Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit: (Neue Reihe staatswissenschaftlicher Arbeiten, Heft 3) [1 ed.] 9783428572052, 9783428172054

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Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit: (Neue Reihe staatswissenschaftlicher Arbeiten, Heft 3) [1 ed.]
 9783428572052, 9783428172054

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Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit Von

Alfred Kruse

Duncker & Humblot reprints

N e u e Reihe Staatswissenschaftlicher Arbeiten 3.

H e a

Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit

Von

D r .

A l f r e d

K r u s e

Duncker&c H u m b l o t / M ü n c h e n u n d L e i p z i g

Copyright 1936 by Duncker & Humblot, München und Leipzig

I

Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co., Altenburg, Thür.

Meinem hochverehrten Lehrer PROFESSOR A D O L F WEBER

in Dankbarkeit

Inhalt Seite

I. Vorbemerkung

1

Freisetzungs- u n d Kompensationstheorie. — D i e Untersuchungsmethode.

iL Technischer und ökonomischer Fortschritt

3

Technischer Fortschritt u n d Ä n d e r u n g des technischen Verfahrens als Folge einer Kostenverschiebung. — Betriebswirtschaftliche u n d volkswirtschaftliche Rationalisierung.

ili. Das Kapitalproblem

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Der Kapitalbedarf zu einer Produktionsausdehnung. — D e r Gesamtkapitalbedarf ist abhängig v o n der Zusammensetzung des Kapitals.

IV. Das Maschinenherstellungsargument der Kompensationstheorie . . Die beiden G r ü n d e , die den Fehler aufweisen. — bemerkungen.

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Methodische V o r -

V. Die Kompensation bei gleichem Kapitalbedarf

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a) Kompensation d u r c h V e r w e n d u n g der E x t r a g e w i n n e D i e Größe der anfallenden Gewinne. — P r o d u k t i v e Verwendung der Gewinne. — Konsumtive V e r w e n d u n g der Gewinne. b) Kompensation d u r c h Preissenkung Das falsche A r g u m e n t von den Kaufkraftüberschüssen. — D i e N a c h frageverschiebung. — D i e Einkommensverschiebung. — K a p i t a l b i l d u n g u n d Kompensation. — D i e M ö g l i c h k e i t e n einer W i e d e r b e s c h ä f t i g u n g durch erfolgte Preissenkung.

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Vi. Die Kompensation bei größerem Kapitalbedarf a) Kapitalbereitstellung d u r c h Sparen Zinssteigerung u n d das Angebot von Kapitaldisposition. — Die verschiedenen A r t e n des Sparens. b) Kapitalentzug aus anderen P r o d u k t i o n e n Einfachster Verlauf. D e r M a n g e l an L i q u i d i e r b a r k e i t . — R i s i k o u n d Selbstfinanzierung. — H e m m u n g e n d u r c h gebundene Preise. — Ergebnis. c) Kapitalbereitstellung d u r c h Kreditexpansion Änderungen auf der Produktionsseite. — Änderungen auf der K o n s u m seite. — Automatische Deflation? — D i s k o n t i n u i e r l i c h e K a p i t a l b i l d u n g ?

VII. Der technische Fortschritt bei Monopolen a) Technischer u n d ökonomischer Fortschritt b e i m M o n o p o l b) D e r E i n f l u ß des technischen Fortschrittes b e i m M o n o p o l auf dem Arbeitsmarkt N i c h t jede Kostensenkung f ü h r t zu Produktionsausdehnung. — D i e E i n kommensverschiebung. — Konsumieren oder Sparen. — Das M o n o p o l ist f ü r die Kompensation günstig.

Vili. Kompensation durch Lohnsenkung

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33 3Γ»

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Der Preismechanismus auf dem A r b e i t s m a r k t u n d das Entstehen von Arbeitslosigkeit. — D i e fehlende Angebotsanpassung. — D i e geringe Beweglichkeit. — M a r k t v e r b i n d i m g . — K a p i t a l f e h l l e i t u n g als Folge mangelnder Preiselastizität bei A r b e i t .

IX. Das Tempo des technischen Fortschritts und das Tempo der Kompensation

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Kapitalzerstörung. — D i e Tendenz zur Kompensation der K a p i t a l g ü t e r vernichtung. — D i e Bestzeit zur A n w e n d u n g neuer Erfindungen. — P l a n wirtschaft als Ausweg? — Kompensationszeit, Folgezeit u n d D a u e r arbeitslosigkeit.

X. Das Ergebnis Literatur

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VII

I. Vorbemerkung Unser Thema wird in der Diskussion in mehreren Varianten behandelt, sei es, daß man es sieht als aktuelles Tagesproblem, Rationalisierung und Arbeitsmarkt, sei es, daß es i m Mittelpunkt eines ganzen ökonomischen Theoriengebäudes steht, so bei Marx und den Marxisten als Lehre von der Reservearmee des Kapitals oder auch es wird i m großen Zusammenhang des Verhältnisses von Mensch zu Technik gesehen. I m Grunde ist es aber immer wieder die gleiche Frage, die es zu beantworten gilt: Wie wirkt der dynamische Faktor Technik als Kombinationsmöglichkeit der Produktionsfaktoren auf die Daten der Wirtschaft ein? Der wissenschaftliche Streit um die W i r k u n g des technischen Fortschritts auf die Arbeiterbeschäftigung wird von zwei Seiten geführt, von der Freisetzungstheorie und der Kompensationstheorie. Die eine behauptet, dauernde oder langdauernde Arbeitslosigkeit sei die Folge eines technischen Fortschrittes, nur vorübergehende Freisetzung die andere. Beide verkennen nicht die produktivitätsteigernde Wirkung der arbeitsparenden Erfindungen, doch ist die Freisetzungstheorie der Meinung, daß diese überkompensiert würde durch die Schäden der Arbeitslosigkeit, oder daß die Vorteile nur den Unternehmern zugute kämen, die Arbeiter aber stets die Verlierer seien. Die Kompensationstheorie dagegen behauptet, die Arbeiterfreisetzung sei nur eine vorübergehende und die Vorteile aus einer gestiegenen Produktivität käme nicht nur den Unternehmern, sondern auch den Arbeitern als Konsumenten durch die notwendig eintretende Verbilligung der Produkte zugute. Die Ansichten der meisten Menschen über dieses Thema, besonders die der unmittelbar davon betroffenen scheinen eher pessimistisch als optimistisch zu sein. Über dem Schicksal des einzelnen wird allzu leicht das gemeinsame vergessen. Man sieht die Verdrängung einzelner Arbeiter durch die Maschine oder auch den Zusammenbruch eines ganzen Produktionszweiges durch ein neues technisches Verfahren, man sieht aber nicht den erhöhten Arbeiterbedarf an anderer Stelle der W i r t schaft oder den Aufschwung ganz neuer Produktionszweige. Der ört1 Kruse

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liehe und zeitliche Abstand zwischen Arbeitslosigkeit hier und heute und neuer Beschäftigung dort und morgen wird meist nicht gesehen. Die Kausalität arbeitsparende Maschine und Arbeitslosigkeit ist offenbar, die Kausalität von Freisetzung und Wiederbeschäftigung zu anderer Zeit und an anderer Stelle der Wirtschaft dagegen ist nicht immer leicht zu erkennen. Der Zweck dieser Arbeit soll sein, zu versuchen festzustellen, ob eine solche Tendenz in unserer Wirtschaftsverfassung besteht, daß eine Arbeiterfreisetzung als Folge eines arbeitsparenden technischen Fortschritts stets eine Wiederbeschäftigung eintreten muß und, wenn dies bejaht werden kann, welche Einwirkungen die Kompensation verzögern oder beschleunigen. Der Begriff des technischen Fortschritts soll in seinem weitesten Sinne verstanden werden, als eine fortschrittliche Änderung der Kombination der Produktionselemente; es ist damit also nicht nur der Fortschritt der rein technischen Produktion s weise miteingeschlossen, sondern ebenso der organisatorische Fortschritt. Das Ergebnis unserer Arbeit wird nun nicht unmittelbar das Auffinden einer Richtschnur f ü r den Wirtschaftspolitiker sein können, es soll uns nur die Einsicht in das wirtschaftliche Gefüge und Funktionieren in einer besonderen Fragestellung erleichtern helfen. Es darf i m folgenden also nicht ein Leitfaden für die bestmögliche Handlungsweise eines Wirtschaftspolitikers erwartet werden. Dazu wäre noch notwendig eine Verbindung unseres theoretischen Ergebnisses mit der Kenntnis der konkreten Wirtschaftslage — Ausmaß der technischen Fortschritte, Ausmaß der Freisetzungen, die bestehende Arbeitslosigkeit in Deutschland usw. — und der klaren und entschiedenen Zielsetzung, die politisch-weltanschaulich bestimmt sein müßte, in diesem Falle also Vermeidung von Störungen in der Wirtschaft zur größtmöglichen Förderung des Volkes; wobei aber wiederum klar sein muß, ob nicht vielleicht eine vorübergehende Schädigung einzelner Schichten i m Interesse des Volksganzen hingenommen werden darf oder aber ob das Volk in allen seinen Gliedern gleichmäßig gefördert werden soll, auf die Gefahr hin, die Entwicklung der Volkskraft und des Volksreichtums zu verlangsamen. Da wir i m folgenden i m Bereiche der Theorie bleiben, ist auch die !'ntersuchungsmethode gegeben. Die Induktion ist für die Erkenntnis einer gegebenen Lage oder eines historischen Ablaufs die geeignete Methode, sie kann uns aber keine allgemein gültige Kausalitätsanalyse geben. W i r wissen wohl, daß i m letzten Jahrhundert eine stets wachsende Zahl von Menschen während einer technischeil Umwälzung beschäftigt wurde, aber wir wissen nicht, ob dies wegen oder trotz des technischen Fortschritts geschah. Die wirtschaftliche Entwicklung, die

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Λλ ir in der Wirklichkeit wahrnehmen, ist eine fortwährende Veränderung der Erscheinungen, sie ist ein Zusammenwirken von Bewegungserscheinungen, aus der die Kausalität der Kompensation einer anfänglichen Arbeiterfreisetzung nicht klar ersichtlich ist. Zur Erlangung objektiver Gewißheiten ist die Scheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen notwendig. Es müssen die Daten klassifiziert und umgeformt werden. Das Erkenntnisobjekt muß vom Erfahrungsobjekt geschieden werden, mit anderen Worten, es muß ein Wirtschaftsmodell geschaffen werden, an dem Ursache und Wirkung verfolgt werden können, was bei Betrachtung der uns umgebenden Wirtschaft allein nicht möglich ist. Die Wirtschaftswissenschaft ist nicht in der glücklichen Lage wie die Naturwissenschaften, sie kann nicht mit Hilfe von Experimenten ihre Ergebnisse prüfen oder gar zu neuen Erkenntnissen gelangen. Als Ersatz muß der Volkswirt, der für Volk und Staat gleichwichtige Zusammenhänge aufdecken will, sich gleichsam einen gedanklichen Experimentiertisch schaffen. Bei solchem Wirtschaftsmoclell, das mehr Sinnbild als Abbild unserer Volkswirtschaft sein will, sind nicht nur die Daten umgeformt, auch aus der Fülle der wirksamen Kräfte sind nur die wirtschaftlichen in das Modell übernommen. Wenn wir uns auf solche beschränken — und wir müssen es, um überhaupt wissenschaftliche Aussagen machen zu können —, so dürfen wir bei Verwendung der Ergebnisse unsere Voraussetzungen nicht übersehen, wir würden sonst in den Irrtum der Manchesterschule verfallen, das Wirtschaftsmodell mit der lebendigen Volkswirtschaft zu identifizieren. Die Deduktion soll daher i m folgenden verwandt werden. Zwei Gefahren bleiben allerdings. Einmal kann eine Ableitung aus aphoristischen Sätzen leicht zu logisch falschen Schlüssen führen. Zum anderen aber können die notwendig wirklichkeitsfremden Abstraktionen leicht zu einer bloßen Gedankenakrobatik verleiten, wenn sie nicht als bloße Denkschemata das Verständnis f ü r die Wirklichkeit schaffen können. Zur Erleichterung der Darstellung unserer Gedankengänge wird häufig die graphische Methode mit herangezogen werden. Die geradezu klassische Weise, in der Barone die zeichnerische Methode verwandte, schwebt unserer Untersuchung immer als unerreichbares Vorbild voran.

