisten auf Fremdmaterial oder Bach und Händel auf eigene Musik angewandt haben. An Solokantaten, von denen Scarlatti so außergewöhnlich viele komponiert hat, haben wir von Durante nur ganz wenige, von ihm als „geistlich“ eingeordnete. Zwei seiner sechs Cantate spirituali für Alt und Generalbass stehen auf dem Programm: Seneca funato, ossia la crudeltà di Nerone über den von Kaiser Nero angeordneten Selbstmord seines Erziehers und Konsuls, des Philosophen Seneca, und Il Figliuol prodigo über die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn. Dieser Text ist übrigens als dramatischer Dialog angelegt, obwohl er nur von einem Sänger vorgetragen wird. Eine der seltenen Kantaten Scarlattis für zwei Singstimmen und Basso continuo rundet dieses auf drei in Neapel tätige Komponisten und drei Besetzungsmöglichkeiten fokussierte Programm ab: Wie Durantes Solokantate über Seneca und Nero ebenfalls auf die römische Geschichte bezogen, thematisiert sie die Liebe zwischen Marcus Antonius und Cleopatra, ist wahrscheinlich 1707, im Jahr der Rückkehr Scarlattis nach Neapel, entstanden und ergänzt je ein Paar von Rezitativ und Arie der beiden Protagonisten durch zwei Duette, jedes wieder mit einleitendem ­Rezitativ versehen. Marc’Antonio singt zunächst eine kantable Liebes­a rie, Cleopatra – ihrem Charakter entsprechend – eine synkopengespickte Arie; das erste Duett wechselt zwischen beschwingtem ¾- und lyrischem geraden Takt, das zweite mit dem in Opern so häufig eingesetzten Ruf zu den Waffen („all’armi“) ist entsprechend erregt und mündet in parallelen Koloraturgesang der liebenden Protagonisten. Domenico Scarlatti (1685–1757), als Sohn Alessandros in Neapel geboren und schon mit 15 Jahren als Organist und Komponist in die vizekönigliche Kapelle unter der Leitung seines Vaters aufgenommen, ging nach seiner oben erwähnten Studienzeit bei Gasparini in Venedig nach Rom, wo er als Kapellmeister der dort im Exil ­lebenden Königin von Polen und später der päpstlichen Cappella Giulia bedeutende Stellungen erlangte. In dieser Zeit schuf er Opern, Oratorien und Kirchenmusik, doch der Höhepunkt seiner Karriere war 1719 die Ernennung zum königlichen 12

Neapel Kapellmeister in Lissabon, wo er aber nicht lange sesshaft war. Er reiste zurück nach Italien, ließ sich jedoch schließlich 1729 am spanischen Königshof in Madrid nieder und verbrachte dort den Rest seines Lebens. Der Hauptteil seines Schaffens besteht aus mehr als 550 Cembalosonatensätzen, die sich großteils paarweise zu Sonaten zusammenfügen. Natürlich ist nur die Anzahl, nicht der Umfang dieser Kompositionen Domenicos mit dem Kantatenschaffen seines Vaters vergleichbar. Zwei solcher Sonatensatzpaare ( jeweils Andante-Allegro) sind als instrumentale Intermezzi zwischen den Vokalkompositionen des fast gleichaltrigen Durante eingesetzt.

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I. Au s I ta l i e n ü b e r S a l z b u rg n ac h E u ro pa **

S a l z b u r g: M arcus Sitticus, Fr ancesco Rasi un d die erste Blüte der O p e r au s se r h a l b Ita l i e n s (161 4 –1619)

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Herbert Seifert

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BEITRÄGE ZUR FRÜHGESCHICHTE DER MONODIE IN ÖSTERREICH * Die diplomatische und Familienkorrespondenz vom Kaiserhof nach Mantua und Florenz aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts liefert unter anderem neue Fakten zu Sängern, die ursprünglich im Dienst des Hauses Gonzaga in Mantua standen und damit mit der Frühmonodie und insbesondere Claudio Monteverdis Musik vertraut waren und dann an den kaiserlichen und andere Höfe im Raum des heutigen Österreich kamen, also als Vermittler dieser Kunst in Frage kommen. Francesco Rasi, schon von Alfred Einstein als „ein Emissär der Monodie in Deutschland“ bezeichnet,1 war bisher durch seine am 10. Dezember 1612 dem Fürst­ erzbischof Marcus Sitticus von Hohenems gewidmete Handschrift in Salzburg nachweisbar. Dort hielt er sich – nach den Angaben in der Widmungsvorrede – auf der Rückreise vom Kaiserhof nach Italien auf. Die näheren Umstände dieser Reise werden durch Briefe von Rasi selbst und von dem toskanischen Botschafter am Kaiserhof, Monsignore Giuliano de’ Medici, beleuchtet. Zunächst sei aber daran erinnert, daß der um 15732 in Arezzo geborene Sänger schon 1597 mit dem päpstlichen Nuntius in Deutschland, Polen, Ungarn und auch in Wien war, wo er sich wegen eines gebrochenen Beins länger auf halten mußte. 3 Im Juni 1608 reiste der Herzog Vincenzo I. Gonzaga nach der Hochzeit seines Sohnes Francesco, zu deren Feier unter anderem Monteverdis Oper Arianna aufgeführt worden | war, nach Spa in Flandern, um dort sein krankes Knie auszu­ 8 kurieren.4 Rasi befand sich in seinem Gefolge. Aus Innsbruck schrieb dieser am 27. Juni an den ältesten Sohn des Herzogs, den Kardinal Ferdinando Gonzaga, nach Mantua:5 Hoggi doppo desinare c’inuieremo alla uolta di costanza e Basilea non più per Monaco et Augusta dicono per esserui Soldati e perche S.A. uuole ­accelerare il cammino. Ha S.A. promesso all’Imbasc[iato]re di Bauiera, che al ritorno passerà per Monaco: questo é quanto m’occorre per hora di dire * Zuerst erschienen in: Studien zur Musik­w issenschaft 31 (1980), S. 7 – 33. 1 Alfred Einstein: „Ein Emissär der Monodie in Deutschland: Francesco Rasi“. In: Festschrift Johannes Wolf. Berlin 1929, S. 31–34. 2 Annahme von Anthony Newcomb: „Carlo Gesualdo and a musical correspondence of 1594“. The Musical Quarterly 54 (1968), S. 422. 3 Domenico De’ Paoli: Claudio Monteverdi. Lettere, dediche e prefazioni. Roma 1973, S. 362, nach den schede Davari im Archivio di Stato, Mantova (I-MAa). 4 Stuart Reiner: „La vag’ Angioletta (and others)“. Analecta musicologica 14 (1974), S. 78 f. 5 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 553.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa a V.S. Ill[ustrissi]ma a cui s’io non mi pento manderó una Canzonetta fatta da me per la uia inuitato dalle solitudini e dal mormorio di tanti ruscelli e fiumi a cui suplicheró V.S. Ill[ustrissi]ma che se degni farle la musica s’ella merita e le fo riuerenza. Rasi berichtet also hier, daß er durch die Einsamkeit und durch das Murmeln der Bäche und Flüsse während seiner Reise zur Dichtung einer Kanzonette angeregt worden sei, die er dem musikalisch aktiven Kardinal6 zur Komposition übersendet. Rasi war ja nicht nur Sänger und Komponist, sondern auch dichterisch tätig. Nach der Krönung des Königs Matthias von Ungarn zum Kaiser schickte der Herzog Francesco von Mantua, ein Cousin der Kaiserin, seinen jüngeren Bruder, den achtzehnjährigen Prinzen Vincenzo Gonzaga, mit Glückwünschen an den kurz vor seiner Übersiedlung nach Wien noch in Prag residierenden Kaiserhof.7 Der von seinem früheren Dienstgeber geadelte Rasi machte die Reise mit einem eigenen Diener mit. Die Mantuaner kamen am 5. Oktober 1612 an,8 und der Sänger 9 versuchte | mittels des toskanischen Botschafters die Verzeihung des Großherzogs der Toskana für eine in Florenz begangene Tat zu erlangen, mit der er sich offenbar dessen Ungnade zugezogen hatte. 1612 Oktober 15. Monsignore Giuliano de’ Medici aus Prag an den Cavaliere [Belisario] Vinta nach Florenz:9 Col sig.re Don Vincenzo Gonzaga è uenuto il Rasi, il quale è stato s­ pesso da me, e mostra gran pentimento dell’accesso commesso costà, con che spera rendersi habile à potere riceuere la grazia del P[ad]ron Ser[enissi]mo particolarm[en]te col mezzo, et fauore di V.S. […].

6 Im Karneval 1606 hatte er für den Hof der Medici in Pisa Worte und Musik zu einem Ballett geschrieben (Angelo Solerti: Musica, ballo e drammatica alla corte Medicea dal 1600 al 1637. Firenze 1905, S. 37 f. – Antonio Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII. Milano [1890], S. 86), und einige Teile der Komposition von Ottavio Rinuccinis Oper Dafne, die im Karneval 1608 unter der Mitwirkung von Rasi aufgeführt worden war, stammen von ihm (Emil Vogel, Alfred Einstein, François Lesure und Claudio Sartori: Bibliografia della musica italiana vocale profana pubblicata dal 1500 al 1700. Bd. 2. Pomezia [1977], S. 992). 7 Einstein: „Ein Emissär der Monodie in Deutschland: Francesco Rasi“, S. 32, spricht fälschlich von Rasis „Kunstreise nach Wien“. 8 Cavaliere Girolamo Soranzo: Brief an den Dogen Marc’Antonio Memmo nach Venedig, Prag, 8. Oktober 1612. Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (A-Whh), Dispacci di Germania 46. – Monsignore Guiliano de’ Medici: Brief an den Großherzog Cosimo II. nach Florenz, Prag, 8. Oktober 1612. Florenz, Archivio di Stato (I-Fas), Archivio Mediceo del Principato, filza 4366. 9 I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 4366.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich Als Don Vincenzo am 17. Oktober wieder abreiste,10 mußte der erkrankte Rasi in Prag bleiben. Monsignore de’ Medici lud ihn ein, in seinem Haus zu wohnen. Er wurde tagelang von schweren Schmerzen geplagt. Bevor er am 29. Oktober abreiste, ließ ihn der Kaiser rufen und vorsingen und belohnte ihn zum Zeichen seiner Zufriedenheit unter anderem mit einer Halskette mit seinem Bildnis. 1612 Oktober 22. Monsignore Giuliano de’ Medici aus Prag an den Cavaliere [Belisario] Vinta nach Florenz:11 Essendo il Rasi restato quì ammalato alla partenza del s.r Don Vincenzo lo feci condurre in Casa mia, doue essendo stato tre giorni truagliatissimo dà dolori colici, comincia à stare meglio, et come sia bene assodato, seguiterà il sig.r Don Vincenzo Gonzaga à Mantoua […]. 1612 Oktober 29. Monsignore Giuliano de’ Medici aus Prag an den Cavaliere [Belisario] Vinta nach Florenz:12 Il Rasi doppo essere risanato della sua graue indisposizione s’e incamminato hoggi per Mantoua, et hauendo saputo Sua M.tà che si trouaua in Casa mia, l’ha uoluto sentire, et talmente ne ha gustato, che etiandio, che si sia in tempi, che non si da danari à chi piague, à lui per cantare, oltre à molt’ altri fauori, ha donato una bella Collana con la sua medaglia […]. Rasi fühlte sich verpf lichtet, seinem Herrn gegenüber seine Abreise aus Prag mit der ebenfalls bevorstehenden des Kaisers und des toskanischen Botschafters wie auch mit seinen Schmerzen zu begründen. Sein Weg führte ihn über Nürnberg und Augsburg nach München. Zunächst – | aus Nürnberg – ersuchte er seinen 10 Herrn, ihm Geld nach Innsbruck zu schicken, um seine Weiterreise zu ermöglichen. In München jedoch mußte er bitten, ihm die Unterstützung dorthin zu ­senden, da er kein Geld mehr hatte und überdies die Kosten für das Quartier und den wegen seiner wieder ausgebrochenen Schmerzen konsultierten Arzt nicht mehr bezahlen konnte. Dessen Attest legte er bei. Rasi führte seine Krankheit auf ein bei seiner Abreise aus Mantua noch nicht auskuriertes Fieber zurück, zu dem der herbe Wein und das Klima nördlich der Alpen verschlechternd beigetragen hätten. Er wolle niemand anderen um Geld bitten, auch nicht als Gegenleistung für seinen Gesang; keinesfalls wolle er auch das Geschenk des Kaisers veräußern. 10 Monsignore Giuliano de’ Medici: Brief an den Großherzog Cosimo II. nach Florenz, Prag, 22. Oktober 1612. I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 4366. 11 Ebenda. 12 Ebenda.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Im letzten erhaltenen Brief vom 27. November aus München versuchte Rasi noch, durch e­ inen Höf ling des Herzogs, wahrscheinlich durch einen Staatssekretär, dessen Unterstützung zu erlangen. 1612 November 8. Francesco Rasi aus Nürnberg an den Herzog Francesco IV. nach Mantua:13 Essendomi stato necessario di trattenermi quà in Norimbergho lontano da Augusta 16 leghe, assalito di nuouo da i soliti dolori sofferti In Praga D’onde significai à V.A. quanto haueuo passato, e la partita mia; per che temo che i denari che mi furono lasciati per il male grande, e per il uiaggio non sieno bastanti a condurmi ne anco In Ispruc non che in Italia hauendo speso per auanti quel poco che haueuo, et essendo stati q[ues]ti solo 40 ungheri parte de quali, come si uedrà, per le listre e per le ricette si sono spesi ne’ medicam[en]ti et anco nel medico, oltre la spesa continua delle condotte del uiaggio e del uitto, temendo per la cattiua e pessima stagione contraria al mio male di non trouarmi a uiua forza necissitato a trattenermi taluolta più che non uerra. Supp[li]co humiliss[imamen]te V.A. a prender compassione di me, et ad aiutarmi ordinando che In ispruc mi sieno pagati almeno 25 tollari per finire il uiaggio uolendo al tutto hoggi partire di quì e tirare a dirittura a Monaco doue, se sarò in termine e sarà possibile, farò riuerenza a quella Altezza se nó tirerò a dirittura in Ispruc, e quiui mi trattenirò aspettando solleuam[en]to e gr[azi]a da V A.; e procureró in qualunq[ue] luogo io me sia di mostrarmi non indegno seruo di V A e non faró indegnitá alcuna e non potendo e non occorrendomi più le fo hum[ilissim]a riuerenza Augurandole da Dio felicità continua e sanità. 11

1612 November 19. Francesco Rasi aus München an den Herzog Francesco IV. nach Mantua:14 Da Praga scrissi la partita mia di lí à V.A., la quale per la partita dell’ Imperat[o]re e del S. Ambasciat[o]re di Tosc[a]na conseguent[emen]te, et anco per lo proprio desiderio quantunq[ue] ancora debole, e non bene ­a ssicurato bisognaua ch’io per non rimaner quiui solo necessariam[en]te effettuassi. Di poi le diedi anco nouella di me da Norimbergho per doue passai non hauendo altra occasione di carrozze per minor dispendio e per maggior comoditá, e sicurezza, e di li anco io le diceua con ogni humiltà 13 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 527. 14 Ebenda. Diesem Schreiben liegt ein ärztliches Zeugnis bei, ausgestellt von Hieronymus Faber, Arzt des Herzogs von Bayern.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich come mi cresceua alquanto la stanchezza, e ’l male, e scemauano i denari, che mi ­f urono lasciati, parte de’ quali io haueua spesi in d[ett]a Praga In ­medicamenti come pienam[en]te si uedrà, et andaua tutta uia spendendo per la condotta del mio ser[vito]re e robbe e mia propria, perche delle cose che erano in casa del S.re Ambasciatore io n’ero largam[en]te ­somministrato, mà delle cose, ch’egli non haueua in casa attenenti all’interesse della sanità mia bisognaua che per termine di douere io me le procurassi da per me, e cosi fù fatto: Venendo poi da Norimbergho alla uolta d’Augusta, essendo in compagnia d’altri, et a discritione di carrozzieri heretici, e nemici d’Italiani ­e ssendo necessitato da loro nel termine ch’io mi trouaua a douer taluolta ­leuarmi a mezza notte, e patire l’aria notturna, e sentire il freddo acut[issim]o fù cagione ch’io giunto In Augusta fui di nuouo assalito da i soliti dolori i quali effettiuam[en]te e ueram[en]te per origine sono proceduti dal non hauer ben curata la febbre, con la quale io partii da Mantoua aggiunto poi la crudezza di q[ues]to uino, l’aria, e la stagione contraria, e sentendomi di nuouo trafiggere uoleua fare ogni possibile opera di giungere in Ispruc per aspettar quiui l[ette]re, et alcun soccorso dall’Infinita bontà e pietà di V.A, e siami testimonio quel Dio eterno, che sin hora m‘ha liberato che trattenutomi quiui due di, e dubitando di non hauer denari che mi conducessero sin là io mi raccomandai ad uno amico che gia conobbi in fiorenza e seppi trouarsi quiui che mi prestassi 25 fiorini, i quali con sue cautele mi prestó e ueniui alla uolta di Monaco con animo di passar uia quanto prima, má tre leghe lontano di quá sourapreso incredibilm[en]te da dolori non più sentiti mi messi per morto e mi feci condurre a Monaco nell’osteria di S. Marco doue sono stato X giorni con una | continua e penosissima morte essendo stato martirizzato dal dolore doppio, tormentato dal Medico e distrutto dalle medicine, perche in 9. giorni ho preso X medicine, e di tal maniera debilitato ch’io non posso fare un piciol passo senz’ esser sostenuto: quí ho speso tutti i denari che haueua, et ho di più debito con l’oste 16 fiorini e con lo speziale 14 e non ho pagato il medico. Io son’ a q[ues]to termine al quale e piaciuto a Dio mettermi e sia sempre di tutto ringratiato. Di ciò ne farà più che piena fede à V.A. di ueduta il figlio del S.re Prefetto ser[vito]re di V.A., che questa mattina quà m’hà ueduto, per il quale inuio queste à V.A. delle quali saró necessitato ad aspettar quí la risposta essendo per ancora impossibile, ch’io mi muoua, et in particulare ne uedrà l’inchiusa fede del medico: et ancora impossibile per non hauer denari di sorte alcuna: Io so per quanto m’é stato referto, che q[ues]to Sig.r Duca Ser[enissi]mo hà saputo ch’io son quà, e ch’ egli stesso ha detto il mio nome, ma non hò ueduto, ne saputo, ne cercato poi altro, se S.A. comanderà, ch’io debba seruirlo, se potrò, io mi presuppongo che V.A. l’harà caro, ch’io il faccia, se non

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa comanderà già sapendo, ch’io sono: ne meno io il procurerò se potrò far di meno, non douendo diffidare dell’aiuto e patrocinio di un prencipe tanto grande quanto V.A. essendo io ser[vito]re, e da lei m[ol]lto ben conosciuto, et ella da me con la Ser[enissi]ma casa sua nello spazio di 17 anni m[ol]to bene ancora in tanti modi esperimentata. Perciò, Ser[enissi]mo sig.re, si come Dio a i giusti preghi non manca mai, così l’A.V. che in q[ues]ta terra, e ne’ miei affari mondani tieni l’immagine sua si deue per sua pietà e clemenza muouer a soccorrermi, co’l dare ordine, ch’io habbia alcun sussidio, e se le parerà anco mandarmi una sua l[ette]ra da presentare à q[ues]ta Altezza, perche io non ho altra speranza che V A e come ho anco scritto à V A. non farò indignità alcuna, e non assalirò alcuno, ne che mi dia denari, ne che mi senta cantare, io non ho se non quella gentilezza donatami da S.M. la quale essendo parto delle mie fatiche e della sua riconoscenza, non uorrei perderla amando meglio di rimanere senza ogni altra cosa: Nel rimanente V.A. é stata e sarà sempre P[adr]ona di me, e della mia uolontà de’ suoi cenni io mi farò legge, e tanto basti e […] augurando à V A. la continuata sanità e felicità humilissim[amen]te me l’inchino, e la lascio con la gr[azi]a di N[ost]ro sig.re che sempre in tutte le cose sue la custodisca. 1612 November 27. Francesco Rasi aus München nach Mantua:15 La settimana passata io diedi conto a S.A. per il figlio del s.r Prefetto del mio doloroso male, et anco ne scrissi à V.S. Ill[lustrissim]a mà | quel ­Giouane mi disse uoler uenire per la posta costà e non si fermar in Augusta più che un giorno, e poi ho inteso che si è fermato più di 4, cosa che m’hà forte dispiaciuto perche S.A. non haurà hauuto forse le mie l[ette]re presto s’ egli non l’hauesse mandate. Hora io dimandauo con ogni humiltà et ­a ffetto alcun’ [?] soccorso a S.A. dalla pietà e benignità del quale non posso credere di rimaner defraudato in tanta occasione. Io mi uò alquanto ma certo poco refocillando, et ho debito con l’oste con lo speziale, e col medico, e non ho denari per il uiaggio. V.S. Ill[ustrissi]ma ne dia memoria a S.A. e se dalla sua clemenza e bontà non posso essere in alcuna parte soccorso: almeno mi sene mandi parte, a parte […] delle mie prouisioni, che io mi trouo in grande intrico e p[er] fine raccomandomi alli [sic] sua protezzione le fo riuerenza et attendo poi p[er] la uia d’Ispruc risposta.

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15 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 527.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich Zwei Wochen später allerdings war er dann in Salzburg,16 wo er einige seiner Kompositionen für die Hof kapelle des Fürstbischofs zusammenstellte17 und ­d afür sicherlich eine Belohnung erhielt: man kann auch annehmen, daß er einige ­d ieser Werke oder andere dort vortrug. Durch diese Briefe wird es also sehr wahrschein­ lich, daß nicht nur in Salzburg im Jahre 1612 monodische Kompositionen erklungen sind, sondern schon vorher am Kaiserhof – ganz abgesehen davon, daß dieses zufällig erhaltene Indiz fast sicher nicht auf die ersten Monodien nördlich der ­Alpen hinweist. Auf die Wahrscheinlichkeit, daß Rasi, der 1607 in Mantua in Monteverdis Orfeo die Titelpartie gesungen hatte, als Vermittler der 14 Monate nach seinem Aufenthalt am Salzburger Hof zum ersten Mal aufgeführte Oper mit dem Titel Orfeo in erster Linie in Betracht kommt – von dem Werk lag eine gedruckte Partitur vor18 –, wurde schon in anderem Zusammenhang hingewiesen.19 Vier Jahre nach Rasi kam ein anderer Sänger aus Mantua nach Salzburg zu Marcus 14 Sitticus, der Cavaliere Francesco Campagnolo. Er ist in Mantua geboren, war seit etwa 1593 im Dienst der Gonzaga 20 und hatte 1594 unter der Anleitung von C ­ laudio Monteverdi Gesangsunterricht genommen. 21 In den Jahren 1609 und 1610 hatte er sich in London aufgehalten, 22 auf der Rückreise war er einige Zeit in München geblieben und von dort im November 1610 wieder nach Mantua zurückgekehrt. 23 Im April 1616 war er noch in Bologna bei einer Aufführung von Jacopo Peris und Ottavio Rinuccinis Euridice gewesen. 24 Am 27. Dezember ersuchte der Erzbischof den Herzog Ferdinando von Mantua, Campagnolo wegen des nahenden Karnevals die Erlaubnis zu erteilen, sich in Salzburg länger aufzuhalten. 16 Auch Don Vincenzo Gonzaga hatte von Prag den Weg über München und Salzburg nach Mantua genommen. Siehe Monsignore Giuliano de’ Medici: Brief an den Großherzog Cosimo II. nach Florenz, Prag, 22. Oktober 1612. I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 4366. 17 Einstein: „Ein Emissär der Monodie in Deutschland: Francesco Rasi“. – Herbert Seifert: ­„ Marcus Sitticus und der stile nuovo. Die dem Erzbischof gewidmeten Sammlungen von Francesco Rasi, Pietro Pace und Camillo Orlandi“. Vortag bei dem Symposion Die Musik um 1600 und die Familie Hohenems, Hohenems 1974. 18 Als Don Francesco Gonzaga im Jänner 1610 mit Rasi in Turin gewesen war, hatte er nach Mantua geschrieben, man möge ihm sofort „il libro di Comedia d’Orfeo in musica“ senden, also wahrscheinlich die einige Monate vorher in Venedig gedruckte und ihm von Monteverdi gewidmete Partitur. Siehe Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 92, und De’ Paoli: Claudio Monteverdi. Lettere, dediche e prefazioni, S. 362 und 408 f. 19 Seifert: „Marcus Sitticus und der stile nuovo.“ 20 Im unten abgedruckten Brief von 16. Mai 1617 gibt er an, er habe 23 Jahre lang in Mantua gedient; Ende 1616 hatte er dann diesen Dienst verlassen. 21 De’ Paoli: Claudio Monteverdi. Lettere, dediche e prefazioni, S. 352, nach I-MAa, schede Davari. 22 Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 101. 23 Karl Trautmann: „Italienische Schauspieler am bayrischen Hofe“. Jahrbuch für Münchener Geschichte 1 (1887), S. 287 f. 24 Emil Vogel: „Marco da Gagliano. Zur Geschichte des florentiner Musiklebens von 1570–1650“. Vierteljahresschrift für Musikwissenschaft 5 (1889), S. 516.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa 1616 Dezember 29. Fürsterzbischof Marcus Sitticus von Hohenems aus Salzburg an den Herzog Ferdinando nach Mantua:25 E capitato quà il Caualier Campagnolo Seru[ito]re di V.A. da me ben’ ­u isto come dipendente di quella, et meriteuole insieme per la sua uirtù: e ­p erche s’auicinano i tempi carneualeschi, et s’intende che V.A. occupata nel ­Monferato non sarà per trasferirsi cosi tosto à Mantoua giudicando egli stesso che poca occasione hauerà ella di seruirsi dell’opera sua, si è ­mosso in me desiderio di goderlo in queste parti, assicurandomi l’antica ­osseruanza professo con esso lei, e sua Seren[issi]ma Casa sarà per fauorirmi, come uiuamente ne la prego, di non imputargli questa lontananza ad alcun p­ regiuditio nella gratia sua […]. Am 19. Jänner 1617 schreibt der Sänger selbst an Alessandro Striggio, Sohn des gleichnamigen Komponisten, Librettisten des Orfeo, Sekretär des Herzogs und Empfänger zahlreicher Briefe Monteverdis, 26 nach Mantua, er sei vom Herzog von Bayern für den Karneval eingeladen worden, habe aber vor, in seine Heimatstadt 15 zurückzukehren. 27 Aus einem Brief | vom 14. Mai 1617 erfahren wir dann, daß Campagnolo Marcus Sitticus seine Dienste mit der Begründung angetragen hatte, daß er aus verschiedenen Gründen nicht in mantuanischen Diensten verbleiben könne. Inzwischen war er tatsächlich wieder nach Italien zurückgekehrt, um seine Angelegenheiten zu regeln, hatte Anfang Mai bei einer Feier der Accademia Filarmonica in Verona mitgewirkt und war am 12. in Salzburg angekommen, um dort zu bleiben. Der Herzog Ferdinando hatte aber an den Erzbischof einen Brief geschrieben, in dem er den Sänger schwer belastete und ihm vorwarf, aus Mantua gef lüchtet zu sein; Marcus Sitticus verteidigte ihn und meinte, er sei nicht gef lüchtet, sondern habe nur einen schon lange beabsichtigten Dienstwechsel vollzogen. 1617 Mai 14. Fürsterzbischof Marcus Sitticus von Hohenems aus Salzburg an den Herzog Ferdinando nach Mantua:28 Come il Caualier Campagnolo capitasse quà alcuni mesi sono con ­p ensiero di tratteneruisi qualche più di tempo, e con che prontezza, posponendo egli la risolutione, e q[u]alche commodo proprio alla sodisfatt[io]ne di V.A. subito riceuutone il suo comando, se ne ritornasse à Mantoua; senza ch’io a quella lo ramenti, credo le sarà in fresca memoria. Hora in quel tempo, ch’egli quà si trattenne, m’espose che per molti e particolari suoi ­incommodi era 25 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 520. 26 De’ Paoli: Claudio Monteverdi. Lettere, dediche e prefazioni, S. 344 f. 27 Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 101. 28 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 520.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich necessitato di procurar, con buona gratia di V.A., sua f­ ortuna altroue, non potendo in alcuna maniera per diuersi rispetti continouare nello stato, in che si trouaua, e mi offerse insieme il suo seruigio: à che conclusiuam[en]te risposi che, stante il conoscimento haueuo hauuto di lui e delle sue b­ uone qualità sin’ quando fui alloggiato dalla felice mem[o]ria del sig.r Duca ­Padre di V.A. in cotesta casa, quando hauesse hauuto à mutar seruigio, ­sarebbe sempre stato uisto da me uolontieri, e trattato conforme al merito suo. ­Ritornato poi à Mantoua, per quattro sue continouate lettere m’ hà dato parte della continouatione del predetto suo pensiero non solo, mà che andaua accommodando le cose sue per potersene uenir à questa ­uolta; e nell’ultima mi scrisse che si sarebbe ritrouate al primo del corrente in ­Verona chiamato alla solita solennità di quei SS.ri Academici ­Filarmonici, e di là hauerebbe dilungo tirato à questa uolta per mettersi totalm[en]te in mio seruigio, si come attualm[en]te hà fatto, giungendo à punto quà l’altro hier sera. E mentre hier mattina hauendogli data audienza, l’hò ritrouato a pieno confermato nel sud[ett]o pensiero, doppo hauer complito come si suole in simil caso, mi disse esser capitato quà uno di V.A. con lettera particolare à me, la quale con tutto ch’egli dubitasse forsi | che potesse toccar il punto di questa sua necessitata partenza, bramoso di uiuerle sempre fidel[issi]mo seru[ito]re e Vassallo, come hà fatto sin’ hora, me l’haueua non solo uoluto notificare mà introdurlo anco in Corte per l’audienza. Io accennai al Cauagliere se forsi haueua offesa per alcun capo l’A. V: mi rispose che nò in alcuna maniera fuori che s’ella per sorte hauesse riceuuto disgusto ch’egli finalm[en]te indutto da disperatione si era presa quella l­icenza, che le haueua fatto humil et instantiss[imamen]te chiedere da diuersi Cauaglieri e ministri di quella: soggiunsi che considerasse bene, e caminasse meco con la uerità: mi replicò ch’io poteua ben’ imaginarmi ch’egli sapeua passar trà V.A. e me si amoreuole corrispondenza che quando hauesse pur per pensiero saputo d’hauerla in qualche parte offesa, non hauerebbe cercato seruigio appresso di me, e che ritrouandosi nelle mie ­forze si offeriua con la uita e proprio sangue giustificarsi di tutto ciò gli poteua esser opposto. Feci poi chiamar il Corriere di V.A. che mi rese la sua de’ 7. del presente, nella quale con incolpar esso Cauagliere si grauam[en]te, mi richiede di quanto essa contiene: il che tutto quanta suspensione d’animo m’habbi cagionato, se lo può ella stessa imaginare: atteso che da una parte il desiderio di seruir V.A. dall’ altra una certa apparente equità mi cagionano mille uarij pensieri, dubitando, come in uero da tutto il successo narrato di sopra si hà non poca causa di congetturare, che V.A. sij stata mal informata contra il Cauagliere sud[ett]o onde anche si sij mossa à si riscaldata lettera contro di lui. Ciò non ostante lo feci richiamare; gli rappresentai quanto mi

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa parue conuenire in tal frangente, per ueder pure se appariua in lui alcuna sorte di uariatione: mà lo ritrouai di modo fermo, e costante nel proposito sud[ett]o e nella fede che afferma d’hauer sempre osseruata all’A.V., che mi pare sij più tosto degno di pietà e compasione, che di persecutione; la quale tanto meno mi persuado habbi à creder da lei, quanto con la solita sua generosita e benignità uuole i suoi per seru[ito]ri e Vassalli si, mà non per schiaui. E mentre da tutto questo narrato successo non solo, à mio poco giudicio, non si può cauar argumento di fuga in lui, mà solo da lunga mano maturato pensiero di mutar con buona gratia di V.A. sua fortuna, e molto meno ch’egli habbi conscienza macchiata d’alcun’ delitto contra la ser[enissi]ma sua persona, essendosi transferito quà da me tanto seru[ito]re di quella, hò uoluto il tutto metter in considerat[io]ne à V.A. e supplicarla insieme à uoler pigliar meglior informatione di questo fatto, anzi, se cosi le parera, farne formar giuridico processo, per il quale, se lo ritrouarà qual le sarà stato presupposto, | s’assicuri pure ch’egli non sarà per uscir di quà, ne p[er] muouerne piede, mà per giustificar ogni attione sua in ogni luogo a intera sodisfatt[io]ne di V.A. non solo, mà presso il mondo, appò il il [sic] quale mostra d’hauer sempre professato di uiuer candido, et honorato, et alla Ser[enissi]ma casa et persona di V.A. sempre lealiss[i]mo et fidel[issi]mo seru[ito]re, dalla quale starò attendendo quello di più si compiacerà comandarmi, certificandola che in ogni cosa ragioneuole mi trouarà ella prontissimo sempre di seruir con ogni spirito all’una, e l’altra. E trà tanto à V.A. bacio di tutto cuore le mani.

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Auch Campagnolo selbst schrieb an seinen ehemaligen Herrn, er sei sich keiner Schuld ihm gegenüber bewußt und bat ihn, ihm den Prozeß zu machen, damit sich seine Unschuld erweise. Allerdings beklagte er sich, daß er in den 23 Jahren, in denen er am mantuanischen Hof seine Gesundheit und seine geringen Mittel ohne jeden Nutzen verbraucht habe, nicht eine so ehrenvolle Stellung wie in Salzburg erlangt habe. 1616 Mai 16. Francesco Campagnolo aus Salzburg an den Herzog Ferdinando nach Mantua:29 Essaminando molto diligentemente la conscienza mia (Ser[enissi]mo Sig.re), non sò trouare in lei pur macchia di peccato, ond’ io meriti di essere accusato di fellonia et chiamato colpeuole di delitti atrocissimi contra la persona di V A Ser[enissi]ma, cosa ueramente altretanto empia da credersi da nissuno, quanto impossibile da capirsi nell’ingenuo animo mio. Ma bench’ 29 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 527.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich io cred’ al sicuro ciò essere effetto d’un improuiso conceputo sdegno per l’inaspettata mia partenza, neccessitata dalle molte miserie, ch[e] per tanti modi, et in diuersi tempi ho significato à V A Ser[enissi]ma. La supplico nondimeno instantemente à comandare ch[e] sia formato rigoroso processo contra la persona mia di quanti misfatti ho commesso in tutto ‘l tempo di uita mia, ch’ io m’ essibisco da fedele suddito, e seruitore di constituirmi uolontario prigioniero nelle forze di q[ues]to Ill[ustrissi]mo Prencipe di Salsburg, ò di qual’ altro comanderà V A per giustificar tutte le mie attioni, et far apparir più chiara presso ‘l mondo l’innocenza mia et con q[ues]to mezo acquistandomi non poca gloria appresso di tutti le restarò molto obligato di fauore ch[e] mi haurà fatto non uolendo. E ben uero Ser[enissi]mo Sig.re, ch[e] più tosto desidero (et ne la prego per le uiscere di Christo) che mi lasci goder in pace quelli honoreuoli commodi, che Dio per sua bontà mi concede, et ch[e] per lo spatio di uentitre anni non ho giamai potuto meri|tare nella Corte di V A Ser[enissi]ma, doue ho consumato il tempo, la salute, e la mia poca robba senza frutto alcuno. Ma faccia però quel, che Dio le inspira, ch’ io raccomandandomi intanto, come ho sempre fatto alla sua D[ivi]na M.tà la supplicarò diuotamente à protegere l’innocenza mia, con che a V A Ser[enissi]ma humil[men]te inchinandomi, prego il Sig.re che le dia la sua santa pace, uita longa, e felice.

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Einen Monat später, nach der offenbar scharfen Antwort des Herzogs auf seinen Brief, bekräftigte Marcus Sitticus seinen Standpunkt, ihn träfe keine Schuld daran, daß Campagnolo den Dienst der Gonzaga verlassen habe. 1617 Juni 15. Fürsterzbischof Marcus Sitticus von Hohenems aus Salzburg an den Herzog Ferdinando nach Mantua:30 Può esser sicurissima V.A. che già mai fù mio pensiero porre, com’ ella dice, in bilancio le bugie del Caualier Campagnolo co’l testimonio della fede di lei, qual è da me stimata quanto conuiensi; e si come la tengo per Prencipe, che professa, come scriue, giustitia, cosi à tale non credo già mai possa esser discaro il sentir rappressentar le ragioni degl’ incolpati. Che poi il Campagnolo sud[ett]o quando non hauesse tenuto sicuro l’appoggio mio, non fusse per hauer hauuto ardire di partire, ò più tosto fuggire, per replicar l’ist[esse] parole della lettera, dal seru[izi]o di V.A. bisogna ch’ella lo rappresenti ò colpeuole di quegl’ atroci delitti, che le sono stati p­ ersuasi, ò nò: se delinquente, sarebbe da presupporre, che quando non ­h auesse ­saputo doue hauer à magnare, hauerebbe pria [?] la fuga per saluarsi la uita, et cer30 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 520.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa carto [sic] di ricourar questa in ogni altro luogo, che, quà da me, oue uien’ professata tanta osseruanza uerso l’A.V.: se non è colpeu[ole] de’ ­sudetti misfatti, et hà fatto tutto il possibile per partirsi con buona ­l icenza, e gratia dell’A. V. et fattole per tanti notificar il suo pensiero, che haueua di procacciarsi altro seruigio; non mi persuado dalla cortesia di lei ch ’ella sij per recarsi disgusto ch’ io gl’habbia dato ricapito, tanto più che la posso assicurare che la prima uolta, quando fù quà, e mi dichiarò il suo pensiero, com’ egli stesso può testificare, gli dissi anco espressam[en]te che non poteuo persuadermi ch’ egli dicesse da douero di uoler abbandonar il seru[izi]o di V.A. e che però meno uoleuo dargli parola di riceuerlo: à che egli m’affermò non poter più per alcuna maniera continouarui, e quando io non l’hauessi uoluto accettare, ne più ne meno era risolutissimo uoler procacciarsi altroue sua uentura; in che uedendolo io ogni giorno più fermo, e repplicandomelo nel punto della sua partenza, io all’hora gli promisi seruigio, | stimando che mentre egli era risoluto di partir in ogni modo di costi, fusse V.A. per sentir più gusto che seruisse à me, che professo stimar, et osseruarla tanto, che forsi ad altro Principe, mentre che stando appò di me, può ella esser sicurissima che non solo di lui, mà di quanto possiedo in ogni occasione di seru[izi]o di quella, è per poter disporre, come se lo hauesse in propria casa; et in questo e non altro senso pregola accettar quanto dal canto mio in questo particolare e occorso. Quanto poi alli delitti, de’ quali uien’ imputato, come di sopra hò d­ etto, dò quella fede alle parole di V.A. che si deue: mà dall’altra banda la prego concedermi licenza ch’ io le dica che, l’hauer il Campagnolo così all’aperta e da tanto tempo in quà parlato del suo partire, et fattole chieder humil ­licenza da diuersi Ministri principali e Caualieri, l’hauer procurato seruigio ­appresso di me, che si sà che le son’ tanto seru[ito]re, che non darei ­r icapito meno ad uno, à chi pur passasse per pensiero, et à me fusse noto, cosa contro la Seren[issi]ma persona e stato di V.A.; l’essersene passato à Verona e t­ rattenutouisi publicam[en]te otto giorni; l’hauer lui stesso con humil lettera da essa Città insinuatole, doue era dirizzato il suo uiaggio; l’esser la seruitù sua, i suoi costumi passati conosciuti quali sono, l’esser scritto anco in quà da persone di molta qualità, che affermano la sua ­innocenza, e perciò essersi publicato quà non solo, mà anco altroue, non peruenirgli questa disgratia da altro capo, che da quello della sua partenza; hanno impresso appo gli più, opinione tale, che può V.A. con la molta sua prudenza giudicare quando non accertato et informato non per mia, mà per publica giustificat[io]ne de’ suoi imputati misfatti io pigliassi risolutione contro di lui, come mi sarebbe ciò per esser interpretato; […] dal giuditio, che ne farebbe il mondo, mi solleuarebbe la semplice parola di V.A. quale

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich sò per l’osseruanza le hò sempre portata, e per quanto si ricorderà anco operai per suo seruigio in Costanza, non hauerà un minimo dubbio della mia continouata osseruante uolontà uerso di quella. Insomma il Caualier ­Campagnolo è quà, e, come le scrissi, tanto sicuro per lei, quanto s’ella l’hauesse nelle proprie mani, og[ni] uolta ch’ella si compiaccia ­solleuarmi dalla di sopra accennata difficoltà, ò [con] communicarmi il processo ò, più compiacendosene, con inuiar persona in quà, che lo tiri innanzi, e ritrouandolo colpeuole m’assicuri della sua colpa, certificando[le] che in ­Mantoua istessa non sarà data più commodità per giustitia di quello sar[à] per dar io à chi ella inuiarà per tal effetto; e quello si trouarà che il ­Caualier Campagnolo habbi meritato, sarà da me esequito puntualm[en]te; et caso non uogli V.A. l’esequisca quà, lo farò consegnare in mano di chi ella | commandarà in modo tale, ch’ ella potrà assicurarsi quanto io sia nemico di attioni brutte, e de’ traditori de’ suoi Prencipi, et quanto io uiua seruitore à lei. Mà se anco, come molte uolte suol succedere particolarm[en]te nell’occasione delle partenze dalle Corti, nelle quali si sogliono all’hora scoprir i persecutori, ella ritrouasse che quanto alla colpa di quei si atroci delitti contra la persona, è stato di lei, ella fusse stata mal informata, pregola per amor mio, se alcun’ sdegno è in lei per conto della sua partenza, à uolerlo mitigare e contentarsi che, già ch’ egli per diuerse occasioni à V.A. rappresentate in parte, hà presa risolut[io]ne di procacciarsi altro seru[izi]o, più tosto serui à me, che ad altri; mentre, come di sopra hò detto, può anco esser certissima che in ogni occ[asio]ne potrà preualersene, e disporne come se l’hauesse in Corte sua; et io m’apparecchio a riconoscerlo per gratia della sua mano per il desiderio, ch’ho che V.A. si conserui questo seru[ito]re qual hò conosciuto sempre leal[issi]mo e fidel[issi]mo di quella, et ogni giorno maggiorm[en]te me n’ accerta.

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Das nächste, umfangreiche Schreiben Campagnolos nach Mantua ist an einen ­Geistlichen, vielleicht den im Brief vom 18. April 1619 genannten Abate Iberti, ­gerichtet. Ihm erklärt er, daß der wahre Grund für seine Abreise aus Mantua die Absicht war, seine Schulden zu bezahlen; dort sei ihm das selbst nach dem V ­ erkauf eines Hauses wegen der knappen Bezahlung nicht möglich gewesen. Er habe dies den Herzog mehrmals wissen lassen; seine Kritik an dessen Reaktionen, der ihn mit Kleidergeschenken abspeisen wollte, ist ziemlich deutlich: er glaube, daß Mantua schon die Welt sei und wisse nicht, wie ihn andere Fürsten ehrten und ­b eschenkten. Sein Aufenthalt am Salzburger Hof beweise dies. Als Höhe seiner Schulden nennt er etwa 600 Scudi. Sowohl aus diesem Brief als auch aus dem vom 21. Juni 1618 geht hervor, daß er Mantua ohne Erlaubnis des Herzogs verlassen hatte. 29

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa 1617 November 30. Francesco Campagnolo aus Salzburg nach Mantua:31 Mando à VS Ill[ustrissi]ma et R[everendissi]ma la fede autentica della mia uiuenza, acciò mi fauorisca di pagare conforme alla sua promessa le ­c inquanta doble di Spagna à Padri di Santa Agnese, ch’io li deuo, sapendo ella benissimo, come sa tutto il mondo, ch’il mio uero, e real pretesto della mia partenza di Mantoua, non è stato altro, ch’ il uolere pagar li miei debiti, et così sodisfare in un istesso tempo alla conscienza, et riputation mia, et tanto più, che V S Ill[ustrissi]ma me l’ha comandato in nome di S A Ser[enissi]ma più di una uolta, come anco il | Sig.r Giulio Cesare ­Pauesi; ne hauendo il modo di poter sodisfare à miei creditori senza morirmi di fame, hauendo in cotesta Corte così tenue trattenimento, et ogni dì impegnandomi per seruire à S A, doppo l’hauer uenduto una Casa, cose tutte uerissime, fui pe[r]suaso dalla neccessità, et condition de tempi, che mi negaua l’addimandar cosa alcuna al mio Sig.re che sapeua benissimo tutte le mie miserie, hauendogliele significate in tanti modi, et per tanti mezi, chiederle humilmente licenza, di andermene [sic] fuori della patria à farmi qualch[e] fortuna, prima per lo Sig.r Conte Striggio duoi anni sono di Carneuale, ch[e] mi rispose in nome di SA, ch’io ero fatto mal sano, et però non uoleua, ch[e] più uscissi di Casa, carità in uero, ch[e] molto mi ha obligato, la seconda per lo Sig.r Conte Brusco à Porto, à ch[e] SA mi rispose di propria bocca, ch[e] mi hauria dato ogni commodità, et aiutato in tutto, ma ch’io gli era caro, ne uoleua, ch’ in alcun modo mi partissi dal suo seruitio, et così accomodò tutti li miei bisogni con un uestito, ch[e] mi donò. La terza addimandai per Madama Ser[enissi]ma di Ferrara pare à Porto, et per l’Ill[ustrissi]mo et Eccell[entissi]mo Sig.r Don Vincenzo, et mi fece rispondere per la cod[est]a Sig.ra che uoleua ch’io fossi alle sue Nozze, et ch[e] non era, ne suo, ne mio honore andare da principi stranieri, quasi buffone, et ch[e] mi hauria donato qualch[e] cosa, come se perciò hauessi procurato licenza, et mi donò un altro uestitino, non essendo SA informata, come io sia honorato da Prencipi, e Regalato, et q[ues]to è stato il disordine, perch[é] non si crede ch[e] ui sia altro mondo che Mantoua. anzi dico, et hora lo mostro in proua, che con molto maggiori differenza d’honore, et di grado, et di utile me ne stò in q[ues]ta Corte, come potrei fare anco in alcun’ altra, quando q[ues]ta non mi piacesse, ch[e] non era per fare mal à Mantoua, perch[é] per essere nato et alleuato in cotesta Città hanno mostrato di stimarmi molto meno di quello habbiano fatto forastieri di tal sorte, ch[e] al sicuro moririano di fame in altre Corti, ma buon per loro ch[e] l’hanno indouinata.

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31 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 527.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich la quarta per lo Sig.r Don Giouanni Gonzaga doppo fatte le Nozze, à cui uolsi pur intrauenire, ancorch[e] io fossi lontano, et di mezo uerno, ch[e] pur mi diede non solo negatiua, ma brauata, et ultimamente per lo Sig.r Claudio Gonzaga, ch[e] mi rispose, ch[e] per all’hora SA non uoleua darmi licenza. Et tutti q[ues]ti sempre co’l sod[et]to pretesto hanno pregato SA in nome mio à licentiarmi, non già per sempre, ma per alcun tempo, fin à tanto, ch’ io hauessi sbrigato li miei negotij, et accommodate le mie cose famigliari, come per ultimo suggillo mi dichiaro nella lettera, ch’io scrissi à SA di Verona. Et perch[é] dunqe Sig.r Conte così fiera|mente il mio Sig.re mi perseguita in uece di compatirmi? et ch[e] offesa ho io fatto à SA nel diffender me stesso dalle neccessità, et miserie, ch[e] m'aff ligeuano? non è forse instinto naturale, e comune a tutti gli animali ancorch[é] iraggio­ neuoli il difendersi da tutto ciò, ch[e] lor noce? et perch[é] dunque deue esser uietato à me, ch[e] son huomo ragioneuole, et huomo, ch[e] desidero uiuere con buona fama, et miglior conscienza? Se q[ues]to non mi uoleuano concedere, sapendo il mio bisogno, doueuano in qualch[e] maniera solleuarmi, perch[é] così, era neccessario uiuere, e non pagare i debiti, ò pagare i debiti, e non uiuere, questo direttiuamente contrario al precetto di Natura, l’altro alla retta conscienza. Tutto questo fascio di cose ho fatto, e forse con tedio di VS Ill[ustrissi]ma et R[everendissi]ma, acciò ella come discreto, et amoreuole mio Sig.re mi compatisca, et supplichi SA in nome mio à compatirmi, et rimettermi nella sua Ser[enissi]ma gratia informandosi meglio del stato delle cose mie di costì; ne procuri di hauer per forza quello, ch[e] puo hauere per amore; poich[é], non ostante ogni persecutione fattami, stò fermo nel mio primo proposito, et uiuo, e uiurò sempre fedelissimo ­suddito, e seruitore di SA, et spero di farglielo conoscere fra qualch[e] tempo, ma in tanto mi dia campo da poter accommodar li miei incommodi, ch[e] dipendono da sei cento scudi in circa di debiti, oltre à’i pegni, ch’io riscossi l’anno passato dalli Ebrei, co’l dinaro di q[ues]to Prencipe, quando tornai di Germania, ch’ erano in pegno alla somma di trecento scudi, et per quelli, et altri debiti non uidi allegrezza di ducento, et cinquanta ongari, ch[e] mi donò con un diamante, e doi Caualli. Hor guardi VS Ill[ustrissi]ma et consideri molto bene, et con pietà, et carità queste mie miserie, et ella stessa giudichi s’io merito compassione, ò castigo. Concludendo dirò solo ch[e] uiuo ambitiosissimo della gratia del Ser[enissi]mo mio Sig.re se ben son lontano, et se VS Ill[ustrissi]ma me ne darà qualch[e] speranza con due sue righe, sperarò ancora di tornare à Mantoua, quando anco nò, pregarò Dio, ch[e] m’inspiri quello, ch[e] debbo fare per accommodarmi, et farò conto di essere nato in Germania, et conforme al consiglio de miei amici andarò disponendo le cose mie per trouare qualch[e] riposo nella mia uecchiaia,

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa et ciò in uero potrei fare accosandomi, hauendo assai buona occasione in pronto, ma uoglio star à uedere, se posso con ogni humiltà placare l’ira del mio Sig.re, che sò essere clemente con chi l’offende, et tanto più lo deuo credere uerso di me, ch[e] non ho mai hauuto pur un minimo pensiero di offenderlo, ma si ben di seruirlo. Mi scusi VS Ill[ustrissi]ma della prolissità, ch[e] non era già mio proposto di usare, quando incominciai à scriuere, ma l’abon|danza del soggetto ha fatto copiosa la penna. Mi raccomando alla sua prottetione, et le faccio riuerenza pregando il Sig.re ch[e] la conserui sana, e felice.

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Der nächste Brief Campagnolos nach Mantua ist anscheinend an den Hofzahlmeister gerichtet. Er offenbart, wie der folgende an den Herzog, warum er sich so sehr um dessen Gunst bemüht: die ihm zustehende, aber eingestellte Pension sollte zur Deckung seiner Schulden verwendet werden. 1618 März 2. Francesco Campagnolo aus Salzburg nach Mantua:32 V.S. Ill[ustrissi]ma si ricorderà, che l’anno passato in Mantoua si obligò per me di pagare il debito di cinquanta doble di Spagna, ch’io tengo con li padri di S.ta Agnese, ciò é al padre Priore, com’ appare per un scritto da me fatto, et da lei accettato, con li dinari de la pensione, ch[e] mi deue pagare annualmente; ma non solo ell’ ha sodisfatto al sod[ett]o debito, ma ne anco s’è degnata di rispondere ad una mia, ne la q[ua]le di ciò molto la pregaua. Hora di nouo prego VS Ill[ustrissi]ma à uoler sodisfar il sod[ett]o Padre del suo credito, che oltre, ch’ella farà quel, ch[e] deue io glie ne restarò ancora molto obligato; poich’ ella sà molto meglio di me, che cose simili si possono differire, ma non fuggir di pagarle. et se bene mi scriuono, ch’ella si scusa con dire, ch[e] SA glie l’ha prohibito; sò però, ch’ il Ser[enissi]mo Sig.re Duca suo, e mio Sig.re, è Prencipe così discreto, et amico del giusto, che, se bene si mostra non poco contra di me adirato, non dirò per grandezza d’ animo, ch’è propria d’ un gran Prencipe, ma per non far uiolenza a la gius[ti]tia, facilmente si rimetterà in ragione co’l buon consiglio di VS Ill[ustrissi]ma, officio proprio di lei, e de la prudenza sua, et si contentarà, ch’ella sodisfaccia à q[ues]to et ad altri miei debiti con la sod[ett]a pensione, essendo q[ues]ti stati la cagion principale perch’ io mi sia partito di Mantoua mia patria, mà poco grata, à la q[ua]le non posso tornare, se prima non ottengo il fine, che mi son proposto. Ma quando pure appresso di SA Ser[enissi]ma ne di VS Ill[ustrissi]ma non uaglia alcuna mia ragione; il tutto rimetterò à le loro buone conscienze; è ben uero, ch’ in tanto mi 32 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 527.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich aiutarò coi termini di giustitia conuenienti à simili negotij, per rihauere il mio, non già per dispiacere à lei, à cui per altro uiuo certo seruitore; ma ella sà bene, che con buona conscienza non può tener altrui, e ch’io con uera giustitia posso addimandare il mio. Ma perch[é] spero, che la prudenza di VS Ill[ustrissi]ma non uoria dare occasione à me di affaticarmi, ne à lei di disgustarsi; starò aspettando auiso d’una desiderata | essecutione di questo mio negotio, di ch[e] glie ne restarò molto obligato.

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1618 Juni 21. Francesco Campagnolo aus Salzburg an den Herzog Ferdinando nach Mantua:33 Se gli errori comessi per neccessità meritano perdono, ò scusa alcuna, il mio per certo trouerà l’un’, e l’altro presso la clemenza di V A Ser[enissi] ma. Poiche per sottrarmi à la grauezza de molti debiti, che m’opprimeuano, fui necessitato prendere risolutione contraria, e à la uolontà di lei, et mia insieme; abenche molte uolte, et in diuersi tempi l’hauessi per ciò di gratiosa licenza supplicata. Io non di meno, qualsisia il mio errore presso di V A, ò degno di scusa, ò nò; humilmente la supplico perdonarmelo, et condonarlo à qualche altro merito, che nel corso di molt’ anni haurò per auentura acquistato nei seruigi de la Ser[enissi]ma sua Casa. Et perch[é] il primo mio et ultimo proposto fù, et è di tornare à la patria, et al seruigio di V A Ser[enissi]ma, quando ella se ne compiaccia, al’hora, ch’io haurò sodisfatto à miei creditori; la supplico, che si degni di aiutarmi ad esequir così honesto pensiero, comandando, che mi sia liberamente pagata la mia pensione, ­g ratia da la magnanimità di lei riceuuta, per cui le sono obligatissimo, et non ingrato, come altri forse mi stima. Che così in breue spatio di tempo sciogliendo quel laccio, che mi tien legato fuori de la Patria, et lontano da V A, uerrò uolando à lei, purche mi sia concesso da la Ser[enissi]ma sua gratia, ne la quale instantemente la supplico rimettermi come prima, promettendole di seruirla per l’auenire con quella istessa fede, et affetto del core, con che sò in conscienza mia di hauerla seruito per l’adietro. Ne di più mi uantarò di fare, non hauendo perciò maggior capacità ne l’animo mio. Intanto sperando da V A ogni honesta, e bramata consolatione le faccio humilissima riuerenza, augurandole dal Sig.re longa, e felice uita. 1618 Juni 23. Francesco Campagnolo aus Salzburg an den Herzog Ferdinando nach Mantua:34 Gleichlautend mit 1618 Juni 21. 33 Ebenda. 34 Ebenda.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Den selben Zweck verfolgt ein Schreiben Campagnolos vom nächsten Jahr an einen nicht näher bestimmbaren Angestellten des Herzogs: es soll das Mißverständnis auf klären, das seine nicht erhaltene Antwort an den Abate Iberti auf die Einladung, wieder in die Dienste des Herzogs zu treten, hervorgerufen hat: er habe wohl geschrieben, er lege mehr wert auf die Gunst des Herrschers als auf sein Brot, doch sei dies die Folge von mehreren Briefen gewesen, in denen ihm mitgeteilt worden sei, Ferdinando habe ihm verziehen und erteile ihm die Erlaubnis zur | Rückkehr in seine Heimatstadt, wolle jedoch seine Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen. Wieder betont er, wie günstig seine Stellung am Salzburger Hof sei.

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1619 April 18. Francesco Campagnolo aus Salzburg nach Mantua:35 Confidato nella antica seruitù ch’io tengo con V S, et nell’ affetto, ch’ella mi ha sempre mostrato, ardisco di pregarla di un cortese officio conforme il solito suo uerso la persona mia, appresso il Ser[enissi]mo nostro commune Signore, et è, che rispondendo io ad una lettera del Sig.re Abbate Iberti, nella quale m’inuitaua à tornare al seruitio di cotesta Altezza, scrissi, ch’io ambisca più tosto la gratia, ch ‘l pane, poich[é] questo non era il mio principal interesse, credendo ch[e] SA non uorebbe più il mio seruitio, ne io addimandaua altro à SA, ch[e] la sua gratia, et essendo stata interpretata la mia lettera con senso tanto diuerso dalla mia intentione; prego con ogni affetto del core VS à uolere in nome mio disingannare il Ser[enissi]mo Sig.re Duca, e dire à SA Ser[enissi]ma ch[e] quello, ch’è stato interpretato disprezzo è stato riuerenza uerso SA, e poca stima della mia persona, persuadendomi, ch[e] SA non mi stimasse degno, ò meriteuole di rimettermi nell’istesso punto, e nella sua gratia, e nel suo seruitio, e tanto più me sono assicurato per molte lettere continouate di Don Pietro Freyle ch[e] presso di me tengo, nelle quali mi scrisse, ch[e] hauendo trattato il mio ritorno con SA Ser[enissi]ma haueua accordato, e concluso con quella, ch’io douessi ritornare à Mantoua, ch[e] mi haurebbe perdonato ogni disgusto passato, e riceuuto in gratia promettendo da Prencipe di non offendermi in modo ­a lcuno, anzi ch[e] tosto mi hauria fatto pagar li miei auanzi dal Sig.re ­Abbate Iberti, ma che di me non uolea più seruirsi in alcun modo. Onde Sig.re mio, uedendomi totalmente escluso dalla speranza di seruire più a SA, risposi di quella maniera al sod[ett]o Sig.re Abbate, poich[é] non u ­ olendo SA essere da me seruita, e dichiarandosene con chi ha trattato questo negotio, non deuo anch’ io lasciar il certo per l’incerto, ne di ciò si deue dolere 35 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 527.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich il Ser[enissi]mo mio Sig.re sapendo, ch’io sono huomo di pouera fortuna, et non ho altro ch[e] qualch[e] talento da Dio donatomi, acciò mi possa procacciare il mio bisogno, et aiutarmi dai disagi, et incommodi del mondo; ch’ in diuersi modi Sua D[ivi]na M.tá compatisce le sue gratie, et sò bene ch’ il Ser[enissi]mo Sig.re Duca mio Sig.re è prencipe christiano, et per natura pietoso, et humano, ch[e] non uorrà, negandomi il suo pane, uietarmi, ch ’io lo cerchi altroue con li miei uantaggi, se bene, non seruendo à SA, non dourei cercarlo altroue, ma go|der q[ues]to ch’io mangio al presente in questa Corte con tanti commodi, e con mia molta riputatione si ch[e] torno à dire di bel nouo, ch’io ambisco la gratia più, che ‘l pane di SA, perch[é] quanto più deue essere da me stimata quella, ch[e] questo, tanto più deue essere da me ambita, e desiderata; ch[e] il pane mi può essere dato, e sò di poterlo hauere da molti Prencipi, ma la gratia del mio Sig.re naturale solo da SA la posso ottenere. VS dunque, la prego, faccia questo officio di carità di pregar SA à lasciar ogni sdegno ch[e] tiene con esso meco, rimettermi in gratia sua, e dar comissione al Sig.re Abbate, ch[e] paghi li miei creditori, accetti la mia uenuta à mantoua, acciò tornando con la buona gratia del mio Sig.re non mi diano qualch[e] molestia con mio danno, e scorno, con ch[e] pregandola, ch[e] mi perdoni di questa briga, che hora le do, et mi comandi come à suo uero seruitore.

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In welcher Funktion Francesco Campagnolo in Salzburg diente, läßt sich nicht feststellen; er wurde jedenfalls in den Besoldungslisten nicht geführt, 36 doch bei einem Faschingsaufzug im Februar 1618 als „corteggiano“ bezeichnet. 37 Der Herzog scheint den zuletzt in diesem Schreiben geäußerten Wünschen, daß die Schulden Campagnolos von seiner Pension bezahlt werden und er seine Rückkehr gestatte, entsprochen zu haben: schon bald – nämlich zwischen Juli und Oktober, also noch vor dem Tod des Erzbischofs im Oktober – war der Cavaliere wieder in Mantua. Dies ist durch einen Brief Claudio Monteverdis bezeugt, der bei einem Aufenthalt in dieser Stadt bei oder kurz nach dem Tod des herzoglichen Kapellmeisters Sante Orlandi im Juli im Haus seines ehemaligen Schülers ­Campagnolo wohnte. 38 Wahrscheinlich im Gefolge der Kaiserin Eleonora I. aus dem Haus ­Gonzaga, der Schwester des Herzogs Ferdinando, kam er wieder nach Österreich, denn im Juli 1622 befand er sich am Kaiserhof, der sich zu dieser Zeit in Ödenburg aufhielt, und sollte bald mit dem Hofkapellmeister Giovanni Priuli nach Italien r­ eisen. Das 36 Landesarchiv Salzburg, Geheimes Archiv XXIII/4/1, Besoldungslisten 1616 Dezember, 1617 Februar und 1619 Oktober. 37 Johann Stainhauser: Relation. A-Whh, Hs. R 35/5, fol. 120 r. – Siehe auch Ludwig Welti: Graf ­K aspar von Hohenems. Innsbruck 1963, S. 178. 38 De’ Paoli: Claudio Monteverdi. Lettere, dediche e prefazioni, S. 151.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Kaiserpaar war mit seinen Leistungen sehr zufrieden. 39 Im folgenden Jahr schrieb 27 die Kaiserin aus Regensburg an ihren Bruder nach Mantua, daß | Ferdinand II. Campagnolo mit der Zusammenstellung eines vollkommenen Violenensembles beauftragt habe; dieser meinte, man benötige dazu Instrumente, die der Herzog in Auftrag geben müsse, also anscheinend solche von matuanischen Geigenbauern.40 1623 März 15. Kaiserin Eleonora I. aus Regensburg an den Herzog Ferdinando nach Mantua:41 Desiderando l’Imp[erato]re mio S.re di hauere un concerto di Viole, che fosse di tutta perfettione, lo fece incaricare al Cauaglier Campagnolo, et egli auisa hora Il Priuli, che hauendone procurato la giusta misura, che non si può hauere senza l’A.V., ch’ella s’haueua preso à carico di commandare, che fossero fatte. Hora perche d[ett]o mio S.re desidera in estremo di hauerle il più presto che fia possibile; mi è passo di farne molto all’A. V., assicurandole che col pensiero che si piglierà per q[ues]to incontrerà il gusto della M. tà S. in modo, che le ne resterà obligata. Am 28. August 1624 ist Campagnolo in der Villa Imperiale der Erzherzogin von Ö ­ sterreich und Großherzogin der Toskana Maria Magdalena als Sänger der ­C anzone delle lodi d’Austria aus Anlaß des Besuchs eines ihrer Brüder, des Erzherzogs Karl, nachgewiesen. Die Musik dazu stammte von Jacopo Peri, der Text von Andrea Salvadori.42 Mindestens bis 1627 dürfte Campagnolo dann in Mantua bzw. im Dienst der Gonzaga geblieben sein.43 Dann scheint er zu Erzherzog Leopold V. nach Innsbruck gegangen zu sein. Im September 1629 war er dort mit den Vorbereitungen einer „Comoedi“ – wahrscheinlich einer Oper –, die in Zusammenhang mit einem Ballett genannt wird, betraut.44 Er hätte auch die Beiträge des Erzherzogs zu den Feierlichkeiten anläßlich der Hochzeit des Königs Ferdinand III. von Ungarn mit der Infantin Maria von Spanien im Jahr 1631 arrangieren sollen, starb aber schon am 7. Oktober 1630 in Innsbruck. Bald darauf, am 24. November, suchte Leopold V. bei der Infantin Isabella Klara Eugenia in Brüssel um einen Ersatz für Campagnolo an, der, wie er schrieb, ihm lange Zeit bei der Veranstaltung und Produktion von Konzerten und 39 Giovanni Priuli: Brief an den Herzog Ferdinando nach Mantua, Ödenburg, 23. Juli 1622. – Siehe Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 98. 40 Der Herzog hatte auch dem Großherzog der Toskana Violen geschickt. Siehe dazu Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 98. 41 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 434. 42 Solerti: Musica, ballo e drammatica alla corte Medicea dal 1600 al 1637, S. 173. – Vogel: „Marco da Gagliano. Zur Geschichte des florentiner Musiklebens von 1570–1650“, S. 536. 43 De’ Paoli: Claudio Monteverdi. Lettere, dediche e prefazioni, S. 352. 44 Walter Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Innsbruck 1954, S. 228.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich musikalischen Unterhaltungen zur vollen Zu|friedenheit gedient habe. Nach dem 28 Zeugnis von Giovanni Battista Doni war er ein ausgezeichneter, geradezu dafür geborener Opernsänger gewesen.45 Eben zu der Zeit, als Campagnolo nach Salzburg f lüchtete, befand sich ein weiterer Sänger des Hofstaats des Herzogs von Mantua ebenfalls im Deutschen Reich, nämlich der um 159146 geborene Tenor Bernardino Pasquino Grassi. Am 9. Oktober 1615 war er zusammen mit Giovanni Gualberto Magli, von seinem Landesherrn gesandt, an den Hof des Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg verpf lichtet worden.47 Der Kastrat Magli hatte 1607 als Knabe in Mantua eine Rolle im Orfeo gesungen und sollte auch 1608 bei den Mantuaner Feierlichkeiten mitwirken. Er war in Diensten der Medici.48 Im Jänner 1616 drückte der Kurfürst dem Herzog in einem Brief seine Zufriedenheit mit dem hier nicht namentlich genannten Musiker aus,49 und am 1. März unterzeichnete er Grassis und Maglis Bestallungsurkunden, in denen er sich verpf lichtete, die beiden Sänger nicht gemeinsam mit dem übrigen Chor, sondern nur gesondert – also solistisch – einzusetzen. 50 Am 9. September 1616 schrieb der Herzog von Bayern an den Herzog Ferdinando, Grassi, der sich auf der Rückreise nach Italien befinde, habe ihm vorgesungen.51 Aufschluß über die näheren Umstände dieses Aufenthalts in München und sein weiteres Schicksal bietet ein bisher unbekanntes, mit dem vollen Namen „Bernardino Pasquino Grassi“ unterzeichnetes, leider schon sehr verblaßtes und durch Flecken beschädigtes Schreiben vom 14. Jänner 1617 aus Bonn an den Herzog nach Mantua: Er hatte vom Kurfürsten Johann Sigismund die Erlaubnis zur Abreise bekommen und war im August vorerst zum Bischof von Bam|berg, Johann Gottfried 29 von Aschhausen (um 1566–1622), gereist. Sein Ziel war zunächst Mantua gewesen, doch als er in München erfahren hatte, daß der Kurfürst von Brandenburg seine Hofmusik verkleinert hatte und er deswegen entlassen worden war, hatte er seine Reise nicht fortgesetzt, sondern war nach Köln an den Hof des dortigen Kurfürs45 „Trattato della musica scenica, capitolo XLVI“. In: Giovanni Battista Doni: Lyra barberina. ­Firenze 1743, S 135. Zitiert bei Guglielmo Barblan, Claudio Gallico und Guido Pannain: Claudio Monteverdi. Torino 1967, S. 81. 46 Im November 1654 bezeichnet ihn der Hofkapellmeister Antonio Bertali als „63jährigen und krankhen Man“. Siehe Herwig Knaus: Die Musiker im Archivbestand des kaiserlichen Obersthofmeisteramtes (1637–1705). Bd. 1. Wien 1967, S. 18 f. 47 Curt Sachs: Musik und Oper am kurbrandenburgischen Hof. Berlin 1910, S. 48 f. 48 Angelo Solerti: Gli albori del melodramma. Bd. 1. Milano 1904, S. 68. – Sachs: Musik und Oper am kurbrandenburgischen Hof , S. 48 f. 49 Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 96. 50 Sachs: Musik und Oper am kurbrandenburgischen Hof, S. 214 f. 51 Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 96, und Trautmann: „Italienische Schauspieler am bayrischen Hofe“, S. 288, drucken diesen kurzen Brief ab, identifizieren aber den hier nur mit seinen Vornamen Bernardino Pasquino bezeichneten Musiker nicht mit Grassi.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa ten und Erzbischofs, Ferdinand von Bayern, gereist. Grassi bat nun den Herzog als sein Untertan um Erlaubnis, in diesem für ihn sehr günstigen Dienstverhältnis verbleiben zu dürfen. 1617 Jänner 14. Bernardino Pasquino Grassi aus Bonn an den Herzog Ferdinando nach Mantua:52 Hauendo io […] continouare la seruitù del Ser[enissi]mo s.r Marchese ­Elettore di Brandimb[urg]o […] quello dell’anima d’ incommodo euidentiss[im]o […] s.r l’ottenuta licenza cosi d’ Agosta par[tito] [?] […] con Marco P. […] huomo di Camera dell’Ecc[ellentissi]mo s.r D. Ant[oni]o Medici il Musico […] ino et il cauallerizza [sic] di quell’Altezza, capitammo nella Città di Pamberg; il di cui Vescouo hauendo di già inteso chi noi ­erauammo si compiaque molto a honorarci, ed a me particolarm[en]te diede la l[ette]ra ch’io rimetto a V.A. sebene tardi per la gelosia hauuta che per la uia dell’ordinario non si perdessero, inisieme con l’altre dua di quei Prencipi a quali l’A. V. mi grazio di raccomand[atio]ne che più che mediocram[en]te in uirtù di q[ue]lla compartirono à la persona mia i suoi fauori e grazie. Determinato haueua di personalmente presentarle à V.A. però che me ne ueniuo à Mant[ov]a quando in Monaco intendendo hauere l’A.S. ridotta ne migliori la Musica presi consequenza di non hauer più luogo nel solito mio seru[iti]o, et perciò ritornando indietro sono capitato nella Corte del Ser[enissi]mo Ferdinando Elettore di Colonia da cui mi è stato conceduto beniss[im]o trattenim[en]to. Vado persuadendomi, che dalla uera benignità di V.A. mi sarà conceduto il poter continouare cotesta incominciata seruitù, si per esser all’A. V. Principe parente, come per l’utilità, che me ne prouiene, di quale sendomi stata de suoi beni la fortuna scarsa [?] tengo indigenza grande, la qual cosa quando non sia con perfetta gr[azi]a di VA, sendole io, e per obligo d’humiliss[i]mo suddito, et per mera deuozione tenuto a sparser il sangue anteporrò sempre ad ogni minimo auiso di contraria uoluntà il seruiggio di VA. ad ogni mio particolare interesse. Se VA S[erenissima] resterà seruita, ch’io possa hauere presso di me la l[ette]ra del ser[enissi]mo di Brandimb[urg]o che mi sarà testim[oni]o d’hauer prontam[en]te essequito il command[amen]to di VA: et di non hauer se non operato uir|tuosam[en]te, et […] mentre sono stato in quel seru[izi]o mi concederà gr[azi]a singolariss[i]ma. In questo mentre dalla mano che può il tutto prego à VA. ottimo fine à gli Augustiss[i]mi suoi pensieri, lunghiss[i]mo corso de feliciss[i]mi Anni et le faccio humiliss[im]a riuerenza.

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52 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 527.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich Im August dieses Jahres kam Grassi im Hofstaat des Kurfürsten nach Salzburg,53 wo er wahrscheinlich auf seinen Landsmann Campagnolo getroffen ist. Um 1620 dürfte er dann in die Dienste der Habsburger getreten sein,54 wahrscheinlich beim Erzherzog Albrecht VII., dem Frommen, dem Statthalter der Niederlande, in Brüssel. Nachweisbar ist er dort erst zehn Jahre später, als ihn der Erzherzog Leopold V. von Tirol von der Infantin Isabella Klara Eugenia, der Witwe Albrechts und nunmehr Statthalterin, für die Hochzeitsfeiern des Königs von Ungarn als Ersatz für den verstorbenen Campagnolo erbittet; er schreibt, er habe bei seinem letzten Aufenthalt in Regensburg gehört, daß Grassi außerordentliche Erfahrungen in der Produktion und Veranstaltung aller möglichen Arten von Konzerten und musikalischen Unterhaltungen habe. 55 Trotz verschiedener Bedenken, besonders im Hinblick auf die dadurch entstehende empfindliche Lücke in ihrer Hof kapelle, erklärte sich die Infantin bereit, Grassi zu dem Cousin ihres Gemahls zu schicken.56 1630 November 24. Erzherzog Leopold V. (aus Innsbruck) an die Infantin Isabella Klara Eugenia (nach Brüssel): A nostre dernier sejour a Ratisbone l’on nous at parlè d’vn certain Musicien qu’est au Seruice de V[ôt]re Dil[ect]ion nomè Bernardino Grassi, et prisè sa personne pour la singuliere experience qu’Il doibt auoir a faire et dresser toute sorte de Concerts et recreations musicales et | comme nous auons presente[ment] affaire d’vn tel Musicien pour le festin des Nopces du Roy d’Hongrie qui se doibt tenir; A cause que celuy que nous auons eü, et qui nous at long temps seruy en semblable proffession a nostre entiere satisfaction, nommè Fran[ces]co Compagnolo est venu a trespasser. Nous n’auons voulu en ceste occasion negliger la proposition qui nous at estè faict de la personne du susd[ it] Musicien de V[ôt]re Dil[ection]. Et partant Requerons bien affectuement V[ôtre] Dil[ecti]on que puisq[ue] nous auons affaire de sa personne pour le temps de la feste des d[it]s nopces, elle luy veuille permettre et donner licence, affin qu’Il puisse faire vn

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53 Johann Stainhauser: Relationen. A-Whh, Ms. R 48, fol. 110 v. 54 In einer Eingabe vom Jahr 1656 spricht er von „in die 36 Jahr gelaisten Dienst.“ Siehe Knaus: Die Musiker im Archivbestand des kaiserlichen Obersthofmeisteramtes (1637–1705). Bd. 1, S. 64. 55 Im deutschen Original des Briefes soll diese Stelle nach Edmond Vander Straeten: La musique aux Pays-bas avant le XIXe siecle. Bd. 1. Bruxelles 1867, S. 263, lauten: „in Zuerichtung allerhandt Kurzweilen sonderbare guete experiens tragen sollen.“ 56 Der erste Brief ist eine französische Übersetzung (Bruxelles, Archives generales du Royaume, Secretairie d’Etat Allemande 493) des von Vander Straeten: La musique aux Pays-bas avant le XIXe siecle, zitierten deutschen Originals, das aber ebenso wie der Dankbrief des Erzherzogs vom 24. März 1631 (Vander Straeten: La musique aux Pays-bas avant le XIXe siecle, S. 272) dort derzeit nicht auffindbar ist. Der zweite ist das Konzept oder eine Abschrift im selben Archiv, Secretairie d’Etat Allemande 53.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa v­ oyage par deca pour nous seruir en la d[it]e occasion. La quelle estant passee nous le laisserons a sa comoditè retourner par dela au seruice de V[ôtre] Dil[ection]. 1630 Dezember 6. Infantin Isabella Klara Eugenia aus Brüssel an den Erzherzog Leopold V. (nach Innsbruck): Wir haben auß E[uer] l[iebden] freundtlich sub dato de 24 Nouem[bris] Jüngsthien ahn Vnß abgangenem schreiben mit mehrerm woll vernohmen, welcher gestalt vnndt zu waß ende Sie Vnß freundtlich ersuchen thuen d[aß] wir Vnseren Hoff Musico vndt lieben getrewen Bernardino Grassi eine Rayße zu deroselben zu thuen erlauben vndt gestatten wollen, Vndt Sie sich wegen Zuruckfolgung desselben erpiethen thuen. Ob nun woll gewiß d[aß] erwehnter Bernardino nicht in zeiten droben wirdt anlangen vndt bey E[uer] l[iebden] sein können, wan Sie die Königin in Hungarn antreffen vnndt recontriren werden, Es auch sunsten mit derselben vorrayße alßo beschaffen d[aß] es keine gelegenheit zur musicq geben; Er Bernardino auch zu wien nit nöthig sein wirdt weile die Kayserliche musicq dermaßen mit allerhandt stimmen vnndt persohnen versehen, d[aß] wo dieselbe ist nichts ermanglet noch desiderirt werden kan. So haben wir yedoch E[uer] l[iebden] zu willfahren g[edachte]m Bernardino dero begern nach erlaubnus geben d[aß] Er zu deroselben rayßen vnndt Ihro aufwarten möge; Wiewoll solches nicht ohne Vngelegenheit geschehen kan, Sinthemallen durch ermanglung seiner Persohn die gantze musicq Vnserer Hoff Cappellen discomponirt wurdt zusunderheit aber gegen diese zeit da man d[as] weynachtliche Fest sollennisiren solte. Welches alßo E[uer] l[iebden] hiemit wir in antwort freundtlich nicht verhalten wolten. Andererseits behauptet der am Wiener Hof tätige Mantuaner Instrumentalist 32 Giovanni Battista Rubini 57 in einem Brief nach Mantua, er habe | dem Erzherzog Grassi geschickt, womit er vielleicht empfohlen meint. 1631 Jänner 31. Giovanni Battista Rubini aus Wien nach Mantua: 58

57 Nach Ludwig von Köchel: Die kaiserliche Hof-Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867. Wien 1869, S. 60 (Nr. 490), von April 1637 bis zu seinem Tod im Oktober 1643 als Instrumentist in kaiserlichen Diensten; durch diesen Brief ist er schon über sechs Jahre früher als Kammermusiker am Kaiserhof nachgewiesen. – Siehe auch Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 103. 58 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 496.

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Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich […] qui si fano gia preparacioni p[er] la regina che di sicuro si aspeta in ­u iena alli 15. di febraro: il ser[enissi]mo Arciduca leopoldo à gia mandato 12 caualli p[er] far un baleto a cauallo con tutti li suoi musici deli qualli in loco del canpagnolo io li hò messo a quella seruitu il sig:r Pasquino mantoano che prima seruiua la ser[enissi]ma infante di Bruseles […]. Tatsächlich ist Grassi durch den Druck der Canzone Orfeo als ihr Sänger ausgewiesen,59 über deren Aufführung am 6. März 1631 als Einleitung zu einem Ballett der Erzherzogin Claudia von Innsbruck wir folgenden Bericht haben:60 Relatione delle Feste fatte in Vienna dal di 4 di marzo, sino alli 8.do per honorar le Nozze del Re, et Regina d’Vngheria […] Il Giouedi […] essendo già notte […] loro M.ta per il Corridore si ritirorno à Palazzo, per esser poi nel salone à uedere il Ballo destinato dalle Dame della ser[enissi] ma d’Insprucch, et da essa guidato. Et fù nella seguente forma. Comparue il Carro della Luna, molto ben inteso, et adornato, di sul quale, essendo cantato da un Musico molto uersi […]. Kurz nach Beendigung der Festlichkeiten, am 24. März, drückte der Erzherzog Leopold der Infantin Isabella Klara Eugenia seine Zufriedenheit mit Grassi aus; dieser kehrte nach Brüssel zurück, um dort die Musik der Karwoche zu leiten.61 Von 1637 bis 1657 ist der Tenor dann in der kaiserlichen Hof kapelle nachweisbar.62 Zusammenfassend sei die Bedeutung dieser Sänger aus Mantua für die Monodie 33 und speziell die Oper in Österreich gewürdigt: Alle drei waren sowohl in Salzburg beim Erzbischof Marcus Sitticus als auch am Kaiserhof beim Kaiser Matthias bzw. Ferdinand II. Wenigstens Rasi und Campagnolo hatten Monteverdi und seine ­Musik in Mantua kennengelernt; Rasi hatte 1607 die Titelrolle im Orfeo verkörpert, und Grassi reiste mit Magli, der ebenfalls in dieser Oper mitgewirkt hatte. Campagnolo und Grassi waren außerdem mit organisatorischen Aufgaben betraut, u. a. für Aufführungen von Opern und Balletten. Es ist durchaus wahrscheinlich, 59 Orfeo. Canzone armonicamente recitata da Bernardino Grassi, ecc[ellentissimo] musico, alla presenza di tutta l’ Aug[ustissima] Imperial Casa, nelle reali nozze della Maestà di Ferdinando III. Re d’Vngheria […] e della Regina Maria inf [ante] di Spag[na] &c. Per introduttione al Balletto della ser[enissima] Arcid[uchessa] Claudia con le sue dame, Rappresentando queste gl’ altri Pianeti, e S.A. la Luna. Wien 1631. – Siehe auch Robert Haas: „Gioseppe Zamponis Ulisse nell’Isola di Circe“. Zeitschrift für Musikwissenschaft 3 (1920/1921), S. 387. 60 I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 4385. 61 Vander Straeten: La musique aux Pays-bas avant le XIXe siecle, S. 272. 62 Köchel: Die kaiserliche Hof-Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, S. 59 (Nr. 445). – Knaus: Die Musiker im Archivbestand des kaiserlichen Obersthofmeisteramtes (1637–1705). Bd. 1, passim. – Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 104.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa daß Campagnolo schon in Salzburg außer seiner Stimme auch seine Erfahrungen mit musikdramatischen Aufführungen einsetzte. In der Zeit seines Aufenthaltes wurden – jeweils mehrmals – Orfeo, Andromeda und S. Christina gegeben, außerdem ein Pastorale „in musica“ von der Geburt Jesu, eine öfters wiederholte Tragödie mit Musik und zwei weitere Pastoralen, eines davon mit einem Ballett.63 Bei der letzten bekannten Aufführung des Orfeo am 16. Juli 1619 war der Römische König Ferdinand II. auf der Durchreise zur Kaiserwahl nach Frankfurt anwesend.64 Der Einf luß der Musik des mantuanischen Hofs gelangte also unter anderem durch die drei Sänger an den Kaiserhof, die Habsburgerhöfe von Innsbruck und Brüssel und an die Residenz des Salzburger Fürsterzbischofs, außerdem an die Höfe der Kurfürsten von Brandenburg und Köln und des Herzogs von Bayern. Abkürzungen A.V. Altezza Vostra M.(tà) (S.) Maestà (Sua) S.r(e), Sig.r(e) Signor(e) SS.ri Signori S.A. Sua Altezza S.M.(tà) Sua Maestà V.A. Vostra Altezza V.S. Vostra Signori

63 Welti: Graf Kaspar von Hohenems, passim. – Johann Stainhauser: Relationen. A-Whh, Hs. R 35/ 2–5 und Hs. R 48. 64 Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 211.

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Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua Die ersten Opern auSSerhalb Italiens in neuem Licht * Das Musikleben am Hof des Fürsterzbischofs von Salzburg in den Jahren 1612 bis 1619, Marcus Sitticus von Hohenems, ist durch mehrere Untersuchungen schon recht gut erforscht. In erster Linie sind hier das Buch von Ludwig Welti über Graf Kaspar von Hohenems1 und das musikwissenschaftliche ­Symposion in ­Hohenems im Jahr 1974 2 zu nennen. Besonderes Interesse verdienen dabei die szenischen ­musikdramatischen Werke, die als erste Opern und Rappresentazioni sacre ­außerhalb Italiens am Hof dieses Halbitalieners aufgeführt wurden. Mit Sicherheit als Opern anzusehen sind zwei mehrmals wiederholte Werke mit den Titeln Orfeo und ­A ndromeda; dazu kommt eine Il Perseo genannte, die aber wahrscheinlich mit ­A ndromeda identisch ist. Musik- und Theaterhistoriker stellten – allein auf Grund der Titel – die Vermutung an, diese Opern könnten Claudio ­Monteverdis Orfeo und Girolamo Giacobbis Andromeda sein. 3 Vor vier Jahren trug Rudolf ­Flotzinger in Lilienfeld4 die Hypothese vor, der Autor beider Werke sei der Komponist ­Domenico Belli, von dem tatsächlich Intermedien mit diesen ­Titeln in Florenz gesungen worden sind, allerdings jeweils zwei Jahre nach den Salzburger Erstaufführungen der gleichnamigen Opern. Bei meinem vor sechs Jahren in Hohen­ems gehaltenen Vortrag5 habe ich ein ­Argument vorgebracht, das die Autor­schaft ­Monteverdis für den Salzburger O ­ rfeo wahrscheinlich machen sollte: Francesco Rasi, der bei der ersten Aufführung

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Vortrag, gehalten beim Symposion Musik im Bodenseeraum in Hohenems 1980; geringfügig überarbeitet publiziert als „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“. Musicologica Austriaca 8 (1989), S. 7–26. 1 Ludwig Welti: Graf Kaspar von Hohenems. Innsbruck 1963. 2 Musik, bildende Kunst und Wissenschaften im Dienste der katholischen Erneuerung. Die Politik der Familie Hohenems um 1600. 3 Arthur Kutscher: Vom Salzburger Barocktheater zu den Salzburger Festspielen. Düsseldorf 1939, S. 39. – Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 101. – Theophil Antonicek: „Claudio Monteverdi und Österreich“. Österreichische Musikzeitschrift 26 (1971), S. 267. 4 Rudolf Flotzinger: „Die ersten Salzburger Opern – von Domenico Belli?“ Vortrag beim Symposion der Österreichischen Gesellschaft für Musikwissenschaft 1000 Jahre Musik in Österreich, 5.–8. Juni 1976. Gedruckt wurde der Vortrag in der Osterreichischen Musikzeitschrift 32 (1977), S. 333–335. 5 Herbert Seifert: „Marcus Sitticus und der stile nouvo. Die dem Erzbischof gewidmeten Samm­ lungen von Francesco Rasi, Pietro Pace und Camillo Orlandi“. Vortrag bei dem in Anm. 2 genannten Symposion in Hohenems 1974.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa d­ ieser Oper in Mantua im Fasching 1607 die Titelrolle gesungen hatte,6 war im Dezember 1612 in Salzburg und widmete ­Marcus Sitticus eine Handschrift mit ­einigen seiner weltlichen und geistlichen Kompositionen.7 Vierzehn Monate danach ging der Orfeo über die Bühne der ­Residenz, wobei noch zu bedenken ist, daß Monteverdis Oper seit 1609 im Druck verbreitet war und 1615 in zweiter Auf lage erschien, was auf eine die Erstauf lage übersteigende Nachfrage hinweist. Ein Indiz dafür, daß diese Partitur für spätere Aufführungen ohne die Anwesenheit des Komponisten diente, ist ein Brief des Widmungsträgers des Partiturdrucks, Don Francesco Gonzaga, der im Jänner 1610 mit Rasi in Turin war 8 und im Zusammenhang mit Vorbereitungen für ein Drama „il libro di Comedia d’Orfeo in musica“ aus Mantua anforderte,9 also entweder das Libretto oder die Partitur. Inzwischen konnten in den Archiven von Mantua und Florenz Briefe ausfindig gemacht werden, die nicht nur die näheren Umstände der Reise von Francesco Rasi beleuchten und die Anwesenheit von zwei weiteren Sängern aus Mantua in Salzburg belegen, sondern auch enge Beziehungen zwischen Marcus Sitticus und dem Haus Gonzaga mindestens seit der Zeit vor 1609 nachweisen, was alles zur Untermauerung der genannten Hypothese herangezogen werden kann. Um den Inhalt des Briefwechsels verständlich zu machen, muß kurz an die Biographie von Marcus Sitticus IV. von Hohenems erinnert werden.10 Er wurde im Jahr 1574 als Sohn von Jakob Hannibal I. und der Ortensia Borromeo und als Bruder des ein Jahr älteren Kaspar geboren. Diese beiden Brüder waren Neffen von zwei hohen geistlichen Würdenträgern, nämlich des später heiliggesprochenen Kardinals Carlo Borromeo und des Kardinals Marcus Sitticus II. von Hohenems (Marco Sittico d’Altemps), damals Bischof von Konstanz. Dem als Zweitgeborener für die geistliche Lauf bahn bestimmten jüngeren Marcus Sitticus kam das für seine Karriere natürlich zugute. Schon mit dreizehn Jahren, als er eben in Rom die niederen Weihen empfangen hatte, erhielt er von seinem Onkel, Kardinal Altemps, das durch die Wahl seines Cousins Wolf Dietrich von Raitenau zum Erzbischof von Salzburg freigewordene Kanonikat am Dom von Konstanz und zwei Jahre später von Wolf Dietrich selbst ein weiteres in Salzburg.

6 Nino Pirrotta: „Teatro, scene e musica nelle opere di Monteverdi“. In: Congresso internazionale sul tema Claudio Monteverdi e il suo tempo. Relazioni e comunicazioni. Verona 1969, S. 50, nach Eugenio Cagnanis Vorrede seiner Rime, Mantova 1612. 7 Herbert Seifert in dem in Anm. 5 zitierten Vortrag. 8 Claudio Monteverdi: Lettere, dediche e prefazioni. Edizione critica con note a cura di Domenico De’ Paoli. Roma 1973, S. 362. 9 Antonio Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII. Milano [1890], S. 92. 10 Nach Welti: Graf Kaspar von Hohenems und Franz Martin: Salzburgs Fürsten in der Barockzeit. Salzburg 1949.

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Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua Marcus Sitticus studierte eine Zeitlang an der Jesuitenuniversität in Ingolstadt, hielt sich sonst aber vorwiegend in Italien auf, wo er von 1591 bis spätestens 1594 die Universität Bologna besuchte,11 und bediente sich, wo immer es ging, in s­ einen Briefen der italienischen Sprache, z. B. als er 1592 aus Trient an Wolf Dietrich schrieb, er sei dort nach Bezahlung seiner Schulden in Bologna „in tutto et per tutto esausto di denari“, also ganz ohne Geld, angekommen, oder 1603 an seinen Bruder und auch noch später immer wieder an seinen Neffen Jakob Hannibal. In Salzburg war er zunächst nur sehr selten, etwa im September 1602, als er, da er nun alt genug war, Sitz und Stimme im Domkapitel erhielt; kurz danach ging er als Agent des Erzbischofs nach Rom. Seit 1604 war er Dompropst in Konstanz, also auch Vorsitzender des Domkapitels und daher zeitweilig dort ansässig. Er strebte ein Kardinalat an, konnte es jedoch nicht erlangen. Seit 1607 besuchte der Sohn von Graf Kaspar, Jakob Hannibal, die Lateinschule in Konstanz; Marcus Sitticus nahm sich seines Neffen seit dieser Zeit besonders an. Mit dem Jahr 1609 setzen die Briefe ein, die zum Großteil von Marcus Sitticus ­geschrieben wurden und heute im Archivio di Stato in Mantua überliefert sind.12 Sie waren Ludwig Welti nicht bekannt und tragen einige historische Details zu dessen Bild der Grafen von Hohenems bei. Am 12. April dieses Jahres schreibt Graf Kaspar einen Brief in italienischer Sprache an seinen Bruder, der sich auf seiner Herrschaft Gallarate bei Mailand auf hält. Dieser hat ihn um Informationen über die Herrschaften Vaduz und Blumenegg gebeten, die die Grafen von Sulz zum Verkauf anboten. Er empfiehlt ihm vor allem Blumenegg, das zwischen Bludenz und Feldkirch liegt, damit sich die Brüder öfter sehen könnten. Das weit entfernte Gallarate könne Marcus Sitticus dafür ruhig verkaufen, wenn es nötig sei.13 Schon sechs Tage davor, am 6. April 1609, bedanken sich der Domdekan, der ­Senior und die adeligen Domherren von Konstanz bei Marcus Sitticus für den Brief, in dem er über seine Wiederankunft in Gallarate und seine Krankheit und Genesung berichtet hat. Der Domherr Sigismund Friedrich Hundtpiß biete seinen Rücktritt von seinem Kanonikat an, wenn ihm Marcus Sitticus dafür die Exspektanz auf das nächste in Rom vakant werdende verschaffen könne. Am 28. Juni teilt Marcus Sitticus aus Konstanz dem Kardinal Ferdinando Gonzaga14 mit, daß er vor vier Tagen wieder dort angekommen sei. Er weist auf seinen 11 Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 22, 27 f. 12 Archivio Gonzaga, busta 525 (1609), 527 (1610–1611) und 520 (ab 1612). 13 Es kam dann allerdings nicht dazu, doch kaufte Graf Kaspar selbst im Jahr 1613 Vaduz und Schellenberg, während Blumenegg im selben Jahr an das Kloster Weingarten veräußert wurde. 14 Die Beziehungen des Hauses Hohenems zu den Gonzaga in Mantua werden zuerst im Jahr 1582 greifbar, als Graf Jakob Hannibal I. Brautführer der Prinzessin Eleonora Gonzaga bei ­ihrer Hochzeit mit dem Erzherzog Ferdinand II. von Tirol war. Siehe Martin: Salzburgs Fürsten in der ­B arockzeit, S. 67. – Elena Ferrari Barassi: „Il primo libro delle villanelle of Aurelio Bonelli d­ edicated

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa aus Gallarate geschriebenen Brief hin, in dem er dem Kardinal schon die Bedingungen genannt habe, unter denen es ihm möglich sei, diesem ein Kanonikat in Konstanz zu verschaffen. Hier muß eine kurze Beleuchtung der Persönlichkeit des Kardinals Gonzaga eingeschaltet werden. Er war der zweite Sohn des Herzogs von Mantua Vincenzo I. Gonzaga, studierte ebenfalls in Ingolstadt und wurde mit zwanzig Jahren Kardinal.15 Zur Musik hatte er sehr enge Beziehungen: Ein Bericht von Giovanni da Mulla, dem venezianischen Botschafter in Mantua, spricht von seiner Neigung für Dichtung und Musik und von seiner oft gehörten Äußerung, daß er nur in dieser Kunst Trost und Erquickung finde und ohne sie sterben müßte.16 Er dichtete und komponierte selbst; unter anderem stammen Teile der Musik der 1608 in Mantua aufgeführten Oper Dafne – der Großteil ist von Marco da Gagliano – von ihm.17 Monteverdi ließ 1611 zwei monodische Madrigale von Ferdinando, die er ihm aus Rom geschickt hatte, in Mantua aufführen.18 Es sind zahlreiche Briefe von Musikern an ihn bekannt, z. B. von Jacopo Peri und Marco da Gagliano;19 er erhielt Berichte über die Aufführung des Orfeo in Mantua 20 und, durch den Sänger Francesco Campagnolo, über die Florentiner Feste des Jahres 1608, wobei deren Musik und Sänger sehr abfällig beurteilt wurden. 21 Ebenfalls in diesem Jahr schickte ihm Francesco Rasi aus Innsbruck einen Canzonettentext zur Komposition. 22 Monteverdi, der ihn 1610 in Rom besuchte, von dem sieben Briefe an ihn aus der Zeit zwito Marcus Sitticus von Hohenems (1596)“. Vortrag beim Symposion Musik, bildende Kunst und Wissenschaften (siehe Anm. 2), gibt zwar an, Marcus Sitticus sei ein Cousin von ­Ferdinando ­Gonzaga gewesen, doch ist die Verschwägerung sehr entfernt: eine Tante von Marcus Sitticus hatte einen Cousin des Großvaters von Ferdinando geheiratet. Die beiden Geistlichen scheinen sich ihrer Familienbeziehungen entweder nicht bewußt gewesen zu sein oder sie als zu entfernt angesehen zu haben, denn die Anrede „Signore“ in den Briefen ist die, die man an Fremde ­r ichtete. Schon bei sehr weitschichtiger Verwandtschaft oder Verschwägerung bediente man sich hingegen der Anrede „cugino“. 15 Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 306. 16 Siehe Claudio Monteverdi: The Letters. Translated and introduced by Denis Stevens. London, Boston 1980, S. 94 f. 17 Emil Vogel, Alfred Einstein, François Lesure und Claudio Sartori: Bibiliografia della musica italiana vocale profana pubblicata dal 1500 al 1700. Bd. 2. Pomezia [1977], S. 992. 18 Claudio Monteverdi: Lettere, dediche e prefazioni. Roma 1973, S. 57 ff. 19 Emil Vogel: „Marco da Gagliano“. Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft 5 (1889), S. 426 ff. 20 Durch seinen Bruder Francesco; siehe Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 86 f. 21 Dieser Brief wurde häufig abgedruckt, erstmals bei Stefano Davari: „Notizie biografiche del distinto maestro di musica Claudio Monteverdi“. In: Atti della R. Accademia Virgiliana di M ­ antova 1885. Mantova 1885, S. 17, dann u. a. bei Vogel: „Marco da Gagliano“, S. 442, und bei Angelo ­Solerti: Musica, ballo e drammatica alla corte Medicea dal 1600 al 1637. Firenze 1905, S. 57. 22 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), S. 8 [18].

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Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua schen 1608 und 1616 erhalten sind 23 und den er später mehrmals aus Venedig nach Mantua zurückzuholen versuchte, 24 vertonte auf seine Veranlassung hin mehrere dramatische Texte. 25 Mindestens zwölf Musikdrucke wurden ihm gewidmet: der erste war Marco da ­Gaglianos viertes Madrigalbuch von 1606, die ­übrigen, darunter Girolamo ­Frescobaldis erstes Werk für Tasteninstrumente und Domenico Bellis Orfeo dolente, stammen aus der Zeit, da er Herzog von Mantua war. Als Bruder der Kaiserin Eleonora sind ihm zwei 1622 erschienene Druckwerke von Giovanni Priuli und Giovanni Valentini vom Wiener Kaiserhof aus dediziert. 26 Diesem musikalischen Kleriker aus Mantua verschaffte der an italienischer ­Musik, besonders Opern, interessierte Konstanzer Dompropst Marcus Sitticus von ­Hohenems also ein Kanonikat. 27 Über den Fortgang der schwierigen Verhandlungen und die Intrigen unterrichtet der genannte Briefwechsel, von dem allerdings nur der Teil gefunden wurde, dessen Absender Marcus Sitticus war. Außer an den Kardinal selbst schrieb er auch an dessen Vater, den Herzog Vincenzo. Eine der Schwierigkeiten war der Widerstand des Bischofs, doch konnte der Dompropst in seinem Brief vom 11. Jänner 1611 dem Kardinal dazu gratulieren, daß ihm das Domkapitel an diesem Tag das vakante Kanonikat übertragen hatte. 28 Acht Tage danach bittet er ihn um eine Belohnung für seine Unterstützung: er erinnert den Kardinal an ein Portrait, das er ihm in Mantua versprochen habe, als er selbst ihm eines verehrt habe. Damit ist ein Aufenthalt des Grafen von Hohenems in Mantua belegt, wenn auch noch nicht zeitlich bestimmbar. Auch nachdem dieses Ziel erreicht ist, am 13. April 1611, bietet Marcus Sitticus dem Gonzaga-Kardinal und dem Herzog von Mantua weiterhin seine Dienste an. 29 23 Monteverdi: Lettere, dediche e prefazioni. Roma 1973, S. 50 ff., 342. – Ders.: The Letters. Translated and introduced by Denis Stevens. London, Boston 1980, S. 52, 74 und öfter. 24 Ebenda, S. 67 f., 70 f., 145 ff., 148 ff. 25 Ebenda, S. 67 ff., Briefe Monteverdis nach Mantua von 1615 bis 1620. – Emilio Faccioli: Mantova. Le lettere. Bd. 2. Mantova 1962, S. 596. 26 Vogel, Einstein, Lesure, Sartori: Bibiliografia della musica italiana vocale profana pubblicata dal 1500 al 1700. Bd. 3, S. 40. 27 Ferdinando Gonzaga hatte sich schon im Jahr 1605, als er noch nicht Kardinal war, beim Domkapitel um ein Kanonikat beworben, wie aus einem Protokoll vom 15. November dieses Jahres hervorgeht (Karlsruhe, Badisches Generallandesarchiv, Domkapitelsprotokolle 61/7249, S. 322 f. Freundliche Mitteilung von Herrn Dr. Manfred Schuler). 28 Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 87, weiß zwar in einer Fußnote zu berichten, daß Ferdinando Gonzaga ein Kanonikat in Konstanz bekam, doch sagt er nichts über die Rolle aus, die Marcus Sitticus dabei spielte. Er gibt den Namen des resignierenden Domherrn mit Friedrich Hundtpiß an, doch weist Marcus Sitticus den Kardinal in dem zitierten Brief vom 28. Oktober 1609 ausdrücklich darauf hin, daß dies der Vater sei, während der Sohn, der auf sein Kanonikat verzichten wolle, Sigismund Friedrich heiße. 29 Der Dompropst forderte den Kardinal in diesen Briefen mehrmals auf, nun auch nach Konstanz zu kommen. Herr Dr. Manfred Schuler wies in der Diskussion nach dem Vortrag darauf hin, daß sich der Kardinal als Domherr tatsächlich eine Zeitlang dort aufhielt, was aus den Konstanzer

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Schon nach seiner Wahl zum Erzbischof von Salzburg, am 12. Mai 1612, teilt er dem Kardinal mit, daß er seinen Cousin Nikolaus Freiherrn zu Wolkenstein und Rodenegg zum Papst geschickt habe; er werde dem Empfänger einen genauen Bericht über die Wahl geben. Zwei Briefe aus dem folgenden Jahr 1613 an Ferdinando Gonzaga, der nach dem Tod seines Bruders Francesco IV. Ende 1612 die Regentschaft von Mantua übernommen hatte, behandeln die politische Situation dieses Herzogtums, das durch Carlo Emanuele von Savoyen bedroht wurde. Der Erzbischof drückt dem Kardinal seine Zufriedenheit mit seiner Handlungsweise und schließlich seine Glückwünsche zur vorläufigen Beilegung des Konflikts aus. 30 Am 6. Oktober dieses Jahres erfahren wir aus einem weiteren Brief, den Marcus Sitticus vom Reichstag in Regensburg schrieb, daß Claudio Gonzaga im Auftrag des Kardinals bei ihm war und mit einer Botschaft nach Mantua zurückgeschickt wurde. Soweit die bisher unbekannten Briefe, die direkte Beziehungen zwischen dem Haus Hohenems und der Familie Gonzaga nachweisen. Um zur Musik zu kommen, muß man etwas zurückgehen, in den Dezember 1612, als der im Dienst der Gonzaga stehende berühmte Tenor Francesco Rasi, der auch dichtete und komponierte – später sogar zumindest eine Oper 31 –, den Salzburger Fürsterzbischof besuchte, was ja schon lange bekannt war. 32 Es ist inzwischen gelungen, Näheres über die Reise dieses Sängers zu erfahren, und zwar wieder durch Briefe nach Mantua und auch nach Florenz. 33 Francesco Rasi, um 1673 in Arezzo geboren, war 1594 bis 1595 wahrscheinlich im Dienst des Prinzen Carlo Gesualdo von Venosa, 34 des bekannten Komponisten, der auch ein Cousin von Marcus Sitticus war, 35 und seit 159536 in dem des ­Hauses ­Gonzaga in Mantua. Er sang unter anderem 1600 in Jacopo Peris Euridice und Giulio ­Akten nachweisbar sei. Sehr wahrscheinlich kam es dabei wieder zu einer persönlichen Begegnung mit Marcus Sitticus. 30 13. Juni und 18. Juli 1613. 31 Nigel Fortune: „Francesco Rasi“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Bd. 11. Kassel 1963, Sp. 4 f. 32 Alfred Einstein: „Ein Emissär der Monodie in Deutschland: Francesco Rasi“. In: Festschrift Johannes Wolf. Berlin 1929, S. 31–34. 33 Zu den folgenden Ausführungen über Francesco Rasi, Francesco Campagnolo und Bernardino Pasquino Grassi vgl. Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 7–33 [17–42], wo die hier genannten Briefe im Wortlaut wiedergegeben sind. 34 Claude V. Palisca: „Carlo Gesualdo and a musical correspondence of 1594“. The Musical Quarterly 54 (1968), S. 422. 35 Ferrari Barassi: „Il primo libro delle villanelle of Aurelio Bonelli“. 36 Dieses Datum – entgegen Paliscas Annahme („Carlo Gesualdo and a musical correspondence of 1594“), es sei erst 1598 gewesen – ergibt sich aus drei übereinstimmenden Angaben Rasis: Im ­u nten zitierten Brief vom 19. September 1612 schreibt er, er sei seit 17 Jahren im Dienst der ­Familie Gonzaga. In der Widmungsvorrede des 1. Teils seiner Dichtungen La Cetra di sette Corde (Venedig 1619) spricht er von 24 Jahren, und 1621 zählt er 26 Jahre (nach den Schede Davari 15, Nr. 20, in Mantova, Archivio di Stato, I-MAa).

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Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua Caccinis Rapimento di Cefalo, 1607 in Monteverdis Orfeo und 1608 in Marco da ­Gaglianos Dafne. 37 Nach der Krönung des Königs Matthias von Ungarn zum ­Kaiser schickte der Herzog Francesco von Mantua, ein Cousin der Kaiserin und der Veranstalter der Aufführungen und Widmungsträger des Partiturdrucks von ­O rfeo, seinen jüngeren Bruder, den achtzehnjährigen Prinzen Vincenzo ­Gonzaga, mit Glückwünschen an den kurz vor seiner Übersiedlung nach Wien noch in Prag residierenden Kaiserhof. Der von seinem früheren Dienstgeber geadelte Rasi machte die Reise mit einem eigenen Diener mit. Die Mantuaner kamen am 5. Oktober 1612 an, und der Sänger versuchte mittels des toskanischen Botschafters, ­Monsignore Giuliano de’ Medici, die Verzeihung des Großherzogs der Toskana für eine in ­Florenz begangene Tat zu erlangen, mit der er sich offenbar dessen ­Ungnade zuge­zogen hatte. 38 Als Don Vincenzo am 17. Oktober wieder abreiste, mußte der erkrankte Rasi in Prag bleiben. Monsignore de’ Medici lud ihn ein, in seinem Haus zu wohnen. Er wurde tagelang von schweren Schmerzen geplagt. Bevor er am 29. Oktober abreiste, rief ihn der Kaiser zu sich, ließ ihn vorsingen und belohnte ihn zum Zeichen seiner Zufriedenheit unter anderem mit einer Halskette mit seinem Bildnis. 39 Rasi fühlte sich verpf lichtet, seinem Herrn gegenüber seine Abreise aus Prag mit der ebenfalls bevorstehenden des Kaisers und des toskanischen Botschafters wie auch mit seinen Schmerzen zu begründen. Sein Weg führte ihn über Nürnberg und Augsburg nach München. Zunächst – aus Nürnberg – ersuchte er seinen Herrn, ihm Geld nach Innsbruck zu schicken, um ihm die Weiterreise zu ermöglichen.40 In München jedoch mußte er bitten, ihm die Unterstützung dorthin zu senden, da er kein Geld mehr hatte und überdies die Kosten für das Quartier und den wegen seiner wieder ausgebrochenen Schmerzen konsultierten Arzt nicht mehr bezahlen konnte. Dessen Attest legte er bei. Rasi führte seine Krankheit auf ein bei seiner Abreise aus Mantua noch nicht auskuriertes Fieber zurück, zu dem der herbe Wein und das Klima nördlich der Alpen verschlechternd beigetragen hätten. Er wolle keinen anderen um Geld bitten, auch nicht als Gegenleistung für seinen Gesang; keinesfalls wolle er auch das Geschenk des Kaisers veräußern.41 Im letzten erhaltenen Brief vom 27. November aus München versuchte Rasi noch, durch einen ­Höf ling des Herzogs, wahrscheinlich durch einen Staatssekretär, dessen Unterstützung zu erlangen. Zwei Wochen später allerdings war er dann in Salzburg,42 37 Fortune: „Francesco Rasi“. 38 Monsignore Giuliano de’ Medici am 15. Oktober 1612 aus Prag an den Cavaliere [Belisario] Vinta nach Florenz. Firenze, Archivio di Stato (I-Fas), Archivio Mediceo del Principato, filza 4366. 39 Derselbe am 22. und 29. Oktober 1612 an denselben. Ebenda. 40 Francesco Rasi am 8. November 1612 aus Nürnberg an den Herzog Francesco IV. nach Mantua. I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 527. 41 Derselbe am 19. November 1612 aus München an denselben. Ebenda. 42 Auch Don Vincenzo Gonzaga hatte von Prag den Weg über München und Salzburg nach Mantua genommen. Siehe Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 13 [23].

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa wo er einige seiner Kompositionen für die Hof kapelle des Fürstbischofs zusammenstellte und dafür sicherlich eine Belohnung erhielt; man kann auch annehmen, daß er e­ inige dieser Werke oder andere dort vortrug. In der Widmungsvorrede bezeichnete sich Rasi als des Erzbischofs demütiger und langjähriger Diener;43 er muß ihn also schon seit langer Zeit gekannt haben, wahrscheinlich aus Italien, möglicherweise von dem schon genannten Aufenthalt des Hohenemsers in Mantua. Es ist sehr gut vorstellbar, daß der Fürst von Salzburg den erfahrenen Opernsänger um Ratschläge und Musik für seine Faschingsunterhaltungen bat; vielleicht führte dieser Partituren mit seiner großen Rolle des Orfeo mit sich, die ja besonders in der verzierten Fassung von „Possente spirto“ seine Vortragskunst deutlich machen konnten, und vielleicht überließ er eine davon dem Erzbischof. Ebensogut ist es möglich, daß dieser schon bei einer früheren Gelegenheit, etwa bei der kurz zuvor erfolgten Durchreise von Don Vincenzo Gonzaga, oder bei dem genannten Besuch Claudio Gonzagas im Herbst 1613, vier Monate vor der Aufführung des Salzburger Orfeo, die Partitur erhalten hatte. Vier Jahre nach Rasi kam ein anderer Sänger aus Mantua nach Salzburg zu Marcus Sitticus, der Cavaliere Francesco Campagnolo. Er ist in Mantua geboren, war seit etwa 1593 im Dienst der Gonzaga und hatte 1594 unter der Anleitung von Claudio Monteverdi Gesangsunterricht genommen. Im April 1616 war er noch in Bologna bei einer Aufführung von Jacopo Peris und Ottavio Rinuccinis Euridice gewesen. Am 27. Dezember ersuchte der Erzbischof den Herzog Ferdinando von Mantua, Campagnolo wegen des nahenden Karnevals die Erlaubnis zu erteilen, sich länger in Salzburg aufzuhalten.44 Am 19. Jänner 1617 schreibt der Sänger selbst an Alessandro Striggio junior, Librettisten des Orfeo, Sekretär des Herzogs und Empfänger zahlreicher Briefe Monteverdis, nach Mantua, er sei vom Herzog von Bayern für den Fasching eingeladen worden, habe aber vor, in seine Heimatstadt zurückzukehren.45 Am 9. März bedankte sich Marcus Sitticus bei dem Herzog für die Nachricht von seiner Vermählung und gratulierte ihm dazu. Aus einem Brief vom 14. Mai 1617 erfahren wir dann, daß ihm Campagnolo seine Dienste mit der Begründung angetragen hatte, daß er aus verschiedenen Gründen nicht in mantuanischen Diensten verbleiben könne. Inzwischen war er tatsächlich wieder nach Italien zurückgekehrt, um seine Angelegenheiten zu regeln, hatte Anfang Mai bei einer ­Feier der Accademia Filarmonica in Verona mitgewirkt und war am 12. in Salzburg­

43 „[…] suo tanto humile deuoto et antico Seruitore […]“, siehe Einstein: „Ein Emissär der Monodie in Deutschland: Francesco Rasi“, S. 31. 44 Die in der Folge zitierten Briefe befinden sich in I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 520 (Marcus Sitticus) und 527 (Campagnolo). 45 Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII, S. 101.

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Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua angekommen, um dort zu bleiben. Der Herzog Ferdinando hatte aber an den Erzbischof einen Brief geschrieben, in dem er den Sänger schwer belastete und ihm vorwarf, aus Mantua gef lohen zu sein; Marcus Sitticus verteidigte ihn und meinte, es sei keine Flucht, sondern nur ein schon lange beabsichtigter Dienstwechsel gewesen. Aus dem Schreiben geht weiters hervor, daß Marcus Sitticus zur Zeit, als Vincenzo Gonzaga Herzog war, Gast im Palazzo Ducale in Mantua gewesen war und dort die Qualitäten des Sängers kennengelernt hatte. Das muß zwischen etwa 1595 und Anfang 1609 gewesen sein.46 Auch Campagnolo selbst schrieb an seinen ehemaligen Herrn, er sei sich keiner Schuld ihm gegenüber bewußt, und bat ihn, ihm den Prozeß zu machen, damit sich seine Unschuld erweise. Allerdings beklagte er sich, daß er in den 23 Jahren, in denen er am mantuanischen Hof seine Gesundheit und seine geringen Mittel ohne jeden Nutzen verbraucht habe, nicht eine so ehrenvolle Stellung wie in Salzburg erlangt habe.47 Einen Monat später, nach der offenbar scharfen Antwort des Herzogs auf seinen Brief, bekräftigte Marcus Sitticus seinen Standpunkt, ihn träfe keine Schuld daran, daß Campagnolo den Dienst der Gonzaga verlassen habe, und erinnerte Ferdinando daran, was er in Konstanz für ihn getan hatte.48 Das nächste, umfangreiche Schreiben Campagnolos nach Mantua ist am 30. Novem­ ber 1617 an einen Geistlichen gerichtet. Ihm erklärt er, daß der wahre Grund für seine Abreise aus Mantua die Absicht war, seine Schulden zu bezahlen; dort sei ihm das selbst nach dem Verkauf eines Hauses wegen der knappen Bezahlung nicht möglich gewesen. Er habe dies den Herzog mehrmals wissen lassen; zuerst durch den Grafen Alessandro Striggio und zuletzt durch Claudio Gonzaga. Seine Kritik an den Reaktionen des Herzogs, der ihn mit Kleidergeschenken abspeisen wollte, ist ziemlich deutlich: er glaube, daß außer Mantua nichts existiere und wisse nicht, wie ihn andere Fürsten ehrten und beschenkten. Sein Aufenthalt am Salzburger Hof beweise dies, wo er mit so ganz anderer Ehre, Rang und Gewinn tätig sei, was er auch an anderen Höfen könnte. Der Erzbischof habe ihm einen Diamanten und zwei Pferde geschenkt. Als Höhe seiner Schulden nennt er etwa 600 Scudi. Sowohl aus diesem Brief als auch aus dem vom 21. Juni 1618 geht hervor, daß er Mantua tatsächlich ohne Erlaubnis des Herzogs verlassen hatte, was damals natürlich als Vergehen angesehen wurde. Am 22. März 1618 schreibt Campagnolo anscheinend an den Hofzahlmeister nach Mantua. Dieser Brief offenbart, wie der folgende vom 22. Juni an den Herzog,

46 Diese Zeitgrenzen ergeben sich aus dem Beginn von Campagnolos Tätigkeit als ausgebildeter Sänger einerseits und dem Einsetzen der Briefe von Marcus Sitticus an Ferdinando Gonzaga andererseits. 47 16. Mai 1617 aus Salzburg. 48 15. Juni 1617.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa warum er sich so sehr um dessen Gunst bemüht: die ihm zustehende, aber ­eingestellte Pension sollte zur Deckung seiner Schulden verwendet werden. Den selben Zweck verfolgt ein Schreiben des Sängers vom 18. April des folgenden Jahres an e­ inen nicht näher bestimmbaren Angestellten des Herzogs: es soll das Mißverständnis auf klären, das seine nicht erhaltene Antwort an den Abate Iberti auf die Einladung, wieder in die Dienste des Herzogs zu treten, hervorgerufen hat: er habe wohl geschrieben, er lege mehr Wert auf die Gunst des Herrschers als auf sein Brot, doch sei dies die Folge mehrerer Briefe gewesen, in denen ihm mitgeteilt worden sei, Ferdinando habe ihm verziehen und erteile ihm die Erlaubnis zur Rückkehr in seine Heimatstadt, wolle jedoch seine Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen. Wieder betont er, er erfreue sich des Brotes, das er zur Zeit verdiene, mit großen Annehmlichkeiten und mit viel persönlichem Ansehen. Campagnolo war nicht als gewöhnlicher Bediensteter Mitglied der Hof kapelle,49 sondern als adeliger Cavaliere und wahrscheinlich Solist und eine Art Regisseur „Cortegiano“ des Erzbischofs,50 also zu seiner persönlichen Bedienung aufgenommen und wohl aus seiner Privatschatulle bezahlt. Der Herzog scheint den zuletzt in diesem Schreiben geäußerten Wünschen, daß die Schulden Campagnolos von seiner Pension bezahlt werden und er seine Rückkehr gestatte, entsprochen zu haben: schon bald – nämlich zwischen Juli und Oktober, also noch vor dem Tod des Erzbischofs im Oktober – war der Cavaliere wieder in Mantua. Dies ist durch einen Brief Claudio Monteverdis bezeugt, der bei einem Aufenthalt in dieser Stadt bei oder kurz nach dem Tod des herzoglichen Kapellmeisters Sante Orlandi im Juli im Haus seines ehemaligen Schülers Campagnolo wohnte.51 Mindestens bis 1627 dürfte Campagnolo dann im Dienst der ­Gonzaga geblieben sein.52 Dann scheint er zu Erzherzog Leopold V. nach Innsbruck gegangen zu sein. Im September 1629 war er dort mit den Vorbereitungen einer ­„Comoedi“ – möglicherweise einer Oper –, die in Zusammenhang mit einem Ballett genannt wird, betraut. Er hätte auch die Beiträge des Erzherzogs zu den Feier­lichkeiten anläßlich der Hochzeit des Königs Ferdinand III. von Ungarn mit der Infantin Maria von Spanien im Jahr 1631 arrangieren sollen, starb aber schon am 7. Okto-

49 Er scheint in den erhaltenen Besoldungslisten nicht im Hofstaat auf. Siehe Salzburg, Landes­ archiv, Geheimes Archiv XXIII/4/1. 50 So wird er bei einem Faschingsaufzug im Februar 1618 von Johann Stainhauser: Relationen. Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (A-Whh), Ms. Rot 35/4, fol. 120 r , bezeichnet. Siehe Welti: Graf ­K aspar von Hohenems, S. 178. 51 Guglielmo Barblan: „La vita di Claudio Monteverdi“. In: Claudio Monteverdi nel quarto centenario della nascita. Torino 1967, S. 96. 52 Aus einem Brief Monteverdis vom 2. Jänner 1627 erfahren wir, daß der Sänger von Mantua im Auftrag des Empfängers, wahrscheinlich Ercole Mariglianis, eines Sekretärs der Herzogs, zu ihm nach Venedig gekommen war. Siehe Monteverdi: Lettere, dediche e prefazioni, S. 238, 352.

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Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua ber 1630 in Innsbruck.53 Bald darauf, am 24. November, suchte Leopold V. bei der Infantin Isabella Clara in Brüssel um einen Ersatz für Campagnolo an, der, wie er schrieb, ihm lange Zeit bei der Veranstaltung und Produktion von Konzerten und musikalischen Unterhaltungen zur vollen Zufriedenheit gedient habe.54 Nach dem Zeugnis von Giovanni Battista Doni war er ein ausgezeichneter, geradezu ein geborener Opernsänger gewesen.55 Eben zu der Zeit, als Campagnolo nach Salzburg kam, befand sich ein weiterer Sänger des Hofstaats des Herzogs von Mantua ebenfalls im Deutschen Reich, nämlich der um 1591 geborene Tenor Bernardino Pasquino Grassi. Am 9. Oktober 1615 war er zusammen mit Giovanni Gualberto Magli, von seinem Landesherrn gesandt, an den Hof des Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg verpf lichtet worden. 56 Der Kastrat Magli hatte 1607 als Knabe in Mantua eine Rolle im Orfeo gesungen und sollte auch 1608 bei den Mantuaner Feierlichkeiten m ­ itwirken.57 1616 wechselte Grassi an den Hof des Kurfürsten und Erzbischofs von Köln, ­Ferdinand von Bayern.58 Im August 1617 kam er in dessen Hofstaat nach Salzburg – bei dieser Gelegenheit wurden ein Pastorale im Steintheater von Hellbrunn und die Oper Andromeda aufgeführt 59 –, wo er wahrscheinlich auf seinen Landsmann und Berufskollegen Campagnolo getroffen ist. Durchaus möglich ist es auch, daß er schon 1615 bei seiner Reise nach Berlin durch Salzburg gekommen war, wobei dann mit seinem Begleiter Magli nach Rasi schon der zweite Mitwirkende aus Monteverdis Orfeo von 1607 dort gewesen wäre. Als Grassi später im Dienst der Infantin Isabella Clara in Brüssel stand, erbat ihn der genannte Erzherzog Leopold als Ersatz für den verstorbenen Campagnolo, denn er habe gehört, daß Grassi außerordentliche Erfahrung in der Produktion und Veranstaltung von Konzerten und musikalischen Unterhaltungen habe.60 Er trat dann bei der Hochzeit des Thronfolgers Ferdinand III. 1631 in Wien als Sänger der Canzone Orfeo auf.61

53 Walter Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Innsbruck 1954, S. 228. 54 Edmond Vander Straeten: La musique aux Pays-bas avant le XIXe siècle. Bd. 1. Bruxelles 1867, S. 263. – Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 28, 31 [36 f., 39 f.]. 55 „Trattato della musica scenica, cap. XIVI“. In: Giovanni Battista Doni: Lyra barberina. Firenze 1743, S. 135. Zitiert bei Guglielmo Barblan, Claudio Gallico und Guido Pannain: Claudio Monteverdi. Torino 1967, S. 81. 56 Curt Sachs: Musik und Oper am kurbrandenburgischen Hof. Berlin 1910, S. 48 f. 57 Ebenda. – Angelo Solerti: Gli albori del melodramma. Bd. 1. Milano 1904, S. 68. 58 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 28 f. [37 f.]. 59 Stainhauser: Relationen, Ms. Rot 35/3, fol. 281r . 60 Vander Straeten: La musique aux Pays-bas avant le XIXe siècle. Bd. 1, S. 263. – Seifert: „Beiträge zur Früh­geschichte der Monodie in Österreich“, S. 30 f. [39]. 61 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 32 [41].

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Zusammenfassend soll die Bedeutung dieser Sänger, denen noch der von 1612 bis nach 1616 in Salzburg angestellte Bassist Fra Fortunato aus Mantua ­zuzuzählen ist,62 für die Salzburger Opernaufführungen gewürdigt werden: Wenigstens Rasi und Campagnolo hatten Monteverdi und seine Musik in Mantua kennengelernt; Rasi hatte 1607 die Titelrolle im Orfeo verkörpert, und Grassi reiste mit ­Magli, der ebenfalls in dieser Oper mitgewirkt hatte. Campagnolo und Grassi waren außerdem zumindest später mit organisatorischen Aufgaben betraut, u. a. für Aufführungen von Dramen und Balletten. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß Campagnolo schon in Salzburg außer seiner Stimme auch seine Erfahrungen mit musikdramatischen Aufführungen einsetzte. In der Zeit seines Aufenthaltes dort wurden – jeweils mehrmals – Orfeo, Andromeda und die Rappresentazione sacra S. Christina gegeben, außerdem ein „Pastorale in musica“ von der Geburt Jesu, ein „Dialogo in musica“, eine öfters wiederholte Tragödie mit Musik und zwei weitere Pastoralen, eines davon mit einem Ballett.63 Damit und mit den persönlichen Beziehungen zwischen Marcus Sitticus und Mitgliedern der Familie Gonzaga scheint die Verbindung zwischen Mantua und Salzburg in ausreichendem Maß nachgewiesen, um den Orfeo von Monteverdi mit Wahrscheinlichkeit als erste in Salzburg aufgeführte Oper bezeichnen zu können. Dazu ist es allerdings noch notwendig, sich mit Flotzingers Hypothese auseinanderzusetzen, diese sei Domenico Bellis Orfeo dolente. Dagegen spricht 1. daß es sich dabei nicht um eine Oper handelte, sondern um fünf mit Torquato Tassos Pastorale Aminta aufgeführte Intermedien, 2. daß in diesen Intermedien Eurydike nicht als Rolle vertreten ist, während der Bericht vom 27. Jänner 1617 64 von der „repraesentation des orphei vnd ­Eurydices in Musica“ spricht, was Flotzinger damit zu erklären versucht, daß es ein anderes Stück als 1614 gewesen sein dürfte,65 3. daß auf dem Titelblatt des in Venedig kurz nach der Aufführung in Florenz im Fasching 1616 erschienenen Drucks Bellis Musik ausdrücklich als neue Komposition bezeichnet ist und er sie in der Widmungsvorrede an Ugo Rinaldi, in dessen Haus sie gesungen worden war, als sein erstes Produkt bezeichnet, 62 Hermann Spies: „Die Tonkunst in Salzburg in der Regierungszeit des Fürsten und Erzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau“. Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 72 (1932), S. 101, 111. – Ernst Hintermaier: „Die Musik am Hof des Erzbischofs Marcus Sitticus von ­Hohenems zu Salzburg“. Vortrag beim Symposion Musik, bildende Kunst und Wissenschaften ­(siehe Anm. 2). 63 Welti: Graf Kaspar von Hohenems, passim. – Stainhauser: Relationen, Ms. Rot 35/2–5 und 48, ­passim. 64 Stainhauser: Relationen, Ms. Rot 35/3, fol. 211r , zitiert bei Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 154. 65 Flotzinger: „Die ersten Salzburger Opern – von Domenico Belli?“, S. 335.