II. Technischer und ökonomischer Fortschritt Um das Problem des technischen Fortschrittes gegenüber ähnlichen abzuheben, ist es notwendig zu unterscheiden zwischen der Anwendung eines bereits bekannten technischen Verfahrens, das jedoch bisher unrentabel war, und der Erweiterung des technischen Wissens und der ökonomischen Anwendung dieser neuen technischen Methode. Die AnI

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wendung einer bereits bekannten technischen Methode findet statt, wenn eine Änderung des Verhältnisses der Kostenelemente zueinander eingetreten ist. Eine solche Änderung der Kostenverhältnisse kann vor allem in zwei veränderten Tatbeständen ihren Grund haben. Eine Änderung des Zinses oder des Lohnes kann durch eine V eränderung der angebotenen oder nachgefragten Menge von Kapital und Arbeit verursacht sein. Eine Lohnsteigerung kann aber auch durch die Monopolpolitik der anbietenden Arbeiter bewirkt worden sein. Eine solche Lohnerhöhung kann den Unternehmer zum Übergang zu einer anderen technischen Methode zwingen, die vorher vielleicht schon bekannt war. Es ist jedoch falsch, dies, wie es die sog. gewerkschaftliche Foltertheorie getan hat, als erzwungenen technischen Fortschritt anzusehen. Ein technischer Fortschritt liegt nur dann vor, wenn ein Produkt durch dieses neue Verfahren billiger hergestellt wird. Wenn aber der Unternehmer bisher richtig kalkuliert hat, war die alte Methode die billigste. W i r d er jetzt durch die Lohnsteigerungen gezwungen, das neue Verfahren einzuführen, weil es beim erhöhten Lohn billiger ist, so liegt keine Kostensenkung, sondern eine Kostensteigerung vor, kein technischer Fortschritt, nur eine andere technische Anwendung, weil das Verhältnis der Kostenelemente zueinander sich verschoben hat. Diese erste Art kann begriffsinhaltlich nicht zu unserer Untersuchung gehören. Der zweite Fall, der technische Fortschritt als Anwendung einer neuen Erfindung, tritt dagegen auch ein, wenn das Kostenverhältnis sich nicht verschiebt. In Abb. 1 seien auf der Abszisse die Mengen des Produktionsfaktors Arbeit (a) abgetragen, auf der Ordinate die des Produktionsfaktors Kapital (k). Jeder Punkt i m ersten Quadranten stellt eine Kombination von Arbeit und Kapital dar zur Erzeugung einer bestimmten Menge m eines Gutes. T v T 2 . . . seien alle solche Punkte, deren Koordinaten eine bekannte Kombinationsmöglichkeit f ü r eine Mengeneinheit bedeuten. Jeder Punkt stellt ein bekanntes technisches Verfahren dar. Man kann Schuhe mit komplizierten Maschinen und man kann dieselben Schuhe mit primitiven Schustergeräten herstellen. I m einen Fall ist zur Erzeugung der Schuhe wenig Arbeit und verhältnismäßig viel Kapital notwendig, i m anderen Falle viel Arbeit und wenig Kapital. Zwischen diesen Produktionsverfahren gibt es noch viele andere, bei denen jeweils verschiedene Mengen von Arbeit und Kapital kombiniert sind. Die Technik allein kann von sich aus nicht entscheiden, welches Produktionsverfahren wirtschaftlich das günstigere ist, ob eine handbetriebliche Schuhwerkstatt oder eine maschinelle Schuhfabrik. Die Technik kann nur Methoden auswählen. Avo es sich um solche Kom-

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binationen handelt, für die gleiche Mengen des einen Faktors mit verschiedenen Mengen des anderen Faktors kombiniert werden können. So wird die Technik aus den Kombinationen Γ 3 und Γ 4 das technische Verfahren T 3 auswählen können, da der gleiche Erfolg mit gleicher Menge von a und mit kleinerer Menge von k hergestellt werden kann. Aber die Verfahren T ± und T 7 zum Beispiel sind für den Techniker gleich gut und gleich schlecht. Der Wirtschafter allein kann hier entscheiden. Der Maßstab ist das Preisverhältnis. Stellen wir uns das Preisverhältnis von Arbeit zu Kapital durch die Richtung einer Geraden g dar. Dann ist jener Technikpunkt der günstigste — und stellt die öko-

Abb. 1 nomischste Kombination dar —, durch den die Tangente zu g dem Ursprung am nächsten ist 1 . Das ist in unserem Falle T 3 . Unter den gegebenen Preisverhältnissen stellt die Kombination von a 3 Mengen Arbeit mit fc 3 Mengen Kapital die Kombination dar, die zur Erzeugung einer bestimmten Menge m des Produktes die geringsten Kosten verursacht. 1 Vgl. Erich S c h n e i d e r : Theorie der Produktion. W i e n 1934. S. 24. W e n n 1 der Lohn und ζ der Zins ist, dann sind die Produktionskosten G K = a - l - ) - k 1 G Κ Somit k a . Das Verhältnis von Lohn zu Zins bleibt bei Konstantem ! G Κ , also bei Parallelverschiebung der Graden, unverändert. M i t sinkendem sinkt dann bei gleichbleibendem ζ (und 1) auch G K .

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Ändert sich der Preis eines Produktionsfaktors, so ändert sich die Richtung der Geraden, und es ist möglich, daß eine andere der bereits bekannten Kombinationen die ökonomischere wird. In Abb. 2 sind T v Τ2 und T 3 die drei bekannten möglichen Arten der Erzeugung einer Menge m eines Gutes mit verschiedenen Mengen von Arbeit und Kapital. Die Richtung der Geraden g zeigt uns wieder das Preisverhältnis der elementaren Produktionsfaktoren an und besagt, daß bei T 2 die geringsten Produktionskosten entstehen. Ändert sich g nach g', ändert sich die Richtung in t g a ' , weil die Kostenproportion sich verschoben hat, so wird das Verfahren T 1 das günstigere, da eine Gerade durch

T 2 (oder auch durch Τ 3) weiter vom Ursprung entfernt ist, also höhere Produktionskosten entständen. Ob dadurch aber die insgesamt entstehenden Kosten geringer sind als bei T 2 mit dem alten Kostenverhältnis, ist nicht gesagt. Wenn zum Beispiel eine Lohnerhöhung durch Gewerkschaften der Grund der Proportionsänderung war, so sind die Kosten sicher gestiegen, da keine Senkung der Kapitalkosten eingetreten ist. Hier wird der Unterschied von technischem Fortschritt und neuer technischer Anwendung als Folge der Änderung der Kostenproportion deutlich : ein ökonomischer technischer Fortschritt bringt stets eine Kostensenkung, eine neue technische Anwendung ist aber nur das Verwenden eines neuen Produktionsverfahrens, dessen Ursache eine Kostensenkung oder aber auch eine Kostensteigerung sein kann, jedenfalls eine Änderung der Kostenproportion.

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Ein technischer Fortschritt durch Erweiterung des technischen Wissens dagegen bedeutet in unserer graphischen Veranschaulichung das Finden eines neuen Technikpunktes. Die Kombination T 4 in unserer Abb. 3 wird erfunden und bei den gegebenen Kostenverhältnissen durchgeführt, da die Kosten um so geringer sind, je näher die Kostentangente dem Ursprung kommt. Der Techniker kann nun viele Erfindungen machen, Verfahren herausfinden, das Produkt durch andere Mengenkombinationen herzustellen. Diese sind jedoch nur insoweit wirtschaftlich relevant, als sie eine Kostensenkung herbeiführen. So ist es heute bei genügend großem

Aufwand wohl chemotechnisch möglich, viele Rohstoffe künstlich herzustellen. Diese Experimente bleiben jedoch solange Experimente, als nicht eine solche Kostensenkimg erreicht wird, daß eine Verbilligungdes Endprodukts eintritt. Damit der Weg von der Retorte zur industriellen Produktion beschritten w erden kann, müssen entweder die Kosten sinken oder es muß der Produktpreis steigen. Solche anfänglich unrentablen Erfindungen können also in der Zukunft bedeutsam werden, wenn sich das Kostenverhältnis der substituierbaren Produktionsfaktoren verschoben hat. Ist T 2 in Abb. 2 das bis jetzt bekannte und verwandte Verfahren, und wird die Herstellungsart T 1 gefunden, so ist diese heute, solange g die Gerade des Kostenverhältnisses ist, f ü r den Unternehmer unbeachtlich. T r i t t nach einiger Zeit jedoch eine Änderung der Kostenverhältnisse ein, wird g zu g', so kann das neue Verfahren sehr wohl einzuführen sein. Verursacht ein Steigen der Kapitalbildung ein Sinken des Zinses oder die Lohnpolitik ein Steigen des

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Arbeitsentgeltes, so wird das arbeitsparende Verfahren T ± von den Unternehmern eingeführt werden. Doch da nicht für jede Produktionsmenge die Einheitskosten gleich sind, kann die Erfindung kostensenkend wirken und doch nicht anwendbar sein. Übersteigt die zu niederen Kosten produzierbare Menge die Fassungskraft der Nachfrage, so ist das Verfahren unbrauchbar, wenn die Kosten für die gerade nachgefragte Menge höher sind. Es ist also nicht jedes neue Produktionsverfahren, ja nicht einmal jedes kostensenkende Produktionsverfahren ein wirtschaftlicher Fortschritt. Die Unternehmer stellen an das neue Verfahren höhere Ansprüche als die Techniker. Ein technischer Fortschritt, wenn ihm ökonomische Bedeutung zukommen soll, ist stets eine Neuerung i m technischen Verfahren, das kostensenkend wirkt, jedoch nicht kostensenkend schlechthin, sondern stückkos ten s en kend für die gerade am Markt verlangte Menge eines Gutes. Alle Verschiedenheiten der Beurteilung einer neuen Erfindung nach technischen und ökonomischen Gesichtspunkten allein reichen noch nicht aus. Die bisherigen Überlegungen fanden entweder innerhalb eines Betriebes oder einer Unternehmung statt. Aber schon die Tatsache, daß eine Problematik ,,Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit" besteht, legt uns die Frage nahe, ob nicht der technische Fortschritt betriebswirtschaftlich und sozialökonomisch anders zu beurteilen ist. Wenn Arbeitslosigkeit als Folge eines betriebswirtschaftlich richtigen Handelns der Unternehmer bei Durchführung des technischen Fortschritts auftreten kann, so ergibt sich für die Sozialökonomie vielleicht noch eine andere Fragestellung als für die Betriebswirtschaft. Treten i m Gefolge der Rationalisierung eines Unternehmens Kapitalvernichtungen in einem anderen auf oder werden die Neuanlagen i m gleichen Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt durch schnell aufeinanderfolgende technische Fortschritte wirtschaftlich vernichtet, oder tritt als Folge des technischen Fortschritts Arbeitslosigkeit oder auch nur Wechsel des Arbeitsplatzes ein, so ergibt sich in diesen Fällen für die Gesamtwirtschaft eine andere Rechnung als für den einzelnen Unternehmer. Dieser vergleicht lediglich Kosten und Preis. Senkt ein neues arbeitsparendes Verfahren die Kosten, so wird er es anwenden. Die Kapitalvernichtungen in den Konkurrenzunternehmungen braucht er nicht mit einkalkulieren. Die Arbeiter, die arbeitslos werden, müssen von der Gesellschaft erhalten werden, ohne daß sie einen produktiven Beitrag leisten. Sie werden ihre Ersparnisse aufzehren, von den Unterstützungen anderer oder des Staates leben müssen. Aber auch wenn volle sofortige Kompensation der Freisetzung eintreten könnte, so entständen der Gesellschaft dennoch Kosten für die Umschulung der betroffenen Arbeiter, zur Ausbildung für einen neuen Beruf, und für die

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Umsiedlung vom alten zum neuen Arbeitsort. All dieses sind, sozialökonomisch gesehen, Kosten. Der Unternehmer braucht diese nicht mit einkalkulieren, die der Gesamtwirtschaft dennoch entstehen. Nun wäre es aber falsch, so wie es ζ. B. Otto B a u e r 2 lut, alle jene Fälle als Fehlrationalisierung anzusehen, wo die sozialökonomischen Mehrkosten (Unterstützung der Arbeitslosen, Umlernung und Umsiedlung der freigesetzten Arbeiter) den privatwirtschaftlichen Gewinn des Unternehmers übersteigen. Denn diesem ist entgegenzuhalten : Die Kosten, die der Gesellschaft entstehen, sind — soweit nicht Dauerarbeitslosigkeit entsteht — vorübergehend, während die Vorteile, die dem einzelnen Unternehmer oder dem Konsumenten erwachsen, dauernde sind. Die billigere Versorgung der Wirtschaft als Folge des technischen Fortschritts ist eine dauernde, ob der Träger dieses Vorteils sich ändert, gibt keine Veranlassung, die W i r k u n g anders zu beurteilen. Da die Mehrkosten der Gesellschaft nur vorübergehend sind, so werden sie — mögen sie auch noch so hoch sein — von dem Produktivitätsvorteil, auch wenn dieser sehr gering ist, überkompensiert werden. Wenn aber, bevor die sozialökonomischen Mehrkosten durch den dauernd wirksamen Produktivitätszuwachs ganz ausgeglichen sind, dieses technische Verfahren durch ein noch anderes ersetzt werden muß, dann gibt es tatsächlich einen Gegensatz zwischen privatwirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Rationalisierung. Das Entscheidende aber ist hier, daß nicht ein Gegensatz der Kostenrechnung der Unternehmer und der Gesellschaft besteht, sondern daß die Rechnung des Unternehmers privatwirtschaftlich und volkswirtschaftlich richtig war, aber durch die unberechenbare Entwicklung des technischen Wissens verändert wurde und dadurch Verluste gebracht hat.

III. Das Kapitalproblem Ein technischer Fortschritt bewirkt in der Privatwirtschaft und in der Volkswirtschaft beinahe stets eine Änderung des Kapitalbedarfes. In der bisherigen Kontroverse der Kompensationstheoretiker und der Freisetzungstheoretiker spielte die Verwandlung von Betriebskapital, vor allem Lohnkapital in Anlagekapital, in einer Unternehmung die Hauptrolle, die Frage des Gesamtkapitalbedarfs in der Volkswirtschaft dagegen wurde nicht genügend beachtet. 2

Otto B a u e r : Rationalisierung — Fehlrai ionalisierung. W i e n 1931, S. 166ff. Ebenso Manuel S a i t z e w : Eine lange Welle der Arbeitslosigkeit. ( I n : „ D i e Arbeitslosigkeit der Gegenwart", Schriften d. Vereins f ü r Sozialpol., Bd. 185, München und Leipzig 1932.) Vgl. auch den Diskussionsbeitrag W i s s e l s auf der Dresdener Tagung des Vereins f ü r Sozialpol. (Sehr. d. V. f. Sozpol., Bd. 187, S. 92/93).

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So möge als Beispiel die Argumentation der Kompensation der freigesetzten Arbeiter durch nachfolgende Produktionspreissenkung dienen. Dieses Argument lautet etwa folgendermaßen: Der technische Fortschritt hat bei dem einzelnen Unternehmer eine Kostensenkung verursacht. Bei Bestehen freier Konkurrenz wirkt sich diese Minderung der Produktionskosten in einer Preissenkung der erzeugten Waren aus. Diese Senkung des Preises erlaubt den Konsumenten eine Ausdehnung ihres Verbrauches dieses oder eines anderen Gutes. Die Folge müßte somit eine Erweiterung des Produktionsumfanges sein. Durch eine solche Erweiterung der Produktion finden aber die ursprünglich freigesetzten Arbeiter des rationalisierten Unternehmens oder Wirtschaftszweiges wieder Beschäftigung. AVenn diese Beweisführung nicht schon aus anderen Gründen anfechtbar wäre 1 , so gälte sie nur für einen Sonderfall. Es ist hierbei völlig außer acht gelassen, wo denn eigentlich das Kapital herkommen soll, das erst eine Produktionsausdehnung ermöglicht 2 . Es muß doch angenommen werden, daß ein technischer Fortschritt in der Wirtschaft auftritt, ohne daß gleichzeitig eine Änderung der Mengenverhältnisse der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit eintritt. Eine Steigerung der Kapitalbildung kann bei freier Konkurrenz, was noch zu beweisen ist, keineswegs mit einer großen Wahrscheinlichkeit, geschweige denn mit einer Zwangsläufigkeit gefolgert werden. Es sollen i m folgenden stets die veränderten Verhältnisse der gesamten Wirtschaft betrachtet werden. Eine betriebswirtschaftliche Arbeiterfreisetzung ist volkswirtschaftlich irrelevant, wenn dadurch in der A orproduktion eine Änderung in der Richtung einer Arbeitsintensivierung eintritt, so daß insgesamt der Arbeitsbedarf gleichbleibt. Ebenso kann durch den technischen Fortschritt in einem Betriebe eine Kapitalintensivierung in einem anderen Lieferungs- oder Abnehmerunternehinen eine Kapitalextensivierung eintreten. Zur Durchführung technischer Neuerungen ist regelmäßig auch für die gleiche Erzeugungsmenge zusätzliches Kapital notwendig. Daß außer Arbeit auch Kapital freigesetzt wird, ist durchaus im Bereich des Möglichen, ist aber an unseren bisherigen technischen Neuerungen gemessen nur ein Sonderfall und erlaubt keine Verallgemeinerung. Eine Beschaffung von Kapital zur Befriedigung des erhöhten Kapitalbedarfs in anderen Zweigen der Wirtschaft, die wohl häufig vorkommen mag, zeigt uns keinen Ausweg in der Frage der Kompensation der Arbeiter1

Siehe darüber unten S. 24 ff. Heinrich M a n n s t a e d t (Die kapitalistische Anwendung der Maschinerie. Jena 1905, S. 42—52) erleichtert sich die Lösung des Problems dadurch, daß er annimmt, v o r E i n f ü h r u n g des neuen Verfahrens sei schon genügend gespart worden. Damit ist aber eine selbständige Kompensation als F o l g e der Freisetzung nicht erklärt. 2

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freisetzung, denn das bedeutet ceteris paribus Kapitalzustrom und mehr Beschäftigung hier, Kapitalabfluß und Arbeiterfreisetzung dort. Es muß nach alledem das Preissenkungsargument als allzu optimistisch angesehen werden, nach dem nicht nur die ursprüngliche, sondern sogar eine gesteigerte Produktionsmenge mit dem kapitalintensiveren Verfahren ohne Schwierigkeit in der Kapitalbeschaffungsfrage erzeugt werden kann und somit die Kompensation gesichert ist An diesem Fall ist gezeigt, welche wichtige Rolle das Kapital i m Freisetzungs- und Kompensationsprozeß spielt. Welche Faktoren wirken nun auf die Kapitalbedarf sänderung ein? Daß ein technischer Fortschritt auch ökonomisch ist, besagt nur, daß die Produktionskosten gesunken sind. Haben wir es mit einem arbeitsparenden technischen Fortschritt zu tun, so werden die Arbeitskosten stärker als die übrigen Kosten sinken. Der Kapitalbedarf in einem Unternehmen oder in einem Wirtschaftszweig verändert sich aber nicht proportional zu den Kosten. Bei arbeitsparendem technischen Fortschritt haben wir es vielmehr mit einer Steigerung des Kapitalbedarfes bei einer Senkung der Kosten zu tun. Um die Frage der Änderung des Kapitalbedarfs durch den technischen Fortschritt zu klären, bedarf es einiger Begriffe. Nennen wir ν das zur Lohnzahlung notwendige Kapital, c alles übrige Kapital und Λ dessen durchschnittliche Nutzungsdauer, so wird der Kapitalbedarf ausgedrückt durch die Formel : Κ = l\ · c -j- v. 3 Das Anlagekapital hat eine Lebensdauer, die länger ist, als der einzelne Produktionsgang. Das Betriebskapital wird schneller umgeschlagen. Der Kapitalbedarf ist abhängig von der Änderung der durchschnittlichen Nutzungsdauer der Kapitale. Bei einer Minderung der Arbeitskosten und einer Steigerung der übrigen Kosten tritt meist eine Steigerung des Kapitalbedarfs ein, da das Lohnkapital zum Betriebskapital gerechnet werden muß. Mit anderen Worten: das Anlagekapital wird langsamer umgeschlagen und erfordert daher eine größere Menge als das schnell umgeschlagene Lohnkapital. Aber auch eine Steigerung der Nutzungsdauer des Anlagekapitals tritt beim technischen Fortschritt sehr häufig auf. Auch hier werden Änderungen sehr wirksam für die Kapitalbedarfsmenge, auch wenn die Kosten gleichbleiben. Sind zum Beispiel f ü r zwei Maschinen die Kosten in einem Jahr je 1000, ist aber die Nutzungsdauer der ersten 15 Jahre, die der zweiten 5 Jahre, so ist i m ersten Falle eine Kapitalmenge von 15000, i m zweiten Falle eine solche von 5000 notwendig. Verändert sich das Verhältnis von Anlagekapital zu Betriebskapital, so ändert sich auch die durchschnittliche Nutzungsdauer des Kapitals und damit auch der gesamte Kapitalbedarf. 3 Vgl. Mark M i t n i t z k y : Kapitalbildung und Arbeitslosigkeit (Archiv f. Sozialw. u. Sozpol. 1931, S. 74).

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Ein arbeitsparender technischer Forlschritt ändert das Verhältnis von ν zu c, von Lohnkapital zu dem übrigen Kapital und ändert auch meistens /V, die durchschnittliche Nutzungsdauer. Bei gleichbleibender Produktionsmenge müssen υ und (c + ν ) stets sinken, die übrigen Kosten c und die durchschnittliche Nutzungsdauer Ν können sinken, gleichbleiben oder steigen. Je stärker Ν und c durch die Rationalisierung steigen oder je weniger sie sinken, desto größer ist der Kapitalbedarf. Die entscheidenden Daten, die den Kapitalbedarf bestimmen, sind durch den Wirtschafter als solche hinzunehmen und von seinem Willen unbeeinflußbar, denn diese bestimmt allein die Technik. Um den unterschiedlichen Kapitalbedarf bei verschiedenen Daten zu zeigen, soll folgendes Beispiel angeführt werden: Waren in einem Jahr vor der Rationalisierung die Lohnkosten 100, alle übrigen auch 100 bei einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 4 Jahren, und sinken durch die Anwendung des neuen technischen Verfahrens die Lohnkosten auf 20, steigen die übrigen auf 120 bei gleicher Nutzungsdauer, so bleibt der Gesamtkapitalbedarf dieser Produktion gerade gleich, nämlich 500. Bewirkt der technische Fortschritt in diesem Falle jedoch eine Steigerung der Nutzungsdauer oder eine geringere Senkung des Anteils der Lohnkosten an den Gesamtkosten, so ist der Gesamtkapitalbedarf ein größerer. Entsprechend kann der technische Fortschritt aber auch eine Minderung des Kapitalbedarfes bringen 4 . Die bisherige technische Entwicklung hat in der Mehrzahl der Fälle ein Ansteigen von V und c gezeigt, das heißt bei einem Absinken des Arbeitsbedarfes durch die technische Neuerung nicht nur ein relatives, sondern auch ein absolutes Steigen des Kapitalbedarfes. Es muß darum eine Finanzierungsmöglichkeit der Produktionsausdehnung, die die rationalisierende Produktionsgruppe selbst mit eigenem, das heißt reproduziertem Kapital durchführen kann, als weder sicher noch wahr4

W a r vorher der Kapitalbedarf K = N » c + v = 4 · 100 - f - 1 0 0 = 500,

so ergibt sich durch die technische Neuerung ein a) Gleichbleiben des Kapitalbedarfs, wenn zum Beispiel: ^

= 4 - 1 2 0 + 20 = 500,

b) Steigen des Kapitalbedarfs, wenn zum Beispiel: K 2 = 5 - 1 2 0 + 20 = 620, c) Sinken des Kapitalbedarfs, wenn zum Beispiel: K 3 = 4 · 110 + 30 = 470. I n allen drei Fällen sanken aber die Kosteo von c + ν = 200 auf 140.

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scheinlicli angesehen werden, k a n n j e d o c h i n manchen Fällen, die die Technik b r i n g t , m ö g l i c h sein. W e l c h e r dieser d r e i Fälle, gleicher, sinkender oder steigender K a p i t a l b e d a r f , jeweils vorliegt, ist, wie n o c h gezeigt werden soll, von entscheidender Bedeutung f ü r die Frage der Kompensation der freigesetzten Arbeitskräfte. Es ist n o t w e n d i g , bei der Frage der E i n w i r k u n g des technischen Fortschrittes a u f den A r b e i t s m a r k t von den d r e i m ö g l i c h e n Fällen des Kapitalbedarfes auszugehen. Ohne genaue P r ü f u n g der Voraussetzungen ist eine logische Beweisf ü h r u n g unmöglich. Bevor daher zur Analyse der W i r k s a m k e i t e n des technischen F o r t schrittes übergegangen werden soll, ist es n o t w e n d i g , die Voraussetzungen genau zu fixieren, unter denen die E n t w i c k l u n g verläuft. Ob der technische F o r t s c h r i t t kapitalintensivierend oder -extensivierend auf die U n t e r n e h m u n g , den W i r t s c h a f t s z w e i g oder die V o l k s w i r t s c h a f t e i n w i r k t , ist daher so w i c h t i g , daß i m folgenden die U n t e r s u c h u n g nach diesen Prämissen geordnet vollzogen werden soll.

IV. Das Maschinenherstellungsargument der Kompensationstheorie Es ist zu beachten, daß bei jeder E i n f ü h r u n g eines arbeitsparenden technischen F o r t s c h r i t t s i m Produktionsprozeß Anlagen, Maschinen usw. vorher geschaffen werden müssen, u n d zwar stets u n t e r M i t w i r k u n g des P r o d u k t i o n s f a k t o r s Arbeit. M a n h a t n u n a r g u m e n t i e r t , daß bei der E r z e u g u n g u n d I n s t a n d h a l t u n g der Anlagen u n d Maschinen eine K o m p e n s a t i o n s m ö g l i c h k e i t bestehe, w e n n auch keine völlige, so d o c h eine teilweise. Dieses o f t angeführte A r g u m e n t 1 ist falsch, und zwar aus zwei G r ü n d e n : 1. Z e i t l i c h liegt die Maschinenherstellung vor der Freisetzung. D i e freigesetzten Arbeiter können also n i c h t d u r c h H e r s t e l l u n g der M a schinen wieder beschäftigt werden. D u r c h die E i n s t e l l u n g dieser Maschinen i n den Produktionsprozeß verlieren sie j a erst i h r e Arbeit. E i n Hinweis a u f die Arbeitskräfte f ü r I n s t a n d h a l t u n g dagegen ist v ö l l i g abwegig — abgesehen von der quantitativen N i c h t i g k e i t — , da r e i n logisch diese Arbeiter j a beschäftigt bleiben. B e i unserer U n t e r suchung k a n n uns n i c h t die Freisetzung einzelner A r b e i t e r beschäftigen, wenn d a f ü r andere eingestellt werden. Es interessiert uns n u r die reine Mengenfrage. Eine Freisetzung i n unserem Sinne k a n n n u r dann v o r liegen, w e n n insgesamt i n der V o l k s w i r t s c h a f t weniger Arbeiter als vorher beschäftigt sind. 1

So Paul A r n d t :

Lohngesetz und Lohntarif. Frankfurt

a. M. 1926, 'S. 105.

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2. Doch der Haupteinwand gegen das Maschinenherstellungsargument liegt auf anderem Gebiet. Diese Maschinenherstellung, die vor Einstellung in den Produktionsprozeß notwendig ist, braucht selbstverständlich zu ihrer Produktion Arbeitskräfte. Aber nicht nur Arbeitskräfte, auch die anderen Produktionsfaktoren müssen sich zu dieser Kombination zusammenfinden. Woher soll nun das Kapital gekommen sein? Da wir in unserer Untersuchung eine zusätzliche Kapitalbildung ausschalten müssen, das heißt eine solche, die unabhängig vom wirtschaftlichen Prozeß der Folgewirkungen des technischen Fortschritts entstehen konnte, mußte dieses Kapital aus anderen Produktionszweigen herausgeflossen sein. Aber dann ist eine zusätzliche Arbeiterbeschäftigung in der Maschinenindustrie unmöglich. Der Kapitalentzug hat Betriebseinschränkungen und -stillegungen verursacht, wobei Arbeiter beschäftigungslos wurden. Für diese ergibt sich nun, rein quantitativ gesehen, die Möglichkeit der Wiederbeschäftigung in der Maschinenindustrie. Eine grundsätzlich neue Beschäftigungsquelle für die Arbeiter kann auch hier ohne zusätzliche Kapitalbildung nicht gefunden werden 2 . W i r kommen somit zu dem Ergebnis, daß zusätzliche Arbeitsplätze durch die Maschinenherstellung nicht geschaffen werden können. Es wird zur Vergrößerung der Maschinenproduktion in vielen Fällen, vielleicht sogar in den meisten Fällen, eine vorherige Kapitalbildung notwendig sein, um einen technischen Fortschritt durchzuführen 3 . I m folgenden ist dies durchaus immer beachtet, nur mit der Ausnahme, daß die Komplizierung durch eigentlich notwendige Akkumulation in der Vorproduktion, zum Beispiel Maschinenherstellung, außer acht gelassen wurde. Es wird also immer vereinfacht angenommen, der mögliche Mehrkapitalbedarf träte bei dem Maschinen nachfragenden Produktionszweig auf, nicht aber in der Maschinenproduktion selbst. Das wäre aber nur dann richtig, wenn 1. die Maschinenproduktion Lohnwerk durchführe, 2. die Produktion zeitlos wäre, und 3. die Erweiterung der Vorproduktion keiner Anlagenerweiterung bedürfe. Diese drei Bedingungen sind natürlich nicht erfüllt. Es besteht Marktproduktion, und diese wird durch den Preis reguliert. Die Anpassung dauert eine längere Zeit. Es tritt zuerst eine Preissteigerung auf, dann 2

Eine mögliche Änderung des Arbeitsbedarfes soll nicht geleugnet werden. Es ist immerhin denkbar, daß durch das Umdisponieren der elementaren Produktionsfaktoren aus der Verbrauchsgütererzeugung in die Kapitalgütererzeugung die Produktion insgesamt arbeitsintensiver wird. E i n allerdings sehr unwahrscheinlicher Fall ! Eher ist das Gegenteil, eine zusätzliche Freisetzung von Arbeitern möglich. 3 Darüber siehe unten S. 33ff.