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Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua das unter dem Schutz Rinaldis entstanden sei,66 während die Salzburger Oper schon zwei Jahre vorher nachweisbar ist. Dazu kommt, daß Gabrielle Chiabreras Pianto d’Orfeo, die Textgrundlage für die Umarbeitung zum Orfeo dolente, erst seit 1615 im Druck vorlag. Zwar formuliert Solerti die Vermutung, daß dieses Werk schon 1608 entstanden sein könnte,67 doch kann man diese nicht als Stütze für Flotzingers Hypothese annehmen.68 Auch bei Bellis Andromeda handelte es sich um Intermedien zu einem Pastorale. Dessen Aufführung durch junge Akademiemitglieder im Haus der Herren Rinaldi in Florenz am 10. März 1618 wohnte der Erzherzog Leopold V. von Tirol bei,69 dem der Erzbischof von Salzburg am 15. November dieses Jahres die „Opera […] in Musica“ Il Perseo präsentierte, die wohl kaum mit den Intermedien von Florenz identisch gewesen sein wird. Die Vermutung, daß das bis dahin mehrmals unter dem Titel Andromeda in Salzburg aufgeführte Werk eine Titeländerung erfuhr, da man dort von der gleichnamigen Vorführung vor dem selben Gast einige Monate zuvor gehört hatte, liegt nahe. Vermutungen über die Salzburger Oper Andromeda sind unsicherer, doch kann die 1610 in Bologna gesungene von Ridolfo Campeggi mit Musik von Girolamo ­Giacobbi in Betracht gezogen werden. Sie hatte nach Solerti70 einen dauerhaften Erfolg, dessen Ruf sich über Italien verbreitete; eine Arie des Perseo soll lange Zeit berühmt gewesen sein. Tatsächlich sind 21 Exemplare des Librettodrucks bekannt,71 was für eine nichthöfische Faschingsoper eine außergewöhnlich große Anzahl ist.72 Beziehungen zwischen Salzburg und Bologna bestanden: Marcus Sitticus hatte mehrere Jahre lang in Bologna studiert und der dort tätige Aurelio Bonelli hatte ihm 1596 sein erstes Villanellenbuch gewidmet.73 Er muß diesen Verkehrsknotenpunkt bei seinen Reisen häufig berührt haben. Jakob Hannibal von ­Hohenems, Neffe, Schützling und Oberstkämmerer des Fürsterzbischofs, kam bei seiner Rückreise 66 „Nouamente composta et data in luce.“ „[…] i primi bollori del mio rozzo ingegno scaturiti ­nella propria sua casa […] nati sotto la sua protezione ed innestati nella gentilezza sua […]“. Siehe ­Solerti: Musica, ballo e drammatica alla corte Medicea dal 1600 al 1637, S. 375, 377. 67 Ebenda, S. 376: „forse antica dal 1608“. S. 44 bezeichnet er es sogar als mehr als wahrscheinlich, daß es eine der beiden ­„favolette per doversi rappresentare cantando“ war, die Chiabrera am 28. September 1608 dem Kardinal Ferdinando Gonzaga gesandt hatte. 68 Flotzinger: „Die ersten Salzburger Opern – von Domenico Belli?“, S. 334: „Chiabreras ­,Orfeo‘ lag in erster Version 1608 vor“. Als Quelle ist die viel vorsichtigere Formulierung Solertis: M ­ usica, ballo e drammatica alla corte Medicea dal 1600 al 1637, S. 376, angegeben. 69 Ebenda, S. 126 ff. 70 Gli albori del melodramma. Bd. 1. Milano 1904, S. 122. 71 Claudio Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Cuneo 1990–1994. 72 Von der höfischen Festoper L’Euridice (1600) sind 25 bekannt, von der höfischen Faschingsoper La Favola d’Orfeo (1607) nur drei. 73 Ferrari Barassi: „Il primo libro delle villanelle of Aurelio Bonelli“.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa von Rom im Dezember 1615 auch nach Bologna, wo er „bald von e­ inem Schwarme guter alter Freunde Marx Sittichs umgeben“ war und auch zwei ­C omödien ­b esuchte.74 Tomaso Moneta wünschte ihm im folgenden Jahr von Bologna aus brief lich zu seiner bevorstehenden Vermählung „una felice e bella descendenza“ 75. Das Argument, daß man für die Oper in ihrer Frühzeit „als einziges Vorbild […] ohne jeden Zweifel Florenz“ genommen habe,76 trifft für die in Frage stehende Zeit zwischen 1614 und 1619 wohl nicht zu; vielmehr hatte sich der Schwerpunkt dieser Gattung bereits nach Mantua verlagert.77 Der als Stütze der Hypothese der Verbindung von Salzburg mit der – nicht existenten – Opernszene von Florenz herangezogene erzbischöf liche Tanzmeister Santino ist nicht der 1612 bis 1615 und 1623 in Florenz nachweisbare Santino Comesari,78 sondern, wie aus den Salzburger Quellen hervorgeht, Santino Ventura, dessen Herkunft unbekannt ist. 1613 war Giovanni Battista Popa Tanzmeister der Pagen und Ventura nur Kammerdiener,79 doch am Neujahrstag 1617 ist Santino (hier ohne Nennung des Familiennamens) als Pagentanzmeister nachweisbar,80 und in der Besoldungsliste vom Oktober 1619 scheint er als Kammerdiener mit dem Zusatz „danzmaister“ auf.81 Der ehemals erzbischöf liche Ballerino Santino war der Choreograph der vom Dogen veranstalteten Ballette, die am 7. Mai 1625 in Venedig in Anwesenheit von Franz Maria von Hohenems, dem zweiten Sohn des Grafen

74 Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 123. Auch in Florenz hatte er kurz vor dem 13. Dezember eine Comödie gesehen, deren Ausführende höchstwahrscheinlich die Accesi waren, die ­Truppe des Pier Maria Cecchini, dessen Rollenname in der Commedia dell’arte Fritellino war und der in den Jahren 1613 und 1614 am kaiserlichen Hof in Linz und Wien gespielt hatte und vom ­Kaiser Matthias schließlich geadelt worden war. Siehe Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 120. – Solerti: Musica, ballo e drammatica alla corte Medicea dal 1600 al 1637, S. 101. – Vito Pandolfi: La commedia dell’arte. Bd. 4. Firenze 1958, S. 449 f. – Cesare Morinello: „Pier Maria Cecchini“. In: Enciclopedia dello spettacolo. Bd. 3. Roma 1956, Sp. 304 f. 75 Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 136. 76 Flotzinger: „Die ersten Salzburger Opern – von Domenico Belli?“, S. 333. 77 Nino Pirrotta: Li due Orfei. Nuova edizione. Torino 1975, S. 311: „[…] una fase fiorentina della storia dell’opera è praticamente quasi inesistente, dopo l’inizio nel 1600, fino a circa la metà del secolo XVII. Il nuovo genere avrebbe potuto anche non sopravvivere se non fosse stato t­ rapiantato e se non gli fosse stato infuso nuovo vigore prima a Mantova, poi a Roma, e finalmente a Venezia.“ S. 330 gibt er an, daß man für die Zeit zwischen 1600 und 1628 keine Nachricht über Aufführungen von Opern in Florenz kennt, doch übersieht er dabei Caccinis Vertonung von Rinuccinis L’Euridice im Jahr 1602. Siehe Solerti: Musica, ballo e drammatica alla corte Medicea dal 1600 al 1637, S. 30. 78 Flotzinger: „Die ersten Salzburger Opern – von Domenico Belli?“, S. 334: „sehr wahrscheinlich“ 79 Stainhauser: Relationen, Ms. Rot 35/1, fol. 115r . 80 Stainhauser: Relationen, Ms. Rot 48, fol. 65r . 81 Salzburg, Landesarchiv, Geheimes Archiv XXIII/4/1: „Besoldüngen Auszüg von Monat­ Octobris, […] Anno 1619.“

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Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua Kaspar, getanzt wurden, und außerdem sein Führer durch Venedig.82 Im nächsten Jahr scheint er in kaiserliche Dienste getreten zu sein, wenn man seine Identität mit dem bis 1675 in Wien tätigen Tanzmeister Santo Ventura annehmen will.83 Die von Flotzinger als Ausgangspunkt für seine Argumentation genommenen Gattungsbezeichnungen „Pastoral“ für Orfeo und Andromeda und „Rappresentazione“ für die lateinischsprachigen Werke kommen in dieser Konsequenz der Unterscheidung in der historischen Quelle für die Aufführungen, Stainhausers Relationen, nicht vor: Orfeo wird 1614 als „Pastoral“, 1616 nur als „Orfeo in Musica“, 1617 als „repraesentation […] in Musica“, 1618 als „werckh“ und 1619 als „action in ­Musica“, ­A ndromeda 1616 und 1617 als „Action […] in musica“, 1618 als „(musikalisches) werckh“ und mit dem Titel Il Perseo als „Opera […] in Musica“ bezeichnet. Das Wort „Repraesentation“ kommt sowohl allgemein für Aufführung, etwa von l­ ateinischen Schuldramen oder des Orfeo, als auch für die italienische Rappresentazione sacra S. Christina vor, die aber mehrmals auch „(geistliche) Action“ genannt wird. Die Komponisten der ersten Opern, die außerhalb Italiens aufgeführt wurden, sind auch jetzt noch nicht zweifelsfrei nachweisbar, doch scheint viel für C ­ laudio ­Monteverdi und einiges für Girolamo Giacobbi zu sprechen, während man zugunsten von Domenico Belli nur anführen kann, daß er zwei mit den Salzburger Musikdramen titelgleiche Werke komponiert hat, die jedoch keine Opern sind, und daß seine Biographie ebenso wie die des schon ausgeschiedenen Santino ­C omesari Lücken aufweist, in denen er in Salzburg gewesen sein könnte. Unbestritten sind jedenfalls die Verdienste, die sich der aus dem Bodenseeraum stammende und längere Zeit in Konstanz ansässige Marcus Sitticus von Hohenems in seiner Salzburger Zeit um die Einführung der italienischen Oper im deutschen Sprachraum erworben hat.

82 Welti: Graf Kaspar von Hohenems, S. 247. 83 Aus dem Protokoll eines Gesuchs Santo Venturas an den Kaiser geht hervor, daß er 1626 von Ferdinand III. aus Venedig nach Wien berufen worden war. Siehe Paul Nettl: „Die Wiener Tanzkomposition in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts“. Studien zur Musikwissenschaft 8 (1921), S. 56.

57

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa

Stammtafeln Gilberto Borromeo († 1558)  Margherita de’ Medici (1510–1546) 1530

Carlo (1538–1584)

Ortensia (um 1551–1578)  Jakob Hannibal I. (1530–1587) 1565

Kaspar (1573–1640)  Philippina von Welsberg 1592

Jakob Hannibal II. (1595–1646)

Marcus Sitticus IV. (1574–1619)

Franz Maria († 1642)

Anhang Als Ergänzung zu den teilweise schon aus Weltis Werk bekannten Daten aus Stainhausers Relationen wurde aus dieser Quelle ein Spielplan der Regierungszeit von Marcus Sitticus zusammengestellt. Über die Spielorte wird in der Quelle nicht immer etwas ausgesagt, doch wird man beim Fehlen einer diesbezüglichen Angabe oder bei dem Wortlaut „bey Hof “ annehmen können, daß die fürsterzbischöf liche Residenz gemeint war. Dort scheinen die meisten Aufführungen stattgefunden zu haben. Es war offenbar immer derselbe große Saal, in dem die Bühne aufgerichtet war, vielleicht der später als Theater verwendete Carabinierisaal. Dort war nicht nur die Möglichkeit zum Wechsel des perspektivischen Bühnenbilds gegeben, sondern auch die zu Erscheinungen in der Luft und zum Abstieg von dort zum Bühnenboden, also zum Einsatz von Flugmaschinen. Im Fasching von 1614 spielte man dort zunächst innerhalb von einer Woche dreimal für ein jeweils verschieden zusammengesetztes Publikum eine italienische Tragikomödie, dann, am 10. Februar, die Oper Orfeo. Wiederholungen fanden am 3. und 8. Februar 1616, am 27. Jänner 1617, am 17. Februar 1618, immer im ­Fasching, und am 16. Juli 1619 anläßlich des Besuchs des Königs Ferdinand II. von Ungarn und Böhmen auf der Reise zu seiner Wahl zum Kaiser statt. Am 3. September 1614 präsentierte Marcus Sitticus dem Erzherzog Maximilian von Tirol die genannte Tragikomödie und ein italienisches Pastorale. Ebenso häufig wie ­O rfeo, 58

Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua



Wolf Dietrich von Hohenems (um 1507–1538)  Clara de’ Medici († um 1560) 1528

Marcus Sitticus II. (1533–1594)

Helena († 1586)  Hans Werner von Raitenau 1558 Wolf Dietrich (1559–1617)

Vincenzo I. Gonzaga (1562–1612 II 8)  1584 Eleonora de’ Medici (1566–1611)

Francesco IV. (1586–1612 XII 22)  1608 Margherita von Savoyen Ferdinando (1587–1626)  1617 Caterina de’ Medici Margarita (1591–1632)  1606 Herzog Heinrich II. von Lothringen Vincenzo II. (1594–1627)  1616 Isabella Gonzaga Novellara Eleonora (1598–1655)  1622 Kaiser Ferdinand II.

also sechsmal, wurde die italienische Rappresentazione sacra Santa Christina mit Musik aufgeführt, und zwar am Aschermittwoch 1615, dann anläßlich von Fürstenbesuchen am 27. August 1615, 29. April und 5. Dezember 1616 und 27. August 1617 und schließlich im Fasching 1618. Von der Aufführung im April 1616 haben wir eine ausnahmsweise etwas genauere Beschreibung der szenischen Vorgänge: Das Bühnenbild wechselte dreimal, wobei sich eines wiederholte, sodaß man mit drei verschiedenen auskam: einem Garten, einer Stadt und der Hölle. Hier ­w urden die oben genannten Theatermaschinen mit Sicherheit eingesetzt; da sonst die ­Effekte nicht im Detail beschrieben sind, die Möglichkeiten aber vorhanden ­waren, wird man das auch für die anderen Werke annehmen können. 59

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Im Fasching 1616 ging zweimal eine Tragödie von einem sizilianischen König über die Bühne der Residenz. Am Tag nach der Rückkehr des Grafen Jakob Hannibal mit seiner Gemahlin und beider Verwandtschaft von ihrer Hochzeit am 1. Dezember 1616 ließ Marcus Sitticus die neue Oper Andromeda singen, ebenso zwei Monate danach im Fasching, am 29. August und 8. Oktober 1617 anläßlich von Fürstenbesuchen und zweimal im Fasching 1618. Als der Erzherzog Leopold V. von Tirol am 15. November 1618 in Salzburg war, führte ihm sein Gastgeber die vermutlich damit identische Oper mit dem Titel Il Perseo vor. Am 3. Dezember 1616, also zwei Tage nach der ersten Aufführung von Andromeda, spielte man für die anwesenden Gäste und den Hofstaat eine fünf Stunden dauernde Tragödie, ebenso im Fasching der beiden folgenden Jahre. Am Weihnachtsabend 1618 führten Musiker und Kammerdiener ein gesungenes Pastorale von der Geburt Jesu auf. Das Neujahrsfest war Anlaß für die Hofbediensteten, ihrem Fürsten Glück zu wünschen, wofür er sie belohnte. Im Rahmen dieser Wünsche gab es auch kleine Darbietungen, etwa wenn die fünf Pagen mit ihrem Tanzmeister Santino Ventura 1617 als Hirten kostümiert auftraten und italienische Verse rezitierten. Dann tanzten sie, von Violine und Harfe begleitet, eine Intrada und „ein herrlich neuen Tanz“. Danach zogen zwei Gruppen von Italienern mit je einer ­Theorbe ein; die erste rezitierte einen den Fürsten preisenden italienischen ­Dialog „wie ein halbe Comoedi“, die zweite trug einen solchen Dialog „in musica“ mit Begleitung der Theorben vor. Am Neujahrsabend 1619 führten Hofpagen ein italienisches Pastorale mit einem Hirtenballett auf und rezitierten als Götter der Antike gekleidete Kammerdiener vor und auf einem Triumphwagen italienische Verse. Das Steintheater in Hellbrunn, das Marcus Sitticus „zu repraesentierung der Pastorall Actionen“ hatte einrichten lassen, wurde nach der Chronik zu seinen Lebzeiten kaum benützt; wohl zeigte er es gerne seinen fürstlichen Gästen, doch sind nur zwei Aufführungen erwähnt, nämlich an einem der Tage nach dem 27. August 1615 für den Erzherzog Maximilian von Tirol und zwei Jahre später für den Kurfürsten von Köln und den Herzog von Bayern. Welche Werke gespielt wurden, ist nicht bekannt; es ist nur von Pastoralen die Rede. Eine Beschreibung einer Darbietung dort ist aber aus der Regierungszeit des Fürsterzbischofs Paris Lodron erhalten; Als der Großherzog der Toscana, Ferdinando II., sich auf seiner Rückreise vom Kaiserhof 1628 mehrere Tage lang in Salzburg auf hielt, führte ihm der Gastgeber am 8. Juni die kleine, italienisch gesungene Rappresentazione sacra La Maddalena Peccatrice vor. Ein Teufel versuchte die Sünderin in die Hölle zu bringen, doch ihr Schutzengel verhinderte das und ein Eremit bekehrte sie. Der Teufel wurde von Pluto, der mit einer großen Schar von Teufeln auf der Bühne erschien, zu einer schweren Strafe in der Hölle verdammt und in Ketten abgeführt, weil er die Bekehrung Magdalenas zugelassen hatte. Ein Engelschor beschloß die Aufführung singend und auf Instrumenten spielend bereits eine Stunde nach ihrem Beginn. Der 60

Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua Großherzog besichtigte dann die in den Felsen gehauenen Räume mit Ausgängen auf der anderen Seite des Berges.84 Eine Wiederholung dieser Rappresentazione sacra, deren Musik der fürstliche Kapellmeister Stefano Bernardi komponiert hatte, fand am 27. September anläßlich der Domweihefeiern statt.85 In der alten Dompropstei gab es vier Aufführungen eines deutschen Prosadramas von dem Jüngling Mariano im Fasching 1614 und zwei des lateinischen Dramas Mariae […] adplausus comicus durch Professoren des Gymnasiums im Juni 1619. Das hochfürstliche Seminar war der Schauplatz von drei lateinischen Schuldramen im Fasching 1614 und 1615 und am 11. November 1614, dem Fest des Hl. Martin. Zwei handelten von Karl dem Großen und seiner Gemahlin Hildegard bzw. von der Hl. Susanna; der Titel des dritten lautete: Andria, hoc est virilis homo. Im großen Innenhof der Erzabtei St. Peter richtete man für das Schulspiel mit Musik Triumphus laboris am 25. Oktober 1618 eine Bühne auf. Auch in Häusern von Domherren wurde Theater gespielt: Am 16. Jänner 1614 bot Graf Paris Lodron dem Erzbischof und den Hof herren ein italienisches Pastorale, und im nächsten Fasching der Freiherr Wolf Wilhelm von Schrattenbach zweimal ein ebenfalls italienisches Drama von der Königin Velasca nach einem Stoff aus der böhmischen Geschichte. Der Residenzplatz war der Ort, an dem die Faschingsaufzüge und viele Prozessio­ nen stattfanden; eine Art Commedia dell’arte scheint dort am Faschingdienstag 1618 auf einem Wagen gezeigt worden zu sein, auf dem ein venezianischer ­Pantalone, ein neapolitanischer Coviello und ein Zanni einzogen und „in welscher Sprach auf Ihre art guete khurzweyllige possen gemacht haben. Neben der ­Gutschey ist ein Buffon oder Schalkhsnaar geloffen.“ Es war wohl die Kirche von Mülln, in der die dortige Bruderschaft an den ersten fünf Freitagen der Fastenzeit 1619 auf einer Bühne neben dem Hochaltar dramatische Darstellungen der fünf Sinne veranstaltete; nach oben wurde die Dekoration durch Wolken abgeschlossen, die sich bei einer Gelegenheit öffneten und einen Engel mit einer Posaune im Himmel zeigten.

84 Bericht von Geri Bocchineri vom 17. Juni 1628 aus Innsbruck nach Florenz in Florenz, ­Archivio di Stato, Archivio Mediceo del Principato, filza 6379. Der fast gleichlautende gedruckte Bericht bei ­Margherita Costa: Istoria del viaggio d’Alemagna. Venezia 1630, ist bei Hermann Spies: „Ein ­italienischer ­B ericht“, S. 39 f., und bei Artur Kutscher: Vom Salzburger Barocktheater zu den Salzburger Festspielen, S. 41, auszugsweise zitiert. 85 Spies: „Ein italienischer Bericht über den Besuch des Großherzogs Ferdinand II. v. Toscana in Salzburg im Jahre 1628“. Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 86/87 (1946/ 1947), S. 40. – Ernst Hintermaier: „Musik zur Weihe der Salzburger Domkirche im Jahre 1628“. Österreichische Musikzeitschrift 33 (1978), S. 522.

61

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Theater in Salzburg 1614–1619

1614

I 16 Italienisches Pastorale im Palais des Grafen Paris Lodron. Anlaß: Fasching. I 19

Lateinisches Drama über den Kaiser Karl den Großen und seine Gemahlin Hildegard. Im hochfürstlichen Seminar „mit zierlichem apparat“ aufgeführt. Anlaß: Fasching. Schauspieler: Alumnen des Seminars.

I 20 Deutsches Prosadrama von einem Jüngling namens Mariano. In der alten Dompropstei von dem Domherrn und Statthalter Nikolaus Freiherrn zu Wolkenstein und Rodenegg veranstaltet. Anlaß: Fasching. I 22

Wiederholung des deutschen Prosadramas von I 20. Anlaß: Fasching.

I 27 Italienische Hof-Tragikomödie. „In dem Hochfürstlichen Hof und eignem hierzue verordetem Orth“ „mit cösstlichem Apparat, khünstlich verkhertem Theatro und ansehlichen repraesentationen“ für Offiziere und Hof bedienstete. Anlaß: Fasching. II 1

Wiederholung der Hof-Tragikomödie von I 27 für den Stadtrat und a­ ndere vornehme Bürger. Anlaß: Fasching.

II 3

Wiederholung der Hof-Tragikomödie von I 27 „in dem g­ ewöhnlichen wolgeziertem Theatro“ für das Domkapitel, Herren und Adels­p ersonen. Anlaß: Fasching.

II 5

Wiederholung des deutschen Prosadramas von I 20 in der alten Dompropstei. Anlaß: Fasching.

II 10

Orfeo. Pastorale, „musicalisch agirt“, bei Hof. Anlaß: Fasching.

IX 3

Wiederholung der Hof-Tragikomödie von I 27 „mit khosstlichem ­apparat und khunstlichen repraesentationen“, am Nachmittag. Italienisches Pastorale, am Abend. Anlaß: Besuch des Erzherzogs ­Maximilian von Tirol.

XI 11



62

Lateinisches Drama von der Heiligen Susanna, „mit zierlichem apparat“ nachmittags von den Alumnen des Seminars aufgeführt. Anlaß: Fest des Hl. Martin.

Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua

1615 I 4 Italienisches Drama von der Königin Velasca. „Mit schönen repraesentationen“ von dem Domherrn Wolf Wilhelm von Schrattenbach, Freiherrn zu Heggenberg und Osterwitz, veranstaltet. Anlaß: Fasching. I 11

Wiederholung des italienischen Dramas von I 4. Anlaß: Fasching.

I 21

Andria, hoc est virilis homo, lateinisches geistliches, Drama. Im Seminar durch die Alumnen aufgeführt. Anlaß: Fasching.

III 4

S. Christina. Rappresentazione (sacra) mit Musik, bei Hof „mit khünstlich verkherdten Theatris“ am Nachmittag aufgeführt. Anlaß: Aschermittwoch.

VIII 27 S. Christina. Wiederholung von III 4, um 15 Uhr. Anlaß: Besuch des Erzherzogs Maximilian von Tirol. nach VIII 27 „Comedien“ und Pastoralen in Hellbrunn, Rif-Glanegg und Hallein. Anlaß: Besuch des Erzherzogs Maximilian von Tirol. 1616 II 3

Orfeo. Bei Hof „mit khunstlicher repraesentation und artlich verkherdtem Theatro“ für die Bürgerschaft aufgeführt. Wiederholung von 1614 II 10. Anlaß: Fasching.

II 5 Tragödie von einem König aus Sizilien. Für die Bürgerschaft. Anlaß: Fasching. II 8

Orfeo. Bei Hof „in gewöhnlichem Theatro“ für das Domkapitel, Adel, Herren und Hofräte. Wiederholung von 1614 II 10. Anlaß: Fasching.

II 12

Wiederholung der Tragödie von II 5 für den Adel.

IV 29

S. Christina. Wiederholung von 1615 III 4, um 14 Uhr. Anlaß: Besuch des Erzherzogs Leopold V. von Tirol.

XII 1

Andromeda. Italienische „Action […] in Musica“. Um 14 Uhr. Anlaß: Rückkehr des Grafen Jakob Hannibal von Hohenems mit seiner Gemahlin und beider Verwandtschaft von seiner Hochzeit.

XII 3 Tragödie. Am Nachmittag mit „khünstlich verkherdtem Theatro und lebhafften repraesentationen, auch lieblichster Musica“ fünf Stunden lang aufgeführt. Anlaß: wie XII 1. XII 5

S. Christina. Wiederholung von 1615 III 4, am Nachmittag bei Hof. ­Anlaß: wie XII 1. 63

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa 1617 I 1 Zwei italienische Dialoge, einer „wie eine halbe Comoedi“, der andere „in musica“. Ausführende: zwei Gruppen Italiener mit Begleitung von je einer Theorbe. Anlaß: Neujahr. I 27

Orfeo. Wiederholung von 1614 II 10 „mit khünstlichem verkherdtem Theatro“ für den Adel. Anlaß: Fasching.

II 5

Andromeda. Wiederholung von 1616 XII 1 „mit herrlichem apparat“ für den Stadtrat, Adel und die Hof bediensteten. Anlaß: Fasching.

II 6 Tragödie. Wiederholung von 1616 XII 5. Für den Adel und die Hof­ bediensteten. Anlaß: Fasching. VIII 27 S. Christina. Wiederholung von 1615 III 4, am Abend. Anlaß: Besuch des Kurfürsten und Erzbischofs von Köln, Ferdinand von Bayern, und des Herzogs Albrecht von Bayern. VIII 28 Pastorale im Steintheater von Hellbrunn. Anlaß: wie VIII 27. VIII 29 Andromeda. Wiederholung von 1616 XII 1, am Abend. Anlaß: wie VIII 27. X 8

Andromeda. Wiederholung von 1616 XII 1, am Nachmittag. Anlaß: ­B esuch des Erzherzogs Maximilian, des Deutschmeisters.

1618 II 12 Tragödie. Wiederholung von 1616 XII 3 für Stadtrat und Bürgerschaft. Anlaß: Fasching. II 13 Tragödie. Wiederholung von 1616 XII 3 für Adel und Hofräte. Anlaß: Fasching. II 15

Andromeda. Wiederholung von 1616 XII 1, am Nachmittag oder Abend für Adel und Hofräte. Anlaß: Fasching.

II 16

Andromeda. Wiederholung von 1616 XII 1 für die Bürgerschaft. Anlaß: Fasching.

II 17

Orfeo. Wiederholung von 1614 II 10, vor der Vesper für Adel, Hofräte und vornehme Bürger. Anlaß: Fasching,

II 23

S. Christina. Wiederholung von 1615 III 4, nach der Vesper für Adel und vornehme Bürger. Anlaß: Fasching.

II 27

Commedia dell’arte auf einem Wagen bei einem Fastnachtsaufzug. ­Anlaß: Fasching. Schauspieler: Hofmusiker.

64

Marcus Sitticus von Hohenems und Mantua

X 25

Triumphus laboris. Lateinisches Drama mit Musik. Text: Andreas Vogt. Auf einer Bühne im inneren großen Hof der Abtei St. Peter. Anlaß: Prämienverteilung an die Studenten am Tag von drei ­Salzburger Patronen. Ausführende: Studenten des akademischen Gymnasiums.

XI 15

Il Perseo (= Andromeda?). Opera in musica. Am Abend. Anlaß: Besuch des Erzherzogs Leopold V.

XII 25

Pastorale in musica von der Geburt Jesu. Privatim um 20 Uhr bei Hof vor dem Fürsterzbischof, einigen Herren und Hof bediensteten. Anlaß: Weihnachten. Ausführende: Kammerdiener und Hofmusiker.

1619 I 1 Italienisches Pastoral mit einem Ballett. Nach 19 Uhr für den Fürsterzbischof. Anlaß: Neujahr. Schauspieler und Tänzer: die hochfürstlichen Pagen. II 15, 22, III 1, 8, 15 Repraesentationes und andächtige Fürstellungen der fünff Sinnen des Menschen: De Visu / Von dem Sehen; De Auditu / Von dem Gehör; De Gustu / Von dem Geschmackh; De Odoratu / Von dem Geruch; De ­Tactu / Von dem Greiffen. Dramatische Aufführungen, von der Bruderschaft unserer lieben Frau und der Hl. Monika zu Mülln an den ersten fünf Freitagen der Fastenzeit auf einer Bühne neben dem Hochaltar ver­ anstaltet. Anlaß: Fastenzeit. VI 19

Mariae magni Dei gloriosae parenti, parthenicorum coetuum omnium firmissimo Asylo, clientumque suorum acerrimae vindici adplausus comicus. Lat. Drama. In der alten Dompropstei für den Fürsterzbischof, das Domkapitel, die Kammer- und Hof herren, hochfürstliche Räte, Adel und andere Hof bedienstete. Schauspieler: geistliche Professoren des hochfürstlichen Gymnasiums.

VI 21

Mariae magni Dei […] adplausus comicus. Wiederholung des Dramas von VI 19 für den Konvent von St. Peter, die anderen ­Ordensgeistlichen und die Schüler des Gymnasiums.

VII 16

Orfeo. Action in musica. Wiederholung von 1614 II 10, nach dem Abendessen. Anlaß: Besuch des Königs Ferdinand II. von Ungarn und Böhmen.

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VORWORT * Welch tragende Rolle Erzbischof Marcus Sitticus von Hohenems trotz seiner ­kurzen Regierungszeit in Salzburgs Kulturgeschichte zukommt, konnte von der historischen Forschung in den letzten Jahrzehnten durch neue Dokumente und Erkenntnisse aufgezeigt werden. Daß auf den Halbitaliener vor allem Musik und Theater eine besondere Anziehungskraft auszuüben vermochten, läßt sich in erster Linie am Beispiel der ersten Opernaufführungen außerhalb Italiens auf Salzburger Boden ermessen. Kurz nach seinem Regierungsantritt, im Dezember 1612, kam der führende ­Tenor der frühen Oper, Francesco Rasi, an seinen Hof, sang ihm vor und widmete ihm eine Handschrift mit geistlichen und weltlichen Monodien, die hier erstmals im Druck vorgelegt wird. Zu den italienischen Musikern im Hofstaat, die für die Opernaufführungen benötigt wurden, gehörte für einige Jahre auch C ­ amillo ­Orlandi aus Verona; er widmete seinem Dienstherrn einen im Jahre 1616 in V ­ enedig erschienenen Druck mit weltlichen Monodien, deren Neuedition zusammen mit denen von Rasi einen Einblick in die vokale Kammermusik am Salzburger Hof im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts vermitteln soll.

ZUR BIOGRAPHIE FRANCESCO RASIS Francesco Rasi war einer der bedeutendsten Sänger des frühen 17. Jahrhunderts und wohl auch der erfolgreichste Tenor seiner Zeit. Im ersten Dezennium war er, Schüler Giulio Caccinis, an allen bedeutenden, wenn nicht überhaupt an a­ llen Opernaufführungen beteiligt und spielte somit in der Frühzeit der Monodie und der Oper eine höchst wichtige Rolle. Seine abenteuerliche Biographie konnte durch Warren Kirkendale aufgrund zahlreicher neu aufgefundener Archivalien erhellt werden. Die folgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf dessen ­Arbeiten.1 Rasi wurde am 14. Mai 1574 in Arezzo als Sohn von Dr. Ascanio Rasi geboren, der dann von mindestens 1578 bis 1600 Beamter der Medici und anschließend der Gonzaga war. Francesco Rasi wurde in Florenz von Giulio Caccini unterrichtet, wo er schon 1588 als „Gentilhuomo“ (Edelmann) vom Hof der Medici ein klei* Zuerst erschienen als Vorwort zur Edition von Francesco Rasi: Musiche da camera e chiesa und von ­Camillo Orlandi: Arie a tre, due et a voce sola, hg. von Herbert Seifert (Denkmäler der Musik in Salzburg 7). Salzburg 1995, S. VII–IX. 1 Warren Kirkendale: „Zur Biographie des ersten Orfeo, Francesco Rasi“. In: Claudio Monteverdi. Festschrift Reinhold Hammerstein zum 70. Geburtstag. Laaber 1986, S. 297–335. – Ders.: The court musicians in Florence during the principate of the Medici. Florenz 1993, S. 556–603.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa nes Gehalt bezog. Auf Wunsch seines Vaters studierte er einige Jahre lang in Pisa Rechtswissenschaften, doch ohne ernstlich einen Abschluß anzustreben. Emilio de’Cavalieri berichtet 1593, daß Rasi als Sänger und Spieler des Chitarrone in Rom ungemein geschätzt werde und er niemanden kenne, der besser singe. Virginio Orsini, ­Kardinal Montalto und Carlo Gesualdo da Venosa bemühten sich gleichVII 2 zeitig, ihn zu verpf lichten. 1596 war er in Begleitung des | päpstlichen Nuntius Benedetto Mandina mit Luca Marenzio und zwanzig anderen italienischen Musikern bei König Sigismund III. in Warschau, im folgenden Jahr in Ungarn und auch in Wien, wo er sich wegen eines gebrochenen Beins länger auf halten mußte und dem Herzog Vincenzo I. Gonzaga von Mantua vorgestellt wurde, der ihn nach seiner Rückkehr ebenfalls als „Gentilhuomo“ in seine Dienste nahm. Im Jahr 1600 stellte dieser Fürst Francesco Rasi dem Großherzog der Toskana für die Feierlichkeiten zur Hochzeit von Maria Medici zur Verfügung. Er sang bei dieser Gelegenheit den Aminta in Jacopo Peris Euridice und vermutlich auch die Titelrolle in Caccinis Il Rapimento di Cefalo. In Mantua verkörperte Rasi 1607 die Titelrolle in Monteverdis Oper L’Orfeo, im nächsten Jahr den Apollo in Marco da Gaglianos Dafne und in Monteverdis Arianna wahrscheinlich die Rolle des Teseo. Danach begleitete Rasi Herzog Vincenzo nach Spa in Flandern und nach ­L othringen. Aus Innsbruck schrieb er im Juni 1608 an den Kardinal Ferdinando Gonzaga nach Mantua, daß er durch die Einsamkeit und durch das Murmeln der Bäche und Flüsse während seiner Reise zur Dichtung einer Kanzonette angeregt worden sei, die er dem Kardinal nun zur Komposition vorlege. 2 Francesco Rasi war demnach nicht nur als Sänger, Theorbist, Spieler von Tasteninstrumenten und Komponist, sondern auch als Dichter tätig. Im folgenden Jahr verliebte er sich in die junge, schöne Frau des Gutsverwalters seiner Stiefmutter. Am 6. November ermordete Rasi in der väterlichen Villa bei Arezzo diesen Verwalter und versuchte auch seine Stiefmutter zu töten. Für diesen Mord und Mordversuch wurde er zusammen mit seiner Geliebten und zwei ­Dienern zum Tod durch Erhängen und anschließender Vierteilung verurteilt. Rasi gelang jedoch die Flucht aus dem Arrest. In der Folge begleitete er Herzog ­Vincenzo, der sich anscheinend an den von Rasi verübten Verbrechen nicht stieß, nach Turin. Nach der Rückkehr sang er 1611 in Casale Monferrato, einem ­B esitz der Gonzaga, zusammen mit dem zweiten bedeutenden Tenor dieser Zeit, Francesco ­Campagnolo, in Giulio Cesare Monteverdis Oper Il Rapimento di P ­ roserpina. Im Februar 1612 wurde Rasi in die Accademia Filarmonica von Verona aufgenommen. Nach der Krönung König Matthias’ von Ungarn zum Kaiser schickte

2 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), S. 8–33 [17–42], vgl. S. 8 [17 f.].

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Vorwort Herzog Francesco von Mantua, ein Cousin der Kaiserin, seinen jüngeren Bruder, den ­achtzehnjährigen Prinzen Vincenzo Gonzaga, mit Glückwünschen an den damals noch in Prag residierenden Kaiser. Francesco Rasi begleitete den Herzog mit einem eigenen Diener nach Prag, wo sie am 5. Oktober 1612 ankamen. Rasi suchte in jenen Tagen mehrmals den toskanischen Botschafter, Monsignore Giuliano de’Medici, auf, | zeigte tiefe Reue über sein Verbrechen und versuchte so auf diplo­ VIII 1 matischem Weg, Vergebung und Amnestie zu erlangen. 3 Don Vincenzo trat am 17. Oktober die Rückreise an, doch Rasi mußte wegen einer Erkrankung in Prag bleiben, wo er im Haus von Monsignore de’Medici wohnte und tagelang von schweren Schmerzen geplagt wurde. Kurz vor seiner Abreise am 29. Oktober ließ Kaiser Matthias ihn noch rufen, um seinen Gesang zu hören. Wahrscheinlich überreichte Rasi bei dieser Gelegenheit die Druckausgabe seiner Vaghezze di musica per una voce sola (1608), die im Nachlaßinventar des Kaisers unter der Eintragung „Francesco Rasi per una voce sola in fol.“ aufscheint.4 Zum Zeichen seiner Zufriedenheit belohnte ihn der Kaiser unter anderem mit einer wertvollen Halskette und einer Medaille mit dem kaiserlichen Bildnis, einem gewöhnlich als Zeichen höchster Wertschätzung verliehenen Geschenk. Rasi fühlte sich dem Herzog von Mantua gegenüber verpf lichtet, sein längeres Verweilen in Prag mit der bevorstehenden Abreise des Kaisers und des toskanischen Botschafters sowie mit seinen Schmerzen zu begründen. Die Rückreise führte ihn über Nürnberg und Augsburg zunächst nach München, von wo aus er seinen Herrn um Übersendung von Geldmitteln zur Fortsetzung seiner Reise bitten mußte, da er schon in Nürnberg über fast keine mehr verfügte und in München weder das Quartier noch den Arzt bezahlen konnte. Er führte die Verschlechterung seines Zustandes auf die Kälte, den herben Wein und die rauhe Luft zurück, war aber auch mit der Behandlung durch den bayerischen Hofarzt Hieronymus Faber unzufrieden. 5 Das alles führte bei ihm schließlich zu dem festen Vorsatz, Italien nie wieder zu verlassen. Zwei Wochen nach der Absendung seines letzten Hilferufs aus München finden wir Rasi dann im Dezember 1612 am fürsterzbischöf lichen Hof in Salzburg, wo einige Zeit zuvor auch Don Vincenzo Gonzaga durchgereist war und dem Salzburger Metropoliten seine Aufwartung gemacht hatte. Rasi widmete damals Fürst­ erzbischof Marcus Sitticus von Hohenems die Handschrift der Musiche da camera e chiesa.

3 Ebenda, S. 8 f. [18]. 4 Haus-, Hof- und Staatsarchiv (A-Whh), Familienurkunden 1578, fol. 55 r . Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Dr. Robert Lindell. 5 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 9–13 [19–22].

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Wenn diese Kompositionen auch nicht, wie früher angenommen wurde, die ersten italienischen Monodien nördlich der Alpen waren,6 gehören Rasis Auftritte vor dem Kaiser, dem bayerischen Herzog und vor dem Fürsterzbischof von Salzburg wahrscheinlich zu den frühesten dieser Art außerhalb Italiens. Im Hinblick darauf erscheint die Tatsache, daß 14 Monate nach dem Aufenthalt des Protagonisten von Monteverdis Favola in musica L’Orfeo ein Pastorale dieses Titels in Salzburg erstmals gesungen wurde, in neuem Licht. Mehrere Argumente lassen sich für die Identität der in Mantua und in Salzburg gesungenen Opern anführen: 1. Monteverdis Partitur lag seit 1609 im Druck vor. VIII 2 2. Es ist sehr gut vor|stellbar, daß der Fürst von Salzburg den erfahrenen Opernsänger Rasi um Ratschläge und Musik für seine Faschingsunterhaltungen bat. 3. Vielleicht führte Rasi sogar Exemplare der Partitur von Monteverdis L’Orfeo mit sich und überließ eines davon dem Salzburger Erzbischof. Zweifellos konnte Rasi mit der großen Rolle des Orfeo, vor allem aber mit der verzierten Fassung von „Possente spirto“, seine Vortragskunst am eindrucksvollsten demonstrieren. 4. Ebensogut hätte aber auch die Möglichkeit bestanden, daß Marcus Sitticus bei anderer Gelegenheit, etwa bei der Durchreise von Don Vincenzo Gonzaga oder bei einem Besuch Claudio Gonzagas im Herbst 16137 in Salzburg, vier Monate vor der Aufführung des Salzburger Orfeo, in den Besitz der Partitur gelangt war. Ein Indiz dafür, daß der Partiturdruck für spätere Aufführungen der Oper, die ohne Anwesenheit des Komponisten stattfanden, gedient haben könnte, ist ein Brief des Widmungsträgers des Partiturdruckes, Don Francesco Gonzaga, der im Januar 1610 wahrscheinlich mit Rasi in Turin war und im Zusammenhang mit Vorbereitungen für ein Ballett „Il libro di Comedia d’Orfeo in musica“ von Mantua anforderte;8 ob damit das Libretto oder der Partiturdruck gemeint war, wissen wir nicht. Die zweite, im Jahre 1615 erschienene Auf lage beweist überdies, daß die Nachfrage offensichtlich durch die Erstauf­ lage nicht gedeckt worden war.

6 So z. B. Alfred Einstein: „Ein Emissär der Monodie in Deutschland: Francesco Rasi“. In: Festschrift für Johannes Wolf. Berlin 1929, S. 34. – Kirkendale: „Zur Biographie des ersten Orfeo, Francesco Rasi“, S. 297 und 323, widerlegte diese Annahme: Giulio Caccinis Le nuove musiche (Firenze 1601) waren seit 1603 in England verbreitet, und bereits 1604/1605 führte die Familie Caccini in Paris Monodien auf. 7 Marcus Sitticus: Brief aus Regensburg an den Kardinal Ferdinando Gonzaga, Mantua, 6. Oktober 1613. Mantova, Archivio di Stato (I-MAa), Archivio Gonzaga, busta 520. 8 Antonio Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova dal secolo XV al XVIII. Mailand [1890], S. 92.

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Vorwort 5. In Erwägung zu ziehen sind außerdem die neuerdings bis ins Detail nachweisbaren engen Beziehungen zwischen Marcus Sitticus und dem Haus Gonzaga. Von 1609 bis 1611 war Marcus Sitticus als Dompropst von Konstanz unter anderem damit beschäftigt, dem Kardinal Ferdinando Gonzaga, der auch dichtete und komponierte, dort ein Kanonikat zu beschaffen. Irgendwann vor dieser Zeit war Marcus Sitticus auch einmal zu Gast beim Herzog Vincenzo I. in Mantua und hatte bei dieser Gelegenheit Ferdinando ein Portrait geschenkt. Als Gegenleistung für das Kanonikat wünschte er sich nun seinerseits ein Bildnis des Kardinals. 6. Rasi schrieb drei Monate nach seinem Besuch in Salzburg an Alessandro Striggio, den Librettisten der Oper, daß er einige Bühnenpraktiker für Szene und Theatermaschinen an Marcus Sitticus schicken müsse.9 Über all diese Beziehungen und die Anwesenheit von drei weiteren Sängern aus Mantua am Salzburger Hof, Francesco Campagnolo, Bernardino Pasquino Grassi und Fra Fortunato da Mantova, wurde schon in einer früheren Arbeit berichtet.10 In dieser wurde auch die Vermutung, es könnte sich bei den für Salzburg nachweisbaren Opern Orfeo und Andromeda um Werke Domenico Bellis handeln,11 zu widerlegen versucht. Wie großzügig der Salzburger Fürsterzbischof zu Künstlern sein konnte, geht nicht nur aus dem Brief hervor, in dem Francesco Rasi nach seiner Heimkehr, am 28. Januar 1613, aus Mantua an | Galileo Galilei schreibt, daß er von Marcus IX 1 ­Sitticus mehr Ehren, Höf lichkeiten und Geschenke als irgendwo anders erhalten habe; auch aus den Briefen Francesco Campagnolos, der von 1616 bis 1619 am Salzburger Hof angestellt war, läßt sich diese Wertschätzung des Salzburger Metropoliten ersehen. Im Jahr 1617 dichtete und komponierte Rasi für die Hochzeit seines Herzogs die Oper Cibele e Ati, die allerdings nicht aufgeführt wurde. Im darauffolgendenJahr erhielt er vom Dogen Antonio Priuli für die Widmung seiner literarischen ­C anzone (Venedig 1618) den Titel eines Cavaliere di S. Marco. Im Jahr 1619 erschien in Venedig eine größere Auswahl aus seinen bisherigen Dichtungen und 1620 seine Kompositionen Dialoghi rappresentativi. Ende dieses Jahres erlangte er schließlich vom Großherzog Cosimo de’Medici doch noch eine partielle Begnadigung, indem seine Verbannung aus der Toskana auf Arezzo eingeschränkt wurde.

9 Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, S. 583, Anm. 179. 10 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. 11 Rudolf Flotzinger: „Die ersten Salzburger Opern – von Domenico Belli?“ Österreichische Musikzeitschrift 32 (1977), S. 333–335.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Noch kurz vor seinem Tode heiratete Rasi in Pistoia eine Witwe, obwohl er als „canonico“ und noch nach seinem Tod als „presbyter“ bezeichnet wurde.12 Rasi starb am 30. November 1621 in Mantua.13 Rasi hat neben den Kompositionen, die er in mindestens fünf Sammlungen veröffentlichte, auch die genannte Oper geschaffen; viele Texte seiner Kompositionen schrieb er selbst, mindestens drei Sammlungen mit eigener Lyrik wurden sogar gedruckt.14

DIE HANDSCHRIFT DER MUSICHE DA CAMER A E CHIESA Die Widmungsvorrede richtet sich an Fürsterzbischof Marcus Sitticus und lautet: Ill[ustrissi]mo e Reu[erendissi]mo Prencipe mio P[ad]rone e Sig[no]re Sing[ularissi]mo e Benigniss[im]o Grand’obbligo dee hauer la musica, et ogni sorte di virtù a V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma e Reu[erendissi]ma poiché essendone ella ­d ilettosa, et intelligente l’ha tanto in protezzione. Ond’io suo tanto humile deuoto, et antico seruitore ho preso risolutione in passando per li stati suoi per farle humiliss[im]a riuerenza nel mio ritorno in Italia dalla corte C ­ esarea di ­scriuer per la sua musica alcune cosette di cui ho potuto credere ch’ella possa prender diletto maggiore le quali in questo libretto con ogni riuerenza le dono, e quantunq[ue] io le giudichi priue d’ogni diletto, et armonia, tutta uolta non mi pento, sapendo certo ch’esse potranno apprendere ogni dolcezza dalla singolar soavità de suoi dolciss[im]i et altissimi costumi: onde senza più facendole humiliss[im]a riuerenza le prego ogni magg[ior] felicità e felice fine a suoi nobili e gloriosi pensieri. Di Salspurgh li X di Xbre. [= dicembre] 1612 Di V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma e Reu[erendissi]ma Ser[vito]re Humiliss[i]mo e Deuot[issi]mo Francesco Rasi

IX 2

12 Gabriele Bertazzolo: Breve relazione dello sposalizio fatto dalla Serenissima Principessa E ­ leonora ­G onzaga con la S.Maestá di Ferdinando II. Imperatore. Mantova 1622, S. 89, druckt ein ­D ithyrambicum in Sereniss. Leonoram Caesari nuptam von Francesco Rasi ab, der darin als ­„ Academicus et ­presbyter Mantuanus“ bezeichnet wird. Warren Kirkendale glaubt allerdings nicht, daß Rasi ­ordiniert wurde (Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, S. 600). 13 Ebenda, S. 599. 14 Ebenda, S. 586–593.

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Vorwort Rasi will in seiner Dedikation zum Ausdruck bringen, daß die Musik dem Erzbischof sehr verpf lichtet sein muß, weil er aus Vorliebe für sie als ihr Schutzherr auftritt. Daher hat sich Rasi als sein untertäniger und langjähriger Diener entschlossen, bei der Durchreise durch Salzburg für die Hofmusik des Erzbischofs einige Kleinigkeiten zu schreiben, von denen Rasi annimmt, daß sie ihm Vergnügen bereiten werden. Es folgt die übliche Formel der Geringschätzung des eigenen Werkes und der Überzeugung, daß es durch den Widmungsträger an Wert gewinnen werde.15 Daß diese Vorrede im Vergleich zu anderen schlicht und kurz gehalten ist, erklärt sich einerseits damit, daß Rasi als Gentilhuomo keinesfalls unterwürfig sein mußte, und andererseits daraus, daß die Handschrift nur für den Widmungsträger und nicht wie die gedruckten Dedikationen für einen weiteren Kreis bestimmt war.16 Der Vorrede schließen sich Hinweise für den Sänger und den Continuo-Spieler an: Auuertimenti al cantare Le seguenti Gentilezze si possono cantare tanto in tenore come all’ottaua sopra eccetto O del sol et c[eter]a e si deono cantare con affetto e sopra tutto fare intender le parole. Auuertimenti al sonare Deue auuertire il sonatore di metter le # e b al suo luogo come i ribattimenti degli unisoni perché quantunq[ue] non sian scritte nel basso per n[on] generar confusione tuttauia si ri [sic!] rimettono all’intelligenza e discretezza del sonatore. Die Gesänge können demnach sowohl in Tenorlage – Rasis eigener Stimmlage – als auch eine Oktav höher ausgeführt werden, ausgenommen die Kanzonette „O del sol messaggia Aurora“ für zwei Soprane und Baß. Sie sollen mit Ausdruck gesungen werden, und vor allem müsse der Text verständlich sein. Der Spieler des Basso continuo möge auf die richtige Setzung der Akzidentien achten. Rasi habe sie absichtlich nicht in den Baß geschrieben, um keine Verwirrung zu stiften; er überlasse sie der Intelligenz und dem Feingefühl des Spielers.

15 Vgl. z. B. Aurelio Bonellis Widmung an Marcus Sitticus von 1596, abgedruckt bei Elena FerrariBarassi: „Il primo libro delle villanelle of Aurelio Bonelli dedicated to Marcus Sitticus von Hohen­ ems (1596)“. Anuario musical 26 (1982), S. 17. 16 Die prachtvolle Lederbindung mit Supralibros, Einzel- und Rollenstempeln in Goldprägung deutet ebenfalls darauf hin.

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The Singing Style of Monteverdi’s Orfeo, Francesco Rasi, and the Folia* When I saw the programme of this conference and realized that Nigel Rogers, for me something like the reincarnation of the singer Francesco Rasi, was to give a paper about singing styles, I decided to shift the emphasis of mine more to the analysis of the music which was sung by the most famous tenor singer during the first two decades of the new genre opera. Rasi was born in 1574 in Arezzo and therefore member of the same generation as Monteverdi, under whose direction he served the Gonzagas in Mantua at least since 1598. In 1609 he was sentenced to death because of a murder he had committed in Arezzo, but he escaped and stayed in Mantuan service. Only after a partial pardon in 1620 he could travel to ­Tuscany again and sing in Florence, where he had performed in two of the first operas twenty years before. In 1621 Rasi married and died a few months later.1 The most detailed description of the kind of singing Rasi applied in operas was given by a witness of the performance of Giulio Cesare Monteverdi’s Rapimento di Proserpina in Casale Monferrato in April 1611 for the birthday of the Infanta Margherita di Savoia. The Breve descrittione reads: Per questa attione furono chiamati i più eccellenti cantanti che oggidì vanta l’Italia, et basta a dire che venne il Sig. Francesco Rasi et il Sign. Francesco Campagnolo ambidui musici del Serenissimo Sign. Duca di Mantova, i quali sono i due Poli che a’tempi nostri sostengono l’arte del ben cantare, poiché chi ci può far sentire accenti più soavi, passaggi più veloci, affetti più pietosi, sospiri più ardenti, fughe più leggiadre, groppi più annodati, tremoli più vezzosi, trilli più gratiosi, più dure dolcezze e più dolci durezze di quelle che ci fan sentire questi, mercè de’quali godiamo per l’orecchie il paradiso et vediamo realmente operarsi quanto dagli ingegnosi poeti fu favolosamente ascritto all’armonia d’Orfeo, d’Arione e d’Anfione? 2 The other tenor who sang at this occasion was Cavaliere Francesco C ­ ampagnolo, who had been born in Mantua in 1584, ten years after Rasi, and equally had e­ ntered the service of Duke Vincenzo Gonzaga, even was trained by Monteverdi and stayed *

Lecture at: Orfeo son’io. Convegno internazionale di studi su Claudio Monteverdi. Venezia, Verona, Mantova, 15–17 December 2005. 1 A detailed biography of Rasi is given by Warren Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici. Firenze: Olschki 1993, pp. 556–603. 2 Angelo Solerti: Gli albori del melodramma. Vol. 1. Milano: R. Sandron 1904, p. 158. – ­Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, p. 580.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa in his house for several times, in Mantua and in Venice. In this commentary the two famous tenors in the service of the Duke of Mantua are equally praised, and indeed their styles of singing seem to have been very similar. Beside the expressive quality of the “accenti soave”, “affetti pietosi”, “sospiri ardenti” and the oxymoron of “dure dolcezze” and “dolci durezze” there are the more technical descriptions of their “passaggi veloci”, “fughe leggiadre”, “groppi annodati”, “tremoli vezzosi”, and “trilli gratiosi”. They probably used to sing together on other occasions too. In February 1612 Enzo Bentivoglio requested from Duke Vincenzo Gonzaga the loan of both of them for a performance by the Accademia degli Intrepidi in Ferrara. And the Mantuan maestro di cappella Sante Orlandi suggested in August of this year 1612, that the role of Aci in Chiabrera’s libretto Galatea be expanded, “venendo costà il Rasi, Campagnola”3. I presume that at least some of Monteverdi’s and Rasi’s duets for two tenors4 with considerable challenges for both singers were conceived with ­regard to the abilities of Rasi and Campagnolo, probably including the final duet of Apollo and Orfeo in the opera Orfeo 5 or “Duo Seraphim” in the Vespers. In his last year of life, Rasi in several letters wrote about his being busy with the preparation of the role of the “Principe dei Romani” in La Regina Sant’Orsola by Andrea Salvadori and Marco da Gagliano,6 which was postponed because of the Grand Duke’s death and performed in Florence only 1624, after Rasi’s death, with the participation of Campagnolo,7 who probably took over Rasi’s role. In the act of comparison of compositions which were sung by and therefore certainly also conceived for Francesco Rasi, there came up striking similarities. If we compare, for example, just the beginnings of the preserved fragment of Rasi’s part in Giulio Caccini’s Il Rapimento di Cefalo, Florence 1600, published in Le nuove musiche, and the embellished version of Orfeo’s “Possente spirto” (example 1), we find structural, melodic and harmonic conformities which are certainly more than accidental.8 Rasi’s teacher Caccini specified that his stanza had been sung with 3 Ibidem, p. 581. 4 E. g. Rasi’s sacred duets in his Musiche da camera e chiesa, ed. by Herbert Seifert (Denkmäler der Musik in Salzburg 7). Salzburg: Selke 1995. 5 This possibility was considered also by Tim Carter: “Singing Orfeo: on the performers of Monteverdi’s first opera”. Recercare 11 (1999), p. 112, and in his Monteverdi’s musical theatre. New Haven, London: Yale University Press 2002, p. 98. 6 Letters by Francesco Rasi to the court of Mantua from 22 Dec. 1620 through 25 Feb. 1621; cfr. Proggetto HERLA, http://www.capitalespettacolo.it/ita/ris_gen.asp?TP=g. 7 Susan Parisi: “Francesco Campagnolo”. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2 nd ed. Vol. 4. London: Macmillan 2001, p. 884. 8 Carter: Monteverdi’s musical theatre, p. 93, also pointed to the likeness of theatrical songs known to have been sung by Rasi and gives as examples (p. 94) the beginnings of Caccini’s “Qual ­t rascorrendo”, Monteverdi’s “Possente spirto” and Rasi’s “Indarno Febo” from his Vaghezze di musica (1608).

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The singing style of Monteverdi’s Orfeo, Francesco Rasi, and the folia some of the passaggi as given and some according to Rasi’s own taste, which seems to indicate that the published version contains only Caccini’s ornaments, who ­a fter all was very experienced in that field. Given the evident unusual virtuosity of Rasi’s singing and the fact that Monteverdi published the original unembellished version of “Possente spirto” as an alternative to the extreme throat acrobatics, I am convinced that in this case the composer took over the ornaments which Rasi had improvised in the performances or at least their style and their locations.9 In continuing the comparison and including the terza rima (capitolo) “Non curi la mia pianta”, which Rasi sang as Apollo in Marco da Gagliano’s Dafne in ­Mantua in 1608, the similarities are expanded to the whole pieces. All three are strophic ­variations in the second tone (cantus mollis) with the finalis g, Rasi’s part in Caccini’s composition comprising only the third variation (the other two having been sung by the bass Melchior Palantrotti and by the tenor Jacopo Peri).10 In all three compositions we find embellishments written out, although to different degrees, and the bass lines varied rhythmically or also melodically from stanza to stanza. These bassi continui together with the vocal outlines correspond closely to the patterns which about this time and especially later on became associated with the dance Folia. Richard Hudson11 in 1973 has published these patterns (example 2), which appear from the late 15th century until about 1650, especially in dances, but also in songs as an “aria da cantar”12 , which is exactly the function this model has here, the stanzas all being composed of endecasillabi, those in Orfeo and Dafne cast in the form of terza rima (examples 3–5). “In an Italian keyboard manuscript of the late 16 th century the folia music appears, without text or title, as music appropriate for the singing of any verse in terza rima” 13. In the pattern the harmonies take their way from the first degree to the fifth and back, then to the characteristic seventh; the third degree in the center may lack – as it is the case with Caccini –, and then they go all the way back in retrograde motion. The basic melodic shape is a bow from the first or third degree to the fifth and back to the first.14 9 Carter: Singing Orfeo, p. 83, expressed the same conviction. 10 Joachim Steinheuer: Chamäleon und Salamander. Neue Wege der Textvertonung bei Tarquinio ­M erula. Kassel: Bärenreiter 1999, pp. 277–281, states that strophic variations were employed as an innovation in the Prologue and in “Possente spirto” in Monteverdi’s Orfeo, naming two other Arie in Caccini’s Le nuove Musiche as the only strophic variations before 1607, but with different interests than Monteverdi’s, showing in the choice of texts and in the musical construction. 11 Richard Hudson: “The Folia melodies”. Acta Musicologica 45 (1973), pp. 98–119, especially Ex. 1, p. 99. 12 John Griffiths: “Folia”. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2 nd ed. Sachteil. Vol. 3. Kassel 1995, col. 604. 13 John Ward: “The Folia”. In: Internationale Gesellschaft für Musikwissenschaft, 5. Kongreß Utrecht 1952. Kongressbericht. Amsterdam 1953, p. 418. 14 Frederick W. Sternfeld: The birth of opera. Oxford: Clarendon Press 1993, pp. 169 f., has s­ uggested

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Now having gone so far, we are not surprised to hear that Monteverdi’s short duet of Apollo and Orfeo in the 5th act of Orfeo, while they ascend to heaven, is another, expanded version of this melodic-harmonic pattern, which was sung by Rasi and probably Campagnolo, with the seventh degree reached twice prominently, but again lacking the third degree in the centre (example 6). These were the compositions by others, sung by Rasi. Of course his own music certainly was sung by himself, too. Here we find similar ornamentations like in Caccini’s, Monteverdi’s and da Gagliano’s parts for him, i. e. circoli mezzi, trilli, ­r ibattute di gola and similar dotted figurations, but mainly cascate or rapid ascending scales.15 As an example we can take a look at “Ahi fuggitivo ben” from his Vaghezze di musica per una voce sola, Venice 1608 (example 7). Since we are concerned here primarily with the great genius of the 17 th ­century, Monteverdi, I found it interesting to speculate which of his parts Rasi could have sung or which of them could have been designed with regard to his ­abilities or ­singing style. If we consider the Vespers, published by Monteverdi in 1610, and ­l ikely to have been performed in Mantua with Rasi’s and possibly also Campagnolo’s participation, there comes into our minds in first place the motet “Duo Seraphim clamabant”. The similarity of the “most elaborate ornamentation notated in any surviving motet of the early seventeenth century”16 with that in Orfeo’s aria ­“Possente spirto” has been noticed several times.17 And for the first bars of this composition, Monteverdi again recurred to the harmonic-melodic f­olia-model, in the second tone, too (example 8), before he lets the two and later three tenors sing their embellishments over simply changing first and fifth harmonic degrees. By comparison with the ambitus of Orfeo we could speculate that in “Duo Seraphim” the ­second tenor was Rasi’s part, because it is equally virtuosic as the first one, but goes down to B f lat like Orfeo’s role, whereas the first tenor has d as his lowest tone – like Apollo in Dafne. The upper border in all of Rasi’s parts and here lies with f ’. Some of the other pieces composed by Monteverdi possibly with Rasi’s virtuoso abilities in mind could be “Audi coelum” (with even a low A) and the Magnificat in seven parts from the Vespers; “Cantate Domino canticum novum” for two soprathe Passamezzo antico as the model for the bass, but this seems less convincing and does not account for the vocal line as well. 15 Carter: Monteverdi’s musical theatre, p. 131, points to the embellishments notated by Rasi “on a par with the kinds of passages found in ‘Possente spirto’” and compares excerpts from Monteverdi’s aria and Rasi’s “Ardo ma non ardisco” from Vaghezze di musica (1608), p. 132. 16 Jeffrey G. Kurtzman: The Monteverdi vespers of 1610. Music, context, performance. Oxford: Oxford University Press 1999, p. 4. 17 Ibidem, p. 147. – Jeffrey G. Kurtzman: “Some historical perspectives on the Monteverdi vespers”. Analecta musicologica 15 (1975), pp. 29–86, especially pp. 41, 64–66. – John Whenham: Monteverdi. Vespers (1610). Cambridge: University Press 1997, pp. 43–44.

78

The singing style of Monteverdi’s Orfeo, Francesco Rasi, and the folia nos or tenors 1615; the strophic variations “Tempro la cetra”, “Ecco vicine o bella Tigre” per due tenori, “Augellin” and “Vaga su spina ascosa” per due tenori e basso, and “Al lume delle stelle” a quattro voci from Settimo Libro de Madrigali (Concerto) 1619; “Salve o Regina” 1624; even “Ogni amante è guerrier” and ­“Mentre vaga Angioletta” for two tenors, and “Ninfa che scalza il piede” for two tenors and bass from Madrigali guerrieri, et amorosi 1638, since we know that some of the compositions Monteverdi published had been composed decades earlier. In closing, I would like to quote the hint Rasi himself gave about what was ­important to him in singing: In his “Avvertimenti al cantare”, included in the ­autograph of his Musiche da camera e chiesa, dedicated in 1612 to the prince ­a rchbishop of ­Salzburg, Marcus Sitticus, he demanded that his compositions “si deono ­c antare con affetto e sopra tutto fare intendere le parole” 18. As far as possible I chose ­recordings with Nigel Rogers for the acoustic demonstrations, even where the instrumental accompaniment was not up to date, because he is the only singer I have heard who really was able to bring out all the embellishments clearly and easily and moreover fulfilled Rasi’s just quoted hints in Monteverdi’s music – and of course not only there.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Claudio Monteverdi: L’Orfeo, Mantova 1607

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82

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The singing style of Monteverdi’s Orfeo, Francesco Rasi, and the folia Marco da Gagliano: „Non curi la mia pianta“, from Dafne, 1600

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Claudio Monteverdi: L’Orfeo, Mantova 1607 1

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85

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Francesco Rasi: Vaghezze di musica per una voce sola, Venezia 1608

Example 7

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The singing style of Monteverdi’s Orfeo, Francesco Rasi, and the folia Claudio Monteverdi: Vespro, Venezia 1610 Duo Seraphim

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Ba rockoper i m H ei ligen Röm isch en R eich (161 4 –18 0 6 )

89

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa

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ITALIENISCHE OPER DES BAROCKS in Österreich * Das Tor, durch das die Oper aus ihrem Ursprungsland Italien ins übrige ­Europa eingedrungen ist, ist der heutige nördliche Nachbar Österreich, genauer gesagt ­S a l z b u r g, damals ein unabhängiges Fürsterzbistum des Deutschen Reichs und nicht habsburgisches Hoheitsgebiet. Es war der Sohn eines vorderösterreichischen Grafen und einer Schwester des Kardinals Carlo Borromeo, der Halbitaliener ­Marcus Sitticus von Hohenems, der als Fürst die in Italien kennengelernten musikdramatischen Unterhaltungen auch in seiner neuen Residenz nicht missen wollte. Und nicht nach Florenz weisen die Verbindungslinien, sondern nach Mantua, wo diese Gattung nach ihren Anfängen ihr erstes Zentrum fand. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß über dynastische Beziehungen zu den Gonzaga und über den Tenor Francesco Rasi, den Protagonisten von Monteverdis L’Orfeo, diese Oper im Februar 1614 und dann noch mehrmals bis 1619 als erste außerhalb Italiens in der Salzburger Residenz zur Aufführung kam; ihr folgten eine weitere und eine Rappresentazione sacra. Beim letztenmal war der Besuch des späteren Kaisers ­Ferdinand III. der Anlaß. Gewiß hatte auch der Tenor Francesco ­Campagnolo seine Rolle bei den Inszenierungen in Salzburg. Er war Schüler Monteverdis und ebenfalls Bediensteter des Herzogs von Mantua, als er 1616 in den Dienst von ­Marcus Sitticus überwechselte, wo er bis 1619 als dessen „cortigiano“ blieb.1 Wir finden ihn drei Jahre später, 1622, in W i e n, wohin er wohl mit der neuen Gemahlin des eben genannten Kaisers Ferdinand III., der Prinzessin Eleonora ­Gonzaga, aus Mantua gezogen war, und wo auf deren Veranlassung im August 1622 eine „Invenzione in musica“ mit Ballett gegeben wurde. Dieser folgte eine ähnliche Veranstaltung im Februar 1623 in Regensburg, wo sich der Kaiserhof damals auf hielt. Der Charakter dieser „Invenzioni“ ist nicht näher bestimmbar; sie könnten in die Kategorie der musikdramatischen Balletteinleitungen gehören, die ja zu dieser Zeit viel häufiger waren als Opern. 2 Den Geburtstag des Kaisers ließ die Mantuanerin im Jahr 1625 von sechs Hofmusikern mit einer Komödie in der Tradition derer in diversi linguaggi feiern; es könnte sich dabei um eine Oper * Zuerst erschienen in: Il melodramma italiano in Italia e in Germania nell’età barocca. Atti del V Convegno internazionale sulla musica italiana nel secolo XVII, Loveno di Menaggio (Como) 1993 (Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S.-Como 9). Como 1995, S. 107–114. 1 H. Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), S. 7–33 [17–42]. – Ders.: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“. Musicologica Austriaca 8 (1988), S. 7–26 [siehe S. 43–65]. 2 H. Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur ­Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 26. – D. Arnold: „Intermedio, ballet and opera in the œuvre of Monteverdi“. In: Kongreßbericht Straßburg 1982. Bd. 1. Strasbourg 1986, S. 363–370.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa

108

g­ ehandelt haben. Der in mantuanischen Diensten stehende Komödiant Giovanni Battista Andreini hatte mit dem Opernlibretto La Ferinda ein Vorbild, wenn nicht die Quelle dafür verfaßt. 3 Mit Sicherheit als Oper einzustufen ist die 1627 während eines längeren Aufenthaltes des Kaiserhofs in Prag gesungene Pastorale in musica Calisto e Arcade, wieder von Kaiserin Eleonora I. veranstaltet, zu einem Libretto ihres Verwandten Don Cesare Gonzaga, Principe di Guastalla, der auch eine 1629 in Wien aufgeführte Operetta und das erste erhaltene Wiener Libretto von 1631, das Hochzeitspastorale La Caccia felice in Nachfolge des Mantuaner Pastor fido Giambattista Guarinis, verfaßt hat. Ebenfalls 1629 wurde in Wien wahrscheinlich Andreinis Mantuaner Rappresentazione sacra La Maddalena mit Musik wahrscheinlich von dem kaiserlichen Tenor Lodovico Bartolaia auf die Bühne gebracht – 1617 hatte Monteverdi mit anderen einzelne Nummern vertont; die Mantuaner Sängerin Lucia Rubini verkörperte in Wien die Titelrolle.4 In den folgenden Jahren kamen im Fasching und zu Geburtstagen neben Balletten und Dramen nur vereinzelt Opern zum Einsatz. Der in Mittelitalien (Ancona) wirkende Conte Prospero Bonarelli verfaßte einige Libretti dafür; von den Komponisten ist vor allem der genannte Bartolaia bekannt. 5 Monteverdi widmete sein achtes Madrigalbuch 1638 Kaiser Ferdinand III., das zwei dramatische Balli mit der Bestimmung zu Aufführungen in Wien enthält, doch wissen wir nichts von deren Realisierung. Noch unwahrscheinlicher ist die Annahme früherer Opernhistoriker von Wiener Reprisen der Opern Cavallis Egisto und Giasone; die Grundlage für diese Konjekturen war nur die Überlieferung von Partituren in der kaiserlichen Bibliothek.6 Beziehungen zu Venedig bestanden dennoch: Benedetto Ferrari, einer der führenden Männer bei der dortigen Einführung kommerzieller Opernunternehmen, wurde 1651 vom Kaiser als Lautenist aufgenommen und hatte in knapp zwei Jahren auch Gelegenheit, seine musikdramatischen Erfahrungen einzubringen, unter anderem als Verfasser zweier Libretti, eines davon, L’Inganno d’Amore, für den Reichstag in Regensburg, wofür der kaiserliche Architekt ­Giovanni ­Burnacini ein nachher nach Wien transportiertes Theater erbaute. Der Komponist dieser Oper war Antonio Bertali, der dann, kurz vor dem Ende dieser Ära, 1656, das aus Mantua importierte Libretto Theti vertonte.7

3 H. Seifert: „Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: Die erste Oper in Wien?“ Studien zur Musik­ wissenschaft 42 (1993), S. 77–88 [379–390]. 4 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 28–33. 5 Ebenda, S. 33–37. 6 L. Bianconi: „Funktionen des Operntheaters in Neapel bis 1700 und die Rolle Alessandro Scarlattis“. In: Colloquium Alessandro Scarlatti. Würzburg 1975, hg. von J. Ruile-Dronke und W. Osthoff (Würzburger musikhistorische Beiträge 7). Tutzing 1979, S. 43. 7 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 41–42.

92

Italienische Oper des Barocks in Österreich Erst nach der Krönung des musikliebenden Leopold I. zum Kaiser wurden die Aufführungen ab 1659 regelmäßig im Karneval, zu Geburtstagen, später auch zu Namenstagen der Kaiserfamilie gegeben; dazu kamen die Hochzeitsfeste. Auch 109 die musikalische Überlieferung setzt mit dieser Zeit ein; von den Opern vor 1660 sind nur Libretti erhalten. Inzwischen betätigte sich eine zweite Eleonora Gonzaga als Motor für Aufführungen italienischer Opern und Oratorien in Wien, nämlich die dritte Frau und dann Witwe Ferdinands III. – der mantuanische Einf luß riß also seit Beginn der Rezeption der Gattung am Kaiserhof nicht ab. Die Kräfte von Eleonoras eigener Witwenkapelle verstärkten dabei die ihres Stiefsohns, der selbst mindestens zwei Opern und mehrere Oratorien vertonte und für fast alle auf seiner Hof bühne gespielten Musikdramen einzelne Arien oder Szenen beisteuerte, sich zu Beginn seiner langen Regentschaft auf der Bühne als Ballettänzer und einmal, bei einer im kleinsten Kreis gegebenen Adelsaufführung, auch als Dirigent am Cembalo betätigte.8 Als die Tiroler Linie der Habsburger 1665 ausstarb, holte sich Kaiser Leopold aus Innsbruck das Erfolgsgespann Antonio Cesti und Francesco Sbarra, zusammen mit einigen Opernsängern. Es arbeitete nur bis 1668 in Wien, bis zu Sbarras Tod und Cestis Rückkehr nach Italien, hatte aber die Hauptlast der Feste für die erste Hochzeit des Kaisers mit seiner spanischen Nichte zu tragen. Die bis dahin größte Oper in Wien, Il Pomo d’Oro, war für diesen Anlaß vorgesehen gewesen, ging aber erst mit über eineinhalb Jahren Verspätung im Juli 1668 über die Bühne des vom Hofarchitekten und Bühnenbildner Lodovico Ottavio Burnacini neu erbauten Hoftheaters. Dieser war schon 1651 mit seinem Vater Giovanni aus Venedig gekommen und blieb für die nächsten Jahrzehnte eine der drei Stützen, auf denen die Oper in Wien ruhte; die anderen beiden waren der ebenfalls aus der Lagunenstadt engagierte Librettist Nicolò Minato und der ursprünglich als Sänger, dann als Librettist und schließlich nur mehr als Komponist tätige Antonio Draghi. Etwa dreißig Jahre lang bestimmte dieses Triumvirat den dadurch wenig wandlungsfreudigen Charakter der Wiener Oper, bevor eine jüngere Generation zum Zug kommen konnte. Direktimporte aus Italien gab es aus diesem Grund für den auf dem Gebiet der Oper autarken Kaiserhof – bis auf eine Ausnahme vom jungen Alessandro Scarlatti 9 – keine. Die Ablöse erfolgte zunächst, um 1700, durch die einen gewandelten Stil vertretenden Komponisten Carlo Agostino Badia, Giovanni Bononcini, Marc’Antonio Ziani und – als erster Nichtitaliener – Johann Joseph Fux, denen die Librettisten 8 Ebenda. 9 Amor non vuol inganni. Linz 1680, 1679 als Gli Equivoci nel Sembiante in Rom uraufgeführt, ­erlebte eine „erfolgreiche und blitzartige Verbreitung“ (Bianconi: „Funktionen des Opern­theaters in Neapel bis 1700 und die Rolle Alessandro Scarlattis“, S. 252).

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Donato Cupeda, Pietro Antonio Bernardoni und Silvio Stampiglia zuarbeiteten.10 Als nach der kurzen Regierung Josephs I. sein Bruder Karl VI. 1712 aus Barcelona 110 nach Wien kam, brachte er die Bühnenbildner Ferdinando und | Giuseppe Galli Bibiena samt deren ganz neuartigen Konzepten mit und favorisierte in der Folge den Theorbisten Francesco Conti und Antonio Caldara als Komponisten, Pietro Pariati, Apostolo Zeno und schließlich auch noch Pietro Metastasio als Librettisten – Caldara und Pariati hatten ihn schon in Barcelona bedient.11 Stilistisch unterscheidet sich die Wiener Oper in einigen Zügen von der in ihrem Ursprungsland: Nach Cesti gibt es hier – ganz im Gegensatz zu Italien – kaum Bassi ostinati, erst wieder bei Bononcini;12 im 18. Jahrhundert ist dann die obligate Arbeit typisch („keine faulen Stimmen“) und der häufige Einsatz bestimmter Soloinstrumente, vor allem der Theorbe, also von Contis Instrument, und des Chalumeau, oft in Kombination mit Querf löte.13 Zwei Trompeten- und Paukenchöre bilden eine musikalische Entsprechung zur Devise Karls VI. („constantia et fortitudine“) und zu den mit dem Anspruch auf Spanien assoziierten Säulen des Herkules, die ihre optische Entsprechung in den beiden Säulen vor der Karlskirche haben.14 Die Licenza bildet natürlich in Wien wie an jedem Hof das Ende von Huldigungsopern, und das waren alle außer den im Fasching gespielten. Soviel zum Kaiserhof; nun zu den übrigen Hof haltungen im heutigen Österreich, die italienische Musikdramatik aufnahmen. Nach den schon genannten Anfängen der Oper in S a l z b u r g gibt es sporadisch weitere Berichte: Als der junge Großherzog der Toskana, Ferdinando II. de’ Medici, und sein Bruder Giovanni Carlo 1628 zuerst bei Erzherzog Leopold und seiner Gemahlin Claudia de’ Medici in Innsbruck, dann beim Kaiser in Prag und schließlich beim Fürsterzbischof von Salzburg Paris Lodron zu Gast waren, bekamen sie am Inn zunächst nur ein Jesuitendrama15 und an der Moldau Commedia dell’arte von Andreinis Truppe der Fedeli geboten,16 im Steintheater von Hellbrunn bei Salzburg aber die kleine, nur einstündige Oper La Maddalena peccatrice mit Musik vom Kapellmeister Stefano Bernardi. Die ­Gattung geht eindeutig aus dem Bericht eines Reisebegleiters hervor, der schreibt: „fù 10 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert. 11 H. Seifert: „Pietro Pariati poeta cesareo“. In: G. Gronda: La carriera di un librettista. Pietro Pariati da Reggio di Lombardia, con saggi di B. Dooley, H. Seifert, R. Strohm. Bologna 1990, S. 45–71 [539–557]. 12 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 297–298. 13 C. Lawson: „The Chalumeau in the works of Fux“. In: Johann Joseph Fux and the music of the Austro-Italian Baroque, hg. von H. White. Aldershot 1992, S. 78–94. 14 A. P. Brown: „Caldara’s trumpet music for the Imperial celebrations of Charles VI and Elisabeth Christine“. In: Antonio Caldara. Essays on his life and times, hg. von B. W. Pritchard. Aldershot 1987, S. 43–45. 15 W. Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Innsbruck 1954, S. 224–225. 16 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 166.

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Italienische Oper des Barocks in Österreich ­recitata in lingua Italiana, e cantata tutta in stile r­ appresentatiuo, come si costuma a Fiorenza, acciò tanto più loro A[ltezze] ne godessero“17. 1670 | hört man dann 111 von einer Oper Orfeo im Hellbrunner Steintheater anläßlich ­eines Besuchs des ­bayerischen Kurfürstenpaares. Dann folgt die Zeit von Biber und ­Muffat, über die Sibylle Dahms informiert hat. Im 18. Jahrhundert, zwischen 1719 und 1727, während der Regierungszeit von Fürsterzbischof Franz Anton Graf von Harrach, gab es mehrere für den Salzburger Hof komponierte, zum Teil dann in Wien übernommene Opern des kaiserlichen Vizekapellmeisters Antonio ­Caldara.18 In I n n s b r u c k waren die dynastischen Beziehungen zur Toskana durch zwei Ehen der Erzherzöge mit Medici-Prinzessinnen stärker als zu Mantua. Sieht man den Bericht des genannten Reisebegleiters über den Innsbrucker Aufenthalt der ­Florentiner bei ihrer Rückreise im Zusammenhang mit den Aufzeichnungen ­eines Augsburger Beobachters, wird man auch eine 1628 auf Schloß Ambras aufgeführte „Commedia“, die mit Sologesängen, Chören, Balletten und reichem Bühnengeschehen zwei Stunden dauerte, dem Genre Oper oder zumindest Ballett mit durchkomponierter musikdramatischer Einleitung nach Art der Monteverdischen Balli zuordnen; den Vergleich mit den Florentiner Festen stellten sowohl der Reisebegleiter als auch der Erzherzog her, wenn er sich beim Großherzog entschuldigte, daß „la festa non era stata bella, come quelle di Fiorenza“19. Und der Gastgeber L ­ eopold V. kannte solche Feste von seinen Reisen aus eigener Anschauung: 1618 hatte er in Florenz ein Pastoraldrama mit Domenico Bellis Intermedien L’Andromeda gesehen, 20 einige Monate danach am Salzburger Hof die „Opera […] in Musica“ Il Perseo 21 über denselben Stoff und 1626 beim Herzog von Mantua ebenfalls eine Oper, L’Europa von Balduino di Monte Simoncelli. 22 Die uns schon bekannte Schlüsselperson Francesco Campagnolo hatte schließlich einige Jahre lang auch in Innsbruck Funktionen bei der Veranstaltung von musikalischen und dramatischen Aufführungen zu erfüllen, so 1629 bei der Vorbereitung einer „Comoedi“, die im Zusammenhang mit einem Ballett genannt wird. Er hätte auch die Beiträge des Erzherzogs Leopold V. zu den Wiener Feierlichkeiten anläß17 Firenze, Archivio di Stato (I-Fas), Archivio Mediceo del Principato, filza 6379: Bericht Geri ­B occhineris vom 17. Juni 1628 aus Innsbruck nach Florenz. Siehe auch H. Spies: „Ein italienischer Bericht über den Besuch des Großherzogs Ferdinand II. von Toscana in Salzburg im Jahre 1628“. Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 86/87 (1946/1947), S. 40. 18 Sibylle Dahms: „Opern und Festkantaten des Salzburger Hochbarocks“. Österreichische Musikzeitschrift 25 (1970), S. 377–384. – B. W. Pritchard: „Antonio Caldara“. In: The New Grove Dictionary of Opera. Bd. 1. London 1992, S. 682–687. 19 I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 6379: Geri Bocchineri am 21. Juni aus Innsbruck nach Florenz. – Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 226–227. 20 A. Solerti: Musica, ballo e drammatica alla corte Medicea dal 1600 al 1637. Firenze 1905, S. 126 ff. 21 Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“, S. 15 [siehe S. 55]. 22 E. Faccioli: Mantova. Le lettere. Bd. 2. Mantova 1962, Abb. 46.

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lich der Hochzeit des Königs Ferdinand III. von Ungarn mit der Infantin Maria von Spanien im Jahr 1631 arrangieren sollen, starb aber | vorher. 23 Als Ersatz kam aus Brüssel ein anderer Tenor, der auch ursprünglich in mantuanischen Diensten gestanden war, Bernardino Pasquino Grassi. 24 Konkret wird die Oper in Innsbruck erst zur Zeit der Tätigkeit Antonio ­C estis faßbar, der 1652–1657 und 1661–1665 Leiter des höfischen Opernensembles in dem 1654 nach venezianischen Vorbildern fertiggestellten Theater war. Einen Höhepunkt bildete die 1654 zur Feier der öffentlichen Konversion der abgedankten ­Königin von Schweden Kristina zum katholischen Bekenntnis aufgeführte Oper, Cestis L’Argia. 25 Als 1665 mit dem Tod des Erzherzogs Sigismund Franz die Tiroler Linie der Habsburger ausgestorben war, reiste Kaiser Leopold nach Innsbruck, wo ihm vom dortigen Ensemble Cestis Erfolgsoper La Dori vorgeführt wurde, 26 die nach ihrer Innsbrucker Uraufführung im Jahr 1657 ihren Triumphzug durch Italien angetreten hatte. 27 Zweieinhalb Monate später wurde Cesti – wohl als Folge dieser Darbietung – in Wien als Opernintendant angestellt, und der Kern des Innsbrucker Ensembles folgte ihm. 28 Als 1678–1693 der Herzog Karl von Lothringen mit Eleonore Maria, einer Halbschwester Kaiser Leopolds I., als Statthalter in Innsbruck residierte, brachten vor allem Adelige des Hofstaats Opern zur Aufführung, unter anderem ältere Werke von Cesti und 1692 auch die ersten beiden Opern von Badia. 29 Auch unter dem Statthalter Herzog Karl Philipp von der Pfalz-Neuburg, 1707– 1717, gab es in Innsbruck Musikdramen wie die Festa teatrale L’Allegrezza dell’Eno des Kapellmeisters Jakob Greber, die 1708 anläßlich des Besuchs der auf der Reise nach Spanien zu Karl III. befindlichen Elisabeth Christine 30 aufgeführt wurde. Als sie fünf Jahre später auf der Reise von Barcelona nach Wien als Kaiserin wieder in Innsbruck war, wurde ihr eine große Oper dargeboten, ein Pastorale Grebers, 31 23 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 228. 24 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 30–32 [38–40]. 25 C. B. Schmidt: „Antonio Cesti“. In: The New Grove Dictionary of Opera. Bd. 1. London 1992, S. 808. 26 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 52–54. 27 C. B. Schmidt: „Antonio Cesti’s La Dori“. Rivista italiana di musicologia 10 (1975), S. 455–481. – „La Dori di Antonio Cesti: sussidi bibliografici“. Rivista italiana di musicologia 11 (1976), S. 197– 229. 28 Schmidt: „Antonio Cesti’s La Dori“. 29 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 306–307. 30 Ebenda, S. 322. 31 Erhalten in Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Mus. Hs. 17.252. Siehe dazu H. Seifert: „Die Beziehungen zwischen den Häusern Pfalz-Neuburg und Habsburg auf dem Gebiet des Musikdramas vor und um 1700“. In: Mannheim und Italien – Zur Vorgeschichte der Mannheimer, hg. von Roland Würtz (Beiträge zur mittelrheinischen Musikgeschichte 25). Mainz 1984, S. 21–22 [732]. Bisher wurde diese Partitur für Wien 1707, 1708 oder 1711 in Anspruch genommen, wäh-

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Italienische Oper des Barocks in Österreich von dem in Innsbruck schon 1711 auch die Oper Enea in | Cartagine gesungen 113 worden war. 1716 führten die Kräfte Karl Philipps dem Bayerischen Kurfürsten Maximilian Emanuel den drei Jahre zuvor in Neapel aufgeführten Radamisto von Francesco Feo vor. 32 Seit Erzherzog Ferdinand 1619 zum Kaiser gekrönt worden war und seine Residenz in die Hauptstadt Wien verlegt hatte, existierte in G r a z keine selbständige Hof haltung der Habsburger mehr, aber immerhin hatten die Fürsten von Eggenberg ihr Schloß bei Graz. So kamen außer den gelegentlichen, von der Wiener Hof­musik getragenen Opern – 1673 zur zweiten Hochzeit Kaiser Leopolds I. ein kleines Werk Draghis 33 und 1728 ein Pasticcio von Caldara und Georg Reutter sowie die Wiederholung eines Componimento da camera von Johann Joseph Fux 34 – auch mindestens vier Musikdramen des vom Collegium Germanicum in Rom gekommenen Eggenbergischen Hof kapellmeisters Pietro Romolo Pignatta zwischen 1688 und 1694 zur Aufführung. Fürst Johann Seyfried von Eggenberg war nämlich offenbar um diese Zeit der einzige Angehörige des Adelsstands außerhalb des Kaiserhauses, der sich ein zur Produktion von Opern fähiges italienisches Sängerensemble leisten konnte;35 sogar der anschließend jahrzehntelang als Stütze des Wiener Opernteams tätige Bologneser Altist Gaetano Orsini befand sich darunter, den Johann Joachim Quantz 1723, also fast 30 Jahre später, in Fux’ Costanza e Fortezza hören und vorbehaltlos loben sollte. 36 Zwei der genannten Opern von Pignatta, der zum Teil auch sein eigener Librettist war, wurden in Italien nachgespielt: L’Oronta d’Egitto 1695 in Venedig, 37 1697 in Vicenza und schließlich noch 1705 in Udine, wo drei italienische Sänger in Diensten des Fürsten Eggenberg mitsangen, und Il Vanto d’Amore 1700 im Teatro S. Moisé in Venedig. 38 rend das Innsbrucker Drama mit Grebers Londoner Pastorale Li Amori di Ergasto identifiziert wurde. Prof. Lowell Lindgren machte mir dankenswerterweise eine Kopie dieses Librettos zugänglich, und ein Vergleich mit der Partitur bestätigte seine Mitteilung, daß es sich um zwei völlig verschiedene Werke handelt. 32 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 322. 33 Gl’Incantesimi disciolti. Siehe H. Seifert: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am ­W iener Hof der Habsburger und ihre Allegorik 1622–1699 (dramma per musica 2). Wien 1988, S. 42. 34 F. W. Riedel: „Die Musik bei der Erbhuldigungsreise Kaiser Karls VI. nach Innerösterreich 1728“. In: Florilegium musicologicum. Hellmut Federhofer zum 75. Geburtstag, hg. von C.-H. ­Mahling. ­Tutzing 1988, S. 275–285. 35 Vgl. die Liste der Mitwirkenden bei H. Federhofer: „Musik in der Steiermark“. In: Die Steiermark. Land, Leute, Leistung. 2. Aufl. Graz 1971, S. 639. 36 H. Seifert: „The secular-dramatic compositions of Fux“. In: Johann Joseph Fux and the music of the Austro-Italian Baroque, hg. von H. White. Aldershot 1992, S. 140 ff. [514 ff.]. 37 Als La Costanza vince il Destino. Siehe die Artikel „Pietro Romulo Pignatta“. In: The New ­G rove Dictionary. Bd. 14. London 1980, S. 745, und in: The New Grove Dictionary of Opera. Bd. 3. ­L ondon 1992, S. 1011. 38 C. Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Cuneo 1991. Bd. 4, S. 334, und Bd. 5, S. 433.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Von 1736 an spielten dann die Brüder Mingotti ein Dezennium lang in dem neu errichteten Grazer Operntheater Importware aus Italien von Galuppi, Vinci, Per114 golesi, Hasse und anderen. 39 | Daß zu besonderen Anlässen aber auch kleinere ­Potentaten, wie etwa der Abt eines Stiftes, eine italienische Aufführung auf die Beine stellen konnten, beweist uns ausnahmsweise der in Danzig geborene Abt Johannes Dizent, der dem auf der Rückreise von seiner dritten Hochzeit in Passau im Januar 1677 im Stift Göttweig zu Gast weilenden Kaiser Leopold I. mit seiner Gemahlin wahrscheinlich durch Sängerknaben und Mönche eine von einem Konventualen, vielleicht von ihm selbst, verfaßte Favola pastorale darbieten ließ, die durch den kaiserlichen Organisten Alessandro Poglietti vertont worden war: Endimione festeggiante. Es ist ein rein allegorisches, eher der Gattung Serenata als der Oper nahestehendes Musikdrama, wohl nur teilweise szenisch verwirklicht.40 Durch seine Sprache gehört es nicht in die Kategorie der Ordens- und Schuldramen, die zunächst lateinisch, im 18. Jahrhundert dann verstärkt in der Landessprache Deutsch verfaßt wurden. Was sonst noch in Österreich im 17. und frühen 18. Jahrhundert an Operndarbietungen über die Bühne gegangen ist, gehört dem Bereich des Kaiserhofs an, wenn er sich auf seinen Sommer- oder Nebenresidenzen Laxenburg, Wiener Neustadt oder Mannersdorf oder etwa auf der Flucht vor der Pest, 1680/1681, oder vor den Türken, 1683/1684, in Linz auf hielt. Verfasser und Ausführende waren in diesen Fällen immer kaiserliche Bedienstete, wie auch auf Reisen außerhalb des heutigen österreichischen Gebietes nach Prag, Regensburg, Augsburg, Passau, Ödenburg oder Preßburg.41

39 Federhofer: „Musik in der Steiermark“, S. 642–643. 40 F. W. Riedel: „Alessandro Pogliettis Oper Endimione“. In: Festschrift Hans Engel zum 70. Geburts­ tag. Kassel 1964, S. 298–313. – Seifert: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott, S. 53 f. 41 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert.

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Monteverdi und die Habsburger* Denis Stevens stellt in seiner Briefedition1 fest, daß der Komponist vor der Widmung seines achten Madrigalbuchs an Kaiser Ferdinand III. 1638 sehr wenig mit den Habsburgern zu tun gehabt habe; er nennt nur die Motette, die Monteverdis Beitrag zu dem von Giovanni Battista Bonometti 1615 2 herausgegebenen Sammeldruck Parnassus musicus Ferdinandaeus bildete, und 1622 für eine Habsburgerhochzeit in Mantua komponierte Intermezzi. In der Literatur wird darüber hinaus auf seine frühen Reisen und vor allem auf eine am Hof Kaiser Ferdinands II. angeblich 1628 veranstaltete Aufführung des Ballo delle Ingrate hingewiesen – Carl von Winter­feld 3 im Jahr 1834 und mit ihm die Wiener Musikwissenschaft von ­Robert Haas4 bis Theophil Antonicek 5 lokalisieren sie in Wien, Silke Leopold in beiden Auf lagen ihres Monteverdi-Buchs 6 in Graz. Was es damit auf sich hat, darauf werde ich später eingehen, wenn dieses Ballett an seiner chronologischen Reihe ist. 78 Man kann aber diesen genannten Kontakten doch noch einige direkte hinzufügen und vor allem indirekte, nämlich Freunde, Schüler und unter Monteverdis Leitung stehende Musiker, die Beziehungen zu den Habsburgerhöfen pf legten, und schließlich, noch peripherer, Auswirkungen seiner Werke auf dort gegebene Musik. Die Heiratspolitik der Habsburger spielte bei all dem eine wichtige Rolle. Zu ­B eginn des 16. Jahrhunderts hatten sie die größten Erweiterungen ihres Macht-­ * Zuerst erschienen in: Claudio Monteverdi und die Folgen. Bericht über das Internationale Symposium Detmold 1993, hg. von Silke Leopold und Joachim Stein­heuer. Kassel et al. 1998, S. 77–92. 1 Denis Stevens (Hg.): The letters of Claudio Monteverdi. New York 1980, S. 417. 2 Nach Stevens, ebenda, 1616. 3 Carl von Winterfeld: Johannes Gabrieli und sein Zeitalter. Zur Geschichte der Blüthe heiligen Ge­ sanges im sechzehnten, und der ersten Entwicklung der Hauptformen unserer heutigen Tonkunst in diesem und dem folgenden Jahrhunderte, zumal in der Venedischen Tonschule. 3 Teile. Berlin 1834. Teil 2, S. 39. 4 Robert Haas: „Ferdinand III. von Österreich“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Bd. 4. Kassel 1955, Sp. 36–38, hier Sp. 36, sehr konkret: „1626 war der Tanzmeister Santo ­Ventura aus ­Venedig geholt worden, um die Aufführung von Claudio Monteverdis „Il ballo delle ingrate“ (1628) vorzubereiten.“ Ventura befand sich tatsächlich schon seit 1626 in kaiserlichen Diensten; siehe dazu Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert ­( Wiener ­Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 134, und Andrea Sommer-­ Mathis: Die Tänzer am Wiener Hofe im Spiegel der Obersthofmeisteramtsakten und Hofparteienprotokolle bis 1740 (Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs, Ergänzungsband 11). Wien 1992, S. 21 f. Eine Vorbereitungszeit von etwa zwei Jahren für einen kleinen „Ballo“ ist aber höchst unwahrscheinlich. 5 Theophil Antonicek: „Claudio Monteverdi und Österreich“. Österreichische Musikzeitschrift 26 (1971), S. 266–271, hier S. 268. 6 Silke Leopold: Claudio Monteverdi und seine Zeit (Große Komponisten und ihre Zeit). Laaber 1. Aufl. 1982 und 2. Aufl. 1993, S. 237.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa bereichs nach Spanien, Burgund, den Niederlanden, Böhmen und Ungarn durch Heirat erreicht, was zu den bekannten Versen „Bella gerant alii, tu felix Austria nube, namque Mars aliis, dat tibi regna Venus“ führte. Von etwa 1550 bis 1650 standen dann die Verbindungen mit italienischen Kleinstaaten im Vordergrund: Bündnisse mit Mantua, Florenz und Ferrara wurden dadurch gefestigt, daß Erzherzoginnen mit den dortigen Fürsten verheiratet wurden und dann dort residierten bzw. daß männliche Mitglieder der Familie Habsburg sich ihre Frauen von dort wählten und nach Österreich holten.7 Erste Kontakte Monteverdis sind mit hoher Sicherheit für den Sommer 1595 anzunehmen, als er als Leiter von fünf Musikern – davon sind ein Kastrat und zwei ­B ässe namentlich bekannt – mit dem Herzog Vincenzo Gonzaga von Mantua an die nordungarische Front gegen die Türken reiste und dabei durch Innsbruck und Prag kam, beides damals habsburgische Residenzen. Dem Reisebericht des ­Mantuaner Kanzlers Fortunato Cardi 8 kann man die folgenden Details entnehmen: Ab 6. August 1595 hielt sich Vincenzo mit seiner Begleitung acht Tage lang bei seiner seit dem Tod des Erzherzogs Ferdinand am 24. Jänner dieses Jahres verwitweten Schwester Anna Caterina in Innsbruck auf. Da nach über einem halben Jahr die rigorosen Trauerrestriktionen sicherlich schon gelockert waren, kann man wohl 79 annehmen, daß die mitreisenden Musiker | unter Monteverdis Leitung der Mantuaner Prinzessin zumindest Kirchenmusik, eher aber auch Weltliches aus ­ihrer Heimat dargeboten haben. Als der Herzog von Mantua am 23. August in Prag eintraf, wurde er von ­Kaiser Rudolph II., einem Cousin ersten Grades, herzlich empfangen. Das genannte ­Reisediarium berichtet, daß die beiden während des siebentägigen Aufenthalts oft zusammen die Messe hörten. Vincenzo wäre nicht er gewesen, wenn er bei diesen Gelegenheiten nicht mit Stolz seine Hofmusik präsentiert hätte; schließlich mußte er einige Ausgaben auf sich nehmen, um in der Fremde auch seine kulturelle Leistungsfähigkeit vorführen zu können. Die Reise ging dann nach Wien, wo der Herzog am 3. September ankam und in dem Trakt der Hof burg Logis nahm, der heute noch Stallburg heißt und den Lipizzanern als solche dient. Der Aufenthalt hier dauerte sogar neun Tage; dann ging die Reise über Preßburg weiter in Richtung Gran (Esztergom). Im kaiserlichen Lager wurde er am 16. September vom Erzherzog Matthias willkommen geheißen. Hier hörte man nach Angabe des Chronisten im Quartier des Herzogs täglich vier bis fünf Messen; an den Festtagen

7 Karl Vocelka: Habsburgische Hochzeiten 1550–1600: kulturgeschichtliche Studien zum manieristischen Repräsentationsfest (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 65). Wien 1976. 8 Fortunato Cardi: Reisebericht, Mantova 1595. Mantova, Archivio di Stato, Archivio Gonzaga, Serie D, X, b. 388.

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Monteverdi und die Habsburger si faceua cantare Vesperi con Musica di Cantori, et organo, che haueua condotti seco, con infinito gusto non dico di quelli che seruiuano à S. A., ma d’altri Cat[toli]ci dell’Essercito, che ui concorreuano, occorendo anche molte uolte ch’il Ser[enissi]mo Arciduca si faceua fare musica per suo passatempo dalli med[esi]mi Cantori. Der Erzherzog und spätere Kaiser Matthias ließ sich also oft von den Mantuaner Musikern die Zeit vertreiben.9 Außer dem Kapellmeister Monteverdi 10 scheint von diesen für uns am interessantesten der Kastrat Teodoro Bacchini, ein Karmelitermönch aus Mantua, schon 1584 in Innsbruck als Tenorist (?) tätig, 1591–1594 an der kaiserlichen Hof kapelle in Prag als Dis|kantist bedienstet und anschließend bei 80 Herzog Vincenzo in Mantua nachweisbar. Er ist auch Verfasser eines Traktates De musica.11 Der Bassist Giovanni Battista Marinoni ging dann ungefähr zur gleichen Zeit wie Monteverdi an S. Marco und gab 1644 in Venedig die Sammlung Fiori p­ oetici raccolti nel funerale del molto illustre e molto reverendo signor Claudio ­M onteverde heraus, bevor er Kapellmeister am Dom zu Padua wurde.12 Ebenfalls Bassist war ein Padre Serafino, wahrscheinlich Terzi; P. Valerio del carmine dürfte auch Sänger gewesen sein. Unter den mitreisenden Cavalieri befanden sich ­Alessandro Striggio, der später am Mantuaner Hof Karriere machen und für ­Monteverdi Libretti verfassen sollte, und der Hof kaplan und Pagenerzieher ­Federico Follino, der als Intendant und Berichterstatter über die Mantuaner Hochzeit 1608 und wie Striggio als Korrespondenzpartner Monteverdis Eingang in die Fachliteratur gefunden hat. Der mitreisende Architekt Gabriele Bertazzolo hatte dann ebenfalls seinen Anteil an diesen Festlichkeiten und an denen in Florenz zur Hochzeit Cosimos de’ Medici mit der Habsburger-Erzherzogin Maria Magdalena im selben Jahr 1608.13

9 Paolo Fabbri: Monteverdi. Torino 1985, S. 44 f. 10 Denis Stevens: „Monteverdiana 1993“. Early Music 21 (1993), S. 565–579, hier S. 566 f., berichtet auch über dessen Ungarnreise und will einerseits die dort gesungene Kirchenmusik identifizieren (Frühversion des „Dixit Dominus“ und das „Magnificat“ der Marienvesper von 1610), andererseits die lombardische Rhythmik des „Laetatus sum“ der Marienvesper darauf zurückführen, daß Monteverdi Zigeunergeiger der Gegend von Preßburg nachgeahmt habe. Beides scheint mir nicht überzeugend genug fundiert zu sein. 11 Walter Senn: Musik und Theater am Hofe zu Innsbruck. Geschichte der Hof kapelle vom 15. Jahrhundert bis zu deren Auf lösung im Jahre 1748. Innsbruck 1954, S. 127. – Antonio Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova: dal secolo XV al XVIII. Milano [1890], S. 72. 12 Denis Arnold: „Giovanni Battista Marinoni“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musi­ cians. Bd. 11. London 1980, S. 688. 13 Paolo Carpeggiani: „Studi su Gabriele Bertazzolo. I. Le feste fiorentine del 1608“. Civiltà ­M antovana 12 (1978), quaderno 67–68, S. 14–56, hier S. 15.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Die wegen einer Erkrankung des Herzogs Vincenzo verfrühte Rückreise vom Kriegsschauplatz führte wieder über Wien, dann aber über die Steiermark, Kärnten und Venedig nach Mantua. Man kann als sicher annehmen, daß Monteverdi beim nächsten Türkenfeldzug Vincenzos, zwei Jahre später, nicht in dessen Gefolge war, da er in seinem berühmten Klagebrief von 1608 nur von einer einzigen Reise nach Ungarn spricht.14 Im Juni 1598 machte Erzherzog Ferdinand, nachmals Kaiser Ferdinand II., auf seiner Italienreise in Mantua als Gast seines Cousins Herzog Vincenzo Station – dessen Mutter und Ferdinands Vater waren Geschwister gewesen – und wird dort 81 wohl den Violinisten Monteverdi gehört haben, vermutlich | auch Kompositionen des fähigen herzoglichen Musikers.15 Im folgenden Jahr begab sich Herzog ­Vincenzo zu den Heilquellen von Spa und nach Brüssel, an den Hof des Habsburgers Erzherzog Albrecht. Der Weg dorthin führte wieder über Innsbruck, und im mitreisenden Hofstaat befand sich wieder Monteverdi als temporärer Kapellmeister, kaum drei Wochen nach seiner Hochzeit wohl eher unwillig.16 Die nächste Kurreise nach Spa im Jahr 1602 scheint Monteverdi dann nicht mitgemacht zu haben, denn im zitierten Brief nennt er auch nur einen Flandernaufenthalt. Kaum beachtet wurde bisher eine habsburgische Taufpatenschaft für einen Sohn Monteverdis, die Claudio Gallico 1962 publiziert hat.17 Als Massimiliano ­Giacomo Monteverdi am 10. Mai 1604 im Mantuaner Dom getauft wurde, vertrat Graf ­Ottavio Massimiliano Collalto den Paten Erzherzog Maximilian Ernst (1583–1616), den erst 20 Jahre alten Bruder des genannten Ferdinand; beide lebten zu dieser Zeit in Graz. Schon zwei Jahre zuvor, im Mai 1602, war Maximilian Ernst beim Herzog von Mantua zu Gast gewesen, hatte sich an den Darbietungen von dessen Komödianten erfreut18 und dabei wohl auch Monteverdi kennengelernt. Sehr wahrscheinlich war er auch bald nach der Geburt von dessen Sohn wieder in Mantua.19 Der Erzherzog hatte später weitere nachweisbare musikalische Beziehungen nach Italien, als ihm der in Capodistria wirkende Organist Gabriello Puliti 1609 14 Domenico de’ Paoli (Hg.): Claudio Monteverdi: Lettere, dediche e prefazioni. Roma 1973, S. 34. 15 Theophil Antonicek: „Italienische Musikerlebnisse Ferdinands II. 1598“. Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 104 (1967, Mitteilungen der Kommission für Musikforschung 18). Wien 1968, S. 91–111, hier S. 110. 16 Antonicek: „Claudio Monteverdi und Österreich“, S. 266. 17 Claudio Gallico: „Newly Discovered Documents concerning Monteverdi“. The Musical ­Q uarterly 48 (1962), S. 68–72, hier S. 68 ff. 18 Emilio Faccioli: Mantova. Le lettere. Bd. 2. Mantova 1962, S. 579. Daß dieser „Arciduca Massimi­ liano“ nicht sein gleichnamiger Cousin, Erzherzog Maximilian der Deutschmeister, gewesen sein kann, geht aus dessen Itinerar bei Heinz Noflatscher: Glaube, Reich und Dynastie. Maximilian der Deutschmeister (1558–1618) (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 11). ­Marburg 1987, S. 331, hervor. Dieser war nämlich im ganzen Mai 1602 in Mergentheim. 19 Am 22. Juni 1604 besuchte er, aus Italien kommend, seinen Cousin Maximilian den Deutschmeister in Innsbruck. Siehe ebenda, S. 289.

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Monteverdi und die Habsburger ein Madrigal seiner fünfstimmigen Sammlung Baci ardenti widmete 20 und 1613 ­B artolomeo Mutis, Conte di Cesana, ihm seine Musiche a | una, doi et tre voci dedi- 82 zierte. Dieser war seit 1604, dem Jahr der Patenschaft, als Hof kaplan und Tenorist in der Grazer Hof kapelle angestellt und wirkte auch noch nach der Übersiedlung des Hofstaats mit dem Kaiser nach Wien von 1619 bis zu seinem Tod 1623 dort als Kaplan. 21 Die Kompositionen der Sammlung sind laut Widmung und Huldigungsdisticha auf Anordnung bzw. Anregung des Erzherzogs Maximilian Ernst entstanden. 22 Der Hof von Mantua bestellte 1597 bei dem Wiener Instrumentenbauer Adam Kirsch zwölf Trompeten; 23 es ist also durchaus möglich, daß die Toccata zu ­Monteverdis Orfeo 1607 auf Wiener Instrumenten geblasen wurde. Für die Hochzeitsfeiern von 1608, für die Monteverdi seine Arianna komponierte, wurden ­Bläser aus der Innsbrucker Hof kapelle nach Mantua berufen. 24 Im Jahr 1615 erschien in Venedig, der Hochburg des Musikverlagswesens, das dem Erzherzog Ferdinand gewidmete Sammelwerk Parnassus musicus Ferdinandaeus, mit Kompositionen verschiedener, zum Teil in Graz bediensteter Autoren, darunter Monteverdis Motette „Cantate Domino canticum novum“ für zwei Soprane oder Tenöre und Basso continuo. Der Herausgeber, Giovanni Battista B ­ onometti, war 1608–1613 am Mailänder Dom Sänger gewesen, woher er wahrscheinlich ­Monteverdi kannte; dieser war etwa im Herbst 1612 dort gewesen. 25 Der Bergamasker Tenor war dann an den Grazer Hof gegangen 26 und folgte dem Hof 1619 nach Wien, wo er 1627 starb. 27

20 „Ecco di mill’e mille, A Massimiliano Ernesto, arciduca d’Austria.“ Die Madrigalsammlung ist seinem Bruder, dem Erzherzog Ferdinand, gewidmet. Siehe Emil Vogel, Alfred Einstein, ­François Lesure und Claudio Sartori: Bibliografia della musica italiana vocale profana pubblicata dal 1500 al 1700. Pomezia [1977], Nr. 2288. 21 Othmar Wessely: „Einleitung“. In: Ders.: Frühmeister des stile nuovo in Österreich (Denkmäler der Tonkunst in Österreich 125). Graz 1973, S. VI. 22 Hellmut Federhofer: Musikpf lege und Musiker am Grazer Habsburgerhof der Erzherzöge Karl und Ferdinand von Innenösterreich (1564–1619). Mainz 1967, S. 186. – Ders.: „Bartolomeo Mutis“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Bd. 12. London 1980, S. 878. 23 Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova: dal secolo XV al XVIII, S. 74, liest „Adam Chirsver“. Dieser ist wohl identisch mit dem Adam Kirsch, der 1592 sechs Posaunen aus Wien an die protestantische Stiftskirche nach Graz geliefert hatte; siehe dazu Ferdinand Bischoff: „Beiträge zur Geschichte der Musikpflege in der Steiermark“. Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark 37 (1889), S. 1–70, hier S. 59. 24 Senn: Musik und Theater am Hofe zu Innsbruck, S. 195. 25 Fabbri: Monteverdi, S. 282 f. 26 Federhofer: Musikpf lege und Musiker am Grazer Habsburgerhof der Erzherzöge Karl und Ferdinand von Innenösterreich (1564–1619), S. 148 f. 27 Hellmut Federhofer: „Giovanni Battista Bonometti“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Bd. 15. Kassel 1973, Sp. 944 f.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Als der Erzherzog Ferdinand im Juli 1619 beim Salzburger Fürsterzbischof Marcus Sitticus von Hohenems zu Besuch weilte, wurde ihm die seit dem Jahr 1614 mehrmals dort aufgeführte „Action in musica“ Orfeo geboten, von der man annehmen kann, sie sei Monteverdis Mantuaner Oper von 1607 gewesen. 28 Im Jahr 1622, anläßlich der Hochzeit desselben, nun als Kaiser in Wien residierenden Ferdinand II., ergab sich ein weiterer Berührungspunkt Monteverdis mit der Habsburger-Dynastie. Die Braut war Eleonora Gonzaga, Tochter Vincenzos und Schwester des regierenden Herzogs Ferdinando, und die Trauung fand am 21. November 1621 per procuram in Mantua statt, natürlich nicht ohne Festlichkeiten. Schon im Februar hatte Monteverdi von der Herzogin Caterina einen Kompositionsauftrag bekommen; im September schickte er an den herzoglichen Sekretär Ercole Marigliani einen Teil der Intermezzi, um die es sich dabei handelte, und im November die Licenza dazu. Danach bot er der Herzogin zusätzlich eine Missa solemnis an und zeigte ihr darüber hinaus seine Bereitschaft an, die Musik auch zu leiten. Sicherlich waren dies Ercole Mariglianis Prolog, Intermezzi und Licenza zu seinem Drama Tre Costanti, das dann, wie wir aus Gabriele Bertazzolos Bericht wissen, im Jänner 1622 anläßlich der genannten Hochzeit für die Braut in Mantua aufgeführt wurde. 29 Als der schon an die 60 Jahre alte Monteverdi 1627 als Altersversorgung – übrigens erfolglos – ein Kanonikat in seiner Geburtsstadt Cremona anstrebte, wohin er sich zurückziehen wollte, schrieb er darüber an Alessandro Striggio nach Mantua. Wenn ich diesen schwer verständlichen und auch schwer leserlichen, weil sehr verblaßten Brief 30 richtig deute, teilt er ihm mit, daß er vor dem Tod des kaiserlichen Kapellmeisters Giovanni Priuli vorgehabt habe, auf der Durchreise in Mantua vom Herzog Empfehlungsschreiben an dessen Schwester, die Kaiserin 84 Eleonora, zu erbitten, die ihm | durch den Gouverneur von Mailand mühelos diese Pfründe verschaffen könnte und der er einige seiner Kompositionen präsentieren wollte. Der im Brief „preiulio“ lautende Name wird von Domenico de’ Paoli 31 nicht identifiziert, von Denis Stevens als „preludio“ gelesen und mit „beginning“ übersetzt 32 und von Paolo Fabbri 33 als Doge Priuli (1618–1623) gedeutet – kein Wunder, nahm man doch bis vor kurzem an, daß Giovanni Priuli erst 1629 gestor83

28 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“. Musicologica Austriaca 8 (1989), S. 7–26 [siehe S. 43–65], hier S. 23 [65]. 29 Siehe dazu Fabbri: Monteverdi, S. 241–244; seine Angabe, daß der Kaiser persönlich in Mantua war, trifft nicht zu (Herbert Seifert: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am Wiener Kaiserhof und ihre Allegorik, 1622–1699 [dramma per musica 2]. Wien 1988, S. 9). 30 De’ Paoli: Claudio Monteverdi: Lettere, dediche e prefazioni, S. 275. 31 Ebenda, S. 276. 32 Stevens: The letters of Claudio Monteverdi, S. 357. 33 Fabbri: Monteverdi, S. 267.

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Monteverdi und die Habsburger ben sei. 34 Seit der 1990 fertiggestellten Dissertation von Steven Saunders 35 weiß man aber, daß der Hof kapellmeister Ferdinands II. schon im Juli 1626 verstorben ist, der von Monteverdi in dem Brief von 1627 genannte Herzog folglich nicht der dann regierende, Vincenzo II., sondern noch dessen Bruder Ferdinando ­Gonzaga sein muß, der bis Ende September 1626 gelebt hat. In diesem Zusammenhang mag interessieren, daß der kaiserliche Hoforganist und spätere Amtsnachfolger Priulis, ­Giovanni ­Valentini, gerade in den Jahren 1625/1626 in Venedig war und von Giovanni ­Rovetta, der bald darauf Monteverdis Vizekapellmeister werden sollte, zusammen mit Priuli in einer Werkvorrede von 1626 als großer Komponist genannt wird. 36 Monteverdis Verbindung mit den Habsburgern wird auch durch die wahrscheinlich 1629 oder 1630 gegen ihn vorgebrachte anonyme Beschuldigung illustriert, er hätte die Hoffnung geäußert, daß der (habsburgische) Adler statt des Markuslöwen in Venedig regiere. 37 Steven Saunders hat nun vor kurzem einen Brief des Kaisers entdeckt, den er im Dezember 1633 an den Kardinalinfanten Ferdinand aus der spanischen Linie der Habsburger schrieb, den er tatsächlich um eine Befürwortung für das Kanonikat in Cremona bat. 38 Der Widmungsvorrede zum VIII. Madrigalbuch, den Madrigali guerrieri, et amorosi, entnehmen wir, daß schon der im Februar 1637 verstorbene | Kaiser ­Ferdinand II. 85 diese Werke als Handschrift geschätzt und Monteverdi die Zustimmung zur Drucklegung – natürlich mit einer Widmung an ihn – erteilt hatte. Saunders vermutet wohl zu Recht, daß Monteverdi einen Teil des Madrigalbuchs als „hochwillkommene Zeichen seiner eifrigen Verehrung“ gegenüber der Casa d’Austria 39 dem Kaiser schon im Jahr 1633 mit der Bitte um Fürsprache überschickt haben wird. Erst am 1. September 1638 datierte der Komponist die Widmung an den nunmehr regierenden Kaiser, Ferdinand III. Wenn er darin über die „neuen, aber dürftigen Sprößlinge“ seiner Feder schreibt, sind beide Attribute falsch, das erste zumindest teilweise. Denn wie wir wissen, war der Ballo delle Ingrate Teil der ­Mantuaner Hochzeitsfeste von 1608 gewesen und der Combattimento di Tancredi e Clorinda 34 So auch noch Jerome Roche: „Giovanni Priuli“. In: The New Grove Dictionary of Music and ­M usicians. Bd. 15. London 1980, S. 276 f. 35 Steven Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of Ferdinand II (1615–1637): The Latin Vocal Music of Giovanni Priuli and Giovanni Valentini. Phil. Diss. University of Pittsburgh 1990, S. 339 ff. 36 Ebenda, S. 335 f. 37 Jonathan Glixon: „Was Monteverdi a Traitor?“ Music and Letters 72 (1991), S. 404–406. 38 Steven Saunders: „New light on the genesis of Monteverdi’s Eighth Book of Madrigals“. Music & Letters 77 (1996), S. 183–193. 39 „Pergratis Studiosae erga Augustam n[ost]ram Austriae Domum Devotionis documentis ­benignae Commendationis n[ost]rae Patrocinium sibi conciliauit Claudius Monteuerdi.“ Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung, Cod. 8463, fol. 115r, zitiert bei Saunders, ebenda, S. 184.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa 1624 in Venedig aufgeführt worden. Für zwei der Gelegenheitswerke benützte Monteverdi ältere Texte von Rinuccini, die aus der gleichen Zeit wie dessen Ballo delle Ingrate stammen und damals auf König Heinrich IV. von Frankreich gemünzt gewesen waren. In allen drei Textvorlagen ersetzte Monteverdi die ­Namen und sonstigen Anspielungen durch die gerade aktuellen, also etwa „­ Henrico“ durch „Ferdinando“.40 Der strittige Punkt einer Wiener Aufführung des Ballo delle Ingrate muß genauer behandelt werden. Zweifellos wurde eben auch dieser Text so bearbeitet, daß eine Aufführung am Kaiserhof um 1636/1638 hätte stattfinden können. In den der ­Komposition vorangestellten Worten heißt es, Plutone werde sich mit seiner Aufforderung, nicht spröde zu sein, an die anwesende Prinzessin und die Damen wenden. Venere singt dann „Là nel Germano Impero“, und Amore „[…] vegga su l’Istro“. Das Werk sollte also an einem Ort an der Donau im Deutschen Reich erklingen. Das könnte außer Wien in erster Linie Regensburg gewesen sein, wo sich der Kaiserhof um die Jahreswende 1636/1637 wegen der Wahl und Krönung ­Ferdinands III. zum römischen König auf hielt, auf den auch andere Texte des ­Madrigalbuchs Bezug nehmen. Daß nur eine einzige Prinzessin angesprochen 86 wird, läßt die von | Winterfeld für 1628 angenommene Aufführung 41 als Irrtum erscheinen, denn damals wären noch zwei unverheiratete Erzherzoginnen anzusprechen gewesen, während zwischen Juli 1635 und August 1637 tatsächlich nur eine einzige ledige „Prinzessin“, nämlich Caecilia Renata, anwesend gewesen sein konnte. Winterfeld läßt sich auch durch seinen eigenen Wortlaut als fehlerhaft entlarven. Es heißt dort nämlich: „[…] noch zwanzig Jahre später“ – gemeint ist nach der Uraufführung 1608 – „hörte der Hof Ferdinands des Dritten, an welchem ­Eleonora ­Gonzaga herrschte, sie gern wiederum vortragen, mit einigen Veränderungen für die dortige Bühne eingerichtet […]“. Es ist sehr wahrscheinlich, daß ihm dafür keine heute unbekannten Informationen über eine Aufführung in Prag oder Wien vorlagen, wo der Kaiserhof 1628 weilte, sondern nur das VIII. Madrigalbuch von 1638, daß er sich also nicht bei der Angabe des Herrschers geirrt hat – 1628 hieß dieser Ferdinand II. –, sondern daß er sich auf das Jahr der Drucklegung bezieht und statt „dreißig Jahre später“ eben „zwanzig“ geschrieben hat. Eine Aufführung läßt sich aber ebensowenig nachweisen wie für den ballo mit dem Textbeginn „Volgendo il ciel“, dessen Realisierung in Wien am 30. Dezember 1636 Paolo Fabbri 42 für möglich hält. Wohl nennt der Text den neuen römischen ­König Ferdinand, doch die Berichte über die Regensburger Festlichkeiten zur Wahl und Krönung lassen für dieses szenische Werk keinen Platz; vielmehr gibt es eine 40 Fabbri: Monteverdi, S. 295. 41 Winterfeld: Johannes Gabrieli und sein Zeitalter. 42 Fabbri: Monteverdi, S. 295, 300, 434.

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Monteverdi und die Habsburger andere „Introduttione al balletto“, die am 4. Jänner 1637 im Reichssaal des Regensburger Rathauses anläßlich der Krönung gesungen wurde und nur als Libretto erhalten ist.43 Im Zusammenhang mit Monteverdis Widmung könnte von Interesse sein, daß dem Hof kapellmeister Valentini am 5. August 1638 unter den „extraordinari“ Ausgaben „zu einer gewissen Spesa“ 150 f l. bezahlt wurden, ebenso 1639 „zu ainen gewisen Außgab“ 100 f l. Das könnten an Monteverdi weiterzugebende Belohnungen für das VIII. Madrigalbuch sein, dessen Widmung im Druck zwar erst, wie gesagt, mit 1. September 1638 datiert ist, von der der Kaiser aber schon vorher gewußt haben muß. Valentini hatte enge Beziehungen zu Venedig, wohin er auch immer wieder geschickt wur|de. Der Betrag entspricht auch ungefähr den sonsti- 87 gen „Gnadengaben“ für gewidmete Kompositionen: 1637 erhielt Georg Pichlmayr für solche 150 f l., ebenso Giovanni Felice Sances.44 Die Sammlung geistlicher Werke Selva morale e spirituale widmete Monteverdi am 1. Mai 1641 der Witwe Ferdinands II. und Tochter seines einstigen Dienstgebers Vincenzo Gonzaga, Eleonora. Hier ist auch noch das bekannteste Stück seiner Beiträge zu den Festen von 1608 enthalten, das mit einem geistlichen Text versehene „Lamento d’Arianna“. Damit sind die uns bekannt gewordenen direkten Beziehungen des Komponisten zu den Habsburgern erschöpft; der Übergang zu den angedeuteten indirekten ist damit angezeigt. Francesco Rasi,45 Schüler Caccinis, war einer der bedeutendsten Sänger des frühen 17. Jahrhunderts und wohl der wichtigste Tenor seiner Zeit, im ersten Dezennium zumindest an allen bedeutenden Opernaufführungen beteiligt und somit in der Frühzeit der Monodie und der Oper eine zentrale Rolle einnehmend. Herzog Vincenzo nahm ihn wahrscheinlich 1598 in seine Dienste, und in Mantua verkörperte er 1607 die Titelrolle in L’Orfeo, im nächsten Jahr den Apollo in Marco da Gaglianos Dafne und in Monteverdis Arianna wahrscheinlich die Rolle des Teseo. 1611 sang er zusammen mit dem zweiten bedeutenden Tenor dieser Zeit, Francesco Campagnolo, in Casale Monferrato, einem Besitz der Gonzaga, in Giulio Cesare Monteverdis Oper Il Rapimento di Proserpina. Nach der Krönung des Königs Matthias von Ungarn zum Kaiser schickte Herzog Francesco Gonzaga, ein Cousin der Kaiserin, seinen jüngeren Bruder Vincenzo mit Glückwünschen an den kurz vor seiner Übersiedlung nach Wien noch in Prag residierenden Kaiserhof, wo sich der ihn begleitende Rasi fast den ganzen Monat Oktober 1612 auf hielt und dem Kaiser vorsingen und wahrscheinlich ein Druckwerk mit eigenen Kompositionen 43 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 37, 438. 44 Wien, Hofkammerarchiv, Hofzahlamtsbuch 84 für 1637–1639. 45 Zu diesem vgl. die ausführliche Biographie in Warren Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici. Firenze 1993, S. 556–603.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa überreichen konnte.46 Auf der Durchreise durch Salz|burg widmete er dem Fürst­ erzbischof Marcus Sitticus eine Handschrift mit eigenen monodischen Kompositionen, und 14 Monate nach dem Aufenthalt des Protagonisten von Monteverdis „Favola in musica“ L’Orfeo wurde ein Pastorale dieses Titels erstmals in Salzburg gesungen, danach bis zu der genannten letzten Aufführung im Jahr 1619 mehrmals wiederholt. Pietro Paolo Melli (Melij) aus Reggio, Lautenist am Wiener Kaiserhof von Ende 1612 bis 1623,47 veröffentlichte im Mai 1614 in Venedig das zweite Buch seiner Intavolatura di liuto attiorbato, gewidmet Kaiser Matthias.48 Nach dem Inhaltsverzeichnis wurde nachträglich eine Gagliarda angehängt: „La Claudina Gagliarda. Intitolata Al Molto Illustre Signor Claudio MonteVerde Dignissimo Maestro di Capella della Serenissima Signoria di Venetia in San Marco“. In diese Funktion war Monteverdi erst kurz vorher berufen worden; daraus erklärt sich wohl die ungewöhnliche Stellung des aktuellen Stückes nach dem Hauptteil des Werkes. Andere Einzelstücke sind etwa den Kurfürsten von Mainz, Trier, Köln, Sachsen, Brandenburg, von der Pfalz, den Herzögen von Neuburg, Braunschweig, Bayern, den Erzherzögen Leopold, Karl (Schlesien), Maximilian (Innsbruck), Ferdinand (Graz), den Bischöfen von Trient, Salzburg, dem Landgrafen von Hessen, Kardinälen, Hof beamten, kaiserlichen Militärs und italienischen Adligen gewidmet. Gewiß hat auch der Tenor Francesco Campagnolo, Schüler Monteverdis und ebenfalls Bediensteter des Herzogs von Mantua, als er 1616 in den Dienst von Marcus Sitticus überwechselte, wo er bis 1619 als dessen „cortigiano“ blieb, seine Rolle bei den genannten Operninszenierungen in Salzburg. Wir finden ihn drei Jahre später, 1622, in Wien, wohin er wohl mit der neuen Gemahlin Kaiser ­Ferdinands III., der Prinzessin Eleonora Gonzaga, aus Mantua gezogen war und wo auf deren Veranlassung im August 1622 eine Invenzione in musica mit Ballett gegeben ­w urde. Dieser folgte eine ähnliche Veranstaltung im Februar 1623 in Regensburg, wo sich der Kaiserhof damals auf hielt. Der Charakter dieser Invenzioni ist nicht näher be89 stimmbar; sie könnten in die Kategorie der musikdramatischen B ­ allettein­lei|tungen 49 gehören, die ja zu dieser Zeit viel häufiger waren als Opern. ­Campagnolo sollte im Sommer 1622 mit dem Hof kapellmeister Priuli nach Italien reisen; im folgen-

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46 Im Nachlaßinventar von Kaiser Matthias (Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, A-Whh, Familienurkunden 1578, fol. 55r) findet sich die Eintragung „Francesco Rasi per una voce sola in fol.“ (diesen Hinweis verdanke ich Herrn Dr. Robert Lindell); gemeint ist wahrscheinlich der Druck Vaghezze di musica per una voce sola, Venezia 1608. 47 Federhofer: Musikpf lege und Musiker am Grazer Habsburgerhof der Erzherzöge Karl und ­F erdinand von Innenösterreich (1564–1619), S. 184. – Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of F ­ erdinand II (1615–1637), S. 23. 48 Faksimile-Edition durch Orlando Cristoforetti (Archivum musicum 19). Firenze 1979. 49 Siehe dazu Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 26 und 431, und Denis Arnold: „Intermedio, ballet and opera in the œuvre of Monteverdi“. Actes du XIIle Congrès de la

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Monteverdi und die Habsburger den Jahr war er vom Kaiser mit der Zusammenstellung eines Violenensembles beauftragt und benötigte dazu Instrumente, die der Herzog Ferdinando Gonzaga in Auftrag geben sollte, wie diesem dessen Schwester Eleonora schrieb. 1624 sang Campagnolo dann in der Villa Imperiale der Erzherzogin und Großherzogin der Toskana Maria Magdalena Jacopo Peris Canzone delle lodi d’Austria anläßlich des Besuchs eines ihrer Brüder, des Deutschmeisters Erzherzog Karl. Er scheint für die Rezeption italienischer Musikdramatik in den nördlichen Nachbarländern geradezu eine Schlüsselposition gehalten zu haben, denn schließlich hatte er auch in Innsbruck Funktionen bei der Veranstaltung von musikalischen und dramatischen Aufführungen zu erfüllen, so 1629 bei der Vorbereitung einer „Comoedi“, die im Zusammenhang mit einem Ballett genannt wird. Er hätte auch die Beiträge des Erzherzogs Leopold V. zu den Wiener Feierlichkeiten anläßlich der Hochzeit ­Ferdinands III. mit der Infantin Maria von Spanien im Jahr 1631 arrangieren sollen, starb aber vorher.50 Eine von Monteverdi hochgeschätzte Sängerin war Margherita Basile, eine Schwester der berühmteren Adriana; unter anderem hielt er sie 1627 für die Idealbesetzung der darstellerisch schwierigen Titelrolle seiner Finta pazza Licori.51 Wir finden sie 1630 mit ihrem Mann Ettore Cattaneo Daddi, der wohl mit Monteverdi verschwägert war, im Hofstaat Kaiser Ferdinands II. beim Reichstag in Regensburg;52 sie gehörte der kaiserlichen Kammermusik dann bis 1637 an,53 bis sie mit der Erzherzogin Caecilia Renata nach deren Hochzeit mit dem König von P ­ olen nach Warschau ging, wo sie in Opern | auftrat.54 1641 wurde ihr von ­Ferdinand III. eine 90 hohe Gnadengabe von 3.000 Gulden bewilligt.55 Der Mantuaner Hof kapellmeister D. Francesco Dognazzi sandte 1622 Kompositionen an Kaiserin Eleonora 56 und hielt sich 1627 mit D. Cesare Gonzaga und dann auch 1631 nachweislich am Kaiserhof auf;57 schon seit etwa 1603 hatte er als Sänger Société Internationale de Musicologie Strasbourg 29 août 3 septembre 1982, hg. von Marc Honegger et al. Bd. 1, Strasbourg 1986, S. 363–370. 50 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), S. 7–33 [17–42], hier S. 26 ff. [36 ff.]. 51 De’ Paoli: Claudio Monteverdi: Lettere, dediche e prefazioni, S. 243–245. 52 Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of Ferdinand II (1615–1637), S. 865. 53 Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova: dal secolo XV al XVIII, S. 103. – Wien, Hofkammerarchiv, Hofzahlamtsbuch 84 für 1637–1639. 54 Matteo Glinski: La prima stagione lirica italiana all’estero (1628) (Quaderni dell’Accademia C ­ higiana 4). Siena 1943, S. 50, 63. 55 Wien, Hofkammerarchiv, Hofzahlamtsbuch 87 für 1641, fol. 188. 56 D. Francesco Dognazzi: Brief an Kaiserin Eleonora, Mantua, 17. Oktober 1622. Mantova, Archivio di Stato, Archivio Gonzaga, Serie D, X, b. 388. 57 Paul Nettl: „Giovanni Battista Buonamente“. Zeitschrift für Musikwissenschaft 9 (1926/1927), S. 528–542, hier S. 542. – Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova: dal secolo XV al XVIII, S. 100, 103.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa in Mantua unter Monteverdis Leitung gedient.58 Mit ihm scheint 1627 auch die Familie Rubini zu den Prager Festlichkeiten gekommen zu sein. Es waren die vorher seit mindestens 1597 bei den Herzögen von Mantua als Violinisten bediensteten, also jahrelang mit Monteverdi und unter seiner Leitung tätigen Brüder Horatio und Giovanni Battista aus Casale Monferrato – beide auch Komponisten – und dessen singende Frau Lucia Rubini; 59 das Ehepaar ging ebenfalls 1637 nach Warschau. 1629 publizierte der in Wien anwesende Prinzipal der Mantuaner Schauspielertruppe I Fedeli und Dramatiker Giovanni Battista Andreini hier eine Bearbeitung seiner schon 1617 in Mantua mit Musik von Monteverdi und anderen aufgeführten „Sacra rappresentazione“ La Maddalena. Im Vorwort begründet der Autor seine Bearbeitung mit dem Wunsch von Lucia Rubini, diese Rolle zu singen; wegen seiner Verpf lichtung gegenüber den kaiserlichen Musikern unter ihrem Leiter, Giovanni Valentini, die andere seiner Werke vertont hätten, habe er diese Aufgabe auf sich genommen.60 Von den an S. Marco in Venedig zur Zeit Monteverdis tätigen Musikern61 kamen 91 etliche nachher in kaiserliche Dienste: die Instrumentalisten | Giovanni Chilese (1614–1617 an S. Marco, 1619–1640 in Wien), Giovanni Sansoni (1614 – um 1619 an S. Marco, 1619–1648 in Wien Zinkenist und Konzertmeister) und Marco Martelli (spätestens 1635 an S. Marco, 1639–1656 in Wien) und die Sänger D. Giulio Mattioli (1638 an S. Marco, anschließend in Wien, wo er noch Ende dieses Jahres wegen Gewalttätigkeit entlassen wurde), Venanzio Leopardi (1639 an S. Marco, mindestens seit 1641 im Dienst des Erzherzogs Leopold Wilhelm, mindestens 1643–1644/1645 in dem der Kaiserin-Witwe Eleonora I.) und P. Steffano Boni (1642 an S. Marco, mindestens 1647–1652 beim Erzherzog Leopold Wilhelm, 1654–1664 und 1670– 1675 in der kaiserlichen Kapelle). Vielleicht gehört auch der genannte Giovanni Priuli, der allerdings schon um 1614/1615 Kapellmeister am Grazer Hof wurde,62 in diese Kategorie. Einf lüsse Monteverdis auf das Wiener Opernschaffen sind schwer nachzuweisen, da dieses erst seit 1660 musikalisch erhalten ist. In der Librettistik gibt es immerhin 1631 in der Hochzeitsoper La Caccia felice von Cesare Gonzaga, Herzog von ­Guastalla, ein Zitat des berühmten „Lamento d’Arianna“, nämlich den Eröff58 Jerome Roche: „Francesco Dognazzi“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Bd. 5. London 1980, S. 521 f. 59 Bertolotti: Musici alla corte dei Gonzaga in Mantova: dal secolo XV al XVIII, S. 73, 97 und 103. – Stevens: The letters of Claudio Monteverdi, S. 56, 84, 392. – Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of Ferdinand II (1615–1637), S. 396–398, 865. 60 Giovanni Battista Andreini: La Maddalena. Wien 1629. 61 Siehe dazu die Liste bei Fabbri: Monteverdi, S. 380–382; die Daten über die Wiener Tätigkeit sind Ergebnisse der Forschungen des Verfassers über das Personal am Kaiserhof 1618–1705, die gesondert publiziert werden sollen. 62 Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of Ferdinand II (1615–1637), S. 170, 193.