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werden andere Nachfrager, zum Beispiel die Konsunigüterproduzenten. ausgeschaltet und schließlich wird die Produktion vergrößert. Weiterhin braucht nicht nur die Anpassung, sondern auch die Produktion Zeit. Eine Erweiterung der Vorproduktion bedarf auch einer Erweiterung der Anlagen. Eine partielle Anpassung, das heißt eine Anpassung an die nachgefragte Produktionsmenge ohne Schaffung neuer Anlagen 1 durch bessere Ausnützung der Betriebskapazität kommt für die Unternehmer nicht in Frage, da die Wirtschaft sich auf die dauernde Änderung, die durch den technischen Fortschritt herbeigeführt wurde, einstellen muß. Es wird also eine totale Anpassung an die Marktlage notwendig. Darum wird gerade in der Vorproduktion zur Erstellung neuer Anlagen viel Kapital gebunden. W o h l ist auch vorübergehend eine partielle Anpassung denkbar. Auch mögen unausgenützte Produktionskapazitäten und Lagerbestände die Umstellung erleichtern. Diese Schwierigkeiten, die bei der Umstellung entstehen, sollen durchaus nicht übersehen werden. Doch um die Darstellung einheitlicher zu gestalten, wurde angenommen, daß die erforderlichen Produktionsmittel in dem betroffenen Produktionszweig selbst erzeugt werden. W i r haben damit die unmittelbare Erzeugung mit der Vorproduktion verbunden, was wohl wirklichkeitsfremd ist, aber die folgenden Ausführungen erleichtert. In der Wirklichkeit ist jede Produktion für einen Erzeugungszweig Vorproduktion. Eine solche Eliminierung ist nur gedanklich möglich, und weitere Schlußfolgerungen daraus zu ziehen wäre falsch. Aber wir verbinden Produktion und Vorproduktion nur insoweit, als letztere durch den technischen Fortschritt quantitativ oder qualitativ verändert wird. Das bedeutet f ü r uns nicht Übersehen oder Verkleinern der Schwierigkeiten, sondern nur methodisches Zusammenfassen. Ist der zusätzliche Kapitalbedarf in der Produktion A 10000 und in der Vorproduktion Β 5000, so wird unterstellt, der Kapitalbedarf in A sei 15000. Das Bedenken gegen dieses Verfahren, daß in der Vorproduktion zusätzliches Kapital nötig wird, dürfte damit gegenstandslos werden. Die anderen Schwierigkeiten, wie Umstellung und Anpassung, werden tatsächlich eliminiert und sind als Hemmungen und Störungen den Ergebnissen jeweils hinzuzufügen.

V. D i e Kompensation bei gleichem Kapitalbedarf D i e d r e i M ö g l i c h k e i t e n der Kapitalbedarfsmenge bei E i n f ü h r u n g des technischen Fortschrittes, gleicher, größerer u n d geringerer K a p i t a l bedarf, brauchen n i c h t i n allen Einzelheiten gesondert deduziert werden. 4

Über partielle und totale Anpassung vgl. Erich S e h n e i d e r ,

a.a.O.

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Um die Problematik der Anwendung einer neuen Technik besser herausstellen zu können, soll zuerst der einfachste Fall, wenn auch praktisch nicht sehr bedeutsame Fall des gleichen Kapitalbedarfs behandelt werden. Dieses deshalb, weil hierbei die Komplizierung durch neu hinzutretende Kapitalbeschaffungsprobleme keine Anwendung findet. Dann erst soll das Moment der Kapitalbeschaffung hinzugenommen werden, mit anderen Worten: es wird dann zum zweiten Fall des erhöhten Kapitalbedarfes übergegangen. Der dritte theoretisch mögliche Fall geringeren Kapitalbedarfs soll seiner praktischen Unwichtigkeit halber und weil er keine neuen theoretischen Probleme stellt, nicht näher behandelt werden. Nehmen wir an, es herrsche freie Konkurrenz und in einem Produktionszweige werde ein neues arbeitsparendes technisches Verfahren gefunden. Es kann sich auch um eine bessere Ausnutzung eines schon bestehenden technischen Verfahrens handeln. Es mag also vielleicht eine bessere Eignungsprüfung für neu einzustellende Arbeiter, eine neue räumliche Anordnung i m Betriebe, die Stillegung unrentabler Betriebsteile oder vielleicht eine dauernde Verringerung der Vorräte sein. Die neue technische Methode erlaubt eine Produktionserweiterung bei gleicher Kapitalmenge, wobei ein Teil der vorher beschäftigten Arbeiter beschäftigungslos wird 1 . Die Kapitalmenge in einem Unternehmen (oder in einem Produktionszweig) b sei zum Beispiel Κ = Ν - c + υ = 10 · 20 + 100 = 300, wobei das Lohnkapital 100, das übrige 20 und dessen durchschnittliche Nutzungsdauer 10 ist. Die bei der Produktion entstehenden Kosten f ü r die Menge τη betragen dann (c-j-υ) = 120. Der technische Fortschritt bewirkt eine starke Kostensenkung, so daß die Gesamtkosten einer um 50o/o erhöhten Menge ( 3 / 2 m) auf die Hälfte der ursprünglichen Gesamtkosten sinken. Die Lohnkosten werden zu = 30, die übrigen Kosten c2 steigen auf 30. Die durchschnittliche Nutzungsdauer Ν sinkt hierbei von 10 auf 9 Produktionsphasen. Der gesamte Kapitalbedarf bleibt dann nach der Umstellung der Produktion und der Vermehrung der erzeugten Menge gleich. Κ = Ν 2 · c2 -Ì- v 2 = 9 · 30

30 = 300.

1 Der Fall, bei dem die Kapitalbedarfsmenge gleichbleibt trotz erweiterter Produktion und dadurch a l l e Arbeiter wieder beschäftigt werden oder gar mehr beschäftigt werden, soll nicht näher untersucht werden. Dann liegt volkswirtschaftlich gesehen kein arbeitssparender technischer Fortschritt vor, der uns bei der Untersuchung der Problematik technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit allein interessieren kann.

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Die Wirkung des technischen Fortschrittes auf die übrige Wirtschaft beschränkt sich somit auf zwei Datenänderungen: 1. die Erzeugungsmenge wurde (um 50o/o) vermehrt, und 2. wurde die Lohnsumme und damit die Beschäftigung (um 70o/b) geringer.

a) Kompensation durch Verwendung der Extragewinne Einige fortschrittliche Unternehmer haben diesen technischen Fortschritt eingeführt, um ihren Gewinn zu steigern. I n Abb. 4 sehen wir den Zustand in diesem Produktionszweig vor Einführung des technischen Fortschrittes. Drei verschiedene Unternehmergruppen a, b, c produzieren zu verschiedenen Kosten, die auf der Ordinate verzeichnet

sind, und bringen gleiche Mengen auf den Markt, die auf der Abszisse abgetragen sind. Der Preis ist pv Die Unternehmer ci und b erlangen dadurch Differentialrenten von der Größe der schräg schraffierten Flächen. Nun führe eine Unternehmergruppe (6) den technischen Forlschritt ein, und diese senkt ihre Kosten (Abb. 5), um einen größeren Gewinn zu erlangen. Das nötige Kapital zu dieser veränderten Produktionsweise mit größerer Produktionsmenge steht ja laut Annahme bereit. Diese Produktions Vermehrung bewirkt eine Preissenkung von p± auf p2 und damit einen Verlustverkauf bei den Grenzunteniehinern c. Es entsteht also eine negative Rente von der Größe der waagerecht schraffierten Fläche. Teils zur Vergrößerung ihrer Rente («), teils zur Verhinderung des Verlustes (c) wird der technische Fortschritt durch die Konkurrenten gleichfalls eingeführt und bewirkt eine weitere Produktionssteigerung 2 Kruse

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und damit eine neuerliche Preissenkung auf p 3 . W i r erhalten nun die Produktionsverhältnisse, wie Abb. 6 sie andeutet 2 . Die Unternehmer, die die technische Neuerung zuerst anwandten, haben anfänglich große Gewinne gemacht. Nun könnte man annehmen, daß diese Unternehmergewinn e entweder zur Verbesserung der Lebenshaltung der Unternehmer verausgabt oder zur Kapitalbildung verwandt werden und so den durch die technische Neuerung freigesetzten Arbeitern wieder Arbeitsplätze schaffen können. Daß diese Rechnung nicht glatt aufgehen kann, ersieht man schon aus Abb. 5. Entstehen bei b besondere Rationalisierungsgewinne, so entstehen bei den Grenz Unternehmern c Verluste als Folge der Rationalisierung. Es ergeben sich also außer den positiven auch negative Quasirenten. Die positiven, insgesamt in Größe der schräg schraffierten

rt

Abb. 6

Fläche, können infolge des neuen technischen Apparates der Unternehmer b sinken ; abhängig ist dies von dem Maß der Kostendifferenzen der einzelnen Unternehmungen, mit anderen Worten: abhängig von der Steilheit der Angebotskurve. Abzurechnen sind immer noch die negativen Quasirenten, die bei den Grenzunternehmern entstehen. Ob die positiven und negativen Quasirenten sich gerade ausgleichen werden, ob die Gewinne die Verluste übersteigen oder umgekehrt, ist allgemein nicht zu sagen. 2

Es wäre auch möglich, daß durch die Rationalisierung die Grenzbetriebe nicht nur vorübergehend, sondern dauernd Verluste hätten, so bei sehr geringer Elastizität der Nachfrage. Es würde dann die gesamte nachgefragte Menge durch die Produzenten a und b gedeckt werden, die Grenzproduzenten c müßten dann ihre Erzeugung einstellen. I n diesem Falle würde hier außer Arbeit auch Kapital freigesetzt. Wäre die Elastizität der Nachfrage geringer, so müßte noch Kapital aus anderen Produktionszweigen herbeiströmen, u m hier die nachgefragte Menge dieses Gutes zu erzeugen. Dies wäre der (unten untersuchte) Fall höheren Kapitalbedarfs.

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Die Gewinnsteigerimg der Unternehmer wird in den meisten Fällen noch durch die Kapitalgütervernichtung gemindert, die durch die Proci uktionsumstellung eingetreten ist. Für das alte Verfahren stand ein ganzer Produktionsapparat bereit, der i m Zeitpunkt der Einführung des neuen Verfahrens noch gebrauchsfähig war und noch nicht amortisiert ist. Die Kosten aus diesen wirtschaftlich zerstörten Anlagen entstehen aber den Unternehmern noch bis zur völligen Amortisation. Der Unternehmer, der den technischen Fortschritt zuerst eingeführt hat, hätte — so könnte man meinen — die Möglichkeit gehabt, den Zeitpunkt zu wählen, in dem alle alten Anlagen abgeschrieben sind, u m dann ohne Verlust wirtschaftlicher Werte das neue Verfahren anzuwenden. Dieses ist aber in zweierlei Hinsicht nicht richtig: 1. Sobald eine neue Erfindung gemacht ist, bleibt dem Unternehmer gar nicht die W a h l des Zeitpunktes der Anwendung. Selbst dem, der die neue Produktionsmethode zuerst einführt, wird dieser Zeitpunkt durch die Konkurrenz diktiert. W i l l nicht er den Fortschritt zuerst anwenden, so macht es sein Konkurrent und er geht seiner Sondergewinne verlustig. 2. Eine völlige Abnutzung einer bestehenden Anlage ist bei normaler Produktion heute gar nicht möglich. Die Ersetzimg des veralteten Produktionsapparates durch einen neuen ist ein kontinuierlicher Prozeß, er verteilt sich auf eine längere Zeit. Die völlige Abnutzung verschiedener Anlagegüter muß zu verschiedenen Zeitpunkten eintreten, weil deren Anschaffungszeit und deren Lebensdauer verschieden ist. Es ist somit unmöglich, daß der einzelne Unternehmer ohne irgendwelche Kapitalvernichtungen einen neuen technischen Fortschritt anwenden kann. Nur ein Unternehmer, der ein ganz neues Unternehmen eröffnet, braucht mit solchen wirtschaftlichen Zerstörungen von Kapitalgütern nicht zu rechnen. Er verschiebt dann die in der Volkswirtschaft notwendig eintretenden Verluste an Kapitalgütern auf seine Konkurrenten, auf jene Unternehmer, die bisher schon dieses Gut, jedoch nach altem Verfahren, erzeugten 3. Noch aus anderen Gründen können Kapitalvernichtungen i m Gefolge der Rationalisierungsbewegung auftreten und so die Freisetzung hinauszögern. Nehmen w i r an, es werde ein neuerfundenes technisches Verfahren in einigen Unternehmungen eingeführt. Dadurch werden deren Kosten gesenkt und die Erzeugungsmenge vergrößert, ò I n diesem Lichte besehen ergibt sich auch ein Erklärungsgrund m i t dafür, daß neuindustrialisierte Länder den alten plötzlich so gefährlich überlegen werden. So i m letzten Jahrhundert die deutsche Konkurrenz England gegenüber und heute die japanische Konkurrenz dem hochindustriellen Europa gegenüber. Den veralteten Produktionsapparat haben heute die europäischen Unternehmer mit einzukalkulieren, die Japaner aber nicht.

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und zwar um so mehr, als der Kapitalbedarf je Produktionseinheil ein geringerer wird. Abb. 7 möge uns eine Reihe verschiedener Unternehmer oder Unternehmergruppen darstellen, die zu verschiedenen Kosten produzieren. Der Produktpreis ist pv Die schräg schraffierte Fläche stellt wieder die DifTerentialrenten (die Unternehmergewinne) dar. Die Unternehmer d haben in Abb. 8 ihre Produktion verdoppele nachdem der technische Fortschritt eingeführt wurde. Alles Kapital, was sie durch die Umstellung erübrigen, investieren sie i n ihrem eigenen Betrieb, da sie beim alten Preis p x stets mit Gewinn rechnen können. Sinkt nun auch der Preis als Folge des vergrößerten Angebots auf p2 es treten bei e dadurch negative Renten, also Verluste auf —, so

steigt für d der Gewinn dennoch. Üb diese Investierung des Kapitals jedoch richtig war, muß sich erst erweisen. Beginnen nun die Konkurrenten gleichfalls, das neue Verfahren einzuführen und ihre Erzeugung auszudehnen, so erhalten wir vielleicht folgendes Bild (Abb. 9). Der Preis ist wiederum gesunken, und zwar von p 2 auf p 3 . Die Unternehmungen e sind völlig ausgeschaltet, und die Unternehmer d erleiden Verluste von der Größe der senkrecht schraffierten Fläche. Schließlich werden die Unternehmer d ihre Produktion einschränken müssen, urn wenigstens keine Verluste mehr zu erleiden. W i r erhalten dann den Gleichgewichtszustand, wie er in Abb. 10 dargestellt ist. Durch die geringe Produktionseinschränkung der Unternehmer d ist der Preis auf p 4 gestiegen. Die Unternehmer d erleiden keine Verluste mehr, erhalten aber auch keine Differentialrente. Ein Teil der Neuinvestitionen muß als verloren betrachtet werden. W i r

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sehen hierbei also, daß es für d vorteilhafter gewesen wäre, die Produktion nicht auszudehnen. Diese möglichen Fehlrationalisierungen und Fehlinvestitionen der Unternehmer d sind durchaus praktisch vorkommend und nicht zu unterschätzen. Sie sind die Folgen einer mangelnden Marktübersicht. Nur wenn der Unternehmer die Möglichkeiten seiner Konkurrenten kennen würde, wären derartige Kapitalzerstörungen ausgeschlossen. Sie treten jedoch nicht nur in unserem theoretischen Fall des gleichen Kapitalbedarfs auf, sondern ebenso bei geringerem oder größerem Kapitalbedarf. Doch ist es wohl nicht berechtigt, den Fehler der Selbstfinanzierung zuzuschreiben (um eine solche hätte es sich in diesem Falle gehandelt). Die größeren Gewinnchancen, die für d anfänglich

tatsächlich bestehen (Abb. 8), können Kapital aus anderen Gliedern der Wirtschaft herbeiziehen, das dann verloren ist. Solche Fehlrationalisierungen vermindern die volkswirtschaftliche Kapitalmenge und so auch die Möglichkeit einer Arbeiterwiedereingliederung. Aber auch wenn der günstige Fall eintritt, daß die Verluste aus wirtschaftlicher Vernichtung von Kapitalgütern gering sind und insgesamt eine Gewinnsteigerung eintritt, ist eine Kompensation der Freisetzung durch diese Gewinne nicht sicher. 1. Wenn alle Gewinne zu volkswirtschaftlichem Kapital würden der für eine schnelle Kompensation der Arbeiterfreisetzung günstigste Fall —, so träte die Nachfrage der Unternehmer an die Stelle der Arbeiter, deren Einkommen durch die Rationalisierung ausgefallen ist Wesentlich ist, daß sich die Richtung der Nachfrage verändert hat : die freigesetzten Arbeiter müssen auf die Nachfrage nach Konsumgütern verzichten, statt dessen fragen die Unternehmer, die Extra-

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gewinne erzielen, oder jene, denen sie Kapitalien geborgt haben, Kapitalgüter nach. Die in der Konsum gütererzeugimg nicht mehr benötigten Arbeiter können in der Produktionsgütererzeugung Beschäftigung finden. Die sekundäre Arbeitslosigkeit, die durch den Nachfrageausfall der primär freigesetzten, das heißt durch den technischen Fortschritt freigesetzten Arbeiter ist kompensiert. Die primäre, also die durch die Rationalisierung unmittelbar entstandene Arbeitslosigkeit bleibt bestehen. Da der Arbeiterbedarf in der Konsumgüterproduktion und in der Produktionsmittelerzeugung sich nicht decken brauchen, kann bei größerer Arbeitsintensität 4 letzterer (ein sehr unwahrscheinlicher Fall) eine teilweise Kompensation der primären Arbeitslosigkeit eintreten. Sind aber die Produktionsmittel hergestellt, so bedürfen diese zu ihrer Wirksamkeit der Arbeiter. Erst jetzt kann die Kompensation der primären Arbeitslosigkeit beginnen. Da die Gewinne nicht sehr groß sein werden — bei Berücksichtigung der negativen Renten —-, kann nur ein Teil der Arbeiter wieder Beschäftigung finden. Wenn nun die Ausbreitung der technischen Neuerung lange Zeit in Anspruch nimmt gedacht werden muß hierbei der monopolistischen Einwirkung durch Patente —, so fließen die Extragewinne der Unternehmer aus der Rationalisierung längere Zeit. Tritt dauernd eine kapitalistische Verwendung ein, so wird ein weit größerer Teil der ursprünglich freigesetzten Arbeiterschaft wieder beschäftigt werden können. Das Ergebnis wird in diesem Falle auf die Dauer also nicht nur Kompensation, sondern sogar Überkompensation der ursprünglichen Freisetzung sein. 2. Wenn nun aber die Unternehmer ihren Extragewinn aus der Rationalisierung konsumieren, und zwar in gleicher Weise, wie es die freigesetzten Arbeiter getan hätten, so kann es eine sekundäre Arbeitslosigkeit, das heißt eine Arbeitslosigkeit als Folge des Ausfalls der Nachfrage der Arbeiter, nicht geben. Andere Produktionszweige werden gar nicht betroffen. Für die Arbeiter, die in dem rationalisierten Produktionszweig freigesetzt wurden, gibt es keinerlei Kompensation durch Verwendung der Gewinne 5 . Bei Nachfrage von Waren und Leistungen, zu deren Bereitstellung größere Mengen von Arbeit nötig waren, als es f ü r die Erzeugung der Verbrauchsgüter für die jetzt freigesetzten Arbeiter war, kann eine teilweise Kompensation der primären Arbeitslosigkeit eintreten. 4 Unter Arbeitsintensilät w i r d hier, wie i m folgenden, stets das Verhältnis von Lohnsumme zu Gesamtkapitalbedarf verstanden. Die Umkehrung dieser Proportion ergibt die Kapitalintensität. 5 So auch E m i l L e d e r e r : Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit. Tübingen 1931, S . 5 4 : „ . . . w e n n die Unternehmer dieselben Produkte nachfragen würden, wie die freigesetzten . . . Arbeiter, so wäre der Tauschkreis geschlossen und irgendeine neue Nachfrage könnte nicht entstehen".

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Der andere Grenzfall, wobei sowohl die sekundäre als auch die primäre Arbeitslosigkeit kompensiert wird, liegt in dem von Ricardo 6 angeführten Fall vor, bei dem die Unternehmer Dienstleistungen nachfragen, zu deren Bereitstellung kein Kapital nötig ist. Folgendes Schema möge diese zwei Grenzfälle veranschaulichen: 1. Unternehmer

2.

o.

Unternehmer

Unternehmer

K a p i t a l - u . RentenEinkommen !

K a p i t a l - u . Renten- j Einkommen

I

Ψ

Arbeiter I

Arbeiter 11

Arbeiter I I

^ Ψ Arbeiter I

Arbeiter I I

I m Falle 1 haben wir die Lage vor der Rationalisierung. Der Einkommensstrom geht vom Unternehmer zu den Arbeitern I und von dort zur Konsumgütererzeugung, damit zu den dort beschäftigten Arbeitern I I . (Die übrigen von der Rationalisierung nicht betroffenen Einkommenströme sind fortgelassen.) Bei Fall 2 fällt durch die Rationalisierung das Einkommen der Arbeiter I aus ; an deren Stelle tritt das Einkommen der Kapitalisten, das der Rentner und das der Unternehmer (Extragewinne der Unternehmer aus dem technischen Fortschritt). Die Arbeiter I I bleiben in Beschäftigung, da sie die Konsumgüter der Unternehmer, früher die der Arbeiter I, herstellen. Die Arbeiter I bleiben jedoch freigesetzt. Eine Kompensationsmöglichkeit aus der Einkommenverschiebung besteht so lange nicht, als die Arbeitsintensität bei der Herstellung die gleiche bleibt. Ist sie größer, so kann eine teilweise Kompensation dennoch eintreten. Ein Teil der Arbeiter I tritt dann neben den Arbeitern I I in Beschäftigung zur Erzeugung von Konsumgütern für die Unternehmer. Umgekehrt kann bei geringerer Arbeitsintensität eine zusätzliche Freisetzung von Arbeitern I I entstehen. I m Fall 3 ist das Beispiel Ricardos gegeben. Die neuen Einkommen der Kapitalisten, Rentner und der Unternehmer fragen die Dienst6 David Ricardo: Grundsätze der Volkswirtschaft Waenting). 2. Auflage, Jena 1921, S. 404f.

und Besteuerung

(übers, v.

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leistungeu der in der Produktion freigeselzten Arbeiter I nach. Diese werden die Größe und die Richtung ihres Konsums nicht verändern. Diese früher in der Produktion beschäftigten Arbeiterl werden zu Dienstleistungen bei den Kapitalbesitzern, den Rentnern und den Unternehmern herangezogen. Der Konsum dieser Arbeiter beläßt den Arbeitern I I ihre Beschäftigung. Hier tritt also weder eine primäre noch eine sekundäre Arbeitslosigkeit auf. Es ist dies der Fall, indem die Arbeitsintensität der nachgefragten ,,Konsumgüter" unendlich groß ist. Wie zwischen diesen beiden Extremen 2 und 3 sich in der Wirklichkeit die Kompensation in unserem Falle des Konsums der neuen Einkommen einstellt, ist allgemeingültig nicht zu sagen. Abhängig ist dies von den Konsumwünschen der Unternehmer, das heißt von dem Maß der Arbeitsintensität in der Produktion der von den Unternehmern nachgefragten Güter. Nach Verlauf einiger Zeit, deren Dauer weitgehend von der W i r t schaftsverfassung, von der Anpassungsfähigkeit und -Willigkeit der Unternehmer abhängig ist, werden die Extragewinne herauskonkurriert sein, da der technische Fortschritt durch die anderen Produzenten gleichfalls eingeführt wird. Die Erzeugungsmenge wird vergrößert, drückt den Preis und läßt die Rationalisierungsgewinne verschwinden. Damit entfällt auch die Kompensationsmöglichkeit aus diesen Unternehmergewinnen. Unzweifelhaft bleibt (unseren Annahmen gemäß) ein Teil der ehemals in diesem Produktionszweig beschäftigten Arbeiter dann freigesetzt, da auch die Produktionserweiterung nicht alle freigesetzten Arbeiter wieder aufzunehmen vermochte.

b) Kompensation durch Preissenkung D u r c h eine Preissenkung als F o l g e eines technischen F o r t s c h r i t t s so w i r d a r g u m e n t i e r t — ersparen die K o n s u m e n t e n Teile i h r e r k a u f k r ä f t i g e n Nachfrage. Es entständen gleichsam Nachfrage Überschüsse oder Kaufkraftüberschüsse, die als Nachfrage a u f anderen K o n s u m g ü t e r m ä r k t e n oder d u r c h das h i e r d u r c h m ö g l i c h werdende Sparen a u f den P r o d u k t i o n s m i t t e l m ä r k t e n p r o d u k t i o n s s t e i g e r n d w i r k e n u n d so sof o r t einen T e i l u n d auf die D a u e r die gesamte Menge der freigesetzten Arbeiter wieder zu beschäftigen vermögen.

Hier übersieht man bei der Betrachtung der Vorgänge bei dem einzelnen Konsumenten die Gesamtvorgänge i m Wirtschaftsprozeß. Nicht das ist entscheidend, daß ein einzelner Konsument durch Preisverbilligung beim Konsum einer Ware Einkommensteile einspart, sondern was die Gesamtheit der Konsumenten an Kaufkraftüberschüssen hat. Ein einzelner Konsument kann tatsächlich Kaufmittel einsparen, die er an anderer Stelle der Wirtschaft als Nachfrage wieder auftreten läßt. Doch

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entscheidend ist, was die gesamten K o n s u m e n t e n f ü r die Gesamtp r o d u k t i o n dieser W a r e ausgeben. Das k a n n m e h r oder weniger sein als vorher und h ä n g t ab von der Elastizität der Nachfrage ( η £ 1). D o c h was h i e r von den K o n s u m e n t e n insgesamt bezahlt w i r d , m u ß v o l l und ganz E i n k o m m e n der Produzenten werden. D i e Gesamtausgaben der Konsumenten müssen notwendigerweise gleich sein d e m Gesamte i n k o m m e n der Produzenten. A n folgender graphischer D a r s t e l l u n g möge dies erläutert w e r d e n :

A

a

b

c

m Ο

Μη

Μχ

>

A b b . 11

Die ursprüngliche P r o d u k t i o n s m e n g e w a r O M v der Preis p r o E i n heit pv D i e Ausgaben der K o n s u m e n t e n ( = E i n n a h m e n der P r o d u zenten) waren a - \ - c . N a c h d e m technischen F o r t s c h r i t t u n d der dad u r c h ausgelösten Preissenkung vergrößert sich die P r o d u k t i o n u m M ± M2 a u f Ο M 2, wobei der Preis auf p2 sinkt. Jetzt, so n i m m t m a n gemeinhin an, ersparen die K o n s u m e n t e n 0 M ± 7 eine E i n k o m m e n s menge von a, die sie f r ü h e r m i t aufwenden m u ß ten, u m die gleiche Menge dieses Gutes zu erwerben. M i t dieser K a u f k r a f t , die gleichsam freigesetzt w u r d e , k ö n n t e n andere Bedürfnisse b e f r i e d i g t werden, die so den freigesetzten A r b e i t e r n irgendwie A r b e i t geben m ü ß t e n . D e m ist n u n entgegenzuhalten : r i c h t i g ist w o h l , daß die K o n s u m e n t e n Ο M 1 an Ausgaben a ersparen. D a f ü r treten aber neue K o n s u m e n t e n M 1M 2 a u f , die u m b m e h r K a u f k r a f t f ü r diese W a r e aufwenden. Eine N a c h frage von a t r i t t neu auf anderen M ä r k t e n a u f . E i n e Nachfrage von b f ä l l t d a f ü r d o r t aus. Das E i n k o m m e n aber der an der P r o d u k t i o n des rationalisierten Gutes Beteiligten änderte sich von ( α - j - c ) zu (6 + c ) · 7 Unter Konsumenten ist in diesem Falle nicht eine bestimmte Gruppe Menschen zu verstehen, sondern Nachfragemengen-Partikel. Die Nachfrage eines Konsumenten tritt in vielen solchen Partikeln an verschiedenen Stellen der Mengenachse auf.