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Monteverdi und die Habsburger nungsvers „Lasciatemi morire“,63 und in des Venezianers Aurelio Aurelis Libretto La Virtù guerriera von 1659 möglicherweise ein Poppea-Zitat, wenn die Unwissenheit und die verkleidete Tugend in ihrem Abschiedsdialog den Wortlaut von ­Poppea und Nerone verwenden: „Tornerai?“ – „Tornerò.“ 64 1641 wurde ein Jahr nach der Wiederaufführung von Monteverdis Arianna in Venedig dieser Stoff für die in Regensburg anläßlich des Geburtstags der Kaiserin gesungenen Oper ­A riadne ­a bbandonata da Theseo, et sposata dal Dio Baccho aufgegriffen. Sogar noch 1668 kann man in Antonio Cestis großer Festoper Il Pomo d’Oro in der Instrumentation der Unterweltszenen Ähnlichkeiten zu denen des sechs Jahrzehnte alten Mantuaner Orfeo erkennen, was sich aber eventuell auch auf einen gängigen Topos zurückführen ließe.

63 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 209. 64 Ebenda, S. 216 f.

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Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen: Salzburg, Prag, Wien, Regensburg und Innsbruck* Zunächst möchte ich mein Thema ausdrücklich nicht auf die wegen der späteren Entwicklung in ihrer Bedeutung für das frühe 17. Jahrhundert so überbewertete Oper beschränken, sondern vom italienischen Musikdrama sprechen, zu dem zweifellos auch szenisch dargestellte und durchkomponierte Intermedien und Ballett­ einleitungen gehören, wie wir sie etwa von Monteverdis Ballo delle ingrate kennen. Denis Arnold hat nachgewiesen, daß es irreführend ist, Oper im 17. Jahrhundert isoliert zu betrachten, da sie nur einen Teil einer breiteren Szene von Drama mit Musik bildete, und gerade in ihren ersten Lebensjahrzehnten einen ziemlich kleinen Teil. Nach Monteverdis Arianna etwa vergingen zunächst zwölf und dann wieder sieben Jahre, bis er 1620 und 1627 wieder je eine Oper fertigstellte.1 Schlägt man die im Titel dieses Referats genannten Städte im New Grove ­D ictionary of Opera 2 nach, dem vor etwas mehr als einem Jahr erschienenen Standardwerk, das den neuesten Stand der Forschung auf diesem Gebiet wiedergeben soll, findet man im Artikel Salzburg immerhin die Feststellung, daß | dort 1614 die ers- 30 te Oper außerhalb Italiens über die Bühne gegangen sei. 3 Wenn auch das Datum und das Werk nicht richtig genannt sind, stimmen immerhin Tatsache, Ort und * Zuerst erschienen in: „in Teutschland noch gantz ohnbekandt“. Monteverdi-Rezeption und frühes Musiktheater im deutschsprachigen Raum, hg. von Markus Engelhardt. Frankfurt 1996, S. 29–44. 1 D. Arnold: „Intermedio, ballet and opera in the œuvre of Monteverdi“. In: La Musique et le rite sacré et profane. Actes du XIIIe Congrès de la Société Internationale de Musicologie, Strasbourg, 29 août – 3 septembre 1982, hg. von M. Honegger und C. Meyer. Bd. 1. Strasbourg 1986, S. 363–370; die Andromeda von 1620 sieht er noch als unvollendet an; siehe dazu aber I. Fenlon: „The Mantuan stage works“. In: The New Monteverdi Companion, hg. von D. Arnold und N. Fortune. London 1985, S. 251–287, hier S. 285–286. 2 G. Croll: „Salzburg“. In: The New Grove Dictionary of Opera. London 1992. Bd. 4, S. 153–155. – J. Ludvová: „Prague“. In: Ebenda. Bd. 3, S. 1082–1087. – H. Seifert, B. A. Brown, P. Branscombe, M. Carner, R. Klein und H. Goertz: „Vienna“. In: Ebenda. Bd. 4, S. 989–1002. – K. J. Seidel: „Regensburg“. In: Ebenda. Bd. 3, S. 1265–1266. – H. Goertz und W. Senn: „Innsbruck“. In: Ebenda. Bd. 1, S. 803. 3 Gerhard Croll („Salzburg“, S. 153) gibt allerdings eine am 14. Januar gespielte „Hof­t ragicomedia“ als solche an, der dann der Orfeo als zweite im Februar 1614 gefolgt sei. Das ist äußerst unwahrscheinlich, da die Quelle, Johann Stainhausers Relationen (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, A-Whh, Ms. R. 35), eine deutliche Unterscheidung zwischen den Gattungen zuläßt. Die Opern ­O rfeo und Andromeda bzw. Perseo sind im Gegensatz zu den Sprechdramen immer als „musikalisch agirt“ oder „in Musica“ bezeichnet. Am 14. Januar 1614 hatte Paris Graf Lodron ein italienisches Pastorale spielen lassen, während die genannte „Hoftragicomedia“ erstmals am 27. Januar gespielt ­w urde. Vgl. auch H. Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“. Musicologica Austriaca 8 (1988), S. 7–26 [siehe S. 43–65], besonders S. 17–23 [58–65].

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Jahr. Im Prag-Artikel wird als erste Opernaufführung „eine schöne PastoralComoedia“ genannt, die eine Truppe aus Mantua am 27. November 1627 im Schloß präsentiert habe und deren Musik vielleicht von Giovanni Battista Buonamente stamme. Als nächste Oper in der Hauptstadt Böhmens wird – fälschlich – I ­t rionfi d’Amore von Giovanni Felice Sances mit der Jahreszahl 1648 angeführt.4 Der Artikel ­R egensburg 5 beginnt seine Chronologie zur Oper in dieser Stadt mit dem Jahr 1774. Den ersten Teil des Wien-Artikels habe ich selbst verfaßt6 und werde ich daher nicht kritisieren.

Salzburg Der in Italien erzogene Halbitaliener Marcus Sitticus von Hohenems holte als Erzbischof von Salzburg offenbar als erster Fürst im Deutschen Reich musikdramatische Unterhaltungen aus dem Süden an seinen Hof. Kurz nach seinem ­Regierungsantritt, im Dezember 1612, kam der führende Tenor der frühen Oper, Francesco Rasi, an seinen Hof, sang ihm vor und widmete ihm eine Handschrift mit geistlichen und weltlichen Monodien. Seine Paraderolle war wohl die Titelpartie von Monteverdis Orfeo, der 1609 gedruckt worden war, mit den bei der ­Uraufführung zwei Jahre zuvor von ihm gesungenen hochvirtuosen Verzierungen zu „Possente spirto“. Es ist denkbar, daß er den Bischof gerade damit beeindruckt 31 und ihm auch die Partitur überreicht hat; jedenfalls schrieb er | drei Monate danach an Alessandro Striggio, den Librettisten der Oper, daß er einige Bühnenpraktiker für Szene und Theatermaschinen an Marcus Sitticus schicken müsse.7 Dieser ließ dann vierzehn Monate nach Rasis Besuch, im Fasching 1614, erstmals ein Pastorale mit dem Titel Orfeo musikalisch agieren; in seinem Hofstaat hatte er inzwischen genügend italienische Sänger und Instrumentalisten, um – vielleicht in einigermaßen reduzierter Fassung – Monteverdis Meisterwerk auf die Bühne stellen zu lassen. Wiederholungen folgten jeweils zwei, drei und vier Jahre d­ anach, immer im Fasching, und schließlich im Juli 1619 anläßlich des Besuchs König ­Ferdinands II. von Ungarn und Böhmen auf der Reise zur Kaiserwahl.8 Eine neue 4 Ludvová: „Prague“, S. 1082–1083. 5 Seidel: „Regensburg“, S. 1265. 6 Seifert, Brown, Branscombe, Carner, Klein, Goertz: „Vienna“, S. 989–990. 7 W. Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici („Historiae ­Musicae cultores“ Biblioteca 61). Firenze 1993, S. 583, Anm. 179. 8 Zur Wahrscheinlichkeit der Identität der Salzburger Oper mit der von Monteverdi vgl. Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“, besonders S. 14–16 [siehe S. 54–57]. Als weiteres Indiz läßt sich anführen, daß Sigismondo d’Indias 1615 ­Marcus Sitticus gewidmetes drittes Madrigalbuch die Vertonung einer Episode aus Alessandro Striggios Text für Monteverdis Orfeo enthält: „Dove, ah dove ten vai“ wird dort zu Beginn

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Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen Oper A ­ ndromeda ließ Marcus Sitticus anläßlich der Hochzeit seines Neffen am 1. Dezember 1616 singen, ebenso zwei Monate danach im Fasching, im August und Oktober 1617 bei Fürstenbesuchen und zweimal im Fasching 1618.9 Als Erzherzog Leopold von Tirol im November dieses Jahrs 1618 in Salzburg weilte, führte ihm der geistliche Gastgeber die vermutlich mit Andromeda identische Oper Il Perseo vor. Bald darauf, zu Weihnachten 1618, sangen Musiker und Kammerdiener ein Pastorale von der Geburt Jesu. Gewiß hatte auch der Tenor Francesco Campagnolo seine Rolle bei diesen Inszenierungen in Salzburg. Er war Schüler Monteverdis und wie Rasi Bediensteter des Herzogs von Mantua, als er 1616 in | den Dienst von 32 Marcus Sitticus überwechselte, bei dem er bis 1619 als dessen „cortigiano“ blieb.10 Im Park seines Lustschlosses Hellbrunn hatte Marcus Sitticus das berühmte Steintheater errichten lassen, das er seinen fürstlichen Gästen gerne zeigte, doch nach der Chronik nur zweimal mit unbekannten Pastoralen bespielen ließ. Als der junge Großherzog der Toskana, Ferdinando II de’ Medici, und dessen Bruder ­Giovanni Carlo 1628 zuerst bei Erzherzog Leopold und dessen Gemahlin Claudia de’ ­Medici in Innsbruck, dann beim Kaiser in Prag und schließlich bei Marcus Sitticus’ Amtsnachfolger Paris Lodron in Salzburg zu Gast waren, bekamen sie am Inn zunächst nur ein Jesuitendrama11 und an der Moldau Commedia dell’arte von Giovanni ­B attista Andreinis Truppe der Fedeli geboten,12 im Steintheater von Hellbrunn aber die kleine, nur einstündige geistliche Oper La Maddalena peccatrice mit ­Musik des Domkapellmeisters Stefano Bernardi, die im September desselben Jahrs im Rahmen der Feierlichkeiten zur Domweihe wiederholt wurde. Die Gattung geht eindeutig aus dem Bericht eines Reisebegleiters hervor, der schreibt: „fù ­recitata in lingua Italiana, et cantata tutta in stile rappresentatiuo, come si costuma a ­Fiorenza, acciò tanto più loro A[ltezze] ne godessero“. Auch das szenische Geschehen wird des dritten Akts von Orfeo gesungen, wenn ihn Speranza verläßt, kurz vor der genannten Strophenarie „Possente spirto“ (im Partiturdruck, Venezia 1609, S. 50). Diese Entdeckung verdanke ich einem Vortrag Robert Lindells über d’Indias drittes Madrigalbuch, gehalten 1974 bei einem Marcus-Sitticus-Symposium in Hohenems; in E. Vogel, A. Einstein, F. Lesure und C. Sartori: Bibliografia della musica italiana profana pubblicata dal 1500 al 1700. Bd. 1. Pomezia [1977], S. 539, Nr. 827, ist der Text nicht identifiziert. 9 Warren Kirkendale (The court musicians in Florence during the principate of the Medici, S. 356, Anm. 127) will – unter Berufung auf den Verfasser – auch diese Oper Monteverdi zuschreiben, doch hat dieser die Komposition von Ercole Mariglianis Libretto Andromeda 1618 erst begonnen und nicht vor dem Fasching 1620 abgeschlossen; siehe dazu Fenlon: „The Mantuan stage works“, S. 251–287, hier S. 285–286. 10 H. Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), S. 7–33 [17–42]. – Ders.: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“, S. 7–26 [siehe S. 43–65]. 11 W. Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Geschichte der Hof kapelle vom 15. Jahrhundert bis zu deren Auf lösung im Jahre 1748. Innsbruck 1954, S. 224–225. 12 H. Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur ­Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 165–166.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa kurz beschrieben: Der Teufel versucht, die von Freiern umgebene Magdalena in die Hölle zu ziehen, was von ihrem Schutzengel verhindert wird. Ein Eremit bekehrt sie, worauf sie kostbare Kleider und Schmuck ablegt und die Freier verjagt. Der gerade den Tand an sich raffende Teufel wird von Pluto, der von vielen weiteren Teufeln umgeben erscheint, zur Strafe für die der Bekehrung überlassene Sünderin zu schweren Züchtigungen in der Hölle verdammt und trotz seiner Verteidigungsversuche in Ketten abgeführt. Ein singender und spielender Engelschor 33 drückt abschließend die Freude über Magdalenas Rettung aus.13 Es ist sicher|lich kein Zufall, daß die ursprünglich in Rom gepf legte Gattung der geistlichen Oper wenige Jahre zuvor, nämlich 1624 und 1626, von Andrea Salvadori mit La regina Sant’Orsola und La istoria di Iudit in Marco da Gaglianos Vertonungen in der Residenz der fürstlichen Gäste in Florenz eingeführt worden war – ebenfalls anläßlich von Fürstenbesuchen; eine Bekehrung und Teufel hatten schon dort ihren Platz auf der Bühne gefunden.14 Es war eben diese Gattung, die hohen Kirchenfürsten damals zur Repräsentation am passendsten schien – wenn sie nicht gerade Marcus Sitticus hießen, denn der ließ auch weltliche Opern spielen.

Pr ag Dadurch, daß sich der Kaiserhof auch nach der Rückverlegung der Residenz nach Wien öfters in der böhmischen Haupt- und Krönungsstadt Prag auf hielt, kam dieser – wohl mehr durch Zufall als durch Absicht – in mehrfacher Hinsicht Priorität zu. Zunächst war Kaiser Matthias kurz vor der Transferierung des Hofs nach Wien im Jahr 1612 dort noch Zuhörer von Francesco Rasis monodischen Darbietungen – ob in Wien schon derartiges aufgeführt worden war, ist sehr fraglich. Die Einführung des italienischen Balletts im habsburgischen Gebiet wurde früher mit den Wiener Hochzeitsfesten von 1631 datiert.15 Ich konnte das erste Ballett in Wien, von Kaiserin Eleonora aus Mantua veranstaltet und entworfen, bereits für 1622 13 Geri Bocchineri: Bericht aus Innsbruck nach Florenz. 17. Juni 1628. I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 6379. Vgl. auch den fast gleichlautenden Bericht von Margherita Costa (Istoria del viaggio d’Alemagna del Duca di Toscana, Ferdinando II. Venedig o. J.), mitgeteilt bei H. Spies: „Ein italienischer Bericht über den Besuch des Großherzogs Ferdinand II. von Toscana in Salzburg im Jahre 1628“. Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 86/87 (1946/1947), S. 33–48. 14 S. Leopold: „Das geistliche Libretto im 17. Jahrhundert. Zur Gattungsgeschichte der frühen Oper“. Die Musikforschung 31 (1978), S. 245–257. 15 E. Stanzl: „Das Ballett in der Wiener Barockoper“. Maske und Kothurn 7 (1961), S. 313–328, hier S. 314. – G. Winkler: Das Wiener Ballett von Noverre bis Fanny Elßler. Ein Beitrag zur Wiener ­B allettgeschichte. Diss. Universität Wien 1967, S. 6. Vgl. dazu A. Sommer-Mathis: Die Tänzer am ­W iener Hofe im Spiegel der Obersthofmeisteramtsakten und Hofparteienprotokolle bis 1740 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Ergänzungsband 11). Wien 1992, S. 8.

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Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen nachweisen; ihm folgte 1623 eines in Regensburg.16 Der Musik- und Theaterforschung bis heute entgangen ist aber ein in Stuttgart erhaltenes Libretto zu ­einem Ballett, das schon 1617 während eines Aufenthalts des Kaiserhofs in Prag mit ­einer italienisch gesungenen Umrahmung aufgeführt wurde: Vor Kaiser Matthias, dessen Cousine und Gemahlin Anna und dem Erzherzog Maximilian sangen im ­Sitzungssaal der Landstände im Hradschin Merkur, Orpheus, Amor, Homer, ­Vergil und der Ruhm der Casa | d’Austria sowie Chöre und tanzten namentlich 34 genannte Mitglieder der Hofgesellschaft; sogar eine Darstellung der Szene auf ­einem Kupfer­stich17 mit auf klappbaren Teilen und eine handschriftliche Übersetzung sind diesem Exemplar beigebunden.18 Der venezianische Botschafter, ­Zorzi ­Giustinian, berichtet darüber an den Dogen, daß er mit seinen diplomatischen Kollegen vom Kaiser „a certo spettacolo“ eingeladen worden war und deshalb den ganzen Tag bei Hof verbracht habe.19 Am 5. Februar 1617, dem Faschingssonntag, gleichzeitig mit der Salzburger Reprise der Oper Andromeda, wurde also Prag als zweite Stadt außerhalb Italiens und erste im Habsburgerreich Schauplatz einer ­musikdramatischen Darbietung, die wir uns im Charakter ähnlich Monteverdis Ballo delle ingrate vorstellen können; sie bestand aus Sologesängen – wohl vor allem rezitativischer Art und auch dialogisierend; der Bericht nennt als Begleitung Cembalo, Viola und Chitarrone –, Ensembles, Chören mit Begleitung und Instrumentalstücken (Sinfonie und Tänze) und verfügte über ein veränderbares Bühnenbild mit Wolken und Flugmaschinen. 20 Als sich Kaiser Ferdinand II. zehn Jahre später längere Zeit in Prag auf hielt, wo die Kaiserin und Kronprinz Ferdinand zu Königin und König von Böhmen gekrönt wurden, ließ Eleonora am 27. November 1627 das Pastorale in musica C ­ alisto e ­A rcade singen. Das Libretto dazu hatte der mit ihr verwandte Don ­C esare ­Gonzaga, Prinz von Guastalla, verfaßt, der auch in den folgenden Jahren als Operndichter für Wien nachweisbar ist. Wie zu den Salzburger Opern gibt es auch zu dieser keine Primärquellen, nur Berichte über die Aufführung, aus denen allerdings die Gattung, der Stoff und die Ausführenden hervorgehen. Letztere ­waren eben nicht mit der gleichzeitig am Hof tätigen Schauspielertruppe der Fedeli unter 16 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 26 und 127. 17 Nur dieser Stich als Einzelblattdruck scheint bisher bekannt gewesen zu sein; vgl. Deˇjiny cˇeské hudby v obrazech od nejstarsích památek do vybudování Národního divadla. Geschichte der tschechischen Musik in Bildern. The history of Czech music in pictures, hg. von T. Volek und S. Jareš. Prag 1977, Abb. 125. 18 Breue relatione del baletto fatto auanti le M. Mtà dell’Imperatore, & Imperatrice a di. 5. di Febr: 1617, o. O. und Drucker (D-Sl, Fr. D. fol. 40); siehe C. Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Bd. 1. Cuneo 1990, S. 437. 19 Zorzi Giustinian: Bericht an den Dogen. A-Whh, Abteilung Italien, Dispacci da Germania 52–53, fol. 98. 20 Eine genauere Darstellung dieses Balletts wird an anderem Ort folgen.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa ­Giovanni Battista Andreini samt seiner Frau Virginia, Monteverdis Arianna von 1608, identisch, sondern Hofmusiker und Sängerinnen, wie aus einem Brief der 35 Erzherzogin Maria Anna, den Wiener Ordentli|chen Zeittungen und der in Prag gedruckten Festbeschreibung hervorgeht. In diesen Quellen heißt es: „werden die musici ein gesungene comedia halten“, „Es hat […] die Kays[erliche] Musica am grossen Saal ein sehr zierliche Comaedi […] gehalten“, „Die Actores sindt Mann: vnd Weibs personen gewesen“ 21. Der Kaiser hatte zu dieser Zeit für eine Aufführung genügend italienische Sänger in seinen Diensten;22 wahrscheinlich war auch die ­Mantuaner Sängerin Lucia Rubini als Kammermusikerin in Prag, die 1629 in Wien Andreinis Maddalena verkörpern sollte, und natürlich ist eine Mitwirkung Virginia Andreinis als Gast denkbar, obwohl sie erst etwa eine Woche vor der Aufführung angekommen war. 23 Der Stoff des mythologischen Pastorales war den Metamorphosen Ovids entnommen, der als Steinbruch für frühe Operntexte so wichtigen Quelle, und behandelte die Geschichte von Arkas, der von seinem Vater Zeus im letzten Moment daran gehindert wird, seine in einen Bären verwandelte Mutter Kallisto zu erschießen, worauf Zeus beide als Sternbilder an den Himmel versetzt. Damit waren zwei Intermedien verbunden; in einem „präsentirten“ die vier Elemente Zeus ihre Dienste, im anderen traten Nacht, Morgenröte und Tag auf. 24 Der bei Grove als möglicher Komponist der Musik genannte Mantuaner Violinist Giovanni Battista Buonamente war wohl 1622 mit Eleonora nach Wien gekommen und in kaiserliche Dienste getreten 25 und ist durch einen Brief bei den Prager Festen nachweisbar, doch nur als Instrumental- und Kirchenkomponist bekannt. 26 Viel eher kommen der kaiserliche Hof kapellmeister Giovanni Valentini oder der Tenor Lodovico Bartolaia in Frage, die später nachweislich Musikdramen vertont haben. 36 Die Bühne für diese Oper war im Spanischen Saal des Hradschin errichtet worden; die kaiserliche Familie betrachtete das vier Stunden dauernde Geschehen von oben liegenden Fenstern aus, während der Adel den Saal füllte. 27 21 Mit genauen Quellenangaben ausführlicher zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 595–596 und 599. 22 Siehe das Verzeichnis bei S. Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of Ferdinand II (1615–1637): The Latin vocal works of Giovannio Priuli and Giovanni Valentini. Diss. University of Pittsburgh 1990, Ann Arbor 1990, S. 58–67. 23 Cosimo Bartolini am 17. November 1627 aus Prag an den Großmeister Andrea Cioli nach Florenz: „S’aspetta in breue una Compagnia di commedianti“ (zit. bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 594); die ersten Aufführungen sind für den 21. November belegt (siehe ebenda, S. 595). 24 Ebenda, S. 29. 25 Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of Ferdinand II (1615–1637), S. 62, 266 und 870. 26 S. Bonta: „Buonamente, Giovanni Battista“. In: The New Grove Dictionary of Music and M ­ usicians. Bd. 3, S. 456–457. 27 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 418.

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Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen

Wien Prags Begegnung mit der italienischen Musikdramatik scheint bis 1680 eine enorme, mehr als ein halbes Jahrhundert währende Pause eingelegt zu haben. Daher wollen wir uns endlich der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien zuwenden, die, wie gesagt, eher zufällig etliche Prioritäten an Prag abtreten mußte. Das erste bekannte Ballett, im August 1622 in der nach mantuanischem Muster neu errichteten und benannten Sommerresidenz Favorita, war mit einer „invencione in musica“ verbunden und von Kaiserin Eleonora erdacht und mit acht ihrer Hof­damen einstudiert worden, die sich zu den Buchstaben des Namens Ferdinando formierten.28 Ein halbes Jahr später, am Faschingssonntag 1623, revanchierte sich der Kaiser während eines Aufenthalts in Regensburg dafür bei seiner Frau, indem er ebenfalls eine „inventione con un baletto“ veranstaltete. Diese „inventioni“ könnten musikdramatische Ein­ leitungen gewesen sein: der sehr allgemein gehaltene Terminus wurde nicht nur für das genannte Prager Musikdrama von 1617, sondern auch in den 1630er Jahren von Prospero Bonarelli für allegorisch-mythologische Opern mit abschließendem Ballett beziehungsweise Turnier verwendet, die er für den Wiener Hof verfaßte.29 Gerade zu dieser Zeit (1622–1623) hielt sich der genannte Tenor Francesco Campagnolo am Hof auf; man hat sich sicherlich seine Opernerfahrungen zunutze gemacht. In Wien folgte die nächste in Frage kommende Darbietung am 9. Juli 1625, dem Geburtstag Ferdinands II. Sie ging im großen Saal des heute Amalienburg genannten Trakts der Hof burg über die Bühne und wurde von Franz Christoph Graf Khevenhüller so beschrieben: […] sind aus einer Scena 6. Personen, so alle Hof=Musici gewesen, in unter­ schiedlichen Kleidungen erschienen, die erste à la Romana, die andere à la Genuesa, die dritte à la Neapolitana, die vierte wie eine Gratia, die | fünffte wie ein Pantalon, und die sechste wie ein Zani. Diese haben in Versen in Wällischer Sprache eine Comoedie agirt, und dieselbe singend, mit schönen Madrigalen geendet. […] Hernach sind zwölff Hoff=Dames wie Hirtinnen in weissem Taffet mit leibfarbenen Schnüren verbrämt, begleitet von so viel Cavalieren auch weiß gekleidet, und weiß taffetne Hüdte mit leibfarbenen Federn auf, und in Händen weisse Wind=Lichter habend, erschienen. Etliche unter ihnen haben getantzet, andere gesungen, u. andere auf Lauthen und Citharen geschlagen, und das hat eine halbe Stunde ungefährlich gewährt. 30

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28 Sommer-Mathis: Die Tänzer am Wiener Hofe im Spiegel der Obersthofmeisteramtsakten und Hof­ parteienprotokolle bis 1740, S. 8–9. 29 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 26. 30 F. C. Graf Khevenhüller: Annales Ferdinandei. Bd. 10. Leipzig 1724, Sp. 713–714.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Diese Aufführung von sechs Hofmusikern mit Ballett, Vokal- und Instrumentalmusik des Adels stand eindeutig in der Tradition der Komödien oder Madrigalzyklen mit Typen der Commedia dell’arte, woher auch die „diversi linguaggi“ rühren, und diese Tradition ist vor allem eine musikalische. Am nächsten kommt die Schilderung Andreinis Komödie La Ferinda, die er drei Jahre zuvor als Opernlibretto hatte drucken lassen; es könnte sich um eine reduzierte Bearbeitung davon gehandelt haben. 31 Im Fasching 1629 unterhielt sich der Hof mit einer kleinen Oper zum Text von Don Cesare Gonzaga. Außerdem publizierte zur gleichen Zeit der in Wien anwesende Prinzipal der Fedeli und Dramatiker Andreini hier eine Bearbeitung seiner schon 1617 in Mantua mit Musik von Monteverdi und anderen aufgeführten Sacra rappresentazione La Maddalena – übrigens nur acht Monate nach der besprochenen Salzburger Oper über diesen Stoff. Im Vorwort begründet der Autor seine Bearbeitung mit dem Wunsch von Lucia Rubini, diese Rolle zu singen; wegen seiner Verpf lichtung gegenüber den kaiserlichen Musikern unter ihrem Leiter Valentini, die andere seiner Werke vertont hätten, habe er diese Aufgabe auf sich genommen. 32 Jedenfalls hat diese dritte Fassung mit Lamento, Ensembles, Engelschor und Balletten einen großen Musikanteil; ich neige dazu, sie als geistliche Oper aufzufassen; möglich ist aber auch, daß die Versdialoge gesprochen statt rezitativisch gesungen wurden. Als der Thronfolger Ferdinand III. im Fasching 1631 die Infantin Maria heirate38 te, gab es unter den Festen mehrere musikalisch-dramatische Auffüh|rungen. Ein ­w ieder von Eleonora entworfenes Ballett, von Chören und Sologesängen mit Text von Cesare Gonzaga umrahmt und unterbrochen, wurde von zwei Kaisertöchtern und zweiundzwanzig Hofdamen getanzt, die Römische Königinnen und Kaiserinnen darstellten und sich zu den Buchstaben der Namen des Brautpaars formierten sowie als Diana, Kybele, Minerva und Juno Huldigungsverse sangen. Die Hochzeitsfeste zogen sich bis nach Faschingsende hin, so daß noch am ersten Fastensonntag im Niederösterreichischen Landhaus eine Pastoraloper von ­C esare ­Gonzaga mit dem Titel La caccia felice dargestellt wurde, die erste, von der ein L ­ ibretto erhalten ist. Das Handlungsschema ist eine Variante von Guarinis Il ­p astor fido; Ariannas Bitte „Lasciatemi morire“ wird zitiert – wie übrigens auch in ­Andreinis genannter Ferinda. Zwei Intermedien mit Balletten zwischen den Akten, Hirtenund Nymphenchöre sowie ein Schlußchor der im geöffneten Paradies sichtbar gewordenen Götter und eine Flugmaschine für Herkules stellen diese Volloper ganz in die Tradition der frühen italienischen Festoper. Als Komponisten kommen wie31 Dazu eingehender H. Seifert: „Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: Die erste Oper in Wien?“ Studien zur Musikwissenschaft 42 (1993), S. 77–88 [379–390]. 32 G. B. Andreini: La Maddalena. Wien 1629 (Vorrede an den Leser).

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Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen der vor allem die genannten in Frage. 33 Lodovico Bartolaia ist jedenfalls der erste namentlich bekannte Opernkomponist des Kaiserhofs, denn im Januar 1633 unterzeichnete er die Widmung zum dreiaktigen Libretto Gli inganni di Polinesso, und im Juli wurde zum Geburtstag des Kaisers die von ihm vertonte Tragicommedia Il Sidonio aufgeführt, deren Titelrolle er auch selbst sang. Zum selben Anlaß im nächsten Jahr wissen wir nur von einer nicht näher bestimmbaren „Commedia in musica“, während für dieses Fest 1635 wahrscheinlich zwei Libretti beim Grafen Prospero Bonarelli bestellt worden waren, eine Turniereinleitung und das Pastorale La Fidalma; die Kompositionen hatte wieder Bartolaia zu liefern. Auch die Geburtstage der Kaiserin im September waren Anlässe für Aufführungen: 1634 Il pastor fido, größtenteils vertont, und im folgenden Jahr eine Oper. Am Faschingsdienstag 1636 gab es im Tanzsaal der Wiener Hof burg eine vielgestaltige Unterhaltung mit aktiver Mitwirkung der Kaiserin und König Ferdinands III. sowie dessen Frau; im Zentrum standen Ballette, die immer wieder von szenischen, gesungenen Dialogen allegorischer Personen und antiker Gottheiten eingeleitet wurden. 34 Die zwei Musikdramen, von deren Wiener Aufführungen in den vierziger Jahren wir wissen, gehören den Spielarten der Opera morale beziehungsweise | sacra 35 an: 39 Lo specchio di virtù von Orazio Persiani, dem Hofdichter des Kaiserbruders Leopold Wilhelm, 1642, mit höchst grausamer, allegorisch moralisierender Handlung, und La vita di Santo Agapito mit Text und wohl auch Musik von Giovanni Valentini 1643 zum Geburtstag der Kaiserin Maria Agapita, eine geistliche Oper aus der Heiligenlegende. Zur zweiten Hochzeit Ferdinands III. 1648 wurde die fünfaktige Oper I trionfi d’Amore mit Musik von Giovanni Felice Sances vorbereitet, jedoch wahrscheinlich aufgrund mehrerer Trauerfälle nicht aufgeführt. 36 1649 schickte Kaiser Ferdinand Athanasius Kircher seinen Versuch einer musikdramatischen Komposition, der unter seiner Gattungsbezeichnung „Drama musicum“ bekannt und als erster vom Kaiserhof nach Monteverdis Balli von 1638 in Partitur erhalten ist 37 – die weitere musikalische Überlieferung setzt erst mit 1660 ein. Es handelt sich dabei wieder um eine Opera morale mit allegorischen Personifikationen 33 Zu dieser Oper siehe Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 32–33, 129, 207–209, 284–285, 367. 34 Ebenda, S. 130–132. 35 Zu diesen Gattungen siehe C. Gianturco: „Opera sacra e morale: due ‚altri generi di dramma ­musicale‘“. In: Il melodramma italiano in Italia e in Germania nell’età barocca, Atti del V C ­ onvegno internazionale sulla musica italiana nel secolo XVII, Loveno di Menaggio (Como), 28–30 giugno 1993, hg. von Alberto Colzani, Norbert Dubowy, Andrea Luppi und Maurizio Padoan. Como 1995, S. 167–177. 36 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 39–40. 37 Zu diesem Werk siehe Th. Antonicek: „Die italienischen Textvertonungen Kaiser Ferdinands III.“ Chloe 9 (1990), S. 209–233.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa als Protagonisten; solche trugen zusammen mit römischen Göttern auch 1651 am ­Geburtstag des Kaisers eine rein huldigende „Attione da rappresentarsi in musica“ vor, die einen Schaukampf und ein gesungenes Schlußballett enthielt. Auch La gara vom folgenden Jahr wurde nur von allegorischen und mythologischen Personen gesungen; die Zwischenaktballette hatten Zentauren, Nymphen und Hirten zu bestreiten, den Wettkampf die vier Erdteile. Für die Maschinen dieser dreiaktigen Schauoper hatte der Kaiser den Bühnenarchitekten Giovanni Burnacini aus Venedig kommen lassen. Kurz nach diesem großen Werk, am Ende des Faschings 1652, griff der damals als Lautenist in Wien angestellte Benedetto Ferrari mit seinem Libretto Dafne in Alloro einen Stoff von den Anfängen der Oper wieder auf. Es war dies nur eine kleine szenische Balletteinleitung; auch hier ­k amen Flugmaschinen zum Einsatz. Damit haben wir die Mitte des Jahrhunderts überschritten und wollen uns der Stadt außerhalb der habsburgischen Erbländer zuwenden, die als Ort der Reichs­ tage durch die gelegentliche Anwesenheit des Kaiserhofs sehr früh mit der italienischen Musikdramatik in Kontakt kam.

Regensburg

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Den Beginn bildet vielleicht die schon genannte Invenzione in musica, die Ferdinand II. nach dem durch seine italienische Frau gegebenen Vorbild im Fasching 1623 dort veranstaltete. Im Reichssaal des Rathauses ließ dieser Kaiser am 4. Januar 1637 die kurz zuvor erfolgte Krönung seines Sohns zum Römischen König vor einigen hundert Zuschauern durch ein Ballett mit dramatischer Einleitung feiern. Die habsburgischen Erbländer erschienen dabei auf einem Triumphwagen und freuten sich nacheinander in Rezitativen und Arien über die Wahl, das Römische Reich f log auf dem Rücken eines Adlers ein und bedankte sich bei den Kurfürsten. Der Adel der Erbländer wurde dann aufgefordert, seine Freude durch ein Ballett zu zeigen, was er in Form von zwanzig fackeltragenden Pagen tat. Eine Kaisertochter trat dann mit neunzehn Hofdamen zum Tanz an, die sich mit den jungen Herren zu graziösen Figuren verf lochten; dieses Ballett ging dann in Gesellschaftstanz über, zu dem die Erzherzogin ihren Vater aufforderte. Die beiden in ­Monteverdis achtem Madrigalbuch gedruckten Balli waren wohl für Regensburg 1636/1637 gedacht und sind damit die ersten in Partitur erhaltenen Musikdramen des Kaiserhofs, Aufführungen lassen sich allerdings nicht nachweisen. Im Sommer 1641 wurden die Geburtstage Ferdinands III. und der Kaiserin ­Maria in Regensburg mit dreiaktigen Opern gefeiert, deren Stoffwahl wohl schon von der venezianischen Bühne beeinf lußt war. Zwei Jahre nach der dort gespielten ­A rmida Benedetto Ferraris und nur vier Monate nach der Warschauer Armida 122

Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen abbandonata Virginio Puccitellis für Schwester und Schwager Kaiser Ferdinands ließ die Kaiserin die Armida-Rinaldo-Handlung aus Torquato Tassos ­G erusalemme liberata von unbekannten Autoren neu fassen und vertonen. Einen Monat später revanchierte sich der Kaiser mit der in einem Garten gespielten Oper Ariadne ­a bbandonata da Theseo, e sposata dal Dio Bacco; davon ist außer dem handschriftlichen Libretto auch ein gedrucktes Szenarium erhalten. Der Text stammte von dem kaiserlichen Mundschenken Graf Francesco Bonacossi; im Jahr davor war übrigens Monteverdis Arianna in Venedig aufgeführt worden. Am Faschingsmontag 1653 ließ Ferdinand auf dem Reichstag in dem zu diesem Zweck von Giovanni Burnacini erbauten Theater die Oper L’inganno d’Amore mit Text von seinem Lautenisten Benedetto Ferrari und Musik von seinem Hof­ kapellmeister Antonio Bertali spielen. Der Librettist setzte hier den neuen vene­ zianischen Typ des Liebesverwicklungsdramas ein, der Bühnenbild|ner machte 41 reichen Gebrauch von Flugmaschinen und blitzartigen Szenenwechseln auf offener Bühne; von einigen der Bühnenbilder sind dem Textbuch Stiche beigegeben. Als Publikum waren „viel Fürsten/ Græff l[iche] und Herren Stands=Personen/ wie auch Gesandte/ und deren Diener/ neben einem gantzen E[hrwürdigen] Rath der Statt Regenspurg/ auch meister Bürgerschafft/ vermittelst Außtheilung gewisser Pileten admittirt worden“38. Die in Frankfurt erschienenen Periodika Theatrum Europaeum und Relatio historica hoben die Ungewöhnlichkeit dieses Ereignisses besonders hervor: „Viel fürnehme Herren/ Spectatores und Gesandte affirmirten fur gewiß/ daß Sie dergleichen in Franckreich/ Welsch= und Teutschland nie gesehen. Die Unkosten/ so Ihre Keyserl[iche] Majest[ät] auf gewandt/ sollen sich über zwantzigtausend Gülden erstrecken“, „[…] dergleichen in hundert Jahren nicht gesehen worden“ 39.

Innsbruck Bleibt noch Innsbruck zu besprechen, in der chronologischen Reihe der Habsburgerresidenzen nach heutigem Wissensstand die letzte, die mit dem italienischen Musikdrama in Berührung kam. Unter den Festen zur Hochzeit Erzherzog ­L eopolds mit Claudia de’ Medici im April 1626 gab es auch eine Ballettvorführung im Stil der Intermedien, wobei Schautänze von Geistern, Bergknappen, Fischern oder Araberinnen mit italienischen Einzelgesängen antiker Gottheiten abwechselten, die auf dem Berg saßen, aus dem die Tänzer hervorkamen. Als nach zwei 38 Irenico-Polemographia/ Sive/ Theatri Europæi/ continuati/ Septennium:/ Das ist/ Siebenjährige/ ­H istorisch- aufgeführte/ Friedens- und Kriegs-/Beschreibung […]. Frankfurt am Main 1663, S. 343. 39 Relationis historicae semestralis continuatio Jacobi Franci. Bd. 29 (Herbstmesse 1652 – Oster­messe 1653). Frankfurt am Main 1653, S. 59.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Jahren der Erbprinz Ferdinand Karl geboren wurde, feierte man dies mit einer ganz ähnlichen Darbietung auf Schloß Ambras, nur war die Dekoration mit Meer, Erde und Himmel aufwendiger. Diesmal gab es vielleicht auch Dialoge, da einige der Götter paarweise auftraten. Auch bei diesen beiden Balletten wurden die Initialen der Landesfürsten von den Tänzern dargestellt. Ein italienischer Zeuge bezeichnet die zweite Darbietung sogar als „Commedia“, die mit Chören, Sologesängen, Balletten und reichem Bühnengeschehen zwei Stunden dauerte. Sieht man diesen Bericht des Reisebegleiters des Großherzogs der Toskana, Ferdinando II de’ ­Medici, und seines Bruders Giovanni Carlo über ihren Innsbrucker Aufenthalt auf 42 der Rückreise im Zusam|menhang mit den Aufzeichnungen des Hofchronisten, wird man auch hier an das Genre des Balletts mit durchkomponierter musikdramatischer Einleitung nach Art der Monteverdischen Balli denken. Den Vergleich mit den Florentiner Festen stellten sowohl der genannte Reisebegleiter als auch der Erzherzog her, wenn er sich beim Großherzog entschuldigte, daß „la festa non era stata bella, come quelle di Fiorenza“40. Francesco Campagnolo hatte schließlich einige Jahre lang auch in Innsbruck Funktionen bei der Veranstaltung von musikalischen und dramatischen Aufführungen zu erfüllen, so 1629 bei der Vorbereitung einer „Comoedi“, die im Zusammenhang mit einem Ballett genannt wird – möglicherweise einer Oper; es heißt, er habe „die partes wegen anbevolchner Comoedi allberait ausgetailt“41. Erzherzog Ferdinand Karl reiste mit der ihm angetrauten Anna de’ Medici und seinem Bruder Sigismund Franz 1652 an die Höfe von Mantua, Modena, Parma, Florenz und Ferrara und wurde dort selbstverständlich unter anderem mit Musikdramatik bewirtet, bei seiner Schwester in Mantua etwa mit einer später auch in Wien vertonten Theti. Im selben Jahr wurde eine bisher unbekannte „­ Introduzione drammatica“ mit Musik des erzfürstlichen Sekretärs und Kaplans Antonio Maria ­Viviani und Text des Hofpredigers Diego da Lequile in Innsbruck aufgeführt; ein Exemplar des Librettos hat sich in Laibach erhalten.42 Bald darauf hören wir vom Neubau eines Theaters in Innsbruck, und schließlich ließ der Fürst eine Oper seines Kammerkapellmeisters Antonio Cesti vorbereiten, die schon Anfang 1652 als dessen zweite in Venedig gesungen worden war, damals unter dem Titel Il Cesare amante. Was bisher als Vermutung galt, nämlich daß die durch ein Innsbrucker Libretto von 1654 nachgewiesene Oper La Cleopatra mit dieser identisch ist, läßt sich nun durch Briefe belegen; außerdem gibt es ein der Forschung entgangenes Librettoexemplar in München,43 das schon 1653 gedruckt wurde. 40 Geri Bocchineri: Bericht aus Innsbruck nach Florenz. 17. Juni 1628. I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 6379; siehe auch Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 226–227. 41 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 228. 42 Nachweis bei Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Bd. 3, S. 474. 43 D-Mbs, P.o.it. 283.

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Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen Am 31. August 1652 hatte in Mantua Erzherzog Ferdinand Karls Schwester Isabella Clara dem Herzog von Mantua einen Sohn geboren, der die Namen seines Tiroler Onkels erhielt, Ferdinando Carlo. Am 25. Mai 1653 schreibt der | Kastrat Atto 43 ­Melani aus Innsbruck an Herzog Carlo Gonzaga, daß der Erzherzog zur Feier dieser Geburt eine Oper mit Musik von Cesti vorbereite, die „nicht schlecht“ sei. Er nennt auch einige der Sänger und beschreibt das neue Theater als wenig größer als die von Venedig und die Bühnentechnik nach deren Art. Cesti sei des Habsburgers „Dio della Musica“. Die erste Oper sei für August geplant, da das Theater noch nicht fertig sei, und eine zweite sollte die Geburt des erwarteten Tiroler Erzherzogs feiern.44 Acht Tage danach teilt Melani mit, daß diese Feste reduziert würden, da nur eine Tochter geboren worden war.45 Im Juli meldet er sich aus Regensburg, wohin auch der Erzherzog zum Kaiser gereist war: Das Innsbrucker Theater sei nun fertig und die Musik so weit, daß man sie innerhalb von zwanzig Tagen aufführen könne.46 Anfang September schreibt er, nun wieder aus Innsbruck, an Principe Mattias de’ Medici, daß die Innsbrucker Feste noch nicht stattgefunden hätten und an seiner Stelle die berühmte Opernsängerin Anna Renzi singen solle,47 die tatsächlich am 30. Oktober in Innsbruck ankam und dann die Rolle der Cleopatra sang.48 Im Dezember berichtet der toskanische Resident am Kaiserhof, Abate Felice ­Marchetti, aus Innsbruck nach Florenz über die geplante Opernaufführung, derentwegen er auf Befehl der Erzherzogin Anna dort bleiben müsse; schließlich sollten dafür hunderttausend Taler ausgegeben worden sein.49 Am 4. Januar 1654 berichtet er mit aller wünschenswerter Deutlichkeit: „Hoggi solamente si rappresenta l’opera intitolata Cesare Amante di Cleopatra“50, was uns zwingt, das bisher angenommene Aufführungsdatum (5. Juli 1654) um ein halbes Jahr vorzuverlegen. Der genannte Titel zieht übrigens den venezianischen und den Innsbrucker zusammen. Nachdem er die Aufführung gesehen hat, schreibt Marchetti über die Oper, daß sie sehr schön gewesen sei, besonders was Bühne und Kostüme betreffe; auch die Musiker hätten sehr gut agiert, nur das Sujet und | dessen Ausarbeitung hätten 44 viel besser sein können. 51 44 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 554. 45 Ebenda, 2. Juni 1653. 46 Ebenda, 21. Juli 1653. 47 Atto Melani: Brief an Principe Mattias de’ Medici, aus Innsbruck. 7. September 1653. I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 5407. 48 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 266, 287. – L. Bianconi und T. Walker: ­„ Dalla Finta pazza alla Veremonda: Storie di Febiarmonici“. Rivista italiana di musicologia 10 (1975), S. 379–454, hier S. 442. 49 Abate Felice Marchetti: Bericht aus Innsbruck nach Florenz. 21. Dezember 1653. I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 5407. 50 Ebenda, 4. Januar 1654. 51 Ebenda, 6. Januar 1654.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Ich habe versucht, die jeweils durch Herrscherpersönlichkeiten begünstigte Aufnahme des italienischen Musiktheaters an den österreichischen Habsburger-Höfen und in Salzburg von den Anfängen bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts, also während der ersten vierzig Jahre, so zu skizzieren, wie sie sich nach meinen Forschungen heute darstellt.

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Die Aufnahme von italienischem Ballett und Oper an den österreichischen Habsburgerhöfen * Früher als alle anderen Länder – mit Ausnahme des angrenzenden geistlichen Fürstentums Salzburg – haben die habsburgischen Gebiete nördlich der Alpen die neuen italienischen musikdramatischen Unterhaltungen wie Ballett und Oper übernommen. Im folgenden sollen die durch meine Forschungen aufgedeckten, vor den bisher angenommenen Daten liegenden frühesten Aufführungen in Prag, Wien und Innsbruck und ihre Grundlagen und Ursachen dargestellt werden. Die Habsburger-Dynastie hatte neben der Herrschaft in ihren vor allem durch Heiraten immer mehr erweiterten eigenen Gebieten auch die Kaiserwürde seit 1438 (Albrecht II.) exklusiv gepachtet, wenn auch der jeweilige Nachfolger formell durch die Kurfürsten gewählt wurde. Kaiser Karl V. teilte 1552 die Gebiete auf zwei Linien auf, die spanische und die österreichische, wobei nur mehr Ange­ hörige dieser zweiten zu Kaisern gewählt wurden. Die Kaiserresidenz war zunächst Wien, doch Rudolph II. verlegte sie mit seinem Regierungsantritt 1576 nach Prag und machte diese Stadt durch seine Vorlieben für über drei Jahrzehnte zum kulturellen Zentrum Europas. Sein Nachfolger Matthias allerdings ging 1612 mit dem Hofstaat wieder nach Wien zurück, das nun bis zum Ende der Monarchie die Residenz der österreichischen Linie bleiben sollte. Durch die Nachwirkungen der kulturellen Hegemonie Prags sollte aber diese Stadt bei Besuchen des Kaiserhofs die erste im habsburgischen Herrschaftsgebiet werden, in die italienisches Ballett und Musikdrama Eingang fanden. Priorität kommt allerdings zweifellos Salzburg zu, das als erster Hof außerhalb 510 Italiens italienische Oper zu sehen bekam, und zwar wohl gleich das einzige bis dahin existente Meisterwerk der Gattung. Salzburg war zwar ein geistliches Fürstentum außerhalb des habsburgischen Gebiets, doch durch dieses zu drei Vierteln umschlossen und daher auch in engster Verbindung mit ihm. Marcus Sitticus von Hohenems, von 1612 bis 1619 Fürsterzbischof von Salzburg, als Sohn von Ortensia Borromeo Halbitaliener, war in Italien aufgewachsen und immer wieder dorthin zurückgekehrt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß er bei einer der zahlreichen höfischen Feste auch Ballett und Oper gesehen hat, bevor er bald nach dem Besuch des Sängers der Titelrolle von Monteverdis L’Orfeo, Francesco Rasi, in Salzburg von diesem mehrere Bühnenpraktiker für die Szene und Theatermaschinen aus ­Mantua * Zuerst erschienen in: Actes du Congrès International Théatre, Musique et Arts dans les Cours Européennes de la Renaissance et du Baroque, Varsovie, 23–28 septembre 1996, hg. von Kazimierz Sabik, Warszawa: Zakład Graficzny Uniwersytetu Warszawskiego 1997, S. 509–515.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa anforderte, die Schüler des Hofarchitekten, Erbauers des Theaters in Mantua 1608 und Bühnenbildners zumindest von Monteverdis Arianna, 1608, und wohl auch von L’Orfeo, Antonio Maria Viani, „prefetto“, waren.1 Italienische Sänger und Instrumentalisten hatte der Fürst schon genügend in seinen Diensten, so daß er schließlich die Pastoraloper Orfeo zwischen 1614 und 1619 mehrmals in seiner ­Residenz spielen ließ, zum letzten Mal beim Besuch von Erzherzog Ferdinand, der kurz danach in Frankfurt zum Kaiser Ferdinand II. gekrönt wurde. Daß es sich dabei um die auch im Druck verbreitete Mantuaner Vertonung Monteverdis von 1607 gehandelt hat, ist nach den genannten Beziehungen sehr wahrscheinlich. Wir wissen außerdem von einer weiteren Oper Andromeda bzw. Perseo und einer Rappresentazione sacra mit Musik S. Cristina, die alle mehrmals in der Salzburger Residenz gespielt wurden. Unter den Musikern befand sich seit 1616 auch der ­Tenor Don Francesco Campagnolo aus Mantua, ein Schüler Monteverdis, der bei der 511 Vermittlung italienischer Musik nach | Norden eine Schlüsselposition einnahm, was sich noch weiterhin zeigen wird. Im Park seines Lustschlosses Hellbrunn hatte Marcus Sitticus das berühmte Steintheater errichten lassen, das er seinen fürstlichen Gästen gerne zeigte, doch nach der Chronik nur zweimal mit unbekannten Pastoralen bespielen ließ. Als der junge Großherzog der Toskana, Ferdinando II. de’ Medici, und sein Bruder Giovanni Carlo 1628 zuerst bei Erzherzog Leopold und seiner Gemahlin Claudia de’ ­Medici in Innsbruck, dann beim Kaiser in Prag und schließlich bei Marcus Sitticus’ Amtsnachfolger Paris Lodron in Salzburg zu Gast waren, bekamen sie am Inn zunächst nur ein Jesuitendrama 2 und an der Moldau Commedia dell’arte von Giovanni ­B attista Andreinis Truppe der Fedeli geboten, 3 im Steintheater von Hellbrunn aber die kleine, nur einstündige geistliche Oper La Maddalena Peccatrice mit Musik vom Kapellmeister Stefano Bernardi, die im September desselben Jahres im ­Rahmen der Domweihefeiern wiederholt wurde. Die Gattung geht eindeutig aus dem Bericht eines Reisebegleiters hervor, der schreibt: „fù recitata in lingua Italiana, e 1

Warren Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici. Firenze: Olschki S. 583. Rasi: Brief an A. Striggio jun., den Librettisten von L’Orfeo, 6. März 1613 in Mantova, Archivio di Stato, ­Archivio Gonzaga, 2728/23, PM 636: „[…] occorendomi al presente di mandare alcuni huomini pratichi di scena, e di machine allievi del nostro S.r Prefetto all’Ill.o Prencipe et Arcivescovo di Salspurgh […]“. – Viani war „prefetto delle fabbriche ducali“; vgl. Emilio Faccioli: Mantova. Le lettere. Bd. 2. Mantova 1962, S. 576, und Paolo Carpeggiani: „Studi su Gabriele Bartazzolo: I. Le feste fiorentine del 1608“. Civiltà mantovana 12 (1978), S. 42. In einem Brief an die Herzogin Eleonora von Mantua wird er „Sig.r Antonio Maria Viani Prefetto di V. A.“ genannt. 2 Walter Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt 1954, S. 224–225. 3 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing: Schneider 1985, S. 166.

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Die Aufnahme von italienischem Ballett und Oper cantata tutta in stile rappresentatiuo, come si costuma a Fiorenza, acciò tanto più loro A(ltezze) ne godessero“4. Kaiser Matthias hatte den Operntenor dieser Zeit, den genannten Francesco Rasi, schon 1612 in Prag gehört5 und war am Faschingssonntag 1617 mit seiner Frau Anna, Tochter einer mantuanischen Prinzessin, bei einem Besuch in Prag Zeuge – wenn auch nicht Veranstalter – des wohl ersten Musikdramas in habsburgischen Landen: eines von Herren des Hofadels getanzten Balletts mit einer dramatischen, szenischen und von Hofmusikern italienisch gesungenen und gespielten Ein­leitung. Wie es in dem gedruckten Libretto heißt, wollten einige Cavaliere des | Kaiserhofs 512 dem Kaiserpaar als unterhaltenden Zeitvertreib ein „balletto con invencione“ bieten, wie es an diesem Hof noch nicht gesehen worden war. Und tatsächlich zeigt die Beschreibung, daß sich der Adel dabei an den italienischen Intermedien und Balletten der Zeit um 1600 orientiert hatte und die moderne Bühnentechnik mit Flugmaschinen, plötzlichen Szenenwechseln und greller Beleuchtung ebenso einsetzte wie Sologesänge, Duett, Chöre und Instrumentalstücke; als Begleitung der wohl rezitativischen Soli werden Cembalo, Viola und Chitarrone genannt.6 Der Erzherzog und spätere Kaiser Ferdinand II., ein Cousin von Herzog ­Vincenzo Gonzaga, hatte gar schon 1598 in Florenz den durchkomponierten Giuoco della Cieca aus Giambattista Guarinis Pastorale Il Pastor fido gesehen; den Text hatte Laura Guidiccioni bearbeitet, die Musik – Gesang und Ballett mit Begleitung von Cembalo und Laute(n) – Emilio de’ Cavalieri verfaßt.7 Kurz zuvor, im Fasching 1598, war ja hier in privatem Rahmen Rinuccinis Dafne mit Musik von Jacopo Peri und Jacopo Corsi als wohl erste Oper gesungen worden. Der Kaiser heiratete 1622 die Prinzessin Eleonora Gonzaga aus der Opernmetropole Mantua; sie veranstaltete in ihrem Sommerpalais Favorita noch in diesem Jahr eine kleine „Invenzione in musica“ mit einem Ballett von acht ihrer Hofdamen, die wahrscheinlich nicht 4 Herbert Seifert: „Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen: Salzburg, Prag, Wien, Regensburg und Innsbruck“. In: „in Teutschland noch gantz ohnbekandt“, Monteverdi-Rezeption und frühes Musiktheater im deutschsprachigen Raum, hg. von Markus Engelhardt. Frankfurt am Main: Lang 1996, S. 32 [115]. 5 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), S. 9 [18]. 6 Vgl. Herbert Seifert: „Das erste Libretto des Kaiserhofs“. Studien zur Musikwissenschaft 46 (1998), S. 35–75 [339–377]. – Ders.: „Das erste Musikdrama des Kaiserhofs“. In: Österreichische Musik. ­M usik in Österreich. Beiträge zur Musikgeschichte Mitteleuropas, Theophil Antonicek zum 60. Geburtstag, hg. von Elisabeth Theresia Hilscher (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 34). Tutzing: Schneider 1998, S. 99–111 [325–338]. 7 Theophil Antonicek: „Italienische Musikerlebnisse Ferdinands II. 1598“. Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 104 (1967), S. 108–109. – Warren Kirken­ dale: „L’opera in musica prima del Peri: Le pastorali perdute di Laura Guidiccioni ed Emilio de’ Cavalieri“. In: Firenze e la Toscana dei Medici nell’Europa del ’500. Bd. 2. Firenze: Olschki 1983, S. 365–395.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa nur in dieser Bezeichnung, sondern auch im Charakter der Prager Darbietung von 1617 ähnelte. Die Kaiserin hatte das Ballett, bei dem die Buchstaben des Namens „Ferdinando“ dargestellt wurden, selbst entworfen und mit den Ausführenden eingeübt.8 Ein halbes Jahr später, am Faschingssonntag 1623, revanchierte sich der 513 Kaiser während eines Aufenthalts in Regensburg dafür bei seiner | Frau, indem er ebenfalls eine „inventione con un baletto“ veranstaltete. Dieser sehr allgemein gehaltene Terminus wurde nicht nur für das genannte Prager Musikdrama von 1617, sondern auch in den 1630er Jahren von Prospero Bonarelli für allegorischmythologische Opern mit abschließendem Ballett bzw. Turnier verwendet, die er für den Wiener Hof verfaßte. Gerade in diesen Jahren 1622–1623 befand sich der genannte Mantuaner Tenor Francesco Campagnolo am Kaiserhof.9 Zum Geburtstag Ferdinands II. 1625 wurde – wohl über Initiative Eleonoras – eine Aufführung von sechs Hofmusikern mit anschließendem Ballett, Vokal- und Instrumentalmusik des Adels gegeben, die in der Tradition der Komödien oder Madrigalzyklen mit Typen der Commedia dell’arte und infolgedessen diversi linguaggi steht, und diese Tradition ist vor allem eine musikalische. Am nächsten kommt der Beschreibung des Grafen Khevenhüller die Komödie La Ferinda des Schauspielerprinzipals Giovanni Battista Andreini, die dieser drei Jahre vorher als Opernlibretto hatte drucken lassen; es könnte sich um eine reduzierende Bearbeitung davon gehandelt haben.10 Als sich Kaiser Ferdinand II. zwei Jahre später zwecks Krönung der Kaiserin und des Kronprinzen Ferdinand zu Königin und König von Böhmen längere Zeit in Prag auf hielt, ließ Eleonora am 27. November 1627 das Pastorale in musica Calisto e Arcade singen, das zweifelsfrei eine Oper war. Das Libretto dazu hatte der mit ihr verwandte Don Cesare Gonzaga, Prinz von Guastalla, verfaßt, der auch in den folgenden Jahren als Operntextdichter für Wien nachweisbar ist. In den beiden Intermedien traten die vier Elemente und drei Zeiten des Tages auf. Vom selben Librettisten stammte die „Operetta recitata in musica“, die im Karneval 1629 in Wien gesungen wurde, die mit Balletten von 14 Amazonen versehen war. In der Folgezeit berichten die Quellen häufig über Ballette, die im Zusammenhang mit Dramen oder auch alleine getanzt wurden, 1631 zur Hochzeit des Thronfolgers Ferdinand III. wieder über eine Pastoraloper, La Caccia felice mit dem nach dem 514 Vorbild von Giambattista | Guarinis Il Pastor fido gestalteten Libretto von Herzog 8 Andrea Sommer-Mathis: Die Tänzer am Wiener Hofe im Spiegel der Obersthofmeisteramtsakten und Hofparteienprotokolle bis 1740 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Ergänzungsband 11). Wien: Österreichisches Staatsarchiv 1992, S. 8–9. 9 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 26. – Ders.: „Beiträge zur Früh­ge­ schichte der Monodie in Österreich“, S. 26–27 [35 f.]. 10 Vgl. Herbert Seifert: „Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: Die erste Oper in Wien?“ Studien zur Musikwissenschaft 42 (1993), S. 77–88 [379–390].

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Die Aufnahme von italienischem Ballett und Oper ­ esare Gonzaga. Der Librettodruck ist als erste Primärquelle von der W C ­ iener Oper erhalten; seit 1635 f ließen die Nachrichten und Quellen aus Wien reicher. Nach Salzburg, Prag und Wien gehen auch in Innsbruck italienische Reiseeindrücke der Fürsten der Einführung der Musikdramatik an diesem Habsburgerhof ­voraus. Erzherzog Leopold V. hatte 1618 in Florenz ein Pastoraldrama mit den von Domenico Belli durchkomponierten Intermedien L’Andromeda gesehen,11 ­einige Monate danach am Salzburger Hof die „Opera […] in Musica“ Il Perseo 12 über denselben Stoff und 1626 beim Herzog von Mantua ebenfalls eine Oper, L’Europa von Balduino di Monte Simoncelli.13 Kurz darauf, bei den Festen zu seiner Hochzeit mit Claudia de’ Medici im April 1626, gab es auch eine Ballettvorführung im Stil der Intermedien Italiens, wobei Schautänze von Geistern, Bergknappen, Fischern oder Araberinnen mit italienischen Einzelgesängen antiker Gottheiten abwechselten, die auf dem Berg saßen, aus dem die Tänzer hervorkamen. Die Geburt des Erbprinzen Ferdinand Karl zwei Jahre danach feierte man mit einer ganz ähnlichen Darbietung auf Schloß Ambras, nur war die Dekoration mit Meer, Erde und Himmel aufwendiger. Ein italienischer Zeuge bezeichnet die zweite Darbietung sogar als „Commedia“, die mit Chören, Sologesängen, Balletten und reichem Bühnengeschehen zwei Stunden dauerte. Auch hier wird man an das Genre des Balletts mit durchkomponierter musikdramatischer Einleitung nach Art der ­„ Balli“ Monteverdis denken können. Francesco Campagnolo (Mantua-SalzburgWien) hatte schließlich einige Jahre lang auch in Innsbruck Funktionen bei der Veranstaltung von musikalischen und dramatischen Aufführungen zu erfüllen, so 1629 bei der Vorbereitung einer „Comoedi“, die im Zusammenhang mit einem Ballett genannt wird – möglicherweise einer Oper.14 Er hätte auch die Beiträge des Erzherzogs Leopold V. zu den Wiener Feierlichkeiten anläßlich der Hochzeit des Königs Ferdinand III. von Ungarn mit der Infantin Maria von Spanien | im 515 Jahr 1631 arrangieren sollen, starb aber vorher.15 Als Ersatz kam aus Brüssel ein anderer Tenor, der auch ursprünglich in mantuanischen Diensten gestanden war, ­B ernardino ­Pasquino Grassi.16 Leopolds Sohn und Nachfolger Erzherzog Ferdinand Karl reiste mit der ihm angetrauten Anna de’ Medici und seinem Bruder Sigismund Franz 1652 an die Höfe von Mantua, Modena, Parma, Florenz und Ferrara und wurde dort selbstverständlich 11 Angelo Solerti: Musica, ballo e drammatica alla corte Medicea dal 1600 al 1637. Firenze: Bemporad 1905, S. 126 ff. 12 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“, Musicologica Austriaca 8 (1988), S. 15 [siehe S. 55]. 13 Faccioli: Mantova. Le lettere, Abb. 46. 14 Seifert: „Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen: Salzburg, Prag, Wien, Regensburg und Innsbruck“, S. 41–42 [123–124]. 15 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 228. 16 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 30–32 [38–40].

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa unter anderem mit Musikdramatik bewirtet, bei seiner Schwester in Mantua etwa mit einer später auch in Wien vertonten Theti. Bald nach der Heimkehr, am 18. Juni desselben Jahres, wurde eine Introduzione drammatica zu einem Turnier zu ­Ehren von Anna mit Musik des erzfürstlichen Organisten und Kaplans Antonio Maria Viviani und Text vom Hofprediger Diego da Lequile in Innsbruck aufgeführt; die Musiker waren auf zwei Triumphwägen platziert und stellten in alter Intermedientradition mythologische und allegorische Personen dar.17 Im ­Dezember 1652 stellt der Fürst Antonio Cesti als Kammerkapellmeister an, und bald darauf hören wir vom Neubau eines Theaterhauses nach venezianischem Muster in Innsbruck; in den folgenden Jahren wurden hier die Meisteropern Cestis aufgeführt: Cesare Amante di Cleopatra, L’Argia, L’Orontea, La Dori und La Magnanimtà d’Alessandro.18

17 Librettodruck in Ljubljana, Semeniška knjižnica. 18 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 228.

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EARLY REACTIONS TO THE NEW GENRE OPERA NORTH OF THE ALPS * It was a long way from the creation of opera in Florence around 1600 to the European predominance of this genre in the 18 th century. But already very soon after the first Italian trials, probably the first masterpiece of the new genre was taken over in the Roman empire, surprisingly of all places in one of the ecclesiastical domains, but at least near the northern parts of Italy. It was the archbishopric Salzburg, which at that time comprised parts of today’s Austria and Bavaria, where the prince-bishop Marcus Sitticus of Hohenems began to organize the first opera performances outside Italy, starting in February 1614, less than two years after his election as sovereign. He had been born in 1574 as son of Count Jacob Hannibal of Hohenems from the western part of the Habsburg empire and the Italian Countess Ortensia Borromeo, and had studied in Milan, Rome, Ingolstadt and Bologna.1 So he had been brought up with Italian culture, although his mother had died when he was only four years old. Marcus Sitticus was in contact with the Gonzaga family in Mantua, especially with Cardinal Ferdinando, since 1612 as duke sovereign of the duchy, and had been there as guest of Duke Vincenzo during Monteverdi’s Mantuan period. 2 The most famous tenor of the beginnings of opera, Francesco Rasi, who had sung not only Monteverdi’s Orfeo in 1607 in Mantua, but also important roles in all ­opera performances in 1600 and during the first decade of the 17 th century, 3 ­including Aminto in Peri’s L’Euridice and in Caccini’s Il Rapimento di | Cefalo in 106 Florence in 1600 probably the title role, Apollo in Marco da Gagliano’s Dafne and Apollo as well as Bacco 4 in Monteverdi’s Arianna in Mantua in 1608. Rasi, who was poet, composer and player of the chitarrone as well, visited the newly elected archbishop of Salzburg in December 1612 and dedicated to him an autograph copy with a selection of his sacred and secular monodic compositions with the title ­M usiche

* First printed in: “Lo stupor dell’invenzione”. Firenze e la nascita dell’opera. Atti del Convegno Inter­ nazionale di Studi, Firenze, 5–6 ottobre 2000, a cura di Piero Gargiulo (Quaderni della Rivista Italiana di Musicologia 36). Firenze: Olschki 2001, pp. 105–118. 1 E. Stahl: Marcus Sitticus. Leben und Spiele eines geistlichen Fürsten. Wien, München: Amalthea 1988, pp. 22–37. 2 H. Seifert: “Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich”. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), pp. 7–33 [17–42]. 3 W. Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici. Firenze: Olschki 1993, pp. 556–603. 4 Cfr. C. Annibaldi: “Uno ‘spettacolo veramente da principi’: committenza e recezione dell’opera aulica nel primo Seicento”. In: Gargiulo (ed.): “Lo stupor dell’invenzione”, p. 42.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa da camera e chiesa,5 certainly not without having given examples of his art of performance – we could well imagine that he chose for occasions like this the richly ornamented version of “Possente spirto” from Monteverdi’s Orfeo as perhaps the most impressive piece he had ever sung. Marcus Sitticus seems to have received from Rasi also a printed copy (Venice 1609) or at least reports about the Mantuan performance of this opera. In any case Rasi wrote three months afterwards to Alessandro Striggio, the librettist of this work, that he was supposed to send some stage experts from Mantua to the archbishop, pupils of the court architect Antonio Maria Viani, who had constructed the ducal court theatre in 1608 and designed the scenery for Monteverdi’s Arianna and probably also for Orfeo.6 One year after this letter, in February 1614, there was the first of several performances of the pastoral opera Orfeo at the court of Salzburg, by all probability with Monteverdi’s music.7 In 1616 another famous Italian opera tenor, Monteverdi’s pupil Francesco ­Campagnolo, changed from Mantua to the services of Marcus Sitticus, who had heard him singing in the ducal palace in Mantua during Vincenzo Gonzaga’s reign.8 He probably took part in the Salzburg opera performances as singer, but 107 also as a kind of director.9 Giovanni Battista Doni 10 later referred | to him as an excellent opera singer, plainly like born for that profession. Still another singer from Mantua had been at this court already since 1612, the bass Fra Fortunato da Mantova, and by 1614 there were enough Italian singers and instrumentalists for opera performances. So we find several connections between the court of Salzburg and the city which was the capital of Italian opera immediately after its beginnings in Florence, i. e. Mantua. In fact Salzburg was the metropolis of this genre during the second decade of the century, for we know of at least 13 performances of operas between 1614 and 1619: 5 Ed. in facsimile and transcription by Herbert Seifert in Denkmäler der Musik in Salzburg. vol. 7. Salzburg: Selke 1995, pp. 1–20. 6 Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, p. 583: Rasi to ­Striggio, March 6 th , 1613: “[…] occorendomi al presente di mandare alcuni huomini p­ ratichi di scena, e di machine allievi del nostro S.r Prefetto all’Ill.o Prencipe et Arcivescovo di ­Salspurgh” (I-MAa, Archivio Gonzaga, 2728/23, PM 636). Viani was “prefetto delle fabbriche d­ ucali”; cfr. E. Faccioli: Mantova. Le Lettere. Vol. 2. Mantova: Instituto Carlo d’Arco 1962, p. 576, and P. ­Carpeggiani: ­“ Studi su Gabriele Bartazzolo: I. Le feste fiorentine del 1608”. Civiltà mantovana 12 (1978), p. 42. In a letter to Duchess Eleonora of Mantua he is called “Sig.r Antonio Maria Viani Prefetto di V. A.” For his activity in Monteverdi’s operas cfr. P. Fabbri: Gusto scenico a Mantova nel tardo rinascimento. Padova: Liviana 1974, pp. 41 ff., 51 f., 54. 7 H. Seifert: “Vorwort”. In: Denkmäler der Musik in Salzburg, p. VIII [69–71]. 8 H. Seifert: “Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens”. Musicologica Austriaca 8 (1988), pp. 8–12 [cfr. S. 44–48]. 9 Seifert: “Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich”, pp. 14–28 [23–37]. 10 G. B. Doni: “Trattato della musica scenica”. Cap. XLVI in: Idem: De’ trattati di musica, a cura di A. F. Gori. Vol. II. Firenze: Stamperia imperiale 1763, p. 135.

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Early reactions to the new genre opera north of the Alps six of Orfeo and seven of Andromeda, played for the first time in December of 1616, when Campagnolo was already at the archbishop’s court. This time the occasion was the wedding of his nephew. Repetitions were staged during the two following carnival seasons, in August and October of 1617 on occasion of princely visits and, with the different title Il Perseo, in November 1618 for Archduke Leopold V, the ruler of Tyrol. Also Orfeo was repeated during the carnivals of 1616, 1617 and 1618 and for the last time in July 1619, when Archduke Ferdinand, the future emperor, visited Marcus Sitticus on his journey to his own coronation in Frankfurt. By the way: In the park of his summer palace Hellbrunn the bishop had erected the statues of Orpheus, Eurydice, Andromeda and Perseus, which still stand there. If we compare these 13 performances of two real operas with those at Italian courts, we find in Mantua four, in Rome two and in Florence none during the same second decade of the century.11 So if there was anything like an operatic institution at all at this early time, it had its place rather in Salzburg than anywhere else. As far as we know, moreover, Marcus Sitticus was the first prince in the Roman Empire and actually outside Italy who brought musical dramatic performances to his court, a few years before the emperors did – certainly due to his education in the South and to his personal predilections and connections, especially with the Gonzaga court in Mantua. Our source for this relatively detailed knowledge about the entertainments at the Salzburg court is the manuscript chronicle written by the court chronicler Johann Stainhauser, luckily preserved.12 Let us take a look at his wordings about the opera performances. About the first one, on February 10 th , 1614, he writes: […] ist zu Hof ein schönes Pastoral Orfeo genannt, gehalten worden, ­ elchem die Herrn Cauallieri vnd das adeliche Frauenzimmer beygewohnt w haben: ist Musicalisch agirt worden, lustig zu sehen vnd hören gewesen.13 Stainhauser is astonishingly exact in his genre description: it was a beautiful pas- 108 toral drama, musically performed on stage, and it was delighting to see and hear it. When he reports about the carnival performances two years later, it sounds like this: On February 3rd , 1616, “ist […] für die burgerschafft der Orpheus in ­Musica mit khünstlicher repraesentation und artlich Verkherdtem Theatro, zu Hof ganz statlich und ansehlich gehalten worden, und gar wol abgangen”, and five days ­later: “ist obbemelter schöner Orpheus in Musica abermals zu Hof in 11 Cfr. the articles dedicated to these cities in The New Grove Dictionary of Opera. London: Mac­m illan 1992. 12 Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (A-Whh), ms. R 35/2–6. 13 Ibidem, R 35/2, fol. 28r.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa g­ ewöhnlichem Theatro […] zierlich exhibirt worden”.14 Apparently Stainhauser reminds the r­eader of a play already known, writing “the Orpheus” and using both times the Italian term for through-composed drama, i. e. opera: “in Musica”. Moreover, he goes more into detail, describing the manner of performance as having been “with artful action and nicely changed scenery, very stately and considerable”; the second time the “beautiful Orpheus in Musica” was “performed gracefully”. The next repetition in January 1617 is reported with almost the same words, with the added mention of the stately costumes.15 The other opera had its premiere on December 1st, 1616: […] ist […] die schön newe vnd khünstliche Action, Andromeda genant, in Musica das erste mal exhibirt worden, so mit grossem lob und verwunderung der zuehörer, sonderlich d[er] frembden Herrn und Frauenzimmer, gar wol abgangen.16 This time the Duke of Teschen with his court visited the theatre, and for that 109 ­reason Stainhauser mentions not only the “beautiful new and artful dra|ma in ­Musica”, but equally the great praise and astonishment of the auditory, especially of the guests from the Northeast, who of course had never seen and heard such an entertainment before. Quite the reverse, the archbishop’s thrifty brother, Count Kaspar of Hohenems, who as father of the bridegroom had been a guest at these festivities, too, did not approve with this behaviour at all. In a letter to his son, who stayed with his uncle in Salzburg, he wrote: […] wie ich dann Gott danke, daß ich doch so weit von Salzburg, daß ich solche nit mehr hören muß, dann ich des Salzburgischen Prachts und Rauchs […] so voll, als wenn ichs mit Löffel gegessen hätte. […] v­ iele reden übel von dem großen Geld, so ungespart welschen Musicanten, C ­ omedianten, und dergleichen Leuten angehenkt wird, […] und daß eine fürstliche Person wider ihre Reputation selbst große Zeit mit Preparirung solcher Comedien unter diesem Gesindel zubringe.17 In order to justify his indignation, he quotes people’s gossip about the money given to Italian musicians and comedians and that a princely person spends a lot of time with the preparation of such plays with this rabble. 14 Ibidem, R 35/3, fol. 16 r, 17 r. 15 Ibidem, R 35/3, fol. 211r. 16 Ibidem, R 35/3, fol. 169 r. 17 L. Welti: Graf Kaspar von Hohenems. Innsbruck: Wagner 1963, p. 152.

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Early reactions to the new genre opera north of the Alps The repetition of Andromeda during the carnival of 1617 gets exactly the same genre designation, but the report also mentions the scenery and costumes: “mit herrlichem apparat, magnificenz und zierlichen khlaydern”.18 The court marshal Thomas Perger wrote to the bishop’s nephew, at that time exiled at his father’s court in Hohenems, about the performance of the opera Andromeda for the Duke of Bavaria in August 1617, that Miss Precht from Konstanz had shown herself in the title role “aus der Maßen wohl” (extremely well).19 On November 15th , 1618, there was a performance for Archduke Leopold: “ist die schöne und khunstreiche opera, Il Perseo genannt, in Musica statlich exhibirt und gehalten worden”20. Here | we have a very early, if not the earliest use of the term 110 “opera” with the specific meaning. This time Stainhauser again describes the way of performance unambiguously as “in Musica”. After Marcus Sitticus’ death in 1619 his successor Paris Lodron did not continue the series of operatic performances; we have reports about a single sacred opera in 1628, i. e. Stefano Bernardi’s La Maddalena Peccatrice in the famous stone theatre in the park of Hellbrunn palace near Salzburg, lasting for only an hour. For the first time it was performed in the presence of the young Grand Duke of Tuscany Francesco II de’ Medici and his brother Giovanni Carlo. It was described by an accompanying official from Florence like this: […] Fù recitata in lingua Italiana, et cantata tutta in stile rappresentativo, come si costuma a Fiorenza 21 acciò tanto più loro A[ltezze] ne godessero. 22 This clearly refers to a sacred opera of the kind which had been introduced to Florence shortly before, in 1624 and 1626, by Andrea Salvadori with La Regina Sant’Orsola and La Istoria di Iudith, both set to music by Marco da Gagliano and performed likewise on occasion of princely visits. 23 18 A-Whh, R 35/3, fol. 211r. 19 L. Welti: “Eine Brechtin aus Konstanz – die erste deutsche Opernsängerin in Salzburg”. Maske und Kothurn 7 (1961), pp. 358–360. 20 A-Whh, R 35/4, fol. 345r. 21 For other instances of the appearance of this phrase, see F. Piperno, “Spettacoli a Pesaro del 1621 per nozze Medici-Della Rovere: sulla autonimia progettuale di una corte periferica”. In: ­Gargiulo (ed.): “Lo stupor dell’invenzione”, pp. 88, 91. 22 I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 6379 (Geri Bocchineri, Report from June 17 th , 1628, from Innsbruck to Florence). 23 H. Seifert: “Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen: Salzburg, Prag, Wien, Regens­ burg und Innsbruck”. In: “in Teutschland noch gantz ohnbekandt”. Monteverdi-Rezeption und frühes Musiktheater im deutschsprachigen Raum, ed. by M. Engelhardt. Frankfurt am Main: Peter Lang 1996, pp. 32–33 [116]. On Salvadori’s texts for Gagliano’s other celebrated works – like Il Medoro (1623) and La Flora (1628) – cfr. P. Gargiulo: “‘E che ‘l cantar sia proprio alla scena’. Il teatro per musica di Andrea Salvadori (1613–1630)”. Studi Musicali 29 (2000), pp. 59–70.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa On the same day as one of the repetitions of Andromeda in Salzburg, on ­February 5th , 1617, in Prague several men of the court nobility presented to Emperor ­Matthias and his wife a kind of entertainment which in the printed description 24 was explicitly designated as new for the imperial court: Desiderando alcuni Cauag ri principali della Corte di sua M ta Ces a per servire, e dare alle M ta sua, & della Imperatrice un dilettoso passatempo, d’introdurre un balleto con inventione non più veduta in questa Corte […] (p. 36) 111

And further on we learn something about the stage machine and the music: […] al destinato luogo, di doue Mercurio quasi volando doveva scendersene, egli così velocemente ch’ à pena l’occhio potette accorgersene, se ne arrivò per l’aria, e si posò sopra il picciol palchetto, e rimirato che hebbe attorno attorno il Teatro, diede principio à cantare i seguenti versi al suono di un Clavicembalo, d’una viola, e d’un Chitarrone, che accompagnavano la sua voce, & erano sonati di dentro della scena senza potersi vedere da chi. (p. 38) Here we have one of the numerous astonished reactions about great speed on stage. Just a few more fragments from the description of this musical drama can give us an impression of the effect of its novelty on the audience: […] si sentì in un subito una suavissima armonia di diversi instromenti musicali, e nell’istesso tempo per diletto de gli orecchi, & de gli occhi de gli spettatori si vidde dalla sommità della gran nuvola spiccare una p­ icciola nuvoleta, sopra la quale era Mercurio non men ricco, che vagamente ­vestito […] si sgombrò la nuvola, e lassiando scoperta la Scena lucidissima à ­m araviglia per la gran quantità di lumi, che in diverse parti di essa erano cosi maestrovolmente posti, che dallo splendore in fuora non era poßibile a vedersi da circostanti. Apparvero i campi Elisij con tutti quei ornamenti, e vaghezze, che dai piu famosi Poeti sono stati descritti […] Erano i sudetti Personaggi […] vestiti oltre ogni credenza con ricchi, e pomposi habiti, li 24 Breue relatione del balletto fatto auanti le M.M ta dell’Imperatore, & Imperatrice a di. 5. di Febr: 1617, ed. in H. Seifert: “Das erste Libretto des Kaiserhofs”. Studien zur Musikwisssenschaft 46 (1998), pp. 35–75 [339–377]. Cfr. H. Seifert: “Das erste Musikdrama des Kaiserhofs”. In: Österreichische Musik. Musik in Österreich. Beiträge zur Musikgeschichte Mitteleuropas, Theophil Antonicek zum 60. Geburtstag, ed. by E. Th. Hilscher (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 34). Tutzing: Schneider 1998, pp. 99–111 [325–338].

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Early reactions to the new genre opera north of the Alps quali per la novità, & arte con la quale erano fatti non si potevano satiare gl’occhi de spettatori di rimirare. […] Mà tutte le diuersità de gli habiti corrispondevano a parte, per parte al commun concerto dell’inventione, si che tutti unitamente con la vaghezza, e con lò splendore delle vesti, e gioie facevano di se una maravigliosa, e dilettevolissima vista. (pp. 38, 42) […] gli Eroi fecero leggiadrissimamente il destinato balletto, il quale per la novità, per l’ordine, per la ricchezza, e vaghezza de gli habiti, & per ogn’altra circonstanza, che si lascia imaginare a’ chi leggera la presente scrittura, riusci di compita sodisfattione, & gusto incredibile non solo delle M.ta loro, mà di tutti i circonstanti. (p. 54) […] al tutto si pose fine ritornandosene ciascuno non men pieno di ­dolcezza, che di maraviglia. (p. 72) This entertainment was not an opera proper, but the introduction to a ballet, ­a lthough all set to music, with vocal solos, ensembles, choruses and instrumental music, like e. g. Monteverdi’s Ballo delle Ingrate from 1608 or several stage works, performed in this same second decade in Florence. 25 It is of | special importance by 112 the facts that it seems to be the first Italian music drama and ballet in the Habsburg domain and that the libretto is the first one we know from outside Italy, containing for this part of Europe the first depiction of a baroque stage – with cloud machines, wings and several f lying machines. A real pastoral opera at the imperial court took place again in Prague ten years later, on November 27 th , 1627, on occasion of royal Bohemian coronations, n­ amely La Transformatione di Calisto, with libretto by Don Cesare Gonzaga, prince of Guastalla. This time the official reports are corroborated and supplemented by letters written by members of the imperial family and by ambassadors and by a servant’s diary. In the printed official report we read: Zu abent vmb fünff vhr / ist in dem Königlichen Großen Hoffsaal eine schöne Pastoral Comaedia / mit sehr lieblichen hellklingenden stimmen / vnd alles singend / neben eingeschlagenen Instrumenten und anmutigen seitenspielen / nach dem ordentlichen Musicaltactt in Welscher sprach gehalten und agirt worden. […] Die Actores sindt Mann: und Weibs personen gewesen. 26 25 D. Arnold: “Intermedio, ballet and opera in the œuvre of Monteverdi”. In La musique e le rite sacré et profane. Actes du XIII a Congrès des la Societè Internationale de Musicologie. Strasbourg 1982. Vol. 1. Strasbourg: Association des publications près les Universités de Strasbourg 1986, p. 367. 26 Königlicher Böhmischer Crönungen Ritterfest und Herrliche Freudenspiel. Prag 1627.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa The emperor’s daughters wrote to their younger brother in Vienna: “[…] werden die musici ein gesungene comedia halten […] comedia in musica […]” and “[…] wird widerumb ein comedi werden von den musici”. Empress Eleonora announced to her brother, Duke Vincenzo II Gonzaga of Mantua: “[…] io […] farò q.a sera recitare in Musica la fauola di Calisto, et Arcade, applicata beniss. a al bisogno”. After the event, a Viennese newspaper wrote: “Es hat […] die Kays[erliche] Musica am grossen Saal ein sehr zierliche Comaedi de Amore gehalten”; the nuncio reported to Rome: “Sua M.ta dell’Imp. ce fece recitare in musica con intermedi apparenti una bellissima comedia in[ti]tulata la transformat.ne di Calisto opera noua del sig.r D. Cesare Gonzaga Principe di Guastalla”27 and the ambassador Pietro Vico to 113 the Doge in Venice: “[…] | l’Imperatrice fece recitare una bellissima commedia in musica […]”. The newly crowned king of Bohemia, Ferdinand III, wrote in a Latin letter to his brother: “[…] habuimus comoediam cantatam quae plane bene successit et fuit pulchra materia (de Arcade filio Jouis ex Calisto) ex Metamorphosis Ovidij deprompta fuit. Intermedia fuerunt duo; primum 4 elementa; secundum vero, Nox aurora, atq[ue] dies”. One who could not hear and see the performance himself was the servant of a doctor from Breslau, Zacharias Allert, but his master told him what he wrote into his diary: […] wäre gewiss sehr schön und lustig zu sehen und hören gewesen. Wäre der ganzen Comoedia Inhalt, dass über dem neugekrönten König sich alle 4 Elemente, als Feuer, Luft, Wasser und Erde zu erfreuen hätten. Erstlich w ­ ären auf dem Theatro, so auf dem grossen Schlosssaal aufgerichtet, aus dem wie ein Wald gemachten Busche Pastores oder Hirten in silber­ stückene lange Röcke gekleidet mit Stäben in Händen hervor kommen, mit einander discurrirt, sich herzlich erfreut, bald hinter die Büsche, bald wieder hervor gegeben, und diese hätten daß Element die Erde, vors Andere das Wasser mit also gemalten Rollen oder Walzen natürlich, als wenn grosse Wellen aufrauschten, wie auch den Gott Neptun, fürs Dritte das Element das Feuer auch recht natürlich, endlich die Luft mit Pfeifenwerk, als wann die Vögel singen, sammt der Nacht mit Monden, Sternen und anderen Sachen gar artig und schön repraesentirt. Diese PastoraCommoedia wäre, mit sehr lieblichen hellklingenden Stimmen und alles singend neben eingeschlagenen Instrumenten und anmuthigen Saitenspielen nach dem 27 Nuncio Carlo Caraffa to Francesco Barberini in Rome, Dec. 1st , 1627 (I-Rvat, Fondo Barberini, Barb. Lat. 6944, fol. 15v ), quoted by O. G. Schindler: “‘Die Wälischen Comedianten sein ja guet…’. Die ­Anfänge des italienischen Theaters am Habsburgerhof ”. In: Slavnosti a zábavy na dvorech a v rezidencˇních meˇstech raného novoveˇku, ed. by Václav Bu˚žek and Pavel Král (Opera historica 8). Cˇeské Budeˇ jovice 2000, pp. 107–136: 134.

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Early reactions to the new genre opera north of the Alps ordentlichen Musikaltakt von den gesammten kaiserlichen Musikanten in wälscher Sprach gehalten und agirt worden, dass es überaus anmuthig und lustig zu hören gewesen wäre. 28 Apparently he had also read the official report quoted before, because in the diary 114 he uses partly the same wording, and the description of his master is restricted to the settings of the first intermedio and part of the second one. Back in the imperial residence Vienna, more than a year later, in the carnival of 1629, the Tuscan resident Monsignore Niccolò Sacchetti wrote in one of his reports to Florence: La sera poi fù recitata in musica un operetta molto gratiosa composta da Don Cesare la quale fù intersiata da diuersi Balletti ballati de’ quattordici Amarzoni [sic] vestiti bizzarramente. And two years afterwards, on occasion of the wedding of the future emperor Ferdinand III, La Caccia felice was performed in Vienna, the first opera at the imperial court from which at least a libretto is preserved. An anonymous manuscript report in Florence 29 reads like this: […] loro M.ta […] per andar doppo à Lantaus à sentir cantar la Comedia composta dal Duca di Guastalla, la quale si manda quì inclusa, acciò ­meglio possin gustare l’inuentione di essa, et la bellezza delle parole. ­Riuscì ueram. e , et per gl’abiti, et per la qualità de Musici molto bene, et se il luogo non fosse stato si angusto, et la scena più illuminata nel suo grado non ci era, che desiderare. Piaccque nondimeno à Loro M.ta , et Don Cesare ne fú lodato. Ambassador Sebastiano Venier however wrote to the Doge in Venice: Sono terminate le solennità di queste nozze con essersi […] recitata una pastorale in musica composta dal Duca di Guastalla che con diversi mezzi si va sempre più intimando nella gratia di queste Maestà a pregiuditio della misera Italia. 30 28 Zacharias Allerts Tagebuch aus dem Jahre 1627, ed. by J. Krebs. Breslau: Aderholz 1887, pp. 106–107. 29 I-Fas, Archivio Mediceo del Principato 4385, “Relatione delle Feste fatte in Vienna […] per ­honorar le Nozze del Re et Regina d’Ungheria” (1631). 30 From here on the quotations are taken from H. Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing: Schneider 1985, under the respective dates, unless otherwise stated.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa With this rather rare example for the fact that an early opera is evaluated politically, the Venetian probably alludes to the role which Don Cesare played as a motor of the Mantuan War of Succession in general 31 and especially to the cruel Sacco di Mantova by the imperial troops in the year before. About the “tragicommedia” Il Sidonio, words by Urbano Giorgi and music by the tenor of the imperial court chapel Lodovico Bartolaia, Monsignore Sacchetti w ­ rote in July 1633 to the Grand Duke in Florence: Domenica per il giorno natalizio dell’Imp.re, l’Imp.ce nel salone di Corte fece rappresentare in musica una Tragedia, la quale riuscì assai ricca d’Habiti, et piena di belle Azzioni, essendo in fine stata chiusa la festa con un’ bel’ balletto.

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On the same occasion in the following year, La Gara musicale was performed, and Giovanni Battista Tartaglini announced to Florence: “Domani l’Imp.ce per solennizzare il giorno natale dell’Imp.re, nella sua sala grande farà recitare una belliss.a Commedia tutta in musica”. In September 1635 Mario Filonardi, archbishop of Avignon and afterwards nuncio in Poland, wrote to Cardinal Francesco Barberini about a pastoral opera played on the empress’s birthday: Fù la Comedia recitata: Tutta fù in Musica con habiti ricchi, e mutati più volte, et Intermedij […]: finita che fù, l’Imp.re […] mi domandò quel che me n’era parso, e che non arriuaua à quelle che si fanno in Italia, e massime alle solite farsi da V. E. Io sapendo d’Incontrar il suo gusto, lodai la musica, la lotta, e la varietà, e vaghezza dell’habiti: mà in eff[ett]o dop’hauer visto la recitata costì il Carnevale pass[at]o à me non resta di veder’ altro, ne penso poter veder l’istesso non che dauantaggio. 32 More than 16 years later – since from the 1640s we have several librettos, but no ­significant reactions –, in January 1652, there was the performance of another o­ pera with the title La Gara in Vienna, ref lected by the newspaper Relatio ­h istorica 33 in Frankfurt like this:

31 Schindler: “Die Wälischen Comedianten sein ja guet…”, p. 136, note 16. 32 Letter dated Sept. 29 th , 1635, in I-Rvat, Fondo Barberini, Barb. Lat. 6569, fol. 16 v, very kindly copied for me by Dr. Andrea Sommer-Mathis. 33 1651/1652, Frankfurt am Main 1652, p. 64; with very similar words also in Theatrum Europaeum. Bd. 7. Frankfurt am Main 1670, p. 174.

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Early reactions to the new genre opera north of the Alps Ein uberaus schöner Thurnier wurde […] gehalten / darbey […] eine solche liebliche und schöne Music gewesen / dergleichen lange Zeit nicht gehöret / zu welchem Ende auß underschiedenen Orten in Italien die vornehmste Musicanten zur Stelle gebracht worden: und allein 50000. Gülden gekostet. A report to Modena reads: “[…] fece presentar un’altra uolta la Comedia et il ­Torneo, mai più vista in Allemagna una simile tanto di spesa come di vaghezza.” An anonymous writer noted in a manuscript preserved in the Austrian m ­ onastery Seitenstetten especially the scenery and machines: “[…] erat | videre theatrum 116 ­a rtificiosissimis perspectivis […] Volatusq[ue] p[er]sonar[um] iam è coelo in t­ erram iam è terrá in coelum evolentium videre erat.” During the same carnival the court society could watch the ballet introduction Dafne in Alloro with libretto by the imperial lutenist Benedetto Ferrari; in the news collection Theatrum Europaeum 34 it is described thus: ließ die Kayserin Ihrer Kayserl[ichen] May[estät] aus dem dritten Buch der Verwandlungen Ovidij, den Actum, wie Daphne zum Lorbeerbaum worden / durch die Kayserlichen Musicanten gar stattlich und artig vorstellen: Da dann unter andern gar schön zu sehen gewesen / wie Mercurius, bald hie bald dort / in der Lufft so eilends fortgefahren / und das Theatrum durchf logen / als wenn es ein Blitz gewesen wäre: Wie dann auch / nachdem die Daphne in den Baum verwandelt worden / 12. der Kayserin Hof = Damen / ein jedere auß einem Baum / und also gleichsam auß der Erden hervor gekrochen kommen. Numerous echoes were provoked by Antonio Bertali’s and Benedetto Ferrari’s opera L’Inganno d’Amore, which the emperor had performed during the Reichstag in Regensburg in 1653, where the electors and princes from the whole Empire had gathered. The collection of remarkable events in Europe Theatrum ­E uropaeum 35 ­g ives an extensive account of it, first describing the newly built theatre, c­ ontinuing thus: Die Comaedianten / so mit güldenen / silbern und seydenen Stücken / von allerley schönen Farben / auf alte Heydnische Weise gekleidet waren / verrichteten ihre Actiones musicaliter, in Italiänischer Sprach / mit schönen Balletten und Auffzügen. Das Theatrum veränderte sich wol auf achterley Manier / ohne Vorziehung eines einigen Vorhangs. 34 Ibidem (1670), p. 175. 35 Ibidem (1670), p. 343.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Then the different settings are described, with special attention to the stage machinery. The report closes: Viel führnehme Herren / Spectatores und Gesandte affirmirten für gewiß / daß Sie dergleichen in Franckreich / Welsch = und Teutschland nie gesehen. Die Unkosten / so Ihre Keyserl[iche] Majest[ät] auf gewandt / sollen sich über zwanzigtausend Gülden erstrecken.

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and the similar periodical Relatio historica 36 summarizes in a much shorter way: “dergleichen in hundert Jahren nicht gesehen worden”. Because of the characteristic report by a real foreign eyewitness, we should finally turn our attention to one of the early opera performances at the Habsburg court in Innsbruck. The Tuscan resident Abate Felice Marchetti helps us to identify the opera which was presented on January 4 th , 1654 as Antonio Cesti’s Cesare Amante di Cleopatra, two years after its premiere in Venice. Marchetti wrote to Florence a week before: “per vedere un’opera in cui dicano si spenda 100. m[il]a talleri” and two days after the performance: […] l’opera riescì veram[en]te bellissima, massima p[er] quello che tocca alle scene, et à gl’habiti vaghe l’une, e ricchi gl’altri à gran segno. Li Musici si disportarono assai bene, mà il soggetto, et il componimento poteva essere assai migliore. This was not the most original report we have, mentioned before; in fact I mean the one by the anti-catholic anglican clergyman Dr. John Bargrave, who visited a performance of Cesti’s opera L’Argia, staged in Innsbruck in 1655 in honour of the resigned Swedish queen Kristina. He wrote about it: That night she was entertayned with a most excellent opera, all in musick, and in Italian, the actors of that play being all of that nation, and, as some of themselves told me, they were 7 castrati or eunuchs; the rest were whoores, monks, fryers, and priests. I am sure it lasted about 6 or 7 hours, with most strangely excellent scenes and ravishing musick. 37 So this witness from a thoroughly different cultural and religious environment was full of admiration for the scenery and the music of this entertainment otherwise quite strange to him. 36 Relatio historica (1652), p. 59. 37 J. Bargrave: Pope Alexander the Seventh and the College of Cardinals, ed. by J. Craigie Robertson [London] 1847, p. 70.

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Early reactions to the new genre opera north of the Alps Altogether there was not as much astonishment in the reactions to the new genre 118 opera as could be expected. It concerned not as much the fact that a drama was sung throughout as the possibilities of the stage machines for sudden f lights and changes of scenery. There is one conspicuous phenomenon in the reports, however, we should be aware of. It is the clear distinction in all the sources between music dramas and other dramatic forms. So the persons reporting were aware of the difference between a spoken play, which usually was ornamented by music numbers, and a drama all in music, i. e. without any spoken parts, and their terminology is unexpectedly consistent for the 17 th century: “in musica”, “tutta in musica”, “cantar la comedia”, “recitare in musica”, “rappresentare in musica”, “cantata tutta in stile rappresentativo”, “musicalisch agirt”, “alles singend agirt”, “ein gesungene comedia”, “Opera in musica”, “comoedia cantata” and “an opera, all in musick” are the expressions used for the new genre in Italian, German, Latin and English. 38

38 For a typical outline of new genre’s terms and expressions cfr. P. Gargiulo: “Per la ­terminologia del teatro d’opera secentesco: fonti teoriche e drammaturgiche”. In: Le parole della musica. I. Studi sulla lingua della letteratura musicale in onore di Gianfranco Folena, ed. by F. Nicolodi and P. Trovato. Firenze: Olschki 1994, pp. 31–44: passim.

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Gattungsbezeichnungen früher Musikdramen in Österreich * Otto G. Schindler hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den Anfängen der Oper in Österreich beschäftigt. Da wir uns hier auf einem Boden befinden, aus dem die Quellen nicht gerade hervorsprudeln, ist es bei deren Deutung wichtig, den Sprachgebrauch der Zeit zu kennen und vor allem zu wissen, wie denn diese neue italienische Gattung bezeichnet wurde. Der folgende Überblick verfolgt den Zweck, die Terminologie der Quellen im Original wiederzugeben und zu untersuchen, ob sich aus dieser Rückschlüsse auf den Charakter der beschriebenen Werke ziehen lassen. Es hat nicht lange gedauert, bis die neuen musikdramatischen höfischen Unterhaltungen aus Italien, wo sie kurz vor 1600 begonnen hatten, ihren Weg nach dem Norden gefunden haben. Schon im Fasching 1614 begann im Fürsterzbistum Salzburg eine Serie von Opernaufführungen, die nach heutigem Wissen die ersten außerhalb Italiens waren, veranstaltet von dem im Süden aufgewachsenen Halb­ italiener Marcus Sitticus von Hohenems. Die Quellenlage zu ihnen, die bis zum Tod des Fürsten fortgesetzt wurden, ist insofern günstig, als wir in der von Johann Stainhauser verfaßten Chronik1 nicht nur für diese Zeit erstaunlich exakte und konsequente Gattungsbezeichnungen finden, sondern sogar die Titel. Über die erste Aufführung einer Oper in Salzburg schreibt er: „[…] ist zu Hof ein schönes P a s t o r a l Orfeo genannt, gehalten worden, welchem die Herrn ­Cauallieri vnd das adeliche Frauenzimmer beygewohnt haben: ist M u s i c a l i s c h a g i r t worden, lustig zu sehen vnd hören gewesen.“2 Daß dieses Pastorale also „musicalisch agirt“ wurde, weist sie erst als Oper aus. Zwei Jahre danach wurde sie wiederholt: Am 3. Februar 1616 „ist […] für die burgerschafft der Orpheus i n M u s i c a mit khünstlicher repraesentation vnd artlich Verkherdtem Theatro, zu Hof ganz statlich vnd ansehlich gehalten worden, vnd gar wol abgangen“, und fünf Tage später „ist obbemelter schöner Orpheus i n M u s i c a abermals zu Hof in gewöhnlichem Theatro […] zierlich exhibirt worden.“3 Offenbar bezieht sich Stainhauser auf ein schon bekanntes Stück, indem er „der Orpheus“ schreibt. Hier benützt er sogar die in Italien für Opern gängige Denotation „in Musica“. Die Wiederaufnahme im Jänner 1617 beschreibt er mit fast denselben Worten.4 * Zuerst erschienen in: Theater am Hof und für das Volk. Beiträge zur vergleichenden Theater- und Kulturgeschichte. Festschrift für Otto G. Schindler zum 60. Geburtstag, hg. von Brigitte Marschall (Maske und Kothurn 48). Wien 2002, S. 167–177. 1 Johann Stainhauser: Relationen. Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (A-Whh), Ms. R 35/2–6. 2 Ebenda, R 35/2, fol. 28 r . 3 Ebenda, R 35/3, fol. 16 r, 17 r . 4 Ebenda, R 35/3, fol. 211r .

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Eine andere Oper hatte ihre Premiere in Salzburg am 1. Dezember 1616: „[…] ist […] die schön newe vnd khünstliche A c t i o n, Andromeda genant, i n M u s i c a das erste mal exhibirt worden, so mit großem lob vnd verwunderung der zuehörer, sonderlich d[er] frembden Herrn vnd Frauenzimmer, gar wol abgangen.“5 Hier ist die Gattungsbezeichnung also etwas abweichend „Action in Musica“, aber doch wieder eindeutig für eine Oper. Die genannten Fremden waren der Herzog von Teschen mit seinem Hof. Lob und Verwunderung waren allerdings nicht einhellig, wie wir aus einem Brief des geizigen Bruders von Marcus Sitticus, Graf Kaspar von Hohenems, an seinen Sohn Jacob Hannibal erfahren: „[…] wie ich dann Gott danke, daß ich doch so weit von Salzburg, daß ich solche nit mehr hören muß, dann ich des Salzburgischen Prachts und Rauchs […] so voll, als wenn ichs mit Löffel gegessen hätte. […] viele reden übel von dem großen Geld, so ungespart welschen Musicanten, Comedianten, und dergleichen Leuten angehenkt wird, […] und daß eine fürstliche Person wider ihre Reputation selbst große Zeit mit Preparirung solcher C o m e d i e n unter diesem Gesindel zubringe.“6 Er verwendet also die damals allgemein übliche Bezeichnung für Dramen aller Art (Comoedia, Comedia, Comedie). Als Andromeda im Fasching 1617 wieder aufgeführt wurde, griff Stainhauser zur selben Gattungsbezeichnung wie oben.7 Am 15. November 1618 gab es eine ­weitere Wiederholung für den zu Besuch weilenden Erzherzog Leopold: „[…] ist die ­schöne und khunstreiche o p e r a, Il Perseo genannt, i n M u s i c a statlich exhibirt und gehalten worden.“ 8 Damit haben wir einen sehr frühen, wenn nicht den ersten Gebrauch des Terminus „opera“ in der uns geläufigen spezifischen Bedeutung vor uns. Auch diesmal wird die Aufführungsart eindeutig als „in Musica“ ­u mschrieben. Am selben Abend wie die Salzburger Andromeda im Jahr 1617, am 5. Februar, führten einige Herren des Hofadels in Prag vor Kaiser Matthias und seiner Frau Anna eine neuartige Unterhaltung auf, die in der gedruckten Beschreibung samt Textbuch9 zunächst als „balletto“ bezeichnet, aber dann noch genauer umrissen wird: „Desiderando alcuni Cauagri principali della Corte di sua M ta Ces a per seruire, e dare alle M ta sua, & della Imperatrice un dilettoso passatempo, d’introdurre un 5 Ebenda, R 35/3, fol. 169 r . 6 Ludwig Welti: Graf Kaspar von Hohenems. Innsbruck 1963, S. 152. 7 Stainhauser: Relationen, R 35/3, fol. 211r . 8 Ebenda, R 35/4, fol. 345r . 9 Breue relatione del balletto fatto auanti le M.Mta dell’Imperatore, & Imperatrice a di. 5. di Febr: 1617, hg. in: Herbert Seifert: „Das erste Libretto des Kaiserhofs“. Studien zur Musikwissenschaft 46 (1998), S. 35–75 [339–377]. Vgl. ders.: „Das erste Musikdrama des Kaiserhofs“. In: ­Ö sterreichische Musik – Musik in Österreich. Beiträge zur Musikgeschichte Mitteleuropas, Theophil Antonicek zum 60. ­G eburtstag, hg. von Elisabeth Theresia Hilscher (Wiener Veröffentlichungen zur Musik­ wissenschaft 34). Tutzing 1998, S. 99–111 [325–338].

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Gattungsbezeichnungen früher Musikdramen in Österreich balleto con i n u e n t i o n e non più ueduta in questa Corte […]“. Auf das Ballett kann sich die Kennzeichnung „an diesem Hof noch nicht gesehen“ nicht beziehen, nicht nur wegen der grammatikalischen Übereinstimmung mit ­„inuentione“, denn schon am 2. | März 1615 hatten je neun adelige Herren und Damen in Wien 169 das ­B alletto detto L’Ardito gracioso aufgeführt;10 zwei dieser ­Cavaliere tanzten dann auch zwei Jahre danach in Prag mit. So war also die Neuerung eindeutig die mit dem Ballett verbundene invenzione, eine Bezeichnung, der wir mehrfach w ­ iederbegegnen werden. Auch die beigebundene handschriftliche ­deutsche ­Übersetzung ist hier klar: „[…] ein Ballet, […] vnd an disem Hofe zuvor ­n iehmahls gesehener ­I n v e n t i o n […]“. Diese stellte eine dramatische Handlung vor, die von m ­ ythologischen P ­ ersonen, Dichtern der Antike und der Allegorie der Ehre der Casa d’Austria durchgehend gesungen wurde, mit Instrumentalstücken versehen war und auch Ensembles und Chöre enthielt – also eindeutig ein Musik­ drama darstellte, wenn auch als Umrahmung eines von Cavalieren in Kostümen von ­Herrschern und Herrscherinnen getanzten Balletts und von ausschließlich huldigendem Charakter, daher nicht eindeutig als Oper zu klassifizieren. Der Hinweis auf die Neuartigkeit läßt den Schluß zu, daß es sich nicht nur um das erste bekannte und als Text erhaltene, sondern überhaupt um das erste Musikdrama am Kaiserhof handelte. Die Entdeckung der nächsten Nachricht über ein solches verdanken wir Otto G. Schindler.11 Als Teil der Feierlichkeiten zur Krönung der neuen Kaiserin ­Eleonora Gonzaga zur Königin von Ungarn in Ödenburg im Juli 1622 sollte dort ein Werk aufgeführt werden, das der Chronist, der kaiserliche Kaplan Sebastiano Forteguerra,12 als „una C o m m e d i a, che doueua rappresentarsi i n m u s i c a“ bezeichnet und über das er nicht mehr berichtet, da die Aufführung um einen Tag verschoben wurde und er seinen Bericht schon vorher abschloß. Schon Schindler13 meint, daß für dieses Drama „die Gattungsbezeichnung ‚Oper‘ noch am ehesten angebracht“ sei, was aufgrund der vergleichenden Untersuchung früher Bezeichnungen von Opern durchaus bestätigt werden kann, so daß sich dieser Bericht wohl 10 Die Musik der Intrada und der ihr folgenden zwei Tänze sowie die Liste der Tänzer hat der Komponist und Hoflautenist publiziert: Pietro Paolo Melli: Intavolatura di liuto attiorbato. Bd. IV. Venezia 1616, S. 29–38. 11 Otto G. Schindler: „Von Mantua nach Ödenburg. Die ungarische Krönung Eleonoras I. Gonzaga (1622) und die erste Oper am Kaiserhof. Ein unbekannter Bericht aus der Széchényi-National­ bibliothek“. biblos 46/2 (1997), S. 259–293, hier S. 284 f. – Ders.: „L’incoronazione ungherese di Eleonora I Gonzaga (1622) e gli inizi del teatro musicale alla corte degli Asburgo“. Quaderni di Palazzo Te N. S. 5 (1999), S. 70–93, hier S. 78 f. 12 Sebastiano Forteguerra: Ragguaglio della Felicissima Coronatione della Augustissima Imperatrice Eleonora in Regina d’Vngheria, seguita in Edemburgh alli 26. di Luglio 1622. Wien 1622, zitiert bei Schindler: „Von Mantua nach Ödenburg. Die ungarische Krönung Eleonoras I. Gonzaga (1622) und die erste Oper am Kaiserhof “, S. 284. 13 Ebenda, S. 285.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa auf die erste Oper am Kaiserhof bezieht, deren Aufführung am 27. Juli 1622 allerdings nicht gesichert ist und über die auch keine weiteren Details überliefert sind. Immerhin möglich wäre es, daß diese „Commedia rappresentata in musica“ etwa der komische Rezitativdialog zwischen Satiro und Corisca aus Giovanni B ­ attista Guarinis Pastorale Il Pastor fido mit einem abschließenden Chor war, die der kaiserliche Hoforganist Giovanni Valentini komponiert und nur fünf Monate davor 170 als Teil seiner | Musiche a doi voci in Venedig mit einer Widmung an den Bruder der Kaiserin, den Herzog Ferdinando von Mantua, veröffentlich hatte.14 In diesem Fall konnte die Rolle, die der in Ödenburg anwesende Tenor und Monteverdi-Schüler Francesco Campagnolo spielte, allerdings keine vokale sein – der Dialog verlangt nach Sopran und Baß –, sondern die eines Beraters und Regisseurs, die er auch vorher in Salzburg und danach in Innsbruck einnahm. Wieder nach Wien zurückgekehrt, schrieb die Kaiserin Eleonora am 20. August 1622 an ihren Bruder nach Mantua, daß ihr Mann mit seinen Kindern in drei Tagen zum Abendessen in ihre Sommerresidenz Favorita15 kommen werde und sie ihnen danach „una piccola i n u e n c i o n e i n M u s i c h a con un baletto che faranno le mie Dame“ vorführen lassen werde. Die Formulierung unterscheidet deutlich zwischen der invenzione, die die Kaiserin in Auftrag gegeben hatte („faccio fare“), und dem Ballett, das ihre Damen tanzen sollten. Ein Bericht vom 24. August nennt dann auch für den 22. „un balletto d’otto Dame […] nel quale formarono tutte le lettere del nome Ferdinando, che […] riuscì bene, mercè la diligenza, ch’essa Maestà ne hà usato attorno, essendone stata e l’Inuentrice e la Maestra.“16 So hatte ­Eleonora also das Ballett entworfen und einstudiert. Die invenzione in musica w ­ urde sicherlich von den Hofmusikern ausgeführt, ganz wie bei dem oben genannten Prager ­b alletto con invenzione von 1617, und dieses war ein kleines Musikdrama. Ein halbes Jahr danach schreibt die Kaiserin aus Regensburg an ihren Bruder, daß am 26. Februar 1623 nach dem Abendessen „u n i n u e n t i o n e con un baletto che S. M.ta mio Sig.re n’ordino che faccia fare“ dargeboten worden sei.17 Auch hier kann man aus der Reihung der Begriffe invenzione und balletto sowie dem Ver14 Giovanni Valentini: Musiche a doi voci. Venezia 1622. Neudruck des Dialogs in: Frühmeister der Monodie in Österreich, hg. von Othmar Wessely (Denkmäler der Tonkunst in Österreich 125). Graz, Wien 1973, S. 114–136. 15 Zu diesem Schloß und seiner Beziehung zur Favorita in Mantua siehe Otto G. Schindler: „Von ­Favorita zu Favoriten. Ein Lustschloß in Mantua als Namenspatron eines Wiener Arbeiter­ bezirks“. Wiener Zeitung, 24./25. September 1999, Extra, S. 6. 16 Marchese Federico Gonzaga: Bericht an den Herzog Ferdinando, o. O., 24. August 1622, zitiert bei: Andrea Sommer-Mathis: Die Tänzer am Wiener Hofe im Spiegel der Obersthofmeisteramtsakten und Hofparteienprotokolle bis 1740 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Ergänzungsband 11). Wien 1992, S. 8 f. 17 Eleonora Gonzaga: Brief an Herzog Ferdinando nach Mantua, Regensburg, 1. März 1623, zitiert bei Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 589.

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Gattungsbezeichnungen früher Musikdramen in Österreich gleich mit den früheren Verwendungen des Terminus, vor allem der durch die Kaiserin kurz davor, auf eine musikdramatische Darbietung schließen, auch wenn der Zusatz „in musica“ hier fehlt. Später gibt es einige Opern, die mit dieser Bezeichnung versehen wurden: Prospero Bonarelli nennt sein Libretto zu L’Allegrezza del Mondo, für die Hochzeit Ferdinands III. in Wien 1631 verfaßt, aber wahrscheinlich nicht aufgeführt, „I n v e n z i o n e per un balletto regale“. Derselbe Dichter schrieb für einen der Geburtstage Ferdinands II. – wahrscheinlich im Jahr 1635 – L’Antro dell’Eternità, eine „I n v e n z i o n e d’un torneo a piedi“, die der schon als Opernkomponist bewährte | Tenor der kaiserlichen Hof kapelle Lodovico Bartola- 171 ia vertonen sollte.18 Auch in diesen beiden Fällen handelte es sich also um Musikdramen, die mit einer vom Adel ausgeführten Vorführung – Ballett bzw. Fußturnier – verbunden werden sollten. Lange danach, im Jahr 1659, findet man in zwei Wiener Opernlibretti den Terminus wieder: Aurelio Aurelis La Virtù guerriera und Giovanni Francesco Marcellos Il Pelope geloso sind beide als „I n v e n t i o n e d r a m ( m ) a t i c a“ bezeichnet.19 Bei den Hochzeitsfesten von 1631 begegnet man der Bezeichnung noch einmal, und zwar für ein Ballett, das von panegyrischen Chören und Sologesängen antiker Göttinnen umrahmt und unterbrochen wurde, deren Text D. Cesare ­Gonzaga, Herzog von Guastalla, ebenso verfaßt hatte wie den zur einzigen Oper dieser ­Feiern, La Caccia felice. Das Textbuch trägt nur die Gattungsbezeichnung „I n v e n t i o n e di balletto“ 20; hier ist wieder die Gattung des Balletts mit dramatischem Gesang gemeint, wie sie umfangreicher und szenisch anspruchsvoller schon 1617 aufgetreten war. Die chronologische Verfolgung der Terminologie soll nach diesem Exkurs zur ­B ezeichnung Invenzione mit 1625 fortgesetzt werden, in welchem Jahr zum Geburtstag des Kaisers sechs Hofmusiker „in Versen in Wällischer Sprache eine ­C o m o e d i e agirt, und dieselbe singend, mit schönen Madrigalen geendet“ h ­ aben; dabei waren sie als Römer, Genueser, Neapolitaner, Dottore Graziano, Pantalone und Zanni kostümiert. 21 Wie an anderer Stelle ausgeführt, könnte es sich dabei um eine Oper gehandelt haben. 22 Hier liegt also wieder einmal nur der sehr allgemeine Terminus „Comoedie“ vor, weshalb man die nähere Bestimmung aus der Beschreibung erschließen muß. 18 Ebenda, S. 33 f., 35 f. 19 Ebenda, S. 26. 20 Faksimile der Titelseite und zweier Seiten des Librettos bei Herbert Seifert: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am Wiener Kaiserhof 1622–1699 (dramma per musica 2). Wien 1988, S. 91–93. 21 Franz Christoph Graf Khevenhüller: Annales Ferdinandei. Bd. 10. Leipzig 1924, Sp. 1724 f. 22 Herbert Seifert: „Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: die erste Oper in Wien?“ Studien zur Musikwissenschaft 42 (1993), S. 77–88 [379–390].

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa 1627 war der Kaiserhof wieder in Prag, diesmal zwecks Krönung Ferdinands III. zum König und seiner Stiefmutter Eleonora zur Königin von Böhmen. Zu den Festlichkeiten gehörte auch eine Oper, die in mehreren Berichten als „­ P a s t o r a l e i n m u s i c a / P a s t o r a l C o m a e d i a […] a l l e s s i n g e n d /ein g e s u n g e n e c o m e d i a / c o m ( m ) e d i a i n m u s i c a /ein c o m e d i v o n d e n m u s i c i /­ r e c i t a r e i n M u s i c a l a f a u o l a […] /c o m o e d i a c a n t a t a /die Kays. ­M u s i c a […] ein […] C o m a e d i“ beschrieben wird 23 und von der man bis vor kurzer Zeit nur den Librettisten D. Cesare Gonzaga und den Stoff, nämlich die ­Liebe von Zeus zu Kallisto, kannte, bis Schindler in einem Brief in der Vatikanischen Bibliothek den Titel dieser Oper gefunden hat: La Transformatione di ­C alisto. 24 172 Daß sie gerade dort | nur mit der allgemeinen Gattungsbezeichnung „comedia“ versehen ist, gibt zu denken. So könnten sich also andere Berichte dieser Zeit über „comedie/Comoedien“ auch auf Opern beziehen, was sich aus unten zitierten Belegen bestätigen wird. Die Zusätze „in musica“, den wir ja schon aus Stainhausers Salzburger Berichten kennen, und ähnliche weisen jedenfalls eindeutig auf diese Gattung hin, in diesem Fall noch durch die Nennung der Ausführenden, nämlich Hofmusiker, gestützt. Im Juni 1628 waren der Großherzog der Toskana Francesco II. de’ Medici und sein Bruder Giovanni Carlo beim Fürsterzbischof Paris Lodron in Salzburg zu Gast. Sie sahen dort La Maddalena Peccatrice, von einem Begleiter der Toskaner so beschrieben: „[…] una R a p p r e s e n t a t i o n c i n a […]; fù recitata in lingua Italiana, e t c a n t a t a t u t t a in stile rappresentatiuo, come si costuma a Fiorenza, acciò tanto più loro A[ltezze] ne godessero.“ 25 Das beschreibt eindeutig eine geistliche Oper der Art, wie sie kurz zuvor, nämlich 1624 und 1626, von Andrea Salvadori mit La Regina Sant’Orsola und La Istoria di Iudit in Florenz eingeführt worden war, beide mit Musik von Marco da Gagliano und ebenso anläßlich von Fürstenbesuchen gespielt. 26 Im Fasching 1629 schrieb der Resident der Toskana am Wiener Kaiserhof, ­Monsignore Niccolò Sacchetti, ebenfalls nach Florenz: „La sera poi fù recitata 23 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 595–599. 24 Otto G. Schindler: „‚Die Wälischen Comedianten sein ja guet…‘. Die Anfänge des italienischen Theaters am Habsburgerhof “. In: Slavnosti a zábavy na dvorech a v rezidencˇních meˇstech raného novoveˇku, hg. von Václav Bu˚ žek und Pavel Král (Opera historica 8). Cˇ eské Bude˘ jovice 2000, S. 107–136, hier S. 121, Anm. 89: „[…] una bellissima comedia in[ti]tulata la transformat[io]ne di Calisto opera noua del sig.r D. Cesare Gonzaga Principe di Guastalla […]“. 25 Geri Bocchineri: Bericht aus Innsbruck nach Florenz, 17. Juni 1628. Firenze, Archivio di Stato, Archivio Mediceo del Principato, filza 6379. 26 Herbert Seifert: „Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen: Salzburg, Prag, Wien, Regensburg und Innsbruck“. In: „in Teutschland noch gantz ohnbekandt“. ­M onteverdi-Rezeption und frühes Musiktheater im deutschsprachigen Raum, hg. von Markus Engelhardt. Frankfurt am Main 1996, S. 29–44 [113–126], hier S. 32 f. [115 f.].

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Gattungsbezeichnungen früher Musikdramen in Österreich in m ­ u s i c a u n o p e r e t t a molto gratiosa composta da Don Cesare [Gonzaga] […]“. Die ­Diminutive „Rappresentationcina“ und „operetta“ beziehen sich offenbar auf die geringe Dauer der Aufführung, die etwa in Salzburg nicht über eine Stunde währte. Die Komödiantentruppe I Fedeli, die den Hof schon in Prag seit den ­Krönungen unterhalten hatte, war mit ihm nach Wien gereist, wo wohl in der Fastenzeit 1629 La Maddalena, ein von ihrem Prinzipal Giovanni Battista Andreini verfaßtes geistliches Drama, aufgeführt wurde. Es war schon 1618 in Mantua mit Musikeinlagen unter anderem von Claudio Monteverdi gespielt worden und wurde nun ebenfalls zumindest teilweise, wahrscheinlich aber ganz gesungen, mit der Mantuaner ­Sängerin Lucia Rubini in der Titelrolle, 27 bemerkenswerter Weise nur etwa acht Monate nach der geistlichen Oper über denselben Stoff in Salzburg. Es trägt auf dem Textbuch die Gattungsbezeichnung „C o m p o s i z i o n e R a p p r e s e n t a t i v a“. 28 Die oben schon gestreifte Oper zur Hochzeit Ferdinands III. 1631, ausnahmsweise 173 noch in der Fastenzeit aufgeführt, war La Caccia felice mit Text von D. Cesare ­Gonzaga, auf dem Libretto als „Favola ne boschi“ bezeichnet (Monteverdi hatte seinen Orfeo auf dem Partiturdruck 29 „Favola in musica“ genannt, nach dem ­Libretto von Alessandro Striggio La Favola d’Orfeo, 30 und dieselbe Bezeichnung trägt auch Ercole Mariglianis Libretto zu Monteverdis Andromeda 31 ), in einem Brief des ­Musikers Giovanni Battista Rubini nach Mantua nur mit „comedia“, ebenso vom Grafen Khevenhüller als „C o m o e d i e“ umschrieben. In einem Bericht nach ­Florenz ist immerhin die Rede von „c a n t a r l a C o m e d i a“ und von der „­ qualità de Musici“. Der Botschafter Venedigs ist in seinem Brief an den ­Dogen noch deutlicher: „una p a s t o r a l e i n m u s i c a“32 , was sich mit einer der Gattungs­b ezeichnungen der Oper von Cesare Gonzaga für Prag 1627 deckt. Das Libretto der nächsten Wiener Oper, von der wir wissen, Gli Inganni di ­P olinesso von 1633, wahrscheinlich von Urbano Giorgi mit Musik von Lodovico Bartolaia, trägt keine Gattungsbezeichnung, während die im selben Jahr zum Geburtstag Ferdinands II. vom selben Autorenduo verfaßte, Il Sidonio, mit „T r a g i c o m m e d i a “ einen Terminus aus der Tradition des Pastorales aufgreift, obwohl sie dies nicht ist. 27 Ebenda, S. 29 f. 28 Vgl. Schindler: „Von Mantua nach Ödenburg. Die ungarische Krönung Eleonoras I. ­Gonzaga (1622) und die erste Oper am Kaiserhof “, S. 291 f., und ders.: „‚Mio compadre Imperatore‘. ­C omici dell’arte an den Höfen der Habsburger“. Maske und Kothurn 38 (1997), S. 25–154, hier S. 62. 29 Monteverdi: Favola in musica. Partiturdruck des Orfeo. Venezia 1609, 1615. 30 Alessandro Striggio: La favola d’Orfeo. Libretto zu Monteverdis Orfeo. Mantova 1607. 31 Albi Rosenthal: „Monteverdi’s Andromeda: a lost libretto found“. Music and Letters 66 (1985), S. 1–8. 32 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 608, 610, 613, 615.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Ein Jahr danach zum selben Anlaß nennt Giorgi seine Gara musicale „C o m e d i a rappresentata i n m u s i c a“, und der Resident der Toskana schreibt darüber fast gleichlautend: „Domani l’Imp[eratri]ce […] farà recitare una belliss[im]a C o mm e d i a t u t t a i n m u s i c a […].“33 Wahrscheinlich für den kaiserlichen Geburtstag im Jahr 1635 sandte Prospero Bonarelli seine „R e g i - P a s t o r a l e“ La Fidalma zur Vertonung durch Bartolaia nach Wien. 34 Am 23. September wurde dann der Geburtstag der Kaiserin Eleonora mit einer „C o m m e d i a i n m u s i c a“35 gefeiert, über die der anwesende päpstliche Nuntius in Polen, Mario Filonardi, ausführlich an den Kardinal Francesco Barbarini nach Rom berichtet 36 und sie u. a. so charakterisiert: „Fù la C o m e d i a recitata […] Tutta fù i n M u s i c a […]“. Im Jahr 1637 begegnet zum ersten Mal die später so häufige Gattungsbezeichnung „I n t r o d u t t i o n e a l b a l l e t t o“, möglicherweise im Sinn einer Weiterent­ wicklung der Terminologie statt den früher gefundenen „Invenzioni“. Dieses kleine Huldigungsdrama wurde am 4. Jänner 1637 im Rathaus von Regensburg 174 anläßlich | der Krönung Ferdinands III. zum Römischen König gespielt und gesungen. Die oben genannte Bezeichnung ist die im handschriftlichen Libretto verwendete, 37 während in den beiden gleichlautenden gedruckten Berichten 38 als Gattung der ganzen Darbietung nur „B a l l e t t o“ genannt wird, im Theatrum ­E uropaeum 39 aber „ein B a l l e t vnnd C o m o e d i“. Als Ferdinand III. 1641 wieder in Regensburg weilte, diesmal schon als Kaiser, wurden sein Geburtstag im Juli und der der Kaiserin Maria im August mit Opern gefeiert. Von der ersten über den beliebten Armida-Stoff nennt das handschriftliche Libretto 40 weder Titel noch Gattung, doch der Resident der Toskana ­b ezeichnet sie in einem Brief als „una bella C o m e d i a recitata i n m u s i c a“.41 Die zweite, A ­ riadne abbandonata da Theseo et sposata dal Dio Baccho (Text: Francesco 33 Giovanni Battista Tartaglini: Bericht an den Großmeister Andrea Cioli nach Florenz, Wien, 8. Juli 1634, zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 617. 34 Ebenda, S. 35 f., 437. 35 Giovanni Battista Tartaglini: Bericht an den Großmeister Andrea Cioli nach Florenz, Wien, 15. September 1635, zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 620. 36 Mario Filonardi: Brief an Kardinal Francesco Barbarini nach Rom, Wien, 29. September 1635. Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, Barb. Lat. 6596, fol. 16. Eine Abschrift davon verdanke ich Frau Dr. Andrea Sommer-Mathis. 37 Wien, Österreichische Nationalbibliothek (A-Wn), Cod. 9931. 38 Quattro Relationi. […] Terza del Balletto fatto nella Casa del Conseglio di detta Città li 4. Gennaro 1636 [recte: 1637] (Ingolstadt 1637). – Le quattro Relationi Seguiti in Ratisbona […] Terza del Balleto fatto nella Casa del Conseglio di detta Città li 4. Gennaro 1637. Wien 1637; beide zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 626 f. 39 Theatrum Europaeum. Bd. 3. Frankfurt am Main 1639, S. 671, zitiert bei Seifert: Die Oper am ­W iener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 627. 40 A-Wn, Cod. 13349. 41 Atanasio Ridolfi: Brief an Cavagliere Giovanni Battista Gondi nach Florenz, Regensburg, 16. Juli 1641, zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 628.