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Stellen w i r diese Vorgänge i n einem Schema zusammen: Gewinn

Verlust

Konsumenten

a

b

Produzenten

b

a

Die Konsumenten 0 M ± verausgabten früher für dieses Gut ( a - r c ) ihres Einkommens jetzt nur c, sie ersparen also α. Die Konsumenten M 1 /l/ 2 werden jetzt neu einen Teil ihres Einkommens von der Größe b für dieses Gut aufwenden. Die Produzenten dieses Gutes (Arbeiter, Unternehmer, Rentner) erhallen jetzt ein Einkommen ( 6 - j - c ) stati früher (α-j-c). Sie verlieren an Einkommen a, gewinnen aber an Einkommen 6. Zählt man Gewinn und Verlust bei Konsumenten und Produzenten zusammen, so zeigt sich ein glatter Ausgleich. Es bleibt also keine überschüssige Kaufkraft, die irgendwo anders nachfragend auftreten könnte. Aus dieser Vorstellung allein heraus ist es nicht möglich, die Wiederbeschäftigung der Arbeiter abzuleiten. Eine solche Kompensation ist nur dann möglich, wenn trotz des Rückgangs des Lohnanteils je Produkteinheit die Gesamtlohnsumme infolge der vergrößerten Produktionsmenge gleichbleibt. Die Bedingung für diesen Fall ist eine große Nachfrageelastizität für das verbilligte Gut und eine große Kostensenkung, solange der Kapitalbedarf unverändert bleibt. Dies ist aber nur bei umwälzenden Erfindungen der Fall, bei denen die Kosten unverhältnismäßig sinken. Daß ,,auf solche Art sozusagen der bei der einen Tür entlassene Arbeiter bei der anderen Tür wieder aufgenommen" wird 8 , ist also nur ein besonders glücklich gelagerter Sonderfall 9 . Versagt auch dieses Kompensationsargumenl, so bleiben doch zwei andere Möglichkeiten bestehen: 1. Nachfrageverschiebung und Einkommensverschiebung (beide zugunsten der Kapitalbildung oder eines Konsums kapitalintensiverer Güter) und 2. erhöhter Verbrauch von verbilligten Produktionsmitteln. Dieser bedeutet Kostensenkung und damit Produktionsausdehnung. 1. Betrachten wir daher die N a c h f r a g e v e r s c h i e b u n g ein wenig auf ihre qualitative Seite hin. Die Konsumenten O M A der Abb. 11 ers Alexander M a h r : Hauptprobleme der Arbeitslosigkeit. Leipzig und Wien 1931. S. 33. 9 Z u einer anderen Einschätzung des Preissenkungsarguments gelangen unter anderen auch Heinrich D i e t z e l : Das Produzenteninteresse der Arbeiter und die Handelsfreiheit. Jena 1903, S. 113. K a r l D i e h l : Theoretische Nationalökonomie I I , Jena 1924, S. 304. Paul A r n d t : a . a . O . , S. 105.

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sparen eine Kaufkraftmenge von a, mit der sie jelzt weniger dringliche Bedürfnisse befriedigen können. I m allgemeinen sind nun die Güter weniger dringlichen Bedarfs solche, zu deren Erzeugung verhältnismäßig viel Arbeit notwendig war, zum Beispiel Luxusgegenstände. Es besteht somit eine gewisse Wahrscheinlichkeit (keine Sicherheit, entscheidend ist der spezielle Fall), daß die Nachfrageverschiebung zugunsten einer arbeitsintensiveren Produktion 1 0 stattfindet, also allein durch den Nachfrage Wechsel, der die Quanten nicht verschiebt, sehr wohl eine qualitative Nachfrageänderung zugunsten einer teilweisen Wiederbeschäftigung der entlassenen Arbeiter führen kann. Ebenso ist es aber auch möglich, daß die Nachfrageverschiebung zur Kapitalbildung führt. Auch die E i n k o m m e n s Verschiebung der Produzenten ist noch näher zu charakterisieren. Es handelt sich auch hierbei um eine Ersetzung von Arbeitseinkommen durch Kapital- und Renteneinkommen (Boden- und Unternehmerrenten). Diese Einkommens Verschiebung bedeutet wahrscheinlich gleichfalls eine Begünstigung der arbeitsintensiven Produktionsweise. Auch hierbei ist anzunehmen, daß, werden diese Einkommen tatsächlich konsumiert, die Nachfrage sich auch Gütern zuwendet, deren Produktion arbeitsintensiver war als die Güter des ausgefallenen Arbeiterkonsums. Vielleicht tritt aber auch das Gegenteil ein, wenn die Kosten stark bodenintensiv sind (teure Rohstoffe) 11 oder daß gar stark kapitalintensive Güter bevorzugt werden, zum Beispiel Autos. Tritt tatsächlich keine Vergrößerung des Konsums ein bei denen, die durch die Preissenkung Einkommensteile ersparen (in Abb. 11 die Verbraucher α), und bei den neuen Kapitaleinkommen- und Rentenbeziehern, sondern werden diese Einkommensteile erspart, so bedeutet dieses Sparen Kapitalbildung, das heißt die Schaffung des komplementären Produktionsfaktors für die freigesetzten Arbeiter. Diese Kapitalbildung führt nun aber nach Ansicht einiger Theoretiker 1 2 zu erheblichen Störungen, die wiederum Arbeitslosigkeit i m Ge10 Es handelt sich hier nicht um die unmittelbare Erzeugung der Verbrauclisgütcr allein, sondern ebenso u m die Veränderung der Arbeitsintensität durch Veränderung der Vorproduktion. Es sind bei solchen Änderungen der Arbeitsintensität alle Veränderungen in jeder Produktionsstufe zu beachten. 11 Vgl. L . H e y d e : Rationalisierung und Arbeiterschaft ( i n : Strukturwandlungen der deutschen Volkswirtschaft, Bd. 1, Berlin 1928, S. 2 8 6 f . ) . 12 Vor allem B i r c k : Teschnischer Fortschritt und Überproduktion. Jena 1927. Ebenso auch H e y d e (a. a. O.), der glaubt, es gäbe eine Grenze, über die die Kapitalbildung nicht getrieben werden dürfe, u m nicht krisenhafte Überproduktionsstörungen herbeizuführen. Ähnlich K a r l M a r x , Rosa L u x e m b u r g i n : Die A k k u mulation des Kapitals, Berlin 1913, und Fritz S t e r n b e r g : Dor Imperialismus, Berlin 1926.

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folge haben müßten. Vor allem Birck und Heyde sind der Meinung, daß eine solche Kapitalbildung zur Überproduktion von Produktionsmitteln bzw. zu einer Unterkonsumtion führen muß. Bircks Gedankengang ist etwa folgender: Das Sparen der Unternehmer ist gleichbedeutend mit einer Erweiterung der Produktionsmittelerzeugung und einer Einschränkung der Erzeugung von Konsumgütern. Da aber die neugeschaffenen Produktionsmittel einmal in den Reifezustand treten, das heißt einer vermehrten Produktionsgütererzeugung schließlich eine vermehrte Konsumgütererzeugung folgen wird, muß das Warenangebot steigen. Da aber die dem Konsum gewidmeten Einkommensteile nicht gestiegen, vielmehr verringert sind, müssen die unmittelbaren Verbrauchsgüter unabsetzbar bleiben. Die Folgen müssen starke wirtschaftliche Erschütterungen und Arbeitslosigkeit sein. W o h l verkennt Birck nicht, daß einer Produktion stets ein entsprechendes Einkommen gegen übertreten muß, doch wird jener Fall als bedenklich angesehen, in dem die Sparkapitalbildung lange Zeit hindurch fortgesetzt werde, so daß nach Fertigstellung der zusätzlich produzierten Produktionsmittel die Nachfrage nach solchen unvermindert fortbesteht, anstatt sich in eine Nachfrage nach Konsumgütern zu verwandeln, eben um die jetzt auf den Markt kommenden Konsumgüter abzunehmen. Da das bei fortgesetztem oder gesteigertem Sparen nicht eintritt, müßte die Folge eine aktuelle Überproduktion bzw. eine Unterkonsumtion sein. Die Folgen der Kapitalisierung der Gewinne sind aber diese : Werden fortdauernd Einkommensteile (der von der Preissenkung begünstigten Verbraucher oder der Rentner) dem Konsum entzogen und der Kapitalbildung zugeführt, also produktiv verwandt, so ergibt sich eine Füllung des Kapitalmarktes, deren Ausdruck die Zinssenkung ist. Hierdurch können Produktionserweiterungen in Angriff genommen werden. Die Produktionsgütererzeugung wird anwachsen auf Kosten der infolge verringerter konsumtiver Nachfrage eingeschränkten Verbrauchsgütererzeugung und einen Teil der durch die Rationalisierung freigesetzten Arbeiter wiederbeschäftigen. Nach Fertigstellung der neuen Produktionsmittel und deren Indienststellung zur Erzeugung von unmittelbaren Verbrauchsgütern haben wir folgenden Zustand: Es werden jetzt laufend mehr Konsumgüter auf den Markt kommen, für deren Erzeugung Einkommen entstanden sind, Zinseinkommen für die Sparer (in diesem Fall für die sparenden Verbraucher oder für die Rentenbezieher), Arbeitseinkommen der in dieser Produktion Beschäftigten und schließlich noch andere Einkommen, die nicht unmittelbar in dieser Erzeugung, sondern in den vorgelagerten Produktionen entstehen (Rohstofferzeugung, Handel, Halbfabrikatherstellung).

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Alle diese Einkommen müssen, rein quantitativ gesehen, ausreichen, die Produktion zu übernehmen. Der Zeitpunkt, in dem die Einkommen entstehen, braucht allerdings nicht mit dem zusammenfallen, in dem die Güter auf den Markt kommen. Ebenso ist es möglich, daß die Güter, die zusätzlich mit den neugeschaffenen Produktionsmitteln erzeugt sind, keinen Absatz finden. Diese Mehrproduktion braucht nicht den Bedürfnissen der Konsumenten entsprechen. Eine Fehlkalkulation kann selbstverständlich immer auftreten und so zu einer Kapitalvernichtung führen. Die Ansicht aber, daß die Mehrproduktion überhaupt keinen Absatz finden könne, ist unhaltbar. Dem zusätzlich Produzierten steht ein zusätzliches Einkommen gegenüber, das quantitativ geeignet ist, die Mehrproduktion kostendeckend zu übernehmen, ob auch qualitativ, ist eine Angelegenheit der Weitsicht des disponierenden Unternehmers. Unabsetzbare Konsumgüter kann es bei richtiger Kalkulation ceteris paribus nicht geben. Die Sparsummen der Unternehmer der rationalisierten Erzeugung brauchen nicht dem Konsum wieder zugeführt zu werden, wie Birck behauptet 13 , um die Mehrproduktion konsumtiv aufzunehmen. Fallen nun bei den Unternehmern der Rationalisierungsproduktion weiterhin Extragewinne an und werden auch diese dem Kapitalmarkt zugeleitet, so ist die W i r k u n g die gleiche wie eben beschrieben. Es werden weiterhin neue Produktionsstätten erstellt und darin später Konsumgüter geschaffen, gleichzeitig aber auch neue Einkommen. Diese Geldeinkommen der zusätzlichen Produktionsmittelerzeugung konsumieren jene Konsumgüter, die für die Einkommen der durch die Kapitalbildung verringerten Konsumgüterproduktion bereitstanden. Die Geldeinkommen der neuen Konsumgüterproduktion fragen die selbsterzeugten Konsumgüter nach, bei deren Produktion ihre Einkommen entstanden sind 1 4 . W i r d nun weiter gespart, so werden weiterhin Produktionsmittel erzeugt. Die hierbei entstehenden Einkommen fragen wieder Konsumgüter nach, die für die ehemals in der Konsumgüterproduktion Beschäftigten bereitstanden. Für den Arbeitsmarkt bedeutet die zusätzliche Erzeugung von Konsumgütern eine Entlastung. Die Arbeitslosigkeit vermindert sich. Erst jene Arbeiter aber sind als zusätzlich beschäftigt anzusehen, die i m neuerstellten Produktionsapparat gütererzeugend beschäftigt werden, nicht schon jene, die den neuen Produktionsapparat erst schufen. Diese traten nur an die Stelle der in der verringerten Konsumgüterproduktion Entlassenen. Bei Verwendung der neuen Einkommen zur Kapitalbildung muß also nach Ablauf der Zeit, die zur Herstellung der Produktions13 B i r c k : u.a. O . S . 13. 14 Diese Betrachtungen sollen nur rein schemalisch die quantitativen Verhältnisse andeuten.

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mittel notwendig ist, eine Kompensation der anfänglichen Freisetzung eintreten. W i r haben somit zwei Möglichkeiten einer teilweisen Wiedereingliederung der Arbeiter in den Produktionsprozeß gefunden: a) die Nachfrageverschiebung und b) die Einkommensverschiebung, jeweils zugunsten einer arbeitsintensiveren Produktion oder einer Kapitalbildung. Diese beiden Möglichkeiten mögen natürlich häufig im konkreten Fall nicht ausreichen, die völlige Kompensation der Arbeilerfreisetzung schon in einem kurzen Zeitraum zu garantieren. Es handelt sich sowohl bei der Nachfrage- als auch bei der Einkommensverschiebung nur um Wahrscheinlichkeiten der veränderten Konsumrichtung. Es kann ebenso der Fall sein, daß die Nachfrage sich auf sehr kapitalintensive Erzeugnisse verlegt, so zum Beispiel auf Autos. Das gleiche gilt auch f ü r die Kapitalbildung, doch besteht liier vielleicht eine höhere Wahrscheinlichkeit. Diejenigen, die vor allem bei der Preissenkung Einkommensteile ersparen, und auch die Bezieher von Renten- und Kapitaleinkommen, die ja eine Einkommensteigerung bei technischen Fortschritten zu erwarten haben, sind fast stets gleichzeitig auch Bezieher höherer Einkommen. Bei diesen ist aber erfahrungsgemäß und aus Gründen des geringeren Grenznutzens gegenwärtiger Güter der vergleichsweise Nutzen zukünftiger Güter größer, so daß gespart wird. 2. Betrachten wir nun die Folgen der P r e i s s e n k u n g etwas näher. Oben wurde negativ festgestellt, daß Preissenkungen nicht die Folge haben können, Kaufkraftüberschüsse zu schaffen. Positiv sollen jedoch auch nicht die Wirkungen der Preissenkung f ü r die Kompensation der Arbeiterfreisetzung verkannt werden. Der technische Fortschritt hat eine Kaufkraftsteigerung, also eine Verbesserung der Versorgung der Wirtschaft bewirkt. Von dem von der Rationalisierung betroffenen Produkt wird mehr erzeugt und mehr verbraucht. Handelt es sich um ein reines Konsumgut, zum Beispiel Zigaretten, so heißt das, die Konsumenten erhalten mehr Zigaretten als vorher f ü r den gleichen Teil ihres Einkommens. Weitere Folgen sind nicht zu erwarten 15 . Ist das verbilligte Produkt dagegen zum Beispiel Eisen, so bedeutet eine Vermehrung der Produktion und des Absatzes nicht einfach Verbesserung der Konsumlage der Bevölkerung, sondern die Verbilligung des Eisens bedeutet ein Herabdrücken der Kosten in anderen Produktionen. Der Mehrabsatz von Eisen ist gleichwirkend mit einer Produktionsausdehnung in anderen Unternehmungen. 15 Es wäre jedoch zu erwähnen, daß die unten (S. 56ff.) behandelte Lohnsenkung leichter möglich wird, weil sich durch Senkung der Konsumgüterpreise der Reallohn gehoben hat.

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Vorher treten allerdings auch hier noch Gewinne auf, genau wie bei der Produktionsgruppe, in der die technische Neuerung eingeführt wurde. Erst wenn diese herauskonkurriert sind, kann die Produktionsausdehnung erfolgen. Währenddessen ergibt sich eine Kompensationschance aus den anfallenden Gewinnen. Es stelle Abb. 12 die Produktionsbedingungen der eisenverarbeitenden Industrie dar. α 1 α 1 ' sei die Angebotskurve nach der durch die Preissenkung des Vorproduktes verursachten Kostensenkung. Es ist leicht ersichtlich, daß eine Senkung der Eisenkosten bei freier Konkurrenz eine Produktionsausdehnung von O M ± auf O M 2 bewirkt. Als Folge dieser Produktionsausdehnung tritt auch eine größere Be-

A b b . 12

schäftigung von Arbeitskräften ein. Ist der Lohnanteil je produzierte Menge Ο L, so war die Lohnsumme vor Verbilligung des Vorprodukts • ΟΛ/j/VL. Die Lohnsumme der durch die Produktionsausdehnung zusätzlich beschäftigten Arbeiter ist durch die schraffierte Fläche dargestellt. Die Kostensenkung in der eisenverarbeitenden Industrie wirkt weiter auf andere Produktionsstufen, um auch hier durch sinkende Kosten Produktionsausdehnung mit erweiterten Arbeiterbeschäftigungen zu bringen. Bei diesen Kostensenkungen und Preissenkungen, die sich bis zum konsumreifen Gut ausdehnen, ist die Kapitalfrage zu beachten. Die oben skizzierte Produktionsausdehnung in der eisenverarbeitenden Industrie ist nur möglich, wenn keine größere Kapitalmenge dazu nötig ist oder, wenn diese doch notwendig ist, hat die Kapitalbeschaffung noch andere Folgen f ü r den Arbeitsmarkt. Diese Beschaffung kann nur

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mit Arbeiterfreiselzung an anderer Stelle der Wirtschaft erfolgen 16 . Eine völlige Selbstaufbringung des Kapitalbedarfs dürfte jedoch nur in den seltensten Fällen möglich sein. Abhängig ist dies 1. vom Ausmaß der Kostensenkung, die durch die Preissenkung des Vorprodukts verursacht wurde unci dessen Anteil an den Gesamtkosten, 2. von der durchschnittlichen Nutzungsdauer des Vorprodukts als Kapitalgut in dieser Produktion und 3. von der Elastizität der Nachfrage, das heißt von der Größe der Produktionsausdehnung. Es läßt sich wohl sagen, daß, je größer das Ausmaß der Verbilligung des Vorprodukts und dessen Anteil an den Produktionskosten ist und je geringer die Nutzungsdauer des Vorprodukts als Kapitalgut und die Elastizität der Nachfrage ist, desto eher ist eine Selbstaufbringung des notwendigen Kapitals möglich. Zu weitgehende Erwartungen auf Wiederbeschäftigung dürften also auch hier nicht am Platze sein. Bei einer Produktionsweise mit Anlagen von langer Lebensdauer sind kaum Wiedereinsetzungsmöglichkeiten ohne selbständige Kapitalbildung gegeben. Je weiter die Wirtschaft fortschreitet auf dem Wege zu immer kapitalintensiverer Produktion, desto geringer werden die Möglichkeiten einer glatten Wiederaufsaugung der freigesetzten Arbeiter. ,,Je höher eine Wirtschaft das allgemeine Niveau der Kapitalintensität entwickelt hat, um so langsamer wird die dauernde Resorbierung einer strukturell bedingten Arbeitslosigkeit vor sich gehen, weil die je K o p f der verwendeten Arbeiter aufzubringende Kapitalmenge größer geworden i s t 1 7 . " Aber eine Preissenkung tritt nie völlig entsprechend der Kostensenkung und nie sofort* ein. W i r haben es mit einer „Zähigikeit der Preise" 1 8 zu tun. Es werden nicht nur bei den Produzenten der von der Rationalisierung betroffenen Ware Extragewinne gemacht, sondern auch in allen Zwischenstufen der Verteilung. Es ergibt sich eine Steigerung der Unternehmerrenten. Nach dem bisher Gesagten werden diese Beträge um so eher Wiederbeschäftigung schaffen, da die Gewinne zumeist die Quellen der Kapitalbildung sind und so Arbeitsmöglichkeiten geboten werden können. Wäre die Preissenkung ohne Hemmungen vor sich gegangen, so wären diese Sondergewinne in der Verteilung nicht entstanden und die Wahrscheinlichkeit einer Kompensa10

Siehe unten S. 37. Otto von Z w i e d e n e c k - S ü d e n h o r s l : Beiträge zur Erklärung der strukturellen Arbeitslosigkeit (Viertel jahrshefte zur Konjunkturforschung), Berlin 1.927, S. 45. 18 a . a. 0 . S. 77. 17

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tioii der Arbeiterfreiselzung wäre geringer gewesen. Ein Teil dieser so gemachten Gewinne wird wahrscheinlich akkumuliert und schafft so Arbeitsplätze. Da aber die Gewinner hierbei nicht die großen Unternehmer der Produktion sind, sondern die kleinen des Handels, so vor allem auch die des Einzelhandels, sinkt damit der Investitionsanteil des Gewinnes. Die Einzelhändler werden ihren Konsum relativ stärker ausdehnen, als es die großen Einkommensbezieher getan hätten. Es entsteht so eine neue, wenn auch nur eine kleine Möglichkeit der Kompensation.

VL D i e Kompensation bei größerem Kapitalbedarf Nachdem, um die grundsätzlichen Probleme herauszustellen, der praktisch wohl seltenere Fall gleichen Kapitalbedarfs zur Erzeugung einer Produktionsmenge, die dem Marshallschen Punkt entspricht,

a

a

b

c A b b . 13

näher ausgeführt wurde u n d nachdem der F a l l geringeren K a p i t a l bedarfs seiner praktischen U n Wichtigkeit u n d theoretischen U n e r g i e b i g keit halber n i c h t näher behandelt wurde, k o m m e n w i r z u m N o r m a l f a l l des erhöhten Kapitalbedarfs.

W i r nehmen an, eine neue Erfindung, die für einen bestimmten Produktionszweig von umwälzender Bedeutung ist, werde gemacht (Abb. 13). Einzelne Unternehmer (6) versuchen, diese Neuerung einzuführen. Da aber der Kapitalbedarf ein sehr großer ist, können sie ihre günstige Lage nicht dadurch ausnutzen, indem sie die Produktion erweitern, das beibehaltene Sparen reicht nur zur Erzeugung einer gleichen Menge aus. Sie werden also vorläufig vielleicht die gleiche Menge zu niederen Kosten produzieren und einen Extragewinn aus der Rationalisierung von der Größe der senkrecht schraffierten Fläche machen. Der Preis p1 wird trotz der Senkung der Kosten eines großen ti Kruse

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Teiles der Produzenten (b) n i c h t sinken, da die P r o d u k t i o n nicht ausgedehnt wurde. F ü r den K o n s u m e n t e n sind diese Vorgänge i n der P r o d u k t i o n v o r l ä u f i g ohne B e d e u t u n g ; aber auch d a n n noch, wenn andere U n t e r n e h m e r d e m Beispiel der ersten gefolgt sind. A u c h sie können m i t i h r e m vorhandenen K a p i t a l n i c h t m e h r erzeugen. D i e Unternehm ergewinne werden sich auch hier bei gleichbleibenderp P r o d u k t p r e i s erhöhen. I n Abb. 14 bleibt der Marshallsche P u n k t M unverändert. D i e Unternehmergewinne erhöhen sich u m die senkrecht schraffierten F l ä c h enteile. D i e d u r c h die Rationalisierung arbeitslos gewordenen Arbeiter bleiben freigesetzt. D i e V e r w e n d u n g der U n t e m e h m e r g e w i n n e ist f ü r den weiteren V e r l a u f der K o m p e n s a t i o n entscheidend. D a eine Produktionsausdehnung aussichtsreich u n d gewinnversprechend w i r d , ist die wahrscheinliche F o l g e eine Investierung der Gewinne i m eigenen Unternehmen (Selbst-

A b b . 14

i i n a n z i e r u n g ) . Mögen die Umstände aber f ü r die D a u e r u n d G r ö ß e dieser E x t r a g e w i n n e noch so g ü n s t i g sein — mangelnde Marktelastizität u n d geringe Beweglichkeit des Kapitals bei g r o ß e r Kostensenkung — , so werden diese Beträge doch f ü r lange Zeit k a u m ausreichen zu einer P r o d u k t i o n s e r w e i t e r u n g , die die Angebots- u n d Nachfrageverhältnisse erlauben w ü r d e n . Dieses ist j e d o c h eine Tatfrage. V o r b e d i n g u n g einer völligen A u s n u t z u n g der m ö g l i c h e n Produktionsausdehnung wäre eine geringere Kapitalintensität der P r o d u k t i o n bei g r o ß e n u n d dauerhaften Gewinnen. I n einigen U n t e r n e h m u n g e n m a g dies auch durchaus gegeben sein, solange das Patentvorrecht besteht u n d sie so längere Zeit b i l l i g e r als i h r e K o n k u r r e n t e n produzieren können. D i e Gewinne sind d a n n erheblich, da sie lange Zeit h i n d u r c h entstehen können. Die P r o duktionsausdehnung i m ganzen P r o d u k t i o n s z w e i g geht aber langsam v o r sich u n d die d a r a u f folgende Preissenkung e r f o l g t u m so zögernder, j e geringer der P r o d u k t i o n s a n t e i l dieses Unternehmens an der Gesamtp r o d u k t i o n dieser W a r e ist.