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Gattungsbezeichnungen früher Musikdramen in Österreich ­B onacossi), wird im gedruckten Szenarium ebenso, nämlich „C o m e d i a i n m us i c a“, genannt, auch von dem Florentiner Beobachter 42 , und der Botschafter der Republik Venedig schreibt an den Dogen über die „c o m e d i a m u s i c a l e“.43 Der Bruder des Kaisers, Erzherzog Leopold Wilhelm, ließ im folgenden Jahr während seines Aufenthalts in Wien im Juni eine Oper des moralischen Genres (opera morale 44) von seinem Hofdichter Oratio Persiani spielen, Lo Specchio di Virtù. Der Librettist hatte sich für die Benennung als „O p e r a D r a m m a t i c a rappresentata i n m u s i c a“ entschieden, und der mehrfach zitierte Toskaner greift mit „C o m ed i a i n M u s i c a“ wieder zu seinem Standard-Terminus für Opern.45 Von der Oper für die zweite Hochzeit Ferdinands III. 1648 ist nur ein handschriftliches Textbuch erhalten, wahrscheinlich, weil sie nicht aufgeführt wurde. I Trionfi d’Amore, komponiert von Giovanni Felice Sances, ist mit der seltsamen Denotation „D r a m m a i m p e r f e t t a“ [sic] versehen;46 das Manuskript mit Prolog, fünf Akten und Licenza ist aber offenbar vollständig. Einer allegorischen Huldi|gungsoper 175 zum Geburtstag des Kaisers 1651 fehlt ein Titel; sie ist im Libretto mit „A t t i o n e da rappresentarsi i n m u s i c a“ bezeichnet. Das Theatrum Europaeum 47 berichtet nur von einer „C o m o e d i a in Italiänischer Sprach“, wie meist auch in der Folgezeit die in Frankfurt erscheinenden periodischen Druckschriften. D. Alberto Vimina bezeichnet seinen Text La Gara 1652 als „O p e r a d r a m a t i c a i n m u s i c a“, ganz wie Persiani zehn Jahre davor den seinen. Die Berichterstattung über dieses Werk, das viel Beachtung gefunden hat, nennt es „o p e r a“, „C om e d i a i n m u s i c a“, „C o m e d i a“ und „C o m o e d i“48. Der damals als kaiserlicher Lautenist angestellte Librettist und Komponist Benedetto Ferrari greift in seiner kurz danach im Fasching aufgeführten kleinen Oper ­D afne in Alloro die Gattung „I n t r o d u t t i o n e d ’ u n b a l l e t t o“49 wieder auf; 42 Atanasio Ridolfi: Brief an Cavagliere Giovanni Battista Gondi nach Florenz, Regensburg, 30. Juli und 20. August 1641, zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 629. 43 Thadio Vico: Brief an den Dogen Francesco Erizzo nach Venedig, Regensburg, 24. August und 14. September 1641, zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 629 f. 44 Zu dieser Spielart der Oper vgl. Carolyn Gianturco: „Opera sacra e opera morale: due ‚altri‘ tipi di dramma musicale“. In: Il melodramma italiano in Italia e Germania nell’età barocca. Atti del V Convegno internazionale sulla musica italiana nel secolo XVII, Loveno di Menaggio (Como), 28–30 giugno 1993, hg. von Alberto Colzani, Norbert Dubowy, Andrea Luppi und Maurizio ­Padoan. Como 1995, S. 169–177. 45 Atanasio Ridolfi: Brief an Giovanni Battista Gondi nach Florenz, o. O., 14. Juni 1642, zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 630. 46 A-Wn, Cod. 13182. 47 Theatrum Europaeum. Bd. 7. Frankfurt am Main 1670, S. 29, zitiert bei Seifert: Die Oper am ­W iener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 632. 48 Quellen zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 632–635. 49 Benedetto Ferrari: Dafne in Alloro. Opere sceniche, Ms. in Modena, Biblioteca Estense, ms. ital. 33 = α.T.7.32, fol. 109 r –125 r .

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa das Teatrum Europaeum 50 umschreibt so: „[…] ließ die Kayserin […] den ­Actum, wie Daphne zum Lorbeerbaum worden / durch die Kayserlichen ­Musicanten […] vorstellen […].“ Ebenfalls Ferrari war der Verfasser des Textes zu L’Inganno d’Amore, beim Reichstag in Regensburg vor vielen Fürsten und Gesandten mit großem Aufsehen aufgeführt und als „D r a m m a rappresentato i n ­m u s i c a“ schon fast mit dem Terminus bezeichnet, der sich seit den 60er Jahren auch in Wien durchzusetzen beginnt. 1660 übernimmt Filippo Vismarri für seine Neuvertonung des vier Jahre davor für Antonio Cesti in Innsbruck adaptierten Dramas L’Orontea von Giacinto ­Andrea Cicognini aus dem dafür gedruckten Libretto die Bezeichnung „D r a m m a m us i c a l e“, Francesco Ximenes nennt seine Oper La Forza della Fortuna e della Virtù 1661 „D r a m m a p e r m u s i c a“, ebenso Carlo de’ Dottori im folgenden Jahr sein Libretto La Zenobia di Radamisto, 1665 Antonio Draghi seines zu La ­C loridea und Cristoforo Ivanovich La Circe, wobei die Schreibweise von „Dramma“ auch zu „Drama“ variiert wird. Francesco Sbarra wählt 1666 für Nettuno e Flora f­ esteggianti die Form „D r a m a m u s i c a l e“ und im nächsten Jahr für Le Disgrazie d’Amore „D r a m m a giocosomorale […] i n m u s i c a“, Giovanni Andrea Moniglia für die schon in Innsbruck 1665 vorbereitete, doch erst 1667 in Wien aufgeführte ­S emirami „D r a m a m u s i c a l e“. 1668 setzt Ximenes wie 1661 wieder „D r a m m a p e r m u s i c a“ ein, diesmal aber – im Gegensatz zu den bisher genannten Libretti in drei Akten – für das nur einaktige Il Ciro Vendicatore di se stesso. Im Folgejahr v­ ariiert Ximenes für Chi più sa manco l’intende zu „D r a m m a messo i n m u s i c a“, und Draghi greift in seinem letzten Libretto Apollo deluso nochmals zu „D r a m a p e r m u s i c a“, während der Hofpoet Aurelio Amalteo seine letzte dramatische Arbeit für Wien, Il Perseo, „D r a m a m u s i c a l e“ nennt. Die vierte Wiener Oper in diesem Jahr 1669 war die erste größere Arbeit des neu engagierten Poeten Nicolò 176 Minato | für den Hof, Atalanta, und er bezeichnete sie wie schon seine früheren Libretti für Venedig als „D r a m a p e r m u s i c a“, und das blieb die Standard­ denomination für seine dreiaktigen Opern bis zu seinem Tod 1698, ausgenommen die Faschingsopern bis 1673, die er als Hinweis auf den vorwiegend unterhaltenden Charakter „T r a t t e n i m e n t i p e r m u s i c a“ nannte; allerdings sind das nur zwei Libretti, denn 1672 gab es zu diesem Anlaß keine Oper, und 1673 wurde die von 1670 wiederholt. Bekanntlich dominierte Minato mit Draghi die kaiserliche Bühne fast exklusiv, sodaß dieser Standard der einzige blieb. Bevor und während sich dieser Terminus also durchsetzte, gab es aber noch verschiedene andere: 1656 wurde aus Mantua ein schon vier Jahre davor dort vertontes Libretto von Diamante Gabrielli importiert, Theti, ursprünglich eine „­ F a v o l a 50 Theatrum Europaeum. Bd. 7. Frankfurt am Main 1670, S. 175, zitiert bei Seifert: Die Oper am ­W iener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 635.

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Gattungsbezeichnungen früher Musikdramen in Österreich d r a m a t i c a“ in fünf Akten – in Wien ohne Bezeichnung auf dem Libretto. ­Amalteo übernahm das vielleicht 1659 für Il Re Gilidoro, wie Theti von Antonio Bertali vertont: „F a v o l a d r a m a t i c a m u s i c a l e“. Auffallend ist der Gleichklang der beiden weiteren Opern in diesem Jahr, der oben genannten „I n v e n t i on i d r a m ( m ) a t i c h e“, die aber von verschiedenen Autoren stammen. Die beiden für den Geburtstag Leopolds I. 1660 geschriebenen Opern sind nur einaktig, Giovanni Perellios „O p e r e t t a i n m u s i c a“ Il Maggio festivo, die auch in den meisten Berichten so benannt ist, und Amalteos „I n t r o d u t t i o n e d r a mm a t i c a m u s i c a l e […] avanti il balletto“ La Magia delusa. Dieser Librettist verwendete diesen Terminus fast gleichlautend („p e r m u s i c a“ statt „m u s i c a l e“) für die ebenfalls nur aus einem Akt bestehende Oper für den nächsten Fasching, Gli Amori d’Apollo con Clizia, während er das zum selben Anlaß geschriebene kleine Libretto Gli Amori piacevoli d’Ergasto „F a v o l e t t a p e r m u s i c a“ nennt. Draghi, der in den 1660er Jahren zunächst als Librettist und erst nach und nach auch als Komponist eingesetzt wurde, begann 1661 mit einem „C o m p o n i m e nt o d r a m a t i c o“, 1663 gefolgt von einer „C o m p o s i t i o n e d r a m a t i c a i n m u s i c a“, und setzte diese Linie 1665 nach dem genannten „Drama per musica“ mit einer weiteren „C o m p o s i t i o n e p e r m u s i c a“ und 1666 mit einer „C o mp o s i t i o n e d r a m m a t i c a“ fort. Es folgen in den nächsten Jahren einige einaktige „I n t r o d u z z i o n i“ zu Balletten, aber auch für die größeren Opern variiert der Librettist Draghi die Bezeichnungen: Im Fasching 1667 ist es eine an ältere Formulierungen angelehnte „F a v o l a p a s t o r a l e p e r m u s i c a“, 1668 aber eine „R a p p r e s e n t a z i o n e d r a m m a t i c a p e r m u s i c a“, die wieder nur aus einem Akt besteht. Einzelfälle sind Giovanni Pietro Monesios 1664 aus Rom an die Kaiserin Witwe ­Eleonora gesandtes Libretto La Simpatia nell’Odio, das wahrscheinlich von Leopold I. vertont wurde und die Aufschrift „O p e r a t r a g i c o m i c a p e r m u s ic a“ trägt, Pietro Guadagnis „S c h e r z o p e r m u s i c a“ von 1666, und natürlich die fünfaktige „F e s t a t e a t r a l e“ Il Pomo d’Oro von Francesco Sbarra und Antonio Cesti, für 1666 vorbereitet, doch erst 1668 aufgeführt. Zu dieser Bezeichnung muß aber angemerkt werden, daß sie und „F e s t a m u s i c a l e“ zwischen 1671 und 1697 von Mi|nato ohne erkennbaren Unterschied für einaktige Opern mit Sze- 177 neneinteilung und meist nur einem einzigen Bühnenbild eingesetzt wurde, deren Stoffe nicht von denen der „Drammi per musica“ in drei Akten abweichen. Die wenigen Ausnahmen von diesem Typus sind außer Il Pomo d’Oro, La Conquista del Vello d’Oro, eine dreiaktige „F e s t a t e a t r a l e“ zu einer weiteren Hochzeit 1678, und Le Varietà di Fortuna in L. I. Bruto, eine „F e s t a m u s i c a l e“ ebenfalls in drei Akten zum Geburtstag der Kaiserin 1692. Als Résumée kann man also festhalten: Im 17. Jahrhundert findet man für Opern und ähnliche Musikdramen in Österreich eine Vielfalt von Bezeichnungen, die aber 157

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa eine gewisse Systematik erkennen lassen, vor allem aber die Bemühung, das neue Genre der durchkomponierten Oper durch den Zusatz „in/per musica“ deutlich vom gesprochenen Drama (mit Musikeinlagen) abzuheben. Wie in der Librettistik und in der musikalischen Entwicklung zeigt sich auch auf diesem Gebiet besonders seit den 1660er Jahren eine Tendenz zur Standardisierung, die sich an i­ hrem Ende bei Minato mit dem Terminus „Drama per musica“ schon verfestigt hat.

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Nordwärts reisende Gesangsvirtuosen aus Italien und ihr stilistisches „Gepäck“ im Seicento * Anhand einiger Fallstudien zu italienischen Gesangsvirtuosen, die im 17. und frühen 18. Jahrhundert nordwärts reisten und dabei auch im heute österreichischen Gebiet Halt machten, sollen die wechselnden Motivationen, Modalitäten und Folgen solcher Reisetätigkeit demonstriert werden. Kurioserweise wissen wir darüber mehr von den frühen Beispielen als von den späten. Die Aufenthaltsorte wurden natürlich nicht zufällig gewählt, sondern stellten Residenzen von Fürsten dar, von denen Interesse an den italienischen Darbietungen der Künstler und auch ent­ sprechende Belohnung zu erwarten war, die dann auch tatsächlich erfolgte. Dabei spielen immer verwandtschaftliche oder durch Heirat hergestellte Beziehungen dieser Regenten zu Italien – meist zu Mantua – eine wesentliche Rolle.

Drei Tenöre aus Mantua Am Beginn stehen drei Tenöre aus Mantua, die ab dem zweiten Jahrzehnt des ­Seicento italienische Musik und den Gesangsstil Mantuas über die Alpen ­t rugen.1 Der erste und zugleich bedeutendste war Francesco Rasi (1574 Arezzo – 1621 Mantua), 2 Schüler von Giulio Caccini, in persönlicher Verbindung mit Carlo Gesualdo da V ­ enosa, Jacopo Corsi, Emilio de’ Cavalieri und vor allem Claudio ­Monteverdi, auch Dichter, Komponist und Instrumentalist. Seine Biographie ist so gut ­dokumentiert wie die kaum eines Musikers dieser Zeit, so dass hier in Bezug auf seine Reisen exemplarisch etwas weiter ausgeholt werden kann. Er war schon 1597 mit dem päpstlichen Nuntius in Deutschland und am polnischen Königshof in ­Warschau gewesen, wo er für den erkrankten kirchlichen Würdenträger vor ­König und Senat eine Rede gehalten hatte. Anschließend reiste er an den ungarischen Kriegsschauplatz, und auf der Rückreise brach er sich in Wien ein Bein und musste sich dort länger auf halten; hier lernte ihn Herzog Vincenzo I. Gonzaga (1562–1612) kennen,

* Zuerst erschienen in: Le musicien et ses voyages. Pratiques, réseaux et représentation, sous la d­ irection de Christian Meyer. Berlin 2003, S. 333–347. 1 Zum folgenden siehe Herbert Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), S. 7–33 [17–42]. 2 Ihm sind bei Warren Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici. With a reconstruction of the artistic establishment. Firenze 1993, 48 Seiten gewidmet (S. 556–603), wo die folgenden kurzen Angaben ausführlich dokumentiert sind.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa 334

in dessen Dienst er im folgenden Jahr trat und den er zusammen mit | Monteverdi 1599 über Innsbruck in den f landrischen Kurort Spa und nach Brüssel an den Hof des Habsburgers Erzherzog Albrecht begleitete. Im Jahr 1600 und im darauf folgenden Jahrzehnt übernahm er in allen bekannten Opern führende Rollen. 1608 reiste er mit dem dort neuerlich die Kur suchenden Herzog Vincenzo wieder nach Spa in Flandern und an den Hof des Herzogs von Lothringen in Nancy, der ihn reich beschenkte. Die Einsamkeit und das Murmeln der vielen Bäche und Flüsse auf seiner Reise regten ihn nach dem Zeugnis eines in Innsbruck geschriebenen Briefs zum Verfassen eines Canzonettentextes an, den er dem Kardinal Ferdinando Gonzaga zur Komposition übersandte 3 – eine zu dieser Zeit ungewöhnliche Nebenerscheinung von Reisetätigkeit; eine ganz andere, viel üblichere war, dass er sowohl in Polen als auch in Flandern Schulden angehäuft hatte. 1611 sang er zusammen mit dem zweiten dieser „drei Tenöre“, Francesco ­Campagnolo, in Casale Monferrato in Giulio Cesare Monteverdis Oper Il ­R apimento di Proserpina. Auch 1612 sollten die beiden zusammen bei der ­A ccademia degli Intrepidi in Ferrara und in Sante Orlandis Oper Galatea in Mantua auftreten. Im Herbst und Winter dieses Jahres unternahm Rasi eine sowohl für ihn als auch für die Musikkultur diesseits der Alpen folgenschwere Reise. Matthias von Habsburg war im Juni 1612 als Nachfolger seines Bruders Rudolf II. zum ­Kaiser gekrönt worden. Herzog Francesco IV. Gonzaga, ein Cousin der neuen ­Kaiserin Anna ­(einer Tochter von Anna Caterina Gonzaga), schickte seinen jüngeren Bruder, den 18jährigen Prinzen Vincenzo Gonzaga (1594–1627), mit Glückwünschen an den kurz vor seiner Übersiedlung nach Wien noch in Prag residierenden Kaiserhof. Rasi begleitete den Prinzen und kam mit ihm am 5. Oktober in der Hauptstadt Böhmens an. Don Vincenzo trat nach zwölf Tagen die Rückreise an, doch der erkrankte, von Schmerzen geplagte Sänger war gezwungen, länger zu bleiben. Er wurde trotz seiner infolge einer Mordtat verfügten Verbannung aus der Toskana vom Botschafter Monsignore Giuliano de’ Medici aufgenommen und vom Kaiser zu dreimaligen – sicherlich solistischen – Gesangsdarbietungen in der Kammer nach dem Abendessen eingeladen und mit einer Halskette mit Medaille belohnt. Wahrscheinlich überreichte Rasi Matthias bei einer dieser Gelegenheiten den Druck seiner Vaghezze di musica per una voce sola von 1608, der im Nachlassinventar des Kaisers aufscheint und wohl eines der ersten monodischen Werke am Kaiserhof war. Da sich sein Zustand gebessert hatte, konnte er am 29. Oktober Prag verlassen. Aus Nürnberg musste er zehn Tage später seinen Herrn in Mantua bitten, ihm Geld für die Weiterreise nach Innsbruck entgegen zu schicken. Am 19. November jedoch bat er aus München, ihm die Unterstützung dorthin zu sen3 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 8 [18].

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Nordwärts reisende Gesangsvirtuosen aus Italien den, da er kein Geld mehr habe und die Kosten für das Quartier und den wegen seiner wieder ausgebrochenen Schmerzen konsultierten Arzt nicht mehr bezahlen könne. Die Verschlechterung seiner Beschwerden führte er auf die deutsche Winterkälte, den herben Wein und die rauhe Luft zurück, war aber auch mit der Behandlung durch den bayerischen Hofarzt unzufrieden. Das alles führte bei ihm zu dem festen und offenbar auch ausgeführten Vorsatz, Italien nie wieder zu verlassen. Er setzte die Heimreise dann anscheinend ohne Unterstützung aus ­Mantua fort,4 doch war er auch vom Herzogpaar von Bayern geehrt und beschenkt worden. Am 10. Dezember datierte er seine dem Fürsterzbischof von Salzburg, Marcus Sitticus von Hohenems, gewidmete Handschrift mit eigenen kirchlichen und weltlichen Kompositionen, in dessen Residenzstadt, wo ihm nach eigenen Angaben mehr Ehren, Höf lichkeiten und Geschenke als irgendwo anders zuteil wurden. 5 Dieser Souverän eines geistlichen Fürstentums, des Erzstifts Salzburg im bayerischen Reichskreis, das nicht dem habsburgischen Herrschaftsbereich angehörte, von diesem aber zu gut drei Vierteln umschlossen war und sich in kulturellen Angelegenheiten wie die anderen weltlichen und geistlichen Hof haltungen im katholischen süddeutschen Raum nach dem Kaiserhof ausrichtete. Der in Italien erzogene Halbitaliener, Sohn von Ortensia Borromeo und Neffe der Kardinäle Carlo Borromeo und Marco Sittico d’Altemps, hatte dort die neuen Formen der Unterhaltung kennen gelernt und hatte nach seinem Amtsantritt 1612 nicht nur den ausgeprägten Willen, sondern auch die Macht und die Mittel, ähnliche an seinem Hof einzuführen. Mit dem höchst musischen, auch kreativen Kardinal und seit Ende 1612 Herzog von Mantua Ferdinando Gonzaga hatte Marcus Sitticus schon seit Jahren enge kirchenpolitische Kontakte gehabt.6 Auf seiner Weiterreise in Trient erfuhr Rasi dann vom Tod von Herzog Francesco Gonzaga am 22. Dezember, und wohl um den Jahreswechsel 1612/1613 war er wieder in Mantua. Am 6. März 1613 schrieb er an Alessandro Striggio jun., den Librettisten von Monteverdis L’Orfeo, dass er dem Erzbischof einige Bühnentechniker, Schüler von Antonio Maria Viani, dem Theaterarchitekten Mantuas und Bühnenbildner Monteverdis, nach Salzburg schicken müsse.7 Wenn elf Monate danach die erste von mehreren Aufführungen einer italienischen Pastoraloper mit dem Titel Orfeo in Salzburg über die Bühne geht, wird die Mittlerrolle von Rasi ziemlich offensichtlich; er hat dem Souverän wahrscheinlich auch Soli aus dieser seiner ­Paraderolle vorgesungen – die verzierte Fassung von „Possente spirto“ ist ja auch heute ein Prüf4 Erst am 14. Dezember schickte ihm der Herzog 50 Taler nach Innsbruck. Siehe Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, S. 582, Anm. 175. 5 Ebenda, S. 585. 6 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“ Musicologica Austriaca 8 (1988), S. 8–11 [siehe S. 44–48]. 7 Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, S. 583, Anm. 179.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa stein vokaler Virtuosität – und vielleicht auch ein Exemplar der 1609 in Venedig gedruckten Partitur überreicht. So hat der aus Mantua ­kommende, vielseitige Musiker 336 Rasi sowohl beim Kaiser als auch beim Fürsterzbischof | von Salzburg Prozesse in Gang gesetzt, die jedenfalls zur Rezeption italienischer ­Monodie, wahrscheinlich aber in weiterer Folge auch zu der von Musikdramatik geführt ­haben, in Salzburg mit einer Serie von Opernaufführungen zwischen 1614 und 1619,8 am Kaiserhof in Prag, Wien, Ödenburg (Sopron) und Regensburg mit Balletteinleitungen 1617,9 1622 und 1623 und mit Opern wohl 162210 und 1625 und sicher 1627.11 Don Francesco Campagnolo (1584 Mantua – 1630 Innsbruck) war der Prototyp des reisenden Gesangsvirtuosen: 1604 wurde er vom Herzog Vincenzo Gonzaga in Mantua angestellt, 1607 und 1612 war er in Rom, 1609 bis 1610 reiste er in die Niederlande und weiter bis nach London, und auf der Rückreise war er an den Höfen von Lothringen und München zu Gast.12 1616 war er zunächst in Bologna bei einer Aufführung von Peris Euridice, Ende des Jahres aber wieder jenseits der Alpen beim genannten Salzburger Erzbischof, der ihn für den Karneval vom Herzog Ferdinando Gonzaga ausleihen wollte; gleichzeitig war der Sänger auch vom Herzog von Bayern zu diesen Festen eingeladen worden. Im Mai 1617 taucht er in Verona auf, wo er in die Accademia Filarmonica aufgenommen wurde, wenige Tage später aber wieder in Salzburg, um sich auf der Flucht vor seinen Gläubigern in die Dienste des Souveräns zu begeben, was den Herzog von Mantua sehr erboste; ein selbstbewusster Brief seines ehemaligen Sängers, der den Stellungswechsel ohne Erlaubnis vollzogen hatte und nun darauf hinwies, dass er bei Marcus Sitticus viel besser behandelt werde als in den 23 Jahren in Mantua, goss Öl ins Feuer. Im Sommer 1619, also noch vor dem Tod des Salzburger Fürsterzbischofs im Oktober, 8 Vgl. dazu Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb ­Italiens“, S. 7–26 [siehe S. 43–65]. 9 Details zu dieser bei Herbert Seifert: „Das erste Libretto des Kaiserhofs“. Studien zur Musik­ wissenschaft 46 (1998), S. 35–75 [339–377], und ders.: „Das erste Musikdrama des Kaiserhofs“. In: Österreichische Musik. Musik in Österreich. Beiträge zur Musikgeschichte Mitteleuropas, Theophil Antonicek zum 60. Geburtstag, hg. von Elisabeth Theresia Hilscher (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 34). Tutzing 1998, S. 99–111 [325–338]. 10 Otto G. Schindler: „Von Mantua nach Ödenburg. Die ungarische Krönung Eleonoras I. Gonzaga (1622) und die erste Oper am Kaiserhof. Ein unbekannter Bericht aus der Széchényi-National­ bibliothek“. biblos 46/2 (1997), S. 284 f. – Ders.: „L’incoronazione ungherese di Eleonora I ­Gonzaga (1622) e gli inizi del teatro musicale alla corte degli Asburgo“. Quaderni di Palazzo Te 5 (1999), S. 78 f. 11 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 26–29, 431 f. 12 Susan Helen Parisi: Ducal patronage of music in Mantua, 1587–1627: an archival study. Diss. University of Illinois at Urbana-Champaign 1989, S. 422–428. – Paola Besutti: „I rapporti ­musicali tra Mantova e Vienna“. In: „in Teutschland noch gantz ohnbekandt“. Monteverdi-Rezeption und frühes Musiktheater im deutschsprachigen Raum, hg. von Markus Engelhardt. Frankfurt am Main 1996, S. 48–51.

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Nordwärts reisende Gesangsvirtuosen aus Italien kehrte Campagnolo nach Mantua zurück, wo seine Schulden offenbar von seiner Pension bezahlt worden waren und der Herzog ihn wieder in Gnaden aufgenommen hatte, was Rückschlüsse auf seinen Marktwert zulässt.13 Obwohl der Aufenthalt in Salzburg also über | zwei Jahre lang gedauert hat, kann man in diesem 337 Fall weniger von einer Übersiedlung als von einer ausgedehnten Station auf einer Reise sprechen; schließlich kehrte Campagnolo auch später immer wieder in seine Heimat zurück. Drei Jahre danach, im Juni und Juli 1622, ist die Anwesenheit dieses Sängers bei der Krönung von Eleonora Gonzaga aus Mantua, der zweiten Frau Kaiser ­Ferdinands II., zur Königin von Ungarn in Ödenburg belegt. Den Abschluss der dortigen Feierlichkeiten bildete eine „commedia … in musica“, also nach dem Sprachgebrauch der Zeit sehr wahrscheinlich eine Oper, bei der Campagnolo sicherlich als Sänger und/oder als opernerfahrener Berater und Organisator mitgewirkt hat. Unmittelbar danach scheint er wieder nach Mantua gereist zu sein.14 Im folgenden Jahr beriet er den Kaiser und seinen Hof kapellmeister Giovanni Priuli beim Ankauf von Streichinstrumenten, die in Mantua bestellt werden sollten;15 ob er diese Beratung von Regensburg, wo das Kaiserpaar damals war, oder von Italien aus durchführte, geht aus dem Brief Eleonora Gonzagas nicht hervor. Im August 1624 sang er ­jedenfalls in der Villa Imperiale bei Florenz vor der Habsburger Großherzogin der Toskana Maria Magdalena anlässlich des Besuchs ihres Bruders Erzherzog Karl wieder Musik von Jacopo Peri. Mindestens bis 1627 scheint der Tenor in mantuanischen Diensten gestanden zu sein. Sein bald darauf erfolgter Dienstwechsel zum Regenten von Tirol, dem Erzherzog Leopold V. (1586–1632), bei dem er im September 1629 eine „Comoedi“ mit Ballett vorbereitete und dessen Beiträge zu den Festlichkeiten anlässlich der Wiener Hochzeit des Thronfolgers Ferdinand III. er organisieren sollte,16 steht wohl in Zusammenhang mit dem Mantuanischen Erbfolgekrieg in diesen Jahren, der auch etliche seiner Kapellkollegen in den ­Norden trieb. Er hatte zum Zeitpunkt seines im Oktober 1630 in Innsbruck erfolgten Todes Leopold lange Zeit bei der Veranstaltung und Produktion von Konzerten und ­musikalischen Unterhaltungen zur vollen Zufriedenheit gedient, wie ­d ieser schrieb. Nach Giovanni Battista Donis Zeugnis war er ein ­ausgezeichneter, ­geradezu dafür geborener Opernsänger gewesen.17 Er hatte ­weiter an dem z­ wischen Mantua, Salzburg und den Habsburgern in Wien und Innsbruck bestehenden Netzwerk gewirkt. 13 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 14–26 [23–35]. 14 Schindler: „Von Mantua nach Ödenburg“, S. 277–288. 15 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 27 [36]. 16 Ebenda, S. 27 f. [36 f.]. 17 Giovanni Battista Doni: Lyra barberina. Firenze 1743, S. 135, „Trattato della musica scenica, ­c apitolo XLVI“.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Der jüngste der drei Tenöre aus Mantua war der um 1589 dort geborene und mindestens 1605–1615 an der Hofmusik bedienstete Bernardino Pasquino Grassi († nach 1656), der im Oktober 1615 zusammen mit dem Kastraten Giovanni ­Gualberto Magli, der 1607 als Knabe in Monteverdis Orfeo gesungen hatte, aber in Diensten der Medici stand, an den Hof des Kurfürsten Johann Sigismund von 338 Brandenburg (1572–1619) ging. Dieser | verpflichtete sich, beide nicht gemeinsam mit dem Chor, sondern nur solistisch einzusetzen.18 Im folgenden Sommer erhielt Grassi die Erlaubnis zu einer Reise in seine Heimat und war im August 1616 zunächst beim Bischof von Bamberg und im September in München, wo er dem Herzog von Bayern vorsang. Dort erfuhr er, dass er in Brandenburg (oder in Mantua?) wegen Verkleinerung der Hofmusik entlassen worden war. Er setzte deshalb seine Heimreise nicht fort, sondern ging nach Köln an den Hof des dortigen Kurfürsten und Erzbischofs, Ferdinand von Bayern, mit dem er im August 1617 an den Salzburger Hof reiste. Um 1620 dürfte er dann in habsburgische Dienste getreten sein, wahrscheinlich beim Erzherzog Albrecht VII. (1559–1621), dem Frommen, dem Statthalter der Niederlande in Brüssel. Von dessen Witwe erbat ihn Erzherzog Leopold V. zehn Jahre später als Ersatz für den verstorbenen Campagnolo nach Innsbruck, und in Wien sang er dann 1631 als einen der Beiträge Leopolds zu den Hochzeitsfeiern Ferdinands III. mit der Infantin Maria eine Canzone Orfeo als Einleitung eines Balletts der Erzherzogin Claudia mit ihren Hofdamen. Danach kehrte er nach Brüssel zurück, wo er gleich die Musik der Karwoche zu leiten hatte. Von spätestens 1637 bis zum Tod Ferdinands III. 1657 war er dann als Sänger in der kaiserlichen Hofkapelle in Wien.19 Auch von hier aus unternahm er Reisen, und zwar 1642 nach Italien und 1650 in seine Heimat Mantua. Von dort wird ihn auch Eleonora I. Gonzaga, die Frau und dann Witwe Kaiser Ferdinands II., noch gekannt haben, die ihn 1631 und von 1637 bis zum Tod Ferdinands III. 1655 in Wien gehört haben muss. Die Frage nach dem stilistischen Gepäck dieser drei Tenöre – und es ist bezeichnend, dass die führenden Sänger zu dieser Zeit noch nicht Kastraten waren, sondern eben hohe natürliche Männerstimmen hatten – ist leicht zu beantworten: Rasi, Schüler Giulio Caccinis, war der führende Opernsänger seiner Zeit, aber auch Komponist von Monodien und außerdem selbst Textdichter. Er nahm für sich in Anspruch, den Stil der Florentiner Monodisten nach Mantua gebracht zu h ­ aben 20, überreichte Kaiser Matthias in Prag offenbar sein Druckwerk mit Monodien und dem Erzbischof von Salzburg eine ad hoc handschriftlich zusammengestellte Sammlung mit eigenen geistlichen und weltlichen Soli und Duetten und initiierte wohl auch die Salzburger Aufführungen der Oper Orfeo, wobei er außerdem auch bei den organisatorischen Vorbereitungen für deren szenische Seite half. – ­Campagnolo, 18 Curt Sachs: Musik und Oper am kurbrandenburgischen Hof. Berlin 1910, S. 48 f., 214 f. 19 Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“, S. 32 [41]. 20 Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, S. 556, 599.

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Nordwärts reisende Gesangsvirtuosen aus Italien Schüler Monteverdis, ist zwar nicht als Komponist nachweisbar, aber ebenfalls als bedeutender Opernsänger und war allem Anschein nach als Übermittler italienischer und vor allem Mantuaner Opernpraxis und Gesangstechnik tätig, und das in London, Lothringen, Salzburg, München, Wien und Innsbruck. Auch er war wie Rasi als Organisator aktiv. – Grassi trug seine Mantuaner | Erfahrungen mit 339 Monodie nach Berlin, Bamberg, München, Köln, Brüssel und Wien, wo sie die Tochter und Schwester seiner einstigen Dienstgeber, Eleonora Gonzaga, wohl zu würdigen wusste.

Reisende Kastr aten Mit Grassi kommen wir eigentlich schon zum mittleren Seicento, aus dem ich auch einige Beispiele für reisende Gesangsvirtuosen bringen möchte. Hier sind wir schon in der Zeit der begehrten und von Hof zu Hof herumgereichten Kastraten, und einer davon war der Altist Atto Melani (1626 Pistoia – 1714 Paris). Er studierte in Rom unter anderem bei Luigi Rossi. Schon 1644 sang er in Paris in einer Oper, wo er auch 1647 in Rossis Orfeo und 1660 in Cavallis Xerse auftrat. Er war für ­P rincipe Mattias de’ Medici und für Kardinal Mazarin als Kurier und Spion tätig und entfaltete so eine umfangreiche europäische Reisetätigkeit. Nach seiner politisch motivierten Verbannung aus Frankreich zwischen 1661 und 1679 kehrte er dorthin zurück und verbrachte seinen Lebensabend dort. 21 Kaiser Ferdinand III. hatte den 17jährigen „Attilio da Pistoia“ schon 1643 und 1644 vergeblich aus Florenz von den Medici erbitten lassen 22 , der 1653 sowohl in Innsbruck beim Erzherzog Ferdinand Karl als auch beim Reichstag in Regensburg war, wo er endlich vor dem Kaiser auftrat und von diesem hoch gelobt und reich beschenkt wurde. 23 In Innsbruck sollte er zunächst die Rolle der Cleopatra in Antonio Cestis Oper Cleopatra singen, wurde aber bei der Aufführung Anfang 1654 durch Anna Renzi ersetzt. 24 21 Robert Lamar Weaver: „Melani“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Ausg. Bd. 16. London 2001, S. 334 f. 22 Atanasio Ridolfi: Briefe des Residenten der Toskana am Kaiserhof an Cavaliere Giovanni­ Battista Gondi, Florenz, 15. und 22. August 1643 und 22. Jänner 1644. Mantova, Archivio di Stato (I-MAa), Archivio Mediceo del Principato, filza 4394. 23 Atto Melani: Briefe an den Herzog Carlo II. Gonzaga, Mantua, 15. Juni und 21. Juli 1653. ­I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 554. – Ders.: Briefe an Principe Mattias de’ ­Medici, Florenz, 3. und 14. Juli 1653. I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 5407 und 5472. – Abate Felice ­Marchetti: Briefe des Residenten der Toskana am Kaiserhof, ­Florenz, 21. Juli und 16. August 1653. Ebenda, filza 4400. 24 Lorenzo Bianconi und Thomas Walker: „Dalla ‚Finta Pazza‘ alla ‚Veremonda‘“. Rivista ­i taliana di musicologia 10 (1975), S. 442.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Sein Bruder Bartolomeo (1634–1703) wurde 1658 zusammen mit dem ebenfalls aus Pistoia stammenden Soprankastraten Padre Bartolomeo Fregosi (163025 – nach 1701) 1658 in München eingekerkert. Dieser war bis kurz davor neun Jahre lang, vom Juli 1648 bis Ende Juni 1657, Mitglied der kaiserlichen Hof kapelle gewesen. 1653 340 war er von einer Italienreise nach Wien | zurückgekehrt, und zwei Jahre danach hatte er vom Kaiser als Belohnung eine goldene Kette erhalten. 26 Nach seiner Entlassung infolge des Todes Kaiser Ferdinands III. ging er an den kurfürstlichen Hof in München und wurde dort eben aus unbekannten Gründen inhaftiert. 27 Kardinal Rospigliosi intervenierte über den dortigen Nuntius für seine Freilassung, die 1659 erfolgte. Danach ging Fregosi nach Nürnberg 28, 1661 ist er in Venedig 29 und Florenz nachweisbar, von spätestens 1664 bis 1702 war er am toskanischen Hof angestellt. 30 Ebenfalls Sopranist war der noch über ein Jahrhundert nach seinem Tod bekannte 31 Baldassare Ferri (Perugia 1610–1680), der in Rom und Neapel ausgebildet wurde, doch schon als Jüngling 1625 eine Anstellung am polnischen Königshof erhielt, in der er dreißig Jahre verblieb. Nach seiner Zeit in Warschau war er von 1655 bis zu seinem Tod Mitglied der kaiserlichen Hof kapelle. Schon 1638, als er mit dem ­König von Polen in Wien war, erhielt er vom Kaiser eine „Verehrung“ 32 , 1651 dann ein „recompens“ 33. In den Jahren 1663 bis 1664 war er für längere Zeit auf Reisen. 34 1675 ging er für den kurzen Rest seines Lebens nach Italien, bekam aber weiterhin ein reduziertes Gehalt. Obwohl er seit seinem 15. Lebensjahr in festen höfischen Anstellungsverhältnissen war, bereiste er dennoch Europa von Stockholm

25 Jean Grundy Fanelli: „Castrato Singers from Pistoia, 1575–1630“. Civiltà musicale XV/40 (2000), S. 52. 26 Paul Nettl: „Zur Geschichte der kaiserlichen Hofmusikkapelle von 1636–1680 (II)“. Studien zur Musikwissenschaft 17 (1930), S. 103. – Herwig Knaus: Die Musiker im Archivbestand des kaiser­l ichen Obersthofmeisteramtes (1637–1705) (Veröffentlichungen der Kommission für Musikforschung 7). Bd. 1. Wien 1967, S. 121. 27 Grundy Fanelli: „Castrato Singers from Pistoia, 1575–1630“, S. 52. 28 Abate Felice Marchetti: Briefe des Residenten der Toskana am Kaiserhof an den Großmeister Giovanni Battista Gondi, Florenz, 25. Jänner und 14. November 1659. I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filze 4394 und 4401. 29 Zdene˘ k Kalista (Hg.): Korespondence císarˇe Leopolda I. s Humprechtem Janem Cˇ ernínem z Chudenic. Bd. 1. Prag 1936, S. 51, 53, 103. 30 Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, S. 56, 407. 31 Jean Jacques Rousseau: Dictionnaire de musique. Paris 1782, S. 223 f. 32 Wien, Hofkammerarchiv, Hofzahlamtsbuch 84 (1637–1639), fol. 413v , zitiert bei Paul Nettl: „Zur Geschichte der kaiserlichen Hofmusik-Kapelle von 1636–1680“. Studien zur Musikwissenschaft 16 (1929), S. 75. 33 Nettl: „Zur Geschichte der kaiserlichen Hofmusikkapelle von 1636–1680 (II)“, S. 96. 34 Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierbücher 57 (Protokoll vom 21. Mai 1663) und 58 (Protokoll vom 17. September 1664).

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Nordwärts reisende Gesangsvirtuosen aus Italien bis L ­ ondon und sang auch in Venedig. 35 Er war einer der berühmtesten Sänger seiner Zeit und wegen seines Stimmumfangs und seiner technischen Fähigkeiten legendär, worüber vor allem Giovanni Andrea Bontempi in seiner Historia musica (Perugia 1695) berichtet. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass mit dem „Starkult“ auch damals schon die 341 Tendenz zu Skandalen verbunden war, die hier in Verbannung bzw. Einkerkerung ihre Folgen hatten. Auch die Verquickung mit politischen Aufgaben zeigt sich bei Atto Melani. Er und Ferri hatten ihre Ausbildung in Rom erhalten und traten schon im Jünglingsalter im Ausland auf. Beide waren europäische Berühmtheiten und wurden an vielen Höfen geschätzt. Sie vermittelten ihre römische Gesangskunst und teilweise wohl auch die damit verbundenen Kompositionen dorthin, Melani auch als Komponist. Über Fregosis Biographie ist weniger bekannt; wir wissen nur, dass er wie Melani aus Pistoia stammte, doch nicht, wo er ausgebildet wurde. Nach seiner mit dem ganzen Hofstaat traditionellerweise erfolgten Ent­l assung mit dem Tod des Kaisers, dem er neun Jahre lang gedient hatte, und im ­Gegensatz zu vielen Kapellkollegen nicht erfolgten Wiederaufnahme durch Leopold I. ging er in das verhängnisvolle bayerische Engagement und dann nach Nürnberg, bevor er sich wieder in Italien niederließ. Auch von der Wende zum 18. Jahrhundert sollen einige unter anderem mit Wien in Kontakt stehende Sänger als Beispiele für reisende Virtuosen genannt werden. Zu dieser Zeit herrschte schon ein reger Leihverkehr mit begehrten Gesangs­ solisten, vor allem mit den Kastratenstars, die um und nach 1700 allenthalben in Opern auftraten, etwa in Venedig, Parma, Florenz, Wien, Berlin und Dresden, auch wenn sie nominell im Dienst eines Fürsten standen. Drei Beispiele sollen die engen Beziehungen zwischen Mantua, Venedig, Wien, Düsseldorf und Dresden belegen. Der Florentiner Altist Francesco Ballerini (vor 1660 – 1734 Wien) war seit 1675 Musiker des Großherzogs der Toskana Cosimo III., 36 wechselte jedoch bald zum Herzog von Mantua Ferdinando Carlo über, den Kaiser Leopold im Herbst 1682 durch seine Stiefmutter Eleonora Gonzaga, eine Tante dieses Herzogs, um diesen seinen virtuoso bitten ließ. Der war aber schon an das große Theater S. ­Giovanni Grisostomo in Venedig verpflichtet, wurde dem Kaiser also erst für den folgenden Fasching in Aussicht gestellt. 37 Von den 1680er Jahren bis ins erste Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts ist Ballerini mehrmals in Venedig an S. Marco und in Opern 35 Galliano Ciliberti: „Baldassare Ferri“. In: The New Grove Dictionary of Opera. Bd. 2. London 1992, S. 168. – Ders.: „Baldassare Ferri“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Ausg. Bd. 8. London 2001, S. 723. 36 Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, S. 37 37 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 438, Briefe vom 16. und 20. September, 5. und 18. November 1682.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa nachweisbar.38 1688 wurde er in die Accademia Filarmonica von Bologna aufgenommen39 und sang in Piacenza, zwei Jahre später in den Festopern zur Hochzeit von 342 ­Odoardo Farnese | mit Dorothea Sophia von Neuburg-Pfalz in Parma, einer Schwester der Kaiserin,40 1691 in Bologna. Von 1695 bis 1705 war er am Kaiserhof in Wien bedienstet,41 von dem er bis 1707 eine Pension bezog, bevor er bis 1710 wieder als Kammermusiker bezahlt wurde.42 In diesem Jahr erhielt er ein kaiserliches Privileg zur öffentlichen Aufführung von Opern, von dem er aber keinen Gebrauch machen konnte43, doch im Folgejahr wurde bei Hof ein Musikdrama mit einem von ihm verfassten Libretto aufgeführt.44 Inzwischen hatte die Kaiserin Eleonore Magdalena Theresia ihrem Bruder, dem Kurfürsten Johann Wilhelm, für drei in dessen Residenz Düsseldorf im Jahr 1697 aufgeführte Opern den Sänger zur Verfügung gestellt 45 und hatte er 1700 in Berlin sowie 1700 und 1708 in ­Florenz gesungen und 1709 in ­Dresden eine Opernaufführung geleitet, wo dann 1717 ein Intermezzo mit Text von ihm gesungen wurde.46 Er war Mitglied der spanischen Corporis Christi-Bruderschaft an der Kirche St. Michael in Wien und wurde 1734 in deren Gruft beigesetzt.47 38 Olga Termini: „Singers at San Marco in Venice: The competition between church and theatre (c.1675–c.1725)“. RMA Research Chronicle 17/1981 (1982), S. 89. – Reinmar Emans: „Die Musiker des Markusdoms in Venedig 1650–1708, 1. Teil“. Kirchenmusikalisches Jahrbuch 65 (1981), S. 64. – Claudio Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Cuneo 1991. 39 Laura Callegari Hill: L’Accademia Filarmonica di Bologna, 1666–1800. Bologna 1991, S. 192. 40 Lina Balestrieri: Feste e spettacoli alla corte dei Farnesi. Parma 1909, S. 124, 125. 41 Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (A-Whh), OMeA SR 190. – Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierbuch 85 (2. Mai 1696). 42 Herwig Knaus: „Die Musiker in den Geheimen kaiserlichen Kammerzahlamtsrechnungsbüchern (1669, 1705–1711)“. Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse 106/2 (1969), S. 14–38 (= Mitteilungen der Kommission für Musikforschung 20), ad indicem. 43 Eleonore Schenk: Die Anfänge des Wiener Kärntnertortheaters. Maschr. phil. Diss. Universität Wien 1969, S. 56 f., 131. 44 Wulf Arlt: „Zur Deutung der Barockoper Il Trionfo dell’Amicizia e dell’Amore Wien 1711“. Musik und Geschichte (1963), S. 98. 45 Herbert Seifert: „Die Beziehungen zwischen den Häusern Pfalz-Neuburg und Habsburg auf dem Gebiet des Musikdramas vor und um 1700“. In: Mannheim und Italien – Zur Vorgeschichte der Mannheimer, hg. von Roland Würtz (Beiträge zur mittelrheinischen Musikgeschichte 25). Mainz 1984, S. 24 f. [735]. Die dort noch nach Friedrich Lau: „Die Regierungskollegien zu Düsseldorf und der Hofstaat zur Zeit Johann Wilhelms (1679–1716) II.“ Düsseldorfer Jahrbuch 40 (1938), S. 270, angenommene Anstellung als Hofkaplan in Düsseldorf zwischen 1700 und 1711 trifft aber nicht auf den Sänger, sondern auf dessen Bruder Don Francesco Maria Ballerini zu, wie sich aus einem inzwischen aufgefundenen Brief des Geistlichen aus dem Feld bei Landau vom 1. September 1702 an den Grafen Ferdinand Bonaventura I. Harrach ergibt (Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, A-Wfh, Karton 216, Mappe „Ballerini Francesco Maria“). 46 Moritz Fürstenau: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden. Bd. 2. ­Dresden 1861, S. 71. – Renate Brockpähler: Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland. ­Emsdetten 1964, S. 136. 47 Karl Lind: Die St. Michaelskirche zu Wien. Wien 1859, S. 85. – Karl Schütz: Musikpf lege an St. Michael in Wien. Wien 1980, S. 57.

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Nordwärts reisende Gesangsvirtuosen aus Italien Ein weiteres, ganz ähnlich gelagertes Beispiel für solche reisenden Gesangsstars ist der berühmte Sopranist Domenico Cecchi (um 1650/1655 Cortona – 1717/1718 Cortona oder Wien), nach seiner Heimatstadt „il Cortona“ genannt. Er war schon mindestens 1678–1680 in Diensten der Kaiserin | Witwe Eleonora in Wien und Prag 48 343 und trat auch in Venedig auf, bevor er 1685 in die Dresdner ­Hofkapelle aufgenommen wurde.49 Seit 1687 war er wie sein genannter Kollege Ballerini Virtuose des Herzogs von Mantua 50 und wurde im gleichen Jahr wie dieser, 1688, Mitglied der Bologneser Accademia Filarmonica.51 Auch für seine Mitwirkung in Institutionen Venedigs gilt das gleiche wie für Ballerini; außerdem trat er auf nahezu allen Bühnen Italiens auf (Bologna, Modena, Genua, Mailand, Parma, Piacenza, Rom, Ferrara, Florenz, Pratolino, Reggio, Neapel, Casale Monferrato, Turin und Pratolino),52 auch 1690 in der genannten Oper zur Hochzeit einer Schwester der Kaiserin in Parma.53 1697 war er nochmals – diesmal nur als Gast – am Wiener Hof, wo er die männlichen Hauptrollen in zwei Opern von Antonio Draghi v­ erkörperte.54 Schließlich war er nach weiteren Reisen bis zum Tod Kaiser Josephs I. 1711 Musiklehrer der Erzherzoginnen in Wien,55 wo er vielleicht auch gestorben ist. Der dritte Gesangsvirtuose von Ferdinando Carlo Gonzaga mit vergleichbaren Reiserouten war der Soprankastrat Valeriano Pellegrini aus Verona (um 1663 – 1746 Rom), ein Priester, der 1689–1696 an der päpstlichen Kapelle in Rom gewesen war, bevor er 1698/1699 in Wiener Opern gastierte.56 1700 und 1701 sang er in Mantua, Genua und Piacenza, 1702 in München, und mindestens 1708–1716 war er in Düsseldorf beim Bruder der dritten Frau Kaiser Leopolds I., Kurfürst Johann Wilhelm, bedienstet;57 dennoch wurde er 1709/1710 bei Auftritten in Venedig als virtuoso Kaiser Josephs I. bezeichnet, was sich aber nicht durch Wiener Quellen verifizieren lässt. 1712/1713 sang er sogar in London in Opern von Händel. Als er 48 Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierbücher 72 (Protokoll vom 9. Dezember 1678) und 73 (Protokoll vom 31. Jänner 1679). – Angela Romagnoli: „Galline, ‚specolazioni‘ e pene d’amore. La patienza di Socrate con due mogli di Minato e Draghi (1680)“. In: „Quel novo Cario, quel divin Orfeo“. Antonio Draghi da Rimini a Vienna, hg. von Emilio Sala und Davide Daolmi. Lucca 2000, S. 206. 49 Fürstenau: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden. Bd. 1, S. 285. 50 Besutti: „I rapporti musicali tra Mantova e Vienna“, S. 59. 51 Callegari Hill: L’Accademia Filarmonica di Bologna, 1666–1800, S. 193. 52 Colin Timms: „Domenico Cecchi (‚Il Cortona‘)“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Ausg. Bd. 5. London 2001, S. 327 f. 53 Balestrieri: Feste e spettacoli alla corte dei Farnesi, S. 124, 125. 54 Max Neuhaus: „Antonio Draghi“. Studien zur Musikwissenschaft 1 (1913), S. 170. 55 Timms: „Domenico Cecchi (‚Il Cortona‘)“. 56 Antonio Celani: „I cantori della Cappella pontificia nei secoli XVI–XVIII“. Rivista ­m usicale ­i taliana 16 (1909), S. 69. – Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert ­( Wiener Veröffentlichungen zu Musikwisssenschaft 25). Tutzing 1985, S. 362. 57 Callegari Hill: L’Accademia Filarmonica di Bologna, 1666–1800, S. 271.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa im Alter von 83 Jahren, 1746, in Rom starb, wo er sich schon lange Jahre aufgehalten hatte, war er allerdings verarmt.58 Alle drei Kastraten – zwei Sopranisten und ein Altist – trugen den ober- und mit344 telitalienischen Gesangsstil und wohl auch dort gesungene Arien und | weltliche wie geistliche Kantaten über den Wiener Kaiserhof weiter nordwärts nach Düsseldorf an den Hof des Kurfürsten von der Pfalz und/oder nach Dresden an den des sächsischen Kurfürsten. Dies waren nur einige Beispiele für eine ganze Reihe von Gesangsvirtuosen, die aus Italien kamen, wo sie an vielen Orten in Opern auftraten, und am Wiener Kaiserhof sangen und meist auch Aufnahme fanden, von wo aus sie weitere Reisen sowohl zurück in die Heimat als auch in nördlichere Regionen unternahmen. Drei von ihnen waren wie Ballerini und Cecchi Mitwirkende der Festopern für die Fürstenhochzeit von Parma im Jahr 1690, 59 deren Braut eine Schwester der Kaiserin war: der Bass Raniero Borrini (um 1658 Florenz – 1724 Wien), 1685–1711 in kaiserlichen Diensten, vorher in denen des Herzogs von Modena, und die ­Soprane Giovanni Battista Muzzi, genannt Speroni, und Francesco de Grandis, genannt Checchino del Ruspoli (? Verona – 1738), die beide bis zum Tod der ­Kaiserin ­Witwe Eleonora (II.) Gonzaga im Dezember 1686 in deren Hofmusik sangen und anschließend von Leopold I. in seine Hof kapelle übernommen wurden.60 De ­Grandis kehrte 1692 nach Italien zurück und wurde im 18. Jahrhundert als Virtuose des Herzogs von Modena gehandelt. Speroni war vom Collegium Germanicum in Rom gekommen und stand schon 1689/1690 im Dienst des Herzogs von Parma; 1697 trat er dann wie Ballerini in Düsseldorf auf,61 sicherlich über Vermittlung von Dorothea Sophia, die seit 1690 als Frau von Odoardo Farnese in Parma residierte. Zu diesen Virtuosen zählen außerdem: Antonio Cuttini aus Ferrara oder Modena, ein Bassist an der Accademia della Morte in Ferrara, der auch in Wien und 1680 in Dresden sang.62

58 Winton Dean und John Rosselli: „Valeriano Pellegrini“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Ausg. Bd. 19. London 2001, S. 299. 59 Balestrieri: Feste e spettacoli alla corte dei Farnesi, S. 123–125. 60 Herbert Seifert: „Die Musiker der beiden Kaiserinnen Eleonora Gonzaga“. In: Festschrift Othmar Wessely zum 60. Geburtstag. Tutzing 1982, S. 541 f. [651], 551 [661 f.]. 61 Alfred Einstein: „Italienische Musiker am Hofe der Neuburger Wittelsbacher“. Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft 9 (1907/1908), S. 404. 62 Giovanni Pierluigi Calessi: Ricerche sull’Accademia della morte di Ferrara (Quadrivium XVI/2). ­B ologna 1975, S. 61, 63. – Fürstenau: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu ­D resden. Bd. 1, S. 254.

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Nordwärts reisende Gesangsvirtuosen aus Italien Ferdinando Chiaravalle (? – nach 1707), ein vom Herzog von Mantua angestellter Altist, den wir 1687 als Leihgabe in Wien und danach auch in ­Hannover, Berlin und Sachsen finden.63 Stefano Romani, genannt il Pignattino, ein Sopran aus Rom, wohl am dortigen 345 Collegium Germanicum vom Kapellmeister Pietro Romolo Pignatta64 ausgebildet, von 1690 bis 1693 in der Wiener Hof kapelle 65 und 1693/1694 beim Fürsten von Eggenberg bei Graz, wo er in Opern von Pignatta auftrat,66 bis 1699 dann am Turiner Hof.67 Giovanni Buzzoleni, ein Tenor aus Brescia, der von Mantua nach Wien wechselte, wo er zwischen 1692 und 1699/1700 tätig war.68 Antonio Romolo Ferrini aus Florenz, ein Soprankastrat, der in den 1690er ­Jahren allerorten in Italien als Virtuose von Prinz Ferdinando de’ Medici aufgetreten war,69 bevor er 1700 bis 1711 in der kaiserlichen Hof kapelle sang.70 Eine ganz ­ä hnliche Karriere hatte die Sopranistin Anna Maria Lisi (um 1673 – 1726 Wien), die 1700 in Wien den Hof komponisten Carlo Agostino Badia heiratete und bis zu ihrem Tod dort engagiert war.71

63 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 503, Brief vom 26. Oktober 1687. – Einstein: „Italienische ­Musiker am Hofe der Neuburger Wittelsbacher“, S. 407. – Georg Fischer: Musik in ­H annover. Hannover 1903, S. 22. – Norbert Dubowy: „Pollarolo e Ziani a Verona. Annotazioni in ­m argine a tre partiture ritrovate“. In: Seicento inesplorato. L’evento musicale tra prassi e stile: un ­m odello di interdipendenza, Atti del III Convegno internazionale sulla musica in area lombardo-­p adana del secolo XVII, hg. von Alberto Colzani, Andrea Luppi und Maurizio Padoan (Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S.-Como 7). Como 1993, S. 531. 64 Raffaele Casimiri: „Disciplina musicae e maestri di cappella dopo il Concilio di Trento nei ­m aggiori istituti eccesiastici di Roma. Seminario Romano – Colleggio Germanico – Collegio Inglese“. Note d’Archivio 19 (1942), S. 120. 65 Ludwig von Köchel: Die kaiserliche Hof-Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867. Wien 1869, S. 68, Nr. 699. 66 Hellmut Federhofer: „Musikleben in der Steiermark“. In: Die Steiermark. Land, Leute, Leistung. 2. Aufl. Graz 1971, S. 639. 67 Emans: „Die Musiker des Markusdoms in Venedig 1650–1708, 1. Teil“, S. 77. – Termini: „Singers at San Marco in Venice: The competition between church and theatre (c.1675–c.1725)“, S. 92. 68 Wien, Österreichische Nationalbibliothek (Opernpartituren aus den Jahren 1692, 1694–1698). – Siehe Neuhaus: „Antonio Draghi“, S. 166–172. – Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierbücher 85 (Protokoll vom 12. August 1695) und 87 (Protokoll vom 13. Februar 1700). – Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. 69 Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. – Termini: „Singers at San Marco in Venice: The competition between church and theatre (c.1675–c.1725)“, S. 90. 70 Köchel: Die kaiserliche Hof-Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, S. 68, Nr. 689. 71 Robert Lamar Weaver und Norma Wright Weaver: A chronology of music in the Florentine theater 1590–1750. Detroit 1978, S. 68. – Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, S. 653. – Köchel: Die kaiserliche Hof-Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, S. 68, Nr. 705.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Der bedeutende Mantuaner Buffo-Bass Giovanni Battista Cavana war schon seit 1684 fast überall in Italien von Mailand bis Neapel aufgetreten, bevor er auf Berufung Leopolds I. zwischen 1703 und 1708 Mitglied der Wiener Hof kapelle war; anschließend setzte er seine Karriere in Italien fort, wo für ihn die ersten selbständigen komischen Intermezzi komponiert wurden.72 In Genua, Piacenza, Modena, Reggio, Ferrara und Venedig hatte der Sopranist Giovanni Battista Vergelli (um 1667 – 1747 Wien) Erfahrung sammeln können, bevor er von 1703 an für den Rest seines Lebens am kaiserlichen Hof sein Brot verdiente, seit spätestens 1718 als Altist und seit 1739 als Pensionist.73 Mit dem Tenor Antonio Borrosini (um 1655 Venedig oder Modena – nach 1721) treffen wir wieder einen Sänger, der weiter nach Norden gekommen ist: 1687 verließ er S. Marco in Venedig, trat 1688 und 1696 in Opern in Hannover auf, galt 346 als Virtuose des Herzogs von Modena und ging nach Bühnenerfahrungen auch in Italien etwa 1692 nach Wien, wo er zunächst bis etwa 1698 an musikdramatischen Produktionen mitwirkte. Nach zwölf Jahren an verschiedenen italienischen Bühnen wurde er erst 1710 offiziell in die kaiserliche Kapelle aufgenommen, jedoch schon im Folgejahr nach dem Tod Josephs I. pensioniert; dennoch trat er noch zumindest 1714 in einer dortigen Oper auf.74 Die Motivation für die Reisen in den aus mediterraner Sicht zu Recht als unwirtlich angesehenen Norden war wohl vielfach die gute Bezahlung der reichen Fürsten – im Fall London auch der kommerziellen Opernunternehmer. In Einzelfällen kamen dazu politische und diplomatische Missionen, wie z. B. bei Francesco Rasi und Atto Melani. Und wahrscheinlich öfter als wir wissen war die Flucht vor Verfolgung – sei es durch Gläubiger oder Polizei – ein Grund für größere Ortsveränderungen, wie bei Campagnolo, Fregosi und indirekt auch bei Rasi, der wegen seines Mordes die Toskana meiden musste. Die mitgebrachten Gesangs- und Kompositionsstile wechselten natürlich im Lauf des Jahrhunderts: Waren es in den ersten Jahrzehnten vor allem die von Florenz und Mantua mit dem Schwergewicht auf weltlicher Monodie und Oper, spielte seit den 1640er Jahren Rom – und hier das Collegium Germanicum der Jesuiten und die päpstliche Kapelle – eine große

72 Herwig Knaus: Die Musiker im Archivbestand des kaiserlichen Obersthofmeisteramtes (1637–1705). Bd. 3. Wien 1969, S. 133 f. – Köchel: Die kaiserliche Hof-Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, S. 67, Nr. 661. – Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. – Franco Piperno: „­ Giovanni Battista Cavana“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Aufl. Bd. 5. London 2001, S. 315. 73 Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. – Knaus: Die Musiker im Archivbestand des kaiserlichen Obersthofmeisteramtes (1637–1705). Bd. 3, S. 136. – Köchel: Die kaiserliche Hof-Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, S. 68, Nr. 703. 74 Carlo Vitali: „Antonio Borosini“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Aufl. Bd. 3. London 2001, S. 918. – A-Whh, OMeA SR 190.

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Nordwärts reisende Gesangsvirtuosen aus Italien Rolle, woher nicht nur zahlreiche Sänger geholt wurden, sondern auch geistliche Musik mitkam; außer reiner Kirchenmusik waren das vor allem Oratorium und geistliche Oper, die gerade zu dieser Zeit in Wien Aufnahme fanden. Um die Jahrhundertwende gibt es auch noch einige Beziehungen zu Rom, die wohl wieder über Jesuitenpatres und päpstliche Nuntien am Kaiserhof laufen, doch die meisten bestehen nun wieder zu den Höfen von Florenz und Mantua; natürlich bildet Venedig mit seinen kommerziellen Opernunternehmungen die wichtigste Schaltund Durchgangsstelle für reisende Gesangsstars. Bei der Vernetzung zwischen den Höfen spielten, wie schon eingangs festgestellt, dynastisch-politische Beziehungen eine wichtige Rolle. In erster Linie sind hier die ehelichen Bande zwischen den Gonzaga und später Gonzaga-Nevers und den Habsburgern zu nennen: 1612–1619 nahm mit Kaiserin Anna eine Tochter einer ­Gonzaga-Prinzessin den Thron ein, 1622–1655 war Eleonora I. als Kaiserin und dann -Witwe am Hof, 1652–1686 Eleonora II., sodass also siebeneinhalb Jahrzehnte lang eine enge Bindung an Mantua bestand, die auch danach nicht abriss und sich auch in der Beschäftigung zahlreicher Sänger und Instrumentalisten dieses Herzogtums in Wien niederschlug, von denen nur einige wenige tatsächlich Reisende hier genannt ­w ur|den. Daneben muss die enge Verbindung zwischen Innsbruck und der Toskana berücksichtigt werden, die sich durch die Heirat von zwei Regenten mit MediciPrinzessinnen ergaben, und schließlich die zwischen den der katholischen Konfession und speziell den Jesuiten ergebenen Kaisern und Rom, so dass also z­ wischen Wien 347 und Innsbruck im Norden und Nord- und Mittelitalien im Süden im 17. Jahrhundert starke politische Bande bestanden, die sich auch in der Kulturpolitik niederschlugen und die italienischen Musiker zu Reisen in den Norden animieren konnten. Die politische Verbindung von Kursachsen und den Kaisern spielte eine wichtige Rolle bei den musikalischen Beziehungen zwischen Wien und Dresden:75 Im Dreißigjährigen Krieg stand der Kurfürst, obwohl Protestant, bis auf ein kurzes Intermezzo auf Seiten der Katholiken; in den Türkenkriegen kämpften sächsische Truppen an der Seite der kaiserlichen, und bei der Belagerung Wiens 1683 trug Johann Georg III. dazu bei, dass der Feind geschlagen abziehen musste. 1700 nahm Kurfürst Friedrich August I. in Österreich die katholische Konfession an, um König von Polen werden zu können, und Kurprinz Friedrich August II. heiratete schließlich 1719 in Wien die Erzherzogin Maria Josepha.

75 Zu diesen siehe Herbert Seifert: „Die Rolle Wiens bei der Rezeption italienischer Musik in ­Dresden“. In: 1. Konferenz zum Thema: Dresdner Operntraditionen, hg. von Günther Stephan und Hans John (Schriftenreihe der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ Dresden, 9. Sonderheft). Dresden 1985, S. 96–105 [715–721].

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Musikzentren in Österreich im Barock * Musikschaffen und -aufführungen konzentrierten sich im Barock dort, wo weltliche oder geistliche Höfe die dazu nötigen Mittel aufwenden konnten und damit Anziehungskraft auf Musiker ausübten – darunter auch solche aus den böhmischen Ländern. Auf dem heute österreichischen Gebiet waren das Wien, Salzburg und Innsbruck.

Wien Nach dem Tod Kaiser Rudolfs II., der seine Residenz nach Prag verlegt hatte, kehrte der Hofstaat 1612 mit Kaiser Matthias wieder nach Wien zurück, das dann bis zum Ende der Monarchie die Haupt- und Residenzstadt des Herrschaftsgebietes der österreichischen Linie der Habsburger blieb und naturgemäß auch das Zentrum des musikalischen Geschehens im habsburgischen Einf lussbereich während des ganzen Barocks, nach dem sich sowohl kleinere Hof haltungen als auch Klöster und Stadtpfarrkirchen orientierten. Durch die Friedensverträge von Karlowitz (1699) und Passarowitz (1718) steigt diese Monarchie zur Großmacht auf, woran Prinz Eugen von Savoyen als kaiserlicher Feldherr großen Anteil hat. Trotz der kulturellen Konsolidierung schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzt nun, zu Beginn des 18., in relativ stabiler Lage des absolutistischen Staates, die Hochblüte des österreichischen Spätbarocks ein, deren architektonische Zeugnisse heute noch weite Teile Österreichs dominieren. Der wohlhabende Hofadel baut in der Haupt- und Residenzstadt und ihren Vorstädten seine Palais und auf den Landsitzen – teils in Böhmen und Mähren – seine Schlösser. Dem K a i s e r h o f kommt gerade im Barock in musikalischer Hinsicht eine ganz besondere Stellung zu: Die Monarchen waren an dieser Kunst mehr als nur oberf lächlich interessiert, und drei Kaiser haben sich nicht nur als reproduzierende Musiker betätigt, sondern auch selbst komponiert: Ferdinand III., Leopold I. und Joseph I. Das wirkte sich naturgemäß auf den Stellenwert der Musik sowohl an ihren Höfen als auch in ihrem ganzen Herrschaftsbereich aus. Als Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich 1619 zum Kaiser gewählt wurde, nahm er seine inzwischen auf 53 Mitglieder angewachsene Grazer Hof kapelle mit in die Residenzstadt Wien. Der erste Hof kapellmeister Ferdinands II. in Wien war *

Vortrag, gehalten im Rahmen der musikwissenschaftlichen Konferenz Musikzentren in Mittel­ europa im 17. und 18. Jahrhundert. Brünn 2002.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Giovanni Priuli – er hatte schon in Graz diese Funktion innegehabt –, nach seinem Tod 1626 gefolgt von dem Organisten Giovanni Valentini. Beide waren 1614/15 nach Graz gekommen, Priuli aus Venedig, Valentini vom polnischen Königshof. Für die Kirchenmusik wurden aus Graz Chorbücher nach Wien mitgenommen, die vielchörige Messen für bis zu 24 Stimmen aus Venedig enthielten. Der austrovenezianische Kolossalstil dieser Musik und ihrer Nachfolge konnte nur von großen Kirchenkapellen realisiert werden, wie sie eben bloß an wenigen kulturellen Zentren zur Verfügung standen. Die Kapelle, die die geistliche und zum Großteil auch die weltliche Musik aufführte, bestand zur Zeit Kaiser Ferdinands II. aus etwa zwölf Knaben für die hohen Stimmen, dazu noch um zehn italienische Sopran- und Altkastraten, etwa je acht Tenören und Bässen, wobei nur bei dieser tiefsten Stimmgattung ungefähr gleich viele deutsche wie italienische Namen zu finden sind. Instrumentalisten waren zwischen 15 und 19 angestellt, davon mehr als die Hälfte aus Italien, dazu noch zwei bis drei Organisten und acht bis elf sogenannte „musikalische“ Trompeter sowie ein Pauker, durchwegs Deutsche.1 Unter seinen Musikern hatte gerade Ferdinand II. eine große Anzahl von Komponisten; an die dreißig sind als solche nachweisbar, darunter außer den beiden genannten Kapellmeistern so bedeutende wie Antonio Bertali, Giovanni Giacomo Arrigoni, Giovanni Battista Buonamente, Felice Sances und – als einer von wenigen Nichtitalienern – der Brandenburger Johann Nauwach, der zuvor nach Studien in Italien in Dresdner Diensten gestanden war und dort die ersten bekannten deutschen Monodien veröffentlicht hatte. 2 Nach Kriegsende, ab 1650, wurde diese Institution stark aufgestockt, zunächst durch Instrumentalisten und ab 1654 durch zahlreiche italienische Sänger, vor allem Kastraten, die Kaiser Ferdinand III. ja für die immer zahlreicher aufgeführten Musikdramen benötigte. Er hatte von seinem Vater eine ganze Reihe von Komponisten übernommen, sodass er nur mehr wenige kompositorisch tätige Musiker aufnehmen musste, darunter zwei wichtige süddeutsche Organisten, Johann Jakob Froberger und Wolfgang Ebner, den Geiger Johann Heinrich Schmelzer und Be1 Zur Hofkapelle Ferdinands II. gibt Steven Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of ­F erdinand  II (1615–1637): The Latin vocal works of Giovanni Priuli an Giovanni Valentini. Phil. Diss. University of Pittsburgh 1990. Ann Arbor s. a., die zuverlässigsten Angaben. Siehe auch die gekürzte Druckfassung Cross, sword and lyre. Oxford 1995. 2 Vgl. John H. Baron: „Johann Nauwach“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Ausg. Bd. 17. London 2001, S. 715, jedoch wird dort sein Tod in Dresden um 1630 angenommen. Seine Wiener Tätigkeit von 1. Juli 1636 bis 31. Oktober 1645 (siehe die Hofstaatsverzeichnisse in Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (A-Whh), OMeA SR 186 und 187), für die er mit Frau und Kind zum katholischen Glauben konvertierte (siehe Herwig Knaus: Die Musiker im Archivbestand des kaiser­lichen Obersthofmeisteramtes [1637–1705]. Bd 1. Wien 1967, S. 35), ist der Literatur über diesen Komponisten nicht bekannt.

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Musikzentren in Österreich im Barock nedetto Ferrari, einen der führenden Männer bei den Anfängen kommerzieller Opernunternehmen in Venedig, der seine musikdramatischen Erfahrungen unter anderem als Verfasser zweier Libretti einbringen konnte. Neben der kaiserlichen Hof kapelle hatten in Wien seit 1637 die Witwe ­Ferdinands II. und sein Sohn Leopold Wilhelm eigene Hofmusiken: Kaiserin Eleonora beschäftigte etwa den Violinvirtuosen und -komponisten Carlo Farina, der wie ­Nauwach vorher in der Dresdner Hof kapelle gedient hatte, und Vinzenz Fux, e­ inen produktiven Kirchen- und Instrumentalkomponisten;3 der Erzherzog ­Orazio B ­ enevoli und Francesco Foggia aus Rom, den jungen Antimo Liberati, (der später als Musik­ theoretiker, Vokalkomponist und päpstlicher Kapellmeister Karriere machte,) Johann Caspar Kerll und Gioseffo Zamponi, von dem eine 1650 in Brüssel, der damaligen Residenz Leopold Wilhelms, aufgeführte Oper erhalten ist; in Wien beginnt die Überlieferung dieser Gattung erst mit 1660.4 Erst ein Jahr davor, nach der Krönung Leopolds I. zum Kaiser (reg. 1658–1705), hatten die Opernaufführungen hier ihren regelmäßigen Plan angenommen: im ­Karneval, zu Geburtstagen und später auch zu Namenstagen der Kaiserfamilie; dazu kamen als besondere Anlässe Hochzeiten und Geburten. Schon vorher allerdings hatte sich eine zweite Eleonora Gonzaga als Motor für italienische Opern und Oratorien in Wien betätigt, nämlich die dritte Frau und dann Witwe ­Ferdinands III. – der mantuanische Einf luss riss also seit Beginn der Rezeption der Gattung Oper am Kaiserhof nicht ab.5 Die Kräfte von Eleonoras eigener, seit 1657 bestehenden Witwenkapelle, die nacheinander von Giuseppe Tricarico, Pietro Andrea Ziani, Antonio Draghi und Giovanni Battista Pederzuoli geleitet wurde,6 verstärkten dabei die ihres Stiefsohns Leopold, der selbst außer viel Kirchen- und vokaler Kammermusik und deutscher, italienischer sowie spanischer Schauspielmusik mindestens zwei Opern und mehrere Oratorien und Sepolcri vertonte und für fast alle auf seiner Hof bühne gespielten Musikdramen einzelne Arien oder Szenen beisteuerte.7 Das Erfolgsgespann Antonio Cesti und Francesco Sbarra, das Leopold 1665 aus Innsbruck holte, arbeitete nur bis 1668 für den Kaiser, bis zu Sbarras Tod und ­C estis Rückkehr nach Italien, hatte aber die Hauptlast der Feste für seine erste 3 Herbert Seifert: „Die Musiker der beiden Kaiserinnen Eleonora Gonzaga“. In: Festschrift Othmar Wessely zum 60. Geburtstag. Tutzing 1982, S. 527–554 [633–664]. 4 Herbert Seifert: „1619–1705: ‚Die kaiserlichen Hofkapellen‘. Italienisches Barock in Wien“. In: Musica Imperialis. 500 Jahre Hofmusikkapelle in Wien. 1498–1998. Ausstellung der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Tutzing 1998, S. 56 f. [588 f.]. 5 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985. 6 Seifert: „Die Musiker der beiden Kaiserinnen Eleonora Gonzaga“. 7 Rudolf Schnitzler und Herbert Seifert: „Leopold I“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Ausg. Bd. 14. London 2001, S. 568–570.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Hochzeit mit seiner spanischen Nichte zu tragen. Die bis dahin größte Oper in Wien, Il Pomo d’Oro, war für diesen Anlaß vorgesehen gewesen, ging aber erst mit über eineinhalb Jahren Verspätung im Juli 1668 über die Bühne des vom Hofarchitekten und Bühnenbildner Lodovico Ottavio Burnacini neu erbauten Hoftheaters. Insgesamt waren es über 400 dramatische Werke, die während Leopolds Regierungszeit am Hof gesungen wurden, davon etwa 100 Oratorien und Sepolcri, der Rest weltliche, das heißt Opern und kleinere, nichtszenische dramatische ­Werke (Serenate). In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war die große ­Hof kapelle ­L eopolds I. mit zahlreichen neu aufgenommenen Musikern, von denen mindestens 26 auch kompositorisch kreativ waren, ein Reservoire für die benötigte neue ­Musik; immerhin neun von diesen – nun also schon mehr als ein Drittel – w ­ aren Deutsche, die Mehrzahl natürlich weiterhin Italiener. Den Posten des Kapellmeisters hatten der Veroneser Geiger Antonio Bertali, der Tenor Giovanni Felice ­Sances aus Rom (seit 1669) und der große österreichische Violinist Johann Heinrich ­Schmelzer (1679; um 1620/23 Scheibbs – 1680 Prag) inne, der nach kaum einem ­h alben Jahr an der Pest starb. Die Namen Antonio Cesti, Alessandro Poglietti und – um die Jahrhundertwende – Carlo Agostino Badia, Giovanni Bononcini, ­Attilio Ariosti, Francesco Conti, Johann Joseph Fux, Marc’Antonio Ziani, Johann ­Georg Reinhardt, Georg Reutter sen., Ferdinand Tobias Richter und Franz Matthias Techelmann zeigen das Niveau dieser Institution. Die italienischsprachigen dramatischen Kompositionen wurden fast nur Italienern anvertraut, während die liturgische Musik, Klavier- und Instrumentalkompositionen einschließlich der Opernballette in erster Linie in den Pf lichtenkreis von deutschsprachigen Kapellmitgliedern fielen.8 Die genannten engen Verbindungen zwischen Mantua und Wien während des ganzen 17. Jahrhunderts und darüber hinaus zeigen sich auch darin, daß der ­Venezianer Marc’Antonio Ziani, seit 1686 Kapellmeister in Mantua, nach Draghis Tod 1700 vom Herzog Ferdinando Carlo Gonzaga dem Kaiser als Nachfolger empfohlen wurde, der ihm zwar den altgedienten Antonio Pancotti vorzog, ihn jedoch zum Vizekapellmeister bestellte. Erst Kaiser Karl VI. machte ihn 1712 zum ­Maestro di cappella, dem nach seinem Tod 1715 Johann Joseph Fux folgen sollte. In Mantua war inzwischen Antonio Caldara (um 1670 Venedig – 1736 Wien) Kapellmeister des letzten Herzogs geworden. Nach dessen Abdankung 1707 kehrte er in seine Heimat zurück und komponierte schon im folgenden Jahr eine kleine Oper zur Hochzeit des Königs Karl III. von Spanien in Barcelona. Kaiser Joseph I. veränderte die von seinem Vater 1705 übernommene Hof ­k apelle kaum; an Engagements sind nur die von Pier Francesco Tosi und Antonio ­B ononcini 8 Seifert: „1619–1705: ‚Die kaiserlichen Hofkapellen‘. Italienisches Barock in Wien“, S. 62 ff. [S. 595 ff.].

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Musikzentren in Österreich im Barock als Komponisten bemerkenswert. Nach seinem plötzlichen Tod sechs Jahre später reorganisierte Karl VI. diese Institution, die unter seiner Herrschaft ihren größten Personalstand erreichte, und ernannte zunächst Marc’Antonio Ziani zum Hof­ kapellmeister und Fux zu dessen Stellvertreter. Nachdem dieser 1715 in das höchste musikalische Amt des Reichs aufgerückt war, wurde Caldara zum vielbeschäftigten Vizekapellmeister bestellt; er hatte den Großteil der großen Opern zu komponieren. Den Theorbisten Francesco Conti ernannte der Kaiser zum Hof komponisten; er zeichnete sich dann vor allem durch seine komischen Karnevalsopern, Intermezzi und Kantaten aus.9 Von großer Bedeutung waren die als Hofpoeten angestellten Librettisten ­P ietro P ­ ariati, Apostolo Zeno, Giovanni Claudio Pasquini und vor allem Pietro ­Metastasio. Die Witwen Leopolds I., Eleonore Magdalena Theresia, und Josephs I., Amalie Wilhelmine, hatten wieder ihre eigenen Kapellen; die zweite leitete bis 1718 Fux. Auch Franz Stephan von Lothringen beschäftigte hier Musiker, die aus Frankreich, Italien und Österreich kamen, doch bei seinen „Trompetes des plaisirs“ dominierten deutlich slawische Namen.10 Gerade in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es in Wien die Möglichkeit zur häufigen Abhaltung feierlicher Gottesdienste, war doch hier der hohe Klerus so stark präsent wie sonst wohl nur in Rom. Dazu kamen die Glaubensstrenge und der religiöse Eifer Karls VI. An seinem Hof kam Kirchenmusik verschiedener Stile und aus der Zeit vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart zur Aufführung, und zwar direkt nacheinander. Für manche Teile der Messe und des Offiziums ­(Introitus, Hymnen, Antiphonen) bediente man sich nämlich des seit vielen Jahrzehnten vorliegenden Repertoires, während besonders Stücke mit festlichem Charakter jeweils neu komponiert wurden.11 Die Kulturpolitik der Habsburger zeigt sich in der Praxis von Anstellungen am Wiener Hof deutlich: Besonders die musikalischen Kaiser von Ferdinand II. bis Karl VI. trachteten die Besten ihres Faches an ihren Hof zu binden. Dabei suchte man für Vokalmusik Komponisten, Dichter und Sänger in Italien, für Instrumentalmusik Komponisten im eigenen Land und in Süddeutschland,12 für Tänzer zunächst in Frankreich ausgebildete und, sobald es politisch opportun war, sogar französische Meister, für Oboisten und Fagottisten ebenso, und für Trompeter, 9 Herbert Seifert: Die Aufgabenkreise der kaiserlichen Hof komponisten und Hof kapellmeister zur Zeit von Fux ( Jahresgabe 24/2001 der Johann-Joseph-Fux-Gesellschaft). Graz 2002. 10 Theophil Antonicek: „1711–1740: ‚Constantia et fortitudine‘. Höhenflug von Kunst und ­Wissenschaft unter Karl VI.“ In: Musica Imperialis. 500 Jahre Hofmusikkapelle in Wien. 1498–1998, S. 95. – Ders.: „Die Vollendung des Barock im Zeitalter der höfischen Repräsentation“. In: ­M usikgeschichte Österreichs. Bd. 2, hg. von Gernot Gruber. 2. Aufl. Wien 1995, S. 40. 11 Friedrich W. Riedel: Kirchenmusik am Hofe Karls VI. (1711–1740). München 1977. 12 Herbert Seifert: „La politica culturale degli Asburgo e le relazioni musicali tra Venezia e V ­ ienna“. In: L’Opera a Vienna prima di Metastasio (Studi di musica veneta 16). Firenze 1990, S. 1–15 [703–713].

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Pauker und Hornisten in den böhmischen Ländern,13 die kurz genannt werden sollen. Das beginnt schon in der Grazer Hof kapelle Ferdinands II. als Erzherzog, wenn Balthasar Pernsteiner aus Böhmen 1609 als musikalischer Trompeter aufgenommen wurde und ab 1619 bis zu seinem Tod 1641 in dieser Funktion dem Kaiser diente.14 Auch Hans Trompeßkho war schon vor 1612 bei Kaiser Rudolph II. und dann bei Matthias als Pauker tätig gewesen und wurde von Ferdinand II. bis um 1628 übernommen. Er stammte aus Libohowitz/Libohovice.15 Tobias Franz ­Panner (um 1631 Mähren – 1662 April 10 Wien) wurde 1654–1662 als Instrumentalist besoldet.16 Georg Carl Lechner (Lehner, um 1629 Jerschitz/Jerˇ ice, Böhmen – 1675 September 24 Wien) war zunächst kaiserlicher Kapellknabe, dann, mindestens 1660–1675, ­Violinist der Witwe Ferdinands III., Eleonoras,17 also eine Ausnahmeerscheinung wie Wenzel Blasius Leitter (Leuther, um 1661 Castolowitz/Cˇastolovice – 1731 März 25 Wien), der seit 1701 Oboist Josephs I. war und bei dessen Tod er pensioniert wurde,18 und Franz Matthias Techelmann von Schwarzenfeld (um 1648 Hof/­ Dvorce, Mähren – 1714 Februar 26 Wien), von 1685 bis 1711 kaiserlicher Organist und ebenfalls mit dem Tod Josephs I. pensioniert. Er ist als einziger Instrumentalist aus den böhmischen Ländern in dieser Zeit auch als Komponist hervorgetreten.19 ­Theodor Heinrich Khampf (um 1660 Brünn/Brno – 1698 Juli 25 Wien) war von ­m indestens 1684 bis zu seinem Tod musikalischer Pauker und ­Trompeter bei ­L eopold  I., 20 Johann Georg Gortschek (um 1665 Rumburg/Rumburk, ­B öhmen – 1718 Jänner 12) schon seit 1694 musikalischer Trompeter des ­Römischen­ Königs Joseph; er wurde von Karl VI. 1712 übernommen, in dessen Dienst er 13 Herbert Seifert: „Die Bläser der kaiserlichen Hofkapelle zur Zeit von Johann Joseph Fux“. Alta musica 9 (1987), S. 9–23. 14 A-Whh, OMeA SR 186. – Hellmut Federhofer: Musikpf lege und ­M usiker am Grazer Habsburgerhof der Erzherzöge Karl und Ferdinand von Innerösterreich (1564–1619). Mainz 1967, S. 190 f. 15 Ebenda, S. 218. – Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of ­F erdinand II (1615–1637), S. 66, 873. 16 A-Whh, OMeA SR 186. – Ludwig von Köchel: Die kaiser­l iche Hof- Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867. Wien 1869, Nr. 524, 594. – Die Matrikel der Universität Wien. Bd. 4, bearb. von Franz Gall. Wien 1974, S. 257. 17 A-Whh, OMeA SR 186. – Seifert: „Die Musiker der beiden Kaiserinnen Eleonora Gonzaga“, S. 543 [652 f.]. – Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierprotokolle 1660 September, 1666 und 1672. 18 A-Whh, OMeA SR 188 und 190, OMeA K. 13 und 14, OMeA Prot. 7. – Seifert: „Die Bläser der kaiserlichen Hofkapelle zur Zeit von Johann Joseph Fux“. 19 Herwig Knaus: Franz Matthias Techelmann, sein Leben und seine Werke. Phil. Diss. Universität Wien 1958. – Ders.: „Franz Matthias Techelmann (1649–1714), kaiserlicher Hoforganist in Wien“. Studien zur Musikwissenschaft 27 (1966), S. 186–199. 20 Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierprotokolle 1684 März 7. – Wien, Domarchiv St. Stephan, Trauungsbuch 29, S. 145. – Wien, Stadt- und Landesarchiv, Testament 10.326/17. Jh., und Totenbeschauprotokolle 1698 Juli 25.

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Musikzentren in Österreich im Barock starb. 21 Ebenfalls einen tschechischen Namen hatte Franz Turnovsky (um 1678 Hochmath=Hohenmauth/Vysoké Mýto? , Böhmen – 1738 September 20 Wien), der dieselbe Funktion seit 1702 bei Joseph I. ausübte und auch bis zu seinem Tod dessen Nachfolger Karl VI. diente. 22 Nicodemus Prodschek (Proschik) aus Perching (Pechnig, Böhmen) war von mindestens 1695 bis um 1698 als musikalischer Trompeter Leopolds I. tätig. 23 ­Maximilian Hellmann (um 1681 Mährisch Krumau/Moravske Krumlov – 1722 Februar 10 Wien) war seit etwa 1697 bis wahrscheinlich 1713 unbesoldeter, dann bis zu s­einem Tod besoldeter musikalischer Pauker. 24 Er war wahrscheinlich der Vater von ­Maximilian Joseph Hellmann, der dem Kaiser als Hackbrettspieler und Komponist diente. 25 Kaiser Joseph I. stellte während seiner kurzen Regierungszeit drei sogenannte ­„musikalische“ Trompeter mit tschechischen Namen in die kaiserliche Musik ein, die er alle schon vor 1705 als Römischer König in seinem Trompetercorps gehabt hatte: 26 die oben schon genannten Gortscheck und Turnovsky sowie Nicolaus Jesorcka (um 1665 Jauer/Jawor, Oberlausitz , heute Polen – 1737 Mai 15 Wien). 27 Unter den fünf Trompetern die Karl VI. 1712 aus Barcelona mitbrachte, befanden sich weitere zwei: Thomas Wlach und Johann Czižek. 28 Die beiden Hornisten, die schon seit 1705 gedient hatten, aber erst 1711 aufgenommen wurden, Friedrich Otto (um 1686 Lautkow/Loutkov – 1718 Dezember 7 Wien 2 9 ) und Wenzel ­Rossi, waren vorher beim böhmischen Grafen Maximilian von Martinitz bedienstet ­gewesen. Offenbar kamen sie aus der damals berühmten böhmischen Hornistenschule. 30 21 Seifert: „Die Bläser der kaiserlichen Hofkapelle zur Zeit von Johann Joseph Fux“. – Köchel: Die kaiserliche Hof Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, Nr. 804. 22 A-Whh, OMeA SR 190 und 191, OMeA K. 13, OMeA Prot. 7. – Wien, Domarchiv St. Stephan, Trauungsbuch 36, S. 204. – Köchel: Die kaiserliche Hof Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, Nr. 807, 1011. – Seifert: „Die Bläser der kaiserlichen Hofkapelle zur Zeit von Johann Joseph Fux“. 23 Wien, Domarchiv St. Stephan Trauungsbuch 32, S. 344. – Wien, Pfarrarchiv St. Leopold, Trauungsbuch 2, S. 464. 24 Wien, Pfarrarchiv Unserer Lieben Frau zu den Schotten, Hochzeitsbuch 17, fol. 127v. – A-Whh, OMeA K. 13, OMeA Prot. 7, OMeA SR 190. – Köchel: Die kaiserliche Hof Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, Nr. 1022. 25 Rudolf Schnitzler und Herbert Seifert: „Maximilian Joseph Hellmann“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Ausg. Bd. 11. London 2001, S. 349. 26 Seifert: „Die Bläser der kaiserlichen Hofkapelle zur Zeit von Johann Joseph Fux“. 27 A-Whh, OMeA SR 190 und 191, OMeA K. 13 und 14, OMeA Prot. 15. – Wien, Domarchiv St. Stephan, Trauungsbuch 36, S. 407. – Köchel: Die kaiserliche Hof Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, Nr. 805, 1002. 28 Köchel: Die kaiserliche Hof Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, Nr. 1004 und 1005. – Seifert: „Die Bläser der kaiserlichen Hofkapelle zur Zeit von Johann Joseph Fux“. 29 Wien, Pfarrarchiv Unserer Lieben Frau zu den Schotte, Hochzeitsbuch 18, fol. 116 v. – Köchel: Die kaiserliche Hof Musikkapelle in Wien von 1543 bis 1867, Nr. 996. 30 Seifert: „Die Bläser der kaiserlichen Hofkapelle zur Zeit von Johann Joseph Fux“, S. 16–18.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Um 1700 wurden aber nicht nur in der Hof kapelle, sondern überhaupt in Wien mehrere Musiker aus Böhmen und Mähren angestellt, vor allem auch an der Kirche St. Michael, wo der junge Sänger Johann Michael Spazierer (eigentlich Procházka, um 1680 Kanitz/Dolní Kounice, Mähren – 1729 März 12 Wien) von 1703 bis zu seinem Tod Regens chori war und die Mährische Landgenossenschaft gründete. 31 1680–1684 saß der genannte Mährer Franz Matthias Techelmann an der Orgel dieser Kirche, bevor er in die Hof kapelle wechselte, und dort lassen sich 1693 Johann Anton Rusofsky (auch „Rußophtzki“) aus dem mährischen Holleschau/Holešov 32 und vor 1700 ein Martin Harlitschky nachweisen, 33 dessen Name auf seine Herkunft schließen lässt. Am Schottenstift war 1685 der aus Böhmisch Kamnitz/Cˇeská Kamenice stammende Dominik Henner von Hennenfeldt Regens chori. 34 Der Bassist Anton Ferdinand Jung (um 1668 Landeck/La˛dek Zdrój, Schlesien, heute Polen – 1706 Jänner 29 Wien) sang seit spätestens 1697 dort und brachte es bis zu seinem Tod zum Chorregenten. 35 Im 17. Jahrhundert waren die J e s u i t e n am Kaiserhof besonders einf lussreich, auch politisch. Ferdinand III. und Leopold I. unterstützten ihre Kollegien, an ­denen ­regelmäßig lateinische Schuldramen gespielt wurden, bei denen die ­Kaiser anwesend waren und die daher ludi Caesarei genannt werden. Sie waren mit reicher Ausstattung und immer größerem Musikanteil bis zur Durchkomposition versehen. Aus der Glanzzeit zwischen 1677 und 1711 sind auch zahlreiche Partituren erhalten; die Komponisten waren Johann Caspar Kerll, der Regens chori der Jesuiten Johann Bernhard Staudt, der Domkapellmeister Johann Michael Zacher, der kaiserliche Organist Ferdinand Tobias Richter und Johann Jacob Stupan von Ehrenstein. 36 Unter Joseph I. begann schon der Abstieg, und Karl VI. förderte dieses Theater nicht mehr: in Wien besuchte er es nie. Maria Theresia schließlich stand ihm negativ gegenüber und verbot es schließlich. 37

31 Karl Schütz: Musikpf lege an St. Michael in Wien. Wien 1980, siehe das Namensregister. – Jirˇ í Sehnal und Jirˇ í Vysloužil: De˘jiny hudby na Morave˘. Brno 2001, S. 116. 32 Wien, Domarchiv St. Stephan, Trauungsbuch 31. 1696 war er Musicus im Wiener Professhaus der Jesuiten Am Hof (Wien, Stadt- und Landesarchiv, Totenbeschauprotokolle). 33 1700 April 19 heiratete seine Witwe: Wien, Domarchiv St. Stephan, Trauungsbuch 34. 34 Wien, Pfarrarchiv Unserer Lieben Frau zu den Schotten, Hochzeitbuch 13, fol. 185. 35 Ebenda, fol. 16. – Wien, Stadt- und Landesarchiv, Totenbeschauprotokolle 1706 Jänner 29. 36 Waltraute Kramer: Die Musik im Wiener Jesuitendrama von 1677–1711. Phil. Diss. Universität Wien 1965. 37 Franz Hadamowsky: Wien. Theatergeschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Wien 1988, S. 81.

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Musikzentren in Österreich im Barock An der D o m k i r c h e S t . S t e p h a n war eine verhältnismäßig große Kantorei vorhanden: um die Mitte des 17. Jahrhunderts zählte man 20 Musiker (sechs ­Knaben und neun Sänger, je einen Geiger, Violonisten, Theorbisten, Organisten und ­Kapellmeister). Die übrigen Instrumentalstimmen wie Viola, Zink, Posaune und Fagott wurden von den sechs Thurnern (Türmern) der Kirche ausgeführt, deren Haupt­t ätigkeit im täglichen Turmblasen mit Zinken und Posaunen bzw., zu hohen Festen, mit Trompeten und Pauken bestand. Unter den Domkapellmeistern findet man angesehene Komponisten wie Christoph Strauß, Wolfgang Ebner, Johann Michael Zacher, Fux und Vater und Sohn Reutter. 38 Ein bürgerliches Theaterhaus war das 1709 erbaute K ä r n t n e r t o r t h e a t e r, in dem deutsche und italienische Komödien gespielt wurden, aber seit 1728 auch Bearbeitungen von Opern, die als Intermezzi bezeichnet wurden, da das kaiserliche Privileg Opern nicht gestattete. So war es von da an auch Bürgern möglich, italienische Musikdramen zu besuchen, von denen sie bisher ausgeschlossen waren. Nur selten werden außer den Titeln auch die Komponisten genannt, wie etwa 1734/35 Johann Adolph Hasse und Leonardo Vinci. 39

Salzburg Das Erzbistum Salzburg war bis 1805 ein geistliches Fürstentum im bayerischen Reichskreis, das nicht dem habsburgischen Herrschaftsbereich angehörte, von diesem aber zu gut drei Vierteln umschlossen war und sich in kulturellen Angelegenheiten wie die anderen Hof haltungen im katholischen süddeutschen Raum nach dem Kaiserhof in Wien ausrichtete. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts, unter dem festesfreudigen Fürsterzbischof Marcus Sitticus von Hohenems (reg. 1612–1619), war es allerdings Wien zumindest in der Einführung der italienischen Oper um etwa ein Jahrzehnt voraus. Der in Italien erzogene Halbitaliener hatte dort die weltlichen und geistlichen musikdramatischen Unterhaltungen kennen gelernt und hatte nach seinem Amtsantritt sowohl die Macht als auch die Mittel, ähnliche an seinem Hof einzuführen. 14 Monate nach einem Besuch und Auftritt des Protagonisten von Monteverdis Mantuaner „Favola in musica“ L’Orfeo, Francesco Rasi, in Salzburg, ließ der Fürst im Februar 1614 ein Pastorale dieses Titels erstmals in seiner Residenz singen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass es diese Oper war. In seinem Hofstaat hatte er inzwischen genügend italienische Sänger und Instrumentalisten, um sie auf die 38 Herbert Seifert: „Die Entfaltung des Barock“. In: Musikgeschichte Österreichs. Bd. 1, hg. von ­Rudolf Flotzinger. 2. Aufl. Wien 1995, S. 332. – Antonicek: „1711–1740: ‚Constantia et fortitu­ dine‘. Höhenflug von Kunst und Wissenschaft unter Karl VI.“, S. 40. 39 Hadamowsky: Wien. Theatergeschichte, S. 169–197.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Bühne stellen zu lassen. Damit war er offenbar der erste Fürst im Deutschen Reich und überhaupt außerhalb Italiens, der musikdramatische Unterhaltungen aus dem Süden an seinen Hof holte. Die neue Oper Andromeda (vielleicht die von ­Girolamo Giacobbi, Bologna 1610) ließ Marcus Sitticus anlässlich der Hochzeit seines ­Neffen am 1. Dezember 1616 singen, danach bis 1618 noch einige Male. Marcus Sitticus’ Amtsnachfolger Paris Lodron ließ dem Großherzog der Toskana 1628 im Steintheater von Hellbrunn die einstündige geistliche Oper La Maddalena Peccatrice mit Musik vom Kapellmeister Stefano Bernardi vorführen, die im September desselben Jahres im Rahmen der Domweihefeiern wiederholt wurde, bei denen von diesem Veroneser Komponisten außerdem ein zwölfchöriges Te Deum zur Aufführung gelangte.40 Bernardi war seit 1624 mindestens zehn Jahre lang Kapellmeister in Salzburg und komponierte in dieser Zeit sowohl im mehrchörigen als auch im neuen geringstimmigen Stil Kirchenmusik. Nach ihm kam es zu einer längeren Trockenperiode, bevor unter Erzbischof Max Gandolph von Kuenburg (reg. 1668–1684) ein neuer Aufschwung erfolgte. Er förderte die weltliche Musik, vor allem die instrumentale. Der berühmte Violinvirtuose Heinrich Ignaz Franz Biber (1644 Wartenberg/Stráž pod Ralskem, Böhmen – 1704 Salzburg) kam 1671 aus den Diensten des Fürstbischofs von Olmütz/Olomouc, Carl Liechtenstein-Castelcorn, in Kremsier/Kromeˇrˇ íž in die des Erzbischofs nach Salzburg und war hier seit 1679 als Vize- und seit 1684 als Nachfolger von Andreas Hofer als Erster Kapellmeister tätig; 1690 wurde er vom Kaiser in den Adelsstand erhoben. Er komponierte vielchörige Kirchenmusik und Instrumentalwerke; an dramatischer Musik für den Hof kennen wir von ihm die Opern Alessandro in Pietra (1689) und Chi la dura la vince (1690/92) – die einzige erhaltene von der Salzburger Opernpf lege des 17. Jahrhunderts. Die früher Orazio Benevoli zugeschriebene und angeblich zur Weihe des Salzburger Doms 1628 aufgeführte 53stimmige Festmesse mit dem ebenso besetzten Hymnus Plaudite tympana und eine 23-stimmige, in Brüssel erhaltene Messe sind aus inneren und äußeren Gründen in die zweite Jahrhunderthälfte zu stellen; als Autor kommt in erster Linie Biber in Frage, als Aufführungsanlass für die Festmesse und den Hymnus die Elf hundertjahrfeier der Gründung des Erzstiftes 1682. Georg Muffat ließ in seiner Salzburger Zeit, als er Hoforganist war, Streicher­ sonaten und Orgelwerke drucken. In seinen Orchestersuitensammlungen von 1695 und 1698 propagierte er ausdrücklich den „vermischten Stil“.41 Der wichtigste Komponist des Salzburger Spätbarocks war dann der Schwabe Johann Ernst 40 Herbert Seifert: „Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen: Salzburg, Prag, Wien, Regensburg und Innsbruck“. In: „in Teutschland noch gantz ohnbekandt“. Monteverdi-Rezeption und frühes Musiktheater im deutschsprachigen Raum, hg. von Markus Engelhardt. Frankfurt am Main 1996, S. 29–44 [113–126]. 41 Seifert: „Die Entfaltung des Barock“, S. 312, 344, 347.

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Musikzentren in Österreich im Barock ­Eberlin (1702–1762), Hoforganist, Hof kapellmeister und Freund Leopold Mozarts. In seiner Kirchenmusik, den 14 Oratorien und den Orgelwerken findet man – seiner Generation entsprechend – schon Kennzeichen des frühklassischen Stils. Bemerkenswert ist weiters, daß der kaiserliche Vizekapellmeister Caldara dem Erzbischof Franz Anton Graf von Harrach (reg. 1709–1727) seit 1716 Opern, Oratorien und Kirchenmusik lieferte, wovon die Opern eigens für den Salzburger Hof komponiert sind und teilweise später in Wien nachgespielt wurden.42 Das Zentrum des Benediktinerdramas im österreichisch-süddeutschen Raum war die Salzburger U n i v e r s i t ä t. Die Musik hatte schon früh ihren besonderen Anteil: 1632 sangen im Chorus musicorum sieben Personen, während nur sechs handelnde Rollen vorkommen. Für schwierige Gesangspartien wurden Mitglieder der Hof kapelle herangezogen, und auch die Kompositionen wurden zum Teil von dort bezogen: für 60 davon war Eberlin verantwortlich.43

Innsbruck Die erzherzogliche Hof kapelle war noch 1625 mit 25 Mitgliedern recht klein, wurde jedoch innerhalb der nächsten fünf Jahre von Erzherzog Leopold V. (reg. 1626–1632) auf 45 Musiker aufgestockt, der auf seinen Italienreisen in Florenz und Mantua Intermezzo und Oper kennengelernt hatte. Zu dieser Zeit und auch in den folgenden Jahrzehnten gab es enge dynastischen Beziehungen zur Toskana durch zwei Ehen der Erzherzöge mit Medici-Prinzessinnen. Seit 1626 werden immer wieder Ballette mit italienischen musikdramatischen Einleitungen und Intermezzi beschrieben. Die Oper wird in Innsbruck allerdings erst zur Zeit der Tätigkeit von Antonio Cesti (1623 Arezzo – 1669 Florenz) fassbar, der 1652–1659 und 1661–1665 Leiter des Opernensembles war. Einen Höhepunkt bildete die 1655 zur Feier der öffentlichen Konversion der abgedankten Königin von Schweden, Kristina, zum ­k atholischen Bekenntis aufgeführte Oper Cestis L’Argia. Als 1665 mit dem Tod des Erzherzogs Sigismund Franz die Tiroler Linie der Habsburger ausgestorben war, reiste ­Kaiser Leopold nach Innsbruck, wo ihm vom dortigen Ensemble Cestis Erfolgsoper La Dori vorgeführt wurde, die nach ihrer Innsbrucker Uraufführung im Jahr 1657 ­einen Triumphzug durch Italien angetreten hatte. Zweieinhalb Monate später wurde Cesti in Wien als Opernintendant angestellt und mit ihm der Kern des Innsbrucker Ensembles. 42 Antonicek: „1711–1740: ‚Constantia et fortitudine‘. Höhenflug von Kunst und Wissenschaft unter Karl VI.“, S. 34. 43 Heiner Boberski: Das Theater der Benediktiner an der alten Universität Salzburg (1617–1778). Wien 1978.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Auch unter dem Statthalter Herzog Karl Philipp von der Pfalz-Neuburg, seit 1707, gab es in Innsbruck Musikdramen wie L’Allegrezza dell’Eno des Kapellmeisters ­Jacob Greber 1708. 1716 nahm Herzog Karl Philipp die von ihm neun Jahre zuvor mitgebrachten Musiker in seine neue Residenz Mannheim mit; die Innsbrucker Hof kapelle wurde mangels einer Hof haltung 1724 aufgelöst.44

*** Soweit ein knapper Überblick über die wichtigsten Zentren der Musik in Österreich. Hier in Mähren muss man betonen, dass zwar viel von der genannten Musik der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verloren ist, eine zentrale Fundstelle aber die Sammlung des Fürstbischofs Carl von Liechentein-Castelcorno in Kremsier/ Kromeˇrˇ íž ist, die der Österreichischen Nationalbibliothek für diese Zeit überlegen ist, ausgenommen Opern und Oratorien. Sonaten, Ballettsuiten und Kirchenmusik von Valentini, Bertali, Sances, Ebner, Schmelzer, Biber, Hofer und vielen ihrer Zeitgenossen sind meist als Unikate hier erhalten.45 Unsere Kenntnis der Wiener und Salzburger Musik des Mittelbarocks wäre ohne diese Sammlung sehr lückenhaft.

44 Seifert: „Frühes italienisches Musikdrama nördlich der Alpen“ [113–126]. 45 Jirˇ í Sehnal und Jitrˇenka Pešková: Caroli de Lichtenstein-Castelcorno episcopi Olomucensis operum artis musicae collectio Cremsirii reservata. Praha 1997.

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Barockoper im Heiligen Römischen Reich * Die Situation der Oper im 17. und 18. Jahrhundert stellt sich im Heiligen Römischen Reich ebenso buntscheckig und unübersichtlich dar wie dessen politische Landkarte mit den vielen Duodezfürstentümern.1 Hier soll der aktuelle Forschungsstand auf diesem Gebiet vorgelegt werden, wie er sich u. a. in Publikationen der letzten Jahre darstellt, und zwar äußerst komprimiert und nur auf die wichtigsten Höfe und Städte beschränkt. Grundsätzlich können wir hier zwei Erscheinungsformen der Gattung Oper unterscheiden: die in italienischer Sprache und die in deutscher Sprache gesungene, die sich nur selten überschneiden. Diese Kategorisierung deckt sich übrigens nicht mit zwei anderen möglichen, nämlich der in höfische und bürgerliche oder kommerzielle Opern und auch nicht ganz mit der in katholische und protestantische Gebiete, wie zu zeigen sein wird. Verfolgen wir also den ersten Strang, den italienischen, der sich bald nach der Entstehung der Gattung von Florenz über Mantua nach Salzburg zog. Es gilt heute als gut abgesichert, dass der Erzbischof von Salzburg Marcus Sitticus, ein Halbitaliener, 1614 die erste Oper außerhalb Italiens singen ließ, einen Orfeo, wahrscheinlich den erst sieben Jahre davor in Mantua uraufgeführten von Monteverdi; ihm folgten bis 1618 weitere Reprisen und eine zweite Oper. 2 Der Kaiserhof rezipierte die neue italienische Gattung kurz darauf: 1621 wurde in Ödenburg und 1627 in Prag je eine Oper anlässlich von Krönungen gespielt. 3 Nach einzelnen nachweisbaren Aufführungen des Hofs in Wien und Regensburg begann eine regelmäßige Pf lege der ausschließlich italienischen Oper erst mit der Krönung Kaiser Leopolds I. 1658. Anlässe waren der Fasching, die Geburtstage und bald auch die Namenstage der gekrönten Häupter und Hochzeiten, z. B. die erste dieses Kaisers, für die Antonio Cesti die fünfaktige Oper Il Pomo d’Oro komponierte, die mit großer Verspätung Mitte 1668 über die von Lodovico Ottavio Burnacini prächtig ausgestattete Bühne des von ihm neu erbauten Theaters gehen konnte.

* Zuerst erschienen in: L’Europe Baroque. Oper im 17. und 18. Jahrhundert. L’opéra aux XVVII e et XVIII e siècles, hg. von Isolde Schmid-Reiter und Dominique Meyer (Schriften der Europäischen Musiktheater-Akademie 7). Regensburg 2010, S. 103–112. 1 Vgl. die Übersichtskarte bei Renate Brockpähler: Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland (Die Schaubühne 2). Emsdetten 1964, nach S. 24. 2 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“. Musicologica Austriaca 8 (1989), S. 7–26 [siehe S. 43–65]. 3 Otto G. Schindler: „Von Mantua nach Ödenburg. Die ungarische Krönung Eleonoras I. Gonzaga (1622) und die erste Oper am Kaiserhof. Ein unbekannter Bericht aus der Széchényi-National­ bibliothek“. biblos 46/2 (1997), S. 259–293.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa 104

Auch die übrigen Werke waren keine Importware: Die Libretti für den Kaiserhof wurden meist von den Hofpoeten, die Musik von den Hof kapellmeistern oder Hof komponisten verfasst. Antonio Draghi war nach Anfängen als Librettist ab 1669 nur mehr als Komponist, Nicolò Minato als Librettist tätig. Diese beiden beherrschten die Hof bühne Leopolds I. bis zu ihrem Tod Ende des 17. Jahrhunderts mit hunderten von großen und kleinen Opern, die fast immer eine ernste Haupthandlung mit komischen Elementen kombinierten, wie das zu dieser Zeit auch in Italien die Regel war. Erst um die Jahrhundertwende kamen neben dem Vizekapellmeister Marc’Antonio Ziani andere, als Hof komponisten angestellte Musiker zum Einsatz: Carlo Agostino Badia, Johann Joseph Fux und Giovanni Bononcini.4 Kaiser Karl VI. machte Fux zu seinem Kapellmeister, ließ die großen Opern aber von Antonio Caldara und Francesco Conti schreiben, mit Ausnahme der prunkvollen, in Prag 1723 gespielten Costanza e Fortezza von Fux. Apostolo Zeno und Pietro Pariati waren die Hofpoeten dieser Zeit, seit 1731 abgelöst von dem in ­Europa vielfach vertonten Pietro Metastasio, der sich an den Tragödien von Corneille und Racine orientierte. Seit Zeno war die Komik aus den L ­ ibretti – außer den Faschingsopern – verbannt, fand aber weiterhin einen Platz in den ­Intermezzi. Für die Bühnengestaltung in Wien waren Mitglieder der Familie Galli Bibiena zuständig. Typisch für die Wiener Hofopern im Spätbarock waren kontrapunktische Arbeit und der häufige Einsatz bestimmter Soloinstrumente, v. a. der Theorbe, die Conti selbst spielte, und des Chalumeau, oft in Kombination mit Querf löte. Zwei Trompeten- und Paukenchöre waren für das Repräsentationsbedürfnis Karls VI. charakteristisch. 5 1728 begann im Wiener Kärntnertortheater parallel zu den nur für den Adel zugänglichen Hofopern eine für jedermann gegen Bezahlung offene Opernunternehmung, die in den folgenden 20 Jahren mit etwa 150 Produktionen die Hauptspielstätte italienischer Musikdramen in Wien war.6 Die Brüder Angelo und Pietro Mingotti leiteten je eine Operntruppe, die seit 1736 zehn Jahre lang abwechselnd in Graz Werke von Johann Adolph Hasse, Giovanni Battista Pergolesi und anderen, darunter wohl auch Antonio Vivaldi, aufführten. Auch Adel und Bürger der Städte Linz und Klagenfurt hatten durch diese Wandertruppen und die von­

4 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Wien 1985. 5 Theophil Antonicek: „Die Vollendung des Barock im Zeitalter der höfischen Repräsentation“. In: Musikgeschichte Österreichs, hg. von Gernot Gruber. 2. Aufl. Wien et al. 1995, Bd. 2, S. 15–73. 6 Eleonore Schenk: Die Anfänge des Wiener Kärntnertortheaters. 1710–1748. Maschr. phil. Diss. Universität Wien 1969, bietet Ansätze zur weiteren Erforschung dieser wenig beachteten ersten öffentlichen Oper in Wien. Ein Forschungsprojekt soll die Kenntnis darüber in nächster Zeit vertiefen.

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Barockoper im Heiligen Römischen Reich Antonio Denzio und Santo Lapis für kurze Zeit Gelegenheit, italienische Opern kennen zu lernen. Diese beiden Impresari waren in Prag aktiv gewesen, bevor sie ihre Wandertätigkeit in Zentral- und Nordeuropa ausweiteten.7 Nach dem Tod Karls VI. (1740) betrieb Maria Theresia eine sparsamere Kulturpolitik. Der ehemalige Hoftänzer Franz Joseph Selliers, Pächter des bür|gerlichen 105 Kärntnertortheaters, baute das kaiserliche Ballhaus 1741 zum „Theater nächst der Burg“ aus und arrangierte sich mit dem Hof dahingehend, dass die Vorstellungen in beiden Häusern für den Hofstaat gratis, sonst aber für zahlendes Publikum stattfanden und dafür die kaiserlichen Musiker mitwirkten. Seit 1748 wurden auf diesen Bühnen auch Christoph Glucks italienische und französische Opern gespielt. Er war davor als Kapellmeister mit Pietro Mingottis Wandertruppe in Dresden, Kopenhagen und Hamburg gewesen. Die Musik seiner mit Raniero de Calzabigi verfassten Wiener sogenannten Reformopern Orfeo ed Euridice (1762) und Alceste (1767) unterscheidet sich durch ihre radikale Vereinfachung von der seiner Vorgänger und der meisten Zeitgenossen: Die große Da-Capo-Arie wird zugunsten von kleineren, liedartigen Formen und von orchesterbegleiteten Rezitativen zurückgedrängt, und die Ouverture stellt erstmals kurz den Inhalt der Oper dar.8 Zurück ins Seicento, zu anderen Residenzen: In der habsburgischen in Innsbruck war Antonio Cesti seit 1652 als Opernkomponist angestellt, der ein dann 1666 nach Wien transferiertes Sängerensemble auf baute und mit Giovanni Francesco ­Apolloni einige höchst erfolgreiche, in Italien oft nachgespielte Opern schrieb, wie Orontea, L’Argia und La Dori, die in einem 1653 erbauten Comödienhaus ihre Premieren erlebten.9 Als 1678–1693 Herzog Karl von Lothringen mit seiner Frau Eleonore Maria, einer Halbschwester Kaiser Leopolds, als Statthalter in Innsbruck residierte, brachten v. a. Adelige des Hofstaats Opern zur Aufführung, u. a. ältere Werke von Cesti und 1692 auch die ersten beiden Opern von Carlo Agostino Badia. Auch unter dem Statthalter Herzog Carl Philipp von der Pfalz-Neuburg (1707– 1717) gab es in Innsbruck zu besonderen Anlässen gelegentlich Musik­d ramen, v. a. vom ­Kapellmeister Jakob Greber vertont.10

7 Artikel „Antonio Denzio“ und „Santo Lapis“ in: Österreichisches Musiklexikon online, hg. von Rudolf Flotzinger, http://hw.oeaw.ac.at/ml?frames=yes (5. Februar 2010). 8 Zur Problematik der sogenannten „Opernreform“ siehe Arnold Jacobshagen: „Opernkritik und Opern-‚Reform‘“. In: Die Oper im 18. Jahrhundert, hg. von Herbert Schneider und Reinhard ­Wiesend (Handbuch der musikalischen Gattungen 12). Laaber 2001, S. 74–84. 9 Herbert Seifert: „Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna, with new informations about his last year and his œuvre“. In: La figura e l’opera di Antonio Cesti nel Seicento ­e uropeo. Convegno internazionale di studio, Arezzo, 26–27 aprile 2002, hg. von Mariateresa Dellaborra (Quaderni della Rivista italiana di musicologia 37). Firenze 2003, S. 15–62 [195–242]. 10 Walter Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Innsbruck 1954.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Außerhalb des Kaiserhauses konnten sich im 17. Jh. auf dem Gebiet des heutigen Österreich nur Fürst Johann Seyfried von Eggenberg und die Fürsterzbischöfe von Salzburg italienische Opernensembles leisten: Zwischen 1688 und 1694 kamen im Schloss Eggenberg bei Graz mindestens vier Musikdramen des Hof kapellmeisters Pietro Romolo Pignatta auf die Bühne,11 und Georg Muffat und Heinrich Ignaz Franz Biber schrieben um 1690 je eine italienische Oper für Salzburg.12 Dort fanden die früher sporadischen Aufführungen unter der Regierung des Fürsterzbischofs Franz Anton von Harrach eine intensivierte Fortsetzung; der kaiserliche Vizekapellmeister Caldara schrieb für ihn mehrere, zwischen 1719 und 1727 gespielte Opern, die zum Teil dann in Wien übernommen wurden.13 106 In Deutschland wurde die italienische Oper noch im 17. Jahrhundert an den kurfürstlichen Höfen von Bayern, Sachsen und der Pfalz heimisch. In München gab es seit den 1650er-Jahren eine von den Komponisten Johann Kaspar Kerll und ­Giuseppe Antonio Bernabei dominierte, kontinuierliche Opernpf lege bis 1692; während der Zeit von Maximilian Emanuel in Brüssel bis 1715 setzte sie allerdings aus; danach übernahm Pietro Torri die musikalische Seite. In Dresden ließ Johann Georg II. 1662 zur Hochzeit seiner Tochter die italienische Oper Il Paride von ­Giovanni Angelini Bontempi spielen.14 Die Nachfolger dieses Kurfürsten erbauten ein Opernhaus und ließen es im Karneval regelmäßig bespielen; Carlo P ­ allavicino war Kapellmeister. Der nach Frankreich orientierte August der Starke entließ die italienische Operngesellschaft und wandelte das Theater in seine katholische Kapelle um. Erst Kronprinz Friedrich August II. holte 1717 wieder italienische Operisten aus Venedig nach Dresden, angeführt von Antonio Lotti; der berühmte Kastratenstar Francesco Bernardi, genannt Senesino, gehörte ihnen an. 1719 wurde das neue Operntheater Matthäus Daniel Pöppelmanns beim Zwinger eröffnet. 1731 wirkten Johann Adolph Hasse und seine Frau Faustina erstmals hier, seit 1734 dann ständig und nachhaltig.15 Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz ließ in seiner Residenz Düsseldorf Opern von seinen Kapellmeistern Sebastiano Moratelli und Johann Hugo Wilderer, von Carlo Pietragrua und von seinem Diplomaten Agostino Steffani vertonen und 1695

11 Herbert Seifert: „Die Entfaltung des Barocks“. In: Musikgeschichte Österreichs, hg. von Rudolf Flotzinger. 2. Aufl. Wien et al. 1995, Bd. 1, S. 299–361, hier S. 313. 12 Sibylle Dahms: „Opern und Festkantaten des Salzburger Hochbarocks“. Österreichische Musikzeitschrift 25 (1970), S. 377–384. 13 Angela Romagnoli: „Antonio Caldara“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2. Ausg. Personen­t eil. Bd. 3. Kassel 2000, Sp. 1660–1674, hier Sp. 1663, 1667 f. 14 Silke Leopold: Die Oper im 17. Jahrhundert (Handbuch der musikalischen Gattungen 11). Laaber 2004, S. 262–265. 15 Ortrun Landmann: „Dresden IV.3“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2. Ausg. Sachteil. Bd. 2. Kassel 1995, Sp. 1534–1539, hier Sp. 1536–1538.

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Barockoper im Heiligen Römischen Reich ein Opernhaus erbauen.16 In Hannover konnte man seit 1678 italienische Opern hören. 1689 wurde das große Schlosstheater mit Agostino Steffanis Enrico Leone eröffnet,17 doch hielt sich diese Enklave nur bis 1697, als Herzog Ernst August starb. Auch die Länder der böhmischen Krone gehörten dem Heiligen Römischen Reich an. In ihrer Hauptstadt Prag spielte nach den gelegentlichen Aufenthalten des Kaiserhofs im 17. Jahrhundert die Truppe von Antonio Maria Peruzzi und Antonio Denzio, die 1724 zuerst in der Sommerresidenz Kukus (Kuks) des Grafen Franz Anton von Sporck aufgetreten war, ab Herbst dieses Jahres öffentlich italienische Oper in dessen Theater, angeregt durch die während der Krönungsfeiern 1723 aufgeführte Prunkoper Costanza e Fortezza von Fux.18 Seitdem gab es ein reges, von Wien unabhängiges Opernleben in Prag, und außerhalb der Hauptstadt wurde in Böhmen und Mähren in einigen adeligen Residenzen gespielt, v. a. bei Graf Johann Adam von Questenberg in Jaromeritz, der ebenfalls seit 1723 einen Opernbetrieb finanzierte und Werke von in Wien tätigen Komponisten wie Caldara und Conti aufführen ließ. In Brünn trat die Wandertruppe von Angelo Mingotti zwischen 1732 und 1736 auf, und in | Breslau spielte von 1725 bis 1734 eine Kompanie unter 107 wechselnden Impresari mit dem Hauptkomponisten Antonio Bioni, der etwa 20 Opern für sie schrieb.19 Überhaupt war es ein besonders wirkungsmächtiges Phänomen, dass italienische Operntruppen (Denzio, Mingotti, Giovanni Battista Locatelli, Filippo Nicolini, Eustachio Bambini) seit den 1720er-Jahren Opern im Norden Europas verbreiteten. Die Wandertruppe des Impresarios Peruzzi etwa spielte 1724 in Prag, im nächsten Jahr in Breslau, 1726 in Köln, 1731 in Frankfurt und 1733 in Augsburg. Die Brüder Mingotti dehnten ihre Reisen bis nach Hamburg, Frankfurt, Leipzig, Dresden, Berlin und auf andere Städte des Reichs aus. 20 Was das Repertoire betrifft, lässt sich konstatieren, dass Hofopern nicht zirkulierten, im Gegensatz zu den für öffentliche Theater in Italien komponierten ­Werken, die als Ganzes oder in Form von Pasticci den Norden überschwemmten, also ­Adaptierungen bestehender Libretti mit Musik von mehreren Komponisten, 16 Andrea Thelen: „Düsseldorf “. Ebenda, Sp. 1601–1608, hier Sp. 1603. 17 Leopold: Die Oper im 17. Jahrhundert, S. 273 f. 18 Reinhard Strohm: „Italian Operisti North of the Alps, c. 1700–c. 1750“. In: The EighteenthCentury Diaspora of Italian Music and Musicians, hg. von Reinhard Strohm (Speculum Musicae VIII). Brepols 2001, S. 21. 19 Michal Bristiger und Reinhard Strohm: „‚Libertà, marito e trono fur miei beni…‘ Die ­w iederentdeckte Andromaca von Antonio Bioni (Breslau 1730)“. In: Italian Opera in Central Europe 1614–1780. Bd. 3. Opera Subjects and European Relationships, hg. von Norbert Dubowy, Corinna Herr und Alina Zórawska-Witkowska, in Zusammenarbeit mit Dorothea Schröder. Berlin 2007, S. 73–109, hier S. 73 f. 20 Strohm: „Italian Operisti North of the Alps“, S. 24.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa z. B. ­Antonio Vivaldi und Tomaso Albinoni. Ausnahmen von dieser Regel bildeten einige Wiener Hofopern der Brüder Antonio und Giovanni Bononcini und von Conti und Caldara, die in Bearbeitungen in Hamburg, Braunschweig und Wolfenbüttel übernommen wurden 21 und ihren Weg durch die Truppen auch nach Prag, Breslau und Brüssel fanden, oder Opern von Johann Adolph Hasse. König Friedrich II. von Preußen ließ zwischen 1741 und dem Ausbruch des Siebenjährigen Kriegs 1756 französische Tragödien von Corneille und Racine in italienische drammi per musica transformieren, von Carl Heinrich Graun und Johann Friedrich Agricola vertonen und von italienischen Sängern realisieren. 22 Den zweiten, nur im protestantischen Bereich des Reichs zu verfolgenden Strang von Opern bildeten die in deutscher Sprache. Als erste solche galt früher die ­D aphne-Übersetzung von Martin Opitz, die mit Musik von Heinrich Schütz 1627 in Torgau über die Bühne ging, doch dürfte es sich nach neueren Beurteilungen ­d abei eher um ein gesprochenes Drama mit Musikeinlagen als um eine durchgehend gesungene Oper mit Rezitativen gehandelt haben, 23 anders als bei dem 1644 gedruckten, aber erst zehn Jahre später am Hof von Wolfenbüttel aufgeführten Singspiel Seelewig von Georg Philipp Harsdörffer mit Musik von Sigmund ­Theophil Staden, 24 das allerdings weder textlich noch musikalisch mit der fast ein halbes Jahrhundert älteren, mit einer ähnlichen moralisierenden Handlung versehenen Oper Rappresentatione di Anima e di Corpo von Emilio de’ Cavalieri konkurrieren kann, von den gleichzeitigen Opern Monteverdis oder Francesco Cavallis gar nicht zu reden. Am Dresdner kurfürstlichen Hof gab es übrigens 1672 eine 108 deutsche Oper Dafne auf Grund|lage des Textes von 1627, aber mit Musik von den Italienern Angelini Bontempi und Marco Giuseppe Peranda. 25 Am württembergischen Hof in Stuttgart führte der für die deutsche Oper hochbedeutende Johann Sigismund Kusser in den Jahren 1698–1704 eigene deutsche Opern und übersetzte von Agostino Steffani, Jean-Baptiste Lully und Antonio ­Gianettini auf, nachdem er in den Jahren davor Oberkapellmeister am Hof von BraunschweigWolfenbüttel und danach Musikdirektor der Hamburger Oper gewesen war und anschließend mit seiner Operntruppe in Kiel, Augsburg und ­Nürnberg für das Bürgertum gespielt hatte. 26

21 Ebenda, S. 55. 22 Ebenda, S. 11. 23 Leopold: Die Oper im 17. Jahrhundert, S. 243–246. 24 Eine ausführliche Besprechung findet sich ebenda, S. 248–256. 25 Ebenda, S. 265 f. 26 Samantha Owens: „The Rise and Decline of Opera at the Württemberg Court, 1698–1733“. In: Italian Opera in Central Europe. Bd. 1. Institutions and Ceremonies, hg. von Melania Bucciarelli, Norbert Dubowy und Reinhard Strohm. Berlin 2006, S. 99–114.

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Barockoper im Heiligen Römischen Reich 1678 wurde das nach venezianischem Vorbild erbaute Hamburger Opernhaus am Gänsemarkt eröffnet, wo sich sechzig Jahre lang eine öffentliche, doch ähnlich wie in Venedig durch Patrizier kontrollierte Opernunternehmung halten konnte. Johann Wolfgang Franck, Nikolaus Adam Strungk und Johann Philipp Förtsch waren zunächst die Komponisten, denen vor und um 1700 Kusser und vor allem Reinhard Kaiser folgten; auch Händel schrieb seine ersten vier Opern für Hamburg, bevor er nach Rom ging, und Telemann prägte das musikalische Profil des Hauses in dessen letzten Jahrzehnten, auch mit Bearbeitungen importierter italienischer Opern, die dann gemischtsprachig auf die Bühne kamen. Zu dieser Zeit war das Unternehmen kosmopolitisch ausgerichtet und übernahm sein Repertoire aus Norditalien und von mitteleuropäischen Höfen zwischen Braunschweig und Wien. Nach 1738 allerdings ersetzten gelegentliche Gastspiele italienischer Wandertruppen wie im gesamten Reich die deutschsprachige Opernszene Hamburgs. 27 Im Herzogtum Sachsen-Weißenfels kamen zwischen 1680 und etwa 1736 deutsche Opern vom Hof kapellmeister Johann Philipp Krieger sowie von Strungk, Händel und Keiser auf die Bühne, in Wolfenbüttel unter Herzog Anton Ulrich in den 1680er-Jahren, dann seit 1690 im neu erbauten Opernhaus in Braunschweig Musik vom Oberkapellmeister Kusser, von Keiser und Georg Caspar Schürmann. 28 Für das Bühnenbild vieler Opern in Mittel- und Norddeutschland war Johann Oswald Harms bestimmend. 29 Als eigenständige Erscheinung, die einige der Nebenschauplätze bespielte, soll abschließend noch Gottfried Heinrich Stölzel genannt werden, der seit 1711 in Breslau, Naumburg, Prag, Bayreuth, Gotha und Altenburg zahlreiche deutsche Opern seiner Komposition aufführte. 30 Schließlich gab es sogar im sonst ganz italienisch ausgerichteten Wien, im städtischen Kärntnertortheater, 1741 als Ausnahme die deutschsprachige Oper Hypermnestra von Ignaz Holzbauer. 31 Wollte man diese unübersichtliche, weil sehr zersplitterte Situation verallgemei- 109 nernd zusammenfassen, könnte man die italienische Oper zunächst v. a. im katholischen süddeutsch-österreichischen höfischen Bereich finden, von den jeweiligen Hof kapellmeistern und -komponisten dominiert, mit einzelnen Ausreißern 27 Hans Joachim Marx und Dorothea Schröder: Die Hamburger Gänsemarkt-Oper: Katalog der Textbücher (1678–1748). Laaber 1995. 28 Brockpähler: Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, unter den Ortsnamen. 29 Dorothea Schröder: „Italienbild und Italiensehnsucht im Norden: Zu einige Bühnenbildent­ würfen von Johann Oswald Harms und ihren Quellen“. In: Italian Opera in Central Europe 1614– 1780. Bd. 2. Italianità: Image and Practice, hg. von Corinna Herr, Herbert Seifert, Andrea SommerMathis und Reinhard Strohm. Berlin 2008, S. 303–322. 30 Fritz Hennenberg: „Gottfried Heinrich Stölzel“. In: The New Grove Dictionary of Opera. Bd. 4. London 1992, S. 550. 31 Lawrence Bennett: „Ignaz Holzbauer and the Origins of German Opera in Vienna“. Eighteenth Century Music 3/1 (2006), S. 63–90.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa im mittel- und norddeutschen Bereich, wo sich die Fürsten für diese faszinierende Kunstform begeisterten. Agostino Steffani war da eine integrative Persönlichkeit. In der Spätphase ab 1720 sorgten italienische Wandertruppen für die fast f lächendeckende Verbreitung der Gattung im Reich. Übertragungen in die deutsche Sprach- und Musiksphäre begannen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts v. a. mit der öffentlichen Hamburger Opernbühne. Für die Verbreitung dieser deutschen Variante waren um und nach 1700 Johann Sigismund Kusser und Reinhard Keiser von größter Bedeutung.

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CESTI AND HIS OPERA TROUPE IN INNSBRUCK AND VIENNA, WITH NEW INFORMATIONS ABOUT HIS LAST YEAR AND HIS ŒUVRE * The question could arise if the first part of the title of this paper is justified, i. e. if we can really speak of an opera troupe (compagnia stabile) headed by Cesti like an impresario. It can be shown that it really existed in a similar way, the main difference being that Cesti did not have to bear the commercial risks of an impresario, because he had his personnel and performances financed by the rulers whom he served. Although Antonio Cesti was born in Tuscany, had his first success as opera composer in Venice and returned to the Grand Duchy shortly before his death, he spent the greatest part of his creative life, which spanned no more than 18 years, in the service of Habsburg princes in Austria, and composed 13 of his probably 18 stage works for their festive needs and the other five for the public theatre at Santi Giovanni e Paolo in Venice; moreover he adapted one of these Venetian operas for the court of Innsbruck (appendix I).

1. INNSBRUCK The reasons which led to the employment of Cesti and his companions need to be explained. Two princes of the Tyrolean branch of the Habsburg family had m ­ arried Medici princesses: Archduke Leopold took Claudia de’ Medici in 1626, his son and successor Ferdinand Carl chose Anna de’ Medici as his wife, and Leopold’s daughter Isabella Clara became duchess of Mantua by her marriage to Carlo II Gonzaga. So there existed close connections to the two Italian courts where the new genre opera had begun and still f lourished by mid-century. In 1652 Archduke ­Ferdinand Carl, his wife Anna de’ Medici and his brother Sigismund Franz t­ravelled from Innsbruck south to Italy and | visited the courts of Mantua, Modena, Parma, 16 ­Florence and Ferrara. The entertainments prepared for these visitors by the Italian princes of course included operas, too, e. g. in Mantua Theti,1 whose libretto was set to music four years later at the Viennese court. 2 Soon after the homecoming * First published in: La figura e l’opera di Antonio Cesti nel Seicento europeo. Convegno internazionale di studio, Arezzo, 26–27 aprile 2002, ed. by Mariateresa Dellaborra (Quaderni della Rivista italiana di musicologia 37). Firenze 2003, S. 15–62. 1 Walter Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt 1954, p. 285. 2 Cfr. Herbert Seifert: “Teti in Venice (1639), Mantua (1652), Paris (1654) and Vienna (1656). Obvious

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa of the princes to Innsbruck, on 18 June 1652, they had a tournament performed, honouring Archduchess Anna, together with an “Introduzione drammatica”. The libretto had been written by the court preacher Diego da Lequile from Naples, the music by the chaplain, singer and organist Antonio Maria Viviani. 3 In December 1652 the archduke hired Antonio Cesti as maestro di cappella di ­c amera. How did he get the idea to choose this 30-year-old singer and composer for this newly created position, who hitherto had composed only two operas, both for Venice? The libretto of the first one, Alessandro vincitor di se stesso, written by Francesco Sbarra from Lucca, in 1651 had been dedicated by the stage designer and choreographer Giovanni Battista Balbi to the Habsburg archduke Leopold ­Wilhelm, at that time as governor of the Southern Netherlands resident in B ­ russels, where Balbi had been in service and had staged the Ballet du monde the year before.4 This archduke, a cousin of Ferdinand Carl, and his brother Emperor Ferdinand III both were fond of Italian opera since the late 1620s and had organized performances since the 1630s;5 the emperor even had composed one himself by 1649.6 So it seems quite natural that the Tyrolean cousin did not want to stay behind them and had ambitions to have at last an operatic establishment by his own. 17 If we can believe what was reported to Benedetto Ferrari about the per|formance of Cesti’s Alessandro, it was not a success at all, and especially the music did not please the audience,7 contrary to Cesti’s second opera Il Cesare amante, first performed in Venice in 1651/1652 and repeated in Genoa in 1653, probably with the famous

and hidden relations”. In: Les noces de Pélée et de Thétis, Venise, 1639 – Paris, 1654 / Le nozze di Teti e di Peleo, Venezia, 1639 – Parigi, 1654, Actes du colloque international de Chambéry et de Turin (3–7 novembre 1999), Textes réunis par Marie Therèse Bouquet-Boyer. Bern: Peter Lang 2001, pp. 173–181 [737–743]. 3 Libretto in Ljubljana, Semeniška knjižnica AE 39/2. Cfr. Metoda Kokole: “Italian Operas in ­Ljubljana in the Seventeenth and Eighteenth Centuries”. In: Il teatro musicale italiano nel Sacro ­R omano Impero nei secoli XVII e XVIII, Atti del VII Convegno Internazionale sulla musica i­ taliana nel secoli XVII–XVIII (Loveno di Menaggio, Como, 15–17 luglio 1997), a cura di Alberto Colzani, Norbert Dubowy, Andrea Luppi and Maurizio Padoan. Como: A.M.I.S. 1999, p. 273. – Senn: ­M usik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 285, quotes a contemporary description, but does not know the libretto and the authors. 4 Irene Alm: “Giovanni Battista Balbi”. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Vol. 2. London 2001, pp. 527–528. 5 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing: Schneider 1985, pp. 30–42. 6 An analysis of this Drama musicum is given by Theophil Antonicek: “Die italienischen Textver­ tonungen Kaiser Ferdinands III.” Chloe. Beihefte zum Daphnis 9 (1990), pp. 210–227. 7 Lorenzo Bianconi and Thomas Walker: “Dalla ‘Finta Pazza’ alla ‘Veremonda’: storie di ­Febiarmonici”. Rivista Italiana di Musicologia 10 (1975), pp. 379–454: 431. – Ellen Rosand: Opera in seventeenth-century Venice. The creation of a genre. Berkeley: University of California Press 1991, p. 280.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna Roman singer Anna Renzi as Cleopatra.8 After all he was called by Francesco Sbarra in 1650 “miracolo della musica”9 and by Salvator Rosa in the same year in Florence “al presente gloria e splendore delle scene secolari”, which at that time could only refer to his singing, and “in Venetia è divenuto immortale e stimato il primo huomo che oggi componga in musica” in 1652, referring to his music for Il Cesare amante.10 Ferdinand Carl could have met Cesti in Italy during his journey;11 but the recommendation could also have come from the Medici family, from Archduke Leopold Wilhelm, or perhaps from Antonio Maria Viviani, who had been at the court in Innsbruck at least since 1648 and probably had come from Tuscany, too;12 he could have known Cesti from there. In any case, Cesti was employed for the Italian v­ ocal music in Innsbruck less than one year after the premiere of his second opera in ­Venice, and at the same time the archduke had a theatre built after Venetian models. It was completed during 1653, and the castrato singer and diplomat Atto Melani wrote on 25 May of this year from Innsbruck to Duke Carlo Gonzaga in Mantua:13 Il Ser[enissi]mo Arciduca mi addimandò subito di V[ostra] A[ltezza] S[erenissima] e mi disse ch[e] l’aspettava con sicurezza, e veram[en]te ne mostra gran desid[eri]o p[er]ch[e] l’opera ch[e] è p[er] farsi è tutta fondata sopra la nascita d[e]l ser[enissimo] Pr[inci]pe figlio di V[ostra] A[ltezza] S[erenissima], le parole sono come appunto ella mi disse, e p[er] hora voglio procurare di mandar le qui annesso l’argum[en]to p[er] servirla a suo tempo della med[esi]ma; La musica è del padre Cesti e non è cattiva. I recitanti sono, Monello, D. Giulio Cesare di Bologna, i Musici di S[ua] A[ltezza], e trà gli altri il sig. Viviani. Il teatro è poco più grande di quei di Ve|netia; le scene sono à quella maniera, ma giuro à V[ostra] A[ltezza] ch[e] mi ­piacque più quelle del suo Teatrino; […] Anche il ser[enissimo] Arciduca si è dato alla Musica, e sa fare alcune Sonate sopra il Cimbalo e la Viola, li

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8 Bianconi-Walker: “Dalla ‘Finta Pazza’ alla ‘Veremonda’: storie di Febiarmonici”, p. 442. – Rosand: Opera in seventeenth-century Venice, p. 233. 9 Adolf Sandberger: “Beziehungen der Königin Christine von Schweden zur italienischen Oper und Musik. Mit einem Anhang über Cestis Innsbrucker Aufenthalt”. Bulletin de la Societé Union Musicologique 5 (1925), p. 150. 10 Poesie e lettere inedite di Salvator Rosa, trascritte e annotate da Uberto Limentani. Firenze: Olschki 1950, p. 117. 11 This is assumed by Lorenzo Bianconi: “Cesti Pietro”. In: Dizionario biografico degli Italiani. Vol. 24. Roma 1980, p. 283. 12 His cousin, the violinist and later maestro di cappella at the Innsbruck court, Giovanni ­Buonaventura Viviani, was born in Florence in 1638. Cfr. Herbert Seifert: Giovanni Buonaven­ tura Viviani. Leben. Instrumentalwerke. Vokale Kammermusik. Tutzing: Schneider 1982. 13 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 554.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa piace assai Monello nel Cantare, ed il Padre Cesti è il suo Dio della Musica, si che l’Anglesi ch[e] sperava haver ad’esser il favorito ed il m[aest]ro maggiore, è molto afflitto di vedersi lontano della sua speranza, […] Si farà la prima opera nel mese di Agosto p[er]ch[é] il teatro è molto indietro, e se ne farà poi anch[e] un’altra p[er] la nascita di q[ues]to Pr[inci]pe, e pensa S[ua] A[ltezza] di fare una festa à cavallo et un’altra di fuochi in un certo lago qui vicino […]. A week later, after the birth of the archduke’s daughter, he reports about the changes:14 Invio á V[ostra] A[ltezza] S[erenissima] l’argomento di questa opera con l’Inventioni delle Machine Scene é Personaggi. Voleva S[ua] A[ltezza] far fare una festa á Cavallo et un altra di fuochi come giá scrissi á V[ostra] A[ltezza]; ma p[er] non essere stato Maschio credo ch[e] non si faranno altre feste ch[e] q[est]ta prima et un’altra Commedia in Musica; […] These two letters contain a lot of important informations about Cesti and his singers. On 31 August 1652, Ferdinand Carl’s sister, Isabella Clara, had born a son to the duke of Mantua, and he was baptized with the names of his Tyrolean uncle, Ferdinando Carlo. To celebrate this birth, this prince prepared an opera performance and expected the duke to visit it, which did not happen until July 1654. Cesti’s first success in Venice, Il Cesare amante, with libretto by Dario Varotari, was chosen to be performed as the first spectacle in the new theatre. Melani apparently knew the music, which he called “non cattiva”. As singers he lists Monello, which was the nickname of the castrato D. Filippo Bombaglia (Bompaglia), and whose singing the archduke liked particularly, the bass D. Giulio Cesare Donati (c. 1629–1692) and the musicians of the archduke, including Antonio Maria Viviani (?–1683), whose voice range is not known. Cesti was according to this witness the archduke’s “Dio della Musica”. Domenico Anglesi, court organist from Florence, was also in Innsbruck at that time and had hoped to get Cesti’s job. Not only did Ferdinand Carl choose an opera which had been successful on the Venetian stage, but interestingly he did not copy one of the court theatres he had seen during his visits to Italian princes, but the public ones 19 of Venice, which he had not seen him|self.15 The building and the stage were ready for a performance in July 1653, but the archduke planned to travel to Regensburg, where an imperial diet with the electors and the emperor held its sessions. 14 Ibidem. 15 Also the ambassador Nani wrote about the theatre in 1659: “Vedessimo il Teatro per recitar le opere, veramente bello d’Architetura e pitura, presa la forma da quelli, che sono in Venetia, ma diversificato molto nella qualità de i lavori.” (Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 270).

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna There is a list of the musicians which he wanted to take with him,16 including the Italians Cesti, Viviani, Anglesi, Melani, Donati, the castratos Bombaglia, Astolfo Bresciani and Clemente Antoni, the bass Giorgio Giacomo Alcaini and a priest with unknown musical function, Annibale Anselmo. But it seems that this journey did not take place after all,17 and that only Atto Melani arrived in Regensburg on 7 July 1653, in order to sing for the emperor, who had prompted Prince Mattias de’ Medici to order this travel.18 As soon as he had left Innsbruck, his part as Cleopatra in Cesti’s opera was assigned to Anna Renzi (c. 1620–after 1661), who should be called from Venice by Cesti, but first refused with the excuse that she had to perform in Genoa. As mentioned above, it could well be that she sung exactly this part there in 1653.19 But finally she accepted and arrived in Innsbruck on October 30 to sing and act the erotic part of Cleopatra, which she certainly could do better than the castrato Atto Melani. 20 In December the Tuscan resident at the imperial court, Abate Felice Marchetti, reported from Innsbruck to Florence about the planned opera performance, which forced him to stay there on the order of Archduchess Anna. He wrote about 100.000 Talers which had been spent on this festivity. 21 On 4 January 1654, he announced: “Hoggi solamente si rappresenta l’opera intitolata Cesare amante di Cleopatra”. 22 Another source, the diary of the Abbot of Wilten, mentions on this day in Latin a great “Comedia” at the court with the Italian exclamation “che bel!”23 After ­Marchetti had seen the performance, he wrote about it: riescì veram[en]te bellissima, massima p[er] quello che tocca alle scene, et à gl’habiti vaghe l’une, e ricchi gl’altri à gran segno. Li Musici si diportarono assai bene, mà il soggetto, et il componimento poteva essere assai ­m igliore. 24

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with “componimento” referring probably to the libretto. 16 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 364. 17 Ibidem, p. 245. 18 Letter by Atto Melani from Regensburg to Prince Mattias de’ Medici in Florence from 7 July 1653: “Q[ues]to giorno sono arriuato à Ratisbona […]” (I-Fas, Archivio Mediceo del P ­ rincipato, filza 5407). Letter by Archduke Ferdinando Carlo to Mattias de’ Medici from 13 July 1653: “Secondo gl’ordini di V[ostra] A[ltezza] partì subito Atto suo musico p[er] Ratisbona” (ibidem, filza 5414). 19 Bianconi-Walker: “Dalla ‘Finta Pazza’ alla ‘Veremonda’: storie di Febiarmonici”, p. 442. 20 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, pp. 266, 287. – Bianconi-Walker: “Dalla ‘Finta Pazza’ alla ‘Veremonda’: storie di Febiarmonici”, p. 442. 21 I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 5414, 21 December 1653. 22 Ibidem, 4 January 1654. 23 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 287. 24 I-Fas, Archivio Mediceo del Principato, filza 5414, 6 January 1654.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa In the next month Giovanni Filippo Apolloni, court poet, counsellor and Truchsess (master of the archducal kitchen), who had been in the service of the archduke since September 1653 and had written the prologue for La Cleopatra, reports Cesti to be “occupatissimo non men delle musiche che de gl’amori”; in May 1654 this librettist is busy with the plan of an opera “alla moda di Venezia”, which should be set to music by Cesti, and in August he writes that he had finished the text, probably of L’Argia. 25 Meanwhile Cesti had travelled to Regensburg and sung there before Emperor Ferdinand III in the beginning of March 1654 and received 100 ducats as a reward, and the duke and duchess of Mantua had visited the court of Innsbruck, and Ferdinand Carl had organised a resumption of La Cleopatra for them on 5 July. 26 When the court learned in 1655 that the resigned Queen Kristina of Sweden wanted to take her way from Brussels to Rome via Innsbruck, preparations for festivities began, including a small and a full sized Italian opera. For this purpose the new theatre was enlarged and several singers were hired from Italy, among others again Anna Renzi, who sang Dorisbe in Cesti’s new opera L’Argia. The smaller one, Marte placato, 27 in Apolloni’s libretto manuscript labelled “Componimento scenico per musica”, was performed with three sceneries in a hall of the Hof burg. It seems very probable that Cesti wrote the music also for this opera, because he was in charge of these tasks. Both were performed for Kristina in November 1655 twice. The anti-Catholic Anglican clergyman Dr. John Bargrave wrote about L’Argia: 28 That night she was entertayned with a most excellent opera, all in musick, and in Italian, the actors of that play being all of that nation, and, as some of themselves told me, they were 7 castrati or eunuchs; the rest were whoores, monks, fryers, and priests. I am sure it lasted about 6 or 7 hours, with most strangely excellent scenes and ravishing musick. 20

The list of singers written by a contemporary into one of the libretto copies29 is the only complete cast of a performance of one of Cesti’s operas with his own participation known to us and besides shows the reliability of the British report quoted: all of the singers were Italians; there were indeed seven castratos in the main parts and one more in the choir of sailors; the only female singer, Anna Renzi, is called “corteggiana”, and apart from Cesti himself at least four of the singers were cler25 Giorgio Morelli: “L’Apolloni librettista di Cesti, Stradella e Pasquini”. Chigiana 39 N. S. 19 (1982), pp. 224, 226. 26 Bianconi: “Cesti Pietro”, p. 284. 27 Morelli: “L’Apolloni librettista di Cesti, Stradella e Pasquini”, p. 263. 28 John Bargrave: Pope Alexander the Seventh and the College of Cardinals, ed. by James Craigie Robertson. [London]: Camden Society 1867, p. 70. 29 D-As, 4 Tonk 6.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna gymen. I have already published a transcription of this list, 30 but in the light of a better copy and new informations, a second edition shall be printed here (appendix III). It is of high importance for our subject, because there are only two lists of Innsbruck court musicians dating from Cesti’s time there after the selective one from 1653: one from 1660 and one from 1665. 31 Teti and Amore of the prologue were sung by the castratos Clemente – he reappeared in the main plot as the eunuch Alceo – and Gioseppe, who later had to sing the parts of Filaura and Innocenza. Clemente Antoni had been on the list for ­Regensburg in 1653, sang in 1655 with great success before Queen Kristina and seems to have been dismissed with most of the Italians in 1663. The soprano ­Giuseppe Maria Donati (?–1684) is not traceable in Innsbruck in other sources before 1663, 32 and he was one of the few who did not go to Vienna from there two years later, but to Venice. His brother Giulio Cesare was already on the list of 1653, 33 so Donati could well have been the “Gioseppe”. Atamante, king of Cyprus, was sung by Cesti himself. In the three scores preserved of Argia this part is notated in the bass clef, but none of them contains the Innsbruck version. 34 Cesti, though, on the witness of earlier sources today is believed to have been a tenor. 35 We shall deal with this problem later. At all events the maestro di cappella di camera could not have conducted the performance from the harpsichord, because he had to be on stage – like in other performances of his operas. The king’s daughter, Dorisbe, was sung by a “Romana Corteggiana che portò la medaglia et Catena della Regina”, | without doubt the soprano Anna Renzi, 36 22 the only woman in the cast; she had interpreted the role of Ottavia in Claudio Monteverdi’s L’Incoronazione di Poppea. Feraspe was acted by Astolfo Bresciani, a court chaplain and castrato who is provable in Innsbruck from at least 1653 until his dismissal in 1663 and had travelled to Mantua with Antonio Pancotti in 1654, 37 according to the scores an alto. The singer of the squire Aceste was a guest from Venice, Pellegrino Canneri, in the 30 Herbert Seifert: “Antonio Cesti in Innsbruck und Wien”. In: Il teatro musicale italiano nel Sacro Romano Impero nei secoli XVII e XVIII, p. 118. 31 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 364. 32 Ibidem, p. 292. 33 Ibidem, pp. 263, 265. 34 William Carl Holmes: “Cesti’s L’Argia: an entertainment for a royal convert”. Chigiana 26–27 N. S. 6–7 (1969–1970), pp. 40–41. The Venetian score has been edited in facsimile by Howard Mayer Brown: Italian Opera 1640–1770. Vol. 3. New York: Garland 1978. 35 Carl Brandon Schmidt: “Antonio Cesti”. In: The New Grove Dictionary of Opera. Vol. 1. London 1997, p. 807. 36 About this singer cfr. Claudio Sartori: “La prima diva della lirica italiana Anna Renzi”. Nuova Rivista Musicale Italiana 2 (1968), pp. 430–452. – Thomas Walker and Beth L. Glixon: “Anna ­Renzi”. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Vol. 21. London 2001, pp. 192–193. 37 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 263.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa scores a baritone; a month after the performances he received the high payment of 495 guilders. 38 1660 he sang in an opera in Milan, and from 1673 until after 1691 he was employed at S. Marco in Venice as a bass singer. 39 The soprano part of Argia was sung by Antonio Pancotti (c. 1635–1709), aged about 20, who had travelled from Innsbruck to Mantua the year before and was to stay in the chamber music of the archduke until 1665, when he was hired by the emperor for Vienna, where he advanced to vice maestro di cappella in 1697 and in 1700 to imperial maestro di cappella and held this position until his death in 1709. That he was an eligible singer is shown by the fact that the archduke in 1657 gave him an extra payment of 3.000 guilders to keep him in Innsbruck.40 Atamante’s lost son L ­ ucimoro, a part for contralto (in the Venetian version for soprano), was performed by Monello, which was the nickname of D. Filippo Bombaglia, in the sources of 1653 and 1660 listed as a member of the Innsbruck chamber music.41 He had sung in operas already around 1640 in Rome,42 1643 and 1654 in Venice, 1648–1652 and from 1669 until before 1680 at S. Marco in Venice.43 After his dismissal by ­Archduke Sigismund Franz early in 1663 he was employed by Empress ­Dowager 23 ­Eleonora II at least until 1667.44 We have heard his name already from Atto | ­Melani in 1653 as one of the singers in Cesti’s first opera performance in Innsbruck and the archduke’s f­ avourite vocal musician. The baritone part ­Solimano and one of a soldier sang Don Giulio Cesare Donati, a priest from Bologna, brother of the soprano Giuseppe Maria; also his name had appeared on the list of 1653 and on the cast of La ­C leopatra in 1654. In 1665 he was taken over into the imperial court m ­ usic, w ­ here he is listed as a highly paid soprano until 1670, but sang bass parts (see appendix IV). In mid 1671 he left the emperor’s service and went to Bologna and Rome,45 but from 1672 until his death in 1692 he was in the imperial cappella as a bass again, receiving the same yearly sum as before. 38 Ibidem, p. 267. He reads his name as “Conci”, but Paolo Rigoli: “Il virtuoso in gabbia”. In: ­M usica, Scienza e Idee nella Serenissima durante il Seicento, a cura di Francesco Passadore e Franco Rossi. Venezia: Fondazione Carlo Levi 1996, pp. 142–143, identifies him as Canneri. 39 Reinmar Emans: “Die Musiker des Markusdoms in Venedig 1650–1708, 1. Teil”. Kirchenmusi­ kalisches Jahrbuch 65 (1981), p. 67. 40 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 264. 41 Ibidem, p. 263. 42 Lorenzo Bianconi and Margaret Murata: “Ottaviano Castelli”. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Vol. 5. London 2001, p. 253. 43 Claudio Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800, Catalogo analitico con 16 i­ndici. ­Cuneo: Bertola & Locatelli 1990, ad indicem. – Emans: “Die Musiker des Markusdoms in ­Venedig 1650–1708”, p. 65. 44 I-MAa, Archivio Gonzaga, busta 437, letter by Eleonora to Duke Carlo II, 1663 February 25.­ Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierprotokolle vol. 58, 1664 May 24, and vol. 61, 1667 March 26. 45 Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, A-Wfh, Karton 231, Mappe “Donati Conte [!] Giulio”,

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna The comical nurse Dema was performed by Giovanni Giacomo Biancucci, a tenor probably from Lucca, already 1654 as guest in Innsbruck, by 1660 as member of the musica da camera. In November 1665 he travelled with Giuseppe Maria Donati and one of the Melani brothers from Innsbruck to Venice and sang there in the following season and in 1667 at the Teatro Santi Giovanni e Paolo, 1669 and 1670 in Mantua und 1681 in Bologna in operas. He is listed as a tenor of the music at S. Marco in Venice several times between 1669 and after 1689.46 The part of Venere, with many virtuoso coloraturas, was written for the Roman soprano castrato Pompeo Sabbatini (?–1676), who from the service of Marchese Cornelio Bentivoglio in Ferrara had f led to Innsbruck,47 where he stayed from about 1653 until 1665,48 then went as part of Cesti’s troupe to Vienna and after the great festive opera Il Pomo d’oro was hired in 1668 for the cappella of Düsseldorf; in 1676 he died in Neuburg.49 One of the singing sailors was sung by the castrato and clergyman Luca Angioletti, who had been in the archduke’s service before Cesti had come; at Ferdinand Carl’s journey to Italy in 1652 he had been in his retinue. In January 1663 he died in Innsbruck.50 During the next 25 years many Italian theatres played Apolloni’s and Cesti’s 24 L’Argia, especially ones in Viterbo, Milan, Venice, Brescia, Reggio, Verona and Bergamo. The next collaboration of these two authors was produced in Innsbruck during next year’s carnival, on 19 February 1656: L’Orontea after Giacinto Andrea Cicognini’s Venetian libretto, with the prologue’s text by Apolloni.51 There are no sources which allow us to reconstruct its cast, but Cesti’s company was surely the core group; guests could have completed and polished up the ensemble, similar to the performance the year before; probably D. Tomaso Bovi was one of them, who already had performed in L’Argia.52 Anna Renzi had left Innsbruck in December autograph letter by Giulio C[esare] Donati from 11 August 1671 from Bologna to Count Ferdinand Bonaventura Harrach. 46 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, pp. 365, 260, 264, where he is listed as a ­soprano; Remo Giazotto: “Nel CCC anno della morte di Antonio Cesti. Ventidue lettere ritrovate nell’Archivio di stato di Venezia”. Nuova Rivista Musicale Italiana 3 (1969/3), p. 506. – Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800, ad indicem. – Emans: “Die Musiker des Markusdoms in Venedig 1650–1708”, p. 65. 47 Sergio Monaldini: “Gli anni ferraresi di Antonio Draghi”. In “Quel novo Cario, quel divin Orfeo”. Antonio Draghi da Rimini a Vienna, ed. by Emilio Sala and Davide Daolmi. Lucca: Libreria Musicale Italiana 2000, p. 22. 48 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, pp. 264, 365. 49 Alfred Einstein: “Italienische Musiker am Hofe der Neuburger Wittelsbacher”. Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft 9 (1907/1908), pp. 371, 373. 50 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, pp. 262, 365. 51 Bianconi: “Cesti Pietro”, p. 284. 52 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 267. – Rigoli: “Il virtuoso in gabbia”, reads his name (in a source in Verona) as “Rossi”, but Jennifer Williams Brown: “‘Innsbruck, ich muss dich lassen’”. Cambridge Opera Journal 12 (2000/2001), p. 205, identifies him as the later famous singer

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa 1655, so probably there was no female singer. In the prologue for Filosofia and Amore, in the scores two sopranos again, and the three acts there were, if we follow Jennifer Williams Brown’s hypothesis,53 that the score now in Cambridge resembles closest the cast of the premiere, six soprano, four alto and a baritone parts. Cesti himself could have sung the baritone part of the court philosopher Creonte. In 1657, presumably also during carnival, the collaboration between Apolloni and Cesti bore its most fertile fruit, La Dori, Cesti’s opera with the highest frequency of productions in Italy, namely more than 30, and one of the most successful operas of the 17 th century at all.54 This time the cast with three sopranos, two altos, a tenor and a bass was modest and easily to realise by the archduke’s opera troupe, which fact probably contributed to its success in Italy. In the researches on Cesti not recognized until now was the fact that there exists besides the German scenario (Doris, die Glückhaffte leibeigene Dienerin) also an Italian one with the original title La Schiava / fortunata / ó vero La / Dori / Favola drammatica. / Musicale. / Rappresentata in / Innsprugg / l’anno / 1657. / Nel Teatro di Sala. / Stampata da Michele 25 Wagner. /; 55 | this title was changed in Florence four years later to La Dori ò vero La Schiava fedele. Within the next two years Apolloni and Cesti both left the court towards Italy, the librettist for good, but the composer was only given leave and really returned later. Apolloni was succeeded by Francesco Sbarra, a priest from Lucca. He had written the libretto for Cesti’s first opera Alessandro vincitor di se stesso and been in connection with the archduke in Innsbruck at least since 1654, when a gift was promised to him which he should never receive.56 Early in 1656 he was in Rome to serve Queen Kristina, who had just arrived from Innsbruck, and for this reason he had to interrupt his work on a drama he had begun on command of Archduke of buffo servant roles in Venice (c.1620–1701) and makes it probable that he sang the comic role of Gelone. 53 Ibidem. 54 Carl Brandon Schmidt: “Dori”. In: The New Grove Dictionary of Opera. Vol. 1. London 1997, p. 1231. 55 D-Sl, HB 2268/4, and D-Ngm, M 157 ron. 19 pages: title (1), Argomento della favola (3–7), Inter­ locutori, La Scena, Scene, Balli (8–9), scenario (9–19). These copies are not listed in Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800, but in Libretti in deutschen Bibliotheken […] von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jh., hg. vom Repertoire International des Sources Musicales (RISM), Arbeitsgruppe Deutschland. München: K. G. Saur 1992 (microfiches), ad indicem. This original title, taken up in Innsbruck in 1665 (see below) and even by Cesti (in reversed order) in his l­etter to Salvator Rosa from Florence in 1661 (cfr. note 67), shows now that its association with La Dori is not caused by musicologists’ confusion with Giulio Cesare Corradi’s reworking of ­Giovanni ­Andrea Moniglia’s La Semirami for Venice in 1674 with the same title, La Schiava ­fortunata, as Piero Gargiulo: “Con ‘regole, affetti, pensieri’. I libretti di Moniglia per l’opera italiana dell’ ­‘imperial teatro’ (1667–1696)”. In: Il teatro musicale italiano nel Sacro Romano Impero nei secoli XVII e XVIII, p. 133, note 19, believed. 56 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 276.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna Ferdinand Carl, with a fantasy plot based on European history of the last 50 years, culminating in the glorification of the Casa d’Austria. It seems reasonable to assume that this was an opera libretto to be set to music by Cesti. Sbarra asked Cardinal Ernst Adalbert von Harrach in a letter, written in Rome on 8 April 1656, for his recommendation to attain the post of the archduke’s agent in Rome.57 Harrach in fact wrote to Innsbruck in his favour,58 and Sbarra was appointed court poet there apparently in 1658, judging from an undated letter to Emperor Leopold I, which obviously was written by him in 1667 (having been in imperial service for more than two years) and begins with the words Sono di già passati nov’anni, che il Sereniss[i]mo Arciduca ­Ferdinando ­ Carlo di gl[oriosa] mem[oria] si compiacque di suo proprio motivo ­chiamarmi à servirlo, […] S[ua] A[ltezza] S[erenissima], alla quale com’ io habbia s­ ervito nel corso di cinque anni, […] 59 with both time precisions pointing to the year 1658 (Ferdinand Carl had died in December 1662). Early in 1659 60 his opera Venere cacciatrice was performed during the visit of the prince archbishop of Salzburg, Guidobald von Thun. That Cesti had set this libretto to music is rather probable, | although it has been assumed that he 26 was not in Innsbruck from 1659 to 1661. But he received a house in Innsbruck as a gift from the archduke on 11 January 1659,61 so he probably still was there. And concerning his whereabouts in 1659 we have new data to be found in the diary of the young Count Ferdinand Bonaventura Harrach, whose cavalier’s tour took him to Rome early in 1659.62 On 20 March he noted there: Mann Spargirt hier der Pater Cesta des Erzherzog von Insbruck Musico, (dem der Pabst hier sein Orden abzulegen erlaubt, vnndt ihme darfür den Del Sant Spirito gegeben) seye zwey tagrayß von hier erschossen worden, wegen eines alten Handl den er zu Venedig gehabt, vndt noch mit ihme ein gar berühmter Mahler welchen er den Erzherzog hinaus führen wollen. 57 A-Wfh, Karton 150, Mappe “Sbarra Francesco”. I want to thank Dr. Andrea Sommer-Mathis for copies of Sbarra’s letters in this archive. Recently this one has been publi­shed in Alessandro Catalano: “L’arrivo di Francesco Sbarra in Europa centrale e la mediazione del ­c ardinale Ernst Adalbert von Harrach”. Maske und Kothurn 48 (2002), p. 209. 58 A-Wfh, Karton 150, Mappe “Sbarra Francesco”. – Catalano: “L’arrivo di Francesco Sbarra in ­Europa centrale”, p. 209. 59 A-Wfh, Karton 796, Mappe “Sbarra Francesco”. 60 According to Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 291, on February 27, but this date was the first Thursday in Lent. 61 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 291. 62 A-Wfh, Karton 140.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Nine days later, on 29 March, he corrects himself: Die Zeütung wegen des Pater Cesta dott continuirt nit, ist woll soviel ­d aran gewest, das ihme etl[iche] von seinen Freündten ein burla machen wollen, vnndt ihme in schrecken gebracht, vnndt von diesen ist die ­Zeütung seines vermeinten dotts herkomen. This story at least lets us know that Cesti by 19 March 1659 63 was not in Rome anymore, but apparently on his travel back to Innsbruck, together with his friend Salvator Rosa. This fact is corroborated by Count Harrach, who on his travel back home came through Innsbruck, too, and there noted on 14 June in his diary: Der Pater Cesti hat heundt mit des Erzherzog Castraten ein anderthalb stundt in Camera gesungen, vnndt gar schöne Arien hören lassen. 27

So he certainly travelled from Rome to Innsbruck in March and stayed there in June; but by 1 November at the latest he was back in Rome, where Count Torquato Montauto, the Tuscan agent, tried to have him hired by the papal cappella, but did not succeed before 21 December 1659.64 In 1661 the archduke together with his family and his musicians stayed in ­Florence to be present at the marriage of his wife’s nephew, Cosimo III. Cesti in July sang the title part for tenor in Jacopo Melani’s marriage opera Ercole in Tebe. In the six performances of Cesti’s Orontea, organized by the Accademia dei Sorgenti ­b etween October 4 and 24,65 the composer sang again (this time probably the role of Alidoro, transposed from alto to tenor range 66 ), together with the 14 years old castrato Vincenzo Olivicciani (Ulivicciani), who soon was to enter the service of the Medici and whom we shall later find in Vienna, too. With a performance of La Dori, probably on October 25 in the same Accademia, Archduke Ferdinand Carl, who had stayed in Florence a few months longer than the other marriage guests, wanted to “sodisfare alla Curiosità di questi Ser[enissi]mi di vedere recitare i suoi musici”, as Cesti wrote to Salvator Rosa.67 The cast was probably about the same 63 The Duke of Modena’s ambassador in Rome reported about the rumour on that day. Cfr. ­Bianconi: “Cesti Pietro”, p. 285. 64 Ibidem, p. 286. 65 John Walter Hill: “Le relazioni di Antonio Cesti con la corte e i teatri di Firenze”. Rivista Italiana di Musicologia 11 (1976), pp. 27–47: 31, 33. 66 Brown: “‘Innsbruck, ich muss dich lassen’”, p. 208. – Anna Maria Testaverde: “Palcoscenici ­fiorentini per Antonio Cesti (1661)”. In: La figura e l’opera di Antonio Cesti nel Seicento europeo, pp. 63–78. 67 Hill: “Le relazioni di Antonio Cesti con la corte e i teatri di Firenze”, p. 27.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna as four years before in Innsbruck, i. e. Cesti’s company. There were at least six performances, too, of La Dori.68 Cesti wrote on 26 November: Il Serenissimo Granduca ci banghettò tutti alla grande […], e poi fece tirare due riffe, et a me toccò una rosetta di diamanti di valsuta di scudi cento e cinquanta. E l’altra simile al Signor Abbate Viviani.69 From Florence Cesti went with the archduke to Innsbruck early in February 1662,70 where he composed Sbarra’s text La magnanimità d’Alessandro for the second visit of Queen Kristina; the opera was performed on 4 and 11 June 1662. The score, possibly partly autograph,71 calls for at least six sopranos, four altos, two tenors, and one baritone and bass each. The baritone Efestione could well have been sung by Cesti again. It is very reasonable to assume the participation of the alto D. Giovanni Antonio | Forni, who in 1654 had performed in Cesti’s Alessandro il vincitore 28 di se stesso in Lucca,72 was member of the music at S. Marco in Venice from 1655 to 166273 and stayed in Innsbruck as the archduke’s musician several months until July 1662,74 i. e. just in time for preparation and performance of the opera. By May 1663 he had entered the court music of the empress ­Dowager Eleonora and during the following decades sang in dramatic compositions in V ­ ienna and Prague.75 He seems to have been the first singer of Cesti’s group who changed from Innsbruck to Vienna. It is remarkable, that an opera with the synonymous title La generosità d’Alessandro was performed four days later, on 15 June 1662, at the Imperial court in Vienna on occasion of Emperor Leopold’s birthday. It used Sbarra’s libretto, with the only difference of another prologue and a new licenza by an unnamed author,76 but was

68 Bianconi: “Cesti Pietro”, p. 286. 69 Poesie e lettere inedite di Salvator Rosa, p. 170. 70 Bianconi: “Cesti Pietro”, p. 287. 71 A-Wn, Mus. Hs. 17.720, written by four different scribes, one of them – who mainly wrote the Sinfonia and the prologue – probably Cesti himself. 72 Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Vol. 1, p. 93. 73 Olga Termini: “Singers at San Marco in Venice: The competition between church and theatre (c.1675–c.1725)”. Royal Musical Association Research Chronicle 17 (1981–1982), p. 83. – Emans: “Die Musiker des Markusdoms in Venedig 1650–1708”, p. 76. 74 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 268. 75 1665 in Pietro Andrea Ziani’s La Cloridea, 1672 in Antonio Draghi’s Gundeberga (cfr. Herbert Seifert: “Die Musiker der beiden Kaiserinnen Eleonora Gonzaga”. In: Festschrift Othmar ­Wessely zum 60. Geburtstag. Tutzing: Schneider 1982, p. 540 [649]) and 1680 in an oratorio in Prague (cfr. ­Angela Romagnoli: “Galline, ‘specolazioni’ e pene d’amore. La patienza di Socrate con due mogli di ­Minato e Draghi (1680)”. In: “Quel novo Cario, quel divin Orfeo”, p. 206). 76 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, pp. 49, 220, 450.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa completely set to music by Giuseppe Tricarico,77 maestro di cappella of the empress Dowager Eleonora. Already two years before the libretto of Cesti’s Innsbruck version of Orontea had been newly composed by the soprano of the imperial cappella Filippo Vismarri;78 so there existed an inf luence of the Innsbruck opera stage on that of Vienna already before Cesti’s employment by the emperor. Archduke Ferdinand Carl died on 30 December 1662, and his successor ­Sigismund Franz reduced the court, especially the Italians of the so called chamber music, from which only seven were retained: Cesti, Viviani, the Donati brothers, P ­ ancotti, 79 29 Sabbatini and the bass Siegmund Albrecht | Händl. At least one of the dismissed singers found employment in Vienna: D. Filippo Bombaglia, called “il Monello”, was at least between May 1664 and early 1667 a member of Eleonora’s music.80 Cesti had received by Ferdinand Carl shortly before his death a palace in Innsbruck as a gift and 6000 guilders for the house he had possessed since 1659,81 ­whereas ­Sbarra again fell short of a promised generous gift, but nevertheless continued his service to Archduchess Anna, the widow, without payment,82 until he was ­employed by the emperor in the beginning of 1665.83 He wrote the small allegorical “Idillio musicale” Il tributo de gl’elementi in occasion of the new ruler’s introduction, sung in Innsbruck in 1663 most probably with music by Cesti again. For the planned marriage of this archduke, Cesti prepared the composition of the libretto La Semirami by the Florentine court doctor Giovanni Andrea Moniglia, but Sigismund Franz surprisingly died in 1665, shortly before this marriage, as the last descendant of the Tyrolean branch of the Habsburgs. Emperor Leopold I therefore inherited this country. Of course this musically highly interested ­monarch, active even as a composer, was eager to hire Cesti’s renowned opera company for 77 The music is lost, but the libretto clearly states this. Bianconi: “Cesti Pietro”, suspects that only the music for the prologue was composed by Tricarico, because the uniquely preserved score is by Cesti. He refers to the quoted one in A-Wn (Mus. Hs. 17.720), but this one belongs to the Innsbruck performance. Rudolf Schnitzler und Herbert Seifert: “Giuseppe Tricarico”. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Vol. 25. London 2001, p. 726, follow the attribution of RISM of a score with an Alexander-opera in I-Nc (Bibl. Rari 6.5.13) to Tricarico, but this has shown to be a completely different opera without title and hitherto unknown authors, as already noticed by Lorenzo Bianconi: “Funktionen des Operntheaters in Neapel bis 1700 und die ­Rolle Alessandro Scarlattis”. In: Colloquium Alessandro Scarlatti. Würzburg 1975, ed. by Wolfgang ­Osthoff and Jutta Ruile-Dronke. Tutzing: Schneider 1979, p. 44. 78 William Carl Holmes: Yet another ‘Orontea’. In: Venezia e il melodramma nel Seicento, ed. by Maria Teresa Muraro. Firenze: Olschki 1976, pp. 199–225. 79 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 292. 80 Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierbücher 58, Prot. 1664 May 27, and 61, Prot. 1667 March 26. 81 Bianconi: “Cesti Pietro”, p. 287. 82 According to his letter from 1667, quoted above (note 59). 83 Alfred Noe: “Hoftheater und italienische Hofdichter vor Metastasio”. In: Pietro Metastasio – uomo universale (1698–1782), ed. by Andrea Sommer-Mathis and Elsabeth Theresia Hilscher. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2000, p. 30.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna his court – especially with regard to the festivities on occasion of his imminent marriage.84 According to Cesti’s own statement, these musicians had been recommended to Leopold by Count Harrach; the composer wrote to the impresario Marco Faustini on 16 August 1665:85 Qui è necessario ch’io dica a V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma che nessuno ha procurato di havere quel servitio, ma fù solo motivo del Signor Conte d’Arach per haver la gloria di poter egli stesso proporre a S[ua] M[aestà] C[esarea] una musica così unita, et concertata. This count, however, was not, as could be assumed, Ferdinand Bonaventura,86 but 30 his uncle Franz Albrecht von Harrach, brother of the archbishop of Prague, cardinal Ernst Adalbert, and at that time imperial governor of Tyrol. His confidant in Innsbruck, Monsignor Domenico Fontanari,87 had already on 29 July written in a letter to him:88 Il s[igno]r Cesti con quei altri Virtuosi scrivono l’annessa a V[ostra] Ecc[ellenz]a[.] io li ho detto, che habbino un puoca di patienza, come V[ostra] Ecc[ellenz]a mi scrive, ma essi rispondono venir solecitati da ­d iverse parti, ma particolar[men]te per le comedie di Venetia al futuro ­Carnevale. and on 5 August continued: Li s[igno]ri Musici non hano gran voglia di venir à Vienna con le conditioni inviate dall’Ill[ustrissim]o Conte di Waldstain, […] dicono non esser uguali a quelle che godevono sotto il ser[enissi]mo Arcid[uc]a Defonto di

84 This motivation was expressed by Count Franz Augustin Waldstein in a letter to Count Ferdinand Bonaventura Harrach on 5 August 1665: “So haben auch ihro Meystet die gantz musica von Insbruck in dinsten zu nehmen sich gnedig resoluiret hofe also ihre Meystet werden auf kinftige fest gar wol bedienet werden[.]” A-Wfh, Karton 311, Mappe “Waldstein Franz Joseph”. 85 Giazotto: “Nel CCC anno della morte di Antonio Cesti”, p. 503. 86 Like Carl Brandon Schmidt: “An episode in the history of Venetian opera: the Tito commission (1655–1666)”. Journal of the American Musicological Society 31 (1978), p. 453, I originally thought so, too, until I found evidence for Count Franz Albrecht. Ferdinand Bonaventura at that time could not well have negotiated with the singers, because he was in Madrid to prepare the emperor’s marriage (see below). 87 Cesti mentions him in his letter to Count [Franz Albrecht] Harrach, edited in Giazotto: “Nel CCC anno della morte di Antonio Cesti”, p. 503. 88 A-Wfh, Karton 438, Mappe “Fontanari Domenico”.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa 6. m[ila.] Il solo D. Cesti pero resterà qui à libera dispositione di S[ua] M[aestà] sino à che habbi venduta la sua Casa, di che sta in trattato; et poi verrà ove S[ua] M[aestà] si degnerà di comandarlo. This sounds like Cesti did not share the doubts of his singers about the emperor’s offer, but had resolved to accept it; obviously special conditions had been promised to him. That the musicians were expected in Vienna already before this last quoted letter, as the maestro di cappella of Leopold’s stepmother Eleonora, Pietro Andrea Ziani, had written to Marco Faustini on 2 August (“Il Cesti con tutta la brigatta d’Ispruch si attendino di giorno in giorno, e sono tutti al Servizio di Cesare”89 ), cannot be true therefore, if the date is correct. Cesti meanwhile was busy with his composition of Nicolò Beregani’s libretto Tito for Venice and had wanted to have his troupe as performers of this opera, like Faustini. Moreover he had to accomp31 lish the selling | of his palace in Innsbruck.90 That most of the singers would not go to Venice for the performance of his Tito during the following carnival was already decided by 23 August, when they had accepted the emperor’s offer.91 Tito was to be staged in February 1666 without them. The emperor travelled to Innsbruck in September to receive the hereditary homage (Erbhuldigung) of Tyrol. Three letters, written by him in October 1665 during his sojourn there to Count Ferdinand Bonaventura Harrach, at that time in diplomatic mission in Spain for the preparation of the emperor’s marriage, give us his opinion about Cesti and his company. Shortly after his arrival, on 6 October, Leopold writes:92 […] die musici Von Erzherzog So Ich schon aufgenommen Sein exquisti die 2 Castrati haldte ich vor besser als den Gabrielino der pancottino Ist mezo soprano […] besser als der Filippino [Vismarri]. Den Cesti habe Ich dißmal nit geherdt. Er Singt ab[er] nunmehr Ein Baritone vnd gar Seldten den tenor […]

89 Remo Giazotto: “La guerra dei palchi. Documenti per servire alla storia des teatro musicale a Venezia come istituto sociale e iniziativa private nel secoli XVII e XVIII”. Nuova Rivista Musicale Italiana 1 (1967/3), pp. 504–505. Moreover he assures: “[…] assolutamente costì non veranno, così si dice da tutti e dalla Maestà dell’Imperatrice che me lo accennò l’altro girono”. 90 Beside the letter quoted above cfr. Giazotto: “Nel CCC anno della morte di Antonio Cesti”, p. 504. 91 Cesti’s letter from 23 August 1665 to Faustini; cfr. Giazotto: “Nel CCC anno della morte di Antonio Cesti”, p. 504. 92 All of Leopold’s letters quoted here, unknown to musicological literature, are autographs in the Familienarchiv Harrach, Karton 206, Mappe “Leopold I. 1665–1673”.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna which is a very important information about the development of Cesti’s voice.93 From the two castratos to whom he compares the ones in Innsbruck, i. e. Pompeo Sabbatini and Antonio Pancotti, we know the surname only of the second one: D. Filippo Vismarri, who sang in the Imperial cappella between 1650 and 1683 (see also appendix IV). Gabrielino probably was in the service of Empress Dowager Eleonora; he is mentioned in letters by Leopold 94 and by Ziani as singer of one of his cantatas, taken from his new opera Doriclea.95 32 Eleven days later, on October 17, the emperor repeats: Die music alhie Sein wol guette[;] Ich main wann du Sie hören wirst Sie werde dir gar wolgefallen. 2 sopran Ein aldt. der Cesti Ein barotino [sic] Ein bas der teütsche Sigmundt [Händl], Vnd Ein Violade gamba. dise nim ich alle In meine dienst. After his departure from Innsbruck, Leopold writes a letter in Schwaz on October 26: Zue Inspruck hett gesterdt die Prinzesin Claudia Ein cantata a 3 spanisch gesungen […] daß Sie Recht wol Singt. Die manir Ist perfect. Kann Nitt anderst Sein Ist Von Cesti herkomben. Ich nimm […] 3 Welsche mitt[:] den pompeo soprano. Ist guett Singt Ein Wenich durch die Nasen aber doch die manir Verbirgt alle[,] den pan[c]otti Ein contraldt o queste poi L’arcilomo alguto mio [?] vnd Recitirdt In perfettione[,] den D. giulio [Cesare Donati] Baritono der Ist guett vnd […] Nitt zum allerbösten. Sein brueder Gioseppe auch Ein sopran hatt auch kemben Sollen, Ist Ihm aber gestadt Erst Ein Capriccio vnd Wil haimb Ich bin fro daß Ich Seiner mitt Ehr loß worden darumben Ist mal sicuro vnd Singt Zimblich falsch fürchte Er werde die Stimm ganz verlirn. […] nim Ich den teüschen Bass Sigmundt. vnd den jungen [Franz] Reiner So auf der 93 Other famous tenors and composers who were able to sing in the bass range as well had been Giulio Caccini and Francesco Rasi, according to the witness of Vincenzo Giustiniani: ­D iscorso sopra la musica (ms. c. 1640), p. 71, quoted in Richard Wistreich: “‘La voce è grata assai, ma’: ­Monteverdi on singing”. Early Music 22 (1994), pp. 13, 19. 94 Loc. cit. (note 92), letter from 19 August 1665 from Heiligenkreuz to Count Ferdinand Bonaventura Harrach: “[…] daß heütt alhier Ein falset gesungen Ein augustiner münch hatt Ein zimblichen Pardt und Singt Einen perfecten Sopran. […] hatt vill von gabrielino”. 95 Pietro Andrea Ziani on 13 December 1665 from Vienna to Marco Faustini in Venice (I-Vas, ­Scuola grande di San Marco, busta 188, fol. 116 r ): “Ma il lamento […] nel 2.o Atto e il mio fauorito; ­Anziche qui habbiamo giunte molte parole e cauata una Cantata belliss[i]ma con Viole p[er] il S[igno]r Gabrielle che riesce bellis[si]ma e à queste M[aes]tà piace fuori di modo, […]”. I want to thank Prof. Dr. Theophil Antonicek for giving me his transcriptions of Ziani’s letters.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Viola di Ganba geiget[.] Mitt den Cesti haben wir Vor dißmal nicht wol vberains kommen können Solle aber noch wol geschehen. 33

These informations are corroborated and supplemented by Count Franz Augustin Waldstein, who since 1661 was responsible for the Imperial theatre.96 He wrote on the same day to the same recipient, Count Ferdinand Bonaventura Harrach in Madrid:97 Sonsten haben Ihro meystet alzeit wan Sie oben geessen Musici gehalten welche weillen es fatura del Cesti seinen applauso gehabt[.] dises mahl ­komet der Cesti nicht auf wien bleiwet zu issbruch aber zu aller Ihro ­Meystet disposition wan Sie ihme ruffen werden sollte einer oder Capelmeister oder Vice meister haben Ihro Meystet resoluiret selben zu ruffen vndt erheben[.] mitt denen musici habe ich etlich anstoss gehabet der ­Joseppe [Maria ­Donati] hatt die stime in fillen ferlohren zu allen glick sich in Italia zu reteriren selbsten erlaubnus gebetten[.] iber die andere habe ich die oberhandt vndt das Feldt erhalten nach meinen verlangen vndt vnsers gnedigsten Herren besseren dinsten[.] and in an undated letter (written before 20 October in Innsbruck):98 Ihro Meystet haben Contento von Ihrer Musica[;] lassen sich zimlich ­hören[;] der Pompeo ist des Keysers favorit aus disen[,] der Cesti gehet dem Keyser im Genio den er saget das er nicht so farerich Componire als der Ziani […].

The archduke’s widow, Anna de’ Medici, on 20 October 1665 in spite of the official 34 mourning had performed La Dori for the emperor’s entertainment, | not – as has been presumed by several authors99 – Don Remigio Cesti’s Il principe generoso; 96 Koréspondence císarˇe Leopolda I. s Humprechtem Janem Cˇernínem z Chudenic. Vol. 1, ed. by Zdene˘k Kalista. Praha: Nákladem Cˇeské Akademie Ve˘d a umeˇní 1936, p. 75: Leopold writes to his ­a mbassador in Venice, Count Humprecht Jan Czernin on 26 August 1661: “Et acciò sappiate, chi ha l’incombenza delle comedie doppo la partita del Hercolani, vi dico, che l’ha adesso il Cavaglier Fra Francesco Augustin di Wallenstein”. 97 Loc. cit. (note 84), letter by Count Franz Augustin Waldstein from Schwaz on 26 October 1665 to Count Ferdinand Bonaventura Harrach (in Madrid). 98 Ibidem. 99 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 294. – Bianconi: “Cesti Pietro”, p. 287. – ­L orenzo Tozzi: “Cesti Remigio”. In: Dizionario biografico degli italiani. Vol. 24. Roma 1980, pp. 297–298. – Burrows and Schmidt: “Cesti Remgio”. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Vol. 5. London 2001, p. 400.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna more information about this opera is to follow. The evidence for the performance of Cesti’s opera hit from 1657 eight years later again in Innsbruck is manifold: The Tuscan resident at the imperial court, Giovanni Chiaromanni, writes in his report 100 clearly enough: Nel mentre sendo l’Imp[erato]re con le Ser[enissi]me Arciduchesse passat’ al Teatro p[er] osservarlo, gli fù quivi rapp[rese]ntata la bella Dori d[e]ll’Apolloni, ch’adornata con la Musica d[e]l Cesti, e con abiti, e scene sup[er]biss[i]me, non si può dir quanto grande fuss’ il piacere, che la Maestà Sua, e tutta la Corte ne riportò. The quoted letter by Leopold from 26 October reads about this event: als Ich neülich das theatrum besichtigen wolte, haben die musici (Ma ­d isponente Ser[enissi]ma anna): Ein opera ferdtig gehabt. Ist als ganz all Improuiso gemacht worden also daß gar winig leütt dabey […] Sonst die Musica Ist wol guette gwest basti dire das es der Cesti componirdt hatt. Die recitanten haben Sich auch alle gar wol Gehaldten. Count Franz Augustin Waldstein, too, reports about this event beforehand:101 man bereidet hier von der Erzherzogin heimblich eine opera die Dori fomb Cesti welches wan ihr Meystet das Teatrum s[e]hen wirdt al Improuiso herforkomen solle damitt weill die Klage so gross man es nicht so hoch aufnehme, and afterwards:102

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[…] haben wir nicht vnterlassen die Comedi welche prepariret war an ihro Meystet Huldigungsdag incognito zuzuhern, […]

100 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, pp. 54, 683. He dates the performance with “lunedì”, which would have been 19 October. But Count Waldstein says it was on the day of the homage, and also Count Franz Albrecht Harrach in his diary (A-Wfh, Karton 450), gives 20 October as the day of homage and of the performance, which according to his testimony lasted for four hours. Apparently a copy of Oronte’s aria “Speranze fermate” from La Dori II,11 in the Harrach archives (Handschrift 408) stems from this count’s presence at the performance. 101 In his undated letter from Innsbruck (cfr. note 98). 102 In the letter quoted in note 97.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa But we have still more evidence by primary sources: There are a score103 and a newly found libretto,104 both undoubtedly belonging to this occasion, so that Carl B. Schmidt’s extensive lists of performances and sources of this most successful opera105 have to be further supplemented. A letter written by Cesti in 1668 to Count Harrach (appendix V, letter V) informs us at least about one of the singers active on this occasion: Don Filippo Melani, one of Atto’s brothers, sang the alto part of Oronte. Illustration 1 shows the title page of the libretto printed in Innsbruck in 1665. ­Obviously, changes had been made between the first performance and the one in Florence more than four years later.106 The third act was enlarged from 15 to 18 scenes, the title was changed from La schiava fortunata ò vero La Dori to La Dori ò vero La schiava fedele, and the genre denomination from Favola drammatica musicale to Dramma musicale. When, four more years later, the opera was revived in Innsbruck for the emperor, the original title and genre were restored, and even the list of “interlocutori” was exactly taken over from the 1657 scenario, not from 1661. The two persons of the prologue, however, are cancelled, because the 1665 Innsbruck libretto contains only the text for the three acts, but neither prologue nor licenza. Also the description of the different sceneries shows complete correspondence with the 1657 version, not with that of 1661. On the other hand, not only the enlarged text is taken over from 1661, but also the page setup, the page and layer numberings. When I found the first evidence for the Innsbruck performance of La Dori in 1665, 36 I also corrected the wrong statement that it was performed in | Vienna in 1664,107 first found in Ludwig von Köchel’s list of Viennese opera performances;108 he quotes Lione Allacci’s Drammaturgia as source: “Rappresentata a Vienna l’anno 1664 per festeggiare la pace con gli Turchi”. But this quotation has not yet been found in Allacci’s book. The title under which Köchel lists the opera, La Dori, ovvero lo schiavo regio, is identical only with that on librettos for performances in Venice in 1667.109 The score in the Österreichische Nationalbibliothek, Vienna, is connec-

103 A-Wn, Mus. Hs. 18136, discussed in detail by Schmidt: “La Dori di Antonio Cesti: sussidi bibliografici”. Rivista Italiana di Musicologia 11 (1976), pp. 211, 217, and edited in facsimile by Howard Mayer Brown (Italian Opera 1640–1770 63), New York: Garland 1981. 104 D-DO, I Eg 4; D-FRu, E 488. 105 Schmidt: “Antonio Cesti’s La Dori: a study of sources, performance traditions and musical style”. Rivista Italiana di Musicologia 10 (1975), pp. 455–498. – Idem: “La Dori di Antonio Cesti: sussidi bibliografici”, pp. 197–229. 106 I am grateful to Prof. Dr. Carl B. Schmidt for lending me his microfilm of the 1661 libretto. 107 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, pp. 53. 108 Ludwig von Köchel: Johann Josef Fux. Wien: Hölder 1872, p. 490. 109 Schmidt: “La Dori di Antonio Cesti: sussidi bibliografici”, p. 204.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna ted by Köchel and by Alexander von Weilen110 with the presumed performance in Vienna in 1664, which also could be proven to be wrong, because in the prologue and in the licenza Emperor Leopold and the river Inn are addressed, and this combination necessarily connects the score to the now well documented performance in Innsbruck on 20 October 1665. There are some differences between the score and the libretto, mainly the prologue, the licenza and the third strophe of Dirce’s aria in III, 8, which are contained only in the score, not in the printed text.111 A similar instance is the opera L’Alcindo, text by Antonio Draghi and music by ­Antonio Bertali. It should have been performed in February 1665 in Vienna, but was postponed until 20 April and then provided with a prologue, which is not part of the libretto, but was printed separately; in this case only the music for the prologue is preserved.112 Leopold’s “grande piacere” with the performance of La Dori certainly reinforced his desire to have Cesti’s whole company, which he had now heard himself on stage, in Vienna. Only Giuseppe Maria Donati, D. Filippo Melani und ­Giovanni ­Giacomo Biancucci left Innsbruck with the destination Venice in November 1665.113 ­Donati, Biancucci, together with Canneri, Bovi and the bass D. Giacinto Zucchi, who had been in Innsbruck for several months during the summer of 1655,114 sang there in the following season in Cesti’s Tito | and Orontea.115 As we have a­ lready 37 ­learned from Leopold’s letters, four of the singers, Pancotti, ­Sabbatini, Giulio ­C esare ­Donati and Händl, were taken over into the Viennese court music with the backdated entrance 1 October 1665, when they still had been in Innsbruck.

110 Alexander von Weilen: Zur Wiener Theatergeschichte. Die vom Jahre 1629 bis zum Jahre 1740 am Wiener Hofe zur Aufführung gelangten Werke theatralischen Charakters und Oratorien. Wien: ­Hölder 1901, p. 10. 111 The same differences stated Schmidt: “Antonio Cesti’s La Dori: a study of sources, performance traditions and musical style”, in relation to the libretto from 1661. 112 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, pp. 453–454. 113 Ziani’s letter from Innsbruck on 3 November 1665 to Faustini (I-Vas, Scuola grande di San Marco, busta 188, fol. 226 r ): “Gli mando un altro pezzo d’opera fatta da me in Viaggio, e lo riceuerà dal S[igno]r Giuseppin fr[at]ello del D. Giulio Cesare che se ne ritorna in Italia. Credo che dal S[igno]r Cesti hauerà inteso come se ne potria seruire del Sud[ett]o Soprano […] come anco il S[igno]r D. Fillippo Melani Mezzo Sop[ran]o che pure ritorna in Italia”. Cfr. also Giazotto: “Nel CCC anno della morte di Antonio Cesti”, p. 506. 114 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, p. 267. In February 1656 in Venice he received a payment of 420 fl from the court. 115 Brown: “‘Innsbruck, ich muss dich lassen’”, p. 211.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa

2. VIENNA On 26 November Count Waldstein writes about the common satisfaction with this acquisition and about Cesti’s new position in relation to the leading men of the Hof kapelle;116 die unsere Musici von Insbruch haben grose e[h]r eingeleget[;] man schezet sie hoch[,] ihro Meystet seindt wol zu friden[.] anlangent den Cesti welcher noch zu Isbruch weillen er keinen accomodament finden kann stehe ich mit den Cappelmaster in tractaten selben zu disponiren mitt den titel Intentente dell’ Teatro zu ruffen vndt alle opera zu Componiren machen[;] hofe es werde mir khlingen[.] ihro Meystet werden also ser wol bedinet werden[.] wegen des F[e]lice117 welcher sich das maste beklagen kann wirdt es was muken setzen aber ich frage ihm nicht fil nach wan in nur ein ende mitt den Bertali mache[;] dises zum behilf haben ihro Meystet des Bertali118 sohn zum kammerdiener gemacht […]. Indeed, Cesti was appointed honorary chaplain (cappellano d’honore) and i­ ntendente delle musiche teatrali,119 with his payment of 1.400 guilders a year starting on 38 1 January 1666 120 – that of the singers, on the other hand, had | begun on 1 October 1665. Cesti will remember this difference in 1669 (see below), although he did not arrive in Vienna before 22 April 1666. Sbarra, the poet of the Innsbruck opera troupe until 1662, had been employed as imperial court poet in Vienna already since 1 January 1665 with a salary of 1000 guilders121 and had his lodging in Vienna well ahead of Archduke Sigismund Franz’s death, in May 1665.122 He was obliged to write the text, among others, for the grand festive opera for Leopold’s marriage with his niece Margarita Teresa from Spain. The musical composition of Il pomo d’Oro was of course Cesti’s duty. After having sung a part in Ziani’s opera for Leopold’s birthday on 9 June, L’onore trionfante,123 on 27 June 1666 Cesti wrote in a letter to Marco Faustini, that he had 116 Loc. cit. (note 84). 117 Giovanni Felice Sances, vice maestro di cappella. 118 Antonio Bertali, maestro di cappella. 119 This function was newly created for him; from 1673 on – probably in connection with Leopold’s second marriage – it was held by Antonio Draghi. 120 Herwig Knaus: Die Musiker im Archivbestand des kaiserlichen Obersthofmeisteramtes (1637–1705) (Veröffentlichungen der Kommission für Musikforschung 7). Vol. 1. Wien: Hermann Böhlaus Nachf. 1967, pp. 149–150. 121 Noe: “Hoftheater und italienische Hofdichter vor Metastasio”, p. 30. 122 Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierprotokolle. Vol. 59, 1665 May 10. 123 Hermann Kretzschmar: “Weitere Beiträge zur Geschichte der venetianischen Oper”. Jahrbuch

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna finished the opera for the imperial bride’s birthday within a few days and was continuing the composition of the “Opera grande”.124 The first one was Sbarra’s Nettuno e Flora festeggianti, performed on 12 July. The realisation of the other one, Il pomo d’oro, however, was delayed several times for different reasons. For the first Viennese carnival of the new empress Sbarra and Cesti had to create Le disgrazie d’Amore. For the emperor’s birthday in 1667, Cesti’s La Semirami was chosen, the opera, which had been composed two years before in Innsbruck. For a horse ballet, performed by the emperor and noblemen on 13 July 1667 on occasion of the empress’s birthday, La Germania esultante, Sbarra had written the text and Cesti the vocal music; the dances were Johann Heinrich Schmelzer’s duty, as usually. On 11 August 1667, on occasion of the first visit of the young empress to the imperial picture gallery, several vocal compositions by Cesti, who gave the sign for their performance, functioned as table music.125 Two days after this event, Cesti wrote in a letter to Count Ferdinand Bonaventura Harrach (appendix V, letter II), that he attached the part of Venus to be sent to Signor Vincenzino, then still in Italy, i. e. the later famous soprano castrato Vincenzo Olivicciani, born in 1647 in Pescia, therefore 20 years old at that time. In 1661 | he had sung in Florence with 39 Cesti in his Orontea. Since the performance of the grand opera was prepared for January 1668, the part mentioned was of course Venere in Il pomo d’oro. Again ­together with Cesti he should be in the cast of Emperor Leopold’s sepolcro Il lutto dell’Universo (text by Sbarra) at its first performance on 29 March 1668 in Wiener Neustadt. Since the emperor himself noted the cast in the score,126 we have here the only complete list of singers for a dramatic work from the imperial court dating from Cesti’s time there, and therefore we have to take it as an example of casting also in his own operas (appendix IV). We find several names already known from the Innsbruck troupe: beside Cesti and Sbarra, Pancotti, Sabbatini and Donati. Olivicciani, called Vincenzino, was a new and highly estimated member in the group of performers.127 1664–1666 and 1669–1724 this pupil of Giacomo Carissimi was on the payrolls of the granducal court in Florence, but from 1670 until 1711, der Musikbibliothek Peters 17 (1910), p. 68. In his letter from 9 May 1666, Ziani wrote to Faustini (I-Vas, Scuola grande di San Marco, busta 188, fol. 279): “[…] li recitanti (frà quali il Cesti et altri)”. 124 Giazotto: “Nel CCC anno della morte di Antonio Cesti”, p. 510. 125 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, pp. 179–180, 461, 713. 126 Facsimiles were printed in Richard Bletschacher: Rappresentazione sacra. Geistliches Musikdrama am Wiener Kaiserhof (dramma per musica 1). Wien: Musikwissenschaftlicher Verlag 1985, p. 95, and in Musica imperialis. 500 Jahre Hofmusikkapelle in Wien, 1498–1998. Tutzing: Schneider 1998, p. 75. 127 A biography can be found in Warren Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici. With a reconstruction of the artistic establishment. Firenze: Olschki 1993, pp. 409–411.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa from whence he received a pension, also of the imperial court, where he had been as a guest already in 1668. Cesti wrote to the emperor after his return to Tuscany on 9 October 1668 (appendix V, letter IV), that he had heard a good castrato in Venice, but l’haver io assuefatto l’udito al Canto del Vincenzino e d’altri Virtuosi di V[ost]ra M[aes]tà mi fà parer forse che non vi sia in lui q[ue]lla p[er]fett[ion]e che vorrei. In April 1669 Cesti wrote, that he had entered into secret negotiations with ­Olivicciani in Florence with the aim of moving him to return to Vienna (appendix V, letter VIII; cfr. also letter IX), which really happened about a year later.128 40 Not before 12 and 14 July 1668, more than one and a half years after the marriage, could the grand opera, which had been planned for this occasion, be performed, now celebrating the empress’s birthday. The librettist Sbarra could not see his longest work on stage, because he had died on 20 March. The cast was very numerous, so most or all of the singers of the cappelle of Leopold and Eleonora had to act on the stage of Lodovico Ottavio Burnacini’s new theatre building, among them certainly the rest of the Innsbruck company and Olivicciani as Venere. Cesti could have taken one or more of the several baritone or bass parts, if not one for tenor, e. g. Paride. Having accomplished this main task of his Viennese employment, Cesti asked the emperor in an undated letter (appendix V, letter III) for permission to travel to his native country for two reasons: continuous pains and important interests. Not being able to predict the time of his return, he did not want to be paid for the time of his absence. He carefully formulated his wish to return to the emperor’s service – if God should give him the necessary health and if he could “ridurre in buon termine quegli affari, p[er] i quali hò trauagliato tutto il tempo de la mia Vita”. This wording already implies the possibility or rather the probability that he would not return. Emperor Leopold apparently did not notice these undertones and granted the leave. 128 A-Wfh, Karton 223, Mappe “Chiaromanni Giovanni”: Count Giovanni ­Chiaromanni, resident of the Grand Duke at the Imperial Court, wrote on 4 March 1670 to Count Ferdinand B ­ onaventura Harrach that the Grand Duke, having heard of the emperor’s d­ esire to get “Vincenzino”, had written to the singer in Venice with the command to go immediately to Vienna. Olivicciani himself on 8 March 1670 in a letter from Venice to Count Harrach wrote that he had received the 100 ongari for his travel expenses to Vienna from Abate Domenico Federici and was to depart during the following week together with Signor Forni (ibidem, Karton 286, Mappe ­“Olivicciani Vincenzo”), which is corroborated by a letter by Federici from 1 March 1670 to the same ­recipient: “[…] Vincenzino e disposto al uiaggio, che insieme col Forni prenderà uerso cot[est]a uolta, gli sborsai cento ducati d’Oro effetiui per il uiaggio, […]” (ibidem, Karton 235, Mappe “Federici Abbate Domenico”).

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna One of the reasons for Cesti’s desire to go home, not mentioned by him, can be found in a letter addressed by the singer Filippo Melani, who had taken part in the performance of La Dori in Innsbruck in 1665, on 1 February 1670 in Pisa to Count Ferdinand Bonaventura Harrach:129 Adesso si ch’io vò capace delle cagioni che possano haver indotto il n[ost]ro sig[no]r Abb[a]te Cesti di felice mem[ori]a ad’ abbondonar la sorte di cotesta servitù, mentre tante volte l’hò sentito esagerar li strapazzi che ricevava dal sig[no]r Co[nte] di Voldstein contro ogni convenienza, e ragione, p[er] amareggiargli le gratie, che à si alta misura si derivavano dalla Clemenza di S[ua] M[aestà], or se un Virtuoso come quello, tanto avanzato nel merito e nell’affetto del suo sig[no]re, restava nulla di meno esposto, e bersaglio dell’altrui capriccio, […] Count Waldstein was, as we already know, the emperor’s theatre manager, and he seems to have been the composer’s enemy and to have caused him vexation.

3. TUSCANY

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Cesti left the court during its sojourn in Wiener Neustadt at the end of August or early in September 1668,130 and the next preserved letter by Cesti was written to Leopold in Florence on 9 October 1668 (appendix V, letter IV). He had arrived there three days before, after having sojourned in Venice for nine days, afterwards in Padua and Bologna. After all it was not as dangerous for him to be in Venice as Ziani had believed in 1665131 and also his friend Salvator Rosa in this year 1668.132 One of the emperor’s conditions for allowing the journey to Italy seems to have been a report about musicians suitable for his service. In Venice Cesti liked ­Carlo Procerati best, who already had been a member of the imperial cappella from 1646 to 1652 as soprano. He now belonged to the music of S. Marco and sang “un contralto molto aggiustato”. In Bologna Cesti initiated negotiations with the bass 129 Ibidem, Karton 284, Mappe “Melani Philippo”. 130 The time of this sojourn results from Privatbriefe Kaiser Leopolds I. an den Grafen Fr. E. P ­ ötting 1662–73, ed. by Alfred Francis Pribram and Moritz Landwehr von Pragenau. Vol. 1 (Fontes r­ erum Austriacarum ser. 2, 56). Wien: C. Gerold’s Sohn 1903, pp. 405, and that Cesti left the the court in Wiener Neustadt results from appendix V, letter V: “la mia partenza di Naistatt”. 131 “Il Cesti non capiterà a Venezia se hauerà ceruello per le cose passate […] se si lascerà tirare (che non lo credo) correrà gran pericoli e gran rischi”. Quoted by Giazotto: “La guerra dei palchi”, p. 504. 132 Frank Walker: “Salvator Rosa and Music II: Music and Musicians in Rosa’s Letters”. The Monthly Musical Record 80 (1950), p. 34.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa P. Lorenzo Gaggiani, who only much later, from 1686 to 1687, should be in the Viennese music under the name “Gaggiotti”. In his letter, Cesti notated the span of his voice, and this is probably the only, although very short, certainly autograph music by him (Illustration 2). He highly recommended the composer and lutenist Lelio Colista whom he had met in Bologna, too, like “Giuseppino”, certainly Giuseppe Maria Donati, who had been in Innsbruck in 1665 and probably already in 1655 as singer in L’Argia. The emperor apparently gave this letter to his maestro di cappella Antonio Bertali, asking him for his opinion. In an undated letter he answered, utterly misinterpreting Cesti’s intentions:133 Hò letta diligentemente la lettera del Cesti, quale mi pare inclinato, conforme il mio genio; cioè se si potesse pescare il Vicencino [Olivicciani], il [Carlo] Procerati, e il Basso di Bologna [D. Lorenzo Gaggiani], che con il Stefano [Boni]134 sarebbero | un choro perfetto, aggiungendosi anco il [Angelo Maria] Lesma.135 nel resto sono tutte disgressioni superf lue per V[ostra] M[aestà], rimettendomi al gusto della M[aestà] V[ostra] nell’incaricarsi. Il Procerati canta bene, quando vuole, e puo cantare commodam[en]te un mezo soprano, conforme le molte composizioni di V[ostra] M[aestà], e mie ancora.

42

Some time this autumn Cesti was in the Medici Palace in Florence witness of the performance of an “operetta”. The former resident at the imperial court, Felice Marchetti, on 20 October sends its score to his successor Giovanni Chiaromanni in order to show it to Leopold I, and as recommendation writes:136 Essendo stato molto applaudita un operetta in Musica, che nelle settimane passate, la Ser[enissi]ma GranDuchessa fece rappresentare nelle stanze terrene di q[ue]sto Palazzo, et havendola di poj attentam[en]te udita, et osservata Il S[igno]r Cav[aglie]re Cesti, l’ha sommam[en]te lodata, tanto p[er] la squisitezza della Musica, che delle parole. […] La Copia l’hà fatta l’istesso M[aest]ro che l’hà composta in Roma onde spero che non haverà errato nelle note; […].

133 A-Wfh, Karton 796, Mappe “Oesterreich, Hofstaat. Hofmusik cca. 1667/68”. 134 An old tenor who had served the Habsburgs at least since 1647, but at that time had already been pensioned by the emperor and served at S. Marco in Venice, but really was reengaged in Vienna by 1669 and sang there until 1675. 135 He was hired in Vienna also in January 1669 as a tenor, but since 1670 sang bass. 136 A-Wfh, Karton 282, Mappe “Marchetti Felice”.

220

Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna This is a hitherto unknown performance137 of an “operetta” in Florence, which Marchetti sent to Vienna to be performed as “uno scherzo di Camera p[er] qualche giorno solenne e festiuo, non durando piu, che un ora e ¾”. Cesti’s letter written on 13 December 1668 in Arezzo was directed to Count Ferdinand Bonaventura Harrach (appendix V, letter VI): D. Giulio Cesare Donati in a letter from Bologna had let him know that his brother Giuseppe Maria was ready to enter the emperor’s service, and indeed from October 1669 until 1670 he should become at least for a short time an imperial musician – we remember the unfavour­ able remarks of the emperor and Count Waldstein about his voice and singing in 1665, but Cesti had assured that he had improved a lot. But the most important, in fact sensational informations of this letter about Cesti himself and his compositions shall be quoted already here: Quando credevo d’haver sodisfatto à sig[no]ri Grimani con la composit[ion]e dell’Artaxerse, opera dell’Aureli[,] mi spediscono qui huomo apposta con altra nuova opera dell’Ill[ustrissi]mo Beregano p[er]il dubbio che la p[rim]a non resista à le pre|parationi dell’altro Teatro di S. Luca onde hò principiato à comporgli anco quest’altra, la quale p[er] la materia p[er] l’inventione, p[er] la nobiltà del verso e p[er] tutte l’altre parti, e molto più a proposito.

43

This means not less than that the opera L’Artaxerse, overo, L’Ormonda costante, text by Aurelio Aureli, performed 1669 in the Teatro Santi Giovanni e Paolo, m ­ usic until today ascribed to Carlo Grossi, is in fact completely Antonio Cesti’s score, which is preserved in the Biblioteca Nazionale Marciana.138 The other composition Cesti had already begun is Il Genserico, whose libretto was printed in 1669 (dedication: 31 January [Venetian style, i. e. 1670?]) for performances in the same theatre; its music according to this letter is very probably at least partly by Cesti and was possibly completed by Gian Domenico Partenio.139 But this letter contains yet another important information concerning Cesti’s operatic plans during his last year. He writes to the count that he had urged the ­sending of the libretto La Giocasta by its author Giovanni Andrea Moniglia, then

137 It does not appear in Robert Lamar Weaver and Norma Wright Weaver: A chronology of music in the Florentine theater 1590–1750. Detroit: Information Coordinators 1978. 138 I-Vnm, It. IV–394; libretto: ibidem, Dram. 936.1, and US-Wc, ML48.S4216. 139 Score in I-Vnm, It. IV–427; libretto in US-Wc, ML48.S1780. In November 1674 there was a performance of Il Genserico in the Real Palazzo of Naples; an incomplete score of the first act is preserved in I-Nc, 6.4.10. Besides, in January of the same year Cesti’s Orontea had been ­performed in Naples. Cfr. Bianconi: “Funktionen des Operntheaters in Neapel bis 1700 und die Rolle ­Alessandro Scarlattis”, pp. 64–65.

221

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa teaching at the University of Pisa, through his nephew D. Remigio Cesti, maestro di cappella of the Cavaglieri di S. Stefano in that city, so that Cesti could obey the commands of the emperor. The plan to set this libretto to music for Vienna apparently dates already from 1667, since Moniglia on 23 July of that year had written in a letter to Count Ferdinand Bonaventura Harrach:140 Incluse invio à V[ostra] E[ccellenza] due canzoncine di 2. strofette L’una, che tali appunto altre volte ho mandato al s[igno]r Cesti, che p[er] mettere in Musica sogliono essere a proposito; Se in altra forma saranno chieste io mi ingegnerò di comporle come è il genio di S[ua] M[aestà]. La Commedia è intitolata La Giocasta; se la M[aestà] S[ua] si degnerà riceverla, piacendole potrà disporne, se nò gradisco la mia devotiss[i]ma osservanza; […] Two years afterwards we learn from Cesti, that Moniglia had received the usual reward from the emperor, a golden chain with his portrait on a medallion, and much later we hear that the plan finally was carried out, but Cesti’s composition 44 because of his death was not performed at the | court, but rather in 1677 in the ­Teatro di S. Moisè in Venice, of course with changes.141 Cesti’s letter (VI) continues with the recommendation to hire as Ziani’s successor for the position of Eleonora’s maestro di cappella either Carlo Grossi or Lelio ­C olista.142 Finally Cesti complains about his bad health, especially “un ribullimento di sangue”, “grand[issi]me febre” and “mi vado mutando la pelle come i serpi”. According to this description, this illness could have been an infection with scarlatina.143 140 A-Wfh, Karton 293, Mappe “Roneglia [sic] Giovanni Andrea”. 141 Giovanni Andrea Moniglia: Poesie drammatiche. Vol. 2. Firenze: Bindi 1690, p. 81: “Questo componimento fu chiesto dal Sig. Cavaliere Antonio Cesti al serenissimo Mattias principe di Toscana […] si smarrì l’occasione di farlo comparire su le scene, […] mancando la vita del sig. Cesti”. In the second version of the Venetian libretto, with the dedication dated 6 January 1677 (more veneto 1676), Carlo Grossi is named as author of the “mutanze di molte Ariette all’uso dei ­teatri ­veneti”, i. e. of the changes, not of the whole composition. Also the text was “riformat[o] all’uso di V ­ enetia” by Giacomo Castoreo. Cfr. Gargiulo: “Con ‘regole, affetti, pensieri’. I libretti di ­Moniglia per l’opera italiana dell’‘imperial teatro’ (1667–1696)”, p. 140. From the music only some arias are preserved in I-MOe, I-Nc, I-Vqs and I-Vlevi. 142 There probably is a connection between this recommendation and the fact that two or three hitherto unknown compositions by Colista are preserved in manuscript in the Harrach archives (Handschrift 408): the cantata Amor che fá l’osteria all’insegna de gl’occhi neri (“Passagieri p­ ensieri”, incomplete), the aria “Pensieri che nati dal foco”, and, without indication of the author, but ­w ritten by the same scribe, the incomplete aria “S’a miei danni congiurate”, all three for soprano and basso continuo. 143 Carl Gustav Schmalz: Versuch einer medicinisch=chirurgischen Diagnostik in Tabellen […]. 4 th ed. Dresden: Leipzig 1825, p.236. I thank Dr. Herwig Knaus for this information.

222

Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna The letter Cesti wrote in Florence on 15 June 1669 to Count Harrach (appendix V, letter IX) begins with a mention of Cesti’s already known144 presence at a ­p erformance of L’Argia in Siena, followed by his bewildering about the count’s letter which had let him know that his decision to remain in Tuscany had not been approved. He tries to give more details about his motives: one of his two nieces was still in the nappies, and one of his four nephews he now had to care for, after his brother’s death, was three years old; how could he undertake with them “un ­Viaggio tanto lungo e disastroso”? Besides there was his bad health. He continues that la costante e benign[issi]ma affettione di S[ua] M[aes]tà nell’haver compatite e gradite le fatiche della grand’opera mi facevano sperare i vantaggi che non erano negati à gli altri tutti. thus reminding the count of his greatest task, the composition of Il pomo d’oro. He then complains that he should pay back three monthly salaries – probably for the 45 first quarter of the year 1669, for which he had been still | paid by the emperor145 –, although his payment had only begun three months after he had been accepted to the imperial service, i. e. October 1665, like the other four members of his troupe. After Cesti’s departure the count had written to him that his salary should continue, and he had accepted, intending to return, having changed his intentions only after his brother’s death. He thought that a cabal was the reason for this action against him and wanted to avert it by a supplication to the emperor and also asked the count to protect him against it. Of course he does not mention Count Waldstein, but he probably aims at him. Apparently Emperor Leopold disapproved also Cesti’s accepting the service of the grand duke of Tuscany; he seems to have learned that he had been promoted to the position of maestro di cappella on 1 October 1668;146 Cesti replies that he had rejected many offers from Italy and other countries, but to his “natural ruler” he had had to obey. Finally he includes a vocal composition, which he believes to be very appropriate for Pancotti’s voice. In his last preserved letter in this archive, directed on 17 August 1669 from Florence to another person of the court, Cesti thanks for the signs of honour and appreciation he had received from the emperor and Count Harrach and replies to

144 Bianconi: “Cesti Pietro”, p. 289. 145 Theophil Antonicek: “Antonio Cesti alla corte di Vienna”. Nuova Rivista Musicale Italiana 4 (1970/4), p. 307. This essay quotes documents about Cesti in Viennese archives, among others about his lodgings. 146 Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici, p. 415.

223

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa a letter from 28 July that he would be happy to continue the imperial service with the apparently very generous conditions he was offered, if he were twenty years younger and in good health. He expresses his readiness to serve the emperor also from Tuscany if he should send him his commands. In this collection of letters there exists also one written by D. Remigio Cesti from Pisa to Count Harrach almost one year after his uncle’s death, on 20 September 1670 (appendix V, letter XI), in which he offers him his own composition of a libretto he had found among the papers left by Antonio, who had destined this drama for the emperor. This seems to refer to the probably autograph score by D. Remigio Cesti147 with the manuscript of Pietro Guadagni’s libretto148 of Il prencipe generoso, undated and dedicated to Leopold I. If D. Remigio has written the truth, there had been still another plan of an opera Cesti had intended to compose for the court in Vienna. 46 One could wonder why the emperor had not staged Cesti’s most success|ful opera La Dori, which he had seen in 1665 in Innsbruck. But there was in fact a private performance in Vienna, on the last evening of carnival 1673, by Archduchess Maria Anna and several ladies of the nobility.149 Only a manuscript libretto with a new prologue and several changes survives of this version.150 The music must have been partly transposed for women’s voices. A last fruit of the very incomplete scrutiny through of the immensely rich­ Harrach archives, possibly connected to Cesti, is an unfortunately undated autograph letter by Nicolò Beregani to Count Ferdinand Bonaventura Harrach. The famous librettist thanks the count for his protection and for the order to write a drama for the emperor, only asks to leave him time for it; “nel resto procurerò d’incontrare il ­Genio di cotesta Corte con le havute instruttioni dal D. Ferrari stando su l’Heroico, su le viste[?], et Brevità desiderata”.151

147 A-Wn, Mus. Hs. 17.199. 148 A-Wn, Cod. 13.308. 149 Cfr. the contribution by Paola Besutti: “A introdurre ‘un essercitio d’arme’: Il regio schiavo a ­Mantova (1672)”. In: La figura e l’opera di Antonio Cesti nel Seicento europeo, pp. 107–140, about a performance by the nobility in Mantua in this same year. 150 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, pp. 74, 477, 744. The changes are listed in Schmidt: “La Dori di Antonio Cesti: sussidi bibliografici”, p. 227. 151 A-Wfh, Karton 217, Mappe “Beregani Nicola”.

224

Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna

APPENDIX I

47

Operas (premières and revivals with Cesti) VENICE TEXT PERFORMANCE

1. Alessandro Vincitor di se stesso Sbarra

1651 January

2. Il Cesare amante Varotari 1651/1652 INNSBRUCK

2. La Cleopatra=Il Cesare amante

Varotari (prol.: Apolloni)

1654 January 5, July 5

[3. Marte placato Apolloni 1655 November 3] 4. L’Argia Apolloni 1655 November 4 5. Orontea Cicognini-Apolloni 1656 February 19 6. La Schiava fortunata ò vero La Dori Apolloni

1657

[7. Venere Cacciatrice Sbarra 1659 February] ROME

5. L’Orontea Cicognini-Apolloni 1661 February 10 FLORENCE

5. L’Orontea Cicognini-Apolloni 1661 October 4–24 6. La Dori ò vero La Schiava fedele Apolloni

1661 October 25–?

INNSBRUCK

8. La Magnanimità d’Alessandro Sbarra

1662 June 4

[9. Il Tributo de gl’Elementi Sbarra

1663]

6. La Schiava fortunata ò vero La Dori Apolloni

1665 October 20

VENICE

10. Il Tito Beregani 1666 February 13–? VIENNA

11. Nettuno e Flora festeggianti

Sbarra

12. Le Disgrazie d’Amore Sbarra

1666 June 12 1667 February 19

13. La Semirami Moniglia 1667 June 9 14. La Germania esultante Sbarra

1667 July 13

15. Il Pomo d’Oro Sbarra 1668 July 12, 14 VENICE

16. L’Artaxerse, overo,

L’Ormonda costante Aureli

1669

SIENA

4. L’Argia Apolloni 1669 May/June VENICE

17. Il Genserico (in parte di Cesti)

Beregani

1669/1670

[18. Giocasta Regina d’Armenia Moniglia (revised by

(revised by Carlo Grossi)

Giacomo Castoreo)

1677]

225

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa

APPENDIX II

48

Cesti’s singers Innsbruck

1653 1654 1655 1656 1657 1658 1659 1660

1. Antonio Maria Viviani

× × × × × × × ×

2. Antonio Cesti, T/Bar/B

× × × × × ×

3. Giorgio Giacomo Alcaini, B

× ..

4. D. Giulio Cesare Donati, B/Bar/S?

× × × .. .. .. .. ×

5. Astolfo Bresciani, A

× × × .. .. .. .. ×

6. Clemente Antoni, castr.

× .. × .. .. .. .. ×

7. D. Filippo Bombaglia (Monello), A

× × × .. .. .. .. ×

8. Luca Angioletti, cast.

.. .. × .. .. .. .. ×

9. Pompeo Sabbatini, S

× .. × × .. .. .. ×

10. Antonio Pancotti, S/MS

× .. .. .. .. .. ×

11. Gio. Giacomo Biancucci, T

× .. .. .. .. .. ×

12. D. Giov. Antonio Forni, A



13. Giuseppe Maria Donati, S



14. Siegmund Albrecht Händl, B



15. Anna Renzi, S

× × ×

16. Pietro Veralli, B

× ×

17. Giovanni Bonaventura Veralli

× ×

18. Costanzo Precardi

×

19. D. Filippo Melani, MS, A

× × × × ×

20. D. Giacinto Zucchi, B

×

21. Pellegrino Canneri, Bar

×

22. D. Tomaso Bovi, B

× ×

2 3. Vincenzo Olivicciani, S



× stands for proven, .. for assumed presence.

226

Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna

Vienna 1661 1662 1663 1664 1665 1663 1664 1665 1666 1667 1668 1669 1670 1.

× × × × × × ×

2.

× × × × × × × × ×

3. × × × × × × × 4.

.. .. × .. × × × × × × ×

5.

.. ×

6.

.. .. ..

7.

.. .. .. × .. .. ×

8.

.. .. ..

9.

.. × × .. × × × × ×

10.

.. × × .. × × × × × × ×

11.

.. .. .. ×

12. × × .. .. .. .. .. .. ..

13. × .. × × ×

14. × .. × × × × × 15. 16. 17. 18.

19. × × 20. 21. 22.

23. × ×

227

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa

APPENDIX III

49

L’Argia INTERLOCVTORI. Teti Amore

Prologo

Clemente Gioseppe

castrati

[Clemente Antoni [Giuseppe Maria Donati?

Atamante Rè di Cipro.

Padre Cesto che faceva tutta la musica [Antonio Cesti

Dorisbe figlia d’Atamante

Romana Cortegiana che porto la



medag[l]ia et Catena della Regina

[Anna Renzi

Feraspe Prencipe di Negroponte

sig. r stolfa Prete e castrato

[Astolfo Bresciani

Aceste scudiero di Feraspe.

sig. r Pelegrino di Ven. a

Argia Principessa di Negroponte, Ant. 0 Castrato alias Pancotto

[Pellegrino Canneri [Antonio Pancotti

Sorella di Feraspe in abito di Maschio, chiamata Laurindo. Lucimoro figlio d’Atamante,

[Filippo Bombaglia

Monello Castrato

creduto Selino figlio del Rè di Tracia. Solimano Aio di Selino.

[Giulio Cesare Donati

Don Giulio Prete

Dema vecchia Nutrice di Dorisbe. Bianciuccio Lucchese

[Gio. Giacomo Biancucci

Lurcano buffone, servo d’Atamante.

[D. Tomaso Bovi?

Filaura cantatrice.

Giuseppe Castrato: Idem ut sup[r]a

[Giuseppe Maria Donati?

Alceo Eunuco servo di Filaura.

Clemente di sopra nom.

[Clemente Antoni

Osmano vecchio inabito di Pastore, un Prete attempato Aio di Lucimoro. Vn Bambino figlio di Lucimoro,

figlio Bevilaqua

e d’Argia. Soldato della fortezza di Salamina. Don Giulio Prete sop. a nomin o Venere.

Pompeo Castrato fratello



di roberto musico o

[Giulio Cesare Donati [Pompeo Sabbatini

a

L’Innocenza.

Giuseppe Castr. sop deto

Coro di Marinari.

tra li q[ua]li s. r Luca Prete et castratto. [Luca Angioletti

[Giuseppe Maria Donati?

Coro di Soldati. Coro di Numi. Il Colonello Bassech[…] Matemat o p le Machine S. r Pologno Luchese author dell’opera

[Giovanni Filippo

Apolloni, recte: Aretino Padre Cesto Giesuita Composit. e della Musica

[Antonio Cesti,



recte: Francescano

228

Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna

APPENDIX IV

50

Il lutto dell’Universo by Sbarra and Leopold I, Wiener Neustadt, 29 March 1668 Interlocutori

L’Elemento dell’Acqua (T) Gio. paolo Bonelli L’Elemento della Terra (B) Antonio Cesti L’Elemento del Foco (S) Domenico Sarti L’Elemento dell’Aria (A) Antonio Pancotti L’Humana Natura (A) D. Philippo Vismarj La Divina Misericordia (S) pompeo sabatini La Divina Giustitia (S) Gioseppe Sardina La Beatissima Vergine (S) Vicenzo Ulivicciani San Pietro (B) Don Giulio [Cesare] Donati San Giovanni (A) Paulo Castelli

APPENDIX V

51

Ten autograph letters by Antonio and one by D. Remigio Cesti152 Vienna, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Karton 223, Mappe “Cesti Antonio” Letter I Undated (Vienna 1666 or 1667 153) (to Count Ferdinand Bonaventura Harrach)

Ill[ustrissi]mo et Ecc[ellentissi]mo Sig[no]r P[ad]ron Col[endissi]mo Sua Maestà n[ost]ro Clem[entissi]mo Sig[no]r mi comandò di dire a V[ostra] E[ccellenza] che douesse parlare di suo ord[in]e al Portiero consaputo p[er] l’adempim[en]to concertato de quartieri; onde V[ostra] E[ccellenza] l’ordini al suo huomo, col q[ua]le procurarò di abboccarmi ancora io, e se stima bene

152 I am most grateful to Dr. Angela Romagnoli for drawing my attention to these most valuable letters, even giving me her transcripts. Those published here are the results of my rereading of the originals. 153 Cfr. Cesti’s numerous applications for a court lodging during these years in Wien, Hofkammer­ archiv, Hofquartierprotokolle vol. 60 and 61.

229

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa V[ostra] E[ccellenza] sarò seco p[er] aggiustar il negotio in buona forma. Li auguro una felic[issi]ma notte e buon Viaggio o presto ritorno restando immutabilm[ent]e d[i] V[ostra] E[ccellenza] Devot[issi]mo et obbl[igatissi]mo ser[uito]re Vero Ant[oni]o Cesti Letter II Vienna 13 August 1667 (to Count Ferdinand Bonaventura Harrach)

Ill[ustrissi]mo et Ecc[ellentissi]mo sig[no]r sig[no]r P[ad]ron Col[endissi]mo Mando à V[ostra] E[ccellenza] qui annessa la parte di Ven[er]e p[er] inuiarla al s[igno]r Vincenzino.154 Si è fatta qualche rimessa p[er] Bologna p[er] mano del S[igno]r Bartolotti, e pagando qui moneta ordinaria se’ gli è dato dodici p[er] cento, e si e riceuuto là paoli[?] 17 p[er] ong[a]ro ma essendo il denaro che V[ostra] E[ccellenza] mi dice in ong[a]ri effetiui, stimo certo che si haverà buon uantaggio, questo è quanto lume posso darle, | e penserei che la rimessa si potesse fare in ong[a]ri effettiui ò sua valuta. Furno hieri ancora i miei in oro, e come li riconosco da gli efficaci uffitij di V[ostra] E[ccellenza] cosi le ne rendo le douute gratie e ne professerò oblig[atio]ne particolare, ad le quali uiuo immutabilm[en]te D[i] V[ostra] E[ccellenza] di Casa 13 Agosto 1667 Deuot[issi]mo et obl[igatissi]mo ser[uitore] Vero Antonio Cesti

52

Letter III Undated (Vienna 1668) to Leopold I

Sacra Cesarea Real maestà Ritrouandomi da molto tempo in qua trauagliato da continue f lussioni, ch’hormai mi rendono inhabile ad’ogni seruitio, et essendo necessitato ancora di trasferirmi à la Patria p[er] importanti miei interessi, mi uedo perciò costretto d’implorare dà la Sacra Ces[are]a M[aes]tà V[ost]ra una Clem[entissi]ma licenza, p[er] potere quanto prima sij possibile incaminarmi à quella uolta. Ma p[er]che, tanto p[er] l’uno che p[er] l’altro punto, non posso prefiggere un termine à la dimora, che dourò fare in Italia, dipendendo questi dal uoler d’Iddio, 154 Vincenzo Olivicciani.

230

Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna non intendo ne meno di apportar fra questo tempo alcun aggrauio di spesa à la M[aes]tà V[ost]ra. Resti però sicura, che si come sommam[en]te honorato mi chiamo, e p[er] le gratie impartitemi dà la sua Cesarea munificenza, e p[er] la seruitù prestatale; cosi ambirò sempre di poterla riassumere, quando piaccia al sig[no]re Iddio di concedermi quella salute ch’è necess[a]ria e di potere ridurre in buon termine quegli affari, p[er] i quali hò trauagliato tutto il tempo de la mia Vita. Confido in tanto che la Sacra Ces[are]a M[aes]tà V[ost]ra, p[er] esercitare la sua solita incomparabile Clemenza, sia p[er] esaudire q[ues]te mie hum[ilissi]me preci, ch’anderanno sempre congiunte, con quelle, che di continuo porgerò al s[igno]re Iddio p[er] le magg[io]ri felicità, che bramar possa l’Aug[ustissi]ma sua p[er]sona e Casa, et profondam[en]te me le inchino. De la Sacra Ces[are]a M[aes]tà V[ost]ra hum[ilissi]mo Deuot[issi]mo et Oblig[atissi]mo Seruo Antonio Cesti Letter IV Florence 9 October 1668 to Leopold I

Sacra Cesarea Real maestà Sabato mattina che fù il 6 corrente gionsi in Fiorenza con buona salute, e­ ­posso dire in Patria p[er]che non è distante che una giornata; ne porto l’auuiso humil[men]te à V[ost]ra M[aes]tá Ces[are]a giá che con tanta benignitá mi hà permesso il farlo. In esecutione poi de i Clem[entissi]mi comandi della M[aes]tá V[ost]ra deue [sic] 53 rappresentargli che in Venetia, oue mi trattenni noue giorni, hebbi congiont[ur]a di sentire diuersi Virtuosi, fra i quali il Procerati quanto al modo di Cantare, mi piacque più di tutti, ma si sente che l’aria di molti anni gli hà pregiudicato à la uoce, canta ad’ogni modo un contralto molto aggiustato. Sentij Tonino da Murano155 Soprano Cappone, con buona uoce, buona maniera, d’aspetto che potrebbe in scena rappresentar parte di Donna, giouine e di buon indole p[er]ciò che n’hebbi dà molti relat[ion]e et ambirebbe il seruitio di V[ost]ra M[aes]tà mà l’hauer io assuefatto l’udito al Canto del Vincenzino156 e d’altri Virtuosi di V[ost]ra M[aes]tà mi fà parer forse che non ui sia in lui q[ue]lla p[er]fett[ion]e che uorrei. Il Sig[no]r Procurator Sagredo mi fece sentire una Puttina di anni dodici che in Verità è miracolosa, cantando con una gratia e disinuolt[ur]a che 155 Antonio Divido (?), called Antonio (Tonin) da Muran. 156 Vincenzo Olivicciani.

231

I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa non inuidia un soprano p[er]fetto. Il Formenti Baritono canta molto bene ma senza fondi. In Padoua sentij un Giouine Romano Basso, di uoce gagliarda, ma non hà fondi. In Bologna poi cantò il Prete Lorenzo ­Gaggiani, giouine, uoce granita, franco, tocca q[ues]te corde [notated: d’-D], q[ues]to benche alquanto ­debole di uista, l’hó creduto buono p[er] la Capp[ell]a di V[ost]ra M[aes]tà: e p[er]ciò hò lasciato l’ord[in]e al Cazzati157 li m[aest]ro di Capp[ell]a che t­ ratti seco e mi scriuerà ciò che hauerà operato. Ritrouai anco in Bologna Lelio C ­ olista che compone e suona di Leuto in eccellenze, Virtuoso di pezza, e di qualità ben degne, quando V[ost]ra M[aes]tà inchinasse hauerlo ne la sua Corte, q[ues]to è soggetto che puol seruire à tutte l’occorenze, mà è ben uero che b­ isognerebbe farlo uenire e chiamarlo in qualch[e] occasione, che cosi la m[aes]tà V[ost]ra lo potrebbe prouare senza impegnarsi di più quando non s­ odisfacesse. Sentij ancora un Puttello di anni dieci che canta di soprano con uoce eguale e buona, ed’ è gia disposto à Capponarsi, il Padre che gli insegna mi dissi di uolermi scriuere, suona di Cimbalo e Violino, e si uede che è nato p[er] la musica, onde non dubito non sia p[er] fare un ottima riuscita. hò sentito un altro Soprano Cappone scolare del med[esi]mo Cazzati, la uoce in parte è passabile, ma nel resto non ui è gran delitia. Anco un Contralto C ­ appone cantò con uoce mediocre, ma à denti serrati: hò poi sentito Giuseppino, che hà molto migliorato la uoce e bella, ­gagliarda et argentino, l’hò ritrouato impegnato in S. Petronio ma p[er]ò con decreto di poter andare à recitare in Ven[eti]a ò doue gli occorrerà, siche V[ost]ra M[aes]tà lo potrebbe hauere p[er] qualche tempo, si è riserbato di attendere la uenuta di suo fratello. Deuo poi rappresentare à V[ost]ra M[aes]tà d[’] hauer ritrouato il riccioni158 in Ven[eti]a con ardent[issi]mo desid[eri]o di ritornarsene, ma non essendo affatto risanato, io l’hò consigliato ad’assodarsi prima nella salute, p[er]che il pouero huomo appena si puol leuare il Cappello, onde anco che si riconducesse costì non potrebbe seruire à ­nulla, l’hò assicurato ch[e] uien compatito e gli hó promesso di scusarlo app[ress]o V[ost]ra M[aes]tà che certo lo deue fare p[er]ch[e] è degno di compassione. Suppongo che al mio arriuo in Arezzo ritrouerò i pregiat[issi]mi comandi della M[aes]tà V[ost]ra nel proposito concertato, onde non mancherò di darui subito mano, e qui profondam[ent]e inchinandomi resto p[er] esser sempre D[i] V[ostra] C[esarea] R[eal] M[aes]tà Fiorenza 9 8bre 1668 hum[ilissi]mo Deuot[issi]mo et Oblig[atissi]mo Seruo Antonio Cesti.

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157 Maurizio Cazzati. 158 Carlo Benedetto Riccioni, bass of the imperial Kapelle.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna Letter V Arezzo 1668 Okt. 25 (to Count Ferdinand Bonaventura Harrach)

Ill[ustrissi]mo et Ecc[ellentissi]mo Sig[no]r sig[no]r P[ad]ron Col[endissi]mo Mi condussi à la fine in Patria, e l’obligationi che professo all’humanità di V[ost]ra Ecc[ellen]za, non p[er]mettono ch’io trascuri il riuerirla con la ­presente, che serue nell’istesso tempo p[er] dirle che sino ad hora non mi sono arriuati quei recapiti che mi p[er]suadeuo da la premura con la quale si c­ oncertò auanti la mia partenza di Naistatt, intorno all’operetta[;] onde dà q[ues]ta t­ardanza ­a rgomento, ò che si sia mutata pensiero, ò che la solita maligna stella di quei de la posta proseguisca (ne so p[er]che) à p[er]seguitarmi; il tempo chiarirà il dubbio. La benig[nissi]ma p[er]missione di S[ua] M[aes]tà n[ost]ro Clem[entissi]mo sig[no]re mi diede l’ardire di scriuergli da Fiorenza p[er] dargli distinta­ relat[io]ne de i Virtuosi che haueuo sentito in diuerse Città; proseguisco hora con l’ecc[ellen]za V[ost]ra, e dico che in quella Corte la Ser[enissi]ma ­Granduchessa mi fece l’honore di farmi sentire due fanciulle di Cam[er]a una che canta p[er]fettam[ent]e con uoce di soprano bell[issi]ma, e l’altra suona d’Arpa meglio di quanti io n’habbia sentiti; D Filippo Melani che fece l’oronte in Ispruch si conserua meglio che mai con uoce di Contralto, e ui hà S[ua] A[ltezza] un tal Querci suo Capp[ella]no che canta un tenoretto gentiliss[i]mo. Il Sig[no]r Card[ina]l Leopoldo159 prese un tal Cappellini che suona di ­Violino, di lira, e di mandola assai bene, et è uno de i tre Virtuosi che stauano col s[igno]re Card[ina]l Chigi, compagno del S[igno]r Lelio Colista del quale ne portai a S[ua] M[aes]tà la relat[io]ne; ui hanno anco il Saluetti160 che suona il Violone à quattro corde beniss[i]mo suona assai bene di Violino ancora; p[er] la Città non ui hò sentito gran cosa onde senz’ apportar maggior disturbo à V[ostra] E[ccellenza] resto con supplicarla d’un profond[issi]mo inchino p[er] mia parte alla M[aes]tà Sua, e di conseruarmi la sua stimat[issi]ma protezzione 55 ho|norandomi de suoi pretiosi comandi, e ricordandomi Ser[u]o Deuot[issi]mo al Sig[no]r Co[nte] Mansfelt e a tutti gli altri P[ad]roni et amici mi confermo immutabilm[ent]e d’Arezzo 25 8bre 1668 D[i] V[ostra] E[ccellenza] Deuot[issi]mo et Oblig[atissi]mo Ser[uito]re Vero Antonio Cesti.

159 Cardinal Leopoldo de’ Medici. 160 Pietro Salvetti.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Letter VI Arezzo 13 December 1668 (to Count Ferdinand Bonaventura Harrach)

Ill[ustrissi]mo et Ecc[ellentissi]mo sig[no]r sig[no]r P[ad]ron Col[endissi]mo Perche attendeuo lett[er]e di Bologna p[er]sentire e potere auuisare à V[ostra] E[ccellenza] le risolut[io]ni del Basso,161 come di Giuseppino162 fratello di D. Giulio,163 hò trascorso qualche giorno nell’accusare à l’Ecc[ellen]za V[ost]ra il fauore della risposta, che mi hà dato p[er] ordine di S[ua] M[aes]tà n[ost]ro Clem[entissi]mo P[ad]rone; gli dico adunque che il Basso D. Lorenzo Gaggiani no ha dato risposta concludente mentre era p[er] altro mezzo impegnato in Roma come di già auuisai; bensi D. Giulio mi scriue che suo fratello bramando di continuare à me i segni del suo affetto si era disposto a uenire a seruire S[ua] M[aes]tà e che farà tutto quello che uorremo; onde non metto in dubbio che S[ua] M[aes]tà acquisti questo figliolo, e sò già che Don Giulio med[esi]mo ne hà scritto al s[igno]r Smelzer164 che seco trattò &. Quando credeuo d’hauer sodisfatto à sig[no]ri Grimani con la composit[ion]e dell’Artaxerse, ­opera dell’ Aureli165 mi spediscono qui huomo apposta con altra nuoua opera dell’Ill[ustrissi]mo Beregano166 p[er] il dubbio che la p[rim]a non resista à le preparationi dell’altro Teatro di S: Luca onde hò principiato à comporgli anco quest’altra, la quale p[er] la materia p[er] l’inuentione, p[er] la nobiltà del uerso e p[er] tutte l’altre parti, e molto più à proposito &. Il Sig[no]r Dottor Moniglia167 restò regalato della Collana e dell’Impronto di S[ua] M[aes]tà e mi disse che m’hauerebbe rimessa insieme La Giocasta, ma p[er]che egli è presentem[en]te in Pisa, Lettore di q[ue]lla Sapientia, hò io scritto ad’un mio nepote168 il quale è m[aest]ro di Capp[ell]a de la Chiesa e relig[io]ne de sig[no]ri | Cau[aglie]ri di S. Stefano p[er]che lo solleciti, acciò io possa obedire, come bramo à i Clem[entissi]mi comandi di S[ua] M[aes]tà Ces[are]a. Mi fù scritto che il s[igno]r Ziani169 era stato chiamato p[er] l’organo di S. Marco in Venetia, onde mi p[er]suado che p[er] leuarsi dall’ inquietudini e malignità cabalesche di quei suoi musici si risoluerà forse à partire di costà,

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161 Lorenzo Gaggiani. 162 Giuseppe Maria Donati. 163 D. Giulio Cesare Donati. 164 Johann Heinrich Schmelzer. 165 Aurelio Aureli. 166 Nicolò Beregan(i). 167 Giovanni Andrea Moniglia. 168 D. Remigio Cesti. 169 Pietro Andrea Ziani, maestro di cappella of Empress Dowager Eleonora.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna in q[ues]to Caso, e quando non ui sieno p[er]sone capaci appresso S[ua] M[aes]tà l’Imp[eratri]ce Leonora che pur troppo ue ne sono, ma ne le Corti regna più l’ignoranza che la Virtù, hò scritto al s[igno]r Bertali170 raccomandandogli il s[igno]r Carlo Grossi soggetto di molto merito, ma se questo non sodisfacesse interam[en]te spererei che il s[igno]r Lelio Colista potesse certo essere à proposito, e come scrissi q[ues]to e Virtuoso di qualità ben degne e di gran ­Talento; questo Carnouale egli sarà in Venet[i]a e quando io potessi assicurarlo d’un regalo da par suo uedrei di spingerlo à cotesta Corte e così S[ua] M[aes]tà lo potrebbe sentire e prouare, e stabilirlo p[er] la m[aes]tà dell’ Imp[eratric]e Leonora, la quale suppongo si lasci regolare in q[ues]ta materia et in ogn’altra da la prudenza et inteligenza del n[ost]ro Clem[entissi]mo P[ad]rone. V[ost]ra Ecc[ellen]za lo raccordi è me ne dia auuiso p[er]che sò che n’hauerà honore proponendo Virtuoso sing[ola]re. Io poi nel principio del mio arriuo qui in Patria, e p[er] la mutazione dell’Aria, de Cibi, di Vini, e p[er] il patim[en]to di si lungo Viaggio hò hauuto qualche risentim[en]to et in specie un ribullimento di sangue sparsomi p[er] tutta la Vita chi mi ha dato anco grand[issi]me ­febri, e tenuto à letto molti giorni; hora p[er] la dio gratia principio à ritornare, ma mi uado mutando la pelle come i serpi; la Coscia sin ad hora non mi dà ­molto noia, e ben uero che l’Aria e molto più mite di cotesta, onde spero p[er] quest’inuernata passarmela assai bene; Auguro à S[ua] M[aes]tà et a V[ost]ra Ecc[ellen]za p[er]fetta salute; e feliciss[issi]me le Sant[issi]me Festi del natale di n[ost]ro sig[no]re Iddio, con quel di più che sanno desiderare, et attendo di sentire che nasca un nuouo Arciduchino p[er] poter fare quelle dimostrationi d’allegrezze che mi costringono le mie grandi obligat[io]ni con le quali mi farò sempre conoscere di S[ua] M[aes]tà e di V[ostra] Ecc[ellen]za d’Arezzo 13 Xbre 1668 hum[ilissi]mo Devot[issi]mo et Oblig[atissi]mo Ser[vito]re Vero Antonio Cesti. Letter VII Arezzo 27(?) January 1669 (to Count Ferdinand Bonaventura Harrach)

Ill[ustrissi]mo et Ecc[ellentissi]mo Sig[no]r P[ad]ron Col[endissi]mo Dal Sig[no]r Residente Chiaromanni che porgerà questa mia a V[ostra] E[ccellenza] gli sarà rappresentato il desiderio del s[igno]r Co[nte] Gio[vanni] Montauti | mio partialiss[i]mo P[ad]rone, p[er] il quale supplico V[ostra] 57

170 The imperial maestro di cappella Antonio Bertali.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa E[ccellenza] à contribuire quegli ofitij di benignità e cortesia che suole distribuire à suoi hum[ilissi]mi ser[uito]ri fra quali mi farò in tutte l’occasioni riconoscere io stesso. Dal giubilo concepito da me del parto feliciss[i]mo sparsosi in queste parti hò preso l’ardire di rallegrarmene con S[ua] M[aes]tà Ces[are]a n[ost]ro Clem[entissi]mo P[ad]rone e di far qui quelle dimostrazioni che hà possuto il mio stato e pouertà; con hum[ilissi]mo inchino p[er] mia parte mi honorerà di presentare l’acclusa alla M[aes]tà Sua mentre la prego di riuerire il s[igno]r Co[nte] Mansfeld e tutti i miei P[ad]roni, e resto D[i] V[ostra] E[ccellenza] d’Arezzo 17 [recte: 27?]171 Gen[nai]o 1669 Deuot[issi]mo et Oblig[issi]mo Ser[uito]re Antonio Cesti. Letter VIII Florence 27 April 1669 (to Count Ferdinand Bonaventura Harrach)

Ill[ustrissi]mo et Ecc[ellentissi]mo Sig[no]r Sig[no]r P[ad]ron Col[endissi]mo Quest’inuerno passato, benche molto trauaglioso mi sia successo p[er] le continue mie f lussioni, stante la stagione strauagant[issi]ma che correua ancora in q[ues]te parti, ad ogni modo non disperauo potermi riportare à cotesta Aug[ustissi]ma Corte al solo oggetto d’incontrare i benign[issi]mi comandi di S[ua] M[aes]tà Ces[are]a. Ma hora nell’entrare la Prim[auer]a che muoue tutti gli humori, mi uedo tanto mal in essere che difficilm[en]te potrei cimentarmi ad’ un Viaggio così longo, mentre assolutam[ent]e i medici mi consigliano à non ritoccare l’Arie fredde di Germania se non uoglio ridurmi in un Letto, con pericolo e della salute, et inhabile à tanta laboriosa seruitù. Mi s’aggiunge la morte di mio fratello, che mi necessita ad assistere à sei miei nepoti p[er] l’educatione, e p[er] gli altri interessi di mia pouera Casa, onde di nuouo son costretto à supplicar la gran bontà del mio Clem[entissi]mo P[ad]rone p[er] benign[issi]ma licenza, e p[er]che in ogni tempo e luogo ambisco di esser riconosciuto p[er] grato e fedel ser[uito]re di S[ua] M[aes]tà significo à V[ostra] E[ccellenza] di uoler continuare anco ne la mia lontananza nel modo che mi saria possibile la mia ossequiosiss[i]ma seruitù; mi sono portato qui in Fiorenza p[er] supplicare Il Ser[enissi]mo G[ran]Duca; à degnarsi concedermi un luogo in Sapienza di Pisa, ò in altro di quei Collegij p[er] un mio nepote che si uor-

171 The date is surely wrong, since Archduchess Maria Antonia was born on 18 January 1669.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna rebbe addottorare in medicina, è spero che fra un Anno sarà capace d’andarui, ma qui è necessario preuenire con le Suppliche p[er]che questi luoghi si promettono molto tempo auanti, onde se non fosse troppo ardire uorrei supplicare V[ostra] E[ccellenza] à procurarmi una Lett[er]a | di raccomandat[io]ne 58 da S[ua] M[aes]tà Ces[are]a p[er] S[ua] A[ltezza] S[erenissima] cioè in Genere, p[er] i uantaggi e miei e della mia Casa, ch’io à suo tempo poi nella supplica specificherò ciò che occorra. In tanto hò qui parlato al s[igno]r Vincenzino172 e non lo ritrouo che di buona uolontà, e ben uero che l’hanno qui quietato con parole e buone speranze, ma se q[ues]te durano, come suppongo, non sarà difficile che si pieghi al ritorno in coteste parti; questo e negozio p[er]ò che dourebbe passare p[er] poche mani; onde quando S[ua] M[aes]tà sia contenta non esca di V[ostra] E[ccellenza] e di me. In questo proposito hò sollecitato il S. Gio[uanni] Paolo173 al ritorno, e doue hauerò campo non mancherò di dar continui segni a Sua M[aes]tà della mia oblig[atissi]ma seruitù, supplicando V[ostra] E[ccellenza] d’un profond[issi]mo inchino p[er] mia parte et à continuarmi l’honore de la sua pregiat[issi]ma gratia e protezzione p[er]che io in ogni luogo e tempo hauerò particolar ambitione di farmi conoscere immutabilm[ent]e D[i] V[ostra] E[ccellenza] Fiorenza 27 Ap[ri]le 1669 Deuot[issi]mo et Obl[igatissi]mo Ser[uito]r Vero Antonio Cesti Letter IX Florence 15 June 1669 (to Count Ferdinand Bonaventura Harrach)

Ill[ustrissi]mo et Ecc[ellentissi]mo sig[no]r sig[no]r P[ad]ron Col[endissi]mo Ad instanza d’alcuni Cau[aglie]ri di Siena, mi portai di nuouo in quella Città, quattro leghe lontana di qui, p[er] assistere à la rapresentatione dell’Argia, che riuscì mirabilm[en]te e nel ritorno hò ritrouato la grat[issi]ma carta di V[ostra] E[ccellenza] che molto mi hà p[er]turbato p[er] non sentirmi compatito della risolut[io]ne presa di restarmene in Patria, à che mi ha necessitato la morte di mio fratello p[er] l’assistenza et educat[ion]e di sei miei nepoti, quattro maschi, e due femmine, una de le quali è in fascie, et uno di tre anni, oltre à la poca ­buona salute che godo anco presentem[ent]e io stesso; e come hauerei p­ ossuto mai cimentarmi ad’un Viaggio tanto lungo e disastroso con queste pouere 172 Vincenzo Olivicciani. 173 Giovanni Paolo Bonelli, tenor of the imperial Kapelle.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa c­ reature? Sig[no]r Conte mio Sig[no]re hò fatto sempre professione d’huomo honorato, e di parlare e scriuere candidam[en]te, e rimango mortificat[issi]mo che non mi si presti q[ue]lla fede che meritano le mie azzioni, e la sincerità dell’animo mio, con la quale sino che hauerò spirito, procurerò di caminare, essendo lontaniss[i]mo da le cabale e dalle bugie. Se p[er] le cose passate io habbia hauuto occasione di uersarmi da cotesto seruitio Cesareo, S[ua] M[aes]tà e V[ost]ra Ecc[ellen]za l’hanno saputo, p[er]ch’io l’hò | molte uolte detto, e rappresentato anco in Carta, ma queste erano di già sopite, e la protezzione di V[ostra] E[ccellenza] e le promesse che nella mia partenza mi fece il s[igno]r P[ri]n[ci]pe Locouiz,174 e più di tutto la costante e benign[issi]ma affettione di S[ua] M[aes]tà nell’hauer compatite e gradite le fatiche della grand’opera mi faceuano sperare i uantaggi che non erano negati à gli altri tutti. Non uoglio toccare le cose particolari dell’interesse p[er]che questo, e molto più lontano dall’animo mio, di q[ue]llo sò esser stato rappresentato, e forse impresso a S[ua] M[aes]tà[;] molto p[er]ò potrei dire sopra di chi leuandomi duoi mesi di ricognitione p[er] la seruitù di tanti anni prestata sempre fedelm[en]te à Ser[enissi]mi Arciduchi in Inspruch, e facendomi principiare cotesto seruitio tre mesi doppo d’esser accettato; hà creduto di far arrichire S[ua] M[aes]tà, come pare si procuri hora, con uolere che io renda indietro tre mesi di paga, sopra di che ne porto le mie suppliche à S[ua] M[aes]tà nell’annessa, non credendo siasi scordata di ciò che mi fece intendere p[er] V[ostra] E[ccellenza] uolendo che mi corressero le paghe; ed’ io sino che sono stato del med[esi]mo pensiero di ritornare, hò accettato e goduta la gratia; è ben uero, che doppo la morte di mio fratello, che mi hà fatto applicare ad altre risolut[io]ni non intendo aggrauare di un Carantano; ma poca reputatione e uantaggio d[e]lla longa mia seruitù prestata all’Aug[ustissi]ma Casa p[er] lo spatio di anni uenti,175 saria il necessi­ tarmi à quest’azzione e p[er]che non posso persuadermi sia ciò d’intentione di S[ua] M[aes]tà ricorro à la stimatiss[i]ma protezzione di V[ostra] E[ccellenza], che in tutte l’occorrenze mi si è mostrata partiale acciò si tagli il filo à q[ues]ta nuoua cabala. Scriuo a S[ua] M[aes]tà che molte richieste di seruire hò hauute in Italia e fuora, doppò essersi saputo ch’io restavo in Patria, e con tutti mi sono scansato p[er]che quando hauessi possuto star fuori di Casa non hauerei mai lasciato il seruitio di S[ua] M[aes]tà[.] Al Ser[enissi]mo Grand[uc]a mio P[ri]n[ci]pe naturale, che non mi hà uolsuto lasciare totalm[ent]e ozioso in Patria, non hò possuto far

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174 Prince Wenzel Eusebius von Lobkowitz, chief steward (Obersthofmeister, maggiordomo maggiore) of the imperial court. 175 Cesti has rounded up almost 16 years to 20.

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna di meno, di non obedire, ne hò creduto che S[ua] M[aes]tà possa hauere alcun disgusto, sapendo che sono in Casa mia e suddito. Da un Giouane Sanese Cau[aglie]re d’habito e di nascita mi furno date l’annesse parole che hò messo sotto le note e p[er] la uoce del s[igno]r Pancotti sarà molto à proposito. Il Vincenzino lo mantengo in buona uolontà, ma sino ad’ hora uiuendo con speranza di miglior trattam[en]to del che non me n’assicuro, resta irresoluto; puol bene V[ostra] E[ccellenza] accertar S[ua] M[aes]tà che doue mi sarà possibile darò sempre ueri segni di hum[ilissi]mo et oblig[atissi]mo suo Seruo. e senza più resto immutabilm[en]te D[i] V[ostra] E[ccellenza] Fior[en]za 15 Giugno 1669. Deuot[issi]mo et Oblig[atissi]mo Ser[uito]re Vero Antonio Cesti. Letter X Florence 17 August 1669 to?

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Ill[ustrissi]mo Sig[no]r Sig[no]r P[ad]ron Col[endissi]mo Alle moltiplicati e uiue instanze che mi uengono significate con tanta premura da V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma p[er] parte del s[igno]r Co[nte] d’Arach, e di mente di Sua Maesta Ces[are]a non posso rispondere che con un rendim[en]to humil[issi]mo di gratie p[er] l’honore e stima che si fà delle mie debolezze; e se ueram[en]te mi ritrouassi con uenti anni di manco, et in stato di buona salute p[er] proseguire una seruitù tanto laboriosa non altro bramerei delle conditioni che mi si accennano, quando anco credessi d’incontrare qualche superchiaria da chi mal uolentieri soffrirebbe il mio ritorno, il quale p[er] altro non potrebbe seguire senza rammarico di Cau[aglie]re Principale di Cotesta Corte. Supplico p[er] tanto S[ua] M[aes]tà Ces[are]a à compatirmi, et à creder ueraci, i motiui tante uolte espressi nelle mie Lett[er]e e p[er]che uorrei in ogni stato prestare à S[ua] M[aes]tà gli atti delle mie oblig[atio]ni si compiaccia V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma di confermare il desid[eri]o ben grande che hauerò benche lontano di seruire quando si degni comandarmi, et in questo proposito scriuo à S[ua] M[aes]tà l’annessa hum[ilissi]ma mia Carta; proponendogli un Putto di dodici anni che hora è Castrato e del quale in breue tempo ne sperarei ottima riuscita come nel mio passaggio di Bologna ne diedi già relatione à S[ua] M[aes]tà istessa. Che è quanto posso rispondere à la gentiliss[i]ma sua de 28 trascorso e facendo reuerenza al s[igno]r Co[nte] d’Arach176 l’accerti che sino

176 Count Ferdinand Bonaventura Harrach.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa che hauerò uita presterò all’Ecc[ellen]za sua quell’ossequij et obligat[io]ni che deuo e qui resto immutabilm[ent]e D[i] V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma Fior[en]za 17 Agosto 1669 Devot[issi]mo et Oblig[atissi]mo Ser[vito]re Vero Antonio Cesti. Mappe “Cesti Remigio” D. Remigio Cesti, Pisa 20 September 1670 (to Count Ferdinand Bonaventura Harrach)

Ill[ustrissi]mo et Ecc[ellentissi]mo sig[no]re P[ad]ron Col[endissi]mo Sapendo io quanto pregiavasi il Cau[aglie]r Antonio Cesti mio Zio d’esser trà i seruitori di s[ua] Ecc[ellen]za e di godère il patrocinio de suoi efficaciss[im]i ­officij, m’inuoglia di supplicarla à uoler’ascriuermi nel di lui luogo, dal quale immatura falce | di morte lo suelse: et appunto mi sen’appresta il modo, m ­ entre trà le diuerse compositioni, che trà i fogli di mio Zio si trouàno, mi diede alle mani un Dramma non anche messo sotto le note; Hò destinato con tal mezzo procurare il d[ett]o mio fine: non sò se deuo attribuirlo à mia ­buona, ò mala fortuna l’essermi riuscito di uestirlo delle presenti note; se queste ­r iusciranno grate all’Ecc[ellenza] sua, potrò nomarmi fortunatiss[im]o; Il che seguendo, non essendo à me ascosto d[ett]o Dramma esser destinato da mio Zio a S[ua] M[aestà] C[esarea] benche diuerso, non sò p[er] qual mano più benigna poter fargnene [sic] peruenire di quella di sua Ecc[ellen]za. Di cui ambisco ­soscriuermi Pisa 20. 7bre 1670 Hum[ilissi]mo Deu[otissi]mo et Oblig[atissi]mo ser[uito]re D. Remigio Cesti

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Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna 62

Ill. 3: La Schiava fortunata ó vero La Dori. Title-page of the libretto printed in Innsbruck in 1665 (Freiburg im Breisgau, Universitätsbibliothek, Historische Sammlungen. Signatur: E 488); cfr. p. 35 [214].

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa

Ill. 4: L’Artaxerse overo l’Ormonda costante. Drama per musica. Venezia 1669 (mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Musikgeschichtliche Abteilung, Signatur: Rar. Libr. Ven. 117).

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ANTONIO CESTI IM LICHT NEUER QUELLEN Sein bewegtes Leben zwischen Italien und Österreich * Der Komponist der großen Wiener Festoper Il Pomo d’Oro verbrachte den weitaus überwiegenden Teil seiner nur 18 Jahre langen Schaffenszeit im Dienst der Habsburger in Österreich und komponierte 13 seiner wahrscheinlich 18 Bühnenwerke für ihre Festlichkeiten, die restlichen für das Teatro Santi Giovanni e P ­ aolo der ­Familie Grimani in Venedig. Zehn bisher unbekannte eigenhändige Briefe C ­ estis in einem Wiener Archiv1 enthalten wertvolle Informationen über seine letzte ­Wiener Zeit, den Zeitpunkt seiner Heimkehr in die Toskana sowie die Gründe dafür, und vor allem über drei dort in seinem letzten Lebensjahr komponierte Opern, die bisher anderen Komponisten zugeschrieben waren. Im Rahmen der Recherchen tauchten auch ein bisher unbekanntes italienisches Szenarium und ein Libretto zu Innsbrucker Aufführungen seiner erfolgreichsten Oper La Dori auf. 2

Musikuniversalist aus Italien Cesti wurde am 5. August 1623 in Arezzo auf den Namen Pietro getauft und sang in Kirchen seiner Heimatstadt, bis er 1637 als Minoritenmönch in ein Kloster in Volterra aufgenommen wurde, mit dem Ordensnamen „Antonio“, den er für den Rest seines Lebens führte („Marc’Antonio“, wie ihn die ältere Literatur nennt, hat er nie geheißen). Im selben Jahr noch trat er ins Kloster San Francesco in ­Arezzo ein, wo er bis 1643 blieb. Danach wurde er Organist und war von 1645 bis 1649 ­Kapellmeister am Dom von Volterra. Seit 1647 trat er auch als Sänger auf Opernbühnen auf, zunächst in Siena. Im Winter 1649/1650 war er für kurze Zeit als ­Tenor am Dom von Pisa angestellt, und um diese Zeit attestierte ihm der mit ihm befreundete Maler Salvator Rosa, er sei der Glanz der Opernbühnen. Dass ein Konventuale dies nicht ohne Widerspruch seiner Ordensoberen sein konnte, * Zuerst erschienen in: Österreichische Musikzeitschrift 59 (2004/7), S. 20–29. 1 Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach (A-Wfh), Karton 223, Mappe „Cesti Antonio“. Ich bin Frau Dr. Angela Romagnoli für den Hinweis auf diese Briefe sehr zu Dank verpflichtet. 2 Eine ausführlichere Darstellung seiner Zeit in Österreich mit der vollständigen ­Transkription der Briefe habe ich unter: „Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna, with new informations about his last year and his œuvre“. In: La figura e l’opera di A ­ ntonio ­C esti nel Seicento europeo, hg. von Mariateresa Dellaborra (Quaderni della Rivista Italiana di Musicologia 37). Florenz 2003, S. 15–62 [195–242], veröffentlicht.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa erfuhr C ­ esti spätestens nach seinen Auftritten in Lucca im September 1650, einer davon in Francesco Cavallis Erfolgsoper Il Giasone. In dieser Stadt lernte er den Dichter Francesco Sbarra (1611–1688) kennen, dessen Libretto Alessandro Vincitor di se stesso er für Aufführungen im venezianischen Teatro Santi Giovanni e Paolo im Karneval 1651 komponierte. Nach dem eher mäßigen Erfolg dieser seiner ersten, erhaltenen Oper erhielt er doch den Auftrag, für die nächste Wintersaison derselben Opernbühne Dario Varotaris Libretto Il Cesare amante zu vertonen. 3

Innsbruck: Italienische Oper nach dem Vorbild Venedigs 20

Die seit den Auftritten in Pisa belegbare Protektion der Familie Medici könnte dem Minoritenpater auch zu seiner Anstellung am Innsbrucker Habsburgerhof durch Erzherzog Ferdinand Karl verholfen haben, denn dieser war mit Anna de’ Medici verheiratet. Er nahm Cesti im Dezember 1652 als „Maestro di musica di c­ amera“ auf. Diese Kammermusik bestand im Gegensatz zur kirchlichen Hof ­k apelle fast ausschließlich aus Italienern, darunter dem Organisten, Sänger und Hof kaplan Antonio Maria Viviani, der spätestens 1648 sehr wahrscheinlich aus der Toskana nach Innsbruck gekommen war und Cesti vielleicht von dort kannte. Der Erzherzog hatte 1652 mit seiner Frau und seinem Bruder Sigismund Franz eine Italienreise unternommen und dabei die Höfe von Mantua, Modena, Parma, ­Florenz und Ferrara besucht, wobei ihnen auch Opern präsentiert worden waren, z. B. Theti in Mantua. In der Toskana konnte er dabei auch Cesti kennengelernt haben. So nimmt es nicht Wunder, dass der Habsburger auch an seinem Hof die italienische Oper etablieren wollte, wie sie es am Kaiserhof schon seit mindestens einem Vierteljahrhundert war, und sich dazu den mit seiner zweiten Oper in Venedig sehr erfolgreichen jungen Komponisten und Sänger holte, den Salvator Rosa im November 1652 rühmte, er habe sich in Venedig unsterblich gemacht und werde als bester zeitgenössischer Komponist geschätzt. Gleichzeitig ließ der Innsbrucker Erzherzog ein Theater nach dem Vorbild der Opernhäuser Venedigs erbauen (Vorgängerbau an der Stelle des heutigen Landestheaters), das Mitte 1653 fertig gestellt, doch nicht vor dem 4. Jänner 1654 eröffnet wurde, und zwar gerade mit Cestis Erfolgsoper aus Venedig Il Cesare amante, diesmal unter dem Titel La ­C leopatra. Auch dabei schloss sich Ferdinand Karl also an die öffentlichen Opernunternehmungen der Lagunenstadt an, nicht an die besichtigten Hoftheater. Aus der ­Korrespondenz 3 Die bisher zuverlässigste und ausführlichste Biographie Antonio Cestis findet man bei Lorenzo Bianconi: „Pietro Cesti“. In: Dizionario biografico degli italiani. Bd. 24. Roma 1980, S. 281–297. Der darauf basierende Artikel in Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2. Ausg. Bd. 4. Kassel 2000, Sp. 617–632, ist durch Fehler, Kürzungen und die Übersetzung korrumpiert.

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Antonio Cesti im Licht neuer Quellen des berühmten Kastratensängers und Diplomaten Atto Melani und aus den Innsbrucker Akten lässt sich der Großteil der Sängerbesetzung rekonstruieren. | Die 22 Römerin Anna Renzi – die berühmteste Sängerin in Venedig in den 1640er Jahren, die dort u. a. in Claudio Monteverdis L’Incoronazione di Poppea 1643 die Rolle der Ottavia übernommen hatte – sang die Partie der Cleopatra, auf die sich ursprünglich Atto Melani Hoffnungen gemacht hatte, und wahrscheinlich Cesti selbst, den Melani als des Erzherzogs „Dio della musica“ bezeichnete, eine Tenorrolle. Der neue Prolog zu La Cleopatra, wie der Titel nun lautete, war vom Hofpoeten, Rat und Truchsess Giovanni Filippo Apolloni verfasst worden, der im Februar 1654 über Pater Cesti berichtete, dass er mit Liebesangelegenheiten ebenso intensiv beschäftigt sei wie mit der Musik. Im Mai schreibt er über seinen Plan einer Oper „alla moda di Venezia“ für Cesti, und im August war der Text fertig; wahrscheinlich handelt es sich um L’Argia. Eine Gelegenheit zur Aufführung ergab sich erst im folgenden Jahr, als die ehemalige Königin Kristina von Schweden auf ihrer Reise von Brüssel in ihr neues Domizil Rom durch Innsbruck kam und dort zur katholischen Konfession konvertierte. Im November 1655 bekam sie außer dieser großen Oper auch eine kleinere zweimal zu sehen, ebenfalls von Apolloni verfasst und sehr wahrscheinlich von Cesti vertont, Marte placato. Ein antikatholischer Zeuge aus England, Dr. John Bargrave, schrieb über L’Argia: „They were 7 castrati or eunuchs; the rest were whoores, monks, fryers, and priests. I am sure it lasted about 6 or 7 hours, with most strangely excellent scenes and ravishing music“, was ziemlich genau zutrifft. Es ist nämlich eine handschriftliche Besetzungsliste in einem Librettoexemplar erhalten, die diese Angaben bestätigt. Cesti selbst sang die Rolle des Königs Atamante, die in den überlieferten Partituren im Bassschlüssel notiert ist, und wieder war Anna Renzi, die einzige weibliche Sängerin, aus Venedig geholt worden, in der Liste als römische „corteggiana“ (Kurtisane, bei Bargrave „whoore“) bezeichnet. Während der nächsten 25 Jahre übernahmen viele Bühnen Italiens diese Oper. Schon während des folgenden Faschings 1656 kam die nächste Frucht der Zusammenarbeit zwischen Apolloni und Cesti in Innsbruck zur Aufführung: L’Orontea, eine Bearbeitung von Giacinto Andrea Cicogninis Text für Venedig mit Apollonis Prolog. Im Jahr danach verfasste dieser Hofdichter ein neues Libretto für Cesti, La Dori, und diese Oper wurde mit über 30 Produktionen in Italien (1673 übrigens auch in Wien) eine der erfolgreichsten des 17. Jahrhunderts. Ein bisher unbekanntes italienisches Szenarium der Uraufführung gibt den ursprünglichen Titel: La Schiava fortunata ó vero La Dori.4 Erst bei der Wiederaufnahme in Florenz 1661 (s. u.) wurde der Titel zu La Dori ò vero La Schiava fedele geändert. 4

Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart, HB 2268/4, und Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Bibliothek, M 157 ron.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Bis 1659 verließen beide Autoren Innsbruck: Cesti wurde nur beurlaubt, ­Apolloni kam aus Italien nicht mehr zurück. Der Nachfolger des Hofdichters wurde 23 Francesco Sbarra, ein Geistlicher | aus Lucca, der schon den Text für Cestis erste Oper für Venedig verfasst hatte (s. o.). Er war mit dem Inns­brucker Regenten seit mindestens 1654 in Verbindung,5 für den er 1656 ein Drama (wohl ein Libretto für Cesti) über die europäische Geschichte der letzten 50 Jahre begonnen hatte, das er wegen des Dienstes für die vor kurzem aus Innsbruck in Rom ­a ngekommene Ex-Königin Kristina von Schweden nicht vollenden konnte; dennoch bat er den in Prag residierenden Kardinal Ernst Adalbert von Harrach ­Anfang April um seine Empfehlung für den Posten des Agenten Erzherzog ­Ferdinand Karls in Rom, die er auch erhielt.6 Er trat aber dort nie an, sondern wurde stattdessen 1658 als Nachfolger Apollonis Innsbrucker Hofpoet.7 Seine Oper Venere ­C acciatrice wurde Anfang 1659 dort während eines Besuchs des Salzburger Fürstbischofs ­Guidobald von Thun aufgeführt, wahrscheinlich mit Cestis Musik. Dieser erhielt am 11. Jänner 1659 als ungewöhnlich großes Geschenk des Erzherzogs, der mit seinen Leistungen offenbar höchst zufrieden war, ein Haus in Innsbruck,8 war also zu dieser Zeit wohl noch dort.

Reisen: Papst, Erzherzog und GroSSherzog im Konkurrenzkampf um Cesti Über die Aufenthaltsorte Cestis im Jahr 1659 liefert das Reisetagebuch des jungen Grafen Ferdinand Bonaventura Harrach von seiner Cavalierstour 9 neue Daten. Am 20. März 1659 schrieb er in Rom: „Mann Spargirt hier der Pater Cesta des Erzherzog von Insbruck Musico, (dem der Pabst hier sein Orden abzulegen erlaubt, vnndt ihme darfür den Del Sant Spirito gegeben) seye zwey tagrayß von hier erschossen worden, wegen eines alten Handl den er zu Venedig gehabt, vndt noch mit ihme ein gar berühmter Mahler welchen er den Erzherzog hinaus führen wollen.“ Das bestätigen die aus anderen Quellen bekannten Fakten: Cesti reiste zum Papst, um die Entlassung aus dem Minoritenorden zu erbitten. Er wurde stattdessen in einen weltlichen Hospitalorden versetzt, der mit seinem freizügigen Lebenswandel auf dem Theater eher vereinbar war. Neun Tage später korrigiert der Graf das falsche Gerücht über Cestis Ermordung: „Die Zeütung wegen des Pater Cesta dott continuirt nit, ist woll soviel daran gewest, das ihme etl[iche] von seinen Freünd5 Walter Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Innsbruck 1954, S. 276. 6 A-Wfh, Karton 150, Mappe „Sbarra Francesco“. 7 A-Wfh, Karton 796, Mappe „Sbarra Francesco“. 8 Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 291. 9 A-Wfh, Karton 140.

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Antonio Cesti im Licht neuer Quellen ten ein burla machen wollen, vnndt ihme in schrecken gebracht, vnndt von diesen ist die Zeütung seines vermeinten dotts herkomen.“ Cesti war also am 19. März10 nach offenbar sehr kurzem Aufenthalt in Rom nicht mehr dort, sondern auf der Rückreise nach Innsbruck, zusammen mit seinem Freund Salvator Rosa, dem „gar berühmten Mahler“. Dass er auch angekommen ist, bezeugt Graf Harrach am 14. Juni mit einer Eintragung in seinem Reise­ tagebuch in Innsbruck: „Der Pater Cesti hat heundt mit des Erzherzog Castraten ein anderthalb stundt in Camera gesungen, vnndt gar schöne Arien hören lassen.“ Doch spätestens am 1. November war er zurück in Rom, wo ihn der Agent der 24 Toskana in der päpstlichen Kapelle unterbringen wollte; erst nach dem Tod eines Sängers konnte er am 21. Dezember 1659 über Intervention von Papst Alexander VII. aufgenommen werden.11 Dieses Dienstverhältnis beim Papst dauerte nicht mehr als eineinhalb Jahre. Denn schon im Juli 1661 sang Cesti in Florenz die Titelrolle in Jacopo Melanis Oper E ­ rcole in Tebe anlässlich der Hochzeit Cosimos III., eines Neffen Annas de’ ­Medici. Sie, ihr Mann Erzherzog Ferdinand Karl und seine Familie waren zu den Hochzeitsfesten aus Innsbruck angereist und blieben einige Monate länger als die ­übrigen Gäste. Dadurch gab es Gelegenheit, im Oktober sechs Aufführungen von ­C estis Oper Orontea durch die Accademia dei Sorgenti zu veranstalten, in denen der Komponist wohl die Rolle des Alidoro sang, die er aus der Alt- in die ihm zugängliche ­Tenorstimmlage transponiert hatte. Auch der damals erst 14jährige Kastrat Vincenzo Olivicciani, der später in Wien singen sollte, wirkte dabei mit. Das neu vermählte Großherzogspaar wollte auch die Musiker Ferdinand Karls hören, die dieser aus Innsbruck mitgenommen hatte, weshalb Ende Oktober bis November in derselben Akademie Cestis Oper La Dori ebenfalls sechsmal aufgeführt wurde.12

Rückkehr nach Innsbruck durch allerhöchste Protektion Da er von der päpstlichen Kapelle nur für kurze Zeit beurlaubt war, drohte ihm nun der Widerruf seiner Entlassung aus dem geistlichen Stand und damit die Exkommunikation. Der Erzherzog von Tirol und der Großherzog der Toskana erreichten aber, dass Kaiser Leopold I. beim Papst die Erlaubnis zur Rückkehr Cestis 10 Der Botschafter des Herzogs von Modena berichtete schon an diesem Tag über das Gerücht. Siehe Bianconi: „Pietro Cesti“, S. 285. 11 Ebenda, S. 286. 12 John Walter Hill: „Le relazioni di Antonio Cesti con la corte e i teatri di Firenze“. Rivista ­I taliana di Musicologia 11 (1976), S. 27, 31, 33. – Bianconi: „Pietro Cesti“, S. 287. – Jennifer Williams Brown: „Innsbruck, ich muss dich lassen“. Cambridge Opera Journal 12 (2000/2001), S. 208.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa in seinen Innsbrucker Dienst erwirkte. Der Vielbegehrte reiste also mit Ferdinand Karl in dessen Residenz, wo er im Februar 1662 ankam und Sbarras Libretto La Magnanimità d’Alessandro vertonte; die Oper ging anlässlich des zweiten Besuchs der Ex-Königin Kristina im Juni über die Bühne. Die Partitur13 zeigt vier verschiedene Handschriften, wovon eine (v. a. in Sinfonia und Prolog) wahrscheinlich die von Cesti selbst ist. Nach dem Tod von Erzherzog Ferdinand Karl Ende 1662 entließ sein Nachfolger Sigismund Franz einen Teil der italienischen „Kammermusik“, also der Operntruppe, und auch den Hofdichter Sbarra. Für die für 1665 geplante Hochzeit des neuen Regenten komponierte Cesti einen Text des toskanischen Hofarztes Giovanni Andrea Moniglia, La Semirami, doch Sigismund Franz starb kurz vor dieser Hochzeit. Damit war die Tiroler Linie der Habsburger erloschen, und das Land fiel an Kaiser Leopold I., der Sbarra schon in seine Dienste genommen hatte und dies nun auch – auf Empfehlung von Franz Albrecht von Harrach, der kurze Zeit als Statthalter von Tirol fungierte – mit Cesti und seiner 25 Operntruppe vorhatte; | diese kam ihm im Hinblick auf die Planung der Feste zu seiner Hochzeit mit seiner spanischen Nichte Margarita Teresa sehr gelegen. Cesti schrieb darüber nach Venedig und bezeichnete seine zum Teil schon seit 1653 aufeinander abgestimmten Sänger dabei als „una musica così unita, et concertata“.14 Diese waren allerdings zunächst mit dem Angebot des Kaisers nicht zufrieden und sollten nach Cestis Wunsch in Venedig seiner neuen Oper Tito zum Erfolg verhelfen, doch Leopold I. setzte sich im August 1665 durch. Im September reiste er selbst nach Innsbruck, um die Erbhuldigung entgegen zu nehmen. Kurz nach seiner Ankunft schrieb er an den mit ihm vertrauten Grafen Ferdinand Bonaventura Harrach, der zur Vorbereitung der Hochzeit in Madrid war: „[…] die musici Von Erzherzog So Ich schon aufgenommen Sein exquisti […] Den Cesti habe Ich dißmal nit geherdt. Er Singt ab[er] nunmehr Ein Baritone vnd gar Seldten den tenor […]“15, was eine für die Entwicklung von Cestis Stimme und die von ihm möglicherweise gesungenen Partien sehr aufschlussreiche Information ist. In weiteren Briefen des Kaisers und des Grafen Franz Augustin Waldstein, der die Aufsicht über das Theaterwesen hatte, zeigt sich die Hochschätzung, die Leopold für Cesti als Komponisten und Gesangspädagogen hatte, und auch seine Kritikfähigkeit bei der Beurteilung der Sänger. Trotz der Hoftrauer ließ Anna de’ Medici, die verwitwete Erzherzogin, am Tag der Erbhuldigung, dem 20. Oktober 1665, zur Unterhaltung der Kaisers Cestis großen Erfolg La Dori im Opernhaus aufführen; Leopold, der bei der Besichtigung 13 Wien, Österreichische Nationalbibliothek (A-Wn), Mus. Hs. 17720. 14 Remo Giazotto: „Nel CCC anno della morte di Antonio Cesti. Ventidue lettere ritrovate nell’Archivio di stato di Venezia“. Nuova Rivista Musicale Italiana 3 (1969/3), S. 503. 15 A-Wfh, Karton 206, Mappe „Leopold I. 1665–1673“, eigenhändiger Brief Kaiser Leopolds vom 6. Oktober 1665.

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Antonio Cesti im Licht neuer Quellen des Theaters damit überrascht worden war, war sehr zufrieden. Die Wiener Partitur16 und ein neu aufgefundenes Libretto17 – mit der Innsbrucker Titelversion von 1657 – gehören zweifellos zu dieser Aufführung. Vier der Sänger des Innsbrucker Ensembles, darunter der Altkastrat und spätere Hof kapellmeister Antonio Pancotti, und ein Gambist gingen unmittelbar in kaiserliche Dienste über, doch Cesti blieb noch in Innsbruck, da er sein dortiges Haus verkaufen musste und in Wien noch kein Quartier hatte.

Übersiedlung an den kaiser lichen Hof nach Wien Mit 1. Jänner 1666 wurde Cesti als Ehrenkaplan und „intendente delle musiche teatrali“ vom Kaiser angestellt; diese Funktion war für ihn geschaffen worden und mit der Verpf lichtung verbunden, „alle opera zu Componiren“; von Hof- und ­Vizekapellmeister Antonio Bertali und Giovanni Felice Sances erwartete man Klagen über ihre vermeintliche Zurücksetzung.18 Auch von Seiten von P ­ ietro Andrea Ziani, dem Kapellmeister der Hofmusik der Kaiserin Witwe ­Eleonora Gonzaga, gab es eifersüchtige brief liche Äußerungen über Cesti, der aber nicht lange nach seiner Ankunft am 22. April in Zianis Geburtstagsoper für Leopold I., L’Onore trionfante, | am 9. Juni eine Rolle sang.19 Im nächsten Monat, am 26 12. Juli, dem Geburtstag der noch in Spanien weilenden Braut des Kaisers, kam ­C estis erste für Wien komponierte Oper zur Aufführung, Nettuno e Flora ­f esteggianti mit Text von Sbarra. Die große Hochzeitsoper musste aus verschiedenen Gründen auch nach der Anfang Dezember 1666 in Wien gefeierten Vermählung immer wieder verschoben werden. Für den ersten Wiener Fasching der neuen Kaiserin schrieben Sbarra und Cesti die Oper Le Disgrazie d’Amore; für den kaiserlichen Geburtstag 1667 wählte man die zwei Jahre zuvor für Innsbruck komponierte, aber nicht aufgeführte Semirami, und für den der Kaiserin im Juli ein Rossballett von Johann Heinrich Schmelzer mit vokaler Einleitung von SbarraCesti, La Germania esultante. Erst über eineinhalb Jahre nach der Hochzeit, am 12. und 14. Juli 1668, konnte die große, fünf statt der üblichen drei Akte umfassende und szenisch üppig ausgestatttete Oper Il Pomo d’Oro von dem bewährten Innsbrucker Autorenteam ­Sbarra und 16 A-Wn, Mus. Hs. 18136. – Faksimile von Howard Mayer Brown in: La Dori, hg. von dems. (Italian Opera 1640–1770 63). New York 1981. 17 Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Donaueschingen, I Eg 4, und Universitätsbibliothek, Freiburg im Breisgau, E 488. 18 A-Wfh, Karton 311, Mappe „Waldstein Franz Joseph“, Brief von Franz Augustin Waldstein vom 26. November 1665 aus Wien an Ferdinand Bonaventura Harrach nach Madrid. 19 Hermann Kretzschmar: „Weitere Beiträge zur Geschichte der venetianischen Oper“. Jahrbuch der Musikbibliothek Peters 17 (1910), S. 68.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa Cesti aufgeführt werden, diesmal anlässlich des Geburtstags der Kaiserin. Der Librettist war nicht mehr dabei, da er schon am 20. März gestorben war, und Cesti bat den Kaiser nach Erfüllung seiner Hauptaufgabe in einem Schreiben um Erlaubnis zur Heimreise aus Gründen von Krankheit und wichtiger Erledigungen. Vorsichtig formulierte er die Bedingungen, unter denen er seinen angeblichen Wunsch, in kaiserliche Dienste zurückzukehren, verwirklichen könne: Gesundheit und rechtzeitige Erledigung seiner Angelegenheiten. 20 Einen weiteren und wahrscheinlich den wahren Hauptgrund für seinen Abschied aus Wien enthüllt ein Brief des ­Sängers Filippo Melani, der 1665 in der Innsbrucker Aufführung von La Dori die Rolle des Oronte gesungen hatte, an Graf Ferdinand Bonaventura Harrach 1670: 21 Der Komponist habe sich oft über die Schikanen des Theaterintendanten Graf Franz Augustin Waldstein beklagt, die ihm die kaiserlichen Gnadenbeweise vergällt hätten.

Heimkehr in die Toskana Cesti verließ den Kaiserhof während dessen Aufenthalts in Wiener Neustadt Ende August oder Anfang September 1668. Am 9. Oktober schrieb er aus Florenz an ­L eopold I. einen Brief, aus dem hervorgeht, dass er nach einem neun Tage dauernden Aufenthalt in Venedig und Stationen in Padua und Bologna drei Tage davor in der toskanischen Hauptstadt angekommen war. Offenbar hatte er den Auftrag, über Musiker zu berichten, die für die kaiserliche Kapelle in Frage kamen. Der hier notierte Stimmambitus eines Bassisten ist wahrscheinlich die einzige gesichert 27 eigenhändige Notenhandschrift Cestis, die als Vergleichsbasis zur Verfü|gung steht (siehe Abb. 5). Besonders empfahl er den Komponisten und Lautenisten Lelio ­C olista, den er in Bologna gehört hatte. Am 25. Oktober schrieb Cesti dem Grafen Ferdinand Bonaventura Harrach – nun schon aus Arezzo –, dass er die Sendung für die vor seiner Abreise aus Wiener Neustadt so dringend gewünschte „operetta“ noch immer nicht empfangen habe. Die aufschlussreichsten Informationen sind aber in dem Brief Cestis enthalten, den er am 13. Dezember 1668 in Arezzo an den genannten Grafen schrieb. Er teilte ihm darin mit, dass er nach der Komposition der Oper L’Artaxerse des Librettisten Aurelio Aureli für die Herren Grimani, also für das Teatro Santi Giovanni e Paolo in Venedig, von ihnen ein weiteres, viel besseres Libretto von Nicolò ­B eregani zur Vertonung erhalten habe, da sie Zweifel hätten, dass L’Artaxerse gegen die Vorbereitungen der Konkurrenz am Teatro di San Luca 22 bestehen könne, und damit schon begonnen habe. Damit ist gesichert, dass die Partitur der Oper 20 Undatierter Brief Cestis an den Kaiser in A-Wfh, Karton 223, Mappe „Cesti Antonio“. 21 A-Wfh, Karton 284, Mappe „Melani Philippo“, Brief vom 1. Februar 1670 aus Pisa. 22 Identisch mit dem Teatro di San Salvatore, an dem in dieser Saison Cestis L’Argia (ab 19. Jänner)

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Antonio Cesti im Licht neuer Quellen Abb. 5: Ausschnitt aus A. Cestis Brief vom 9. Oktober 1668 (siehe S. 231 f., Nr. IV) (A-Wfh, Karton 223, Mappe „Cesti Antonio“).

L’Artaxerse, overo, L’Ormonda costante, 23 die Anfang 1669 im Theater der Grimani aufgeführt wurde, nicht von Carlo Grossi stammt, dem sie bisher ohne Berechtigung aus den Quellen zugeschrieben wurde, sondern von Antonio Cesti. Der Stil der Musik entspricht durchaus dem aus seinen anderen Opern bekannten: Im ­Rezitativ sind punktiert rhythmisierte Zeilenenden häufig, ebenso ariose Einsprengungen und Schlusszeilen, oft im 3/2-Takt, für den Cesti auch in den kantablen Arien und Ensembles eine besondere Vorliebe zeigt; Modulationen in damals eher ungewöhnliche Tonarten mit vielen Vorzeichen und eine besondere Charakterisierungskunst für traurige ebenso wie für komische Texte gehören zu Cestis dramatischer Meisterschaft. Das zweite, in der ersten Dezemberhälfte 1668 schon begonnene Projekt ist Il Genserico, dessen Libretto am 31. Jänner 1669 dediziert wurde. Dass auch die Musik dieser Oper zur Gänze von dem damals noch sehr aktiven Cesti komponiert wurde, ist offenbar;24 eine Ergänzung durch Gian Domenico Partenio, wie sie in der Literatur – wieder ohne Berechtigung durch die Primärquellen – angenommen wurde, wäre nur bei einer Uraufführung nach Cestis Tod, also 1670, notwendig gewesen. Noch eine dritte Zuschreibung an Cesti ist durch diesen Brief sehr wahrscheinlich. Er schreibt nämlich, dass er die ihm schon angekündigte Übersendung des und Giovanni Legrenzis Tiridate (ab etwa 7. Februar) gespielt wurden. Siehe Eleanor SelfridgeField in ihrem vor der Veröffentlichung stehenden Buch über die Oper in Venedig 1660–1760. 23 Biblioteca Nazionale Marciana, Venedig, It. IV–394 – Libretto ebenda, Dram. 936.1, und Library of Congress, Washington, ML48.S4216. 24 Wenn man nicht annimmt, dass die Datierung „more veneto“ zu lesen ist, das heißt als 31. Jänner 1670, was aber Selfridge-Field (Anm. 22) nicht tut.

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I. Aus Italien über Salzuburg nach Europa

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­Librettos La Giocasta durch dessen Autor Giovanni Andrea Moniglia beschleunigen lassen wolle, damit er den Befehlen des Kaisers nachkommen könne. | Schon am 23. Juli 1667 hatte Moniglia in einem Brief an den Grafen Ferdinand Bonaventura Harrach dem Kaiser dieses Libretto angeboten. 25 Offenbar hat der Komponist das Textbuch bald nach seinem Brief von Ende 1668 erhalten und noch vor seinem Tod (14. Oktober 1669) in Musik setzen können, denn der Librettist schreibt in seiner Sammlung Poesie drammatiche 26 darüber, dass Cesti diese Dichtung erbeten habe, sich die Gelegenheit zur Aufführung aber wegen seines Todes zerschlagen habe. Im Libretto zur Aufführung am Teatro San Moisè in Venedig Anfang 1677 wird Carlo Grossi als Autor der Veränderungen vieler Arietten nach dem Usus der Opernhäuser Venedigs angegeben, nicht aber der ganzen Musik, die demnach in der ursprünglichen Form höchstwahrscheinlich von Cesti stammte. 27 Von dieser Oper sind nur einige Arien in italienischen Bibliotheken erhalten. In diesem inhaltsreichen Brief empfiehlt Cesti entweder Carlo Grossi oder Lelio Colista (s. o.) für die Nachfolge Pietro Andrea Zianis als Kapellmeister der Kaiserin Witwe Eleonora – sie wählte dann allerdings ihren bisherigen Vizekapellmeister Antonio Draghi. Schließlich klagt er über seine Krankheit. Die folgenden Briefe Cestis verfolgen vor allem den Zweck, seinen Entschluss zu begründen, nicht nach Wien zurückzukehren. Er führt außer seinem schwachen Gesundheitszustand den Tod seines Bruders und seine sich daraus ergebende Sorge­ pf licht für dessen zum Teil noch kleinen Kinder an. Dem Unwillen Kaiser Leopolds darüber, dass er am 1. Oktober 1668 zum Kapellmeister des Großherzogs der Toskana ernannt worden war, hielt er entgegen, er habe viele Angebote aus Italien und anderen Ländern abgelehnt, doch seinem „natürlichen Fürsten“, dem Herrscher seiner Heimat, habe er gehorchen müssen. Die Forderung nach Rückzahlung zu viel bezahlter Wiener Besoldung führt er auf eine Intrige gegen ihn zurück. Dem Kaiser war offenbar viel daran gelegen, Cesti zurück zu gewinnen: Zwei ­Monate vor seinem Tod schreibt dieser, dass er gerne zu den angebotenen, anscheinend sehr großzügigen Bedingungen in diesen Dienst zurückgekehrt wäre, wenn er 20 Jahre jünger und gesund wäre. Stattdessen erklärt er seine Bereitschaft, ­L eopolds Befehle von der Toskana aus zu erfüllen, 28 wozu er aber keine Gelegenheit mehr haben sollte: Er starb am 14. Oktober 1669 im Alter von nur 46 Jahren in Florenz; drei Tage danach wurde er in seiner Heimatstadt Arezzo feierlich beigesetzt. 25 A-Wfh, Karton 293, Mappe „Roneglia [sic] Giovanni Andrea“. 26 Giovanni Andrea Moniglia: Poesie drammatiche. Florenz 2. Aufl. 1690, S. 81. 27 Piero Gargiulo: „Con ,regole, affetti, pensieri‘. I libretti di Moniglia per l’opera italiana dell’ ­,imperial teatro‘ (1667–1696)“. In: Il teatro musicale italiano nel Sacro Romano Impero nei secoli XVII e XVIII, hg. von Alberto Colzani et al. Como 1999, S. 140. 28 A-Wfh, Karton 223, Mappe „Cesti Antonio“, Brief Cestis vom 17. August 1669 aus Florenz an einen nicht genannten Empfänger.

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II . Op e r a m W ien er K a iser hof *

Die k aiser liche Hofoper

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Herbert Seifert

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Die kaiserliche Hofoper* Die ersten Opern wurden um die Wende zum 17. Jahrhundert in Italien aufge­ führt. Sie waren die letzte Konsequenz von Bestrebungen gegen die polyphone Musik der Renaissance mit den Zielen der Wortverständlichkeit sowie der einfachen akkordischen Begleitung einer Melodie. Dramen mit musikalischen Einlagen – Chören, Liedern und Instrumentalmusikstücken – hatte es schon lange gegeben, doch nun wollte ein Kreis von Adeligen und Musiktheoretikern in Florenz die vermeintliche Form des antiken Dramas wiederbeleben, das man für durchkomponiert hielt. So mußte man also für den Dialog das Rezitativ erfinden, das dem Tonfall der Sprache nachgebildet war. Anlässe für solche Darbietungen waren ­höfische Feste, zunächst vor allem Hochzeiten, dann auch Faschingsunterhaltungen. Der Schwerpunkt der Entwicklung verlagerte sich bereits im ersten Jahrzehnt der Existenz der neuen Gattung von Florenz nach Mantua. Dort herrschte nicht nur ein kunstverständiger Herzog; dort war vor allem eines der größten musikdramatischen Genies der Musikgeschichte tätig, Claudio Monteverdi. Mit seinen Opern L’Orfeo (1607) und L’Arianna (1608) schuf er nicht nur die ersten Meisterwerke der Gattung, die bis heute ihre Gültigkeit behalten haben, sondern beeinf lußte auch seine Zeitgenossen außerordentlich stark. Beide Stoffe stammen, wie es zu dieser Frühzeit noch die Regel war, aus der antiken Mythologie. Nur die Musik zu Orfeo ist – in einem zeitgenössischen Druck – vollständig erhalten; sie ist durch sorgfältig charakterisierende Instrumentation, überzeugend die Affekte verdeutlichende Harmonik und auch schon durch eine höchst virtuose Gesangspartie gekennzeichnet. Diese, die Titelrolle, sang der berühmte Tenor Francesco Rasi. Als er 1612 an den damals noch in Prag residierenden Kaiserhof kam, mußte er Kaiser Matthias vorsingen und wurde reich beschenkt. Auf der Rückreise nach Mantua machte er in Salzburg Station und widmete dem Fürsterzbischof Marcus Sitticus von Hohenems eine Handschrift mit eigenen Kompositionen. Möglicherweise hat er ihm auch aus seiner Paraderolle vorgesungen, um sein Können ins rechte Licht zu ­r ücken; jedenfalls beginnt 14 Monate nach diesem Besuch am Salzburger Hof eine Serie von Opernaufführungen, die bis zum Tod des Fürsten im Jahr 1619 dauerte und deren Ende der durchreisende Kaiser Ferdinand II. miterlebte. Eine der Opern hieß ­O rfeo; sie wurde während mehrerer Jahre und auch bei dem zuletzt genannten hohen Anlaß gespielt, und es ist sehr wahrscheinlich, daß es die von Monteverdi war.

* Zuerst erschienen in: Musik in Österreich, hg. von Gottfried Kraus. Wien 1989, S. 170–172.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Am kaiserlichen Hof hielt die italienische Oper wenige Jahre später Einzug, begünstigt durch die ebenfalls aus Mantua stammende Kaiserin Eleonora. Vielleicht schon 1622, wahrscheinlich 1625, spätestens aber 1627 – bei einem längeren Aufenthalt in Prag – wurde hier das erste durchkomponierte Drama gesungen. Einen frühen Höhepunkt der musikalischen Dramatik erlebte Wien 1631 anläßlich der Hochzeit des Kronprinzen Ferdinand III. mit einigen vom Hochadel aufgeführten Balletten, darunter ein Roßballett auf dem Inneren Burgplatz, und die Pastoraloper La caccia felice, deren Handlung dem erfolgreichsten Pastorale, ­Giambattista ­Guarinis Il pastor fido, nachempfunden und deren Textautor, der Herzog von ­Guastalla, ein Verwandter der Kaiserin war. Der Komponist ist nicht genannt. In den folgenden Jahren kamen im Fasching und zu Geburtstagen neben Balletten und Dramen nur vereinzelt Opern zum Einsatz. Erst nach der Krönung des musik­ liebenden Leopold I. zum Kaiser wurden die Aufführungen ab 1659 regelmäßiger angesetzt. Auch die musikalische Überlieferung setzt erst mit dieser Zeit ein; von den Opern vor 1660 sind nur Libretti bekannt. Fast bis zum Ende der Regierungszeit dieses Herrschers veränderte sich nicht viel am Erscheinungsbild dieser höfischen Festlichkeiten. Anlässe der meist nur einmaligen Darbietungen waren außer dem Fasching und den Geburtstagen später auch Namenstage der erwachsenen Mitglieder des Kaiserhauses, zusätzlich fallweise Hochzeiten und Geburten. Todesfälle der Kaiserinnen führten zu längeren Pausen, während die kirchlich bedingte Theaterabstinenz der Fastenzeit durch Oratorien und „Rappresentazioni sacre“, allegorischen geistlichen Dramen, in den beiden Kapellen der Hof burg ausgefüllt wurde. Die italienischen Libretti gaben den Komponisten schon durch die Versform die Einteilung in Rezitative und Arien vor und hatten außerdem Gelegenheiten für Ensembles und meist auch kurze Chorsätze zu bieten. An der Auswahl der Stoffe und ihrer Verarbeitung läßt sich der bestimmende Einf luß der Opernmetropole Venedig erkennen, doch wurden sie meist neu gedichtet und immer neu vertont, wenn auch in einem sehr ähnlichen Stil. Eine Huldigung an die geehrte Person, „Licenza“ genannt, schloß – außer im Fasching – die meist dreiaktigen Werke ab, und häufig wurde ihnen ein Prolog vorangestellt. Komische Diener und alte Ammen relativierten die steife Ernsthaftigkeit der Hauptpersonen aus dem Fürstenmilieu. Häufig sind zeit- und hof kritische Bemerkungen diesen Sekundärrollen in den Mund gelegt; noch deutlicher zeigen sich die Funktionen der Oper in ausgesprochenen Schlüssel-Libretti, wo Personen und Ereignisse allegorisch für entsprechende zeitgenössische stehen: Propaganda für den Kaiser und gegen seine Feinde, besonders König Ludwig XIV., Verherrlichung der Vasallentreue und Kritik und Lehre für den anwesenden Adel. Gespielt wurde in dem 1630 eingerichteten und mehrmals veränderten Theatersaal der Hof burg, der mit seinem Vorsaal 1747 zu den noch heute bestehenden 256

Die kaiserliche Hofoper ­Redoutensälen umgestaltet wurde, weiters in einem Saal der Amalienburg, in den Räumen des Schweizer und des Leopoldinischen Trakts und – selten, aber spektakulär – in dem von Lodovico Ottavio Burnacini auf der Stadtmauer errichteten Theatergebäude, das 1668 mit der großen Hochzeitsoper Il pomo d’oro von Cesti eröffnet worden war. Wenn sich der Hof in den wärmeren Monaten in Laxenburg oder in der Favorita – dem heutigen Theresianum – auf hielt, fanden die musikdramatischen Darbietungen dort statt, und zwar häufig im Freien. Die Komposition der Opern gehörte in das Aufgabengebiet der Hof kapellmeister und Hof komponisten, weshalb wir nach Pietro Andrea Ziani, Antonio Cesti, ­Antonio Bertali und Giovanni Felice Sances über 30 Jahre lang vor allem den ­Namen ­Antonio ­Draghi auf den Partituren finden. Er bildete in dieser Zeit mit dem Hofpoeten ­Nicolò ­Minato und dem Bühnenbildner Lodovico Ottavio Burnacini ein konstantes Team, das die Erscheinungsform der Wiener Oper prägte. Erst seit der Jahrhundertwende kamen neue Künstler zum Zug, die zunächst bis auf den Steirer Johann Joseph Fux noch immer alle aus Italien berufen wurden: Giovanni Bononcini, ­Carlo Agostino Badia und Marc’Antonio Ziani noch unter Leopold I., bei Karl VI. dann der bedeutende Antonio Caldara und Francesco Conti für die großen Opern sowie Giuseppe Porsile und Giuseppe Bonno für die kleinen; in diese Gruppe fanden schließlich mit Johann Reinhardt und Georg Reutter dem Jüngeren weitere Österreicher Eingang. Textlicher und musikalischer Auf bau der natürlich noch immer ausschließlich italienischen Opern waren in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Gegensatz zu der Zeit davor einem strengen Schema unterworfen. Die Handlung wurde von ­komischen Elementen weitgehend gereinigt, die Szenen bestanden aus ­Rezitativ und einer Abgangsarie, deren längerer erster Abschnitt nach einem Mittelteil „Da Capo“ wiederholt wurde. Der instrumentale Anteil war jetzt größer als früher, sowohl in der Form von Ouvertüren als auch von Vor- und Zwischenspielen zu den Arienabschnitten und von Begleitungen, die auch konzertierenden Soloin­ strumenten wie zum Beispiel Violine, Theorbe (Baßlaute), Posaune oder C ­ halumeau (einem Verwandten der Klarinette) anvertraut waren. Die Ouvertüren waren der französischen (langsam-schnell-lang|sam) oder italienischen Tradition (schnell- 171 langsam-schnell) verpf lichtet oder in Mischformen komponiert; auch Tanzsätze und die Kompositionstechniken von Concerto grosso und Solokonzert wurden hier eingesetzt, Die bedeutendsten Textdichter der Wiener Hofoper zu dieser Zeit waren Apostolo Zeno, Pietro Pariati und dann, seit 1731, vor allem Pietro Metastasio. Die Bühnenbildner der Familie Galli Bibiena, Ferdinando, Francesco und Giuseppe, erreichten durch Drehung der früher ausschließlich zentral ausgerichteten Perspektivachse ganz neue, großartige Bühnenwirkungen. Kaiserin Maria Theresia war zwar selbst eine gute Sängerin, opferte aber die bisherigen Prunkaufführungen einer sparsameren Kulturpolitik. Mit ihrem Gemahl, 257

II. Oper am Wiener Kaiserhof Franz Stephan von Lothringen, setzte sich erstmals französischer Einf luß durch, und das Sprechtheater dieses Kulturkreises ersetzte teilweise die italienische Oper. Der ehemalige Hoftänzer Joseph Karl Selliers, Pächter des 1709 an der Stelle des heutigen Hotel Sacher gegründeten bürgerlichen Kärntnertortheaters, baute das kaiserliche Ballhaus am Michaelerplatz 1741 zum „Theater nächst der Burg“ aus und arrangierte sich mit dem Hof dahingehend, daß die Vorstellungen in diesen beiden Häusern für den Hofstaat gratis, sonst aber für zahlendes Publikum stattfanden und dafür die kaiserlichen Musiker mitwirkten. Der Baron Rocco de Lo Presti übernahm 1747 das Burgtheater und vier Jahre später auch das Kärntnertortheater von Selliers. In der Folge wechselten Perioden der Verpachtung (Burgtheater: 1765–1776, 1794–1817; Kärntnertortheater: 1765–1785, 1794–1817, 1821–1848) mit solchen der Verwaltung durch Hof beamte. Seit dem Jahr 1747 wurden auf den Hof bühnen auch Christoph Glucks italienische und französische Opern gespielt und Ballette zu seiner Musik getanzt; seine Zusammenarbeit mit den Schöpfern der dramaturgischen Ballettpantomime, ­Gasparo Angiolini und Jean-Georges Noverre, war sehr fruchtbar. Die Musik von Glucks Reformopern Orfeo ed Euridice und Alceste, denen auch Änderungen in der Librettodichtung zugrunde lagen, unterscheidet sich durch ihre radikale Vereinfachung, mit der er oft starke dramatische Effekte erzielte, von der seiner Vorgänger und Zeitgenossen; gelegentlich führte seine gesuchte Simplizität aber auch zu statischen Wirkungen. Die große Arie wird zugunsten von kleineren, liedartigen Formen und von orchesterbegleiteten Rezitativen zurückgedrängt; die Ouvertüre stellt erstmals kurz den Inhalt der folgenden Oper dar. Im Jahr 1776 erklärte Joseph II. das Theater nächst der Burg zum deutschen Nationaltheater und übernahm die Bezahlung der Schauspieler; die Opernunternehmen konnten wegen der hohen Kosten daneben nicht bestehen, und knapp zwei Jahre später wurde mit der Einführung eines „Nationalsingspiels“ ein musikalisches Pendant zu dem programmatisch deutschen Sprechtheater geschaffen. Es wurde mit Ignaz Umlaufs Singspiel Die Bergknappen begonnen und hatte den Ersatz der italienischen und französischen Opern durch entsprechende deutsche Werke zum Ziel. Diese Originalsingspiele, die neben zahlreichen Übersetzungen, unter anderem Glucks Iphigenie in Tauris, aufgeführt wurden, standen deutlich unter dem Einf luß der Opera buffa und der Opéra comique. Ein durchschlagender Erfolg wurde jedoch nur Mozarts Entführung aus dem Serail von 1782. Das deutsche Singspiel mußte im Burgtheater 1783 wieder der italienischen Oper weichen, konnte sich aber einige Jahre lang noch am Kärntnertortheater halten, wozu Karl Ditters von Dittersdorf (Doktor und Apotheker) einiges beitrug. Die weitere Entwicklung dieser Gattung fand an den privaten Vorstadtbühnen statt. Mozart, der die deutschsprachigen Versuche begrüßt hatte, war in der i­ talienischen Komposition erfahren genug, um auch in dieser Sparte zu reüssieren. Mit Le nozze 258

Die kaiserliche Hofoper di Figaro hatte er in Wien 1786 nur kurzen Erfolg, der sich dann in Prag ­fortsetzte; im Jahr danach nahm Don Giovanni den umgekehrten Weg und wurde auch vom Wiener Publikum angenommen. Beide Opern und Così fan tutte von 1790 ­waren Früchte der Zusammenarbeit mit dem Mozart kongenialen, als ­Dichter an die italienische Oper in Wien verpflichteten Lorenzo Da Ponte. Von ihm stammte auch das Libretto zu dem sensationellen Wiener Opernerfolg dieser Jahre, Una cosa rara mit Musik des Spaniers Vicente Martín y Soler, eine vergleichsweise ­leichtgewichtige Opera buffa und daher als Anwärterin auf die Publikumsgunst viel geeigneter als Mozarts psychologisierende, vielschichtige Partituren, ebenso wie Axur re d’Ormus (1788) des von Joseph II. favorisierten Kammerkomponisten Antonio ­Salieri, der immerhin im französisch beeinf lußten Stil der Gluck-Nachfolger schrieb. Nach dem Tod Kaiser Josephs II. und Leopolds II. verpachtete Franz II. 1794 die Hoftheater wieder, um die Staatskasse zu entlasten. 1810 wurde dann das Burgtheater ganz dem gesprochenen Drama gewidmet, während das Kärntnertortheater als Opern- und Ballettbühne zur eigentlichen „Hofoper“ wurde. Die Italiener Luigi Cherubini – unter anderem mit der 1805 für Wien komponierten Faniska – und Gasparo Spontini waren die bedeutendsten Vertreter der ernsten französischen Oper, die dort in deutschen Übersetzungen reüssierte. Dieser Tradition gehört schließlich auch Beethovens Fidelio an, dessen endgültige, erfolgreiche Fassung erstmals 1814 in der Hofoper gegeben wurde. Erst mit der Zeit um 1800 tritt das uns geläufige Phänomen auf, daß neben zeitgenössischen Opern auch ältere gespielt wurden und sich so eine Art von Repertoire bildete, das – wie auch heute – zeitlich bei Gluck ansetzte und vor allem Mozarts Meisterwerke enthielt. Der im frühen 19. Jahrhundert ausgetragene Kampf zwischen italienischer und deutscher Oper, und das hieß theoretisch auch zwischen der Dominanz der Musik und des Dramas, ging wieder einmal zugunsten Italiens aus: Obwohl Webers Freischütz noch im Jahr der Berliner Uraufführung, 1821, in der Hofoper gespielt wurde und seine zwei Jahre danach uraufgeführte E ­ uryanthe überhaupt für Wien geschrieben wurde, war das Publikum für Gioacchino ­Rossini, den der mit ihm verbundene neue Pächter Domenico Barbaja 1822 zu einem sechs Opern umfassenden Festival in die Kaiserstadt holte, weitaus leichter zu begeistern und blieb in den folgenden Jahren in einem richtigen Rossini-Taumel; diesem folgten komische und vor allem ernste Werke im Belcantostil von Bellini, Mercadante und Donizetti, der 1842 – wie vordem Mozart – zum Kammerkapellmeister und Hof komponisten ernannt wurde und Linda di Chamonix sowie Maria di Rohan für das Kärntnertortheater schrieb. In den vierziger Jahren kamen sogar Verdis Frühwerke (u. a. Nabucco) hier auf die Bühne, da der Pächter gleichzeitig der Mailänder Oper vorstand. Um diese Zeit eroberten in den Theatern an der Wien und in der Josephstadt Louis Spohr, Conradin Kreutzer, Heinrich | Marschner und Albert Lortzing mit ihren 172 259

II. Oper am Wiener Kaiserhof deutschen Opern das vormärzliche Wien. Friedrich von Flotow gelang 1845 mit Alessandro Stradella und 1847 mit Martha schließlich im Kärntnertortheater der Durchbruch. Auch französische Opern der leichten oder auch der großen, historischen Spielart – von Auber (Fra Diavolo), Herold (Zampa), Adam (Der Postillon von Lonjumeau), Rossini (Wilhelm Tell), Meyerbeer (Robert der Teufel) und Halévy (Die Jüdin) – konnten sich neben den italienischen weiterhin dort behaupten. Die Revolution von 1848 brachte zunächst keine Änderung des Spielplans mit sich. Im folgenden Jahrzehnt beherrschten weiterhin Werke der zuletzt genannten Komponisten die Hof bühne, außerdem die Spieloper Die lustigen Weiber von Windsor von Otto Nicolai (1852) und schließlich sogar – nach dem Tannhäuser (1857) im Thaliatheater – Richard Wagner mit Lohengrin (1858) und anderen seiner Musikdramen, 1862 Gounods Margarethe und 1868 Ambroise Thomas’ Mignon. 1863 wurde der Grundstein zum neuen Haus an der Prachtstraße gelegt, die an der Stelle der Stadtmauer im Entstehen war. Seine Architekten August Siccard von Siccardsburg und Eduard van der Nüll erlebten die Fertigstellung des mit etwa 2.300 Plätzen für damalige Verhältnisse gewaltigen Bauwerks nicht, an dessen Innenausstattung bedeutende Maler dieser Zeit wie Moritz von Schwind mitgewirkt hatten. 1869 wurde das k. k. Hofoperntheater am Ring mit Mozarts Don Juan eröffnet. Die im Kärntnertortheater gespielten Opern wurden mit verstärktem ­Orchester, Chor und Ballett auf die neue, größere Bühne übertragen und neu inszeniert. Gleich in der zweiten Spielzeit fand dort Wagners Musikdrama Die ­M eistersinger von Nürnberg seinen Platz. Immer stärker beherrschten nun die Opern dieses Genies den Spielplan, begünstigt durch den Dirigenten und Operndirektor Johann Herbeck, abgelehnt durch eine starke Partei des Wiener Musiklebens unter der Führung des Kritikers Eduard Hanslick. Auch Verdis großen Erfolg Aida brachte Herbeck 1874 nach Wien. Unter seinem Nachfolger, Franz von Jauner, wurde sie sogar vom Komponisten dirigiert, ebenso wie Wagners Lohengrin. Hans Richter wurde an die Oper gebunden und trug zum weiteren Erfolg der Wagner-Opern bei; 1879 stand er am Pult der Erstaufführung des kompletten Zyklus Der Ring des Nibelungen, den er schon in Bayreuth geleitet hatte. Auch Bizets Carmen wurde in dieser kurzen Direktionszeit erstmals gegeben. Wilhelm Jahn, wieder selbst Dirigent, leitete die Hofoper von 1881 bis 1897 – eine Rekorddauer –, holte bedeutende Sänger an das Haus und Opern mit bleibendem Repertoirewert: Tristan und Isolde, Verdis Alterswerke Otello und Falstaff, Mascagnis Cavalleria rusticana, Leoncavallos Bajazzo, Massenets Werther, ­Humperdincks Hänsel und Gretel, Kienzls Evangelimann und Smetanas Verkaufte Braut. Im folgenden Jahrzehnt bestimmt der als Dirigent höchst erfolgreiche Gustav Mahler die Geschicke der Wiener Oper. Er führt einige für uns selbstverständliche Neuerungen ein (verdunkelter Zuschauerraum, die Stellung des Dirigentenpults), 260

Die kaiserliche Hofoper wendet als Perfektionist für die Einstudierungen größte Sorgfalt auf und beseitigt üblich gewordene Striche in Wagners Opern. Mit Franz Schalk und Bruno Walter stehen ihm erstklassige Kapellmeister zur Verfügung, und die szenischen Lösungen werden durch Alfred Rollers revolutionierende Entwürfe dem neuen Stil der Secession angepaßt – kurz, die kulturelle Hochblüte von „Wien um 1900“ fand nicht zuletzt in der Hofoper statt. Puccinis La Bohème und Madame Butterf ly gehören neben Tschaikowskys Erfolgsopern zu den Bereicherungen des ­Repertoires, die Mahler zu verdanken sind. In die Direktionszeit seiner Nachfolger ­Felix von Weingartner und Hans Gregor fallen so wichtige Premieren wie Elektra, Der ­R osenkavalier, Ariadne auf Naxos und Salome von Richard Strauss, Tosca und Das Mädchen aus dem Goldenen Westen und – erst 1914! – Parsifal. Während des Ersten Weltkriegs mußte die Spieltätigkeit stark eingeschränkt werden, und mit dem Ende der Monarchie endet auch die Geschichte des Kaiserlich-Königlichen HofOperntheaters; 1918 hieß es nur mehr schlicht „Operntheater“, bald darauf aber wieder repräsentativer „Staatsoper“.

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Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705 Appendix 2014 zu Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert. Tutzing 1985 Die folgenden Eintragungen folgen in der Form dem 1985 veröffentlichten Spielplan und geben bei dort schon vorhandenen nur die Abweichungen an; Gleichbleibendes ist durch Punkte angedeutet. Sie können also nur in Verbindung mit dem ursprünglichen Text verwendet werden. Auch die Abkürzungen und verkürzt ­z itierten Quellen sind dort aufgelöst; am Ende dieser Ergänzungen und Korrekturen werden nur neu dazugekommene angeführt. 1622 VII 26 (?) Commedia, che doveva rappresentarsi in musica. In Ödenburg. Sz: Giovanni Battista Pieroni? (Schindler1 284, Carrai 164, Schindler2 127 f.). VIII 22 Invenzione in musica. 1 B. T: Giovanni Sforza Porcia, Sz: Giovanni Battista Pieroni? Nach dem Abendes­sen in der Favorita (M VIII 20, Sommer-Mathis1 8 f., Schindler2 128 f., Carrai 163 f., Seifert3 204 f. [693]). 1624 VI 26 VI 30

Ballett, Comedia Italica, musicaliter agitur et decantatur, für Prinz Władysław von Polen, ausgeführt von kaiserlichen Musikern (Schindler3 586 f.).

1627 XI 21 Komödie. Im Spanischen Saal des Hradschin … XI 22 Komödie. Im Spanischen Saal des Hradschin … (Seifert1 468 f. [294]). 1627 XI 27

La Transformatione di Calisto. Pastorale in musica. 2 Intermedien. T: Don Cesare Gonzaga. Sz: Giovanni Battista Pieroni. Von 17 bis 21 Uhr im Wladis­l aw-Saal des Hradschin in Prag (F XI 17, R XI 21–28, W XI 26, 26, XII 3, M XI 27, V XII 1, OZ XII 11; H 12, Schindler3 605 f., Carrai 161 f., Seifert1 469 [294]). 263

II. Oper am Wiener Kaiserhof 1629 o. D. (La Maddalena. … Sä: Lucia Rubini [?] …) 1631 II 27

Inventione di balletto. …

1634 VII 9

La Gara musicale. Comedia rappresentata in musica. Prol., 3 A. 3 B. 1 Sz. T: Urbano Giorgi. Im Großen Saal zum Geburtstag Ferdinands II. L: Michael Rickhes, 61 Bl. A-Whh SB Dissertationen 1, CZ-K 21E4386 (Sommer-Mathis2). 1635 II 19 Szenisches Ballett (Koltai). IX 23 Commedia in musica. Im Großen Saal über 2 Stunden lang zum Geburtstag Eleonoras I. (F IX 15, 27, V IX 29, R IX 29; …) 1636 IV 27 Aminta. Pastoral. Prol., 5 A. T: Torquato Tasso. 4 Intermedien. Nachmittags in der Amalienburg. Dt. Szenarium (Pastoral Mit etlichen Intermedien) o. V., 5 Bl. D-Mbs Res/4 P.o.germ. 230(21) (OZ IV 26, V 3). 1637 I 4 Introduttione al balletto. … Sä: Benedetto Andreasi (als Elsass) u. a. … 1639 III um 5

Ballett … (V III 5, …

1642 IV 8

Rime sovra la Colonna, Flagello, Corona di Spine, Croce, e Lancia di Christo da recitarsi in musica. T., (M?): Valentini. L: A-Wn 364141-B Mus (Seifert2 493 [768], Riepe). VI 15 Lo Specchio di Virtù. Opera Drammatica in musica. … 1643 IV 3 Santi risorti … T, M: Valentini. …

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Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705 VIII 18 La Vita di Santo Agapito … Dialogo. T, (M): Valentini. … 1652 I 8 La Gara. … (Wh 10?, 14, 18) T: Alberto Vimina (d. i. Michele Bianchi). … Dafne in Alloro. … II 12 T, (M?): Benedetto Ferrari … ( Joachim Steinheuer: Benedetto Ferrari in MGG2). 1653 II 24 (Pr 22, Wh III 2)

L’Inganno d’Amore … (F I 6, II 24, III 3, Rh II 22 …

1654 IV 4

Musica … per il sepolcro della settimana santa / Oratorio per la settimana santa in musica … M: Ferdinand III.? Beim Heiligen Grab (in Regensburg). … Abdruck in Diporti del Crescente. Bruxelles 1656, S. 60–71 (De Bin 67: IV 7; Seifert2 499 f. [771]). 1656 VII 13

Theti . [Favola dramatica.] …

1659 I vor 10 Policinella-Komödie. … II 19 Il Re Gilidoro. … (F 1657 III 3, … II 25 Italienische Komödie … (… Rh nach 19?, I II 26). La Virtù guerriera. … VI 9 (Pr. 7) (… TE VI 10, M VI 14, N 1661 I 29; H). 1659? XI 18 Il Mincio peregrino. Idillio musicale. 1 Teil. T: Francesco Sbarra. Zum Geburtstag Eleonoras II. L: o. O., o. V., 8 Bl. I-Lg B.ta 962.26 (A-Wf h Karton 150 Sbarra 1659 X 21; Sartori, Senn 276, Catalano 211). 1660 I zwischen Le Gelosie abbassate. Comedia 5 und 10 (M I 10). I 17 Oper (M I 17). I 21 Oper (M I 21).

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II. Oper am Wiener Kaiserhof II 26 (?) Il Sagrifizio d’Abramo. … T: Conte Caldara. … VI 4 La Magia delusa. … A-Wn 792.410-B Th 1. Deutsches Szenarium (Schaw=Platz der verspotten Zauber=Kunst) 4 Bl. D-GOl Poes 8° 02171–2172 (04). … 1661 IV 15?

Il Pentimento, l’Amor verso Dio, con il Pianto delle Marie, et de Peccatori. Pia rappresentatione. L: Draghi. … P: Mus. Hs. 16.010 (45 Bl.) (… Schnitzler). VI 14 (Gp 11) Il Pastor fido. … (… H, Miklós Bethlen: Memoiren, hg. von Éva V. Windisch. Budapest 1980). Sommer Akademien. Jeden Montag in der Favorita (Kalista 155). Advent … S. Tomaso. Oratorio. T: Lorenzo Vittori. M: Marco Marazzoli. … (Sartori, Deisinger 94, 111) 1663 I 31 Deutsches Prosadrama. … L: verschollen. Italienisch von Franz Augustin von Waldstein, hs.: verschollen … II 4 Introducione (in musica ad un) baletto. … Il Fausto Overo Il Sogno di Don Pasquale. Tragicomedia II 5 abreviata & adornata di Prologo, e Finale per Musica. Prol., 3 A, Finale. 1 B. 3 Sz. T: Francesco Maria de Luco Sereni. In der Kammer Eleonoras II. Sch: Musiker. L: Matthäus Cosmerovius (167 S.) A-Wn *38.J.182. … 1663? Fasten?

beide Oratorien sind zu streichen.

1664 I 27 (Wh 29)

La Cloridea. … P: I-Vnm Cod. It. IV-403. … (A-Wfh Karton 140 F[erdinand] B[onaventura] Harrach I 29, …; H o.D., Monaldini 28)

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Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705



II 14 Komödie … (A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach I 29, … II 17? Drama oder Oper (A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach I 29: Oper, …

1665 VI 9 (Gp VI 6) La Circe. … T: Christoforo Ivanovich, Sbarra (Intermedien, Licenza). … (A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach VI 6, …; H, Dubowy). 1666 II 6 Kleine Comedi und Ballett (A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach II 6). II 28 Comedi der italienischen Cavaliere (A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach II 28). III 4 La Mascherata. … (F II 27, A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach III 3). III 6 Ballett (A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach III 3, 7). III 22–27 Oratorien, jeweils nachmittags (A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach III 25). L’Onore trionfante. … VI 9 (… TE VI 9, A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach VI 9, … VII 12 Nettuno e Flora festeggianti. … Tä: Herzog Karl IV. von Lothringen und 12 kaiserliche Kammerherren. … (A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach VI 13, DE … IX 26 (Concorso dell’Allegrezza universale … (… V IX 19, X 3, A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach IX 26, … Von Himmeln entzindete … XII 8 L: … erschienen). Italienisch (Le Fiamme accese dal Cielo et al Cielo riascese) und spanisch (Las Llamas encendidas del Cielo) Matthäus Cosmerovius ( je 5 Bl., je 3 Kupferstiche) D-Bs, D-Dl. … 1667 um II 5 zweimal wöchentlich Commedie dell’arte. Sch: Marchese Obizzi (als Arlecchino) und andere italienische Cavaliere (F II 5, 12, A-Wf h Karton 140 F. B. Harrach III 3). II 6 Vero Amor fà soave ogni Fatica. Introduzzione ad un nobilissimo ballo. … (… K II 6, 23?, V 4; H).

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II. Oper am Wiener Kaiserhof 1667? Fasching Comedia ridicula … ist zu streichen (siehe 1668). (I 7–II 22) IV 24 (Wh 25) Las Vitorias del Amor contra el Desden, … (T: Pedro Calderón de la Barca; Intermedien: Francisco de Avellameda, Antonio Barrientos.) … L: italienisch (Le Vittorie d’Amore) CZ-K 2E304. … (…, Noe) VII 13 La Germania esultante. … (… V VII 17, W VII 21, K VII 30, VIII 3, 6; Zp … VIII 11 Spanisches Drama. BM: Johann Heinrich Schmelzer. 1 B. Nach 17 Uhr in der Stallburg anlässlich des ersten Besuchs Margarita Teresas in der kaiserlichen Gemäldegalerie (F VIII 13). Advent La beatissima Concettione. (XI 26 – XII 24) T (2. Teil): Giovanni Antonio Scacchi. … (…, Schnitzler). 1668 II 11 oder 13 Opera ridicula in musica … (P: Mus. Hs. 16.562 … Fasten Giuditta. … (II 15–III 28) P: Mus. Hs. 16.274 (38 Bl.). (… Schnitzler). VI 12? Achille riconosciuto. Introduzione di un balletto. Prol., 1 A. T: Ximenes. … P: Mus. Hs. 17.287 (50 Bl. Achille in Sciro). … (… We 44: 1663 o. D., H VI 5 … 1669? V 21(?)

Achille in Sciro ist zu streichen (siehe 1668 VI 12).

1669 VII 20 Serenata. (T: Minato.) M: Sances, Leopold I., Johann Heinrich Schmelzer. … XI 18 Atalanta. … P: Mus. Hs. 16.313 (II: 40 Bl.) 1670 VII 12 Iphide Greca. … M: Draghi. … StB: CZ-KRa XIV/130 (2) (… K XII 24?; … 268

Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705 XI 18 XII 22

Penelope. … P: Mus. Hs. 16.877 (43, 47, 45 Bl.) (… K XII 24 ?; … Aristomene Messenio. … StB: CZ-KRa XIV/223 (3) (…

1671 Fasching … El Secreto a Voces. Comedia. Prol., 3 A, Lic. T: Pedro Calderón de la Barca. M: Giovanni Maria Pagliardi. L: verschollen. P: Mus. Hs. 18.739 (38 Bl.). VI 1 Del Mal lo Menos. … T: Antonio [Folch] de Cardona y Borja, … XII 22 Fineza contra Fineza. T: Pedro Calderón de la Barca. 2 Intermezzi: Orfeo y Euridice, La Nobia barbuda. M: Leopold I. BM: Johann Heinrich Schmelzer, 1 B. Zum Geburtstag der Königin Maria Anna von Spanien. L: Matthaeus Cosmerovius CZ-K 9 I 1819. P: Mus. Hs. 18.800 (Intermezzi: 21 Bl.). PB: Mus. Hs. 16.583, Nr. 237–241. StB: CZ-KRa XIV/225 (W XII 30; BV 51: o. J.) 1672 VI 9 Gl’Atomi d’Epicuro. … StB: CZ-KRa XIV/11 (2, 3) (… XII 22 La Flecha del Amor. … StB: CZ-KRa XIV/10, 25 (… 1673 X 17 Gl’Incantesimi disciolti. … P: Mus. Hs. 16.896 (51 Bl.) (… XII 20 L’Ossequio delle Gratie. … (statt: 30) Hs. L: A-Wf h Hs. 125 (3 Bl.). 1674 I 7 Akademie … (W I 7, A-Wf h Karton 311 Waldstein I 25; … I 14 Akademie. … (W I 14, A-Wf h Karton 311 Waldstein I 25). I 30 La Lanterna di Diogene. … (… A-Wf h Karton 311 Waldstein I 25, Karton 207 Leopold II 8; …

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II. Oper am Wiener Kaiserhof II 5 Introdutione alle more della festa / Drama. Sä, Sch: Giulia Masotti und die Hofdamen Eleonoras II. (A-Wf h Karton 311 Waldstein II 8, Karton 207 Leopold II 8, DE, Rh II 5). III 23 Il Lutto dell’Universo. … (A-Wf h Karton 207 Leopold II 8; … IV 12 Le Staggioni ossequiose. … (A-Wf h Karton 207 Leopold IV 19; vor V 3 Deutsche Comedia in Laxenburg (A-Wf h Karton 311 Waldstein V 3) VI 9, 10 Il Il Ratto delle Sabine. … (Gp VI 6) Im Hoftheater auf der Cortina 6 ½ Stunden lang … Sä: Giulia Masotti, Vincenzo Olivicciani, Forni, Giovanni Paolo Bonelli. … (A-Wf h Karton 207 Leopold V 21, Karton 311 Waldstein VI 14, F VI 2, … VIII 13 Il Trionfatore de’ Centauri. … P: Mus. Hs. 16.882 (42 Bl.). … (… F VIII 8, A-Wf h Karton 207 Leopold VIII 22). Il Fuoco eterno custodito dalle Vestali. … X 30 Im Hoftheater auf der Cortina 6 Stunden lang … StB: CZ-KRa XIV/217, Vl.: A-Wf h Hs. 408 (F X 6, 14, XI 3, A-Wf h Karton 311 Waldstein XI 1, Karton 207 Leopold XI 1). XI 18 La Nascita di Minerva. … Auf geheimer Schaubühne 1 ½ Stunden lang … (DE, Rh XI 18, A-Wf h Karton 207 Leopold XI 29; H). 1675 II 14? El Secreto a Voces. Comedia. T: Pedro Calderón de la Barca. Von italienischen Cavalieren rezitiert (A-Wf h Karton 207 Leopold II 21). II 18 Italienische Operetta ohne Musik, von Musikern rezitiert, mit komischen Intermedien (A-Wf h Karton 207 Leopold II 21). II 19 Rivale Amore di tre Fratelli per la persa Sorella. … (A-Wf h Karton 207 Leopold II 21, …) II 21 Bauerntanz (A-Wf h Karton 207 Leopold II 21). III 21 Oratorium (A-Wf h Karton 207 Leopold III 21).

270

Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705 IV 12





L’Ingratitudine rimproverata. … (A-Wf h Karton 207 Leopold III 7, …). V 18 Serenata zum Namenstag der Kaiserin in Laxenburg (A-Wf h Karton 207 Leopold V 18, OMeA 2, 383r ). Pirro. … V 30 (… F V 26, 26, VI 2, A-Wf h Karton 311 Waldstein V 30, OMeA 2, 383r , …). VIII 8 Serenata in der Favorita (8 Stimmen, 32 Streicher). (A-Wf h Karton 207 Leopold VIII 8, Karton 299: J. H. Schmelzer). XI 18 Turia Lucretia. … (… A-Wf h Karton 207 Leopold XI 28; H).

1676 vor II 18 Musica (A-Wf h Karton 311 Waldstein II 20). II 18 Gesungene Kammermusik. … (A-Wf h Karton 311 Waldstein II 20, K II 20). Ballett. … (A-Wf h Karton 311 Waldstein II 20, F II 23). L’Ore postmeridiane di Parnasso. … VI 22 (A-Wf h Karton 207 Leopold VI 23, … X 28 Servizio di musica. … (…, TE X 28, A-Wf h Karton 207 Leopold X 29, … 1677 I 7 Hercole Acquistatore dell’Immortalità. … Um 16 Uhr im Saal des Linzer Landhauses … Deutsch … Cosmerovius, 36 Bl. … (… XII 16, A-Wf h Karton 207 Leopold XII 26, … Die Fackel deß Prometheus. … II 2 (… A-Wf h Karton 207 Leopold II 4; … II 18 Akademie (A-Wf h Karton 207 Leopold II 20). II 20 Chilonida. … P: Mus. Hs. 18.859 (47, 61, 56 Bl.) (A-Wf h Karton 311 Waldstein II 18, Karton 207 Eleonora II 19, Leopold II 20). II 22 Gransuet. … (A-Wf h Karton 207 Leopold II 20, G III 3). II 26 Akademie. … (A-Wf h Karton 207 Leopold II 20, G III 3). 271

II. Oper am Wiener Kaiserhof II 27 (Pr II 23, 26) II 28 IV zwischen 15 und 17

Il Silentio di Harpocrate. … (A-Wf h Karton 311 Waldstein II 18, Karton 207 Leopold II 20, III 7, … Comedia ridicula / Italienische Prosakomödie … (A-Wf h Karton 207 Leopold II 20, … Stärcke der Lieb. … (A-Wf h Karton 207 Leopold III 4; …

1678 Fasten Santa Agnese. … P: Mus. Hs. 18.665 (134 Bl.) … Fasten? Il Fratricidio di Caino. … In der Kapelle Eleonoras II. L: … I-Vnm Misc. 2482. … (… Weaver 281 f.). 1679 III 30

Die Erlösung Deß Menschlichen Geschlechts In der Figur Deß aus Egipten geführten Volcks Israel. … Perioche: Johann Christoph Cosmerovius, 9 Bl. D-Mth R 308. … XI 15 Servitio di camera. … Nachmittags in den Räumen Eleonoras II. in Prag … 1680 Fasten S.ta Cecilia. … P: Mus. Hs. 18.948 … Jephte. Oratorio. M: Draghi. In der Kapelle Eleonoras II. in Prag. … 1681 Fasching Amor non vuol Inganni. … In Linz. … Fasten Il Transito di S. Giuseppe. … In der Kapelle Eleonoras II. in Linz. … IV 3 Le cinque Piaghe di Christo. … in der Kapelle Eleonoras II. in Linz. … 1682 I 15 (Gp 14) Gli Stratagemi di Biante. … II 7 La Chimera. … Sä: Speroni. … (Monaldini 502). Fasten S. Pietro piangente. … P: Mus. Hs. 19.826 (1665?). … 272

Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705 VII 8 Il Monte Chimera. … [nicht: 18] Sä: Speroni. … (H, Monaldini 527). VII 14 Il Tempio d’Apollo in Delfo. … M: Draghi. BM: … (… H, Monaldini 527). VII 30 (Gp 28) Le Fonti della Beotia. … Sä: Speroni. … (… Monaldini 527). 1684 Fasten 1684 III 14

Davide Peccatore, e contrito. … S. Antonio di Padoa. …

1686 II 24? Fasten

Le Scioccagini de gli Psilli. … Li Machabei. … 10 Bl. A-Wgm 21167/Tb, …

1687 Fasten Jephte. Oratorio. M: Draghi. … XI 19 (Gp 18) La Fama addormentata e risvegliata. … Im Palais Pálffy in Preßburg. … Tä: Erzherzogin Maria Theresia, Cavaliere und Damen. … (… Tagebuch von György Ottlyk, hg. von Kálmán Thaly [Monumenta Hungariae Historiae Scriptores XXVII], 73). 1688 I 19 (Gp 13)

Il Marito ama più. …

1689 Fasten (II 23–IV 6) IV 1 IV 8

… L’Amor della Redentione. … L’Esclamar à gran Voce e l’Inchinar il Capo di Christo spirando. …

1690 Fasten Il finto Smeraldo overo Santa Eufrosina. … M: Galgano Rubini. … 1692 Fasten

L’Anima in Transito. … P: A-Wn Mus.Hs. 17.669 (We Nr. 369, Deisinger 99)

1695 I 16

L’Industrie amorose in Filli di Tracia. … 3 A. … 273

II. Oper am Wiener Kaiserhof Fasten

Giuditta. Oratorio. [T: Pietro Ottoboni.] …

1697 II 6 Fest des Scaramuccia und Ballett. … XI 15 Akademie. … Ausführende: Joseph I., Erzherzog Karl, drei Erz­ herzoginnen, Joseph von Lothringen und Hofdamen. Hs. L: A-Wf h Hs. 132 … (Erzherzogin Maria Elisabeth an Marco d’Aviano 1697 XI, zitiert bei Steffan 328). 1699 II 25 Oper. … (Co, F, V VII 28; H). 1699 Fasten L’Adamo. … M: Pietro Nicolò Sorosina. … P: A-Wn Mus. Hs. 19.163 (We Nr. 468, Deisinger 99) 1700 Fasten

Santa Cecilia. … L: … A-Wn 406.742-B M, … Deutsch (…) A-Wn 406.742-B M (We Nr. 486) L’Ingratitudine rimproverata. … IV 9 M: Leopold I. … VII 25 Le Gare dei Beni. … M: Marc’Antonio Ziani. … (… MGG2: Ziani). VIII 26 (Gp 24) Il Gordiano pio. … M: Marc’Antonio Ziani, Leopold I. … VIII 31 (P 27) I varii Effetti d’Amore. … T: Minato, bearbeitet von Cupeda (?). … (… Lindgren 403). X 28 Festa di musica. Abends zum Geburtstag der spanischen Königin-Witwe (F X 30). 1701 Fasten La Conversione di Maddalena. … T: Benedetto Pamphili (?) Il Martirio di Santa Caterina. Oratorio. M: Pier Francesco Tosi. … VI 27 Temistocle. … Deutsch … [von Triller] …

274

Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705 VII 25

Gli Ossequi della Notte. … Deutsch … [von Triller] …

1702 II 25? Il Carciere de se medesimo. … T: Lodovico Addimari (nach Corneille). … (… Weaver 282 f.). 1702 Fasten Santa Dimpna, Infanta d’Irlandia. Oratorio. T: Benedetto Pamphili? (1683, 1687) oder Giovanni Andrea Lorenzani (Rom und Modena 1687). … 1704 IV 21 Festa di musica. … (F IV 26; Sehnal). V 4 Il Fiore delle Eroine. … (F IV 10; Sehnal, … VII 26 Serenata … (… Sehnal). VII 28 Musik bei Karl III. (Sehnal). VIII 12 Musik (Sehnal). XI 15 Festa di musica. M: Marc’Antonio Ziani. Abends im Comödiensaal (F XI 15). XII 17 Il Ritorno di Giulio Cesare, Vincitore della Mauretania. … (F XII 20; Sehnal, … XII 18 Musik (Sehnal). 1705 II 16 IV 10

Prosadrama. … (… Sehnal). Le due Passioni, … P : I-Vnm (… Sehnal, MGG2 Ziani).

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Nicht datierbare Werke 1659? XI 18

Il Mincio peregrino. … siehe 1659 XI 18

L’Ossequio fra gli Amori. Serenata. Zwischen 1667 und 1672, VII 26 M: Draghi … P: Mus. Hs. 16.917 (10 Bl.) …

Zwischen 1667 Trialogo nel Natale del Signore. und 1685, XII 25? M: Pederzuoli. P: Mus. Hs. 16.887 (18 Bl.) 1668 Fasten La Vedova generosa. Oratorio. oder Advent M: Draghi. oder 1669 Fasten L: Matthäus Cosmerovius, 13 S. D-HEu (Sartori)

Zwischen 1677 und 1685, Fasten

L’Assalone punito. …

Neue verkürzt zitierte Quellen A-Wf h Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familien­ archiv Harrach. Carrai Guido Carrai: „Giovanni Pieroni: uno scenografo fiorentino per l’incoronazione praghese di Eleonora Gonzaga (1627)“. In: I Gonzaga e l’Impero. Itinerari dello spettacolo, hg. von Umberto Artioli und Cristina Grazioli. Firenze 2005, S. 161–174. Catalano Alfredo Catalano: „L’arrivo di Francesco Sbarra in Europa centrale e la m ­ ediazione del cardinale Ernst Adalbert von Harrach“. In: Theater am Hof und für das Volk. Beiträge zur vergleichenden Theater- und Kulturgeschichte. Festschrift für Otto G. Schindler zum 60. Geburtstag, hg. von Brigitte Marschall (Maske und Kothurn 48). Wien 2002, S. 203–213.

276

Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705 Deisinger Marko Deisinger: „Römische Oratorien am Hof der Habsburger in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“. Musicologoca Austriata 29 (2011), S. 89–114. Dubowy Cristoforo Ivanovich: Memorie teatrali di Venezia, hg. von Norbert Dubowy ­(Musurgiana 27). Lucca 1993. Koltai András Koltai: „Adam Batthyány in Wien: Die Hof karriere eines ungarischen Hochadeligen in der Mitte des 17. Jahrhunderts“. In: Šlechta v habsburské monarchii a císarˇský dvu˚r (1526–1740), hg. von Václav Bu˚žek und Pavel Král (Opera historica 10). Cˇeské Budeˇ jovice 2003, S. 275–304. Lindgren Lowell Lindgren: „Vienna, the ,natural centro‘ for Giovanni Bononcini“. In: Il teatro musicale italiano nel Sacro Romano Impero nei secoli XVII e XVIII. Atti del VII Convegno internazionale sulla musica italiana nei secoli XVII–XVIII. Beiträge zum siebenten internationalen Symposium über die italienische Musik im 17.–18. Jahrhundert, Loveno di Menaggio (Como), 15–17 luglio 1997, hg. von Alberto Colzani, Norbert Dubowy, Andrea Luppi und Maurizio Padoan. Como 1999, S. 363–420. Monaldini Sergio Monaldini: L’Orto dell’Esperidi. Musici, attori e artisti nel patrocinio della famiglia Bentivoglio (1646–1685). Lucca 2000. Noe Alfred Noe: „Die Rezeption spanischer Dramen am Wiener Kaiserhof des 17. Jahrhunderts. Versuch einer Bilanz“. Daphnis 30 (2001), S. 159–218. Riepe Juliane Riepe: „Giovanni Valentinis geistliche Dialoge und Sepolcro-Dichtungen und das Entstehen der Wiener Sepolcro-Tradition“. In: Giovanni Valentini – Kapell­m eister am Kaiserhof, hg. von Silke Leopold, Günther Morche und Joachim Steinheuer. Kongreßbericht Heidelberg 1998 (im Druck). Sartori Claudio Sartori: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Con 16 Indici analitici. Cuneo 1990–1994.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Schindler1 Otto G. Schindler: „Von Mantua nach Ödenburg. Die ungarische Krönung­ Eleonras I. Gonzaga (1622) und die erste Oper am Kaiserhof. Ein unbekannter ­B ericht aus der Széchényi-Nationalbibliothek“. biblos 46/2 (1997), S. 259–293. Schindler2 Otto G. Schindler: „Viaggi teatrali tra l’inquisizione e il Sacco. Comici dell’arte di Mantova alle corti degli Asburgo d’Austria“. In: I Gonzaga e l’Impero. Itinerari dello spettacolo, hg. von Umberto Artioli und Cristina Grazioli (Storia dello spettacolo 4). Firenze 2005, S. 107–160. Schindler3 Otto G. Schindler: „,Sonst ist es lustig allhie‘. Italienisches Theater am Habsburger­ hof zwischen Weißem Berg und Sacco di Mantova“. Wien im Dreißig jährigen Krieg. Bevölkerung – Gesellschaft – Kultur – Konfession, hg. von Andreas Weigl. Wien et al. 2001, S. 565–696. Schnitzler Rudolf Schnitzler: Quellenkatalog zur Geschichte des barocken Oratoriums am ­W iener Kaiserhof. Unpublizierter Ausdruck, Stand: 1987. Sehnal Jirˇ í Sehnal: „Die musikalischen Liebhabereien des Grafen Jan Jáchym von Žerotín“. Acta Universitatis Palackianae Olomucensis, Facultas Philosophica. Musicologica ­O lomucensia V. Olomouc 2000, S. 135–472. Seifert1 Herbert Seifert: „Die Feste theatralischen Charakters während der kaiserlichen Aufenthalte in Prag zwischen 1617 und 1680“. In: Gedenkschrift für Walter Pass, bearb. und hg. von Martin Czernin. Tutzing 2002, S. 463–472 [289–298]. Seifert2 Herbert Seifert: „The beginnings of sacred dramatic musical works at the ­i mperial court of Vienna: sacred and moral opera, oratorio and sepolcro“. In: L’oratorio ­m usicale italiano e i suoi contesti (secc. XVII–XVIII). Atti del congresso ­i nternazionale ­P erugia, Sagra Musicale Umbra, 18–20 settembre 1997, hg. von Paola Besutti ­(Quaderni della Rivista italiana di musicologia 35). Firenze 2002, S. 489–511 [765–781].

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Ergänzungen und Korrekturen zum Spielpan 1622–1705 Seifert3 Herbert Seifert: „Die musikalischen Früchte dynastischer und diplomatischer ­B eziehungen der Habsburger zu Italien von Kaiser Matthias bis zu Karl VI.“ In: Le corti come luogo di comunicazione. Gli Asburgo e l’Italia (seocli XVI–XIX) / Höfe als Orte der Kommunikation. Die Habsburger und Italien (16. bis 19. Jahrhundert), hg. von Marco Bellabarba und Jan Paul Niederkorn (Annali dell’Istituto storico italogermanico in Trento, Contributi 24 / Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts in Trient, Beiträge 24). Bologna, Berlin 2010, S. 195–214 [685–701]. Sommer-Mathis1 Andrea Sommer-Mathis: Die Tänzer am Wiener Hofe im Spiegel der Obersthofmeister­ amtsakten und Hofparteienprotokolle bis 1740 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Ergänzungsband 11). Wien 1992. Sommer-Mathis2 Andrea Sommer-Mathis: „La gara musicale. Ein musikalischer Wettstreit am Hofe Kaiser Ferdinands II.“ Studien zur Musikwissenschaft 56 (2010), S. 56–65. Steffan Carlida Steffan: „Oratori senza sepolcri e sepolcri senza oratori. Su alcune consuetudini paraliturgiche della Settimana Santa nel Seicento italiano“. In: „Quel novo Cario, quel divin Orfeo“. Antonio Draghi da Rimini a Vienna. Atti del convegno internazionale, Rimini 1998, hg. von Emilio Sala und Davide Daolmi. Lucca 2000, S. 321–340. Weaver Robert Lamar Weaver: „Materiali per le biografie dei fratelli Melani“. Rivista ­i taliana di musicologia 12/2 (1977), S. 252–295.

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Italienische Libretti im barocken Österreich * Dieses Thema ist im Hinblick auf das Generalthema der Tagung noch nicht ausreichend erforscht, wie überhaupt viele Kapitel der Librettistik. Eine der Möglichkeiten zur Feststellung spezifisch österreichischer Züge italienischer Libretti ist der Vergleich von Versionen desselben Textes in Österreich und Italien. Genaue Vergleiche dieser Art sind aber bisher nur sporadisch angestellt worden, wohl weil sie ziemlich aufwendig sind und selten im Erkenntnisinteresse der Forscher liegen. Immerhin kann man auf einzelne Arbeiten zurückgreifen, die speziell von ­Antonio Cesti vertonte oder von Nicolò Minato oder Pietro Pariati verfasste L ­ ibretti von Innsbruck bzw. Wien mit deren Bearbeitungen für italienische Bühnen vergleichen1 oder die venezianischen Libretti von Minato und Apostolo Zeno mit den später von ihnen für den Kaiserhof verfassten. 2 Außerdem gibt es zwar seit 1990 ein informatives Werk über das italienische Libretto des Seicento von Paolo Fabbri, 3 doch ist es stark auf die Verhältnisse in Italien fokussiert und geht auf Österreich nur gelegentlich am Rand ein, ohne die spezifischen Unterschiede herauszuarbeiten. So will ich hier also den Versuch unternehmen, dies an einigen Beispielen zu tun, wobei der auf der Hand liegende Unterschied nicht näher besprochen | werden 33 muss, dass nämlich die Hofopern bei allen Anlässen außer dem Karneval Prolog und/oder Licenza enthielten, die eine Verbindung zwischen der Handlung und den * Zuerst erschienen in: Österreichische Oper oder Oper in Österreich? Die Libretto-Problematik, hg. von Pierre Béhar und Herbert Schneider (Musikwissenschaftliche Publikationen 26). Hildesheim 2005, S. 32–40. 1 Carl B. Schmidt: „Antonio Cesti’s La Dori: a study of sources, performance traditions and ­musical style“. Rivista Italiana di Musicologia 10 (1975), S. 455–498. – Ders.: „La Dori di Antonio Cesti: sussidi bibliografici“. Rivista Italiana di Musicologia 11 (1976), S. 197–229. – Piero ­Gargiulo: „Con ‚regole, affetti, pensieri‘. I libretti di Moniglia per l’opera italiana dell’ ‚imperial t­eatro‘ (1667–1696)“. In: Il teatro musicale italiano nel Sacro Romano Impero nei secoli XVII e XVIII, hg. von Alberto Colzani et al. (Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S.Como 12). Como 1999, S. 121–146. – Emilio Sala: „Le metamorfosi di Ifide greca“ und Norbert ­Dubowy: „Opere di Draghi in Italia?“ In: ‚Quel novo Cario, quel divin Orfeo‘. Antonio Draghi da ­R imini a Vienna. Atti del convegno internazionale (Rimini, Palazzo Buonadrata, 5–7 ottobre 1998), hg. von Emilio Sala und Davide Daolmi (ConNotazioni 7). Lucca 2000, S. 61–97 und 225–252. – ­Giovanna Gronda: La carriera di un librettista. Pietro Pariati da Reggio di Lombardia, mit Beiträgen von Brendan M. Dooley, Herbert Seifert und Reinhard Strohm (Proscenio. Quaderni del Teatro ­Municipale „Romolo ­Valli“ di Reggio Emilia 5). Bologna 1990. 2 Nino Pirrotta: „Note su Minato“. In: L’Opera italiana a Vienna prima di Metastasio, hg. von ­Maria Teresa Muraro (Studi di musica veneta 16). Firenze 1990, S. 127–163. – Elena Sala di Felice: „Zeno: da Venezia a Vienna. Dal teatro impresariale al teatro di corte“. Ebenda, S. 65–114. 3 Paolo Fabbri: Il secolo cantante. Per una storia del libretto d’opera nel Seicento. Bologna 1990.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof jeweils gefeierten Personen konstruierten. Vorausgeschickt muss auch werden, dass das italienische Libretto in Österreich, von Italienern verfasst, naturgemäß in den Grundzügen mit dem im Ursprungsland übereinstimmt, besonders wenn es sich dort ebenfalls um etablierte höfische Opernunternehmungen handelte. Die Texte der Opern in Österreich machten auch die italienischen Entwicklungen meist ohne größere Verzögerungen mit. Dies war eine Folge der Bestrebungen der Fürsten, renommierte Librettisten zu engagieren, wie die Namen von ­Orazio P ­ ersiani, B enedetto Ferrari, Giovanni Francesco Apolloni, Francesco Sbarra, ­Nicolò ­ ­Minato, Silvio Stampiglia, Pietro Pariati, Apostolo Zeno und nicht zuletzt Pietro Metastasio zeigen, die zum Teil schon zuvor wesentliche Neuerungen mitgetragen hatten. Weiters kamen für einzelne Opern neue Texte von in Italien sehr erfolgreichen Autoren zum Einsatz, die nicht an den Kaiserhof gebunden ­waren, allerdings nur bis ins zweite Drittel des 17. Jahrhunderts: Prospero Bonarelli, ­Aurelio Aureli, Giovanni Andrea Moniglia und Cristoforo Ivanovich können hier genannt werden.4 Nehmen wir uns von diesen gleich den Grafen Prospero Bonarelli vor, der in der Vorrede zu dem 1641 in Bologna gedruckten und wahrscheinlich drei Jahre davor in Wien auf Bestellung von Erzherzog Leopold Wilhelm aufgeführten Pastoraldrama mit Musik L’Imeneo auf die Erfordernisse bzw. Erwartungen des Wiener Hofs eingeht: Er gibt an, er hätte sich vor der Anwendung von Bühnenmaschinen gehütet, wenn sie nicht in anderen seiner Werke mit so großer Zustimmung aufgenommen worden wären, und da er wisse, wie sehr sich die Fürsten an optischen Spektakeln erfreuten, die Staunen und Vergnügen verursachten, habe er es für notwendig gehalten, in seiner Dichtung Maschinen vorzuschreiben, die erstaunliche, vergnügliche Erscheinungen ermöglichten. Die von ihm hier doppelt eingesetzten Termini sind „meraviglia“ und „diletto“. 5 Diese Besonderheit des Hoftheaters gegenüber dem wesentlich sparsameren Einsatz von Bühneneffekten im kommerziellen öffentlichen Theater kann aber kaum als österreichische Spezialität angesehen werden. 34 Drei Jahrzehnte später waren die Verhältnisse noch ähnlich. Als Nicolò ­Minatos Libretto Iphide Greca 1671, ein Jahr nach der Erstvertonung in Wien, vom ­Teatro ai Saloni in Venedig aufgegriffen wurde, hieß es in der Vorrede: „I Saloni di ­Venezia non sono la reggia di Cesare, […] si tralasciano il più bello degli­ apparati che c­ ostà servirono ad ostentare la splendidezza di una corte.“ Außerdem wird zur ­B e­a rbeitung des Textes ausgeführt: „Si sono aggiunte alcune seconde 4 Siehe dazu den Spielplan bei Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985. 5 Prospero Bonarelli: L’Imeneo. Bologna 1641, fol. 2v , zitiert bei Seifert: Die Oper am Wiener ­K aiserhof im 17. Jahrhundert, S. 369 f.

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Italienische Libretti im barocken Österreich stroffe et altre n[u]ove ariette a fine di dilettarti.“6 Darauf werden wir später zurückkommen. Unmittelbar nach Bonarellis Oper, in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts, setzten aber zwei Entwicklungen ein, die noch über Jahrzehnte die Besonderheiten der österreichischen Musikdramatik prägen sollten. Hier hatte wieder Erzherzog Leopold Wilhelm die Initiative ergriffen. 1642 gab der geistliche Feldherr, zwischen zwei Feldzügen des Dreißigjährigen Krieges kurze Zeit in Wien, zum Geburtstag seines Bruders Kaiser Ferdinand III. eine Oper in Auftrag. Sein Hofpoet Oratio Persiani verfasste das Libretto Lo Specchio di Virtù, sein Musiker ­Giacinto Cornacchioli hatte den Auftrag, in Venedig, Neapel und Rom Sänger zu engagieren7 und wohl auch den zur Vertonung des Textes. Er hatte 14 Jahre zuvor die Oper Diana schernita für Rom komponiert, und der Florentiner Persiani hatte als Librettist von Francesco Cavallis Le Nozze di Teti e di Peleo von 1639 und zwei weiteren Texten von 1642 venezianische Opernerfahrung.8 Sein Wiener ­Libretto dieses Jahres gehört aber eindeutig zur seltenen Spielart der Opera morale 9 mit ­a llegorischen Personen, Typen wie Dirne | und Säufer und einigen mythologi- 35 schen Figuren wie den drei Parzen.10 Der Grundkonf likt stimmt mit dem der ersten m ­ oralischen Oper überein, Emilio de’ Cavalieris Rappresentazione di Anima e di Corpo von 1600. In deren Tradition ist Persianis Libretto klar einzuordnen, das ebenso in Prolog und drei Akte gegliedert ist. Die Licenza spielt auf den Krieg an und auf den Kaiser, der Frieden bringe. Dieser komponierte selbst eine Opera morale und sandte sie 1649 an den in Rom ­tätigen Universalgelehrten Athanasius Kircher, der ihm im selben Jahr durch ­Johann Jacob Froberger eine Maschine zur Komposition in fünf Stilen schickte.11 6 Zitiert bei Fabbri: Il secolo cantante, S. 260. 7 Herbert Seifert: „The beginnings of sacred dramatic musical works at the imperial court of ­Vienna: sacred and moral opera, oratorio and sepolcro“. In: L’Oratorio musicale italiano e i suoi contesti (secc. XVII–XVIII). Atti del convegno internazionale Perugia, Sagra Musicale Umbra, 18–20 settembre 1997, hg. von Paolo Besutti (Quaderni della Rivista italiana di musicologia 35). Firenze 2002, S. 501 f. [773 f.], 505 [775]. 8 Herbert Seifert: „Teti in Venice (1639), Mantua (1652), Paris (1654) and Vienna (1656). Obvious and hidden relations“. In: Les noces de Pélée et de Thétis, Venis, 1639 – Paris, 1654/Le nozze di Teti e di Peleo, Venezia, 1639 – Parigi, 1654. Actes du colloque international de Chambéry et de Turin, 3–7 novembre 1999, hg. von Marie-Thérèse Bouquet-Boyer. Bern et al. 2001, S. 174 [737 f.]. 9 Carolyn Gianturco: „Opera sacra e opera morale: due ‚altri‘ tipi di dramma musicale“. In: Il m ­ elodramma italiano in Italia e Germania nell’età barocca. Die italienische Barockoper, ihre Verbreitung in Italien und Deutschland. Beiträge zum fünften internationalen Symposium über die ­i talienische Musik im 17. Jahrhundert, Loveno di Menaggio (Como), 28–30 giugno 1993, hg. von ­Alberto Colzani, Norbert Dubowy, Andrea Luppi und Maurizio Padoan (Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S.-Como 9). Como 1995, S. 169–177. 10 Theophil Antonicek: Musik und italienische Poesie am Hofe Kaiser Ferdinands III. (Mitteilungen der Kommission für Musikforschung 42). Wien 1990, S. 13–18. 11 Claudio Annibaldi: „La macchina dei cinque stili: nuovi documenti sul secondo soggiorno­

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Wer den Text verfasst hatte, ist nicht überliefert; in Frage kommt neben dem Kaiser auch Erzherzog Leopold Wilhelm, der zahlreiche italienische Texte dichtete, die meist von seinem kaiserlichen Bruder vertont wurden. Auch ein Titel ist nicht bekannt; die heute als einzige Quelle erhaltene Abschrift aus dem 19. Jahrhundert gibt nur die Gattung Drama musicum an. In der Partitur gibt es keine Akt- oder Szeneneinteilung, doch die Verwandtschaft des Sujets mit denen der genannten Vertreter der moralischen Oper von Cavalieri und Persiani ist unübersehbar. Ein Typus, Giovinetto, muss sich zwischen den Allegorien der weltlichen und der göttlichen Liebe entscheiden, wobei ihm das personifizierte Urteil hilft. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Francesco Sbarra in den fünfziger Jahren eine ganze Reihe von moralischen Dramen mit allegorischen Personen verfasste,12 was nicht unwesentlich zu seiner Verpf lichtung als Innsbrucker und dann Wiener Hofpoet beigetragen haben mag. Eine ausgesprochene Wiener Spezialität war die in den vierziger Jahren dort ent36 standene Gattung der Rappresentazione sacra al Santissimo Sepolcro, auch | kurz als Sepolcro bezeichnet, die einzige musikalische Gattung, die autochthon auf dem ­B oden der kaiserlichen Hof kapelle entstanden ist und während ihrer relativ kurzen Lebensdauer von etwa sechseinhalb Jahrzehnten auch nur dort gepf legt wurde. Im Grunde ist sie eine spezielle Variante der Opera morale, denn auch hier waren die Personen zumindest zum Teil Allegorien, nur wird in diesem Fall die Moral mit der Passion Christi verbunden. Gemeinsam haben die beiden Spielarten die szenische Darbietung in Kostümen, beim Sepolcro teils vor einem Prospekt, wobei es aber keine Akt- und nur selten Szeneneinteilung kennt. Diese Gattung einer szenischen musikdramatischen Aufführung vor dem Heiligen Grab am Karfreitag oder Gründonnerstag wurde zu Beginn der 1640er Jahre in Wien vom Hof kapellmeister Giovanni Valentini in der Doppelfunktion als Librettist und Komponist kreiert13 und war während der Regentschaft Kaiser Leopolds I. zwischen 1660 und 1705 an diesen feststehenden Tagen in gleichbleibender Erscheinungsform Teil des Hof­zeremoniells für die Karwoche.

romano di Johann Jakob Froberger“. In: La musica a Roma attraverso le fonti d’archivio. Atti del C ­ onvegno internazionale Roma 4–7 giugno 1992, hg. von Bianca Maria Antolini, Arnaldo ­Morelli und Vera Vita Spagnuolo. Lucca 1994, S. 399–408. – Ders.: „Froberger in Rome: From Frescobaldi’s Craftsmanship to Kircher’s Compositional Secrets“. current musicology 58 (1995), S. 5–27. – Ders.: „Froberger à Rome: de l’artisanat frescobaldien aux secret de composition de Kircher“. In: J. J. Froberger musicien européen. Colloque organisé par ville et l’École Nationale de Musique de Montbéliar, Montbéliard, 2–4 novembre 1990. Paris 1998, S. 39–66. 12 Thomas Walker: „Francesco Sbarra“. In: The New Grove Dictionary of Opera. Bd. 4. London 1992, S. 197. 13 Seifert: „The beginnings of sacred dramatic musical works at the imperial court of Vienna: sacred and moral opera, oratorio and sepolcro“, S. 493–498 [767–769].

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Italienische Libretti im barocken Österreich Was grundsätzlich an den am Wiener Hof aufgeführten Opern im Unterschied zu Venedig, aber wohl auch zu anderen italienischen Bühnen auffällt, ist die vor den betont frommen Kaisern mit ihrer sprichwörtlichen pietas Austriaca vermiedene Drastik in der verbalen und szenischen Darstellung sowohl von Laszivität als auch von Gewalt14 – um nicht das Schlagwort von Sex and Crime zu verwenden. Das passt gut zu der genannten Kategorie von moralisierenden Dramen. Nicolò Minato ließ in seinen Faschingsopern mehrfach Philosophen oder Weise auftreten, die – meist am Szenenende – moralisierende Sentenzen von sich gaben.15 Weiters wurde festgestellt, dass sich die moralische Ref lexion der Macht in der Wiener Produktion Apostolo Zenos viel insistierender und artikulierter zeige als in seinen Werken für Venedig, in denen er überdies gezwungen war, Zugeständnisse an die hedonistische Erwartung des Publikums zu machen; erst am Kaiserhof konnte er seinen tragisch-moralistischen Neigungen ganz folgen und die „Reform“ durch Vermeidung von Komik konsequent durch|führen.16 Scipione Maffei 37 lobte dann folgerichtig das „castigatissimo Imperial Teatro“ Kaiser Karls VI.17 So kann man also die betonte Moral in den genannten, recht unterschiedlichen Erscheinungsformen als Konstante der barocken Librettistik in Wien ansehen. Weitere Besonderheiten lassen sich nicht ohne weiteres unter einer gemeinsamen Idee subsumieren, sollen aber hier auch noch Erwähnung finden. In einem undatierten Brief, der wohl aus den späten 1660er Jahren stammt, schreibt der in Venedig etablierte Librettist Nicolò Beregan an den Grafen Ferdinand ­B onaventura Harrach, einen Vertrauten Kaiser Leopolds, nach Wien, er bedanke sich für den Auftrag für ein Opernlibretto und bitte nur, ihm etwas Zeit zu l­ assen. Er fährt fort: „nel resto procurerò d’incontrare il Genio di cotesta Corte con le hauute instruttioni dal D. Ferrari stando su l’Heroico, sù le uiste[?], et Breuità desiderata.“ 18 Hier werden also das Heroische, die optischen Effekte – wir erinnern uns dabei an Bonarelli – und die Kürze als signifikante Merkmale des Wiener ­höfischen Geschmacks genannt, an die sich Beregan halten wollte; die Information hatte er von einem D. Ferrari, der wohl nicht mit Benedetto identisch, sondern 14 Pirrotta: „Note su Minato“, S. 150 f. 15 Ebenda, S. 146. 16 Sala di Felice: „Zeno: da Venezia a Vienna. Dal teatro impresariale al teatro di corte“, S. 102, 109, 112 f. – Auch Elisabeth Hilscher: „Antike Mythologie und habsburgischer Tugendkodex. Metastasios Libretti für Karl VI. und ihre Vertonung durch Antonio Caldara“. In: Pietro ­M etastaio – uomo universale (1698–1782). Festgabe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zum 300. Geburtstag von Pietro Metastasio, hg. von Andrea Sommer-Mathis und Elisabeth Theresia ­Hilscher. Wien 2000, S. 69, konstatiert: „Bei allen Libretti, die Metastasio für Karl VI. schrieb, ist das moralisierende Element nicht zu übersehen: […].“ 17 Sala di Felice: „Zeno: da Venezia a Vienna. Dal teatro impresariale al teatro di corte“, S. 66. 18 Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Wien, Karton 217, Mappe „Beregani, Nicolo“.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof vielleicht als Verwechslung mit Federici zu deuten ist. Abate ­Domenico ­Federici war nicht nur 1666–1667 Hofpoet der Kaiserin Witwe Eleonora und verfasste ­Libretti für Wien, sondern ging anschließend bis 1674 als diplomatischer Vertreter des Kaiserhofs nach Venedig. Unterschiede zwischen einigen für österreichische Höfe gedachten Libretti und ihren Bearbeitungen sind schon gelegentlich thematisiert worden, so etwa an Hand von Cestis Innsbrucker Erfolgsopern L’Orontea 19 und La Dori 20 (1656, 1657), denen 38 in Italien Dutzende Produktionen mit starken Veränderungen | folgten. Während die Aufführungen beider Werke 1661 in Florenz unter Cestis Mitwirkung und teilweise mit derselben Besetzung wie in Innsbruck mit so gut wie unveränderten Libretti stattfanden, 21 wissen wir von starken Eingriffen für die Aufführung von La Dori in Venedig 1663 und später: Kürzungen, vor allem der Rezitative, in etwa der Hälfte der Szenen und ein neues Finale, Zusatz von Abgangsarien. Dieser Trend verstärkte sich bei den Bearbeitungen, die 1667 und 1671 für Venedig vorgenommen wurden: Striche von Rezitativen und deutlich vermehrte Arientexte. 22 Als einzige von Cestis Wiener Opern wurde die schon 1665 für Innsbruck vorbereitete, aber erst 1667 in Wien auf die Bühne gebrachte Semirami mit Text des ­Florentiner Hofpoeten Giovanni Andrea Moniglia in Italien bearbeitet. 1671 nahmen sich Matteo Noris und Pietro Andrea Ziani das Werk in Venedig vor. Das Libretto erfuhr dabei eine tiefgreifende Umarbeitung, die zu einer um elf erhöhten Anzahl von Szenen führte und nur einige wenige Textstellen Moniglias unverändert ließ. Weniger radikal waren 1674 ebenfalls in Venedig Giulio Cesare C ­ orradi und Marc’Antonio Ziani, wobei diese der Oper den Titel La Schiava fortunata ­gaben, einen Prolog und neue Arien bzw. zusätzliche Strophen einfügten und Ensembles und Chöre sowie die komischen Episoden strichen. 23 Als Minatos Libretto Leonida in Tegea sechs Jahre nach der Wiener Erstvertonung durch Antonio Draghi in Venedig 1676 aufgegriffen wurde, las man in der Vor­ rede:

19 Jennifer Williams Brown: „‚Innsbruck, ich muss dich lassen‘: Cesti, Orontea, and the Gelone ­problem“. Cambridge Opera Journal 12 (2000/2001), S. 179–217. 20 Schmidt: „Antonio Cesti’s La Dori: a study of sources, performance traditions and musical style“, S. 455–498. 21 Herbert Seifert: „Cesti and his opera troupe in Innsbruck and Vienna, with new informations about his last year and his œuvre“. In: La figura e l’opera di Antonio Cesti sel Seicento ­e uropeo. ­C onvegno internazionale di studio. Arezzo, 26–27 aprile 2002, hg. von Mariateresa Dellaborra (Quaderni della Rivista Italiana di Musicologia 37). Firenze 2003, S. 15–62 [195–242]. 22 Schmidt: „Antonio Cesti’s La Dori: a study of sources, performance traditions and musical style“, S. 465 f. 23 Gargiulo: „Con ‚regole, affetti, pensieri‘. I libretti di Moniglia per l’opera italiana dell’ ‚imperial teatro‘ (1667–1696)“, S. 129–138.

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Italienische Libretti im barocken Österreich Trasportata da teatro augusto alle scene dell’Adria, conviene trasformarsi per compiacere al genio di questo serenissimo cielo; la vedrai per[ci]ò comparire diversa da quello che nacque per necessità dell’uso et per concessione del genitore. 24 Von dem ursprünglichen Text ist nur etwa ein Drittel übernommen worden; die 39 Zahl der geschlossenen Nummern wurde deutlich erhöht. 25 Am ausführlichsten hat solche Vergleiche Giovanna Gronda am Beispiel von ­Pariatis Teseo in Creta angestellt, 1715 für Wien verfasst und bis 1800 in 40 weiteren Versionen aufgeführt. Dabei konnte sie über 500 Varianten der Arien feststellen und einige tausend verschiedene Lesarten des Textes. Im Schaffen Pariatis für den Kaiserhof hat dieses Libretto insofern eine Ausnahmestellung, als es unter Zenos Einf luss das einzige ohne komische Elemente ist. 1721/1722 wurde der Text in ­Neapel von fünf auf drei Akte reduziert bzw. von 32 auf 27 Szenen, denen aber vier neue komische angefügt wurden, die die Stelle von Pariatis ursprünglichen Wiener Intermezzi einnahmen. Der Kampf Teseos mit dem Minotaurus wurde als besonderer szenischer Effekt eingefügt. Für Händels Vertonung in London wurde das Libretto 1734 noch weit drastischer gekürzt, vor allem in den Rezitativen. 26 Viele, ja wohl die meisten der unter der Herrschaft von Kaiser Karl VI. an seinem Hof aufgeführten Opern handeln von der Legitimität eines gerechten Herrschers oder Thronfolgers, der über einen Tyrannen obsiegt. 27 Es ist wahrscheinlich, dass damit das geradezu obsessive Streben Karls nach Anerkennung der Pragmatischen Sanktion, also der Thronfolge einer Tochter in den habsburgischen Erbländern, unterstützt werden sollte. In Zenos Libretti werden außerdem die Opfer und Leiden des Herrschers hervorgekehrt, der seine Leidenschaften unterdrücken muss und von der schweren Last der Sorge für seine Untertanen bedrückt wird. 28 Zwei Wiener Besonderheiten sollen noch genannt werden: Die einaktigen Opern, die Minato für die Bedürfnisse des Hofs so zahlreich verfasste und als Festa musicale, Festa teatrale, Introduttione d’un balletto oder Trattenimento musicale bezeichnete. Sie hatten Szeneneinteilung und meist nur ein einziges Bühnenbild; ihre Stoffe wichen nicht von denen der Drami per musica in drei Akten ab. Pariati nannte seine kleinen mythologischen Opernlibretti, meist zum Namens- oder Geburtstag der

24 Zitiert bei Dubowy: „Opere di Draghi in Italia?“, S. 241. 25 Ebenda, S. 239–249. 26 Giovanna Gronda: „Dal Teseo in Creta all’ Arianna e Teseo: un testo per musica attraverso un ­secolo“. In: Dies.: La carriera di un librettista. Pietro Pariati da Reggio di Lombardia, S. 291–311. 27 Claudia Michels: Karnevalsoper am Hofe Kaiser Karls VI., 1711–1740: Kunst zwischen Repräsenta­ tion und Amusement. Diss. Universität für Musik Wien 2006. 28 Sala di Felice: „Zeno: da Venezia a Vienna. Dal teatro impresariale al teatro di corte“, S. 99.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof 40

Kaiserin, Festa teatrale per musica; diese Bezei|chnung übernahmen mit den Aufträgen zu diesem Anlass seit 1726 Giovanni Claudio Pasquini und auch, seit 1731, Metastasio. 29 Eine weitere, bisher nur in Wien sporadisch nachweisbare Spezialität ist die ­C ommedia dell’Arte „in musica“, also durchgehend gesungen. Das waren natürlich keine Stegreif komödien, sondern Opern mit den Typen der Commedia. Dafür gibt es leider keine Primärquellen, nur vereinzelte Berichte aus den Jahren 1625, vor 1656, 1659 – hier ist es nur ein Intermezzo – und 1663. In Italien gibt es diese Variante der Oper zu dieser Zeit nicht; Berichte darüber aus Wien wurden daher in Venedig mit großer Verwunderung aufgenommen. 30 Im Rückblick läßt sich also zusammenfassen: Die Barockoper in Österreich, die ein fast ausschließlich höfisches Phänomen war, unterschied sich naturgemäß stärker von der kommerziellen Oper in Italien als von der an dortigen Höfen. Der Einsatz von Bühnenmaschinen und prunkvoller Szenenausstattung gehört zu den äußerlichen Merkmalen des Dramas, die im Libretto vorgeschrieben sind. Von den inneren, die Textstruktur und die Handlung betreffenden Elementen wurden die heroische Ausrichtung und einerseits Kürze, andererseits aber im Vergleich zu Bearbeitungen ausgedehntere Rezitative und mehr Ensembles, dafür weniger ­Arien genannt. Die moralische bzw. moralisierende Haltung, der Frömmigkeit der Herrscher und dem Dekorum des Kaiserhofs entsprechend, ist aber wohl die am stärksten ausgeprägte Individualität der Wiener Libretti.

29 Herbert Seifert: „Azione (Festa) teatrale“. In: Österreichisches Musiklexikon, hg. von Rudolf ­Flotzinger. Bd. 1. Wien 2002, S. 85 f. 30 Herbert Seifert: „Rapporti tra Commedia dell’Arte e musica alla corte cesarea“. In: Commedia dell’Arte e spettacolo in musica tra Sei e Settecento, hg. von Alessandro Lattanzi und Paologiovanni Maione (I Turchini saggi 2). Napoli 2003, S. 133 f., 138–140, 144 f. [439 f., 443–446, 448 f.] – In ­Florenz etwa gab es in Opern nur Annäherungen an Typen der Commedia dell’arte, wie z. B. 1657 in Giovanni Andrea Moniglias Libretto Il Podestà di Colognole. Siehe dazu Fabbri: Il secolo cantante, S. 253.

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Die Feste theatralischen Charakters während der kaiserlichen Aufenthalte in Prag zwischen 1617 und 1680 * Nach dem Tod Kaiser Rudolphs II. wurde sein Bruder Matthias 1612 zum Kaiser des Römischen Reichs gekrönt. Unter den Gratulanten, die ihm kurz vor der Rückverlegung der kaiserlichen Residenz nach Wien ihre Aufwartung noch in Prag machten, war auch ein Cousin der Kaiserin, nämlich der 18jährige Prinz Vincenzo Gonzaga, Bruder des Herzogs Francesco von Mantua. Er kam Anfang ­Oktober an, begleitet von einem Startenor dieser Zeit, Francesco Rasi (1574–1621). ­Dieser hatte seit 1600 in allen Opernaufführungen Hauptrollen gesungen, darunter auch 1607 in Mantua den Orfeo in Claudio Monteverdis gleichnamiger Oper. Als der Sänger erkrankte und länger als Don Vincenzo in Prag bleiben mußte, lud ihn der Botschafter der Toskana am Kaiserhof, Monsignore Giuliano de’Medici, ein, in seinem Haus zu wohnen, obwohl der Musiker zwei Jahre zuvor dem Todes­u rteil wegen Mordes nur durch seine Flucht aus der Toskana entkommen war. Bevor er Ende Oktober seine beschwerliche und durch weitere Erkrankung verlängerte Heimreise antrat, ließ ihn der Kaiser zu sich rufen und sich von ihm vorsingen, wahrscheinlich italienische Monodien im neuen Stil. Rasi überreichte dem Monarchen offenbar auch ein Exemplar seiner gedruckten Kompositionen. Zum Zeichen seiner Zufriedenheit mit der Darbietung belohnte dieser ihn unter anderem mit dem üblichen Geschenk, einer Halskette mit einer Medaille mit dem kaiserlichen Bildnis.1 Es ist durchaus möglich, daß diese vielleicht erste Begegnung Matthias’ mit der neuartigen italienischen Musik für die gleich zu besprechende Festlichkeit von Bedeutung war. Nachdem nun die Residenzstadt des Kaiserhofs wieder Wien geworden war, besuchte Matthias, der ja auch König von Böhmen war, Prag doch noch einige Male für kürzere oder längere Zeit, so auch im Jahr 1617, als es vor allem um die Frage seiner Nachfolge ging. Gegen den Widerstand der protestantischen | böhmischen 464 Stände wurde im Juni dieses Jahres der radikal gegenreformatorisch eingestellte Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich in Prag zum König gekrönt. Knapp fünf Monate davor und noch vor dessen Ankunft in dieser Stadt gab es am Fasching* Zuerst erschienen in: Gedenkschrift für Walter Pass, bearb. und hg. von Martin Czernin. Tutzing 2002, S. 463–472. 1 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), S. 7–9 [17–19]. – Ders.: „Vorwort“. In: Francesco Rasi: Musiche da camera e da chiesa / Camillo Orlandi: Arie a tre, due et a voce sola, hg. von Herbert Seifert (Denkmäler der Musik in Salzburg 7). Salzburg 1995, p. VIII [69–71]. – Warren Kirkendale: The court musicians in Florence during the principate of the Medici. Firenze 1993, S. 556–603.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof sonntag im Hradschin eine neuartige Unterhaltung für die Hofgesellschaft, bezeichnender Weise nominell veranstaltet von Herren des kaisertreuen katholischen böhmischen Adels. Über den genauen Charakter und Ablauf dieser dramatischen Darbietung sind wir erst seit kurzem informiert, nachdem ich zu dem in der Literatur schon vielfach unter dem irreführenden Titel Phasma Dionysiacum Pragense zitierten Einblattdruck das komplett gedruckte italienische Libretto samt handschriftlicher deutscher Übersetzung gefunden hatte. Wir wissen also heute, daß es sich dabei nicht nur um das zweite bekannte Ballett am Kaiserhof handelt – nach Pietro Paolo Mellis Balletto detto L’Ardito ­G ratioso, das zwei Jahre zuvor in Wien getanzt worden war und dessen Musik erhalten ist 2 – sondern auch um dessen erstes vollständig gesungenes Musikdrama, das in italienischer Tradition stand und auch in italienischer Sprache gehalten war. Der beigegebene Stich ist die wohl älteste Darstellung einer barocken Bühne mit Wolken­ maschinen, Kulissenpaaren mit Baumdekoration und mehreren Flugmaschinen außerhalb Italiens. Das als Bericht („Breve relatione / Kurtze relation“) bezeichnete Libretto gibt als Veranstalter an: „alcuni Cavaglieri principali della Corte di sua Maestà Cesarea / etliche von den Vornehmsten Cavallieren der Kayserlichen Mayestät Hofe“ und als Anlaß deren Wunsch, dem Kaiserpaar „[…] dare un dilettoso passatempo / zu underthenigsten dienst und lustiger kurtzweil“. Die Art der Darbietung wird folgendermaßen bezeichnet: „un balletto con inventione non più veduta in questa Corte / ein Ballet […] und an disem Hofe zuvor niehmahls gesehener Invention“, womit die Neuheit des Genres besonders hervorgehoben wird. Der dafür benützte Raum war der Sitzungssaal der böhmischen Landstände im Prager Königsschloß, auch Landstube, Landrechtsstube oder Landtagssaal genannt, der, erst 1566 fertiggestellt, heute noch mit seinem spätgotischen Gewölbe neben dem Wladislaw-Saal liegt. Dieser selbst wird nur in dem genannten Einblattdruck als Aufführungsort genannt; die anderen Quellen geben übereinstimmend den kleineren Raum an. Dort wurde eine Bühne errichtet, die die ganze Breite (etwa 465 13 m) und Höhe des Saales sowie | etwa ein Drittel seiner Länge einnahm (also etwa 5 m tief war). An der gegenüberliegenden Wand war ein Thron für Kaiser und Kaiserin aufgestellt, daneben ein Sessel für Erzherzog Maximilian. Entlang der Seiten­wände standen je zwei Sitzreihen, die zweite höher als die erste. Rechts waren für die Damen, links für die Gesandten besondere Sitze vorgesehen, die übrigen nahmen die Minister, Beamten, Cavaliere und anderer Adel ein. Der dazwischen liegende Mittelraum blieb für das später folgende Ballett frei.

2 Miloš Šteˇdron und Miloslav Študent: „Phasma Dionysiacum musicae“. In: Sborník prací filosofické fakulty brneˇnské Univerzity 29 (1994), S. 56.

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Die Feste theatralischen Charakters in Prag (1617–1680) Die Bühne wurde nicht durch einen Vorhang verdeckt, sondern durch eine große Wolke, an deren beiden Seiten eine Felsendekoration mit Quellen und Wasser­ fällen den Bühnenrahmen bildete. Vor der Wolke blieb ein kleiner Streifen der Bühne frei, von dem zwei Stiegen zum Saalboden herabführten. Als das Kaiserpaar seine Plätze eingenommen hatte, erklang plötzlich „eine sehr treff liche Music von allerhandt Musicalischen Instrumenten“, also wohl eine Instrumentaleinleitung zur Handlung, die gleichzeitig mit der Ablösung einer kleinen Wolke aus der Spitze der großen begann; darauf stand der Götterbote Merkur mit seinen üblichen Attributen, der von dieser Plattform blitzartig auf den Streifen des Bühnenbodens hinabf log, das Publikum musterte und dann mit Instrumentalbegleitung zu singen begann, die, wie es zu dieser Zeit üblich war, hinter der Bühne unsichtbar spielte. 3 Merkur kündigte an, daß er das Zeichen zur Erscheinung der Helden der Antike geben werde, damit sie Matthias und Anna huldigen könnten. Bei seinen letzten Worten verschwand die große Wolke und gab die hell erleuchtete Bühne frei, welche die elysischen Gefilde darstellte. Auf Marmorpodesten saßen paarweise Monarchen und Königinnen, darunter – als genius loci – Libussa, die sagenhafte Gründerin Prags. Dahinter standen acht der berühmtesten Dichter und Schriftsteller der griechischen und römischen Antike bzw. Mythen mit Lorbeerzweigen in den Händen: Orpheus, sein Lehrer Linus, Homer, Hesiod, Vergil, Horaz, Catull und Ovid. Nun betrat Merkur das Elysium, und ein ebenfalls hinter der Szene verborgener Chor von Stimmen und Instrumenten war mit einem an die seligen | Personen 466 gerichteten Kommentar zu hören.4 Merkur wandte sich darauf an die als Reichsgründer angesungenen Helden mit dem Auftrag Jupiters, Matthias und Anna ihre Reverenz zu erweisen, und verschwand danach. Die 20 Personen begaben sich nun von der Bühne über die Stiegen in das Parkett, zuerst die Poeten, dann die Helden. Als „Entrata / Auffzug“ sangen Orpheus und die anderen Dichter eine weitere Aufforderung an die Könige und Königinnen, dem Kaiserpaar durch ihren Tanz zu huldigen. Unter Donner und Blitz fuhr plötzlich Amor auf einer Wolke herab und sang als „introduttione del balletto / Einführung deß ballets“ ein langes Solo. Er berichtete, wie seine Mutter Venus ihn in ihrem Schoß geweckt habe, damit er sich zu der illustren Versammlung am 3 Im Vorwort zu Emilio De’ Cavalieri: Rappresentatione di Anima, et di Corpo. Roma 1600 (mehrere Faksimile-Neuausgaben), heißt es: „E gli stromenti, perché non siano veduti, si debbano suonare dietro le tele della scena, […].“ Auch die für diese Prager Szene genannten Instrumente Cembalo, Chitarrone und [Basso di] Viola, die wohl den Basso continuo ausführten, stimmen teilweise mit den von Cavalieri empfohlenen überein: „[…] una lira doppia, un clavicembalo, un chitarone o tiorba che si dica, insieme fanno buonissimo effetto, […].“ 4 De’ Cavalieri: Rappresentatione di Anima, et di Corpo, empfiehlt: „Quando si è cantato un poco a solo, è bene far cantar i cori, […].“

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Kaiserhof begebe. Hier setzte der unbekannte Librettist das seit den ersten Opern beliebte Mittel des beziehungsvollen Echos ein, das auf den Versschluß „Diana“ „di ANNA“ widerhallte.5 Die Heroen tanzten anschließend das Ballett, das nach dem Bericht sowohl wegen seiner Neuheit und Ordnung als auch wegen der Pracht der Kostüme von den ­Majestäten und allen Zuschauern höchste Zustimmung erhielt. Dabei formierten sich die Tänzer zu den Initialen der Namen des Kaiserpaars, M und A. Als Abschluß des Balletts tanzten die Helden und „Königinnen“ mit Damen des Publikums. Nun begab sich Merkur wieder auf die Bühne und rief die Helden ins Elysium zurück. Orpheus stimmte einen Lobgesang auf das herrliche Königreich Böhmen an, den die Poeten aufgriffen. Darauf gab der Prospekt zum Klang einer süßen Sinfonia einen noch strahlenderen zweiten Himmel frei, in dem auf einer transparenten Wolke die Ehre (la Gloria) der Casa d’Austria thronte. Sie pries nun die Habsburger, und bald stimmten Homer und Vergil in das Lob Habsburgs und der Moldau ein und gaben der Hoffnung auf Sieg über die Türken, die Einigung der geteilten Monarchie und ewigen Frieden Ausdruck. Schließlich verschwanden die Wolken und gaben die mit Sternen an den Himmel geschriebenen Initialen des Kaiserpaars frei, mit der rudolphinischen Hauskrone der Habsburger verziert.6 467 Den glänzenden Abschluß bildete die | Vereinigung aller sichtbaren und verborgenen Singstimmen („Chori“) und aller Instrumente.7 Das am Ende der Relation stehende Personenverzeichnis gibt die durch Buchstaben auf dem Stich identifizierbaren Mitwirkenden an, wobei Merkur, die Ehre und die Poeten nicht namentlich genannt sind, da sie ja von Sängern dargestellt wurden. Nach Khevenhüllers Bericht wurde die Rolle der Ehre von einer „treff liche[n] Singer= vnd Lautenschlägerin aus dem Kaiserl. Frawenzimmer“ verkörpert,8 die aber sicherlich nicht eine Dame des Hofadels war – ihr Name wäre sonst auch genannt worden –, sondern eben eine Kammermusikerin des Hofstaats, möglicherweise Angela Stampa. Im Gegensatz zu den Berufssängern sind die zwölf Darsteller der Heroen und Königinnen im Libretto namentlich genannt, Barone und Grafen, darunter auch Baron Wilhelm von Slavata, eines der Opfer des Prager Fensterstur5 Auch De’ Cavalieri: Rappresentatione di Anima, et di Corpo, empfiehlt den Einsatz des Echos: „[…] & adornate di echi […].“ 6 Die gleiche Kombination dieser Krone mit diesen Initialen kann man noch heute als Relief auf der Ruine der Prager Kaisermühle im Stadtteil Bubenecˇ sehen. 7 De’ Cavalieri: Rappresentatione di Anima, et di Corpo, fordert für seinen Schluß-Ballo ebenfalls: „Le stanze del ballo siano cantate da tutti dentro & di fuori; & tutti gli stromenti che si può si mettino ne’ ritornelli.“ 8 Auch De’ Cavalieri: Rappresentatione di Anima, et di Corpo, empfiehlt, daß einige seiner Darsteller sich selbst begleiten: „Il Piacere con li due compagni sarà bene che habbiano stromenti in mano suonando mentre loro cantano & si suonino i loro ritornelli. Uno potrà havere un chitarrone, l’altro una chitarrina alla spagnola, […].“

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Die Feste theatralischen Charakters in Prag (1617–1680) zes des folgenden Jahres, der als Ninus an erster Stelle angeführt wird und nach Khevenhüller die Aufführung sogar finanziert hatte. Die übrigen waren Friedrich von Thalemberg, Graf Giovanni Vincenzo d’Arco, Heinrich von Kolowrat, Graf Maximilian von Dietrichstein, David von Zernhaus, Ferdinand von Nomi, Geoni Aclaz von Losenstein, Georg Dietewatz von Losenstein, Burian Kaplirz von Sule, Johann von Vratislav und Georg von Brandis.9 Die Tänzer und Veranstalter der theatralischen Festlichkeit gehörten also dem katholischen, kaisertreuen böhmischen Adel an, während die Musiker sicherlich aus dem Hofstaat des Kaisers kamen und dieser daher vorher seine Zustimmung zu dieser ganz neuartigen Veranstaltung gegeben haben mußte. Als weitere Theateraufführungen bei diesem kaiserlichen Besuch sind zwei von den Jesuiten für Matthias und dessen Hof veranstaltete Dramen zu nennen, die von den Schülern im Clementinum gespielt wurden: Am 24. Februar 1617, | dem 468 60. Geburtstag des Kaisers, eine Allegorie über die Tugenden der Habsburger-­ Dynastie, und am 4. Juli, dem Fest des Heiligen Prokop, Constantinus magnus über einen von den Jesuiten bei Krönungen bevorzugten Stoff. Daneben gab es noch Vorstellungen der englischen Komödiantentruppe von John Green, doch in deutscher Sprache.10 Als etwas über zehn Jahre später Prag vom neuen Kaiser besucht wurde, hatte sich die politische Szene einschneidend verändert: Ferdinand II. bekämpfte den Protestantismus und separatistische Bestrebungen mit allen Mitteln; nach dem Prager Fenstersturz von 1619 war Krieg ausgebrochen, und die Schlacht am Weißen Berg im Folgejahr hatte das Schicksal des Königreichs Böhmen für die nächsten Jahrhunderte besiegelt. Der Anlaß für den kaiserlichen Besuch im Jahr 1627 waren die Krönungen seiner Frau Eleonora Gonzaga und seines Sohns Ferdinand zu Königin und König von Böhmen, was natürlich nur in der Haupt- und Krönungsstadt Prag möglich war. Die Italianisierung des höfischen Kulturlebens war inzwischen nicht nur durch die 1622 vollzogene Hochzeit mit der genannten Prinzessin aus ­Mantua weit fortgeschritten, sondern auch schon vorher vom damaligen Erzherzog ­Ferdinand in Graz betrieben worden, der 1619 seine Hof kapelle nach Wien mitgenommen hatte. 9 Herbert Seifert: „Das erste Musikdrama des Kaiserhofs“. In: Österreichische Musik. Musik in Öster­reich. Beiträge zur Musikgeschichte Mitteleuropas, Theophil Antonicek zum 60. Geburtstag, hg. von Elisabeth Theresia Hilscher (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 34). Tutzing 1998, S. 99–111 [325–338]. – Ders.: „Das erste Libretto des Kaiserhofs“. Studien zur ­M usikwissenschaft 46 (1998), S. 35–75 [339–377]. 10 Otto G. Schindler: „‚Die Wälischen Comedianten sein ja guet …‘. Die Anfänge des italienischen Theaters am Habsburgerhof “. In: Slavnosti a zábavy na dvorech a v rezidencˇních meˇstech ­raného novoveˇku, hg. von Václav Bu˚ žek und Pavel Král (Opera historica 8). Cˇeské Bude˘ jovice 2000, S. 121.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Über die Festlichkeiten und Unterhaltungen während des langen Aufenthalts des Kaiserhofs in Prag – es waren etwa sieben Monate zwischen November 1627 und Juni 1628 – sind wir durch eine Vielzahl von Quellen gut unterrichtet: Zu den Krönungen erschienen gedruckte Berichte, die durch Briefe von Kindern des Kaisers und seiner Frau, von diplomatischen Vertretern und von Schauspielern ergänzt werden; darüber hinaus gibt es noch das Tagebuch eines Dieners eines Abgesandten aus Breslau. Zunächst war es die Schauspielertruppe des berühmten Prinzipals und Dramatikers Giovanni Battista Andreini, die unter der Bezeichnung Comici Fedeli schon seit vielen Jahren reiste und nun in Prag während des ganzen Aufenthalts die Hofgesellschaft und ihre Gäste mit Komödien unterhielt, die besonders die jungen Erzherzoginnen begeisterten. Im Spanischen Saal 11 der Burg war eine 469 Bühne für diese Commedia | dell’arte-Vorstellungen errichtet worden. Die Majestäten folgten ihnen von oben liegenden Fenstern aus, während die Hofdamen und Cavaliere den Saal füllten. Die Kaiserin Eleonora aber ließ ihren Verwandten Don Cesare Gonzaga, Prinz von Guastalla, ein Opernlibretto verfassen und das Pastorale in musica mit dem Titel La Transformatione di Calisto 12 anläßlich der Krönung ihres Stiefsohns Ferdinand III. aufführen. Diesmal ist keine Primärquelle dieser Oper erhalten, nur f lüchtige Berichte. Sie ist sicherlich die erste ihrer Gattung in Prag und wenigstens eine der ersten des Kaiserhofs; vorausgegangen sind ihr möglicherweise 1622 eine in Ödenburg und 1625 eine in Wien, doch sind beide Aufführungen nicht gesichert. Die Handlung ist – wie so viele Stoffe der frühen Oper – Ovids Metamorphosen ­entnommen und behandelt die Fabel von Arkas, der von seinem Vater Zeus im letzten Moment daran gehindert wird, seine in einen Bären verwandelte Mutter Kallisto zu erschießen, worauf Zeus beide als Sternbilder an den Himmel versetzt. Damit waren zwei Intermedien verbunden; in einem „präsentierten“ die vier ­Elemente Zeus ihre Dienste, und im zweiten traten Nacht, Morgenröte und Tag auf. Die Ausführenden waren die kaiserlichen Musiker, darunter auch Sängerinnen. Als Komponisten kommen in erster Linie der Hof kapellmeister Giovanni V ­ alentini und der Tenor Lodovico Bartolaia in Frage, die später nachweislich ­Musikdramen vertont haben. Aus einem Vergleich der Berichte ergibt sich, daß die Bühne für diese Oper im „(königlichen) großen (Hof-)Saal“ aufgerichtet war, dem größten Raum der Burg, also dem langgestreckten spätgotischen Wladislaw-Saal 11 Die Quellen nennen als Spielorte den von Kaiser Rudolph erbauten Saal bzw. den neuen (Schloß-) Saal und den Spanischen Saal, was wohl alles Bezeichnungen für letzteren waren, der von Rudolph II. ausgebaut worden war und dessen Abmessungen 48 × 24 m bei 12 m Höhe betragen. Vgl. Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zu Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 418. 12 Schindler: „‚Die Wälischen Comedianten sein ja guet …‘. Die Anfänge des italienischen Theaters am Habsburgerhof “, S. 134, Anm. 89.

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Die Feste theatralischen Charakters in Prag (1617–1680) mit seinen Abmessungen 62 m Länge, 16 m Breite und einer bis 13 m reichenden Höhe. Im Advent scheinen die Komödien pausiert zu haben, wurden aber sofort nach Weihnachten wieder aufgenommen, offenbar nicht mehr im Spanischen Saal, sondern in der kleineren Landstube, im Karneval fast täglich.13 Zu den Italienern kam nun auch eine englische Wandertruppe, die aber den Erzherzoginnen wesentlich weniger gefiel als die Fedeli, wie wir aus ihren Briefen erfahren. In der Fastenzeit wurde natürlich nicht gespielt, doch im Mai 1628 gab es wieder Aufführungen, vor allem vor dem besuchenden Groß|herzog Ferdinando I. de’ Medici und sei- 470 nem Bruder Giovanni Carlo.14 Auch diesmal spielten die Jesuiten Theater, etwa am Fest des Heiligen Nikolaus, am 6. Dezember 1627, mit einem in Anwesenheit der kaiser­l ichen Familie gespielten Drama, über das die Erzherzogin Caecilia Renata in einem Brief schrieb: „[…] welliche 5 stund wird werden; ich fürcht wol es werde mihr die weil gar lang der bey sein“ 15. Als sich der Hof von Ferdinand III., der seinem Vater 1637 als Kaiser gefolgt war, knapp vor seiner zweiten Hochzeit mit Erzherzogin Maria Leopoldine von Tirol 1648 auch in Prag auf hielt, wurde eine Oper mit Musik von Felice Sances für die Festlichkeiten vorbereitet, I Trionfi d’Amore. Eine Aufführung fand aber weder hier noch bei der Vermählung in Linz statt, und wahrscheinlich auch nicht bei dem folgenden Aufenthalt in Preßburg. Was in der Literatur über dieses Werk als Prager Oper zu finden ist, beruht auf einer eindeutigen Fehlinterpretation eines italienischen Vermerks im handschriftlichen Libretto.16 Kaiser Leopold I. verlegte seine Residenz nur für kurze Zeit nach Prag, als er vor der in Wien wütenden Pest f loh, die dem Hof aber folgte und ihn nach Linz ­weitertrieb. So finden wir die auch sonst üblichen Feste des Kaiserhofs von ­November 1679 bis April 1680 in Prag. Das war zunächst eine Serenata zum Geburtstag der Kaiserin Witwe Eleonora Gonzaga am 18. November, dann eine kleine Oper zu dem der regierenden Kaiserin am 11. Jänner und die große Faschings­oper La ­P atienza di Socrate con due Mogli von Nicolò Minato mit Musik von ­Antonio ­Draghi am 29. Februar und 2. März, beide mit der Ballettmusik vom neu ernannten Hof kapellmeister Johann Heinrich Schmelzer im größeren Saal des Ballhauses aufgeführt, der zum Theater umgebaut worden war, natürlich vom Hofarchitekten Lodovico Ottavio Burnacini, der auch die fünf Szenenbilder entworfen hatte.17 Dabei handelte es sich wahrscheinlich nicht um das langgestreckte, teils offene Ballhaus im König13 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 433. 14 Dazu ausführlich Schindler: „‚Die Wälischen Comedianten sein ja guet …‘. Die Anfänge des italienischen Theaters am Habsburgerhof “, S. 107–136. 15 Ebenda, S. 132. 16 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 39 f. 17 Ebenda, S. 88–90.

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lichen Garten, sondern um das kleinere, westlich davon gegenüber der ­Reitschule gelegene. Dieser Saal hatte etwa die Dimensionen von 30 × 14 m.18 Wenn | man dem Bericht des venezianischen Botschafters glauben kann, kamen zumindest zur Oper im Jänner mehr als zweitausend Personen, weshalb man dem Kaiser auch wegen der Pestgefahr von der öffentlichen Aufführung abriet, doch vergeblich. Daneben gab es auch kleinere Faschingsunterhaltungen wie eine Serenata von Schmelzer, der bald darauf der Pest zum Opfer fallen sollte, und zwei von Italienern gespielte Dramen. Der letzte Abend des Karnevals wurde im Wladislaw-Saal mit einem vom Kaiserpaar, einer Erzherzogin, dem Prinzen Ludwig Anton von Pfalz-Neuburg und Damen und Herren des Adels ausgeführten Ballett (oder Gesellschaftstanz) begangen, die sich zu der traditionellen „Wirtschaft“ kostümiert hatten, bei der Kaiser und Kaiserin als Wirtsleute auftraten und Gäste der verschiedensten Berufe und Nationen traktierten.19 In der Fastenzeit vor der Karwoche wurden mindestens neun Oratorien in der Kapelle der Kaiserin Witwe Eleonora, der Allerheiligenkapelle,20 gesungen, zwei davon mit Musik von Leopold I., die meisten von Draghi, darunter auch eines mit dem Titel S. Wencesclao als einziges Werk mit inhaltlicher Beziehung zu ­B öhmen. Am Gründonnerstag gab es am selben Ort das traditionelle Sepolcro, vor dem ­Heiligen Grab in Kostümen szenisch dargestellt, und in der Karfreitagsnacht das Pendant mit einem Hintergrundprospekt in der Kapelle des Kaisers, von ihm selbst in Musik gesetzt. 21 Von Minato wurden diese Dichtungen, die in einer anderen Tradition als die Oratorien stehen, als „Rappresentazioni sacre“ bezeichnet. ­Wenige Wochen danach brach der Kaiser mit Familie und Hof in Richtung Linz auf und beendete diese Prager Stagione, die durch die Flucht vor der Pest bedingt war und, nachdem die Seuche gefolgt war, wieder abgebrochen wurde. Auch das Prager Jesuitenkollegium beteiligte sich am Faschingsonntag, dem 3. März 1680, mit einer Aufführung für die Hofgesellschaft. Es war das „Melodrama“, also zumindest mit großem Musikanteil versehene, wenn nicht überhaupt durchkomponierte Bonae et malae educationis typus Venceslaus et Boleslaus fratres anläßlich der Hundertjahrfeier des St. Wenzels-Seminars. 22

18 Marc Niubò: „Le cappelle imperiali e la stagione praghese 1679–80“. In: „Quel novo Cario, quel divin Orfeo“. Antonio Draghi da Rimini a Vienna. Atti del convegno internazionale. Rimini, 1998, hg. von Emilio Sala und Davide Daolmi. Lucca 2000, S. 295–298. 19 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 498. 20 Niubò: „Le cappelle imperiali e la stagione praghese 1679–80“, S. 299–301. 21 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 498–500. 22 Herbert Seifert: „Die Prager Jesuitendramen zur Zeit Zelenkas“. In: Zelenka-Studien II, zusammengestellt und redigiert von Wolfgang Reich, hg. von Günter Gattermann (Deutsche Musik im Osten 12). Sankt Augustin 1997, S. 393 [863 f.].

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Abb. 6: Plan der Prager Burg mit Detailansichten der Kapelle Leopolds I. (aus Niubò: „Capelle“, S. 300). 1: Landstube, 2: Wladislaw-Saal, 3: Spanischer Saal, 4: Ballhaus (Theater), 5: Kapelle Eleonoras II. (Allerheiligenkapelle), 6–8: Kaiserliche Kapelle.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof

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Damit sind die unter Beteiligung des Kaiserhofs während seiner Aufenthalte in Prag im 17. Jahrhundert gehaltenen Feste dramatischen Charakters im Überblick gestreift. Dabei hat sich gezeigt, daß gerade zu Beginn der behandelten Periode, also 1617 und 1627, ganz neue, moderne Genres gewählt wurden, wie dann etwa auch in den 1640er und 1650er Jahren in Regensburg, da offenbar außerhalb der eigentlichen Residenz eine größere Öffentlichkeit angesprochen werden konnte und damit eine stärkere Resonanz auf die kulturelle Repräsentation gesichert war.

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Habsburgs Krönungsopern * Opern wurden seit etwa 1590 in Italien aufgeführt, wo es zu dieser Zeit und noch Jahrhunderte danach keine Krönungen gab. Da Mozart seine Clemenza di Tito für die Krönung eines Habsburgers komponierte, sollen hier Opern betrachtet ­werden, die anlässlich von Krönungen von Habsburgern oder deren Ehepartnern verfasst wurden, und zwar meist zu Königen oder Königinnen der von ihnen regierten Reiche Ungarn und Böhmen. Schon bald wurden vollständig gesungene italienische Musikdramen auch diesseits der Alpen gespielt, zuerst in Salzburg unter der Herrschaft von Fürsterzbischof Marcus Sitticus von Hohenems zwischen 1614 und 1619, aber auch schon am Hof von Kaiser Matthias, als er sich 1617 längere Zeit in Prag auf hielt. Sein Nach­ folger Ferdinand II. heiratete 1622 Eleonora Gonzaga aus Mantua, die dort Opern miterlebt hatte, vor allem Claudio Monteverdis Orfeo. Sie zog auch Künstler aus ihrer Heimat nach Wien, etwa den opernerfahrenen Tenor Francesco Campagnolo, der schon am Salzburger Hof mitgewirkt hatte. Als nun das Kaiserpaar im Sommer 1622 beim ungarischen Landtag in Ödenburg/Sopron weilte, ließ man die Stephanskrone holen und die neue Kaiserin am 26. Juli zur Königin von Ungarn krönen. Für den nächsten Tag war eine „Commedia in musica“ angesagt, die man mit hoher Wahrscheinlichkeit als Oper deuten kann. Außer dem Mantuaner Tenor Campagnolo und den Musikern des Kaisers – zum Großteil Italiener – war auch der Florentiner Architekt Giovanni Pieroni zur Stelle und wahrscheinlich an dieser wohl ersten Krönungsoper beteiligt, als deren Librettist Graf Giovanni Sforza Porcia namhaft gemacht werden kann. Etwas besser sind wir über die Oper informiert, die fünf Jahre später im Prager Hradschin über die im Wladislaw-Saal errichtete Bühne ging. Die inzwischen auch dort zur Königin gekrönte Eleonora ließ am 27. November 1627, zwei Tage nach der Krönung ihres Stiefsohns Ferdinand III. zum König von Böhmen, das „Pastorale in musica“ La Transformatione di Calisto von den kaiserlichen Musikern * Zuerst erschienen in: Programmbuch der Wiener Staatsoper zu Wolfgang Amadeus Mozart, La ­Clemenza di Tito, Spielzeit 2011/2012. Wien: Wiener Staatsoper 2012, S. 85–91. Literatur: ­Claudia Böhm: Theatralia anlässlich der Krönungen in der österreichischen Linie der Casa d’Austria (1627– 1764). Maschr. Diss. Universität Wien 1986. – Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985. – Ders.: „Die musikalischen Früchte dynastischer und diplomatischer Beziehungen der ­Habsburger zu Italien von Kaiser Matthias bis zu Karl VI.“ In: Le corti come luogo di comunicazione. Gli ­A sburgo e l’Italia (seocli XVI–XIX) / Höfe als Orte der Kommunikation. Die Habsburger und Italien (16. bis 19. Jahrhundert), hg. von Marco Bellabarba und Jan Paul Niederkorn (Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento, Contributi 24 / Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts in Trient, Beiträge 24). Bologna, Berlin 2010, S. 195–214 [685–701].

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II. Oper am Wiener Kaiserhof und Musikerinnen aufführen. Das Libretto war von Don Cesare Gonzaga, Prinz von Guastalla, einem Verwandten der Kaiserin, die Bühnenbilder und Maschinen zu der dreiaktigen Oper mit zwei Intermedien wieder von Giovanni Pieroni. Als Komponisten kommen der kaiserliche Hof kapellmeister Giovanni Valentini oder der Tenor Lodovico Bartolaia in Frage. Nach Ungarn und Böhmen waren aber auch deutsche Städte Schauplätze von ­Musikdramen im Umkreis von Krönungen der Thronfolger zu Römischen ­Königen, so Anfang 1637 Regensburg, wo beim Reichstag Ferdinand III. und ­seine Frau Maria gekrönt wurden. Danach, am 4. Jänner, wurde im Rathaus eine szenische Einleitung zu einem Ballett gesungen, deren Text von dem Theologieprofessor und Kaplan der Kaiserin Valeriano Bonvicino stammte; der Komponist wird auch diesmal nicht genannt. Es handelte sich um eine rein allegorische Darstellung, in der die Erbländer dem neuen König huldigten und die in ein Ballett der Erz­herzogin Caecilia Renata mit 19 Hofdamen mündete. Glänzende Kostüme und Dekorationen sowie Bühnenmaschinen putzten die sonst eher bescheidene Darbietung auf; immerhin saßen ja die Kurfürsten im Publikum. Die nächste Gelegenheit, den Fürsten, Adeligen und Botschaftern die kulturelle und finanzielle Leistungsfähigkeit des Kaisers repräsentativ vorzuführen, ergab sich schon nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, beim Reichstag in Regensburg 1653. Gekrönt wurden im Juni Erzherzog Ferdinand IV. und im August die zweite Frau Kaiser Ferdinands III., eine weitere Gonzaga-Prinzessin Eleonora. Die Oper bei diesem Aufenthalt des Hofs wurde aber schon zum Ende des ­Faschings aufgeführt und war – diesmal ohne politische Allusionen – ganz nach dem damals hochmodernen venezianischen Schema von Liebesintrigen gebaut, hieß auch L’Inganno d’Amore und war von Benedetto Ferrari gedichtet, der 1637 an der Eröffnung des ersten kommerziellen Operntheaters in Venedig beteiligt gewesen war. Von dort war auch der Bühnenarchitekt Giovanni Burnacini engagiert worden, der für diesen Zweck ein hölzernes Theater bauen ließ, sechs verschiedene Szenendekorationen entwarf und für erstaunliche Maschineneffekte sorgte, die im Zentrum des Publikumsinteresses standen. Die wieder nur am Rande rezipierte Musik hatte der kaiserliche Hof kapellmeister Antonio Bertali komponiert, die Ballette der langjährige Hoftanzmeister Santo Ventura choreographiert. Bei dieser und den meisten weiteren der hier genannten Opern ist es diskutabel, ob man sie als „Krönungsopern“ ansehen kann; immerhin wurden sie im zeitlichen Umkreis von Krönungen den zu diesem Anlass anwesenden, politisch bedeutenden Personen vorgeführt. So war das auch, als die dritte Frau Kaiser Leopolds I., Eleonore Magdalena Theresia, 1681 beim ungarischen Landtag – wieder in Ödenburg – zur ungarischen Königin gekrönt werden sollte. In die Zeit der Anwesenheit des Herrscherpaars fiel diesmal der Namenstag Leopolds, der 15. November. An diesem wurde L’Albero dal Ramo d’Oro gespielt, ein allegorisches Drama, in dem Siege des Kaisers über sei300

Habsburgs Krönungsopern ne Feinde und die bevorstehende, aber noch nicht gesicherte Krönung vorhergesagt wurden, die dann wenige Wochen später stattfand. Wie so oft war die kleine Oper als Balletteinleitung deklariert; ihre Autoren waren der Hofpoet Nicolò Minato und der Hofkapellmeister Antonio Draghi sowie der Ballettkomponist Anton ­Andreas Schmelzer. Das Ballett führten die Erzherzogin Maria Antonia und Hofdamen aus. Der nächste ungarische Landtag fand 1687/1688 in Preßburg/Bratislava statt und brachte dem erst neunjährigen Thronfolger Joseph am 9. Dezember die Stephans­ krone ein. Diesmal fielen sogar zwei Familienfeste in die Aufenthaltszeit des Hofs in Ungarn, wieder der kaiserliche Namenstag und der Geburtstag der Kaiserin. Zum ersten gab es wieder eine allegorische Balletteinleitung mit politischer Handlung, La Fama addormentata e risvegliata, vom gleichen Leading Team wie acht ­Jahre zuvor kreiert, diesmal noch erweitert um den Bühnenbildner Lodovico ­Ottavio Burnacini, der ins Palais der Grafen Pálffy zwei Szenenbilder gebaut hatte. Im Schlussballett tanzten wieder eine Tochter des Kaisers und adelige Damen und Herren. Der Geburtstag der Kaiserin (6. Jänner) wurde mit einiger Verspätung im selben Palais durch die „Festa musicale“ Il Marito ama più gefeiert. Wie bei so v­ ielen anderen Opern seines Hofs hatte sich Kaiser Leopold selbst mit einigen ­Stücken an der Komposition beteiligt. Die Handlung über ein liebendes Ehepaar ist diesmal der römischen Geschichtsschreibung entnommen, doch die abschließende „Licenza“, die wie immer eine Brücke zwischen der Oper und der Huldigung an die zu ehrende Person herstellt, wird von allegorischen Personifikationen gesungen. Hier wird der neue ungarische König als junger Herkules angesprochen, als der er auch im folgenden Ballett auftritt. Zwei Jahre danach, 1689/1690, ließ ihn Leopold I. vorsorglich von den Kurfürsten in Augsburg zum Römischen König wählen und am 26. Jänner 1690 krönen. Auf dieses bevorstehende Ereignis spielt in eindeutiger Weise wieder die Oper zum kaiserlichen Namenstag an. In einem Saal des Fuggerischen Hauses stellten die kaiserlichen Musiker Il Telemaco, overo Il Valore coronato auf die Bühne; die Krönung wird also diesmal sogar im Titel angesprochen. Der kaiserliche Kammerherr ­Ottavio Malvezzi hatte ein Libretto verfasst, das die politische Lage der Zeit und die Person des jungen Thronfolgers durch die Geschichte der Heimkehr des Odysseus und die dabei von dessen Sohn Telemach gespielte Rolle darstellt. König Ludwig XIV., mit dem der Kaiser wieder einmal im Krieg lag und der die Wahl Josephs gerne verhindert hätte, kommt hier besonders schlecht weg, als einer der Freier um Penelope – die hier allegorisch für das Deutsche Reich steht – und in der Licenza als Inganno (Betrug). Als Höhepunkt tritt der Kronprinz selbst auf, besteigt einen Thron und tanzt wieder im Ballett mit dem Herzog von Württemberg und vier weiteren Herren des Hochadels. Der im Jänner 1690 gefeierte Geburtstag seiner Mutter sollte nun nach Jahrzehnten endlich wieder eine große, dreiaktige Oper im Umfeld einer Krönung auf die 301

II. Oper am Wiener Kaiserhof Bühne stellen, die von Burnacini mit fünf Bühnenbildern in das Fuggerische Haus in Augsburg gebaut wurde. La Regina de’ Volsci, von dem eingespielten Wiener Opernteam (Minato, Draghi, Schmelzer, Tanzmeister Domenico Ventura) samt dem mitkomponierenden Kaiser in exzeptioneller Qualität geschaffen, war für die Repräsentation der kaiserlichen Hofoper vor dem auswärtigen Publikum vorzüglich geeignet. Und wenn am Ende der Oper der Chor Vivat-Rufe für den neuen König (der Handlung) anstimmt, wird die Beziehung zur Krönung Josephs I. deutlich, der nach der Licenza im Schlussballett wieder mit dem württembergischen Herzog Castor und Pollux darstellte. Nachdem dieser Thronfolger schon nach kurzer Herrschaft 1711 gestorben war, wurde sein Bruder Karl VI. Kaiser. Im September 1723 wurde er zusammen mit seiner Frau Elisabeth Christine in Prag zum böhmischen Königspaar gekrönt. Wieder war es ein Geburtstag der Kaiserin in der Woche davor, der den direkten Anlass diesmal für eine Opernaufführung der Superlativen bot: Costanza e Fortezza vom Hofpoeten Pietro Pariati und dem Hof kapellmeister Johann Joseph Fux verfasst und von Giuseppe Galli Bibiena in ein prächtiges Freilichttheater auf dem Hradschin gestellt. Zu dem auch sonst für große Opern zuständigen Team gehörten noch die Tanzmeister Pietro Simon Levassori della Motta und Alexandre Phillebois und der Ballettkomponist Nicola Matteis. Die dreiaktige „Festa teatrale“ dauerte fünf Stunden und wurde von 100 Sängern – darunter neun Solisten – und angeblich über 200 Instrumentalisten bestritten, von denen viele aus Prager Kirchen- oder Adelskapellen kamen, aber auch aus Deutschland angereist waren, wie Johann Joachim Quantz, Carl Heinrich Graun und Silvius Leopold Weiss. Der Hofdichter Apostolo Zeno schätzte die Zahl der Zuschauer auf 4.000. Hinter dem Titel, der den Wahlspruch Karls VI. wiedergibt, verbirgt sich wieder einmal ein Plot aus der römischen Geschichte: Rom wird von den Etruskern belagert. Im symbolisch angedeuteten Hintergrund steht der längst beendete Spanische Erbfolgekrieg, die Etrusker stehen für die Franzosen, ihr König Porsenna für den verstorbenen Ludwig XIV. und der Anwärter auf die Herrschaft von Rom, ­Tarquinio, für Philipp d’Anjou, längst König von Spanien. Der weise römische Senator Publius Valerius Publicola ist Bühnenrepräsentant für den Kaiser. Damit hinkt die politische Botschaft dieser Oper der Realität weit nach, ist aber bezeichnend für die Geisteshaltung Karls VI., der sich noch immer als rechtmäßigen spanischen König sah. Urteilt man aber nach dem Aufsehen und der Resonanz, war Costanza e Fortezza sicherlich die bedeutendste habsburgische Krönungsoper. Sie wurde nur einmal wiederholt, vier Tage nach der Premiere. Als Maria Theresia 1741 in Preßburg zur Königin von Ungarn gekrönt wurde, gastierte die Operntruppe von Pietro Mingotti in der Stadt und spielte unter anderem Alessandro nell’Indie von Pietro Metastasio mit der Musik von Johann Adolph Hasse, allerdings ohne direkte Beziehung zur Krönung. In solchen Fällen kann 302

Habsburgs Krönungsopern also nicht von „Krönungsopern“ die Rede sein, besonders da die Königin sie nicht besuchte; ebenso war es 1745, als Franz Stephan von Lothringen in Frankfurt zum Kaiser gekrönt wurde und die Mingotti-Truppe zwölf Aufführungen zeigte. 1743 allerdings, zur böhmischen Krönung Maria Theresias in Prag, ließ diese den Pächter des Wiener Hoftheaters, Joseph Carl Selliers, mit seiner Truppe dort mehrere Opernaufführungen geben. Am Krönungstag konnte das sonst zahlende Publikum bei freiem Eintritt Semiramide riconosciuta besuchen und sich an der Anwesenheit der Königin erfreuen. Diese Oper war die Bearbeitung eines Librettos von Pietro Mestastasio mit Musik mehrerer nicht genannter Komponisten. Nachdem Kaiser Joseph II. von seiner Krönung in Frankfurt nach Wien zurückgekehrt war, wurde ihm am 24. April 1764 im neuen Burgtheater die aus diesem Anlass geschaffene Serenata Egeria von Metastasio und Hasse geboten, in der auch die Götter den neuen Kaiser als den Besten krönen. Das Publikum hatte auch diesmal freien Eintritt. Mit vollem Recht kann jedenfalls auch Mozarts Opera seria La Clemenza di Tito als Krönungsoper bezeichnet werden, da ihre Aufführung im Prager Nationaltheater ausschließlich zur Feier der Krönung von Kaiser Leopold II. zum König von Böhmen stattfand, und zwar am Abend des Krönungstags. Der Auftrag dazu kam diesmal aber nicht vom kaiserlichen Hof selbst, sondern von den böhmischen Ständen, und die Ausführenden waren nicht Hofmusiker, sondern vom Leiter des Prager Theaters, Domenico Guardasoni, verpf lichtet worden. So schließt sich also der Kreis: Zu Beginn, 1622 und 1627, waren die Opern direkt für die Krönungen bestimmt, dann folgen zahlreiche Aufführungen in deren zeitlichem Umkreis und meist auch mit inhaltlichen Allusionen auf sie, doch aus einem anderen traditionellen Anlass – Namens- und Geburtstage oder Fasching – gewohnheitsmäßig angesetzt, und erst gegen Ende des Berichtszeitraums gibt es wieder einzelne nur zur Feier der großen kirchlichen Zeremonie geschaffene Opern.

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Die Habsburger und Oberösterreich im Barock Musicalia, Theatralia und Personalia* Pier Maria Cecchini zählt zu den bedeutendsten Repräsentanten der Commedia dell’arte, des italienischen Stegreiftheaters mit den bekannten Typen und natürlich mit Musik. Er war Leiter der Truppe Comici Accesi, die meist unter der Patronanz des Herzogs von Mantua stand. Sie war 1601 und 1608 am französischen Königshof aufgetreten, in den Karnevalen 1613 und 1614 in Venedig, und im Juli 1614 gastierte sie in Brescia. Von dort schrieb der Prinzipal Cecchini an den Marchese Bentivoglio nach Ferrara, dass er ein diesem zugesagtes Gastspiel absagen müsse, da ihn Kaiser Matthias nach Linz beordert habe. Dieser war mit seinem Hofstaat – darunter auch die gesamte Hof kapelle1 – schon im Oktober des Vorjahrs dort eingetroffen, vom Reichstag in Regensburg kommend, und hatte für August 1614 einen österreichischen Generalkonvent angesetzt. Am 7. August traf Cecchini mit seiner Truppe in Innsbruck ein, wo der schon nach Linz abgereiste Erzherzog Maximilian II. Order hinterlassen hatte, die 25 Komödianten („darunter etliche Weibsbilder“) weiterzuleiten. Sie fuhren also mit zwei bereitgestellten Schiffen auf Inn und Donau bis Linz, traten dort bis Anfang Oktober auf und folgten dem Hof dann nach Wien, wo sie noch bis November spielten. Der Kaiser vergütete ihnen die Reisekosten und ließ sie verköstigen, wofür bis zum Ende des Linzer Aufenthalts 2.279 Gulden anfielen, davon 314 Gulden allein für Wein. Als sie heimreisten, erhielten sie 2.000 Gulden für ihre Dienste, zuzüglich 500 Gulden „Verehrung“ und 500 Gulden Reisekosten. Eine ungewöhn|liche Ehrung stellte 74 auch die Erhebung des Prinzipals Cecchini in den Adelsstand durch Matthias am 12. November 1614 dar. 2 Im Mai 1636 brach Kaiser Ferdinand II. von Wien in Richtung Regensburg auf, wo er seinen ältesten Sohn, der schon zum König von Ungarn und von Böhmen gekrönt worden war, durch die Kurfürsten zum Römischen König und damit zu seinem Nachfolger auf dem Kaiserthron wählen lassen wollte. Am 28. Mai empfingen ihn die oberösterreichischen Landstände in Linz, wo er sich fast zwei Monate

* Zuerst erschienen in: Streifzüge 1. Beiträge zur oberösterreichischen Musikgeschichte, hg. vom Ober­ österreichischen Volksliedwerk/Volksliedarchiv durch Klaus Petermayr und Erich W ­ olfgang Partsch (Oberösterreichische Schriften zur Volksmusik 5). Linz 2007, S. 73–87. 1 Othmar Wessely: „Linz und die Musik“. Jahrbuch der Stadt Linz 1950 (1951), S. 139. 2 Otto G. Schindler: „‚Mio compadre Imperatore‘. Comici dell’arte an den Höfen der Habsburger“, Maske und Kothurn 38 (1997), S. 42–45.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof lang auf hielt, bevor er über Wels weiterreiste. Am 21. Juni, dem 45. Todestag des damals erst selig gesprochenen, dann seit 1726 heiligen Jesuiten Luigi Gonzaga, besuchte er mit seiner Gemahlin, Eleonora aus dem Geschlecht der Gonzaga, und der Erzherzogin Caecilia Renata das Linzer Jesuitenkolleg, wo von den Gymnasiasten das Drama S. Aloysius über diesen Verwandten der Kaiserin gespielt wurde. Über die nicht erhaltene Musik kann man dem Text Folgendes entnehmen: Im ersten Akt singen Faune ein Preislied auf die Kaiserin; Musik und Gesang eines schönen Jünglings sollen Luigi betören, doch da erscheint Maria mit zwei Engeln und wendet die Versuchung durch zarte Lieder ab, die ihn in den Schlaf singen; im zweiten Akt wird er in der Kunst des Singens, des Flöten- und des Leierspiels unterwiesen; der letzte Akt schließt mit einem Engelschor. 3 Mitte 1645 brach in Wien die Pest aus. Kaiser Ferdinand III. verlegte seinen Hof deshalb nach Linz. Am 8. Jänner 1646 unterzeichnete der Hof kapellmeister ­Giovanni Valentini dort seine Widmung der Sammlung geistlicher Lyrik Rime ­s acre an den Kaiser.4 Dessen Stiefmutter und Witwe seines Vaters Ferdinand II., ­Eleonora ­Gonzaga, residierte inzwischen in Steyr. Sie hatte schon über zwei Jahrzehnte zuvor zur Einführung von Oper und Ballett am Kaiserhof wesentlich beigetragen und bot dem Kaiser, der sie im Jänner und Februar 1646 besuchte, auch solche Unterhaltungen: Zwischen 13. und 16. Jänner hielt er sich in der Stadt auf und nahm an einer Jagd und an einem Ball der Bürger teil, die ihm ein Drama – wohl in deutscher Sprache – vorspielten. Eleonoras Hofdamen tanzten bei dieser Gelegenheit ein Ballett. 5 Diese traten etwa vier Wochen danach bei einem neuerlichen, nur zwei Tage dauernden Besuch Ferdinands bei Eleonora in Steyr zusammen mit der Herzogin Claudia von Lothringen bei einem nicht näher gekennzeichneten Fest auf, das wir uns wohl wieder als Ballett vorstellen können. Da die Kaiserin Witwe sehr wahrscheinlich in der Burg residierte, wird ein Saal in diesem erst nach einem Brand im 18. Jahrhundert zum Schloss Lamberg umgestalteten Gebäude der Schauplatz dieser Darbietungen gewesen sein.6 Am 1. Februar 1646 schrieb der Kaiser aus Linz an seinen Bruder, den Generalissimus der kaiserlichen Streitkräfte Erzherzog Leopold Wilhelm:

3 Albert Sturm: Theatergeschichte Österreichs. Bd. 1/1. Theatergeschichte Oberösterreichs im 16. und 17. Jahrhundert. Wien 1964, S. 98. – Josef Fröhler: „Überlieferte Linzer Jesuitendramen“. Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1957 (1957), S. 78–81. – Herbert Seifert: „Ordenstheater in Ober­ österreich“. In: Bruckner-Symposion 1990. Musikstadt Linz – Musikland Oberösterreich. Bericht. Linz 1993, S. 206 [847]. 4 Theophil Antonicek: „Musik und italienische Poesie am Hofe Kaiser Ferdinands III.“ Mitteilungen der Kommission für Musikforschung 42 (1990), S. 7. 5 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 420, 440, 631. 6 Ebenda, S. 420, 440, 631 f.

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Die Habsburger und Oberösterreich im Barock „E[uer] L[iebden] dramma gefellt mir gar wol[.] Morgen will ich des Valentini Judicium darieber vnnd ob ers Componirn will hern[.] E[uer] L[iebden] vbrige vers so sie mir nach vnd nach geschickht haben lobt er gar sehr et merito er mechte aber gern wissen wie seine musicalische Compositiones E[uer] L[iebden] gefallen haben Perche – altrimente dice si perdera d’animo[.] Ich hab ein fasten Mutetl componirt, a un Tenor e Contralto, ich hoffe es solle gar anmiethig sein[.] Ich habs ganz in freta in wenig Zeit gemacht, mit negsten schickhe ichs E[uer] L[iebden] aber den Contralt wirdt […] der Crobatl singen missen.“ 7

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König Philipp IV. von Spanien ernannte im September dieses Jahres 1646 diesen Erzherzog Leopold Wilhelm zum Statthalter der Spanischen Niederlande. Dieser brach im Februar 1647 von Wien in Richtung Brüssel auf.8 Auf dieser Reise machte er auch in Linz Station, wo der in kaiserlichen Diensten stehende „Notist“ (Notenkopist) Georg Moser d. J. „musicalische Bücher“ für ihn kopierte; er erhielt dafür am 24. Februar 20 Gulden.9 Mosers gleichnamiger älterer Bruder, in der gleichen Funktion am Kaiserhof bedienstet, erhielt zwischen 1646 und 1650 von Erzherzog Leopold Wilhelm wesentlich höhere Summen, nämlich insgesamt weit über 1000 Gulden, für das Kopieren großer musikalischer Kirchenbücher, die dieser sicherlich für das liturgische Musizieren seiner Hof kapelle in Brüssel bestellt hatte.10 Maria, die erste Frau Kaiser Ferdinands III., starb nach 15 Jahren Ehe im Jahr 1646. Für die Thronfolge war gesorgt, denn die Söhne Ferdinand und Leopold hatten das damals so gefährliche Säuglings- und Kleinkindalter überlebt. Dennoch entschloss sich der nach zweijähriger Wartezeit 40jährige Regent, ein zweites Mal zu heiraten, und zwar eine Cousine aus dem in Tirol regierenden Zweig der Habsburger, die um 24 Jahre jüngere Erzherzogin Maria Leopoldine. Als Hauptfestlichkeit bestellte der Kaiser bei Felice Sances, einem schon als Komponist hervorgetretenen Tenor der Hof kapelle, die Vertonung der fünfaktigen Oper I Trionfi d’Amore von einem unbekannten Librettisten. Kaiser und Hofstaat hielten sich vor der Hochzeit in Prag auf, wo schon die Rollen verteilt und die­

7 Faksimile bei Steven Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of Ferdinand II (1615–1637): the Latin vocal works of Giovanni Priuli and Giovanni Valentini. Phil. Diss. University of Pittsburgh 1990, S. 467. Siehe auch die Edition des Großteils dieser Stelle bei Antonicek: „Musik und italienische Poesie am Hofe Kaiser Ferdinands III.“, S. 1. 8 Renate Schreiber: „ein galeria nach meinem humor“. Erzherzog Leopold Wilhelm (Schriften des Kunsthistorischen Museums 8). Wien 2004, S. 69. 9 Herwig Knaus: „Beiträge zur Geschichte der Hofmusikkapelle des Erzherzogs Leopold ­Wilhelm“. In: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 103 (Mitteilungen der Kommission für Musikforschung 17). Wien 1966, S. 147. 10 Ebenda, S. 150, 152, 154 ff.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Aufführung vorbereitet wurden, die dann in Linz nach den am 2. Juli 1648 dort gefeierten Hochzeitszeremonien über die Bühne gehen sollte, jedoch abgesagt werden musste. Der Grund dafür war wohl die Hoftrauer für den am 10. Mai verstorbenen König von Polen und Schwager Ferdinands III., Władysław IV. So wäre Linz nur beinahe zu einer sehr frühen Opernaufführung gekommen. Nun plante man, die Oper in Preßburg aufzuführen, wo sich das Kaiserpaar dann von Ende März bis Anfang Juni 1649 auf hielt. Da aber die Mutter der jungen Maria ­L eopoldine, die Erzherzogin Claudia aus dem Florentiner Geschlecht der Medici, am Weihnachtstag des Jahres 1648 starb, ging die wohl nur durch die Konvention erzwungene Trauer in eine wahrscheinlich echte über, was die Aufführung offenbar ver­h inderte. Denn von diesem Werk gibt es nur ein handschriftliches Textbuch, und keiner der Berichte vom Kaiserhof spricht zu dieser Zeit von einer Festlichkeit dieser Art. 76 Immerhin kann man dem Text entnehmen, was geplant war. Die Haupthandlung wird durch die Begegnung von Odysseus mit Kirke gebildet. Die Fünfaktigkeit weist zu dieser Zeit, als drei Akte bereits dominierten, wohl auf den besonderen Anlass hin. Den rezitativischen Prolog singen Amore und Venere, seine Mutter, die das Werk auch mit der Licenza beschließen, an deren Ende ein dem Kaiserpaar huldigendes Duett mit Schlußchor steht. Auch die Aktschlüsse werden zum größeren Teil durch Duette gebildet, nur einmal durch eine Arie und einmal durch ein größeres Ensemble.11 Anlässlich der Erbhuldigung an den als Thronfolger ausersehenen und schon zum König von Böhmen und Ungarn gekrönten Erzherzog Ferdinand IV. – er starb vor seinem Vater 1654 20jährig an den Pocken – war die Hof kapelle im Juni 1652 wieder in Linz und bestritt die Tafelmusik im Schloss ebenso wie ein Te Deum in der Schlosskapelle und den Festgottesdienst in der Stadtpfarrkirche.12 Nach dem Tod Ferdinands IV. musste sein 1640 geborener jüngerer Bruder L ­ eopold die Thronfolge übernehmen. Er wurde im Juli/August 1658 in Frankfurt zum Kaiser gewählt und gekrönt und nahm auf der Rückreise in Linz im August die Erbhuldigung entgegen. Für diese Gelegenheit hatten die Landstände „auß allen Clöstern und Stätten die erfahrnste Musicos zvsamen Beschriben“, da die kaiserlichen Kapellmusiker offenbar nicht mit dem Kaiser gereist waren – wie die Listen der Begleitung Leopolds in Frankfurt zeigen –, sondern in Wien geblieben waren und ihm erst nach Linz entgegen kamen. Zumindest lässt sich eine Eintragung in den Hofzeremonialprotokollen so interpretieren.13 Je ein Te Deum wurde in 11 Herbert Seifert: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am Wiener Kaiserhof 1622–1699 (dramma per musica 2). Wien 1988, S. 21. 12 Wessely: „Linz und die Musik“, S. 154. 13 Paul Nettl: „Zur Geschichte der kaiserlichen Hofkapelle von 1636–1680 (III)“. Studien zur

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Die Habsburger und Oberösterreich im Barock der Pfarrkirche und in der Schlosskapelle „mit stattlicher Music gesungen“.14 Die ­Hofzahlamtsbücher belegen jedenfalls eine neuerliche Anreise der kaiserlichen Musiker bald danach, im September 1658, wegen des Besuchs des Tiroler Regenten Erzherzog Ferdinand Karl in Linz.15 Dann musizierten sie wenigstens „bey allen Taffeln und Mahlzeiten“.16 Kaiser Leopold heiratete innerhalb von zehn Jahren dreimal. Nach dem Tod seiner ersten beiden Frauen hatte er noch keinen Sohn, was aber für die Thronfolge von äußerster Wichtigkeit war. Er musste also eine dritte Frau wählen, ohne das übliche Trauerjahr abzuwarten. Am 15. Oktober 1676 gab er öffentlich bekannt, dass seine Wahl auf die älteste Tochter des Herzogs Philipp Wilhelm von PfalzNeuburg, Eleonore Magdalena Theresia aus dem Haus der Wittelsbacher, gefallen sei. Als Ort für die Eheschließung wurde Passau ausersehen, wohin Leopold mit seinem Hofstaat am 23. November auf brach. Am 14. Dezember vollzog der Fürstbischof, Sebastian von Pötting, die Trauung. Die Hofgesellschaft brach am 18. Dezember von Passau auf und traf zwei Tage danach in Linz ein. Am Neujahrstag 1677 stand dort der Tradition entsprechend ein Besuch bei den Jesuiten auf dem Programm, wo nach der Vesper ein Drama gespielt wurde: | Conjugalis fides 77 Belindae cum ­B acquevilio, in dessen Verlauf der von den Türken im 14. Jahrhundert gefangene Graf der Normandie Bacqueville mit Hilfe des heiligen Julianus befreit wird, unerkannt an seinen Hof kommt und sich seiner treuen Gemahlin, die ihn für tot gehalten hat, durch eine Ringhälfte zu erkennen gibt. Im Prolog wird durch den Ratschluss Jupiters und die Tatkraft des Hymenaeus die Verbindung zwischen dem österreichischen Mars und der Pietas ermöglicht. Der für den Jahresbeginn zuständige Gott Janus wünscht im Epilog Leopold und Eleonore Glück. Prolog, Epilog und Zwischenakte waren durchgehend vertont.17 Am 7. Jänner schließlich wurde anlässlich des Geburtstags Eleonoras die große Oper Hercole Acquistatore dell’ Immortalità als erstes Werk dieser Gattung in Linz aufgeführt, und zwar auf einer von dem kaiserlichen Architekten und Bühnenbildner Lodovico Ottavio Burnacini im Saal des Landhauses errichteten Bühne, die er mit großem Aufwand mit sieben verschiedenen Bühnenbildern und fünf Bühnenmaschinen ausgestattet hatte. Die kaiserliche Familie begab sich vom Schloss aus ­M usikwissenschaft 18 (1931), S. 34: „[…] die Kays. Music welche Ihro Kays. May. vorhero zu diesen und vergangenen Erbhuldigung Solenitet eigens von Wienn nach Lintz abgefordert.“ 14 Wessely: „Linz und die Musik“, S. 155. 15 Wien, Hofkammerarchiv, Hofzahlamtsbuch für 1658, fol. 402 r : „Burckhardten Khugler kay: Musico zuhanden der nacher Linz abgeforderten Musici […]“; ähnlich ebenda, fol. 403r, 416 v . 16 Nettl: „Zur Geschichte der kaiserlichen Hofkapelle von 1636–1680 (III)“, S. 34. 17 Josef Fröhler und Otto Leisner: „Jesuitendramen mit Musik“. Freinberger Stimmen 50/2 (1980), S. 40. – Fröhler: „Überlieferte Linzer Jesuitendramen“, S. 81–83. – Seifert: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am Wiener Kaiserhof 1622–1699, S. 52.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof über einen zu diesem Zweck erbauten Gang dorthin, der noch bis zum Brand von 1800 bestehen sollte. Nicolò Minatos Libretto enthält nach der Dedikation und dem Argomento, der Inhaltsangabe, eine Erklärung der allegorischen Bezüge des Textes. Die Grundzüge der Handlung sind folgende: Hercules ist vom Schicksal dazu ausersehen, unsterblich zu werden, wenn er vorher verschiedene Widerstände überwunden und Abenteuer bestanden hat. Der König Eurystheus ist dazu bestimmt, seinen Wert und seinen Ruhm auf die Probe zu stellen und setzt ihn daher Gefahren und Schwierigkeiten aus, die Hercules alle glücklich überwindet. Als letzte Aufgabe, ohne die er die Unsterblichkeit nicht erlangen kann, stellt er ihm die, die goldenen Äpfel aus dem Garten der Hesperiden zu holen. Eurytos, König in Böotien, verspricht dem Helden, ihm dazu zu verhelfen, wenn er seine Tochter Jole zur Frau nehme. Diese überreicht ihm schließlich die Äpfel und hilft ihm so, die Unsterblichkeit zu erringen. Der in der Vorrede des Librettos veröffentlichte Schlüssel setzt Hercules mit ­L eopold I. und die Unsterblichkeit, die der Held anstrebt, mit seiner Nachfolge als König und Kaiser gleich. Eurystheus, der ihn auf die Probe stellt, steht für die Wetteiferer mit Leopolds Größe, Tugend und seinem Glück, die ihn immer Gefahren und schwierigen Abenteuern aussetzen, aus denen der Kaiser aber jedesmal ruhmreich und triumphierend hervorgehe. Die goldenen Äpfel bedeuten die Nachkommenschaft des Herrschers. Dass Hercules die Unsterblichkeit durch die anderen Taten nicht erlangen konnte, ist ein Symbol dafür, dass Leopold bis dahin kein Thronfolger geboren worden war. Eurytos und Jole stehen natürlich für den Herzog von Neuburg und seine Tochter Eleonore Magdalena Theresia. Die Musik zu der dreiaktigen Oper hatte der Kapellmeister der Witwe Ferdinands III., Eleonoras (II.), und kaiserliche Opernmusikintendant Antonio Draghi (um 1634–1700) komponiert. Schon während des Aufenthalts in Passau hatte ihn der Kaiser viermal zu sich berufen und sich den schon fertigen Teil der Oper und auch eine dann in Passau aufgeführte Kammerkomposition vorführen lassen. Nachdem ihm Draghi allein vorgespielt und -gesungen hatte, hatte der Kaiser sofort eine Probe mit allen Sängern und Instrumenten angeordnet und war außerordentlich zufrieden gewesen. Am Tag nach Weihnachten hatte Leopold I. an seinen Freund und Botschafter in Spanien, Ferdinand Bonaventura Grafen Harrach, geschrieben: „[…] werde also Ein opera In den landthaus Sall alhie haldten. […] So habe Ich 78 den Forni Speroni Vnd | Cortona […] mittgenomben […]“.18 Damit nennt er drei damals berühmte Kastraten, die in der Oper singen sollten: den Altisten Giovanni Antonio Forni und die Sopranisten Giovanni Battista Muzzi, genannt Speroni, und Domenico Cecchi, nach seiner Heimatstadt Cortona genannt, alle drei im Dienst seiner Stiefmutter Eleonora, die in Wien geblieben war. Der Kaiser hatte sich die 18 Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Karton 206, Mappe Leopold I.

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Die Habsburger und Oberösterreich im Barock Sänger also von ihr ausgeliehen und sie zusätzlich zu seinen eigenen Musikern auf die Reise mitgenommen. Der Auf bruch von Linz in Richtung Wien fand schließlich am Tag nach der Opernaufführung statt.19 Die nun nicht mehr gebrauchte Bühne schenkten die Stände Abt Erenbert II. von Kremsmünster aus Dankbarkeit für seine Verdienste bei der Begrüßungsfeier und bei der Vermählung. Sie wurde im Benediktinerstift eingebaut und seitdem regelmäßig bis ins 18. Jahrhundert bei Schuldramen verwendet;20 das Kaiserpaar konnte sie bei seinen Besuchen 1680 und 1684 wieder sehen. Mitte August 1679 brach der Kaiserhof zur alljährlichen Wallfahrt nach Mariazell auf, kehrte aber von dort nicht in die von der Pest heimgesuchte Residenzstadt zurück, sondern ging zunächst in die Königsresidenz Prag, wo er sich von September 1679 bis Mai 1680 auf hielt. Da sich die Pest nun aber auch in Prag immer mehr ausbreitete und auch den Hofstaat nicht verschonte – der Hof kapellmeister Johann Heinrich Schmelzer fiel ihr bekanntlich zum Opfer – verließ der Kaiser am 20. Mai diese Residenz und kam nach acht in Böhmen verbrachten Wochen mit seinem Hofstaat Mitte Juli 1680 in Linz an. Dadurch fanden die geistlichen und weltlichen Musiken des Kaiserhofs in den folgenden etwa acht Monaten ihren Platz in dieser Stadt. Zum Namenstag der Kaiserin am 22. Juli erklang im Schlossgarten die Serenata L’Ingegno a Sorte, und am 22. September gab es eine weitere zur Unterhaltung des Herzogs Karl V. von Lothringen und seiner Frau, der Erzherzogin Eleonore Maria, einer Halbschwester Leopolds I., gesungen am selben Ort nach dem Abendmahl bis 23 Uhr. Die Jesuiten benützten die Anwesenheit des Kaiserhofs auch diesmal wieder zur besonders festlichen Ausgestaltung ihrer regelmäßig gepf legten lateinischen Schuldramen. Am 31. Juli 1680, dem Fest des Heiligen Ignatius von Loyola, des Gründers ihres Ordens, spielten die Gymnasiasten vor dem Kaiserpaar Innocentia sive ab Iphigenia Orestes Liberatus, mit beträchtlichem Musikanteil, also vertontem Prolog, Epilog und Zwischenakten („Chori“). 21 Im Verzeichnis der Ausführenden stehen 16 Sprechrollen 13 gesungenen gegenüber. 22 Die Kompositionen dafür sind in Wien erhalten. Bei einem Besuch im Benediktinerstift Kremsmünster wurde dem Kaiserpaar von den Schülern des Stiftsgymnasiums am 13. September das Drama Prudentia ­v ictrix, 19 Seifert: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am Wiener Kaiserhof 1622–1699, S. 50–53. 20 Bei Sturm: Theatergeschichte Oberösterreichs im 16. und 17. Jahrhundert, S. 118, falsche Daten, ­r ichtiggestellt bei Fritz Fuhrich: Theatergeschichte Österreichs. Bd. 1/2. Theatergeschichte Ober­ österreichs im 18. Jahrhundert. Wien 1968, S. 118 f. 21 Fröhler und Leisner: „Jesuitendramen mit Musik“, S. 39. 22 Fröhler: „Überlieferte Linzer Jesuitendramen“, S. 81 ff. – Seifert: „Ordenstheater in Oberösterreich“, S. 206 [847].

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II. Oper am Wiener Kaiserhof seu Ulysses post longos errores in patriam redux, procis interemtis amori ­P enelopes ­redditus, das als Inhalt wie Claudio Monteverdis Oper Il Ritorno d’Ulisse in Patria die Heimkehr des Odysseus hat und, wie der Textautor P. Simon ­Rettenbacher 79 in einem Brief schreibt, „est enim novum quodammodo | genus et more ­Italorum ­musicis numeris adaptatum drama“, also nach Art der italienischen Oper mit Musik versehen, deren Autor allerdings nicht genannt wird und die auch nicht erhalten ist. Allerdings war es noch nicht durchkomponiert, sondern noch mit gesprochenen Szenen durchsetzt; erst zwei Jahre später schrieb dieser Autor für ­Kremsmünster ein ganz gesungenes Drama. 23 Am Geburtstag der Kaiserin Witwe Eleonora am 18. November wurde die Kammer­musik Raguaglio della Fama, komponiert von ihrem Organisten und ­späteren ­Kapellmeister Giovanni Battista Pederzuoli, in einem der Räume der ­regierenden Kaiserin gesungen, wo am nächsten Abend deren Hofdamen und ihre Stieftochter, die elfjährige Erzherzogin Maria Antonia, das deutsche Schauspiel in drei Akten Die vermeinte Brueder und schwesterlibe anlässlich des Namenstags ­Kaiser Leopolds (15. November) zum Besten gaben. Der Text stammte von einem Rat und Sekretär des Herzogs von Neuburg, Christian Schlegel, die Musik vom Kaiser selbst und die drei Ballette von Andreas Anton Schmelzer, dem Sohn des in Prag verstorbenen Hof kapellmeisters und Ballettkomponisten. Nach dem ersten Akt tanzten die Damen ein Sklavenballett, nach dem zweiten ein Griechenballett, das mit Schalmeigeige und Fagott besetzt war, und nach dem Schluss produzierte sich die Erzherzogin, die schon im Verlauf des Stücks die Göttin Diana dargestellt und gesungen hatte, mit sechs Damen des Hochadels auch im Ballett als diese ­Figur, wobei neben den üblichen Streichinstrumenten ein Jagdhorn eingesetzt war, um die Göttin der Jagd zu charakterisieren. 24 Aus demselben Anlass tanzten Prinz Ludwig von Baden und andere adelige Herren am 24. November einen Ballo di Teutoni; er war mit einer nichtszenischen italienischen musikdramatischen Einleitung von Draghi versehen. Als die Eltern der Kaiserin, der Herzog Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg und seine Frau Elisabeth, anlässlich einer bevorstehenden Entbindung ihrer ­Tochter nach Linz kamen, führten Hofdamen am 5. Dezember zu ihrer Unterhaltung ein – sicherlich wieder deutsches – Drama auf. Am 23. Dezember gebar Eleonore ­Magdalena Theresia dann in Linz eine Tochter, die die Namen Maria Elisabeth erhielt. 25

23 Sturm: Theatergeschichte Oberösterreichs im 16. und 17. Jahrhundert, S. 124 f. 24 Zu Details über Werk und Aufführung siehe Othmar Wessely: „Kaiser Leopolds I. Vermeinte Bruder- und Schwesterliebe“. Studien zur Musikwissenschaft 25 (1962), S. 586–608. 25 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 90 f.

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Die Habsburger und Oberösterreich im Barock Am Neujahrstag 1681 konnten die Linzer Jesuiten wieder den Kaiser – diesmal ohne die im Wochenbett liegende Kaiserin – zu ihrem Schuldrama einladen. Sein Titel war Fraus fortuna sive Ninus tum rex Assyrus, und der (erhaltene) Musikanteil war wieder beträchtlich. 26 Am Epiphanietag 1681 feierte man den Geburtstag der Kaiserin, die sich erst nach Mitte Jänner wieder in der Öffentlichkeit sehen ließ, in ihrer Kammer mit der nichtszenischen Einleitung Li Tributi zu einem Ballett. Die Autoren waren ein sonst unbekannter Dichter namens Caresana für den Text und der Sopran der Hofkapelle Antonio Pancotti für die Musik; beide waren unseres Wissens noch nicht als solche hervorgetreten. Nur die Ballettmusik stammte von dem jetzt schon bei zwei Anlässen erprobten jungen Schmelzer, der für die nächsten Jahre das früher von | seinem Vater innegehabte Monopol in dieser Sparte übernahm. Wieder ­waren 80 die Tänzerinnen im Ballett die Erzherzogin Maria Antonia und sechs Hofdamen. Vier Wochen danach, am 3. Februar, tanzten diese zusammen mit der Herzogin Eleonore Maria von Lothringen und den Prinzen Ludwig Anton und Karl Philipp von Pfalz-Neuburg ein Ballett. 27 Die Faschingsoper La Forza dell’Amicitia wurde am „giovedì grasso“, am Abend des 13. Februar, wieder in den Räumen der Kaiserin inszeniert. Sie war dennoch mit vier verschiedenen Bühnenbildern versehen und wieder von dem dafür zuständigen Team produziert worden: Minato, Draghi, Schmelzer und wohl auch – obwohl nicht genannt – Burnacini. Sie hatte drei Akte und demgemäß auch drei Ballette, von denen die ersten beiden, getanzt von Buckligen und von betrunkenen Kerkerwächtern, komisch waren, während das dritte den Triumph der Freundschaft darstellte. Der Choreograph war – wie seit 1677 immer – Domenico ­Ventura. Die Handlung ist uns aus Friedrich Schillers Ballade Die Bürgschaft geläufig und spielt auch in Syrakus, nur tragen die beiden Freunde hier andere Namen. Auch am Faschingssonntag des Jahres 1681, am 16. Februar, gaben die hochadeligen Damen eine Komödie zum Besten; das zweite der drei Ballette dazu wurde von vier „Erlicini“, also wohl Arlecchini (Harlekinen), und dem Doktor Gratian getanzt, was auf die Nähe zur Commedia dell’arte hinweist. Am nächsten Tag gab es eine weitere lustige Komödie mit einem Ballett von vier Advokaten; möglicherweise waren die Darsteller wie schon oft zuvor italienische Hofmusiker. An einem nicht näher bestimmbaren Datum in diesem Fasching gab es eine zweite große Oper, die – eine einmalige Ausnahmeerscheinung für den Kaiserhof dieser Zeit – von auswärtigen Autoren stammte, nämlich von dem großen, zu dieser Zeit in Rom tätigen Opernkomponisten Alessandro Scarlatti und dem Librettisten 26 Fröhler und Leisner: „Jesuitendramen mit Musik“, S. 39. 27 Dies und das Folgende, wenn nicht anders vermerkt, nach Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, passim.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Domenico Filippo Contini. Gli Equivoci nel Sembiante, die 1679 in Rom uraufgeführte erste Oper Scarlattis, erhielt für Linz den Titel Amor non vuol Inganni. Lorenzo Bianconi 28 begründet die „so erfolgreiche und blitzartige Verbreitung“ dieses Bühnenwerks mit seiner theatralischen Anspruchslosigkeit (vier Personen, keine Bühnentechnik), „die von einer sehr kunstvollen Musik durchaus aufgewogen wurde.“ Das könnte auch ein Grund für die Aufführung in Linz gewesen sein. Nach einer Blütezeit der Pastoraloper zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatten seit dessen Mitte historische oder pseudohistorische Stoffe die Führung in der Librettistik übernommen, doch dieses Libretto Continis leitete eine zweite Hochblüte von Handlungen im Hirtenmilieu ein, die bis etwa 1700 dauerte. Vier bis fünf Personen ohne Chor genügten für diesen Typus. Diese Oper war zwar dreiaktig, doch wurden hier statt der sonst in Wien üblichen Zwischenaktballette Intermezzi eingesetzt, sodass nur ein Schlussballett ­übrig blieb, das allerdings nicht in Schmelzers Manuskript erhalten ist. Die Linzer Intermezzi zu dieser Oper, deren erstes, Il Giudice di Villa, in der Partitur enthalten ist, waren von Pederzuoli komponiert, dem Organisten der Kaiserin Witwe, die als Veranstalterin dieser Unterhaltung fungierte. 81 Die geistlichen Andachtsübungen und musikdramatischen Aufführungen, die zwischen Aschermittwoch und Karsamstag ihre fixen Plätze im Hof leben hatten, wurden in Linz in gewohnter Weise aufgenommen. Gewöhnlich wurden vor der Karwoche Oratorien in der Kapelle der Kaiserin Witwe gegeben, häufig an Dienstagen; sie hatte diese Gattung am Wiener Hof heimisch gemacht und gefördert. Am Gründonnerstag wurde dort ein sogenanntes Sepolcro und am Karfreitag ein weiteres in der kaiserlichen Kapelle dargeboten. Diese vorwiegend allegorische Gattung – in den Quellen meist als „Rappresentatione sacra“ bezeichnet – ist in ihrer szenischen Darstellung, teils sogar vor einem gemalten Prospekt, eine Besonderheit, die nur am Kaiserhof zu finden war, und zwar schon vor den Oratorien, seit etwa 1640. 29 Von dieser Linzer Fastenzeit sind nur zwei Aufführungen b­ elegt, was aber nichts über die tatsächliche Anzahl aussagt. Wohl um den 19. März, dem Fest des Heiligen Joseph, wurde das 1675 erstmals und dann immer wieder gesungene Oratorium Il Transito di San Giuseppe mit Musik von Kaiser Leopold I. zu einem Text von Minato in der Kapelle Eleonoras gegeben, und am Abend des Gründonnerstags, des 3. April, vor dem dort aufgerichteten Heiligen Grab die 28 Lorenzo Bianconi: „Funktionen des Operntheaters in Neapel bis 1700 und die Rolle Alessandro Scarlattis“. In: Colloquium Alessandro Scarlatti. Würzburg 1975. Tutzing 1979, S. 252. 29 Herbert Seifert: „The beginnings of sacred dramatic musical works at the imperial court of ­Vienna: sacred and moral opera, oratorio and sepolcro“. In: L’oratorio musicale italiano e i suoi contesti (secc. XVII–XVIII). Atti del congresso internazionale Perugia, Sagra Musicale Umbra, 18–20 settembre 1997, hg. von Paola Besutti (Quaderni della Rivista italiana di musicologia 35). Firenze 2002, S. 489–511 [765–781].

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Die Habsburger und Oberösterreich im Barock „Rappresentatione sacra“ Le cinque Piaghe di Christo von Minato und Draghi in der üblichen szenischen Weise aufgeführt. Zwei Tage danach, am Karsamstag, besuchte der Kaiser das Heilige Grab bei den Jesuiten und hörte dort eine ähnlich mit Musik versehene, aber lateinische Aufführung: Christus in cruce repertus. 30 Dieser Winter hatte die Pest in Wien besiegt, sodass der Hof nach Ostern wieder in die Residenzstadt zurück verlegt werden konnte; am 11. April 1681 traf der Kaiser dort ein. Doch bald schon, etwas mehr als zwei Jahre später, trat eine zweite Katastrophe ein, die den gesamten Hofstaat wieder zur Flucht trieb: die Türkenbelagerung Wiens. Am 7. Juli 1683 begab sich der Kaiser auf die Reise nach Passau, wo er sich einen Monat lang auf hielt; danach residierte er ein Jahr lang, bis August 1684, im ­Linzer Schloss. Die Familien-Festtage im November – der Namenstag Leopolds am 15. und der Geburtstag seiner Stiefmutter Eleonora am 18. – wurden also wieder, wie drei Jahre zuvor, dort gebührend gefeiert: Am Leopolditag erschien der Hofstaat in prächtiger Gala, und am Abend speisten alle Mitglieder der kaiserlichen Familie mit dem am Vortag eingetroffenen Kurfürsten Max Emanuel von Bayern – dieser sollte dann im Juli 1685 die älteste Tochter Leopolds heiraten. Danach wurde eine Vokalkomposition mit konzertierenden Instrumenten aufgeführt, an die sich ein Balletto dei Genij Eroici anschloss, das der fünf Jahre alte Erzherzog Joseph mit drei Adeligen seines Alters tanzte, im Kostüm eines Persers mit Schwert und Schild. Abschließend fochten die Knaben mit ihren Spielzeugwaffen. Die Agilität und der Geist des Thronfolgers in diesem Ballett, dessen drei Tänze von Schmelzer jun. erhalten sind, wurden vom venezianischen Botschafter bewundernd an den Dogen berichtet. Über den Geburtstag der Kaiserin Witwe wissen wir nur, dass sie das Kaiserpaar am Abend einlud, nachdem sie ihm davor eine sehr schöne Komposition hatte vorführen lassen; davon scheint nichts erhalten zu sein. 31 Wie bei den Zeiten der vorübergehenden Residenz des Kaisers in Linz üblich, be- 82 ehrte er das Jesuitenkolleg zu den traditionellen Anlässen mit seiner Anwesenheit, auf die sie mit besonders festlich ausgestatteten Schuldramen reagierten. Am 1. Jänner nahm Leopold I. auch die Prämienverteilung vor; das damit verbundene Drama war Lusus providentiae divinae, sive David. Die Musik dazu war vom ­k aiserlichen Hoforganisten Ferdinand Tobias Richter, ist aber nicht erhalten. 32 Das Stück nimmt auf den Zustand des Habsburgerreichs in der Haupthandlung von David allegorisch, in den die Akte umrahmenden Teilen aber direkt Bezug. Zu den 27 Schauspielern kamen hier nur acht Sänger, aber 40 Tänzer. 33 30 Fröhler und Leisner: „Jesuitendramen mit Musik“, S. 41. 31 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 794 f. 32 Fröhler und Leisner: „Jesuitendramen mit Musik“, S. 40. 33 Seifert: „Ordenstheater in Oberösterreich“, S. 206 [847].

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Die im Jänner und Februar 1684 folgenden Faschingsunterhaltungen waren, wie schon im Jahr davor und auch in den folgenden, gegenüber der Tradition ziemlich reduziert: Es gab keine große Faschingsoper, und auch der Geburtstag der Kaiserin am 6. Jänner wurde nur bescheiden gefeiert. Die Kriegsereignisse schlugen sich in den 1680erjahren doch in einer deutlichen Sparsamkeit bei der Ausgestaltung von Festen nieder, und das lag nicht an den geringeren Möglichkeiten, die etwa in Linz zur Verfügung gestanden wären, wie sich an den Feiern von 1680/1681 zeigen lässt. Am Geburtstag Eleonore Magdalena Theresias wurde wahrscheinlich vorerst nur ein Ballett geboten, das ihre Brüder Ludwig Anton und Karl Philipp mit sechs Herren des Adels ausführten. Die kleine Oper Gl’Elogii, die Minato und ­Draghi zu diesem Anlass geschrieben hatten, konnte erst mit zehntägiger Verspätung am Sonntag, dem 16. Jänner 1684, bei stark beschränkter Zuschauerzahl in der ­„ritirata“, also in der „Kammer“, über die Bühne gehen. Dabei kam es zu diplomatischen Unstimmigkeiten, wie uns ein Bericht des Botschafters der Republik V ­ enedig, Domenico Contarini, an den Dogen Marcantonio Giustinian verrät. Eingeladen war der spanische Botschafter, der wegen der Verwandtschaft der spanischen Habsburger sozusagen zum Haus gehörte. Der Herzog Karl V. von L ­ othringen, immerhin ein Schwager des Kaisers, wollte der Vorstellung auch beiwohnen, was aber offenbar den Botschafter ausgeschlossen hätte. Leopold verweigerte ihm dies, weshalb der Herzog unzufrieden zu einem Gottesdienst in Ebelsberg auf brach und erst am folgenden Tag an den Hof zurückkehrte. Für ihn wurde nun die Oper nochmals gespielt, und diesmal wurden der Nuntius und der venezianische Botschafter eingeladen, incognito zu erscheinen, was ihnen aber als Zurücksetzung gegenüber dem am Vortag öffentlich aufgetretenen spanischen Botschafter erschien, weshalb sie sich entschuldigen ließen. 34 Zu den Linzer Faschingsunterhaltungen dieses Jahres gehörte als eine der ersten am 12. Jänner eine Komödie, deren Text die Kaiserin Witwe ihrem Schwiegersohn Karl von Lothringen sandte, weil sie voll von schönen Formulierungen sei. 35 Vielleicht ist sie identisch mit der mit dem Titel Il finto Astrologo, 36 die jedenfalls in diesem Fasching gespielt wurde und von der nur ein Intermedium von Minato 83 und Draghi und die beiden Ballette von Anton Andreas Schmelzer | erhalten sind. Schauspieler in der Komödie und Tänzer in den Balletten waren adelige Herren, darunter die genannten Brüder der Kaiserin. 34 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 795 f. 35 Ebenda, S. 795. 36 Egon Wellesz: Die Ballett-Suiten von Johann Heinrich und Anton Andreas Schmelzer (Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Phil.-Hist. Klasse 176, 5. Abhandlung). Wien 1914, S. 49, erweitert diesen Titel durch „sotto dei confieri“, und in d­ ieser Form erscheint er auch bei Wessely: „Linz und die Musik“, S. 157. Es handelt sich dabei um­ einen Lesefehler; der Zusatz im Ballettmanuskript lautet richtig „fatto dei caualieri“, also von den Kavalieren ausgeführt.

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Die Habsburger und Oberösterreich im Barock Aus diesem Fasching sind noch einige Musiken zu Balletten erhalten: in zweien tanzte der kleine Kronprinz Joseph mit seiner Halbschwester Maria Antonia und „Hochadelichen Hoff Dämen“, und ein weiteres wurde von Kavalieren ausgeführt. In der letzten Woche vor dem Aschermittwoch, der auf den 15. Februar fiel, gab es doch eine kleine musikdramatische Unterhaltung, eine Einleitung zu einem Fest und Ballett von Zigeunerinnen (Introduttione d’una festa e ballo di cingare), Text von Minato, Vokalmusik von Giovanni Battista Pederzuoli, der seit Anfang 1682 Kapellmeister der Kaiserin Witwe Eleonora als Nachfolger von Draghi war. Zur Musik von Schmelzer jun. tanzten außer Hofdamen die Erzherzogin Eleonore ­Maria, die Witwe des Königs von Polen und nunmehrige Gattin des Herzogs von Lothringen, der den letzten Tanz, eine Aria, als einziger Mann dieses „Corps de Ballet“ allein ausführte. 37 Wie drei Jahre zuvor wurde auch diesmal die Fastenzeit in Linz mit den gewohnten musikalischen Aufführungen gestaltet. Diesmal f ließen die Quellen reichlicher: vier Oratorien und zwei Sepolcri sind bekannt, von fünf davon sogar die Aufführungstage. Am Dienstag, dem 14. März, wurde hier zum ersten Mal eine neue Komposition des Kaisers gesungen: das Oratorium Sant’ Antonio di Padoa, wie die anderen Oratorien in der Kapelle der Kaiserin Witwe Eleonora. Das anonyme Libretto dazu hatte die Linzer Druckerei Johann Redlmayr vervielfältigt. In den folgenden Jahren wurde dieses Kaiserwerk immer wieder produziert. Wahrscheinlich in den Tagen um das Josephsfest, 19. März, wurde wieder, wie schon 1681, Leopolds Oratorium Il Transito di San Giuseppe aufgeführt, und am 24. März, dem Passionsfreitag oder Fest der Sieben Schmerzen Mariae, dem Freitag vor dem Palmsonntag, fand wie seit 1677 gewöhnlich die Produktion eines weiteren Oratoriums des Kaisers, L’Amor della Redentione mit einem Text von Nicolò Minato, statt. Am Gründonnerstag, dem 30. März, folgte der Kaiser am Nachmittag zunächst der Liturgie in der Kirche des Landhauses und begab sich dann über den erwähnten Gang ins Schloss, um in der Kapelle seiner Stiefmutter Eleonora das Sepolcro Le Lagrime più giuste di tutte le Lagrime zu hören und zu sehen. Dies war ein Werk von Pederzuoli mit Text von Minato, und die Gegenwart des Herzogs von ­L othringen, der von seiner Schwiegermutter Eleonora mit königlichen Ehren bedacht wurde, führte dazu, dass die Botschafter des Königs von Spanien und des Papstes wieder voll Neid über diese ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Erhöhung nicht erschienen. 38 Am Karfreitag präsentierte der Kaiser das Heilige Grab in seiner Kapelle und ließ davor das von seinem Hof kapellmeister Draghi komponierte Sepolcro Il Segno dell’humana Salute, ebenfalls zu einem Text von Minato, 37 Wellesz: Die Ballett-Suiten von Johann Heinrich und Anton Andreas Schmelzer, S. 50. 38 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 796 f.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof aufführen. Und am Karsamstag, dem 1. April, sah das Kaiserpaar im Jesuiten­kolleg Passio Christi, armatura fortium contra hostes Christianitatis mit der Musik von Ferdinand Tobias Richter. 39 Am 4. Juni 1684 führten die Schüler des Linzer Ignatius-Seminars der Jesuiten das Fronleichnamsspiel Altera Bethlehem sive Domus panis. Id est Innovatio foederis 84 ­d efensivi et offensivi | Augustissimae Domus Austriacae cum Divinissima Domo Panis Eucharisticae […] auf. Es sollte den Dank des Kaiserhauses an die Heilige ­Eucharistie für die Befreiung aus Türkennot zum Ausdruck bringen.40 Den Text hatte P. Heinrich Juncker verfasst, die (diesmal erhaltene) Musik wieder der ­k aiserliche Hof­ organist Richter.41 Die kaum dramatische Scheinhandlung wird nur von Allegorien getragen, darunter Consilium und Industria, der Devise Leopolds I. entnommen; daher bildete auch die – in solchen Dramen allgemein vor allem von Allegorien gesungene – Musik einen integrierenden Bestandteil des Dramas.42 Die nächste Gelegenheit für eine weltliche Festmusik war der Geburtstag des Kaisers am 9. Juni, und da präsentierte ihm seine Gemahlin die einaktige „Festa ­musicale“ Tullio Hostilio, aprendo il Tempio di Giano, natürlich wieder von ­Draghi und Minato, mit einem Ballett, das Anton Andreas Schmelzer komponiert und ­Domenico Ventura choreographiert hatten; das Einheitsbühnenbild stammte selbstverständlich von Burnacini.43 Auch diesmal besuchte der Kaiser von Linz aus die Benediktiner in ­Kremsmünster. Am 18. Juli wurde ihm das lateinische Schuldrama Miltiadis gloria seu Persis ­d evicta von P. Simon Rettenbacher geboten, das sich allegorisch auf den Sieg über die Türken bezieht, wenn es vom Triumph der Athener über die Perser handelt.44 Die umfangreiche Schauspielmusik zu dem dreiaktigen Drama hatte P. Ulrich Leo komponiert; sie ist in der Österreichischen Nationalbibliothek als Widmungshandschrift an den Kaiser erhalten.45 Wieder bei den Jesuiten sah das Kaiserpaar das Schulspiel Militans ecclesia […] per B. Ignatium subsidia roborata am Fest des Jesuitengründers Ignatius von Loyola, am 31. Juli. Die Musik stammte – wie bei den lateinischen Dramen davor – von Richter. Hier wird in allegorischer Form dargestellt, wie Ignatius der in Europa

39 Herbert Seifert: „Ferdinand Tobias Richter“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2. Ausg. Personenteil. Bd. 14. Kassel 2005, Sp. 25. 40 Sturm: Theatergeschichte Oberösterreichs im 16. und 17. Jahrhundert, S. 100. 41 Ebenda, S. 172. 42 Seifert: „Ordenstheater in Oberösterreich“, S. 206 [847]. 43 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 512. 44 Sturm: Theatergeschichte Oberösterreichs im 16. und 17. Jahrhundert, S. 126. 45 Mus. Hs. 18601; siehe Österreichisches Musiklexikon online: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/ musik_L/Leo_Ulrich.xml.

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Die Habsburger und Oberösterreich im Barock bedrängten Kirche zu Hilfe kommt.46 Im August 1684 schließlich brach der Kaiser von Linz wieder nach Wien auf. Nun folgte eine lange Zeit, in der keiner der Herrscher einen festlichen Aufenthalt in Linz nahm. In die kurze Regierungszeit Kaiser Josephs I. zwischen 1705 und 1711 fiel keine Erbhuldigung, und sein Nachfolger Karl VI. fand erst 1732 Gelegenheit dazu, auf der Rückreise von einem Kuraufenthalt in Karlsbad. Vorher wollte er beim Fürsten Adam Franz von Schwarzenberg in dessen Herrschaft Böhmisch Krumau Station machen, wo auch die Aufführung der großen Oper geplant war, die wie alljährlich am 28. August, dem Geburtstag der Kaiserin, stattfinden sollte. Unglücklicherweise erlegte der Kaiser am 10. Juni 1732 auf der Jagd bei Brandeis an der Elbe statt eines Hirschs ebendiesen Fürsten, weshalb die Reisepläne geändert werden mussten und die „Augustini-Oper“ (am Tag des Heiligen Augustinus) nun in die Zeit des Aufenthalts in Linz fallen sollte.47 Am 18. Juli reiste der Hof von Karlsbad ab, blieb aber dann einen Monat lang, 85 bis zum 20. August, in Prag. Drei Tage danach langte er in Linz ein, wo er von Bürgermeister, Magistrat und den Ständen feierlich begrüßt wurde. Ein kleiner Teil der Hof kapelle, nämlich zwölf Instrumentalisten und acht männliche Sänger, war mit dem Kaiser gereist und hatte ihn mit Kirchen-, Kammer- und Tafelmusik versorgt, während der Theatralstaat samt dem Rest der kaiserlichen Musiker erst am 18. bzw. 20. August von Wien nach Linz angereist war. Diese zweite Gruppe bestand aus 61 Musikern, zwei davon Sängerinnen. So standen also 81 Musiker zur Aufführung der Festoper zur Verfügung. Nun wurde unter der Leitung des Ersten Theatral-Ingenieurs Giuseppe Galli ­Bibiena im Schlossgarten ein Freilichttheater – Bühne und wohl auch Zuschauertribünen – aufgebaut. Am 26. August konnte die Generalprobe zur e­ inaktigen „Festa teatrale per musica“ L’Asilo d’Amore (Text: Pietro Metastasio, ­Musik: ­Vizekapellmeister Antonio Caldara) in Anwesenheit der Kaiserin Elisabeth C ­ hristine gehalten werden. Deren Geburtstag wurde am 28. mit großer Gala gefeiert; Herzog Franz Stephan von Lothringen, der künftige Mann von Maria Theresia, war dazu aus Preßburg angereist. Bei der öffentlichen Mittagstafel war „stattliche Music“ zu hören. Um 20 Uhr begann dann die Opernvorstellung; das Wienerische Diarium hebt besonders hervor, dass „die Scenen durchsichtig waren / mit mehr als 4. tausend Lichtern beleuchtet gewesen / […]“ und dass „neben dem Zahlreichen Adel bey 3000. Personen eingelassen worden.“ Die Musik des Balletts stammte von Nicola Matteis, seine Choreographie von Alexander Phillebois. 46 Fröhler und Leisner: „Jesuitendramen mit Musik“, S. 39. 47 Eine ausführliche Darstellung der Umstände dieser Opernaufführung findet man bei Otto G. Schindler: „‚Kaiserliche Augustini-Oper‘ zwischen Hofjagd und Huldigung. Die Verlegung von Caldaras L’asilo d’Amore von Böhmisch Krumau nach Linz“. Studien zur Musikwissenschaft 44 (1995), S. 131–174. Die hier gegebene kurze Zusammenfassung stützt sich auf diese Arbeit.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Die mythologische Handlung ist um Venere und ihren Sohn Amore zentriert, der sich den Unwillen der Götter zugezogen hat: Pallade, Apollo und Mercurio beschweren sich über den kleinen Bogenschützen, der nur Verwirrung stifte und dessen Sturz von einem Chor der Genien immer wieder gefordert wird. Als Deus ex machina taucht Proteo aus dem Meer auf und verkündet, dass Amore durch die Begegnung mit Elisa (der Kaiserin) zur tugendhaften Liebe geläutert sei. ­Nereiden und Tritonen beschließen die Oper mit einem Ballett. Die Gesangsstars der kaiserlichen Musik, die in der Oper sangen, waren die Primadonnen Therese Reutter-­ Holzhauser und Elisabetta Barbara Pisani sowie der hochberühmte Altkastrat ­Gaetano Orsini. Der Hof blieb noch den ganzen September lang in Oberösterreich. Am Tag nach der Opernaufführung unternahm das Kaiserpaar eine neuntägige Reise ins Salzkammergut, vor allem um zu jagen. Am 5. September war es zu Gast bei ­seinem ObristFalkenmeister Albrecht Graf von Saint-Julien auf dem Schloss Neu-­Wartenburg bei Timelkam, das dieser eigens für diesen Besuch hatte erbauen l­ assen. Dort wurde in der Grotte des Schlossgartens ein Pastorale der Nymphen Egira und Dorinda gesungen, deren von Giovanni Claudio Pasquini geschriebener Text von Georg Reutter d. J. komponiert worden war. Selbst der Geburtstag des Kaisers am 1. Oktober wurde noch in Linz gefeiert. Traditionell gab es zu diesem Anlass nur eine nichtszenische Kammermusik, eine „Festa di Camera per musica“, keine Oper: Alessandro il Grande vom Hof komponisten Georg Reutter d. J., Text von Giovanni Claudio Pasquini, mit den genannten Sängerinnen und Orsini in den Hauptrollen. Erst am 5. Oktober wurde die Reise nach Wien mit Schiffen auf der Donau angetreten.

*** Nach diesen Ausführungen über Musik in Oberösterreich, die mit Besuchen oder zeitweiser Residenz der Habsburger in Verbindung gesehen werden müssen und 86 sich vor allem auf | Theatralia beschränken, da die Quellen über diese auffallenderen Ereignisse noch am ehesten Auskunft geben, sollen noch einige darüber ­h inausgehende biographische Beziehungen von kaiserlichen Hofmusikern zu dem Land genannt werden. Sie sind Auszüge aus meiner Datenbank mit Hofmusikern, die sich auf die Zeit zwischen 1619 und 1705 konzentriert und beziehen sich deshalb auch nur auf diesen Zeitraum. Da sind zunächst zwei Organisten und Komponisten anzuführen, die beide eine Zeitlang am Stift Kremsmünster tätig waren: Alessandro Taddei (Tadei) (um 1585 Graz? – 1667 Gandria) nahm zwischen 1604 und 1606 Unterricht bei Giovanni Gabrieli in Venedig, dann wurde er am Grazer Hof von Erzherzog Ferdinand als Organist angestellt, aber 1610 wieder zu Gabrieli geschickt. 1619 folgte er seinem Herrn, der als Kaiser Ferdinand II. in Wien einzog, und war dort bis 1628 Mitglied 320

Die Habsburger und Oberösterreich im Barock der Hof kapelle. In diesem Jahr erschienen seine zweichörigen Vesperpsalmen in Venedig im Druck, und am 11. November übernahm er die Leitung der Musiker des Stifts Kremsmünster als Kapellmeister, jedoch nur für ein halbes Jahr, denn mit 20. Mai 1629 endete diese Tätigkeit. Ab 1630 bewilligte ihm der Kaiser eine kleine, lebenslange Pension. Er trat in den Karmeliterorden ein und ist 1640 in dessen Kloster in Venedig nachweisbar; 1642 bis 1647 war er wieder als Organist angestellt, und zwar in Udine. Erst 20 Jahre später starb er hochbetagt in Gandria am Luganersee im Tessin.48 Von ihm ist nur Kirchenmusik erhalten, die fast ausschließlich – nach dem Vorbild seines Lehrers – mehrchörig ist.49 Der zweite war Johann Jacob Prinner (um 1624 Wien – 18. März 1694 Wien). Er immatrikulierte 1651 an der Universität Siena, hat aber dieses Studium nicht weiter betrieben, denn schon 1652 war er als Organist im Stift Kremsmünster tätig, wo er bis 1659 blieb. Danach war er bis etwa 1670 Kapellmeister (und/oder „Aufwarter“) des Fürsten Johann Seyfried von Eggenberg bei Graz und wurde vom kaiserlichen Vizekapellmeister Johann Heinrich Schmelzer dem Fürstbischof von Kremsier als Nachfolger Heinrich Ignaz Franz Bibers, den er schon im Schloss Eggenberg abgelöst haben dürfte, empfohlen. Dabei schreibt Schmelzer, Prinner sei Organist und Komponist und spiele auch etwas Violine. Dieser heiratete aber in diesem Jahr an St. Stephan in Wien und lebte dort anscheinend vom Musikunterricht, bis er von 1680 bis zu seinem Tod als Clavier- und Musiklehrer und Kammerdiener der Töchter des Kaisers angestellt wurde. Sein Traktat Musicalischer Schlissl enthält Elementarmusik-, Generalbass- und Kontrapunktlehre sowie Anweisungen zur Stimmung, Haltung und Spielweise von Streichinstrumenten. An Kompositionen sind von ihm 47 deutsche Arien und vierstimmige Suiten erhalten.50 Weiters wurden einige Mitglieder der kaiserlichen Hof kapelle im 17. Jahrhundert nachweislich in Oberösterreich geboren. Johann Baptist Herbst (um 1623 Loibersdorf, Gemeinde Unterweitersdorf, Bezirk Freistadt – 8. Oktober 1669 Wien) wurde am 2. April 1637 im Alter von etwa 14 Jahren als Kapellknabe in die neu konstituierte Kapelle Kaiser Ferdinands III. aufgenommen und erlernte offenbar das Spiel des Violone, denn nach sechs Jahren, am 1. Juli 1643, | wurde er unter 87

48 Hellmut Federhofer: Musikpf lege und Musiker am Grazer Habsburgerhof der Erzherzöge Karl und Ferdinand von Innerösterreich (1564–1619). Mainz 1967, S. 217 f. – Steven Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of Ferdinand II (1615–1637): the Latin vocal works of Giovanni Priuli an Giovanni Valentini. Phil. Diss. University of Pittsburgh 1990, Ann Arbor 1990, S. 58. 49 Hellmut Federhofer und Steven Saunders: „Alessandro Taddei“. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, 2. Aufl. Bd. 24. London 2001, S. 919. 50 Österreichisches Musiklexikon online: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_P/Prinner_­ Johann.xml.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof die Instrumentalisten als Violonist aufgenommen.51 Sein wahrscheinlich im selben Dorf geborener Bruder Johann war seit 15. November 1647 als Violinist in der Hof kapelle, ist aber spätestens zwei Jahre danach verstorben.52 Johann Angermayr (um 1656 Saxen, Gemeinde Wernstein am Inn, Bezirk Schärding 53 – 18. Juli 1712 Wien) war vom 1. April 1691 bis zu seinem Tod als ­Tenor und Violinist bei der kaiserlichen Hofmusik bedienstet. Außer in der Kirche sang er auch italienische Opernrollen. Sein nur zwei Jahre jüngerer Sängerkollege ­Joseph Ferdinand Öpffelknab (Äpffelknab) (um 1658 – 19. August 1706 Wien) sang als Bassist wahrscheinlich schon seit 1683/1684 in der Hof kapelle,54 wurde aber erst ab 1. Juni 1685 besoldet. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass der in einer Liste von etwa 1687 als „Basso di Lintz“ geführte Sänger 55 dem Kaiser während des Aufenthalts in Linz auf der Flucht vor den Türken aufgefallen ist und er ihn von dort mitgenommen hat. Ob er auch in Linz geboren worden war, ist nicht gesichert; er war eben „aus Linz“ gekommen. Neben diesen vier Instrumentalisten und zwei Sängern kann noch ein Instrumentenmacher genannt werden, der in Linz tätig war. Valentin Zeiß wurde 1631 als kaiserlicher Hoftischler aufgenommen. 1639 finden wir ihn aber als Orgelbauer in Linz, und in dieser Funktion war er von spätestens 1648 bis mindestens 1660 am Kaiserhof tätig, nachdem er 1642 das Hornwerk im Stift Kremsmünster erbaut hatte. Zwei Claviorgana – Orgelklaviere, die ein Cembalo und eine Orgel mit­ einander kombinierten und über eine gemeinsame Tastatur spielbar machten – sind von seinen Arbeiten außerdem als Raritäten bekannt.56

51 Herbert Seifert: „Der Violone in Wien im 17. Jahrhundert“. In: Kontrabaß und B ­ assfunktion. ­B ericht über die vom 28. 8. bis 30. 8. 1984 in Innsbruck abgehaltene Fachtagung, hg. von Walter ­Salmen. ­Innsbruck 1986, S. 87, 92. Sein Geburtsort geht aus den beiden Trauungsmatriken hervor: Wien, St. Stephan, Trauungsbuch 17, fol. 265v , und Wien, Pfarre Schotten, Hochzeitbuch 10, fol. 1. 52 Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Obersthofmeisteramt, SR 186, Hofstaatsliste Ferdinands III. – Wien, Hofkammerarchiv, Hofquartierbuch 51 (Protokoll vom 1. Dezember 1649), in dem seine Witwe um Belassung des Hofquartiers für ein Jahr bittet. Johann Baptist Herbst nennt in seinem Testament (Wien, Stadt- und Landesarchiv, Testament 7382/17. Jh.) seinen verstorbenen Bruder. 53 Sein Geburtsort wird im Trauungsbuch 34 von St. Stephan, Wien, S. 248, mit „Sachsen, Ober­ österreich“ angegeben. 54 Herwig Knaus: Die Musiker im Archivbestand des kaiserlichen Obersthofmeisteramtes (1637–1705). Bd. 3. Wien 1969, S. 25. 1694 gibt er an, dass er schon seit 11 Jahren diene. 55 Ebenda, Bd. 2. Wien 1968, S. 133. 56 Kurt Birsak und Gerhard Walterskirchen: „Die Orgelinstrumente im Salzburger Museum Carolino Augusteum“. Jahresschrift des Salzburger Museum Carolino Augusteum 1977/78, 23–24 (1978), S. 70 f.

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II . Op e r a m W ien er K a iser hof **

Vo n M a t t h i a s b i s F e r d i n a n d III . (161 2 –16 5 7)

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II. Oper am Wiener Kaiserhof

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DAS ERSTE MUSIKDRAMA DES KAISERHOFS * Bisher hat man die Einführung der italienischen Musikdramatik und des Balletts am Kaiserhof vor allem der Heirat Kaiser Ferdinands II. mit Eleonora Gonzaga im Jahr 1622 zugeschrieben und die Voraussetzungen dafür in der Italianisierung der Grazer Hof kapelle durch diesen Fürsten schon vor seiner Kaiserkrönung im Jahr 1619 gesehen; diese Musiker – mit Giovanni Priuli und Giovanni Valentini in den leitenden Stellen – nahm er ja anschließend nach Wien mit. Ein unbeachtet in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart unter der Katalogeintragung „Breve relatione del balletto […] S[ine] l[oco] 1617“ auf bewahrtes Druckwerk 1 beweist aber, daß schon am Hof von Kaiser Matthias ein durchkomponiertes panegyrisches Musikdrama in italienischer Sprache aufgeführt worden war, in dessen Zentrum ein Ballett von Cavalieren des Kaiserhofs gestanden war. Am 5. Februar, dem Faschingsonntag des Jahres 1617, als das Kaiserpaar samt Hofstaat in Prag war, wurde „zu Hoff in der Landstuben“ 2 bzw. in „la sala doue ordinariamente si radunano gli stati di Boemia / der jenige Saal […], in welchem die Böhmische Landtständt sonsten Ir zusammenkunfft zuhaltten pf legen“3, am gleichen Tag mit einer Salzburger Reprise der Oper Andromeda,4 von Herren des Adels eine musikdramatische Darbietung veranstaltet. Damit wurde Prag nach Salzburg als zweite Stadt außerhalb Italiens und erste im Habsburgerreich Schauplatz einer solchen. Daß es keine „Oper“ war, sollte uns nicht wundern, denn zu dieser Zeit war diese auch in ihrem Ursprungsland äußerst rar. Man darf eben im Bewußtsein der späteren Entwicklung die Bedeutung der Oper im Rahmen von Festlichkeiten der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts nicht überbewerten. Zu dieser Zeit war sie noch eine seltene Ausnahmeerscheinung, der man zunächst wenig Überlebenschance einräumte. Viel häufiger waren Ballette oder Turniere mit musikdramatischen Einleitungen und Intermedien zu Sprechstücken, was man auch an Monteverdis Werkkatalog sehen kann. Sein Ballo delle Ingrate, 1608 in Mantua aufgeführt und fast drei Jahrzehnte später | für eine Aufführung am Kaiserhof bearbeitet und 100

* Zuerst erschienen in: Österreichische Musik. Musik in Österreich. Beiträge zur M ­ usikgeschichte Mittel­europas, Theophil Antonicek zum 60. Geburtstag, hg. von Elisabeth Theresia Hilscher­ (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 34), Tutzing 1998, S. 99–111. 1 Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart: „Breve relatione del balletto […] S[ine] l[oco] 1617“ (Signatur: Fr.D. fol. 40). 2 Franz Christoph von Khevenhüller: Annales Ferdinandei. Bd. 8. Leipzig 1723, Sp. 1093. 3 So im zitierten gedruckten Libretto / in der beigefügten handschriftlichen Übersetzung. 4 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“. Musicologica austriaca 8 (1989), S. 21 [siehe S. 64].

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II. Oper am Wiener Kaiserhof gedruckt, ist nur das bekannteste Beispiel für solche kleineren szenischen Musikdramen.5 Den Zeitgenossen war es sicherlich – mangels Kenntnis der späteren Entwicklung der Gattung – nicht bewußt, doch im historischen Rückblick können wir heute die erstaunliche Tatsache feststellen, daß die Metropole der italienischen Oper im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts mit mindestens dreizehn Aufführungen zwischen 1614 und 1619, sechs davon solche eines Orfeo – wahrscheinlich des Monteverdischen –, Salzburg war. In Mantua gab es in dieser Dekade nur vier Vorstellungen, in Rom zwei und in Florenz überhaupt keine Oper.6 Das Ballett mit gesungenen dramatischen Partien hingegen wurde zwischen 1608 und 1620 in Florenz kontinuierlich gepf legt,7 und gerade in diese Zeit fällt auch das dieser Gattung angehörende Prager Werk. Sucht man nach deren Nachfolgern am Kaiserhof, kann man sie unschwer in den Indroduttioni di un balletto oder auch in ­Antonio Cestis La Contesa dell’Aria e dell’Acqua finden, dem dramatischen Rahmen zu ­Johann Heinrich Schmelzers berühmtem „Roßballett“ zur ersten Hochzeit Kaiser Leopolds I. 1667. Bei dem Prager Ballett war Erzherzog Maximilian, der Deutschmeister, anwesend, und Erzherzog Ferdinand sollte bald eintreffen und zum König von Böhmen gekrönt werden, sehr zur Unzufriedenheit der böhmischen Protestanten, was fünfzehn Monate später den 2. Prager Fenstersturz zur Folge hatte. Baron Wilhelm von Slavata, ein kaiserlicher Rat, den man unter den Tänzern des Balletts vom Februar findet, sollte dann einer der beiden Defenestrierten werden. Von der vor allem tschechischen Theater- und auch Musikforschung 8 ist diese Veranstaltung schon zur Kenntnis genommen worden, aber nur aufgrund eines 5 Denis Arnold: „Intermedio, ballet and opera in the œuvre of Monteverdi“. In: La musique e le rite sacré et profane. Actes du XIIIe Congrès de la Societé Internationale de Musicologie, Strasbourg 1982. Bd. 1. Strasbourg 1986, S. 363–370, hat mit Nachdruck auf die historische Gewichtung dieser Gattungen hingewiesen, doch mit sehr wenig Nachwirkung. Die Bedeutung der „Oper“ für das frühe 17. Jahrhundert wird nach wie vor überbetont. 6 Vgl. dazu Herbert Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“, S. 17–23 [siehe S. 58–65], und die Artikel zu den genannten italienischen Städten in New Grove of Opera. 7 Denis Arnold: „Intermedio, ballet and opera in the œuvre of Monteverdi“, S. 367. 8 Jirˇ í Hilmera: „K pocˇ átkúm barokní scénografie v Cˇechách“. Cˇ asopis Národniho muzea 131, oddíl veˇ d spolecˇenskych. Praha 1962, S. 135–140 und 219. – Jaroslav Buzˇga: „Prag“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Bd. 10. Kassel 1962, Sp. 1575 f., Abb. 2. – Milena Cˇesnaková-Michalcová: „Humanistické reformacˇ ni divadlo v období znovupevnení feudalismo“. Dèjiny cˇeského divadla 1 (1968), S. 140 f., 148–150, 391, Abb. 64–66. – Oldrˇ ich J. Blažícˇ ek et al.: Kunst des Barock in Böhmen. Recklinghausen 1977, S. 261. – Stanislav Jareš und Tomislav Volek: Dèjiny cˇeské hudby v ­o brazech. Praha 1977, Abb. 125, S. 413 f. – Miloš Šteˇdron: Claudio Monteverdi. Praha 1985, S. 177 f. – Robert Lindell: „Music at the court of emperor Matthias“. Hudební veˇda 27 (1990), S. 297. – Für Hinweise auf einen Teil dieser Literatur und ihre Bereitstellung danke ich Otto G. Schindler (Institut für Theaterwissenschaft der Universität Wien).

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Das erste Musikdrama des Kaiserhofs Einblattdrucks mit dem Bühnenbild und dem eher irreführenden Titel P ­ hasma ­D ionysiacum Pragense. Eines der Exemplare | enthält auch eine kurze deutsche Er- 101 klärung.9 Da hier immer wieder von „recitirten“ Texten die Rede ist, konnte man die Darbietung nicht als durchkomponiertes Werk identifizieren. Auch der Bericht in Franz Christoph Grafen von Khevenhüllers Annales Ferdinandei 10 ist nicht eindeutig genug: „Den 5. Feb. ist zu Hoff in der Landstuben ein stattliches Theatrum auffgericht worden, daß sich unterschiedlich mahlen verkehrt, vnd unter andern ist ein treff liche Singer= vnd Lautenschlägerin aus dem Kaiserl. ­Frawenzimmer aus den Wolcken herfür kommen, vnd lieblich gesungen, darauff ein Tantz vnd Mascara von Cavalliern angefangen.“ Immerhin wurde von den zitierten Theaterwissenschaftlern die Tatsache gewürdigt, daß damit die wohl ä­ lteste Darstellung einer barocken Bühne außerhalb Italiens vorliegt; sie arbeitete ja mit Wolkenmaschinen, Telari mit Baumdekoration und vor allem mehreren Flugmaschinen. Das Libretto 11 klärt den Charakter der Darbietung aber ohne jeden Zweifel: Immer ist von „cantare“ die Rede, und die Begleitung der Verse Merkurs wird vor deren Abdruck sogar genau angegeben: „dentro della scena / in dem Gerüst verborgen“ spielten ein Cembalo, eine Viola und ein Chitarrone. Die Bezeichnung „Viola“ ist hier sicherlich in ihrer allgemeinen Bedeutung für ein nicht näher spezifiziertes Streichinstrument gebraucht. Der Zusammenhang – offenbar wird die Continuobesetzung beschrieben, die mit zwei besaiteten Akkordinstrumenten und einem zur Verstärkung der Baßlinie zeittypisch ist – deutet aber auf einen Violone bzw. Basso di Viola hin.12 9 Die zitierte Abbildung in Jareš und Volek: Dèjiny cˇeské hudby v obrazech, enthält diese. Ihre Überschrift lautet: „Kurtze Beschreibung der Mascaraden so in Anno 1617 der Röm. Keys. Majest. zu Prag von etlichen Herren Standts Representirt worden.“ – Die erhaltenen Exemplare des Stichs lassen übrigens zwei durch Stellung und Größe der die Personen identifizierenden Buchstaben und andere kleine Details verschiedene Auflagen unterscheiden, die durch Vorhandensein und Anbringung der aufklappbaren Teile und ein- oder beidseitigen Druck auf diesen noch weiter differenzierbar sind. Vgl. dazu Abb. 7–9 mit Abb. 10. 10 Khevenhüller: Annales Ferdinandei. Bd. 8, Sp. 1093. – {Antonio Costantini berichtete in mehreren Briefen nach Mantua über „un galantissimo balletto con inventioni, versi cantati, macchine […], nuvole et altre imitationi dell’uso d’Italia; et il principale inventore e chorago di tutte queste gentilezze è il signor conte Giovan Vincenzo D’Arco“, einer der Tänzer. Siehe Le collezioni Gonzaga. Il carteggio fra la Corte Cesarea e Mantova (1559–1636), hg. von Elena Venturini. Cinisello Balsamo 2002, S. 633.} 11 Es ist mit der deutschen Übersetzung und den Bühnenbildern als Herbert Seifert: „Das erste ­Libretto des Kaiserhofs“. Studien zur Musikwissenschaft 46 (1998), S. 35–75 [339–377], publiziert. {Sein Autor und wohl auch Spielleiter und Choregraph war Conte Giovanni Vincenzo d’Arco; siehe Anm. 10.} 12 Zur wahrscheinlichen Identität der mit diesen beiden Termini bezeichneten Instrumente am Wiener Hof im 17. Jahrhundert siehe Herbert Seifert: „Der Violone in Wien im 17. Jahrhundert“. In: Kontrabaß und Baßfunktion. Bericht über die vom 28. 8. bis 30. 8. 1984 in Innsbruck abgehaltene Fachtagung, hg. von Walter Salmen (Innsbrucker Beiträge zur Musikwissenschaft 12). Innsbruck

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Der gesamte Text der Soli und Chöre ist in versi sciolti gehalten, also in Siebenund Elfsilblern in freier Abfolge mit nur gelegentlichen Reimen. Die Vertonung kann teils rezitativisch und teils madrigalesk gewesen sein; da nach Merkurs erstem Textblock ausdrücklich von seinem „Canto“ gesprochen wird, kann man wohl reines Rezitativ – das von den Zeitgenossen ja nicht als Gesang aufgefaßt wurde – ausschließen, insbesondere da seine letzten elf Verse gereimt sind. 102 Das als Bericht („Breve relatione / Kurtze relation“) bezeichnete Libretto gibt als Veranstalter „alcuni Cavaglieri principali della Corte di sua Maestà Cesarea /­ etliche von den Vornehmsten Cavallieren der Kayserlichen Mayestät Hofe“ an und als Anlaß deren Wunsch, dem Kaiserpaar „[…] dare un dilettoso passatempo / zu underthenigsten dienst und lustiger kurtzweil“. Die Art der Darbietung wird folgendermaßen bezeichnet: „un balletto con inventione non più veduta in questa Corte / ein Ballet […] und an disem Hofe zuvor niehmahls gesehener Invention“, was wohl Schlüsse auf die Art der fast ebenso benannten, bisher nur hypothetisch als musikdramatische Einleitungen gedeuteten „inventioni“ von Wien 1622 und Regensburg 162313 zuläßt. Im Sitzungssaal der böhmischen Landstände im Prager Königsschloß wurde eine Bühne errichtet, die die ganze Breite und Höhe des Saales sowie etwa ein Drittel seiner Länge einnahm. An der gegenüberliegenden Wand war ein Thron für Kaiser und Kaiserin aufgestellt, daneben ein Sessel für Erzherzog Maximilian. Entlang der Seitenwände standen je zwei Sitzreihen, die zweite höher als die erste. Rechts waren für die Damen, links für die Gesandten besondere Sitze vorgesehen, die übrigen nahmen die Minister, Beamten, Cavaliere und anderer Adel ein. Der dazwischen liegende Mittelraum blieb für das später folgende Ballett frei. Die Bühne wurde nicht durch einen Vorhang verdeckt, sondern durch eine große Wolke, an deren beiden Seiten eine Felsendekoration mit Quellen und Wasserfällen den Bühnenrahmen bildete. Vor der Wolke blieb ein kleiner Streifen der Bühne frei, von dem zwei Stiegen zum Saalboden herabführten. Als das Kaiserpaar nun seine Plätze eingenommen hatte, erklang plötzlich „eine sehr treff liche ­Music von allerhandt Musicalischen Instrumenten“, also wohl eine in der Partitur als „Sinfonia“ bezeichnete Instrumentaleinleitung zur Handlung, die gleichzeitig mit der Ablösung einer kleinen Wolke aus der Spitze der großen begann; darauf stand der Götterbote Merkur mit seinen üblichen Attributen, der von dieser Plattform blitz1986, S. 87–95, v. a. 90. – Gelegentlich wurde die Baßviola nur „Viola“ genannt; siehe dazu Jiří Sehnal: „Streicherstimmen in den Sonaten der Liechtensteinschen Musiksammlung in Kremsier“. Ebenda, S. 73, und Herbert Seifert: Giovanni Buonaventura Viviani. Leben. Instrumental­werke. Vokale Kammermusik (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 21). Tutzing 1982, S. 147. 13 1622: „una piccola invencione in Musicha con un baletto“, 1623: „un inventione con un baletto“. Siehe Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 589.

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Das erste Musikdrama des Kaiserhofs artig auf den Streifen des Bühnenbodens herabf log – ganz wie 1608 Apollo im Prolog zu Monteverdis Arianna –, das Publikum musterte und dann mit der genannten Instrumentalbegleitung zu singen begann, die, wie es zu dieser Zeit üblich war – etwa in derselben Arianna –, hinter der Bühne unsichtbar spielte. „Dentro della scena“ ist eine in Anweisungen und Beschreibungen häufige Formel, die hier auch wörtlich gebracht wird. Merkur kündigte an, daß er das Zeichen zur Erscheinung der Helden der Antike geben werde, damit sie Matthias und Anna huldigen könnten. Bei seinen letzten Worten verschwand die große Wolke und gab die hell erleuchtete Bühne frei, welche die elysischen Gefilde darstellte. Auf Marmorpodesten saßen paarweise die berühmtesten Monarchen und Königinnen, die fast alle in den folgen|den Jahr- 103 zehnten zu Titelhelden zahlreicher Opern werden sollten: Ninus und Semiramis, Julius Caesar und Camilla, Kyros und Tomyris rechts, links Arsakes und Zenobia, Alexander der Große und Penthesilea, Osman I. und – als genius loci – Libussa, die sagenhafte Gründerin Prags, alle mit Szeptern als Attributen ihrer Macht versehen. Dahinter standen acht der berühmtesten Dichter und Schriftsteller der griechischen und römischen Antike bzw. Mythen mit Lorbeerzweigen in den Händen: Orpheus, sein Lehrer Linus, Homer, Hesiod, Vergil, Horaz, Catull und Ovid. Nun betrat Merkur das Elysium, und ein ebenfalls hinter der Szene verborgener Chor von Stimmen und Instrumenten war mit einem an die seligen Personen gerichteten Kommentar zu hören. Den Text dazu bilden nur sieben Verszeilen, reimlose Settenari mit einem gereimten Endecasillabo als Abschluß – ein Madrigal. Merkur wandte sich darauf an die als Reichsgründer angesungenen Helden mit dem Auftrag Jupiters, Matthias und Anna ihre Reverenz zu erweisen, und verschwand danach. Zuerst der Chor und anschließend ein Sopran und ein Tenor aus seinen Reihen stellten im Wechselgesang und schließlich im Duett Vergleiche zwischen dem Elysium und dem Himmel an. Durch die Wiederholung des Chors nach dem Duett ergab sich eine gewiß auch musikalisch eingehaltene Rahmenform; der Bericht spricht dabei von „incredibile soavità / ohngläublicher Liebligkeit“ des Gesangs. Die zwanzig Personen begaben sich nun von der Bühne über die Stiegen in das ­Parkett, zuerst die Poeten, dann die Helden. Als „Entrata / Auffzug“ sangen ­Orpheus und die anderen Dichter eine weitere Aufforderung an die Könige und Königinnen, dem Kaiserpaar durch ihren Tanz zu huldigen; „alla misura, e tempo delle parole cantate / nach welchem Gesang und desselben mensur“ formierten die Helden und Heldinnen ihre Intrada. Unter Donner und Blitz fuhr plötzlich Amor mit verbundenen Augen sowie Pfeil und Bogen auf einer Wolke herab und sang als „introduttione del balletto / Einführung deß ballets“ ein langes Solo mit der üblichen Begleitung, das heißt wohl mit den Instrumenten, die auch Merkur die Generalbaßstütze geboten hatten (s. o.). Er berichtete, wie seine Mutter Venus ihn in ihrem Schoß geweckt habe, damit er sich 329

II. Oper am Wiener Kaiserhof zu der illustren Versammlung am Kaiserhof begebe. Hier setzte der unbekannte Librettist das seit den ersten Opern beliebte Mittel des beziehungsvollen Echos ein, das auf den Versschluß „Diana“ „di ANNA“ widerhallte. Die Heroen tanzten anschließend das Ballett, das nach dem Bericht sowohl wegen seiner Neuheit und Ordnung als auch wegen der Pracht der Kostüme bei den Majestäten und allen Zuschauern höchste Zustimmung erhielt. Der Stil ist der in den Tanzbüchern von Fabritio Caroso und Cesare Negri überlieferte. Zur Raumsymmetrie kommt die dort beschriebene sukzessive Körpersymmetrie, indem jede Bewegung und Gestik links begonnen und rechts wiederholt wird. Wir sehen eine 104 Mutanza, eine virtuose Variation, | der männlichen Herrscher, während die adeligen Herren, die die Königinnen darstellen, in der üblichen Ausgangs­position mit dem linken Fuß etwas hinter dem rechten stehen, um anschließend vermutlich selbst eine Mutanza zu tanzen. Die Haltung der Szepter entspricht derjenigen der Fackeln in zwei Choreographien, die 1599 in Mailand zur Hochzeit zweier Habsburger, Erzherzog Albrechts und der Infantin Isabella d’Austria, getanzt und 1602 von Cesare Negri 14 publiziert worden waren.15 Wie man auf zwei nur auf einem Exemplar des Einblattdrucks in englischem Privatbesitz aufgeklebten weiteren Ballettfiguren erkennen kann, formierten sich die Tänzer zu den Initialen der Namen des Kaiserpaars, M und A 16. Als Abschluß des Balletts tanzten die Helden und „Königinnen“ mit Damen des Publikums, was deutlich die noch nicht vollständige Trennung von Bühnentanz (Ballett) und Gesellschaftstanz zeigt.17 Nun begab sich Merkur wieder auf die Bühne und rief die Helden ins Elysium zurück, wobei er es nicht unterließ, sein Verständnis für die auf die schönen Damen zurückzuführende Verspätung auszudrücken; er selbst hätte nämlich durch die Anschauung einer hier anwesenden, nicht genannten Schönheit fast das Paradies verlassen. Orpheus stimmte nun einen Lobgesang auf das herrliche Königreich 14 Cesare Negri: Le Grazie d’Amore. Milano 1602. 15 Diese tanzhistorischen Details verdanke ich der freundlichen Auskunft von Sibylle Dahms (Abteilung Tanz und Musiktheater „Derra de Moroda“ des Instituts für Musikwissenschaft der Universität Salzburg). 16 Jirˇ í Hilmera: „K pocˇ átkúm barokní scénografie v Cˇechách“, S. 219. – Die Darstellung der ­vollen Namen der Geehrten oder nur der Initialen durch die Aufstellung von Ballettänzern läßt sich auch in den bald folgenden Balletten an Habsburgerhöfen nachweisen: 1622 ebenso wie im ­Fasching 1631 in denen, die die Kaiserin Eleonora veranstaltete und entwarf (siehe Andrea ­Sommer-Mathis: Die Tänzer am Wiener Hofe im Spiegel der Obersthofmeisteramtsakten und Hof­ parteienprotokolle bis 1740 [Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Ergänzungsband 11]. Wien 1992, S. 9. – ­Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 129. – Ders.: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am Wiener Hof der Habsburger und ihre Allegorik 1622–1699 [dramma per musica 2]. Wien 1988, S. 15 und 92 f., Abb. 6–7) und 1626 in Innsbruck (siehe Walter Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Innsbruck 1954, S. 224). 17 Vgl. zu dieser Problematik Andrea Sommer-Mathis: Die Tänzer am Wiener Hofe im Spiegel der Obersthofmeisteramtsakten und Hofparteienprotokolle bis 1740.

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Das erste Musikdrama des Kaiserhofs Böhmen an, den die Poeten aufgriffen; deren Chor stellte gleichzeitig die Retirata (Abzug) dar, zu der die Helden die Bühne wieder bestiegen. Kaum hatten sich die Herrscher wieder gesetzt, als der Prospekt zum Klang ­einer süßen Sinfonia einen noch strahlenderen zweiten Himmel freigab, in dem auf ­einer transparenten Wolke die Ehre (la Gloria) der Casa d’Austria thronte. ­Homer beschrieb ihr Äußeres, Vergil ihren Ursprung, und im Duett forderten die beiden das Publikum auf, ihrem „angelico canto“ / ihrer „Englischen Stimme“ zu lauschen. Die Ehre pries nun das „stirpe de semidei / göttlichs Geschlecht“ der Habsburger und führte nach einer Sinfonia als Beispiel für seine Größe das ehedem mit Feuer, Schwert und Blut überzogene Königreich Ungarn an, das nun befriedet sei.18 Auf eine weitere – wohl immer wieder dieselbe – Sinfonia stimmten Homer und 105 Vergil in das Lob Habsburgs und der Moldau ein und gaben der Hoffnung auf Sieg über die Türken, die Einigung der geteilten Monarchie und ewigen Frieden wie im Goldenen Zeitalter Ausdruck. Die Sinfonia wurde vor dem folgenden langen Gesang der Ehre und jeweils nach einem der einige Zeilen umfassenden acht Abschnitte gespielt; der Text sprach von der äußeren und inneren Schönheit der direkt angesungenen Kaiserin, und schließlich befahl die Ehre den Wolken zu verschwinden und die als Sterne in den Himmel geschriebenen Namen des Kaiserpaars freizugeben. Dieser klärte sich darauf hin von allem Gewölk und zeigte die mit Sternen geschriebenen Namen Anna und Matthias oder eher, wie der Szenenstich zeigt, deren Initialen, mit der habsburgischen Hauskrone verziert.19 Der Chor der Poeten sang darauf ein Madrigal aus fünf gereimten Elfsilblern des Inhalts, daß dieses Gestirn den auf den Meeren herumirrenden Schiffen ein sicherer Führer sein solle. Mit dem letzten Vers durch Reim verbunden war dann auch der letzte Gesang der Ehre, in dem sie wünschte, daß das neue Sternbild den Menschen ein Zeichen von Heil und Frieden werde. Den glänzenden Abschluß bildete die Vereinigung aller sichtbaren und verborgenen Singstimmen („Chori“), die, von den Instrumenten verstärkt, die letzten beiden Zeilen des Gesangs der Ehre bekräftigend – als rhetorische confirmatio – wiederholten: Cosi eterni saran de lor splendori Indici gl’ochi, e calamita i Cori. 18 Damit ist wahrscheinlich sowohl die relative Beruhigung mit der habsburgischen Herrschaft seit 1526 nach den wirren Verhältnissen vorher gemeint als auch der Frieden zu Wien 1606, in dem sich Matthias mit Stephan Bocskay, Fürst von Siebenbürgen, geeinigt hatte, und die vorläufige Beendigung des Kriegs mit den Osmanen im Frieden von Zsitvatorok 1606, der 1615 um weitere 20 Jahre verlängert worden war. 19 Die Darstellung der Krone differiert auf den beiden genannten Auflagen; in der mit dem Libretto überlieferten sind die kleeblattartigen Verzierungen auf dem Ring erkennbar (Abb. 9); ihre Spitze ist hier durch den Aufkleber verdeckt, doch auf der anderen Auflage ist dort ein Kreuz sichtbar. Es handelt sich um die 1602 für Kaiser Rudolph geschaffene Krone.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Wie der Berichterstatter noch abschließend erklärt, gab diese inventione di balletto den Darstellern der Helden und anderen Hof herren am nächsten Tag Gelegenheit zu einem Ringel- und Quintanarennen. Das am Ende der Relation stehende Personenverzeichnis gibt die durch Buchstaben auf dem Stich identifizierbaren Mitwirkenden an, wobei Merkur, die Ehre und die Poeten nicht namentlich genannt sind, da sie ja von Sängern dargestellt wurden. Nach Khevenhüllers oben zitiertem Bericht wurde die Rolle der Ehre von einer „treff liche[n] Singer= vnd Lautenschlägerin aus dem Kaiserl. Frawenzimmer“ verkörpert, die aber sicherlich nicht eine Dame des Hofadels war – ihr Name wäre sonst auch genannt worden –, sondern eben eine Musikerin des Hofstaats, mög106 licherweise Angela Stampa. 20 Eine Laute ist übrigens auf | dem Stich mit der Abbildung der Ehre nicht erkennbar. An italienischen Sängern standen zu dieser Zeit in der Hof kapelle außerdem zumindest der Sopranist Pietro de Naghera und der Altist Francesco Mengacci zur Verfügung; 21 von den Instrumentalisten kann man den Lautenisten Pietro Paolo Melli 22 als wahrscheinlich Mitwirkenden namhaft machen. Für die Einstudierung der Ballette kommt der Edelknaben-Tanzmeister Giovanni Paolo Padoan in Frage. 23 Im Gegensatz zu den Berufssängern sind die zwölf Darsteller der Heroen und Königinnen namentlich genannt, Barone und Grafen, darunter eben auch, wie gesagt, Baron Wilhelm von Slavata, eines der Opfer des Prager Fenstersturzes des folgenden Jahres, der als Ninus an erster Stelle angeführt wird. Die übrigen waren Friedrich von Thalemberg, Graf Giovanni Vincenzo d’Arco, Heinrich von Kolowrat, Graf Maximilian von Dietrichstein, David von Zernhaus, Ferdinand von Nomi, Geoni Aclaz von Losenstein, Georg Dietewatz von Losenstein, Burian Kaplirz von Sule, Johann von Wratislaw und Georg von Brandis.*

20 Horst Link: Musik und Musiker am Hofe des Kaisers Matthias (1612–1619) im Spiegel der Hofzahlamtsbücher. Diplomarbeit Universität Wien 1996, S. 94 f., gibt die Zeit ihrer Anstellung als „Cammer Musicantin“ mit 1. April 1617 bis 15. November 1618 an; im Hofzahlamtsbuch 68 (1619) wird sie überdies als „Cammer Gitaristin“ geführt, was gut zu der Beschreibung der Sängerin als Lautenistin passen würde. 21 Ludwig Ritter von Köchel: Die kaiserliche Hofmusik-Kapelle in Wien von 1543 bis 1867. Wien 1869, S. 55. 22 Ebenda, S. 56. 23 Er stand vom 16. November 1616 bis 30. April 1619 in Diensten Kaiser Matthias’. Siehe Horst Link: Musik und Musiker am Hofe des Kaisers Matthias (1612–1619) im Spiegel der Hofzahlamts­b ücher, S. 130 f. {Siehe aber die Nachträge zu Anm. 10 und 11.} * Abb. 7–9 und 12: Breue relatione del balletto fatto auanti le M.Mta dell’Imperatore, & ­I mperatrice a di. 5. di Febr: 1617. (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek. Signatur: Fr.D. fol. 40); Abb. 10: München, Deutsches Theatermuseum, Inv. Nr. A911; Abb. 11: Jiří Hilmera: „Ještě k počátkům barokní scénografie v Čechách“. Časopis Národního muzea 131 (1962), S. 219.

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Das erste Musikdrama des Kaiserhofs 107

Abb. 7

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II. Oper am Wiener Kaiserhof 108

Abb. 8

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Das erste Musikdrama des Kaiserhofs 109

Abb. 9

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II. Oper am Wiener Kaiserhof 110

Abb. 10. Bild am unteren Rand beschnitten.

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Das erste Musikdrama des Kaiserhofs 111

Abb. 11

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II. Oper am Wiener Kaiserhof

Abb. 12

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DAS ERSTE LIBRETTO DES KAISERHOFS * Am Faschingsonntag des Jahres 1617, am 5. Februar, war Kaiser Matthias in Prag, zusammen mit seiner Gemahlin Anna und dem Hofstaat. Einige von dessen Mitgliedern veranstalteten zur Unterhaltung und auch politischen Verherrlichung ­i hres Monarchen auf dem Hradschin ein Ballett mit durchkomponiertem dramatischem Rahmen. Sie wirkten auch selbst mit, doch der vokal- und instrumentalmusikalische Teil sowie die Bühnenausgestaltung und -technik war wohl kaiserlichen Künstlern anvertraut. Dazu ist eine gedruckte Beschreibung mit dem kompletten Text und Bühnenbildstichen erschienen, dessen einzig bekanntem Exemplar eine handschriftliche deutsche Übersetzung beigebunden ist.1 Ein Titelblatt fehlt, damit auch Autor, Drucker und Druckort. Dieses Libretto erschien also vierzehn Jahre vor dem bisher als erstes Libretto des Kaiserhofs angesehenen zur Hochzeitsoper La Caccia felice, Wien 1631. 2 Wegen seiner Bedeutung als ausführliche Dokumentation des ersten musikdramatischen Werkes, das an diesem Hof aufgeführt wurde, soll es hier samt der Übersetzung abgedruckt werden. Ein Faksimile kommt wegen der schlechten Lesbarkeit auch des Drucks – die jeweiligen Rückseiten schlagen durch – kaum in Betracht. Der Bühnenbildstich – auch dies der erste erhaltene vom kaiserlichen Hof (ihm sollten erst 1652 weitere folgen 3 ) – zeigt durch wegklappbare Auf kleber vier verschiedene Stadien des Geschehens. Dabei wird allerdings eine gewisse Unlogik in Kauf genommen, indem Personen gleichzeitig auf der Bühne und im Parkett des Zuschauerraums beim Ballett gezeigt werden. Bei der Transkription wurde die Kursive des italienischen Textes durch Kursivdruck wiedergegeben; in der deutschen Version sind diejenigen Worte kursiv gesetzt, die sich durch Lateinschrift vom in Kurrent gehaltenen sonstigen Text unterscheiden. Eine Besprechung dieser Aufführung und des Librettos erscheint etwa gleichzeitig in der Festschrift Theophil Antonicek zum 60. Geburtstag.4

* Zuerst erschienen in: Studien zur Musikwissenschaft 46 (1998), S. 35–75. 1 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Fr.D. fol. 40. 2 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 33. 3 Zu La Gara vgl. ebenda, S. 441. 4 Herbert Seifert: „Das erste Musikdrama des Kaiserhofs“. In: Österreichische Musik – Musik in Österreich. Beiträge zur Musikgeschichte Mitteleuropas. Theophil Antonicek zum 60. Geburtstag, hg. von Elisabeth Theresia Hilscher (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 34). Tutzing 1998, S. 99–111 [325–338].

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Breue relatione del balletto fatto

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auanti le M.M ta dell’Imperatore, & Imperatrice a di. 5. di Febr: 1617.

esiderando alcuni Cauag ri principali della Corte di sua M ta Ces a per seruire, e dare alle M ta sua, & della Imperatrice un dilettoso passatempo, d’introdurre un balleto con i­ nuentione non più ueduta in questa Corte, unitamente concertorno, che l’attione sequisse nel modo, che qui di sotto si andera breuemente descriuendo. Fu eletto cosi per il commodo delle M ta loro, come per esser luogo più á p­ roposito; & ­b asteuolmente atto per il loro pensiero, la sala doue ordinariamente si ­radunano gli stati di Boemia, & quiui si fece formare una Scena con molto a­rtificio, e vaghezza, non solo per corrisponde[n]za dell’ inuentione da introdursi; mà ­ ­perche gli occhi de riguardanti, a­llettati nel primo ingresso, da cosi vaga v­ista ­facessero gli animi piu attenti, e preparati a piu n­ obil godimento. Occupaua la ­S cena ­tutta la sala per larghezza, e circa la terza parte per ­longhezza, ­a riuando in alto sino al volto. Tutto il rimanente era diuiso in questa ­m aniera. All’ in ­contro della prospettiua vicino al muro era il Trono dell’ una, & dell’ altra M ta, e quiui vicino accomodato il luogo per il Ser mo Arciduca Maßimigliano, & a­ presso dall’ un, e l’altra parte a guisa di Teatro, erano fatti i gradi con ordine doppio, e ­corrispondente l’ uno sopra l’ altro, per commodità de spettatori; a banda destra ­s edeuano ­o rdinatamente secondo la dignità e qualità loro, le Signore, e Dame di ­C orte, e del R ­ egno, alla s­ inistra gli Ambasciatori de Prencipi ne sedili per loro preparati, e di mano in mano poi ne ­g radi cosi di sotto come di sopra i ­M inistri, Vfficiali; Cau ri, el’ altra Nobiltà concorsaui, ­L asciandosi tutto lò spacio di ­m ezza vacuo proporcionatamente per l’ attione da farsi. ­Vedeuasi la prospettiua della Scena in questa maniera formata, quasi tutta era occupata da una ­g randißima nuuola, eccetto che dall’ una, e dall’ altra parte erano finti alcuni scogli, e grotte con diuerse discese d’ acqua, & in fontane, & in altre p­ iaceuoli m ­ aniere. Inanzi la gran nuuola in mezzo la prospettiua era un bellissimo ordine di balaustri, piedestalli, e gradi per li quali dall’ una parte, e dall’ altra si ascendeua dal ­p auimento della sala sopra un picciol palco, che sporgeua in fuori della scena, e da esso parimente si scendeua per gli detti gradi nel pauimento.

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Venuta l’ hora da darsi principio al designato balleto, si trasferirono le M ta loro nella s­udetta sala, le quali assise nel loro Trono, & accomodatosi ciascuno ne l­uoghi loro, si senti in un subito una soauissima armonia di diuersi ­instromenti musicali, e nell’ istesso tempo per diletto de gli orecchi, & de gli occhi de gli ­spettatori si uidde dalla sommità della gran nuuola spiccare una picciola n­ uuoleta, sopra la

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Das erste Libretto des Kaiserhofs Kurtze relation deß Ballets, so den 5.ten Februarij Anno 1617. vor der Röm: Kay: 37 Mayt. vnnd der Kayserin zu Prag gehaltten worden./. Alß etliche von den Vornehmsten Cavallieren der … Mayt. Hofe sich entschlossen, deroselben zu vnderthenigsten dienst vnd lustiger kurtzweil, ein Ballet, … vnd an disem Hofe zuvor niehmahls gesehener Invention auffzuführen, haben sie sich einhellig dahin verglichen solche action auff kürtzlich nachbeschribene weise anzustellen. Den Orth betreffendt, warde sowol zu Ir.r Mayt. besserer commoditet, alß auch der Vorhabenden action bequemligkeit, der jenige Saal erwehlt, in welchem die B öhemische Landtständt sonsten Ir zusammenkunfft zuhaltten pf legen, vnd ­ ­d aselbsten ein sehr schön vnd kunstreiches Gerüst zugericht, welches nicht allein auff bevorstehende Handlung treff lich accommodirt, sondern auch wegen seiner Schönheit die Augen der Zuseher höchlich erlustiert vnd die gemüter zu ­mehrern auffmerckhen verursachen thete. Gemeldt Gerüst erfüllte nach der Braittin den Saal von einer Wandt zu der andern, erstreckte sich nach der längin auff den ­d ritten theil deß Saals, vnd reichte in der Höhe biß an desselben Deckhin. Daß übrige wahr volgender gestallt abgetheilet. Gleich gegen über an der Wandt seindt Ir.r M.M.ten Trohn, vnd dan nechst darbey eine Session für Ire Dht. Ertzhertzog Maximilianum etc. zubereitet, so dan zu einer vnd der andren seiten, in form eines theatri, die Schaubünne in gedoppeltter Ordnung einer höher alß der ander, für die ­s pectatores auffgerichtet worden. Da dan zur rechten handt daß ­Frauenzimmer deß K. Hofes, wie auch andere vßer dem Königreich Böhem. zur linckhen aber ­frembder Herrschafften anwesende Abgesandten, gesessen. Volgendts ist der bezirckh hin, vnd wider von den Kayserlichen Officiern, Cavallieren vnd dem übrigen Adel ­b eschlossen, daß Mittel aber zu der action lehr gelassen worden. Obgemeldtes gerüst nun wahr mehrertheils mit einer sehr großen wolckhen bedeckt, außgenommen daß zu beeden seiten etliche Felsen vnd Grotten von allerhandt kunstlichem Sprinng: vnd Bronnenwerckh gesehen wurden: Vor gedachter Wolckhen, vnd gleich in der Mitten, wahren zu beeden seiten etliche Staffeln in sehr schöner ordnung erhoben, auff welchen man von dem Esterich oder boden deß Saals auff einen kleinen Brükhen, so von dem Gerüst herfür reichete, auff vnnd absteigen kontte. Alß nun die Stundt vorhanden, vnd dem Ballet ein anfang soltte gemacht ­werden, 39 verfüegten sich Ire Kay. Mayt. in den Saal vnd setzten sich in dero auffgerichten Trohn. Da auch andere Zuseher, ein jeder seinem Standt gemäß sein Ort eingenommen hatte, liesse sich einmahls eine sehr treff liche Music von allerhandt ­Musicalischen Instrumenten hören; Da dan alspalten vnd zugleich von der Höhe der grossen Wolckhen, ein kleines wölklein sich herfür thate, auff welchem

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II. Oper am Wiener Kaiserhof

quale era Mercurio non men ricco, che uagamente uestito col solito habito con cui egli ordinariamente uien descritto, e col caduceo in mano, e ­u enendosene essa nuuoletta al destinato luogo, di doue Mercurio quasi ­u olando doueua ­scendersene, egli cosi uelocemente ch’ à pena l’ occhio potette a­ ccorgersene, se ne arriuo per l’ aria, e si poso sopra il picciol palchetto, e rimirato che hebbe attorno a­ ttorno il Teatro, diede principio à cantare i seguenti uersi al suono di un Clauicembalo, d’ una uiola, e d’ un Chitarrone, che accompagnauano la sua uoce, & erano ­s onati di dentro della scena senza potersi uedere da chi.

MERCURIO.

L asciat’ ho’l Cielo, & de stellati giri

Le stanze eterne, al basso Mond’ io uengo, Mi manda il sommo Gioue Per far qua giu le piu stupende proue, Ch’ uscisser mai da questa Verga fatal, che d’ angui attorta i[o] porto. Ben fia stupor, ben marauiglia impressa Nella mente, e ne’ petti Di uoi mortali all’ hora Quando da noui, e non piu uisti effetti L’alta cagion del uenir mio saprete. All’ hor si, che fia noto Il poter di chi manda, Il saper di Mercurio, e la uirtude Di quest aurata verga alme felice, De precetti del Ciel esecutrice. Ella farà, che questa Altra nube si sgombri, a gl’ occhi uostri Apprirà l’ uarco, onde con gioia immensa Sorger uedrete un nouo Ciel terreno, Gli Elisei Campi auenturoso albergo Fortunato ricetto de gli Eroi; D’ indi con pompe inusitate, e noue A miei cenni uscir fuori Faro lucenti d’ oro, e gemme adorni Dell’ un’ e l’ altro sesso i piu famosi Per ualor, per bellezza, e per Impero Di Cui la fama al uero In uan guinger [sic] presume,

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Das erste Libretto des Kaiserhofs ­M ercurius, mit seinem Scepter vnd gewohnlichem habitus treff lich gezieret herab gefahren kame. Nachdem nun berürtes wölcklein an daß bestimbte Orth, da sich Mercurius gleichsamb f liegendt herunter lassen soltte, gelangte, machte er sich so geschwindt vnd fast in einem augenblickh, durch die lufft auff oberwehntes Erckherlein hernider, thete daß theatrum vmb- vnd vmbsehen vnd fieng darauff an ein gantz liebliches gesang, ohngefahr nachfolgendts Inhalts zusingen, dadan sein Stimmen durch ein sehr liebliche ohnsichtbare vnd in dem Gerüst verborgene Music accompagnieret vnd begleitet worden. Mercurius. Auß befelch vnd Verordnung deß großen Jovis hab ich den Himmel verlassen, hierunden auff Erden bey Euch Sterblichen, durch Crafft dieses meines ­C aducei vnd Fridenstaabs ein ohnerhörtes wunder zu würckhen, dergleichen bey den Menschen vormals nieh gesehen, vff daß die Macht Mercurij vnnd diser vergültten Rueten vmb so viel mehr erkandt werde. Dan durch selbige würdt vor Euren Augen gegenwerttige große Wolckhe verschwinden dargegen mit höchster freud ein Neuer irdischer Himmel, ja die Eliseische Felder, alß die herberg aller dapfferen ­Helden vnd Cavallieren sich offenbahren. Von dannen ich alspalden durch mein einiges Winckhen, die jenige von beederley geschlecht in allerziehrlichstem ­Ornath, heraußzubringen verspreche, deren Valor, Würdin, Schönheit, Heerschafft, ­



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II. Oper am Wiener Kaiserhof Se ben con licui, e con ueloci piume S’ affatica, e procura Erger il nome lor sopra le stelle. Faro, che questi al dolce suono, al canto Del Tracio Orfeo, dell’ infelice amante, Con cui trasse à se fiere, e piante, e sassi, A gl’ armonici accenti, De seguaci Poeti, Mouan festosi, e lieti, E figan, l’orme, i passi Spingend’ alteri in quest’ ampio Teatro, Per nichinar [sic], per riuerir diuoti I L PR ENCE DE MONA RCH I Dell’ Impero Roman gloria, e sostegno; A lei ch’ in Regio Trono, in seggio Augusto Di Corona, e di Scetro Gemmata splende, e qual Consorte è in terra Tal fia di lui Compagna in Ciel felice A N N A D E L L E R E G I N E I M P E R AT R I C E . Questa schiera gentile Darà prostrata humile Segno d’ ossequio à lei, Douut à lei, di cui l’ almo splendore Se non super’ il sol, non è minore. Mà tempo è hormai, che del Rettor de Dei Il gran precett’ adempia; Sgombrate nubbi il velo Apprite il passo, al messagier del Cielo.

A ll’ ultime parole del Canto di Mercurio si sgombrò la nuuola, e laßiando scoper-

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ta la Scena lucidißima à marauiglia per la gran quantità di lumi, che in diuerse parti di essa erano cosi maestrouolmente posti, che dallo splendore in fuora non era poßibile a vedersi da circostanti; Apperuero i campi Elisij con tutti quei ornamenti, e vaghezze, che dai piu famosi Poeti sono stati descritti, & in eßi dall’ una, & dall’ altra parte erano aßisi sopra piedestalli finti di bianchißimo marmo gentilmente lauorati & ornati di mascheroni d’ oro, & d’ altri intagli i piu famosi Eroi ­M onarchi del Mondo, e le piu belle, e ualorose Regine cioè Nino, e Semiramide, Giulio ­C esare, e Camilla, Ciro, e Tomiri dalla banda dritta, & dalla sinistra Arsace, e ­Z enobia, Alessandro Magno, e Pantasilea, Ottomano, e Libussa. Erano i sudetti Personaggi à due, à due, cioè uno Monarca, & una Regina vestiti oltre ogni credenza

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Das erste Libretto des Kaiserhofs Macht vnd Gewalth, durch daß schnellf liegende Gerücht, niehmahls gnuegsamb an den tag gebracht worden; Ja durch süesseß gesang vnd holdtseelige Melody, deß wolbekhandten, gleichwol ohnglückseelig Liebhabenden Orphei, mit welchem er auch alle ohnvernünfftige Creaturen an sich zu ziehen vermöcht, will ich verschaffen, daß selbige löbliche Gesellschafft, mit ihrem dapfferen Auffzug vnd wunderbahrlich erzeigend geschickligkeit, disem Grossen Monarchen deß Römischen Reichs Zierd vnd Erhalttern, sampt Ir.r M.t hochgepreyster Gemahlin alß aller ­Königin lobwürdigsten Kayserin, vor ihrer M.M.te n Trohnen, in höchster dehmuth, zu Anzeig allervnderthänigsten gehorsambs, gebührende Ehr vnd reuerentz erweisen sollen: Nunmehr aber ist es Zeit deß großen Gottes gebott zuerfüllen. Weichet demnach ir Wolckhen vnd thuet dem himmlischen Abgesandten die Straß eröffnen.

Auff dise letste Wordt Mercurij zertheilt vnd verzoge sich die große Wolckhe 43 vnd ließe daß Gerüst entdeckt, mit solcher übermaßiger Clarheit, so durch grosse ­m änge der an vnterschidnen Orten sehr kunstlich versetzter Liechter verursacht worden, daß Menniglichen von solch ohnversehenem glantz daß gesicht gleichsamb vergangen: Es erschienen die Eliseische Felder mit solcher Zierd, Schöne vnd liebligkeit, alß selbige jemahls auch von den berümbsten Poëten beschriben vnd abgebildet worden; Inn selbigen sich zu beeden seiten auff über die maaß köstlichen ­Marmorsteinen mit goldt vnd anderer köstligkeit gezierten Sitzen, die vornehmste berühmbtste Helden vnd Monarchen, nicht weniger auch die Schönste vnd dapfferste Königinnen der Weltt, sehen liessen. Alß nahmlich auff der Rechten Handt Ninus vnd Semiramis, Julius Caesar vnd Camilla, Cyrus vnd Tomyris: Zur linckhen aber Arsaces vnd Zenobia, Alexander Magnus vnd Penthasilea, Ottomannus vnd ­L ibussa. Dise benandte Persohnen wahren Paar vnd Paar, daß ist jederzeit ein Monarch sampt einer Königin mit gleichsamb ohngläublich cöstlich vnd brächtiger 345

II. Oper am Wiener Kaiserhof con ricchi, e pomposi habiti, li quali per la nouità, & arte con la quale erano fatti non si poteuano satiare gl’ occhi de spettatori di rimirare. La forma loro era tutta variata d’ inuentione, e di foggia, di colori, di ricami, di girelli, di manichi, di Corone Regali, & Imperiali, & haueua particolarmente ciascuno nel suo cimiero fra l’ ornamento delle piume le solitei [sic] imprese, che denotauano la loro Monarchia, e scetri gioelati, e d’ oro nelle mani. Mà tutte le diuersità de gli habiti corrispondeuano a parte, per parte al commun concerto dell’ inuentione, si che tutti unitamente con la ­u aghezza, e con lò splendore delle vesti, e gioie faceuano di se una marauigliosa, e ­d iletteuolißima uista. Verso l’ ultima prospettiua dall’ una parte, & dall’ altra ­s tauano in piedi quatro Poeti per banda, de primi, e piu famosi, che da gl’ antichi scrittori siano nominati frà Greci, e Latini cioè Orfeo, Lino Homero, & Esiodo, Virgilio, Horatio, C ­ attulo, & Ouidio uestiti tutti con habiti, e ghirlande all’ antica, mà fatti ­p omposamente, con seta, & oro; de quali habiti tutti eßendo quasi impoßibile à farne relatione con la p­ enna saranno alla fine della presente scritta posti i disegni, e con eßi nell’ istesso modo rapresentate, e la prospettiua della Scena, e le Deità, che ui apparsero. Sgombrata la nuuola, & entrato Mercurio nè Campi Elisij il Choro di dentro di diuerse voci, & instromenti musicali cantò i sequenti uersi.

CHORO.

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G ioite alme felici Ecco l’ Noncio Celeste Che dall’ eterne sfere Noue gioconde aporta E con soaui acenti Suol sempre radoppiar nostri contenti. Dopo la musica, & canto del Choro, Mercurio voltatosi a’ gli Eroi liquali di già al cenno di lui s’ erano leuati in piedi, espose loro il commandamento di Gioue in questa forma.

MERCURIO.

Vdite uoi, che de Mondani Imperi

Fondaste i piu famosi, Voi ch’ uedeste l’ onda, E la Terra soggietta al scetro vostro E voi che sotto l’Ostro Della guancia amorosa,

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Das erste Libretto des Kaiserhofs Kleidung angeleget; daß also so wol wegen cöstligkeit, alß sonderbahrer Neuer form vnd façon die Zuseher selbige anzuschauen daß gesicht nicht gnuegsamb ersettigen können. Die form derselben war allerdings also [he]rrlich, so wol an frembder manier vnd farben, alß cöstlichem gestickh, gebremdt, gemäldt, auch cöstlichen Keyser: vnd Königlichen Cronen, vnd hatte ein jede Persohn, neben einem gulden Scepter, vff ihrem Helm vnter den Federn vnd anderer Hauptzierd die gebührende impresa, so deroselben Monarchy denotiren vnd anzeigen thete. Der Unterschied der Kleider aber correspondierte dermaßen mit der vorhabenden Invention also das sie insgemain, so wol dero Schönheit, alß deß herrlichen glantz vnd Cöstligkeit wegen, über die massen lieblich anzuschauen waren. Ferner stunden, noch weitter der perspectiv nach hinein, zubeeden seiten vier der vornembsten Poëten welche von den altten Scribenten so wol Griechischen alß ­L ateinischen namhafft gemacht worden, alß da seindt: Orpheus, Linus, ­H omerus vnd Hesiodus, Virgilius, Horatius, Catullus vnd Ovidius. Dise waren auff altte ­Manier gantz stattlich von Seiden vnd goldt bekleidet auch mit LorberCräntz gezieret: Dieweilen aber nicht möglich solche Kleidungen allerdings zu beschreiben, ist zu der Beschreibung etlicher maßen ein Abriß gemacht worden, selbige zusampt der prospectiv deß Gerüsts vnd inn sich halttenden Göttern, so dannzumahlen erschinen vnd sich sehen lassen, zu repraesentiren. Nachdem nun obgedachter maßen die Wolckhe zertheilt, vnd Mercurius in daß Eliseische Feldt getretten, fienge der gantze Chorus inwendig selbigen feldts mit unterschidlichen Stimmen vnd Musicalischen Instrumenten an zu singen vnd Musicieren, ohngefahr folgenden Innhalts: Chorus.

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Freuet Euch ir grückseelige Seelen, die weiln ir von deß Himmels höchsten Trohn, disen Himmlischen Abgesandten sehet erscheinen, welcher durch sein glückliche Ankhunfft, unser freud jederzeitten vermehren thut. Nach diser deß gantzen Chori volnbrachter Musica wandte sich Mercurius gegen den Helden, welche auff sein Winckhen sich albereith auffrecht gestellt hatten, vnnd hielt innen den befelch Jovis nachfolgenden Innhalts vor: Mercurius. Höret mir zu ir Monarchen, die ir auff diser Weltt die vornehmste Reich fundirt vnd Euren Keyserlichen Sceptern so wol daß Meer alß die Erden Vnterwürff lich gemacht habet: 347

II. Oper am Wiener Kaiserhof E sott’ il bianco latte Del petto Virginal teneste ascosa Quella Maschia virtu, che poi s’ offerse Cosi palese al mondo, Che nè stupi la terra, el mar profondo; Vnitamente dico A voi che di Corone, E di lucente acciar coprist’ il crine De quest’ opere Eccelse, e peregrine All’ immortalità sacraro il nome. Stabilit’ è nel Cielo Che tributo si doni Da voi ossequio, e riue[re]nza humile All’ August’ Inuittißimo M AT T H I A A D A N N A I M P E R AT R I C E Di beltà, di virtù uera fenice Premio condegno à meriti celesti, Cosi commanda, e uole Chi porge lume, e chi dà moto al Sole. 46

Finita c’ hebbe la sua espositione, & ambasciata, egli spari dalla scena, e da gli ochi de circonstanti; & essendosi gli Eroi posti a’ sedere, in continente, si senti una soaue sinfonia, la qual finita, il sudetto Choro cantò gli seguenti versi:

CHORO.

O’  Soggiorni felici Auenturosi, e cari Set’ emuli del Ciel de giri suoi Egli stanza de Dei voi degl’ Eroi. Dopo il qual Choro, un canto, & un tenore alternatamente, & poi nel fine ambidue uniti fecero la seguente leggiadra comparatione de campi Elisij col Cielo. Canto. 348

B en le di lui sembianze Maravigliose, e rare a’ noi scoprite, Egli ha’ l suol di zaffiro I fior di stelle, e di Piropo eterno Risplende si, che par, ch’ acceso auampi.

Das erste Libretto des Kaiserhofs Höret zu ir inn Schönheit Nimmer gnueg gelobte Dames, welcher Mannliche ­Tugenden, in ihren zahrten jungfreulichen hertzen verborgen ligendt, gleichfals die gantze Weltt, zusampt dem tieffen Meer umbgeben haben. Euch die ir Eure Haar mit Hellgläntzenden gekrönten Hellmlinen bedeckt, vnd durch die ­Thugendt Euere Nahmen ohnsterblich gemacht, Euch Sprich ich verkündige ich waß in dem Himmel einmahl beschloßen worden, namblich: daß alsobalden ir dem aller­durchlauchtigsten ohnüberwündtlichsten Römischen Kayser Matthiae, nicht weniger der allerdurchleuchtigsten Römischen Kayserin Anna, der ­Thugendt vnd Schönheit einigem Spiegel, die iren M.M.tn gebührende Ehr vnd Reverentz ­a lervnderthänigst erzeigen sollen. Solches hat der große Jupiter mir an Euch zu werben befohlen.

Alß nun Mercurius sein werbung abgelegt, Verlohr er sich von dem Gerüst vnd 47 Verschwandt gleichsamb vor aller Vmbstehenden Augen: Nachdem sich auch die Helden widerumb gesetzt, höret man eine gantz liebliche Symphoniam vnd Music klang, darauff der Chorus anfieng zu singen: Chorus. O ir glückseelige Wohnungen, die ir billich mit denn Himmeln zu vergleichen, dann, gleich wie in denselbigen die ohnsterbliche Götter wohnen, also thun in disen die übertreff lichste Helden ire residentz haben. Nach [g]eendtem Gesang deß Chori, fieng ein Discant sampt einem Tenor an, e­ tliche Gesetz abgewechselt zusingen, fielen auch letstlich mit den stimmen zusamen, vnd machten ein liebliche vergleichung, zwischen dem Himmel vnd den Eliseeischen Feldern. Cantus. Mit warheit könt ir vnnß deß Himmels Schönheit rühmen, welches sein wunderbare gestaltt zusampt dem glantz der helleuchtenden Sternen vnd ewigwehrender Clarheit genuegsamb zuerkennen gibt. 349

II. Oper am Wiener Kaiserhof Tenore. Canto. Tenore. Canto. Tenore. Canto, & Tenore insieme.

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Voi fortunati campi Il pauimento hauete Di verdeggiante, e lucido smeraldo, Stelle di vaghi fiori, Che con vari colori Dimonstran fuor per la virtude interna Beltà palese in primavera eterna. E se l’ ambrosia, e’l nettare il Ciel porge, Di cui corron lasú veloci i fiumi Cibo, e beuanda de celesti Numi. In voi lieto rissorge Di latte il fonte, e stillan mel le piante Al lieto mormorio dell’ aura amante. Ne già si vanti egli d’ hauer’ il Sole, Il sol specchio del Ciel occhio del Mondo, Dà cui prende la luce ogn’ altra stella, Ch’ a voi Cinthia si scopre La Dea Triforme si leggiadra, e bella, Che par che dichi al Regnator di Delo Ceda la lucce tua colà nel Cielo Ceda l’ ardente raggio, Che ti circond’ il crine Al mio soaue, & amoroso lume Poi ch’ abarbaglia, e offende il tuo splendore. Il mio dà lume à gl’ occhi, e gioia al Core.

La qual finita l’ istesso Choro replicò gli steßi versi, c’ hauea prima cantati.

CHORO.

O’  Soggiorni felici

Auenturosi, e cari Set’ emuli del Ciel de giri suoi Egli stanza de Dei voi degl’ Eroi.

Mentre con incredibile soauità si cantauano i sopradetti versi, gli Eroi, & Poeti di sopra ­n ominati precendendo eßi Poeti con bellißimo ordine discesero per li gradi nel piano della sala, laßiato vacuo il luogo per il balletto, & postisi in affetto per far l’ entrata, Orfeo, e gil’ [sic] altri Poeti unitamente catorero [sic] i seguenti versi.

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Das erste Libretto des Kaiserhofs Tenor. Vnnd ir glückseelige Felder, mit immerwehrender grüne alß einen schönen ­Smaragd bekleidet, seit nicht weniger von holdtseeligen Plümlein alß der Himmel mit glantzenden Sternnen gezieret, welches dan vß der bey Euch ewigbleibenden Früelings Zeit clärlich abzunehmen. Cantus. Die Himmel auch darumb billich seindt zurühmen, weiln die Götter in selbigen der Ohnsterbligkeit genießendt, vnd mit selbiger alß der allercöstlichsten Speyß vnd Sueßestem getranckh sich ewiglich erlustieren können. Tenor. Dahingegen in disen lieblichen Auen die Brünnlein ohnauff hörlich von Milch f liessen, auch alle blümlein von Honig gleichsamb trieffen, vndd die sanfft küele Lufft ohnnachläßlich alles erquickhen thut. Cantus. Noch können Sie sich alß wieder Sonnen nicht gleichrühmen, welche alß deß ­Himmels glantz, vnnd der Erden Helles aug, allen Sternnen Clarheit mittheilen thut. Tenor. Hergegen thut in vnnß der Thugendt vnd übertreff lichster Schönheit heller glantz dermassen erscheinen, daß man billich der Sonnen möchte zusprechen, vnd sagen: Discant vnd Thenor zusamen. 49 Es weiche dein Helles liecht nur hin zu deß Himmels Saale sampt Allem glantz deiner fewrigen strahlen, dan durch dieselbige daß Gesicht nur offendirt vnd betrübet: hergegen aber durch daß holdtseeligste Liecht diser übertreff lichen Schönheit, unnsere Augen immerzue erleuchtet, vnd daß Hertz mit ohnauff hörlichen freuden begnadet würdt. Nach Vollendung solchen gesanges, fieng der Chorus witerumb an die Erste wordt zu repetiren: Chorus. O ir glückseelige Wohnungen die ir billich mit den Himmeln zuvergleichen, dan gleich wie in selbigen die ohnsterbliche Götter wohnen, als thun in disen die übertreff lichste Helden ir residentz haben.

Unter diß alß mit ohngläublicher Liebligkeit dise Gesang vollendet wurden, begaben sich die Helden sampt obgedachten Poëten vß dem Eliseischen Feldt, über die Staffeln herunter in den Saal mit sehr schöner Ordnung, vnd in dem sie sich zu der Intrada ferttig gemacht, fiengen Orpheus vnd die Poëten an, nachfolgenden Innhalts zusingen. 351

II. Oper am Wiener Kaiserhof

ORFEO, ET POETI. Entrata

M ouete il passo alme gentil d’ Eroi Hor tard’, e graue, ed hor liet’, e giocondo Al Trono Augusto, à Coronati crini De nostri Semidei lumi del Mondo Ogni Scetr’, e Coro, humil’ s’inchini, Chè degno ossequio sia Della gloria immortal à A N N A , e M AT T H I A .

Al cui Canto gli Eroi fecero la loro entrata, alla misura, e tempo delle parole cantate, e fatte c’ hebbero l’ entrata, all’ improuiso si sentirono, e viddero tuoni, e lampi, nel quale strepito si vidde discender dal mezzo del Cielo che tutto sereno, e chiaro ricopriua la Scena, Amore sopra una nuuola bendato con la faretra, e l’ arco, il quale disceso sopra la Scena con gentil maniera, e col solito accompagnamento di suoni cantò li seguenti versi per l’introdutione del balletto.

AMORE.

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Deposte l’armi in dolce sonno inuolto Tranquilla quiete, e placidi riposi Trahea nel molle grembo Della mia Genitrice, Quando soauamente ella mi scosse, E porgendom’ un bacio Con l’ un’ e l’ altra rosa Della bocca amorosa, Mi disse sorridendo, o’ caro figlio Si neghittoso laßi Passar l’ hore fugaci, Che destinaro i fati a’ tuoi Trionfi? Apri i lumi, dhè mira, Mira cò là giù n’ terra Come la notte splende. Di mille faci adorna, Et emula del giorno Col nouo lume le fà inuidià, e scorno. Mira come Cileno Il Dio dell’ eloquenza

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Das erste Libretto des Kaiserhofs Orpheus vnd die Poëten. Auffzug. Erhebet nun Eure gang, ir Edle Seelen der außerkornen Helden, Euch zu verfüegen zue dem Trohn deß ohnüberwindtlichsten Fürsten: Eure Cronen vnd Scepter bereiten sich dem ohnsterblichen Nahmen Annae vnd Matthiae mit tieffster Reverentz, alle Ehr vnd gehorsamb aller vnderthänigst zuerzeigen.

Nach welchem Gesang vnd desselben mensur die Helden ire Intrada formiret haben: Darauff sich ohnversehens ein erschrecklich donnern vnd plitzen erhoben vnd sahe man alspalden auß dem hellen Himmel, so daß gerüst oberhalb bedeckte, Amorem mit verbundenen Augen auch seinem Köcher vnd bogen, auff einem Wolckhen herunter fahren; Alß nun Amor mit gewohnlichem Gesang beglaitet sich mit gantz holdtseeligen geberden auff dem gerüst erzeigte, fieng er an, zue Einführung deß ballets, folgendts ohngefahrliches Innhalts zusingen: Amor.

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Ich lag ohn alle sorg mit süeßem Schlaf vmbgeben in meiner Mutter Schoß, hatte kein gedanckhen mich diser waffen zugebrauchen, doch wurde ich baldt erweckt durch einen lieblichen Kuß irer Rosenfarben Lippen, vnd von ir mit disen wordten angeredt: Wilttu dan, ach liebstes Kindt, durch solch schlaffen vnd ohnachtsame hinläßigkeit die große Ehr vnd Triumph, welche deinen waffen zu diser Stundt auff dem Erdt­boden bereittet, alß hin: vnd fürüberschleichen lassen, Eröffne deine Augen, Schaue in den ErdenCraiß, vnnd sihe welcher gestaltt die Nacht dem tag zu trutz mit Neuen Liechtern thut erscheinen, Sihe doch welcher gestallt Silenus ein Gott der wolredenheit

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Fastoso fà delle sue proue proua. Circonda il Regio soglio, Qual gemmata Corona Di cauaglieri, e Dame illustre schiera. La nel Teatro Augusto Ben Degno campo oue monstrar tu’ dei Qual sia di te ’l valore, Qual la tua possa Amore, Sprega di tue Vittorie alti Trofei; Sapra ’l figlio di Maia, Che l’ amorosa face Ogni dott’ eloquenza ammutir face. Si disse, e tacque, ed io Apprend’ i lumi, a’ qu’ Soaui accenti, E volgendoli al basso Immensa marauiglia, alto stupore Passò per gl’ occhi al Core Congionti rimirand’ in un drapello D’ ogn’ human eccellenza il buon’ il bello, E tal nel petto mio nacque desire Di rimirar vicini Di quelli occhi diuin gl’ accesi lampi, Stelle ch’ ornano ’l Cielo Delle serene franti Di voi terrene Dee, Celesti Donne, Che da mia Genetrice à pena tolsi Breue congiedo, e volsi Precipitoso il volo Verso questo dal Ciel amato suolo. Hor qui son gionto, e intendo Non già sturbar de vostri almi diletti L’incominciat’ impresa, Anzi a condirli io vengo, Ch’ oue present’ è Amore, Ogni gioia s’ accresse, e fà maggiore. Mà mentre a’ miei dissegni Ordisco i modi, e à mezzo Non men del fin soaui Non state neghitosi, o fidi o cari Eroi soggietti all’ amoros’ Impero,

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Das erste Libretto des Kaiserhofs seine Kunst sehen last; Auff vnd verfüge dich in den rechten Saal Augusti, zu diser hochlöblichsten Versamblung so vieler vortreff lichen Damen vnd Cavallieren, alß in daß rechtwürdige Orth, die Stärckhe deiner Macht vor menniglich zuerzeigen, vnd zubeweisen daß Die liebhabende Flamme aller Zungen wolredenheit leichtlich gantz stumm zumachen vermöge. Auff dise so Liebliche Wordt eröffnet ich meine Augen wendete dieselbe auff den Erdboden, vnd warde mit höchster Verwunderung diser Versamblung, alß v­ nter aller Menschlichen Excellentz vnnd fürtreff ligkeit deß besten vnd schönsten ­C onvents gewahr vnd ansichtig, Welches mir dan inn meinem Hertzen ­solche begird, den hellscheinenden glantz der funcklenden Sternen diser irdischen ­Göttinen vnd Himmlischen Damen etwas näher zubeschauen, Verursachte, Daß ich mir kaum Zeit nahme, von meiner liebsten Mutter den Abschied zunehmen, vmb mich desto bälder auff diser hierumb glückseeligen Erden zubefinden: Stelle mich derwegen alhier ein: Nicht zwar der Meinung dise höchstgeliebte Gesellschafft zu perturbiren: sondern im gegentheil viel mehr darzuthun, daß: Wo die lieb zugegen, alle Freudt sich mehren thut. In dem vnd aber ich, der Mittel vnd weise solches zu glücklichem Ende zubringen mich entsinnen, vnd die Hertzen mit f lammender liebe anzusteckhen bearbeiten werde, Ermane ich meines Reichs Liebe vnd getreue,

355

II. Oper am Wiener Kaiserhof Mirate là di mille gratie adorno Di celeste beltà, cho non hà pari Il Choro Virginal far giro intorno Alla Dea dell’ Ercinia alma Diana; /Ecco: di A N N A Cosi lucenti in Ciel le vaghe stelle Là nella notte bruna Fan cerch’ intorno all’ argentata luna. A’ honor di tanti Numi, Che Dee non Dame sonno Tal sopra humana luce in lor risplende, Hor bensi, che vorei, che non contenti Di paßi tardi, e lenti Sopra di voi u’ alzaste, E all’ armonico suono De loquaci instromenti Accopiaste leggiadri i moti, i giri, Mentr’ io trarrò dai Cor fiamme, e sospiri. 54

Et finit’ il canto d’ Amore, gli Eroi fecero leggiadrißimamente il destinato balletto, il quale per la nouità, per l’ordine, per la ricchezza, e vaghezza de gli habiti, & per ogn’ altra circonstanza, che si lascià imaginare a’ chi leggera la presente scrittura, riusci di compita sodisfattione, & gusto incredibile non solo delle M.ta loro, mà di tutti i circonstanti. Finito il balleto gli Eroi medesimi per buon pezzo fecero diuersi altri balli, e danze con le Dame, che si trouauano spettatrici. Dato fine a’ tutti i balli, e danze Mercurio ritornato sopra la scena cantò li seguenti versi per richiamar gli Eroi alle loro stanze.

MERCURIO.

Poi che per altra via

Me ne riuolo al Cielo Conuien, ch’ ancora voi Tornate, onde partiste incliti Eroi, Che non permette il fato, Che stiate piu lontani Dalle beate stanze, Per attender á balli, á feste, á danze. Ben che forza è vì scusi

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Das erste Libretto des Kaiserhofs vnter diß nicht müeßig zustehen: Sehet an die himmlische Schönheiten dieses jungfräulichen Chors, mit welchem die höchstlobwürdigste Anna ja die Rechte Gottin Diana, gleichsamb alß der Mon[d] bey finsterer Nacht mit hellglantzenden Sternnen vmbgeben, vnd fanget an zu ehren disen Gottheiten, weil selbige keinen Damen, sondern der Göttinen, viel mehr zuuergleichen: fanget an sprich ich auff sondere art vnnd Manier Eure dritt zu formieren, vnd nach dem lieblichen klang der instrumenten Eure Däntz zu dirigiren.

Demnach Amor sein gesang zu endt gebracht, wurde daß ballet von den Helden mit 55 treff licher geschickligkeit verrichtet, Welches dan der Neuligkeit, gueten Ordnung, fürtreff ligkeit der Cleider, vnd aller anderer Umbständt wegen /:dessen der Leser sich hierauß zuberichten:/ so wol bey Kay. May t. alß allen andern ­S pectatoren, ein wunderbare satisfaction verursachen thete. Nach geendetem ballet, hieltten die vilgedachte Helden, mit den anwesenden ­D amen so demselben zugesehen hatten, noch allerhandt vnterschidliche Däntz, zu endt derselben sich Mercurius widerumb auff daß Gerüst verfüegte, vnnd zu ­Abforderung der Helden, nachfolgendes Inhalts zusingen anfienge: Mercurius Dermal durch andere Straßen ich meinen weg widrumb gen ­Himmel z­ unehmen entschlossen, ist es nun mehr an deme, ir Ruhmwürdigste Helden, /:dieweiln die Fürsehung sich länger bey den Täntzen auffzuhalten nicht gestatten will:/ Euch gleichfals zu Euren seeligen Wohnungen zuverfüegen, vnd daselbsten der immerwehrenden freuden zugeniessen:

357

II. Oper am Wiener Kaiserhof Io che inuisibilmente Fui con Amor presente, Alle gioie à diletti, E so’ per proua quale Possa habbia in gentil petto D’ Amor l’ aurato strale. Scuso i tardi ritorni, e sospirosi, E n’hò giusta cagione, Poi che per mirar solo (Lò vò pur dir, man non dirò di cui) De gl’ occhi il lampo, e d’ una bocca il riso Quasi c’ haurei lasciat’ il Paradiso. Cantati i versi da Mercurio, Orfeo imitando gli altri Poeti a’ cantar le lodi de questo felicißimo Regno di Boemia; egli cantò primieramente i seguenti uersi.

ORFEO.

56

M entre volgiamo i paßi

A gli amati ricetti, O’ di febo diletti, Cantiam le lodi in tanto Di quest’ alme contrade Spieghi la fama, alla futura etade Di loro il pregio, il vanto, E prenda ’l moto il suon dal nostro Canto.

Et il Choro compagno seguitò anch’ esso cantando nell’ istesso modo del medißimo f lorido, e beato Regno, al canto de’ quali li già detti Eroi fecero ritorno a’ i campi Elisij precedendo i Poeti come gia haueuano fatto nel scender nel piano della sala.

CHORO DE POETI. Retirata. 358

O Fortunato, e d’ Ogni gracia adorno

Piu d’ altro felicißimo Paese Ben de suoi doni il Ciel ti fu’ cortese. Egli ti diè sol’ à tua gloria intento Terra aprica, Aria dolce, Onda d’ argento Mà in questo si, che sopra ogn’ altro Regno

Das erste Libretto des Kaiserhofs In Ansehung nun ich neben Amore, gleichwol ohnsichtbar, der gantzen action beygewohnt, vnd auß aigener erfahrung mir bewust waß Liebes Strahlen vermögen, khan ich Ewer verweilen wol billich für entschuldiget haltten; Alldieweilen durch einiges Anschauen einer anwesenden Schönheit /:deren Persohn ich doch nicht nennen will:/ ich beynahendt den Himmel zuuerlaßen gleichfals verursacht werde.

Auff solches vermöchte Orpheus die andere Poëten, deß Königreichs Böhem glücklichen Standt zurühmen fieng derwegen der Erste an folgenden ohngefahrlichen Innhalts zusingen: Orpheus. 57 Indem wir ins gesampt, o ir von Phoebo geliebte Mitbrüder vnnß widerumb zu vnsren geliebtern Wohnungen verfüegen, lasset vnnß diser glückseeligen Gegen[d] gebührenden Rhumb verkhündigen dadurch daß ohnsterbliche Gerücht vrsach nehme, in zukhünfftigen Zeitten solch Lob gleichfals zuvermehren.

Disem Lobgesang deß glücklich f lorierenden Königreichs fiele auch der übrige ­ horus mit singen bey, zu welchem die vielermeldte Helden, sich widerumb in C vorerzehlter Ordnung, alß sie auffgezogen wahren, vnd ihnen die Poëten vorgiengen, in daß Eliseische Feldt begeben theten. Der Poëten Chor. A b z u g. O glückseelig vnd überglückseeliges Landt, welches von den Himmeln vor andern mit sondern Gaaben begnadet vnd angesehen: Dan jezundt der Fruchtbarkeit, gesunden Luffts vnd Lustigkeit zugeschweigen,

359

II. Oper am Wiener Kaiserhof



Paßi d’ ogn’ eccellenza; e …, e segno, Ch’ a’ te rinasce auanti l’alba il giorno, E mentre gira intorno Notte ’l carro stellato in veste oscura, Miracol di natura Il Sol, ch’ à te rinasse, à te riluce Có raggi d’ oro il di piu chiaro adduce.

A’ pena s’ aßisero gli Eroi nel loro primo posto, che al suono d’ una dolcißima sinfonia si apri nel’ ultima parte della Scena un nuouo Cielo assai piu luminoso, & di maggiore splendore che l’ primo, E sopra d’ una trasparente nuuola si vidde aßisa la Gloria dell’ Augustißima, & Inuittißima Casa d’ Austria con quelle vaghezze pompe, e splendori, che da i seguenti versi cantati dà Homero sonno descritti.

HOMERO.

58

Questa ch’ intorno all’ aureo Crin risplende Di Girlandi d’ Alloro, Intessuta di stelle, E con ali d’ argento, e raggi d’ oro Il tesoro celeste Delle leggiadre membra adorna, e veste, Qué scetri che scorgete Quelle Corone, e le vitrici Palme Delle candide man, del molle grembo Ornamento non peso, Trofei di Gloria, e note insegn’ illustri Fan conoscer, chi sia, senza ch’ io l’dichi, Nè u’ apponete in vano Che ella pur è la G L O R I A . Vero cibo dell’ alme, D’ ogn’ opr’ eccelsa, e piu famos’ attione Premio insieme, e cagione Mà di chi nata, Onde l’ origin sua Trahesse, & à qual fin dal Ciel discenda In cosi cara, e sopr’ humana forma, Ecco l’ Cigno canoro Del Mincio, anzi del lacio, e musa, e febo, Di si stupendo fatto, A cui dal Ciel è detto 360

Das erste Libretto des Kaiserhofs ist sich dessen hochzuverwundern, daß Mitten in der Nacht vnd vor der Morgenröthe, dise Schöne Sonne dir Auffgehen, vnnd den tag /:welches über die Natur:/ mit ihren gülden Strahlen viel heller erleuchten thut.

Nun hatten sich die Helden khaum in ire Erste stellen widerumb nidergesetzt, da begunte sich vnter dem klang einer lieblichen Music, an dem hintersten theil deß Gerüsts ein Newer vnd vielmehr hellglantzender Himmel, alß der Erste gewesen, auffzuthuen, vnd wurde auff einer sehr liechten durchsichtigen Wolckhen, die Glory vnd Ehre deß ohnüberwindtlichen Hauseß Österreich, mit solcher Schönheit, Pomp vnd herrligkeit sitzendt anzusehen, inmassen solches von Homero in seinem Gesang, welches beyläuffig also lautet, abgebildet worden. Homerus.

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Deren goldtfarbe Haar mit einem LorberCrantz vnd einvermischten Sternen vmbgeben, mit Silberscheinenden Flügeln vnd goldtgläntzenden Strahlen gezieret, diser Himmels Schatz, welcher ziehrliche Gliedmaßen mit solch herrlichen kleidern bedeckt, diese Scepter so ir sehet, dise Cronen vnd grünende Palmen, irer Schoß eine Zierd vnd gar keine Last zuachten, ja dise Sigzeichen vnd Ehrenwürdigste gedenckhmahl, geben ohn meine erclärung genuegsamb zuuerstehen, daß dises mit einem Wordt ist die Glory vnd Ehre, der Seelen wahre Speiß, ja aller dapfferen Thaten einige Vrsach, recompens vnd Rechte Belohnung: Woher sie aber gebohren vnd ihren Vrsprung genommen, vnd auß waß Vrsach Sie in solch fürtreff licher vnd überMenschlicher gestaltt, von Himmel herunder kommen? Sehet hier

361

II. Oper am Wiener Kaiserhof Espor l’ alto mistero State attenti o’ mortali, Fortunati mortali a’ quai pur lice Sopra l’uso mortai intender tanto Da si famosa voce al dolce canto. Dopo il canto d’ Homero cantò Virgilio con indicibil Maestà l’ origine di essa gloria in questa guisa.

VIRGILIO.

60

Della piu eccelsa stirpe,

Del piu lucido sangue C’ha’ d’ AVSTRIA il nome, e prende La purità dal Ciel, splendor dal sole Quell’ Eroica virtu, che mai non langue Ne mai per ocio torpe, o indarno steßi Diede alla chiara luce Quest’ Angela terrena, Mà dì seme celeste La nutrir l’ arti industri, E di Pace, e di Guerra, E crebbe si, che seben l’ ampia terra Scoperse un nouo mondo Non la capiro entrambi, Ond’ al Ciel ne volò veloce, e presta, La quell’ immenso campo delle stelle Stimó degno ricetto, Egli l’ accolse, e là prese diletto Far paragon col sol de suoi splendori E s’hora pargoletta, E non cosi lucente Appare à voi mortali E’ per c’ hà in se ristretta Virtú d’ immensa mole In picciol corpo, e tolto à raggi il lumé Quant’ al loco conuiensi Per conformar se stessa a vostri sensi.

Al che replicò Homero gli seguenti versi. 362

Das erste Libretto des Kaiserhofs den jenigen welchem die gaab gegeben, dergleichen geheimbnussen den sterblichen Menschen zueröffnen, darumb ir Sterbliche billich glückseelig seindt zuachten.

Nach dem gesang Homeri, thet Virgilius mit sonderbarer gravitet, den Vrsprung der Ehr durch sein gesang, ohngefahr folgenden Innhalts erzehlen. Virgilius.

61

Vom Höchsten Geschlecht vnd durchleuchtigstem geblüth so disen vom Himmel erleuchten Namen von Osterreich tregt, hat die Heroische Thugendt so nimmer zu boden ligt, dise Irdische Göttin zwar himmlischen Samens, an dises Tagliecht gebracht, Welche bißhero zu Frid: vnd Kriegszeitten dermaßen erwachßen, daß wo es möglich vnd die Weitte Weltt noch ein andere Weltt erzeugen hette sollen, Alle beede dieselbige zubegreiffen nicht genuegsamb gewesen weren: derowegen sie i­ hren f lug gar in himmel genommen, vnd in dem weitten feldt der g­ läntzenden Sternen ir wolwürdige Wohnung gesucht, daselbsten mit der hellen Sonne ir ­Clar­heit zuvergleichen: Vnnd obwoln Sie zu disem mahl etwas ringer vnnd nicht so hellleuchtendt Euch Sterblichen erscheinen thut, hat sie doch in solch kleinem leib die höchste Thugendt verschlossen, auch ihren hellen Strahlen daß Licht vmb so viel entziehen wollen, so viel es an disem orth von nöthen sein, vnd sie sich selbsten Euren gemüthern gleichformig erzeigen köndte.

Auff welches Homerus replicirt. 363

II. Oper am Wiener Kaiserhof

HOMERO.

M a qual gionta fra voi Esterni segni dell’ interna gioia Mostra de gl’ occhi al lampo Della bocca gentile, al dolce riso Traluce nel bel viso E scintilla il diletto, Ch’ ella sente nel petto Mentr’ ella intenta mira Da quell’ eccelsa pianta, Che di frond’ immortal’ cint’ ha le chiome, E carca è di Trofei più, che di foglie Dalla pianta felice, Ch’ è pur di lei radice Quai Frutti’l mondo coglie, E più mentre preuedo Qual per benigno fato N’ haurá poßia ornamento il Ciel stellato.

62

Et poi Homero, e Virgilio unitamente per far attenti gli auditori all’ angelico canto di essa Gloria cantorno gli seguenti versi.

HOMERO, e VIRGILIO.

M a poi, ch’ Aura celeste apre la via All’ angelico canto Fra l’ animate perle, e fra coralli Delle rosate labra State ad udire attenti, Anzi immoti o mortali a’ dolci accenti. Alli quali posto fine, seguitò una gratiosa sinfonia, che singolarmente ricreò gl’ animi ­d elli ascoltanti. Finita la sinfonia la Gloria canto gli seguenti versi con l’ ­interpositione delle sinfonie, e canti de Poeti come qui a’ basso si vede.

GLORIA.

S tirpe de semidei

Della Germania, anzi del Mondo Agusti 364

Das erste Libretto des Kaiserhofs Homerus Ja welche Göttin aniezo vnter Euch ankommende durch die Straalen irer g­ läntzenden Äuglein, durch daß liebliche Lachen ires holdtseeligen Mundts, vnd alle äusserliche geberden, der innerlichen freudt ires Hertzen genuegsame An­zeigung gibt, Mit f leiß betrachtendt, waß maßen wegen ires Edlen Stammens von deme die Weltt so viel Nutz vnd frucht empfangen, Sie mit ohnsterblichen zweigen gecrönet, welche dan mit mehr Rhum: vnd ­Sigzeichen alß grünenden Blättlein vmbgeben seindt; Ja viel mehr zuvorsehendt, welcher gestaltt auch der Himmel zu seiner Zeit durch Sie orniert vnd geziehret werden solle.

Damit nun die Zuhörer dem Englischen Gesang der Ehr destomehr auffzumer­ 63 ckhen angereitzet wurden, Sangen Homerus vnd Virgilius volgenden Inhalts: Homerus vnd Virgilius. Inn deme die Himmlische Lufft diser Ennglischen Stimme den Weg durch dise Rosenfarbe Lippen bereithen werdt, ermahnen Wir Euch o ir Sterblichen disem Gesang mit höchstem f leiß zuzuhören.

Nach solchem erfolgte ein vber die mas liebliche Music welche den Auffmerkhern zu sonderer recreation gereichte vnd alß selbige geendet, fieng die Ehr an zu singen deren sich dan bißweilen die Music, dan auch die Poëten mit ihrem Gesang, alß hernach zu sehen interponirten. Die Ehr. Ir Göttlichs Geschlechts, deß Teutschlandts ja der gantzen Weltt Vermehrer, ir seidt fürwahr deß glückseeligen Stammens, dessen Lebhaffte Äst sich biß in ­Himmel 365

II. Oper am Wiener Kaiserhof Voi sete pur del fortunato ceppo, Che cò rami animati al Ciel s’ estolle. Nobilißimo Germe, e piu pregiato Per voi Numi di lei si gloria, e vanta La Terra alm’ e feconda, Che l’ Istro el Reno inonda, Et hà giusta ragion di gir’ altera Poi ch’io, che Gloria sono, Et per lodarui fin dal Ciel discesa Sol nel parlar de voi, de vostri pregi Sent’ aggrandir me stessa, Ben ch’ inuisibilmente Alle ali aggionger piume Palme, scetri alle man, splendori al lume. Sinfonia.

M a che diró di voi Gioue terreno Alla stella di cui s’alluma, e auiua Ogni spenta speranza, Io diró pur, che dalla destra inuitta A’ soggetti clemente Fulminant’ à Nemici Attende il Mondo uita E diró cose vere, e note lodi, L’ Eroico valor, ch’ella in se chiude Ei sà, lo’ seppe giá l’Ongara Terra Quando altera vibrar la vidde in Guerra L’ asta fatal, & nel lor proprio sangue Nell’ armi proprie horribilmente inuolti Gl’ empi Titani, e stolti Pria della morte hebber feretro, e tomba, Di che la fama sin al Ciel rimbomba. Sinfonia.

64

HOMERO.

Da cosi illustri imprese

Nella virtú di si famosa mano Spera l’ Europa, ne sua spem’ è in vano Vinti, e domi i superbi, il Trace fero

366

Das erste Libretto des Kaiserhofs erstreckhen. Aller Edelster Same, dessen sich billich der Rhein: vnd Thonaustrom zurühmen vnd vmb so viel mehr zuerheben hat, dieweiln auch ich, die ich die Ehre selbsten vnd Euch zu Loben vom Himmel hiernider gefahren bin, allein von Euch vnd Eurem lob redendt, Mich größer zusein empfinde, ja gleichwoln Euch ohnsichtbarer weise, Euer Ehr, Scepter vnnd glantz, je mehr vnd mehrn zunehmen sehe. Hierauff höret mann eine liebliche Music. Baldt sang die Ehr widerumb.

Waß sag ich dan von Euch Iovi dem großen Gott auff Erden, an dessen Crafft alle 65 verlohrene Hoffnung sich wider auffrichten khan; Ich melde allein daß bey ­d isen ohnüberwindtlichen Rechten, /Alß der vnderthänigsten Schutz vnd Gnad, der Feindt rechten Plitz vnd Schreckhen/ die gantze Weltt hülff zuhoffen hat, Vnnd zwar die Warheit auch nur Euer bekhandtes Lob zurühmen, Kan Euerer Heroischen Macht daß Hungarische Reich genuegsame Zeugnuß geben. Dan da selbiges zuuorn, mit Feuer, Schwerdt vnd Bluet, jämmerlich überzogen, seinen Jammer zubeseuffzen getrungen würde, Aniezo Euer Lob, in erwünschtem Friden biß an den Himmel mit freuden erheben thut. Music.

Homerus. Von solch durchleuchtigsten Tathen, von diser thugendhafften dapfferen Handt, Hoffet gantz Europa /:vnd zwar nicht vmbsonst:/ all seiner Feinde mächtig zuwerden, die Stolzen zu dehmütigen vnd die zertheilte

367

II. Oper am Wiener Kaiserhof La Monarchia diuisa Vnir sotto d’ un scetro, e d’ un Impero.

VIRGILIO.

A ll’ hor si, che nel secolo felice

Faran ritorno dell’ età dell’ Oro I tempi lieti, & di Saturno, e Giano Scorrà la Molda altera Fra mete di smeraldi in grembo a’ Dori, E radolcendo l’ onde Co’ puri argenti, e liquidi Cristalli Riportarà dal mar perle, e Coralli.

HOMERO.

66

A ll’hor la crudeltá l’ ingiuste, & adre Voglie dal Mondo hauran perpetuo esilio, E là vergine Astrea Lasciando sol per habitar fra voi Le celesti contrade Ricondurá qua giu Pace, e pietade. Sinfonia. GLORIA.

M a tempo e hormai, che lieta a’ voi riuolga

I miei detti, il mio cant’ alt’ e sublime Germana Giuno, e Diua Poi che salir non vale Nè al merto vostro humana voce arriua Voi della Gloria mia Gloria maggiore Parte dell’ infinite Da immortal lingua, immortal lodi udite. Sinfonia.

G iri pur quanto vole il Ciel sereno,

E facia altera pompa, e vaga mostra Di quegli astri fatali in forme noue, Mà si contenti, e ceda 368

Das erste Libretto des Kaiserhofs Monarchy vnter einen Scepter widerumb zubringen.

Virgilius. Alßdan gleichwie zur Zeit deß gülden Altters, werden sich die glückhaffte Zeitten Jani vnnd Saturni widerumb herbey machen, Alßdan würdt sich der Moldauf luß erheben, Vnnd seine güldene Vfer, an statt der Stein vnd sandt mit Perlen vnd ­C orallen häuffig überschwemmen.

Homerus.

67

Alß dan Würdt auß der Weltt all Ohnthugendt ewiglich verbannet. Dargegen alles glückh, sampt ewig beständigem Friden, durch Gottes gnad vnter Euch wohnendt gelaßen werden. Volgt die Music.

Alßdan Die Ehre. Nunmehr ist es auch Zeit, ir großmächtige Göttin vnd warhafft Teutsche Juno, daß ich die göttliche Stimm meines gesangs zu Euch erhebe, dieweiln Euer Hohe ­Thugendt vnd ohnsterbliches lob mit sterblichen Zungen ja nicht außzusprechen, vnnd alldieweilen ich Euch für die Höchste Ehr meiner Selbsten erkhenne, alß wollet Euer ohnsterblich Lob durch ohnsterbliche Zung jezt hören rühmen. Music.

Es mag der Himmel sein schöne gestallt erzeigen vnd seiner Sternnen glantz nach mögligkeit offenbaren, doch daß er sich begnüeg, vnd disem Göttlichen gläntz

369

II. Oper am Wiener Kaiserhof Al diuino splendore; Che per gl’occhi là inpeggia Specchi dell’ alma, che del sole eterno Hà in se l’ alta sembianza Lucida si, ch’ ogn’ altra luce auanza. Sinfonia.

E ben’ egli ne scielse

Il Motor delle stelle Di quell’ anime, eccelse Vna frá le piu saggie, e le piu belle E a’ voi ne fu cortese; Stupendo fato nell’ humana veste Cinse lume Diuin, lume celeste. Sinfonia.

Trasparente Christallo

68

Lucida fiamma chiude, Et ella a’ lui comparte Alla chiara pregion lume, e vaghezza Cosi l’ alma belezza Cosi poi si diffuse Nell’ estremo di voi la meglior parte Corrispondendo al candido splendore Del volto pio l’ alta bontà’ del Core. Sinfonia.

I ndi la lingua aprese Formar in suon celeste Angeliche parole, Indi la man Cortese La man di puro latte A’ sparger gracie è liberal, e pia Mostrar pietosa a’ Popoli soggietti Dell’ origine sua mirandi effetti. Sinfonia. Ne gia minor virtú minor beltade Di lei, che a’ par di febo splende, e luce Era adequato oggetto 370

Das erste Libretto des Kaiserhofs gebührende Ehr erzeige, dan dise leuchtende Augen, alß wahre Spiegel der Seelen, von der Ewigen Sonne solche Clarheit empfangen, dardurch all andere Clarheit leichtlich khan überwunnden werden. Music.

Wolan der große Regierer deß Himmels, hat vnter so vielen vortreff lichen Seelen, Euch alß die Schönste vor allen erwehlen, auch so viel gunst erzeigen Vnd vnter dem Menschlichen Kleid /:O ohnerhörtes wunder:/ Göttliches Liecht vnd himlischen glantz verleihen vnd mittheilen wollen. Music.

Gleichwie durch einen liechten Christall ein gleichsamb durchscheinende Flamme 69 sich außtheilendt erzeigt, Alß thut nicht weniger die äusserliche Schönheit dises angesichts die übertreff liche guettigkeit deß hertzens entdeckhen vnd offen­bahren. Music.

Auß solchem Schreinn die Zung ire Engelische Reden hat genommen, Nicht­ weniger auch die Schneeweiße händlein ir freygebigkeit haben empfangen, Alles genuegsame Anzeigungen woher der Vrsprung müß sein kommen. Music.

Gleich wie die Ewige Weißheit, Sonn vnd Mon[d] die herrlichste Creaturen mit

371

II. Oper am Wiener Kaiserhof All’ inuitto valor del gran consorte Vnì la Prouidenza, e non la sorte Ciò che fece natura In distinto soggetto Di merto ugual la duplicata luce, E con gioia, e diletto Di quest’ etade, e dell etá futura Con immenso stupore La fede il nodo fú, fè il lacio Amore. Sinfonia.

Onde conferma incommutabil legge

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Fu’ stabilito ne gl’ eterni fati, Che i due Consorti nati Al Dominio del Mondo Dopo lungo girar d’ anni, e di lustri Sul Carro del Honor cinti dal lume Di questi rai, di ch’ l’ mio mant’ è adorno Debban salir eternament’ a’ unirsi A’ quell’ alta cagion, ch’ il tutto regge. In tanto splenda, e illustri Le sfere eterne il glorioso segno Del Cor futuro ben pressagio, e pegno. Sinfonia.

I n virtú di chi può quanto che vole Sgombri nubbe importuna el fosco velo, E nel libro del Cielo Con Caratter di stelle impresso sia Il nome eterno d’ A N N A , & di M AT T H I A . All’ ultime parole cantate dalla Gloria sparirono tutte le nuuoli, che si vedeuano nell aria, & apparue chiaro, e sereno il Cielo, & in esso impressa con Caratteri di stelle la Cifra, & il nome Coronato dell’ una, e dell’ altra M ta all’ apparir della quale il Choro de Poeti ripigliò cantando gli seguenti versi.

CHORO DE POETI.

L a nel vast’ Ocean frà l’ onda infida, Che della vita ogni salute inforsa

372

Das erste Libretto des Kaiserhofs ihrem glantz der Weltt zu guet erschaffen, Nichtweniger Gnad ist diser Zeit den Menschen durch dises gedoppeltte Liecht widerfahren, So zu gleichen würdig durch Trew vnd Liebesbandt seindt zusamen verbunden. Music.

Daher dan in dem Himmel Einmahl beschlossen, d[aß] nach lang verf ließender 71 Zeit, dise zwey Ehegemahel der Weltt zu Herrschern geboren: Auff dem Triumph­ wagen der Ehre mit disen Straalen vmbgeben werden, vnd zu dem Lob deß Höchsten so alles regieret, auch zu ohnfehlbarer Anzeig vnd gewissen Pfandt künfftiger gliickseeligkeiten, sich ewiglich vereinigen soltten. Music.

Wolan ir Crafft deß Allerhöchsten der Alles vermag, befehle ich disen Wolckhen alspalden zuuerschwinden, damit die Ewigwehrende Name Annae vnnd Matthiae, mit Charactern von Sternnen im Buch deß Himmels angeschriben von Menniglich gesehen werden möge. Auff dise von der Glory letstgesungene wordt, seindt alsobalden die wolckhen, so zuuorn in der Lufft gesehen worden, verschwunden, vnd hat sich der Himmel gantz Clar vnd lautter erzeiget, darinnen die Nahmen beeder Ir.r M.M.ten mit leuchtenden Sternnen angeschriben vnd gecrönet gesehen worden: Auff welche erscheinung der Poëten Chorus, nachfolgender maßen anfienge zu singen. Chorus der Poëten. Von Hertzen thun wir wünschen, daß dises schöne Gestirn, allen auff wildem

373

II. Oper am Wiener Kaiserhof Non fia piu certa, ne sicura guida L’ artico polo a’ nauiganti l’ orsa Stellata di Giunone emula altera. Et hauendo finito di cantare i Poeti la Gloria soggionse.

M a la Celeste sfera Di questi, c’ hor scoprite astri fatali Di salute, e di pace Sia pur nelle tempeste a’ voi mortali Fermo segno, e verace, Cosi eterni saran de lor splendori Indici gl’ occhi, e calamita i Cori.

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Per ultima conclusione, e lietißimo fine, e quasi per raddoppiamento del goduto giubilo della presente non mai á bastanza lodata inuentione li Chori apparente, & interno con tutte le voci, e con l’ accoppiamento de tutti gl’ instromenti ripigliorno ­c antando gl’ ultimi due versi cantati dalla Gloria, & al tutto si pose fine ritornandosene ­c iascuno non men pieno di dolcezza, che di marauiglia.

CHORI.

C osi eterni saran de lor splendori Indici gl’ ochi, e calamita i Cori. E questa inuentione di balletto diedde occasione à gli steßi Eroi, ed altri Cauaglieri della Corte Cesarea di Correre all’ annello, e alla quintana come fecero il giorno seguente, la qual attione come seguisse con molta loro lode si lascia alla relatione d’ altri.

374

Das erste Libretto des Kaiserhofs Meere nothleidenden passagieren zu glücklicher Anfarth alß ein gewißes Zeichen jederzeit erscheinen thue.

Alß die Poëten solch Gesang vollendet, respondirte die Ehr alspalden darauff. Die Ehre.

73

In die himmlische Sphera dises jezt Neuerschienenen schönen Gestirns, Seye vielmehr Euch Sterblichen in aller widerwerttigkeit, alles heyls vnd beständigen ­Fridens, ein gewiß gemerckh vnd ohnfehlbares Wahrzeichen: Vnd also werden auch alle augen ires Ewigen Glantzes ein gewisses Anzeigen, Vnnd irer ohnzertrennlichen Verainigung alle Hertzen ohnverwerff liche Mitgezeugen sein. Zum Beschluß vnd frölicher Endtschafft, auch gleichsamb zu widerholung der vor diser Nimmergnueg gelobten Invention eingenommener freud, haben die Sicht­ bare Musicalische Chori, zusampt aller inwendig verborgenen Stimmen, neben Zu­samenstimmung aller Instrumenten, dise letstern Wordt, so die Ehre gesungen, repetirt:

Vnd also werden auch alle augen ires Ewig glantzes ein gewisses Anzeigen, vnd irer ohnzertrennlichen Verainigung alle Hertzen, ohnverwerff liche Mitgezeugen sein. Damit wurde solches Fest geendet, vnd verfüegte sich Menniglich zu seiner wohnung, mit nicht geringerer freudt alß großer Verwunderung vmbgeben; da dan dise Inventione den vielbenambsten Helden, beneben[?] andern deß kayserlichen Hofes anwesenden Cavallieren Vrsach gabe, folgende tag stattliche Rinng: vnd Quintan­rennen anzustellen, Wie nun selbige gleichfals zu ihren sondern Lob zu endt gebracht, stehet bey Andern hieuon außführlichen Bericht zuthun.

375

II. Oper am Wiener Kaiserhof

Personaggi, che intrauenero nel

74

Balleto.

Mercurio. Choro de voci, & instromenti accoppiati dentro la Scena. A Nino Rè de Aßiri. B Semiramis. C Arsace Re de Parti. D Zenobia Regina de Palmeria. E Giulio Cesare Imperatore. F Camilla Regina de Volsci. G Alessandro Magno H Pantasilea Regina delle Amazone I Ciro Re de Persi. K Tomiri Regina de Massageti L Ottomano Rè de Turchi. M Libussa Regina de Boemia.

Il Sig: Barone Gulielmo Slauato. Il Sig: Barone Federico de Talembergh. Il Sig: Conte Gio: Vincenzo d’Arco. Il Sig: Barone Henrico colobrat. Il Sig: Conte Maßimigliano Ditrestain. Il Sig: Dauid Zernhaus Barone. Il Sig: Barone Ferdinando de Nomi. Il Sig: Barone Geoni Aclaz de Losenstain. Il Sig: Barone Georgio Diteuaz de Losestan, Il Sig: Burian Caplirz de Sule Il Sig: Barone Gioanni VVratislau; Il Sig: Barone Georgio de Brandis,

Seguitano gli Poeti. N La Gloria dell’ Augustißima Casa d’ Austria. O Homero. P Virgilio. Q Orfeo. R Lino. S Horacio. T Cattulo. V Esiodo. X Ouidio. Y Amore.

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Das erste Libretto des Kaiserhofs Volgt Aniezo die Verzeichnuß der Persohnen so dem Ballet beygewont haben.

75

Mercurius. Chorus der Stimmen vnd Musicalischen Instrumenten, welche innerhalb deß Gerüsts zusamen gestimbt. Ninus König d[er] Assirier ........................................................ Herr Wilhelm Slavata. Semiramis ..................................................................... Herr Friderich von Thalemberg. Arsaces König der Parter ................................................. Graf Giovan Vincenzo d’Arco. Zenobia Königin vß Palmeria ................................................... Herr Heinrich Colobrat. Julius Caesar Imperator ....................................... Graf Maximilian von Dietrichstein. Camilla Königin d[er] Volscier ................................................. Herr Dauid Zernhauß. Alexander Magnus ................................................................... Herr Ferdinand de Nomi. Penthasilea Königin d[er] Amazonen ................. H[er]r Geoni Aclaz von Losenstein. Cyrus König der Perser ............................... H[er]r Geörg Dietewatz von Losenstein. Tomyris Königin d[er] Massagethen .............................. Herr Burian Caplirz de Sule. Ottomannus König d[er] Türckhen ......................................... Herr Johann Wratislau. Libussa Königin in Böhem ..................................................... Herr Geörg von Brandis.

Volgen die Poëten. Vnnd Erstlich die Glory vnd Ehre deß Vnüberwündtlichen Hauses von Österreich. Homerus. Virgilius. Orpheus. Linus. Horatius. Catullus. Hesiodus. Ovidius. Amor.

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DIE ‚COMOEDIE‘ DER ‚HOF=MUSICI‘ 1625: DIE ERSTE OPER IN WIEN? * Eine der bisher ungeklärten Fragen im Zusammenhang mit der Rezeption der Gattung Oper am Wiener Kaiserhof war die von Franz Christoph Graf Khevenhüller in den Annales Ferdinandei 1 beschriebene Darbietung im Rahmen der Geburtstagsfeierlichkeiten für Kaiser Ferdinand III. am 9. Juli 1625. Zum besseren Verständnis sei dieser Text hier noch einmal zitiert: […] hat die Kaiserin Eleonora Deroselben Geburths-Tag nachfolgender Weise celebrirt. […] Um 8. Uhr zu Abend sind beyde Ihre Kayserl[ichen] Maj[estäten] sammt denen Königl[ichen] und eingeladenen Personen in die neue Burg über den höltzernen Gang gegangen, und als sie sich auf dem grossen Saale niedergesetzt, sind aus einer Scena 6. Personen, so alle Hof=Musici gewesen, in unterschiedlichen Kleidungen erschienen, die erste à la Romana, die andere à la Genuesa, die dritte à la Neapolitana, die vierte wie eine Gratia, die fünffte wie ein Pantalon, und die sechste wie ein Zani. Diese haben in Versen in Wällischer Sprache eine Comoedie agirt, und dieselbe singend, mit schönen Madrigalen geendet. Alsdann hat ein ieglicher seiner Profession halber dem Kayser ein Praesent: Als der Pantalon schöne Christallene Gläser, und der Zani eine Schüssel voll Magegeroni, darbey auch ein ieglicher in seiner natürlichen Sprache eine Rede gethan, das ein grosses Gelächter verursachet. Hernach sind zwölff Hoff=Dames wie Hirtinnen in weissem Taffet mit leibfarbenen Schnüren verbrämt, begleitet von so viel Cavalieren auch weiß gekleidet, und weiß taffetne Hüdte mit leibfarbenen Federn auf, und in Händen weisse Wind=Lichter habend, erschienen. Etliche unter ihnen haben getantzet, andere gesungen, u. andere auf Lauthen und Citharen geschlagen, und das hat eine halbe Stunde ungefährlich gewährt. Diese Darbietung von sechs Hofmusikern im großen Saal des heute Amalienburg genannten Trakts der Hofburg 2 wird verschieden gedeutet. Franz Hada|mowsky 3 sieht 78 * Zuerst erschienen in: Studien zur Musikwissenschaft 42 (1993), S. 77–88. 1 Franz Christoph Graf Khevenhüller: Annales Ferdinandei. Bd. 10. Leipzig 1724, Sp. 713 f., abgedruckt bei Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffent­ lichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985, S. 590. 2 Zur Identifikation der „Neuen Burg“ mit diesem Gebäude siehe ebenda, S. 389 f. 3 Franz Hadamowsky: „Barocktheater am Wiener Kaiserhof “. Jahrbuch der Gesellschaft für Wiener Theaterforschung 1951/52 (1955), S. 10–12.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof darin die erste Oper in Wien, Theophil Antonicek4 ein gesprochenes Drama mit großem Musikanteil und Othmar Wessely 5 eine Madrigalkomödie. Die von Kheven­ hüller genannten Personen dieser italienischen Vers-Comoedie mit Musik sollen nun als Ausgangspunkt für Überlegungen zu ihrem Charakter genommen werden. Einerseits sind hier die Bewohner dreier Städte, andererseits Figuren der Commedia dell’arte genannt, die wieder mit anderen Städten Italiens in Verbindung gebracht werden können. Es erscheint zulässig, im Textzusammenhang die „Gratia“ eher als Doktor Graziano zu deuten. Damit stünden den drei Städter-Typen drei feststehende Commedia-Typen (maschere) gegenüber. Nun gibt es im ausgehenden 16. Jahrhundert und nur wenige Jahre vor dieser Wiener Komödie dramatische Texte, deren Personenverzeichnisse bemerkenswerte Übereinstimmungen mit ihr aufweisen und die sich alle der sich daraus ergebenden diversi linguaggi, also verschiedenen Dialekte und Sprechweisen, bedienen. Da ist zunächst Michele Varottos Dialogo a dieci von 1586 6 zu nennen, dann die Diversi linguaggi von Luca Marenzio in der von Orazio Vecchi ergänzten Fassung,7 Vecchis Comedia harmonica L’Amfiparnaso,8 Vergilio Veruccis Li diversi Linguaggi 9 und schließlich Giovanni Battista Andreinis Commedia La Ferinda,10 der Wiener Aufführung nicht nur zeitlich am nächsten stehend. 4 Theophil Antonicek: „Die Anfänge der Oper in Österreich“. Musik in Österreich. Notring-Jahrbuch 1971 (Wien 1970), S. 39. 5 Othmar Wessely: „Das Werden der barocken Musikkultur“. In: Musikgeschichte Osterreichs. Bd. 1. Graz 1977, S. 315. 6 Enthalten in dem Sammeldruck Fiamma ardente de Madrigali et Canzoni à Cinque Voci, Con vn ­D ialogo à Dieci de diuersi soggetti, nouamente raccolte, & datte in luce, per Gio: Battista Portio ­N ouarese (Venezia 1586), hg. von Warren Kirkendale in: Madrigali a diversi linguaggi von Luca Marenzio – Orazio Vecchi, Johann Eccard und Michele Varotto zu neun, fünf und zehn Stimmen (Das Chorwerk 125). Wolfenbüttel 1975, und besprochen von dems. in: „Franceschina, Girometta, and their companions in a madrigal ,a diversi linguaggi‘ by Luca Marenzio and Orazio Vecchi“. Acta Musicologica 44 (1972), S. 228. Außer dieser im folgenden zitierten Version ist auch eine ­italienische mit einigen Zusätzen erschienen: Warren Kirkendale: „La Franceschina, la Girometta e soci in un madrigale ,a diversi linguaggi‘ di Luca Marenzio e Orazio Vecchi“. In: Il Madrigale tra Cinque e Seicento, hg. von Paolo Fabbri. Bologna 1988, S. 249–331. 7 Orazio Vecchi: Selva di varie ricreatione. Venezia 1590, 1595, ebenfalls hg. und ausführlich besprochen von Warren Kirkendale in Kirkendale: Madrigali a diversi linguaggi von Luca Marenzio – Orazio Vecchi, Johann Eccard und Michele Varotto zu neun, fünf und zehn Stimmen und ders.: „Franceschina, Girometta, and their companions in a madrigal ,a diversi linguaggi‘ by Luca ­Marenzio and Orazio Vecchi“, S. 181–235. 8 Orazio Vecchi: Comedia harmonica L’Amfiparnaso. Venezia 1597, 1610. 9 Vergilio Verucci: Li diversi Linguaggi. Venezia 1609, 1627, eine Prosakomödie in fünf Akten mit zehn Mitwirkenden, von denen jeder eine andere Sprache oder Dialekt spricht. Vgl. Vito ­Pandolfi: La Commedia dell’arte. Bd. 3. Firenze 1958, S. 26–30. Ein Exemplar der Ausgabe von 1609 konnte in der Biblioteca nazionale centrale in Florenz eingesehen werden. 10 Giovanni Battista Andreini: Commedia La Ferinda. Paris 1622 (siehe die Abbildung S. 390). Zwei Exemplare besitzt die British Library, London.

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Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: Die erste Oper in Wien? Eine Tabelle soll die partiellen Übereinstimmungen verdeutlichen. Varotto

Marenzio  +  Vecchi

Vecchi 1597 Verucci

Andreini

Wien 1625

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Zani Zanni Zanni Zanni Zani Pedrolin Pedrolino Magnifico Magnifico Pantalone Pantalone Magnifico Pantalon Gratiano Graziano Graziano Bolognese Graziano Gratia Spagnolo Capitan Capitano Guerinda Cardon Napolitano Capitano Napolitano Napolitano Neapolitano Milanese Cingaretto Siciliano Genoese Genovese Genuese Francese Francese Franceschina Franceschina Girometta Tedesco Tedesco Scolare Giorgello Ragazzo Pedante Pedante Pedante „Fate ben per voi“ Ferrarese Fiorentina Tartaglia (Fiorentino) Romanesco Romano Lucio Luccio Perugina

Auf Erläuterungen zu den ersten drei Spalten der Tabelle kann hier verzichtet wer- 80 den, da diese Kompositionen von Warren Kirkendale 11 gründlichst kommentiert werden. Weniger Beachtung hat bisher die Komödie von Andreini gefunden.12 Dieser Schauspieler war Leiter der Truppe I Fedeli, die im Dienst der Herzöge 11 In den zitierten Arbeiten von Kirkendale: Madrigali a diversi linguaggi von Luca Marenzio – Orazio Vecchi, Johann Eccard und Michele Varotto zu neun, fünf und zehn Stimmen. – Ders.: ­„ Franceschina, Girometta, and their companions in a madrigal ‚a diversi linguaggi‘ by Luca Marenzio and ­Orazio Vecchi“. 12 Kurz erwähnt wird sie von E. Bevilacqua: „Giambattista Andreini e la compagnia dei ‚Fedeli‘ 1“. Giornale storico della letteratura italiana 23 (1894), S. 114, etwas ausführlicher von Judith Cohen: „Giovan-Battista Andreini’s dramas and the beginnings of opera“. In: La musique et le rite sacré et profane. Actes du XIIIe Congrès de la Société Internationale de Musicologie, Strasbourg, 29 août –

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II. Oper am Wiener Kaiserhof von Mantua stand und in den ersten Dezennien des 17. Jahrhunderts Oberitalien bereiste, sich auch längere Zeit in Frankreich auf hielt, unter anderem mehrmals zwischen 1621 und Juni 1625, und von November 1627 bis Anfang 1630 am Kaiser­ hof in Prag und Wien.13 1622 wurde in Paris sein Drama La Ferinda gedruckt, als einzige seiner Pariser Komödien ganz in Versen gehalten.14 Die mit 7. März dieses Jahres datierte Widmung an den Herzog von Alvi ist nichtssagend, ganz dem ­Dedikations-Schema dieser Zeit entsprechend, doch die Vorrede an den Leser enthält wertvolle Informationen und Überlegungen.15 Andreini berichtet dort, daß er in Florenz und Mantua Zuschauer von wunderbaren „Opere recitatiue, e musicali“ gewesen sei und nennt als deren Titel ­O rfeo, ­A rianna, Silla, Dafne, Cerere und Psiche.16 Sie hätten ihn dazu angeregt, eine ­Komödie in dieser Art zu schreiben, obwohl in einer solchen mangels von Götterauftritten keine der spektakulären, raschen Szenenwechsel oder prächtige Kostüme unterzubringen waren und Bühnenmaschinen zu Erde, Wasser und Luft auch fehl am Platze wären. Als Ausweg aus diesem Dilemma sei es ihm erschienen, seine Komödie in der majestätischen Stadt Venedig anzusiedeln, die auch über Erde und Wasser verfüge und viele verschiedene Kostüme zu bieten habe und als Ersatz für andere Bühnenmaschinen ihre Gondeln. Nach dem Vorbild der Opern habe er auch einen Prolog gedichtet, den Thalia auf einer Muschel im Meer rezitiert.17 Den einzigen Vorteil gegenüber den übrigen Opern sieht Andreini darin, 81 daß er in seiner „varij linguaggi“ eingeführt habe, | wie etwa die des Graziano, des Pantalone, des Bergamasken, des Ferraresen, des Neapolitaners, des Genuesen, des Deutschen, mit Echos, Wortbrocken und sowohl komischen als auch ernsten Ausrufen, damit der hervorragende Komponist Gelegenheit habe, sein Können in diesen verschiedenen Varianten zu zeigen.18 Wie seine Vorbilder habe er außer den 3 septembre 1982. Communications libres réunis par Marc Honegger et Paul Prevost. Bd. 2. ­Strasbourg 1986, S. 428 f. (siehe weiter unten). 13 Achille Fiocco – Carla Emilia Tanfani: „Giovanni Battista Andreini“. In: Enciclopedia dello ­s pettacolo. Bd. 1. Roma 1954, Sp. 558 f. – Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 29 f., 165 f. 14 Anna Amalia Abert: „Giovanni Battista Andreini“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Bd. 1. Kassel 1949, Sp. 465. 15 Sie ist deswegen im Anhang abgedruckt. Lorenzo Bianconi und Thomas Walker zitieren Passagen daraus in ihrer richtungweisenden Arbeit: Lorenzo Bianconi und Thomas Walker: „Dalla ‚Finta Pazza‘ alla ‚Veremonda‘“. Rivista italiana di musicologia 10 (1975), S. 409. 16 Diese Aufzählung mit drei unbekannten Titeln läßt uns wieder einmal erkennen, daß es in der Erforschung der Frühzeit der Oper noch einiges zu tun gibt. 17 Er hat auch die offenbar von Ottavio Rinuccini für die Oper geschaffene und in deren ­Frühzeit übliche Form von Vierzeilern (quartine) in der Reimanordnung ABBA. Siehe dazu B ­ arbara ­Russano Hanning: „Apologia pro Ottavio Rinuccini“. Journal of the American Musicological ­S ociety 26 (1973), S. 254. 18 Cohen: „Giovan-Battista Andreini’s dramas and the beginnings of opera“, S. 429, deutet diese

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Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: Die erste Oper in Wien? gewöhnlichen Versen – gemeint sind die gemischten Sieben- und Elfsilbler – auch ­Kanzonetten – in Kurzversen, also Vier- bis Achtsilblern – geschrieben, besonders für die k ­ omischen Personen und für Serenaden, und außerdem als vorzügliche Würze ein Ballett vorgesehen. Aus diesen Formulierungen19 und aus dem Anhang geht hervor, daß Andreini dieses Libretto zur vollständigen Vertonung gedacht hat. Dieser Anhang beginnt mit der folgenden, aufschlußreichen Einleitung: „Se giamai quest Operetta m ­ eritasse d’esser posta in Musica m’è paruto di compor Eziandio, la parte di Guerindo ­Capitano, in Ispagnolo, perche posta nello stile recitatiuo Musicale farà buonissimo sentire“, und gibt dann für die Rolle des Guerindo eine Alternativfassung in spanischer Sprache. Man kann daher Colin Timms nicht zustimmen, wenn er La Ferinda als eines der ungefähr zehn Bühnenwerke Andreinis bezeichnet, die sich an der Grenze zwischen Sprechdrama und Oper bewegen. 20 Wenn sie es auch nicht ausdrücklich schreibt, kommt Judith Cohen der Auffassung dieses Dramas als Opernlibretto am nächsten, das aber, wie sie wohl richtig feststellt, nie vertont wurde. 21 Nun wäre die Annahme ebenso naheliegend wie bestechend, daß die Kaiserin Eleonora aus dem Haus Gonzaga im Jahr 1625 von ihrem Bruder, dem Herzog Ferdinando von Mantua, Hilfe bei den Vorbereitungen für die Geburtstagsfeier Ferdinands II. erbeten und dieser ihr das Libretto seines Schauspielerprinzipals Andreini vermittelt hätte; ja, sogar ein Umweg der Truppe auf der Reise von Frankreich nach Italien über Wien wäre zeitlich möglich. Doch schon ein Blick in das Personenverzeichnis von La Ferinda mit seinen 16 Rollen, von denen in der obigen Tabelle nur diejenigen enthalten sind, die mit den Vergleichsobjekten übereinstimmen, zeigt, daß die Beschreibung Khevenhüllers sich nicht auf eine Aufführung dieser dreiaktigen Oper beziehen kann, zumindest nicht in ihrer kompletten, publizierten Gestalt. Zu den maschere und der Muse Thalia kommen 82 dort noch die Personen, um die sich die Haupthandlung dreht: Magnificos Tochter Ferinda 22 und Grazianos Tochter Ardelia mit ihren Freiern Ardenio und Luccio, 23 Textstelle so, daß ein Musiker Gelegenheit haben solle, seine vokale Fähigkeit und sein komisches Talent zu zeigen. Der Singular „Musico“ scheint aber eher den Komponisten zu meinen. 19 Besonders aber aus dieser: „[…] poiche in quest’ Opere musicali, tutti ragionano in vna istessa lingua, & in questa io c’ introduceua, varij linguaggi […].“ 20 Colin Timm: „Giovanni Battista Andreini“. In: New Grove Dictionary. Bd. 1. London 1980, S. 409. – Ähnlich ordnet F. Angelini Frajese („Giovanni Battista Andreini“. In: Dizionario bio­ grafico degli italiani. Bd. 3. Roma 1961, S. 135) die Komödie unter diejenigen „con parti cantanti“ ein. 21 Siehe Cohen: „Giovan-Battista Andreini’s dramas and the beginnings of opera“. Sie schließt sich dabei wohl Bianconi und Walker (siehe „Dalla ‚Finta Pazza‘ alla ‚Veremonda‘“: „mai musicato“), an. 22 Der Anklang an den Bühnennamen von Virginia Andreini, Florinda, ist wohl kein Zufall. 23 Dieser fehlt im Personenverzeichnis; er hat in Vecchis L’Amfiparnaso einen Namensvetter in ­gleicher Funktion.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Diener und vier Fischer. Ein gesungenes Ballett eröffnet den ersten Akt, ein Chor von Gondolieri beschließt ihn. Die Opernerlebnisse, die der Autor in der Vorrede nennt, schlagen sich in mehreren Zitaten aus oder Anlehnungen an frühere Texte nieder. Wenn Ardenio seine geliebte Ferinda tot glaubt, singt er, ähnlich wie Orfeo: Ardenio: O Ferinda se’ morta? Tù se’ d’horror frà l’ombre, Ed io viuo, e sostengo i rai del Sole! Tu se’, tu se’ ne l’onde, […] Orfeo: Tu se’ morta mia vita ed io respiro Tu se’ da me partita Per mai più non tornare ed io rimango. Kurz darauf fordert der zum Selbstmord entschlossene Ardenio, Arianna zitierend:24 Lasciatemi morire, Che ’l mantener in vita A disperata vita Non è, non è pietate: Ma dura crudeltate; Vuò Ferinda seguire Lasciatemi morire. 83

Wieder an Orfeo erinnert Ardenio, wenn er den Fluten entsteigt: […] che mi piacque Alzar il capo à rimirar le stelle, […] Orfeo: Meco trarotti A riueder le stelle […]

24 Vgl. das Zitat der ersten Zeile von Ariannas Lamento in der Oper La Caccia felicefelice. Wien 1631 (siehe Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 209). – Andreini spielt hier auf den Erfolg seiner Frau als Einspringerin in der Titelrolle von Arianna in Mantua 1608 an.

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Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: Die erste Oper in Wien? Eine deutliche Anspielung auf Ottavio Rinuccinis Text zu Dafne (Florenz 1598, 1599, 1600 und 1604 und – wahrscheinlich die von Andreini gesehene Aufführung – Mantua 1608) enthält die erste Zeile von Akt I, Szene 3, von Ardenio in einer Gondel gesungen: Chi da i lacci d’Amor non và disciolto […] Venus 25 hatte in Dafne gesungen: Chi da’ lacci d’Amor vive disciolto […] 26 Einem anderen Genre entstammt der Beginn des in der folgenden Szene ebenfalls in eine Gondel platzierten Monologs von Guerindo Capitano: Sia maledetto Amore Con l’arco, e con gli strali, […] Orazio Vecchi hatte im dritten Buch seiner Canzonette (Venedig 1585, 1586, 1593, 1600) folgenden Text von Giovanni Battista Zuccarini vertont: Sia maledetto Amore, Con l’arco, e con lo strale, […] 27 Was nun die Wiener Komödie von 1625 betrifft, kann man zunächst feststellen, daß die oben zitierten Werke mit ähnlichen Personenkonstellationen – bis auf die Prosakomödie von Verucci – alle vollständig mit Musik versehen oder zumindest dafür gedacht sind. So scheint die plausibelste Deutung dieser Dar|bietung 84 doch die als Oper zu sein. Die Ausführenden waren nach Khevenhüllers Aussage 25 Nicht Cupido, wie früher angenommen wurde. Siehe Stuart Reiner: „La vag’ Angioletta (and others)“. Analecta musicologica 14 (1974), S. 44–47. 26 Siehe William V. Porter: „Peri and Corsi’s Dafne: some new discoveries and observations“.­ Journal of the American Musicological Society 18 (1965), S. 171 f., 179. – Auf dieses Zitat und das aus dem Lamento d’Arianna weisen auch Bianconi und Walker („Dalla ‚Finta Pazza‘ alla ‚Vere­ monda‘“) hin. 27 Siehe Emil Vogel, Alfred Einstein, François Lesure und Claudio Sartori: Bibliografia della musica ­i taliana vocale profana pubblicata dal 1500 al 1700. Pomezia [1977], S. 1747 f.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof ja sämtlich Hofmusiker, 28 und zu dieser Zeit waren von jeder Stimmgattung genügend italienische Sänger bedienstet. 29 Durchaus denkbar wäre eine reduzierende Bearbeitung von La Ferinda, wobei nur die komischen Szenen mit den genannten Personen beibehalten, die Haupthandlung aber eliminiert worden wäre. In Frage kämen dafür vor allem die Szenen 5–6 des zweiten Akts (Monolog Grazianos mit Echo und Dialog mit Pedrolino) und der Beginn des dritten Akts (mit Ferrarese, Tedesco, Tartaglia, Pedante, Napolitano und Genovese; von diesen wären der Ferrarese, der Deutsche und der Florentiner Stotterer eliminiert worden). Allerdings kommen hier keine Ensembles vor, die man als die „schönen Madrigale“ deuten könnte, mit denen die Komödie zu Ende ging – wenn man diesen Terminus ausschließlich auf vielstimmige Kompositionen anwenden will; zu dieser Zeit gibt es allerdings auch monodisch vertonte Madrigaltexte. 30 Nur am Rande ließen sich auch weitere Beziehungen zwischen La Ferinda und den Wiener Geburtstagsfestlichkeiten anführen: Der toskanische Resident berichtet vor dem Ereignis und eine Woche danach über eine Serenata der Musiker, 31 ein Ballett und ein Quintanarennen – ein Wettstechen – auf dem Burgplatz. 32 Einerseits gibt es in Andreinis Drama Serenaden, worauf er schon in der Vorrede hinweist, und andererseits lädt Magnifico in den letzten Versen alle in sein Haus ein, A romper stochi, e lanze, In ste targhe d’Amor, in ste quintane; Auch Ballett, Gesang und Instrumentalmusik, wie sie Khevenhüller im Anschluß an die Komödienaufführung schildert, sind bei Andreini vorgesehen: Das oben genannte, gesungene Ballett zu Beginn und die Aufforderung Magnificos (I/2) 28 Es gibt allerdings ab 1656 mehrere Berichte über Aufführungen von Commedia dell’arte durch Wiener Hofmusiker. Siehe Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 41, 171 f., 174, 185, 189, und schließlich hatte Orlando di Lasso schon 1568 den Magnifico verkörpert (Nino Pirrotta: „Commedia dell’arte and opera“. Musical Quarterly 41 [1955], S. 310) und hatten ­Salzburger Hofmusiker 1618 eine Stegreifkomödie präsentiert (Herbert Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“. Musicologica austriaca 8 [1988], S. 22 [siehe S. 64]). 29 Siehe die Liste bei Steven Saunders: Sacred music at the Hapsburg court of Ferdinand II (1615–1637): the Latin vocal works of Giovanni Priuli and Giovanni Valentini. Bd. 1. Phil. Diss. University of Pittsburgh 1990, S. 58–61. 30 Etwa in der Wiener Oper La Caccia felice von 1631; siehe Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 208. 31 Damit könnte auch die Darbietung gemeint sein, die Franz Christoph Graf Khevenhüller: ­A nnales Ferdinandei. Bd. 10, so beschreibt: „Darauf sind zwey grosse Triumph=Wägen, darinnen des Kaysers Musici gesessen, erschienen, […] und haben schöne Compositionen von Valentin[i], Kayserl[ichen] Organisten, componirt, gesungen.“ 32 Siehe Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 589, 591.

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Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: Die erste Oper in Wien? Sù violoni, E rebechini, Sù citaroni, E citarini, Flauti, e liuti, Cornetti muti Fè melodia, […] Sù che se senti Mile istrumenti.

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zeigen aber keine zwingende Übereinstimmung mit dieser Schilderung. Möglich ist natürlich auch die Deutung als neu geschriebenes Drama in der Tradition dieser diversi linguaggi. 33 Die Kompositionen von Varotto und MarenzioVecchi kommen nicht in Frage, da sie im Gegensatz zu Vecchis Amfiparnaso nicht als Komödien aufführbar wären und außerdem als vielstimmige Kompositionen notwendig mehr als die sechs Ausführenden erforderten; dieser wieder kam mit fünf Sängern aus. Veruccis Komödie scheidet schon aus, weil sie – bis auf wenige, wahrscheinlich gesungenen Quartinen und Sestinen in II/7 und V/3 – in Prosa geschrieben ist und außerdem zehn Rollen hat. Der Venetianer Pantalone, sein ­B ergamasker Diener Zanni und der Bologneser Doktor Graziano gehören nicht nur zum Grundbestand der Commedia dell’arte, sondern auch der in ihrem Umkreis entstandenen gedruckten Dramen, die vielfach deren Praxis festhalten. 34 Gegen die genannte Deutung als Oper läßt sich in erster Linie Khevenhüllers Formulierung „eine Comoedie agirt, und dieselbe singend, mit schönen Madrigalen geendet“ anführen. Nimmt man sie streng wörtlich, kann man „agirt“ und „singend“ als Gegensätze auffassen und ein gesprochenes Versdrama mit musikalischem Finale herauslesen. Wenn man die für heutige Begriffe unscharfe Ausdrucksweise der Zeit berücksichtigt, läßt sich diese Stelle aber auch zwanglos auf eine durchwegs singend agierte Komödie beziehen, die mit Madrigalen beendet wurde.

33 Auf eine solche literarische und musikalische Tradition weist Warren Kirkendale: „­ Franceschina, Girometta, and their companions in a madrigal ‚a diversi linguaggi‘ by Luca Marenzio and ­Orazio Vecchi“, S. 227 f., hin. – Adriano Banchieri hat mit seinem weltlichen Werk viel zu ihr ­beigetragen: Barca di Venetia per Padova, Festino nella sera del giovedì grasso, Canzonette a tre voci (Hora ­p rima di recreatione) mit italienischen Dialekten und Kauderwelsch von ­Fremden (­Deutschen, Juden), Prudenza giovenile (Saviezza giovenile), Studio dilettevole (dreistimmige ­B earbeitung von Vecchis Amfiparnaso), Il Metamorfosi musicale und La Pazzia senile außerdem mit Typen der Commedia dell’arte wie Gratiano, Pantalone und Zanni. 34 Siehe dazu die von Vito Pandolfi: La Commedia dell’arte. Bd. 3, publizierten Personenverzeich­ nisse, Inhaltsangaben und Ausschnitte.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof 86

Deutet man also diesen Bericht Khevenhüllers in Anbetracht der vor allem musikalischen Tradition der Komödien oder Madrigale mit diversi linguaggi als den über die Aufführung einer Oper, kann man die Rezeption dieser damals noch relativ neuen Gattung am Kaiserhof um mehr als zwei Jahre vor der gesicherten Opernaufführung in Prag 1627 datieren. Als weitere, noch nicht genügend geklärte Fakten blieben die „Invenzione in musica“ vom August 1622 und die „Invenzione“ im Februar 1623 in Regensburg, beide mit Balletten verbunden, deren Charakter nicht näher bestimmbar ist, die aber auch Opern gewesen sein könnten. 35 In jedem Fall liegt der Wiener Hof in dieser Hinsicht noch immer lange nach dem Salzburger des Fürsterzbischofs Marcus Sitticus von Hohenems, der schon zwischen 1614 und 1619 zahlreiche Aufführungen italienischer Opern und einer Rappresentazione sacra veranstaltet hatte, die ersten außerhalb Italiens. 36

ANHANG Giovanni Battista Andreini: „A benigni lettori“. In: La Ferinda. Paris 1622, fol. 3r –5r: Alhor, che per mia felica fortuna in Fiorenza, & in Mantoua fui spettator d’Opere recitatiue, e musicali, vidi l’Orfeo, l’Arianna, la Silla, la Dafne, la Cerere, e la Psiche, cose in vero marauigliosissime; non solo per l’eccellenza de’ fortunati Cigni che le cantàrono gloriose, come per la rarità de’ Musici canòri che armoniose, & angeliche le resero. Ond’io inuaghitomi di così marauigliosi Spettacoli, conobbi che forse non sarebbe stata cosa spiacente, chi hauesse composto vn picciol nodo di commedietta in cosi fatto genere. Pensai molto, non ci trouando altro che grandissime difficoltà. Poiche come Commedia la mia inuenzione perdeua nella pompa del Theatro, essendo presso à queglialtri pouerissimo, & ignudo. Perdeua nella bellezza del variar le Scene, poiche non c’interuenendo nella Commedia Deità non si poteuano far queste cosi violenti, e rapide mutazioni. Ne gli habiti riusciua pur fredda l’operetta, poiche in essa non si rimirauano Gioui in maestà, & altri Numi di marauiglioso aspetto. Era parimente in tutto sneruata, essendo ancor del tutto priua di quelle 35 Siehe dazu Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 26. 36 Siehe dazu Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb ­Italiens“, v. a. S. 17–23 [siehe S. 58–65].

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Die ‚Comoedie‘ der ‚Hof=Musici‘ 1625: Die erste Oper in Wien? machine, e per l’aria, e per terra, e per mare, quali tanto fanno ammirande così fatte apparenze. Alfine frà tenebre di confusione dimostrandomisi vn picciolissimo raggio di ripiego gentile, mi rinfrancai smarrito, m’illuminai tenebroso; e ’n cosi fatta guisa terminai il mio pensiero, cioè. Per la pompa del Theatro, volli stabilir il caso in Vinezia, maestosa per gli edifici, ammirarabile [sic], per esser terra, e marre; e benche non ci fossero variate Scene, non dimeno era tanto il diletto in mirar sempre questa Scenica pompa di terra, e d’acqua, che lo spettatore era lusingato à non si curar di veder di Scena altra mutazione. Alla conuenienza de gli habiti sontuosi, stabilij la diuersità de gli habiti alla veneziana, chi di nero alla lunga vestendo, chi di rosso, chi da pescatori, chi da gondolieri, chi da brauacci, come donne parimente di varie spoglie adornate. Circa alle Machine, pur anch’io trouai, che le Nuuole mie, i miei Carri fossero la bellezza, e varietà di Gondole, e di Fisolere. Parimente allo stesso Prologo cercai d’andar emulando; poiche si come frà questi superbissimi Theatri principio d’vna di queste Opere famose ad ogni hor fù vn Prologo d’inuenzione, o nel Mare, o nel Cielo comparendo; così intesi anch’io che Talia, sopra vna Conchilgia [sic] frà l’onde in maestà, facesse il Prologo dicendo; Che Padrona de’ Theatri, non voleua più, che si piangesse per Arianna: ma si rallegrasse per nuoui diletti, com’ ella n’era apportatrice. In questo solo mi pareua di guadagnare, poiche in quest’ Opere musicali, tutti ragionano in vna istessa lingua, & in questa io c’ introduceua, varij linguaggi, come di Graziano, di Pantalone, di Bergamasco, di Ferrarese, di Napolitano, di Genouese, di Tedesso, con Echi, voci tronche, esclamazioni tanto ne’ ridicoli come ne’ graui, accioche l’eccellente Musico hauesse occasion di monstrar il suo valore in questi differenti modi scherzando. Parimente si come l’opere già dette sono quasi ripiene, e vaghe oltre la testura di versi ordinari, di canzonette alla pindarica; cosi di queste anch’io ne resi adorna la mia, & in particolar in bocca de’ ridicoli, come in occasion di far serenate; e perche ad ogni hor di così fatte cose è quasi ottimo condimento il Balletto, e pur quì dentro il Balletto ci posi. Hor per veder distinto quello c’ hora ν’ accenno in confuso, tacendo mi v’inchino.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof

Abb. 13: Giovanni Battista Andreini: Commedia La Ferinda. Paris 1622 (London, British Library. Signatur: General Reference Collection 162.a.10).

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II . Op e r a m W ien er K a iser hof ***

Leopold I. (16 58 –17 0 5)

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II. Oper am Wiener Kaiserhof

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Die kaiserliche Hofoper zur Zeit Leopolds I.* Wenn wir jetzt in der Lage sind, Il Pomo d’Oro, die große Festoper zur ersten Hochzeit Leopolds, wieder zu hören, ist es sicherlich von Interesse zu erfahren, weshalb gerade eine italienische Oper in Wien gespielt wurde und zu welchen Anlässen an diesem Hof Musikdramen oder ähnliche Werke zur Aufführung kamen, kurz, den Zusammenhang kennenzulernen, in dem dieses exzeptionelle Ereignis stand. Die ersten Opern wurden um die Wende zum 17. Jahrhundert in Florenz aufgeführt. Der Schwerpunkt der Entwicklung verlagerte sich bereits im ersten Jahrzehnt der Existenz der neuen Gattung von Florenz nach Mantua.1 Dort herrschte nicht nur ein kunstverständiger Herzog; dort war vor allem eines der größten m ­ usikdramatischen Genies der Musikgeschichte tätig, Claudio Monteverdi. Mit seinen Opern L’Orfeo (1607) und Arianna (1608) schuf er nicht nur die ersten Meister­werke der Gattung, die bis heute ihre Gültigkeit behalten haben, sondern beeinf lußte auch seine Zeitgenossen außerordentlich stark. Nur die Musik zum Orfeo ist vollständig erhalten. Die virtuose Titelrolle sang der berühmte Tenor Francesco Rasi. 2 Als dieser 1612 an den damals noch in Prag residierenden Kaiserhof kam, mußte er Kaiser Matthias Vorsingen und wurde dafür reich beschenkt. 3 Auf der Rückreise nach Mantua machte er in Salzburg Station und widmete dem Fürsterzbischof Marcus Sitticus von Hohenems eine Handschrift mit eigenen Kompositionen.4 Möglicherweise sang er ihm bei dieser Gelegenheit auch aus seiner Paraderolle vor, um sein Können ins rechte Licht zu rücken; jedenfalls beginnt 14 Monate nach diesem Besuch am Salzburger Hof eine Serie von Opernaufführungen, die bis zum Tod des Fürsten im Jahr 1619 dauerte und deren Ende der durchreisende Kaiser Ferdinand II. miterlebte. Eine der Opern hieß Orfeo; sie w ­ urde in *

Vortrag, gehalten im Rahmen des anlässlich der konzertanten Aufführung von Antonio C ­ estis Oper Il Pomo d’Oro veranstalteten Symposions Kunst und Kultur zur Zeit Kaiser Leopolds I., Wien 1989. 1 Nino Pirrotta: Li due Orfei. Nuova edizione. Torino 1975, S. 311. 2 Nino Pirrotta: „Teatro, scene e musica nelle opere di Monteverdi“. In: Congresso ­i nternazionale sul tema Claudio Monteverdi e il suo tempo. Relazioni e communicazioni. Verona 1969, S. 50, nach ­Eugenio Cagnani: „Lettera cronologica“. In: Rime. Mantova 1612. Abgedruckt in: ­Emilio ­Faccioli: ­M antova. Le lettere. Bd. 2. Mantova 1962, S. 615–623. – Zu Rasis Biographie siehe ­Warren ­Kirkendale: „Zur Biographie des ersten Orfeo, Francesco Rasi“. In: Claudio Monteverdi. Festschrift Reinhold Hammerstein zum 70. Geburtstag. Laaber 1986, S. 297–335. 3 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich“. Studien zur Musikwissenschaft 31 (1980), S. 8–13 [18–23]. 4 Alfred Einstein: „Ein Emissär der Monodie in Deutschland: Francesco Rasi“. In: Festschrift ­Johannes Wolf. Berlin 1929, S. 31–34. {Zur Edition dieses Autographs durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags siehe S. 340–377 in diesem Band.}

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II. Oper am Wiener Kaiserhof mehreren Jahren und auch bei dem zuletzt genannten hohen Anlaß gespielt, und es ist sehr wahrscheinlich, daß es die von Monteverdi war.5 Am kaiserlichen Hof hielt die italienische Oper wenige Jahre später Einzug, begünstigt durch die ebenfalls aus Mantua stammende Kaiserin Eleonora.6 Einen frühen Höhepunkt der musikalischen Dramatik erlebte Wien 1631 anläßlich der Hochzeit von Leopolds Vater, dem Kronprinzen Ferdinand III., mit einigen vom Hochadel ausgeführten Balletten, darunter einem Roßballett auf dem Inneren Burgplatz, und der Pastoraloper La Caccia felice, deren Handlung dem erfolgreichsten Pastorale, Giambattista Guarinis Il Pastor fido, nachempfunden und dessen Textautor, Cesare Gonzaga, der Herzog von Guastalla, ein Verwandter der Kaiserin war. In den folgenden Jahren kamen im Fasching und zu Geburtstagen neben Balletten und Dramen auch vereinzelt Opern zum Einsatz. Im Verlauf der Forschungen zur Frühgeschichte der Oper in Wien hat sich gezeigt, daß das bisher gezeichnete Bild über die Rezeption dieser Gattung und über die theatralischen Ereignisse am Kaiserhof bis zum Regierungsantritt Leopolds mehr als unvollständig war. Die sicherlich auch jetzt noch nicht völlig lückenlose Erfassung ergibt für den Zeitraum von 1622 bis 1659 nicht nur 26 7 oder 36,8 sondern 122 musikdramatische Aufführungen. Allerdings wurden nach der Rückkehr ­L eopolds von der Kaiserkrönung, seit 1659, regelmäßiger als früher Opern für festliche Anlässen wie die Geburtstage der erwachsenen Mitglieder des Kaiserhauses, für den Fasching und später auch für die Namenstage vorbereitet. Wenn wir uns den Spielplan eines Kalenderjahres der Zeit zwischen 1660 und 1704 vergegenwärtigen, müssen wir mit dem Fasching beginnen, also mit der Zeit zwischen dem 6. Jänner und dem Aschermittwoch, mit dem Schwerpunkt auf den letz2 ten zehn Tagen. Stehen bis zur ersten Hochzeit des Kai|sers neben meist nur einer Oper auch italienische Dramen auf dem Programm, und zwar entweder Commedia dell’arte oder literarische Prosadramen, gespielt von einer Truppe, von Hofmusikern oder Adeligen, ändert sich die Situation 1667. Nun wollte Leopold seine junge spanische Nichte und Gemahlin ausgiebig unterhalten. Nach dem vorläufig als Höhepunkt der Hochzeitsfeiern vorgesehenen Roßballett gab es in diesem Jahr mindestens vier verschiedene Faschingsopern, einige große Ballette und zweimal wöchentlich Commedia dell’arte. In den Folgejahren reduzierte sich die Anzahl 5 Herbert Seifert: „Beiträge zur Frage nach den Komponisten der ersten Opern außerhalb Italiens“. Musicologica Austriaca 8 (1988), S. 7–26 [siehe S. 43–65]. 6 Dazu und zum folgenden siehe Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985. 7 Alexander von Weilen: Zur Wiener Theatergeschichte. Die vom Jahre 1629 bis zum Jahre 1740 am Wiener Hofe zur Aufführung gelangten Werke theatralischen Charakters und Oratorien. Wien 1901. 8 Franz Hadamowsky: „Barocktheater am Wiener Kaiserhof. Mit einem Spielplan (1625–1740)“. Jahrbuch der Gesellschaft für Wiener Theaterforschung 1951/52 (1955), S. 7–117.

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Die kaiserliche Hofoper zur Zeit Leopolds I. der Musikdramen auf ein bis zwei und wurden die italienischen Dramen durch spanische ersetzt. Gerade im Todesjahr von Margarita Teresa ist wieder ein Kumulus zu konstatieren, mit einer kleinen Oper, einer Philosophenkomödie von Draghi und Minato, der Erfolgsoper La Dori von dem schon verstorbenen Antonio ­C esti als Adelsaufführung und dazu zwei italienischen, einem deutschen und einem spanischen Drama. Danach begnügte man sich wieder mit einer einzigen Oper im ­Fasching; in der Türkenkriegszeit von 1683 an bis in die 90er Jahre waren es meist nur mehr kleine, einaktige Werke, die geringeren szenischen Aufwand erforderten. Erst seit 1694 kommen außer Sprechstücken gelegentlich wieder mehrere Opern zur Aufführung; eine davon ist immer ein Drama per musica in drei Akten. Mehr Gelegenheiten für musikdramatische Festlichkeiten boten die Geburtstage von Mitgliedern des Kaiserhauses. Der einzige während der ganzen Regierungszeit Leopolds konstante ist sein eigenes Geburtsfest am 9. Juni. Anfang Juni brach der Hof gewöhnlich seinen Frühlingsaufenthalt in Laxenburg ab und übersiedelte wieder in die Hof burg, Leopolds Stiefmutter Eleonora aber in die Favorita an der Stelle des heutigen Theresianums. Bis zu seiner Verehelichung trat sie als Veranstalterin der Geburtstagsopern auf, weshalb diese zunächst auch dort, nämlich im Theatersaal oder im Garten, stattfanden. Bis auf die schon genannten Kriegsjahre handelte es sich dabei in aller Regel um große Opern in drei Akten. Fast drei Jahrzehnte hindurch, von 1659 bis 1685, ließ Leopold am 18. November, dem Geburtstag der Kaiserin Witwe Eleonora, Opern spielen; bis 1677 meist große, dann bis zu ihrem Tod nur mehr einaktige oder überhaupt nur dramatische Kammermusiken; in ihren letzten Lebensjahren wurden die Aufführungen zu diesem Anlaß seltener. Zu den Geburtstagen der jeweils regierenden Kaiserin wurden wieder ziemlich regelmäßig dreiaktige Musikdramen angesetzt, wieder mit Ausnahme der sparsamen Achtzigerjahre. Das begann schon im Juli 1666, als sich die Infantin Margarita Teresa, dem Kaiser schon per procuram angetraut, noch auf der Reise nach Wien befand, mit der mythologischen Oper Nettuno e Flora ­festeggianti von dem aus Innsbruck geholten Team Francesco Sbarra und Antonio Cesti, zu denen als Ballettkomponist J. H. Schmelzer kam. Bei diesem künstlerischen ­Triumvirat bestellte Leopold das im Jahr darauf zum selben Anlaß einstudierte kleine Roßballett und vor allem die als Teil der Hochzeitsfeste gedachte, fünfaktige Oper Il Pomo d’Oro, die dann erst am 12. und 14. Juli 1668 zum Geburtstag der Kaiserin über die Bühne des neuen Hoftheaters ging. Die ihr 1673 nachfolgende Claudia Felicitas aus der Tiroler Linie der Habsburger war am 30. Mai geboren; da sich der Hof zu dieser Zeit gewöhnlich in Laxenburg auf hielt, feierte man diesen Ehrentag 1675 im dortigen Tiergarten mit dem Drama per musica Pirro. Im nächsten Jahr verlor Leopold auch seine zweite Frau und heiratete Mitte ­Dezember in Passau die Prinzessin Eleonore Magdalena Theresia von Pfalz-Neuburg. Auf der Heimreise wurde einen Tag nach ihrem Geburtstag, am 7. Jänner 395

II. Oper am Wiener Kaiserhof 1677, im Linzer Landhaus die allegorisch auf die aktuelle Lage anspielende Oper ­H ercole ­A cquistatore dell’Immortalità inszeniert. Damit beginnt die bis 1702 verfolgbare Serie der – mit einigen Unterbrechungen – jährlich für dieses Fest im Jänner angesetzten Werke. Am neunten Geburtstag des Thronfolgers Joseph, am 26. Juli 1687, wurde er erstmals einer musikdramatischen Ehrung für würdig erachtet; schließlich fand einige Monate später seine Krönung zum König von Ungarn statt. Bis zum Ende des Jahrhunderts kamen zu diesem Anlaß nur reine Kammerwerke zur Aufführung, in denen ihm meist historische oder allegorische Figuren ihre Reverenz erwiesen. Mit dieser Tradition wurde erst 1700 anläßlich von Josephs 22. Geburtstag gebrochen, als ihm in Wiener Neustadt das Drama per musica Il Gordiano pio von Marc’Antonio Ziani gewidmet wurde. Im nächsten Jahr 1701 war es wieder eine große Oper, während danach bis 1705 nur mehr ein einaktiger „Scherzo musicale“ und zwei Serenate folgten. Einzelne Musikdramen spielte man auch zu Geburts­ tagen von Erzherzoginnen und sogar zu denen von Leopolds Schwester Mariana, der Königin von Spanien, als sie gleichzeitig seine Schwiegermutter war. Der Reigen von Aufführungen wurde seit 1669 vermehrt, als Leopold begann, auch Namenstage auf ähnliche Art zu feiern. Zunächst waren es die der Kaiserinnen Margarita im Juli, Claudia im Oktober und Eleonore Magdalena Theresia wieder im Juli, bald aber auch der des Kaisers am 15. November. Anfangs begnügte man sich mit Kurzopern oder Serenate, doch gegen Ende des Jahrhunderts findet man am Leopoldsfest immer öfter dreiaktige Musikdramen. Dieser doch zumindest über jeweils einige Jahre konstante Festkalender wurde immer wieder unterbrochen: durch die Trauerzeiten nach Todesfällen im Haus Habsburg oder nahe Verwandter oder durch Kriegsereignisse wie die Türkenbela3 gerung. Erweitert wurde er durch einmalige Ereignisse wie Hochzeiten 9 | und Geburten. Der Kaiser selbst trug mit seinen drei Vermählungen zur Bereicherung der Feiern dieser Art bei; allerdings kam es nur bei der ersten Hochzeit zu größeren Aufführungen, da die beiden anderen jeweils noch in die Trauerzeit des Witwers fielen. Für die Infantin waren 1666 ein Roßballett und die Oper Il Pomo d’Oro geplant; trotz der um Monate verspäteten Ankunft der Braut waren weder Theaterhaus noch die Musik fertig, sodaß die zweimalige Aufführung des Roßballetts La Contesa dell’Aria e dell’Acqua unter Mitwirkung des Kaisers im Jänner 1667 bei sehr ungünstigen Wetterbedingungen den Hauptteil der Feste bildete, während die Oper immer wieder verschoben wurde und schließlich, wie gesagt, erst im Juli 1668 am Geburtstag der jungen Kaiserin gespielt werden konnte. Als Anlaß wird im Libretto allerdings doch noch die Hochzeit genannt. 9 Siehe dazu Herbert Seifert: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am Wiener Hof der Habsburger und ihre Allegorik 1622–1699 (dramma per musica 2). Wien 1988.

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Die kaiserliche Hofoper zur Zeit Leopolds I. Nach dem Tod Margaritas im März 1673 mußte Leopold aus dynastischen Gründen schon bald eine zweite Ehe eingehen. Die Trauung mit Claudia Felicitas von Tirol fand in Graz statt, wo sich Leopold mit ihr traf. Am 17. Oktober ließ er im Garten des Lustschlosses Karlau eine einaktige Oper mit Ballett spielen. Damit und mit einem dramatischen Feuerwerk bald nach dem Einzug in Wien war es auch schon getan. Diese zweite Gemahlin Leopolds starb im April 1676 nach nur zweieinhalbjähriger Ehe, ebenfalls ohne ihm einen männlichen Erben geboren zu haben. Zur Hochzeit mit der pfälzischen Kurprinzessin Eleonore Magdalena Theresia begab sich der Kaiser noch im selben Jahr nach Passau. Am 14. Dezember, dem Tag der Hochzeit, ließ die Kaiserin Witwe in Wien eine Oper spielen, während in Passau am nächsten Tag nur ein nichtszenischer musikalischer Glückwunsch mit allegorischer Handlung gesungen wurde. Der eigentliche Anlaß für die Aufführung ­H ercole Acquistatore dell’Immortalità, die – wie schon erwähnt – während der Rückreise am 7. Jänner im Linzer Landhaus in Szene ging, war zwar der Geburtstag der neuen Kaiserin, doch kann man sie wegen der im Libretto entschlüsselten Bezugnahmen auf die etwa drei Wochen zuvor erfolgte Hochzeit als deren eigentliche Festoper ansehen. Die Verlobung der Erzherzogin Maria Antonia mit König Karl II. von Spanien (1676) und die Hochzeiten von zwei Halbschwestern Leopolds im Jahr 1678 in Wiener Neustadt waren weitere Anlässe für Serenate und Festopern: La Conquista del Vello d’Oro wurde im Februar zur Heirat von Maria Anna mit dem Herzog Karl von Lothringen gespielt, mit offiziellen Allegorien auf den Orden des Goldenen Vlieses und geheimen Anspielungen auf das amouröse Vorleben des Bräutigams, und Enea in Italia zur Vermählung von Maria Anna mit dem Erbprinzen Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg. Il Palladio in Roma im September 1685 feierte wieder mit viel Allegorie die Hochzeit der Erzherzogin Maria Antonia mit dem Kurfürsten Maximilian Emanuel von Bayern. Schließlich heiratete der Römische ­König Joseph I. im Jahr 1699 die Prinzessin Amalie Wilhelmine von Braunschweig-­ Lüneburg, was durch eine Oper und die auf 13 Triumphwägen gesungene große Serenata Imeneo trionfante auf dem Burgplatz gefeiert wurde. Auch die mit immer größerer Ungeduld erwarteten Geburten von Kindern ­L eopolds waren gelegentlich Anlaß von Aufführungen: Im September 1667 gebar Margarita den Erzherzog Ferdinand Wenzel. Im Dezember sollten deshalb ein Feuerwerk mit dramatischer Handlung abgebrannt und endlich Il Pomo d’Oro gespielt werden, doch waren die Vorbereitungen für die Oper noch nicht genügend weit gediehen, und am 3. Jänner 1668 starb der kleine Thronfolger. Auch für die Geburt des ersten Kindes aus der zweiten Ehe des Kaisers bereitete man eine außergewöhnlich ausgestattete Oper vor. Obwohl am 1. September 1674 statt des sehnlichst erwarteten Sohns wieder ein Mädchen geboren wurde, ging Il Fuoco eterno custodito dalle Vestali am 30. Oktober als eines von ganz wenigen 397

II. Oper am Wiener Kaiserhof

Abb. 14: Theater auf der Cortina auf der Vogelschau der Stadt Wien von Nordwesten von Folbert van Ouden-Allen, Amsterdam 1686. Wien Museum, Inv.Nr. 19.512. © Wien Museum.

Werken über die Bühne von Lodovico Ottavio Burnacinis Theaterhaus von 1667. Eine große Anzahl von Flugerscheinungen, Wasser- und Feuereffekten, 35 Rollen, sechs Chor- und zwölf Komparsengruppen heben diese Oper aus dem sonstigen Spielplan heraus. Ihre Handlung spielt auf die Umstände der über ein Jahr zuvor erfolgten Brautwahl an und verbrämt die Hochzeit mit Claudia Felicitas und die Hoffnung auf männliche Nachkommenschaft allegorisch. Erst die dritte Frau des Kaisers schenkte ihm einen Kronprinzen, der überlebte: Am 26. Juli 1678 wurde Erzherzog Joseph geboren. Dieses Ereignis wurde mit beträchtlicher Verspätung erst am 8. Oktober durch die Aufführung von La ­M onarchia ­l atina trionfante ebenfalls im Theater auf der Cortina gefeiert, einer nur einaktigen Oper mit starkem Einsatz von Bühnenmaschinen. Nach der Geburt des Erzherzogs Karl im Oktober 1685 gab es auch eine einaktige Oper, die allerdings lediglich von Hofdamen in der Kammer, also in kleinstem Rahmen, gesungen wurde.

*** In den ersten Jahren der Regierung Leopolds verfaßten der Hofdichter Aurelio Amalteo, der Bassist Antonio Draghi und andere die Libretti; die Musik wurde je nach Anlaß dem Hof kapellmeister Giovanni Felice Sances, dem Tenor ­Antonio Bertali und den Kapellmeistern der Kaiserin Witwe, Giuseppe Tricarico und P ­ ietro Andrea Ziani, anvertraut. Nach dem Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger im Jahr 1665 berief Leopold den Dichter Francesco Sbarra und Antonio Cesti von Innsbruck nach Wien, wo sie etwa eineinhalb Jahre lang ihre substantiellen Beiträge lieferten. Sbarra starb im März 1668, noch vor der Aufführung seines Pomo 398

Die kaiserliche Hofoper zur Zeit Leopolds I. d’Oro, und Cesti ging nach Florenz. Da auch Ziani nach Venedig übersiedelte, Antonio Draghi darauf hin 1669 zum Kapellmeister der einf lußreichen Kaiserin Witwe Eleonora avancierte und der | Graf Nicolò Minato aus Venedig als kai- 4 serlicher Hofdichter berufen wurde, begann zu dieser Zeit eine neue, viele Jahre lang konstante Ära. Zu dem Librettisten und dem Komponisten, die bis zum Ende des Jahrhunderts, also etwa drei Jahrzehnte lang, das Profil der Wiener Hofoper bestimmten, gesellten sich der Ballettkomponist Johann Heinrich Schmelzer, dem nach seinem Tod an der Pest 1680 sein Sohn Anton Andreas folgte, und der seit 1626 in Wien tätige Choreograph Santo Ventura, dem in gleicher Weise 1676 sein Sohn Domenico folgte. Am längsten von diesem seit 1669 agierenden Team war der Bühnenarchitekt und Kostümbildner Lodovico Ottavio Burnacini tätig, nämlich bis 1707. Er war ja schon 1651 mit seinem Vater nach Wien gekommen und also über ein halbes Jahrhundert hier höchst einf lußreich tätig. Um die Jahrhundertwende begann sich diese Gruppe von Opernschaffenden aufzulösen. Minato starb 1698; sein Nachfolger war Donato Cupeda, der seit 1701 von Pietro Antonio Bernardoni unterstützt wurde. Draghis Schaffenskraft begann um diese Zeit auch nachzulassen, weshalb Hof komponisten aufgenommen wurden: Carlo Agostino Badia, Giovanni Bononcini und Johann Joseph Fux, weiters der Vizekapellmeister Marc’Antonio Ziani bestimmten nun das musikalische Profil des Hoftheaters.

*** Werfen wir einen Blick in den Zuschauerraum der Wiener Hofoper. Wir sehen hier die kaiserliche Familie, den Hofstaat, hohen und niederen Adel, Geistlichkeit, Botschafter und Gesandte sowie andere bedeutende ausländische Besucher. Nur vom Roßballett im Jänner 1667 ist bekannt, daß auch Bürger eingelassen wurden, die unter den Tribünen stehen durften; Diener waren allerdings ausgeschlossen. Bei allen Kammeraufführungen, die immer in Zeiten der Hoftrauer die öffentlichen ersetzten, wurde nur ein sehr kleiner Kreis von Zuschauern zugelassen. Die Sitzordnung drückte Rang oder Wertschätzung aus. Um Streitigkeiten zu vermeiden, mußte daher häufig ein Raum abgetrennt werden, wo dann ein Würdenträger incognito und unsichtbar einer Aufführung beiwohnen konnte. Während der Vorstellungen wurden – wie in den öffentlichen Theatern Venedigs – unter anderem diplomatische Angelegenheiten besprochen und auch Erfrischungen gereicht. Dennoch nahm man die Opern zumindest als gesellschaftliche Ereignisse sehr wichtig. Einige Gesandte aus Italien klagten darüber, daß in Wien zur Faschingszeit die Staatsgeschäfte ruhten und jede Unterhaltung vom Kaiser und von der Hofgesellschaft den wichtigsten Angelegenheiten vorgezogen würden. Die Hauptfunktionen der Oper, die sich in der Librettodichtung niederschlugen, waren Propaganda für den Kaiser und gegen seine Feinde, Verherrlichung der 399

II. Oper am Wiener Kaiserhof ­ asallentreue und Kritik an der anwesenden Hofgesellschaft, der entweder ein V Idealbild oder ein abschreckendes Beispiel vor Augen gestellt wurde. In einem Bericht an den Dogen behauptet der venezianische Botschafter 1678, Kaiser Leopold begnüge sich damit, die Fehler und Vergehen seiner Minister auf der Bühne darstellen zu lassen, ohne sie zu bestrafen. Jede der hiesigen Aufführungen beleidige die Zuschauer, statt sie zu unterhalten, und setze die Treue und das Gewissen der angesehensten Personen herab. Das ist sicherlich übertrieben, doch wissen wir aus verschiedenen Quellen über die grundsätzlich satirische Absicht der Opernlibretti und die Häufigkeit aktueller Anspielungen, die wir heute nur mehr zu einem kleinen Teil entschlüsseln können.

*** Kehren wir wieder zum Ausgangspunkt dieser Betrachtungen zurück. Was war nun das Außergewöhnliche am Pomo d’Oro? Zunächst natürlich der Umfang, der Leopold dazu veranlaßte, die Aufführung auf zwei Nachmittage zu verteilen, wie das auch später bei wenigen, überlangen Werken praktiziert wurde. Weiters die Fünfaktigkeit, die wohl aus der Tradition der Pastoraloper der ersten Jahrzehnte der Operngeschichte zu erklären ist; sie begegnet in Wien nur bei zwei früheren Opern, danach nicht mehr. Und natürlich die Anzahl der Szenenwechsel, nämlich 22, und der Sänger. Das große, aus acht Tänzen bestehende Schlußballett wurde von drei Gruppen ausgeführt: von Cavalieren auf der Erde, kleinen Geistern in der Luft sowie Sirenen und Tritonen im Meer. Etwas Ähnliches hatte es am Kaiserhof bisher nicht gegeben und kommt auch im 17. Jahrhundert nicht mehr vor; es entspricht in seiner Überdimensionierung der sonstigen Anlage dieser Oper der Superlative. Auch daß sie mindestens einmal wiederholt wurde, muß als zu dieser Zeit für Wien sehr seltenes Phänomen angesehen werden. Musikalisch zeigt das Werk keine große Besonderheiten, außer daß es zu den frühesten Opern mit aufgeschriebener Trompetenmusik gehört und andererseits mit der „kirchlichen“ Instrumentation der Unterweltszenen an den sechzig Jahre älteren Orfeo Monteverdis anschließt. Wie sehr der Kaiser diese teure Aufführung als Propaganda ausschlachtete, sieht man daraus, daß er allein an seinen Botschafter in Spanien 16 und an seine Schwester, die Königin von Spanien, 14 Exemplare des Librettos schickte, „damitt es alda Vnder die leutt kemben Möge“.

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KAISER LEOPOLD I. IM SPIEGEL SEINER HOFOPER* Maria Goloubeva hat in ihrem Buch The glorification of emperor Leopold I in image, spectacle and text1 das Thema der Repräsentation dieses Kaisers in den Künsten im allgemeinen behandelt und dabei immer wieder auch auf die Opern Bezug genommen. Ich möchte mich auf diese im Speziellen beschränken und dieses schon 1981 bzw. 1985 in meiner Habilitationsschrift 2 angerissene Subjekt im Hinblick auf das Generalthema dieser Tagung näher ausführen. Herrscherlob und -tadel findet man in den von Leopold in Auftrag gegebenen und approbierten Libretti erwartungsgemäß sehr ungleich verteilt: Sein Lob ist in den allermeisten Prologen und/oder licenze bzw. Schlussszenen zu finden; die verschiedenen Kategorien der ihm zugeschriebenen Eigenschaften und Erfolge sind bei Goloubeva 3 angeführt: Türkensieger, Verteidiger des Römischen Reichs gegen Ludwig XIV., Patron der Künste, Garant von Frieden und Harmonie oder Träger von Tugenden wie Milde (clemenza), Gerechtigkeit und Weisheit. Nach mehr oder weniger versteckter Kritik am Kaiser muss man dagegen mit der Lupe suchen. Im Gegensatz dazu ist aber eine negative Beurteilung des Hof lebens im allgemeinen, aber auch des Kaiserhofs und sogar einzelner seiner Mitglieder immer wieder in die Textbücher eingewoben, ganz zu schweigen von der omnipräsenten Kritik am feindlichen Cousin Ludwig XIV. Antonio Draghi, der während der sechziger Jahre vom Librettisten zum Komponisten mutierte, gibt im Prolog zu | seiner komischen Karnevalsoper La ­M ascherata 94 1666 deutlich die Ambiguität der Opernlibretti seiner Zeit zu erkennen, wenn er Piacere (Vergnügen) singen lässt: 4 E ne capricci miei mostrarvi giuro, Nel bianco il nero, e tra ‘l splendor lo scuro.

* Zuerst erschienen in: Der Fürst und sein Volk. Herrscherlob und Herrscherkritik in den habsburgischen Ländern der frühen Neuzeit. Kolloquium an der Universität des Saarlandes (13.–15. Juni 2002), hg. von Pierre Béhar und Herbert Schneider (Annales Universitatis Saraviensis, Philosophische Fakultät 23). St. Ingbert 2004, S. 93–107. 1 Maria Goloubeva: The glorification of emperor Leopold I in image, spectacle and text (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung für Universal­geschichte 184). Mainz 2000. 2 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25). Tutzing 1985. 3 Goloubeva: The glorification of emperor Leopold I in image, spectacle and text, passim. 4 Antonio Draghi: La Mascherata. Wien 1666.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Das weist eben auf die zumindest zeitkritische Haltung der Texte hin, die in der Schlussrelation des venezianischen Botschafters Francesco Michiel an den Dogen Luigi Contarini zwölf Jahre später noch krasser herausgestellt wird: Er wirft dem unentschlossenen Kaiser vor, dass er Beschuldigungen nicht nachgehe und Verfehlungen nicht ahnde, sondern die ungewöhnliche und noch nicht dagewesene Praxis verfolge, die Fehler seiner Minister auf der Bühne darstellen zu lassen, wobei ihnen die schwersten Delikte zur Last gelegt würden. Es sei kurios, dass es keine Aufführung gebe, die die Zuschauer nicht kränke, statt sie zu unterhalten, und keine Musik, deren süße Passagen nicht auf herbe Weise mit beißenden Veränderungen durchsetzt seien, während die Treue und das Gewissen der Qualifiziertesten verleumdet würden.5 Der Botschafter geht also von der Annahme aus, dass Leopold selbst seinem ­Librettisten Nicolò Minato Anweisungen zur Einbeziehung aktueller Allusionen gegeben habe. Für solche führt er auch konkrete Beispiele an, unter anderen das 95 bekannteste libretto a chiave dieser Zeit, nämlich La Lanterna di Diogene, obwohl Michiel selbst diese Oper nicht selbst besucht hatte. Er bezieht sich darauf unter der Bezeichnung „quel famoso Diogene“, in dem die hervorragendsten Herrscher Europas, die Kaiserinnen, Leopold I., die Könige, die Wiener und auch die ausländischen Minister auf der Bühne erschienen seien.6 In die gleiche Kerbe schlägt ebenso vorwurfsvoll der Resident der Toskana am Kaiserhof, Giovanni Chiaromanni, der fünf Tage nach der Aufführung der genannten Diogenes-Oper nach Florenz berichtete, dass die Oper klar genug sei, er aber doch den von einem Freund erhaltenen Schlüssel mitsende, damit man sehe, mit welcher Geringschätzung der Kaiser sich und seine Minister darstellen wollte. Wenn er an seinem Hof Minister dulde, die er für Diebe, Ungerechte oder Verräter halte, zeige er sich damit als unentschlossen oder als Teilhaber an den Missständen.7 Diese kritischen Äußerungen hat Chiaromanni allerdings verschlüsselt (hier in spitzen Klammern transkribiert): 5

„Mà appresso Cesare ogni accusa riesce senza liquidatione di fatto, ogni fatto benche di colpa, senza castigo. […] egli prattica maniera insolita, e nello riandarsi delle memorie trascorse, non si ritroua, chi habbia rappresentato li difetti de’suoi Ministri sopra le Scene, imputandoli de’ più graui delitti; È curioso il dirsi, che non ui sia rappresentatione, ch’ in uece di dilettare gl’ascoltanti, non li punga, ne musica, che nella soauità de passaggi, non sia accremente conspersa di mordaci ritocchi, mentre si detrahe alla fede, et alla consienza de più qualificati.“ Siehe: Die Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Österreich im 17. Jahrhundert, hg. von Joseph Fiedler. Bd. 2. Wien 1867, S. 182 f. – Siehe auch Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 771. 6 „Comparuero frà l’altre sopra la Scena in quel famoso Diogene i più cospicoi Prencipi d’Europa, le Imperatrici, Cesare, i Rè, li Ministri proprij, e gl’Esteri ancora.“ Siehe Fiedler: Die Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Österreich im 17. Jahrhundert, S. 182 f. 7 Siehe Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 748.

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Kaiser Leopold I. im Spiegel seiner Hofoper Si rappresentò martedi sera in Palazzo il Diogene, di che mando à V. S. Ill.ma un’esemplare; e se bene l’Opera è in se stess’assai chiara, hauendomi nondimeno fauorita un’Amico della chiaue, l’inuio parim[en]te qui aggiun­ ta, acciò che ueda ‹in qual vilipendio ha voluto l’imperatore costituir se med[esim]o, e i suoi ministri che venendo creduti dalla M[aest]a S[ua] ò ladri, ò ingiusti ò felloni, non può ella euitare il concetto di essere inresoluta ò partecipe delli mali mentre soffre che li sudetti restino nella sua Corte›. Dass diese Oper schon vor ihrer Aufführung besondere Aufmerksamkeit und Neugier erregte, belegt eine Äußerung in einem Brief, den Franz Augustin Graf Waldstein in der Woche vor der Aufführung, am 25. Jänner 1674, an den kaiserlichen 96 Botschafter in Spanien, Ferdinand Bonaventura Graf Harrach, schrieb: il nostro diogine ha incuriosito tut’il mondo[,] martedi prossimo haueremo l’effetto che produrra[.]8 Kaiser Leopold teilt danach diesem Grafen Harrach, mit dem er sehr vertraut war, mit:9 […] Diogene […] hatt In allen 4½ Stundt gendt aber wol nitt lang vorgekommen. Etlichen hett er gefallen andern nitt Ist Ihne gar zue aromatisch vorkommen. Diogene ist nun tatsächlich das am besten dokumentierbare Beispiel für aktuelle Anspielungen in einem Opernlibretto, denn ich konnte drei Exemplare des Librettos mit insgesamt vier handschriftlichen Schlüsseln dazu ausfindig machen, die zu verschiedenen Zeitpunkten teilweise voneinander abweichende Deutungen bieten. Zwei davon sind erst ein bis drei Jahrzehnte nach der Aufführung im Karneval 1674 niedergeschrieben, doch alle beziehen sich auf das Jahr 1673, also die Zeit unmittelbar davor. Da ich schon vor 20 Jahren im Detail auf diesen Sonderfall eingegangen bin,10 soll hier nur die Person Alexanders des Großen herausgegriffen werden, der – wie in mehreren anderen Opern dieser Zeit – für den Herrscher, also in Wien für den Kaiser steht.11 Noch Eucharius Gottlieb Rinck weiß in seiner nach dem Tod Leo­polds in drei Auflagen erschienenen Biographie zu berichten, dass in dieser Oper 8

Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach (A-Wfh), Karton 311, Mappe „Waldstein, Franz Joseph“ [sic]. 9 Kaiser Leopold: Brief/Bericht an Ferdinand Bonaventura Harrach (nach Madrid), Wien, 8. Februar 1674. A-Wfh, Karton 207. 10 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, S. 248–262. 11 Vgl. ebenda, S. 220 f.

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II. Oper am Wiener Kaiserhof Diogenes dem gantzen Hofe seine fehler vorrückte / und dem Käyser selbst unter der Gestalt Alexandri M[agni] sagte / daß er | aus allzumilder ­g nade / nicht ohne schaden des gemeinen wesens / die laster nicht genug be­ straffte.12

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Diogenes, der mit seiner Laterne einen Menschen sucht, aber keinen finden kann, auch nicht in Alexander, begründet das in seiner letzten Äußerung kurz vor Ende der Oper ihm gegenüber so, dass er Eigenschaften der Götter besitze: Er sei klug, gerecht, rein, mild und fromm; er beschenke die,