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Aber auch wenn dieser sehr günstige Fall gegeben ist, so isl damit noch lange nicht die Wiederbeschäftigung der freigesetzten Arbeiter gewährleistet. Ob dann, wenn der gesamte Produktionszweig den neuen Marshallschen Punkt erreicht hat, alle Arbeiter wieder beschäftigt sind, ist eine Tatfrage und abhängig von Momenten, die oben anläßlich der Erörterung des Falles gleichen Kapitalbedarfes behandelt worden sind 1 . Das eben Ausgeführte ist eine weitgehende Abstraktion von der Wirklichkeit. Eine Gewinnchance in einem Unternehmen schafft natürlich sofort irgendwelche Möglichkeiten der Kapitalversorgung aus anderen Gebieten. Hier sind diese Möglichkeiten aus didaktischen Gründen nicht nebeneinander, sondern nacheinander untersucht. Reicht die durch Gewinne zum Anfall gebrachte Kapitalsumme nicht aus, den Marshallschen Punkt zu erreichen, so kann möglicherweise Kapital zur Finanzierung dieses technischen Fortschritts, neben dieser l nternehmerkapitalbildung, bereitgestellt werden durch: 1. Kapitalbildung als Folge der eintretenden Zinssteigerung, 2. Kapitalentzug aus anderen Produktionszweigen, 3. Kreditinflation (erzwungene Kapitalbildung). Diese Möglichkeiten sollen genauer untersucht werden, und es soll auch daraus ersichtlich gemacht werden, ob hier ein Automatismus wirksam ist, den arbeitslos Gewordenen als unabänderliche Folge des ganzen Prozesses wieder Arbeit zu schaffen.

a) Kapitalbereitstellung d u r d i Sparen Ein anderer Weg, der rationalisierten Erzeugung Kapital zuzuführen, ist die Kapitalbildung durch Sparen. Es hegt nahe, diesen Fall an die Spitze der Betrachtungen über die Kapitalbeschaffung zu stellen. Erhöht sich der Preis irgendeines Gutes, so wird die Folge eine erhöhte Produktion sein. Ist dies nun auch bei der Kapitaldisposition der Fall? W i r haben es hier mit keinem Seltenheitsgut zu tun, das nicht produziert werden könnte. Tatsächlich ist die ,,Produktion" von Kapitaldisposition viel einfacher als die irgendeines anderen wirtschaftlichen Gutes. Es ist nicht einmal Zeit zu dieser „Produktion" notwendig. Ein einfacher Entschluß, auf Konsum zu verzichten, und die Übertragung dieser ersparten Kaufmittel an irgendwelche Produzenten ist schon Schaffung von Kapitaldisposition. DieReaktionsgeschwindigkeit der Produktion auf veränderte Preise könnle bei Kapitaldisposition eine sehr große sein. Und doch ist es sehr fraglich, ob eine solche Reaktion in allen Fällen wirklich eintritt. Es ist eben der grundlegende Unterschied am Markt der Kapitaldisposition und einer beliebigen Ware, daß die 1

Siehe oben S. 17ff.

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„Produktion" und das Angebot nicht in jedem Fall erfolgen, um einen Preis zu erzielen, wie es bei Waren sonst der Fall ist. Sie erfolgt bei manchen Anbietern aus anderen Gründen; sei es, daß das Sparen erfolgt, damit zu bestimmter Zeit eine gewisse Menge Kapitaldisposition bereitsteht, um dann dem unmittelbaren Konsum zugeführt zu werden, oder daß bei großem Einkommen der Konsum an sich schon so groß ist, daß eine weitere Ausdehnung nur noch geringeren Nutzen abwerfen kann und das Sparen so ganz zwangsläufig erfolgt. Um die W i r k u n g einer Erhöhung des Zinsfußes auf das Angebot von Kapitaldisposition zu untersuchen, muß die Reaktion der Träger der Kapitalbildung auf eine Zinsänderung zuerst herausgestellt werden. Einen wirksamen Einfluß auf den Zinsfuß hat aber neben der später zu behandelnden Kreditkapitalbildung nur die echte Sparkapitalbildung, das heißt der freiwillige Verzicht auf unmittelbaren Konsum und die Überführung dieser so freigewordenen Mittel in die Produktionssphäre. Die anderen Quellen der Kapitalbildung, Unternehmungskapitalbildung (Selbstfinanzierung) und finanzwirtschaftliche Zwangskapitalbildung müssen hierbei außer acht gelassen werden, da diese weitgehend abseits der regulierenden Kontrolle des Kapitalmarktes zur Bildung und Verteilung gelangen, hier also Sparer und Investor zusammenfallen-. Es bleiben also als Motive eines Kapitalangebots durch Bildung von Sparmitteln 1. die Sorge für die Zukunft der Sparer und seiner Angehörigen, und 2. das automatische Sichvermehren der großen Kapitalien-. Diese beiden Posten müssen wir jedoch noch weiter gliedern in Kentensparen und Fondsparen einerseits und in ein Sparen aus Zinseinkommen und in ein solches aus hohen Einkommen andererseits. Ist die Absicht des Sparers, sich ein Kapital zu schaffen, das ihm eine dauernde Rente abzuwerfen vermag, so wird seine Reaktion auf eine Zinssteigerung eine konträre sein. Er wird sich mit der Ersparung einer kleineren Kapitalsumme zufrieden geben. Seine Antwort auf eine Zinssteigerung w i r d also ein geringeres Angebot von Kapitaldisposition sein. Allerdings gilt diese Reaktion nur innerhalb gewisser Grenzen, von welchen ab es vorteilhafter ist, das Kapital selbst langsam zu verzehren als von den Zinsen zu leben 4 . Die aridere Quelle der Sparkapitalbildung ist die Sorge für die Wechselfälle des Lebens, für die eine gewisse Menge von Vermögen bereitstehen soll. Hierher gehören auch die Versicherungsprämien, die Kassenreserven der Unternehmungen und die Rücklagen für einen all2

Vgl. R ö p k e : Theorie der Kapitalbildung. Tübingen 1921). A d o l f W e b e r : Allgemeine Volkswirtschaftslehre. München 1932 4 , S. 130 und Gustav C a s s e l : Theoretische Sozialökonomie. Leipzig 1927 4 , S. 212ff. 4 C a s s e l : a. a. O. S. 219. 3

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mählichen Verbrauch. Es ist offenbar, daß diese K a p i t a l b i l d u n g von einer Z i n s f u ß ä n d e r u n g weitgehend u n b e e i n f l u ß t ist. Dagegen w i r d das Sparen der g r o ß e n Einkommensbezieher, deren E i n k o m m e n zum größten T e i l Z i n s e i n k o m m e n ist, stark von einer Zinsfußsteigerung berührt. Eine E r h ö h u n g des Zinses bedeutet eine Steigerung ihres E i n k o m m e n s , d a m i t eine E r h ö h u n g der S p a r f ä h i g keit. Es ist also anzunehmen, daß eine E r h ö h u n g des Zinses h i e r bei gleichbleibender S p a r w i l l i g k e i t eine Steigerung des Angebots von K a p i taldisposition zur Folge haben w i r d . Soweit die hohen E i n k o m m e n aus anderen Quellen als Z i n s einkommen fließen ( R e n t e n e i n k o m m e n u n d hohe A r b e i t s e i n k o m m e n ) , w i r d deren K a p i t a l b i l d u n g d u r c h eine Z i n s f u ß ä n d e r u n g k a u m b e r ü h r t werden. W i r stellen also fest, daß b e i m Fondsparen u n d b e i m Sparen der hohen N i c h t k a p i t a l e i n k o m m e n das A u s m a ß der K a p i t a l b i l d u n g von der Ä n d e r u n g des Zinsfußes n i c h t b e r ü h r t w i r d . B e i m Rentensparen haben w i r eine K o n t r ä r b e w e g u n g , allerdings i n Grenzen, u n d b e i m Sparen der hohen Z i n s e i n k o m m e n eine Parallelbewegung zur Zinsänderung. Es w i r d also ganz a u f die E i n k o m m e n s s t r u k t u r der W i r t s c h a f t ank o m m e n , wie die Gesamtreaktion der Sparer a u f eine Zinsfußsteiger u n g sein w i r d . I n einer W i r t s c h a f t m i t flacher E i n k o m m e n s p y r a m i d e u n d vorherrschender Rentnermentalität w i r d die Anpassung der W i r t schaft an eine erhöhte Kapitalnachfrage eine schwächere sein, als i n einer W i r t s c h a f t m i t steiler E i n k o m m e n s p y r a m i d e und g r o ß e m K a p i taleinkommen. Es bleibt noch hinzuzufügen, daß die R e a k t i o n des Sparers auf einen veränderten Z i n s f u ß lange Zeit braucht ( i m Gegensatz z u m zusätzlichen K r e d i t ) , denn es erlauben erstens die festen R ü c k z a h l u n g s t e r m i n e an sich schon keine p r o m p t e Anpassung, u n d zweitens dauert es eine geraume Zeit, bis die Psyche des Sparers sich zu einem U m d e n k e n 5 bereitfindet (besonders b e i m F o n d s - u n d Rentensparen). Unser Schluß ist also: Eine erhöhte K a p i t a l n a c h f r a g e , b e w i r k t d u r c h einen technischen F o r t s c h r i t t , h a t eine Zinssteigerung zur Folge : diese vermag aber n i c h t automatisch ein erhöhtes Sparkapitalangebot herbeizuschaffen, es sei denn die Wirtschaftsgesellschaft zeichnet sich d u r c h eine steile E i n k o m m e n s p y r a m i d e aus.

b ) Kapitalentzug aus anderen Produktionen Es t r i t t i n j e n e m Produktionszweig, i n d e m die arbeitsparende E r f i n d u n g angewandt w u r d e , ein K a p i t a l b e d a r f auf. D i e U n t e r n e h m e r 5

Vgl. Charlotte von R e i c h e n a u : Die Kapitalfunktion des Kredits. Jena 1932.

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wenden sich nachfragend an den K a p i t a l m a r k t . Diese erhöhte Nachfrage b e w i r k t eine Steigerung des Zinses. D a der Zins ein w i c h t i g e r K o s t e n f a k t o r ist, ist die Folge überall eine Kostensteigerung. Einige Grenzbetriebe überschreiten n u n ihre Rentabilitätsgrenze. D i e Kosten übersteigen die Produktpreise, u n d so werden die Grenzunternehmer gezwungen ihre Erzeugung einzuschränken. Das ist aber gleichbedeutend m i t Freisetzung von K a p i t a l und Arbeit. Die f r ü h e r hier k o m binierten F a k t o r e n K a p i t a l und Arbeit werden f r e i u n d drücken auf dem M a r k t i h r e Preise; Zins und L o h n werden die Tendenz haben, zu sinken. D o c h die aufnahmefähige Nachfrage steht j a schon bereit. Sow e i t das K a p i t a l die erwünschte F o r m hat, als lang- oder k u r z f r i s t i g e K a p i t a l d i s p o s i t i o n oder als wiederverwendungsfähige Kapitalgüter, w i r d es zur A u s d e h n u n g der P r o d u k t i o n eingesetzt werden können, i n der die E r f i n d u n g angewandt werden soll. Statt dessen t r i t t jedoch d o r t Arbeitslosigkeit ein, von w o das K a p i t a l f o r t s t r ö m t e . Es w u r d e gesagt, daß K a p i t a l freigesetzt wurde. D o c h zu einem großen T e i l w a r es i n Anlagen investiert. Tatsächlich w i r d das K a p i t a l n i c h t ganz nach jeder Produktionsphase reproduzierI, sondern dazu ist meist eine sehr lange Zeit notwendig. Sicherlich ist das K a p i t a l a u f verschieden lange Z e i t festgelegt, das zur L o h n z a h l u n g verwandte vielleicht a u f eine W o c h e , das i n Rohstoffen und H a l b f a b r i k a t e n angelegte vielleicht a u f sechs Monate, das i n Maschinen u n d anderen Anlagen i n vestierte K a p i t a l vielleicht a u f zehn Jahre u n d länger. Übersteigen i n einem Unternehmen n u n plötzlich die Kosten die Preise, so w i r d bei einer P r o d u k t i o n s e i n s t e l l u n g des Unternehmens n i c h t die ganze K a p i talsumme frei. W a h r s c h e i n l i c h w i r d aber der Grenzunternehmer noch so lange m i t Verlust weiterproduzieren, als n i c h t die Anlagen zum größten T e i l abgeschrieben sind, beziehungsweise ein T e i l der K a p i t a l güter zu annehmbarem Preis veräußerbar ist. Es w i r d also n u r ein T e i l des investierten Kapitals verloren sein. D i e w i r t s c h a f t l i c h n i c h t vernichteten K a p i t a l g ü t e r werden bei S t i l l e g u n g des Unternehmens zu anderen P r o d u k t i o n e n eingesetzt werden, die freiwerdende K a p i t a l d i s position t r i t t dann a u f dem K a p i t a l m a r k t auf, u m von hier aus i n diejenigen U n t e r n e h m u n g e n zu fließen, die d u r c h die Rationalisierung zu einer A u s d e h n u n g i h r e r Erzeugung bereit sind. D i e von der Kostene r h ö h u n g betroffenen Unternehmer werden also ausgeschieden, und zwar i n der Reihenfolge, daß erst jene stillegen, die ihre Anlagen am weitesten abgenutzt haben, beziehungsweise jene, deren Anlagen noch einen relativ hohen V e r k a u f s w e r t bieten und, volkswirtschaftlich gesehen, f ä l l i g sind, f ü r eine andere ergiebigere E r z e u g u n g herangezogen zu werden u n d dann erst jene Unternehmen, deren Anlagewert niedriger und bei denen die l l e p r o d u k t i o n s m ö g l i c h k e i t der Kapitaldisposition geringer ist.

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Dieser Prozeß der K a p i t a l ü b e r t r a g u n g k a n n aber n o c h d u r c h mancherlei andere Hemmnisse hinausgeschoben werden. So vor allem d u r c h zwei M o m e n t e : R i s i k o u n d Selbstfinanzierung. D a die K a p i t a l ü b e r t r a g u n g als eine Aufgabe des Resitzrechtes gegen ein Forderungsrecht aufgefaßt werden m u ß , l i e g t i n einer solchen M a ß n a h m e ein Risiko. N o c h andere Momente spielen m i t , die K a p i t a l übertragung risikoreich zu machen. E i n Zinsunterschied zwischen zwei Produktionszweigen braucht n o c h n i c h t u n m i t t e l b a r zu einer K a p i t a l abwanderung z u m k a p i t a l b e d ü r f t i g s t e n Zweige zu führen. W i r f t i n A das K a p i t a l einen Zins von 5o/0 ab, k a n n aber ein solcher von 80/0 i n Β gezahlt werden, so t r i t t so lange keine K a p i t a l ü b e r t r a g u n g ein, als das R i s i k o n i c h t geringer ist als 30/0. E r s t wenn der Zins i n Β vielleicht a u f 81/4°/o steigt, w i r d es v o r t e i l h a f t sein, K a p i t a l nach Β zu leiten. Das R i s i k o spielt hier bei der K a p i t a l b e w e g u n g die gleiche Rolle, wie die Transportkosten bei der Warenbewegung. A u c h eine Preisdifferenz f ü h r t erst dann zu einem ausgleichenden W a r e n s t r o m , wenn n i c h t n u r Preis m i t Preis eine Spanne bildet, sondern Preis m i t Preis --f- Transportkosten. W e n n f ü r einen Gläubiger o b j e k t i v das R i s i k o i n A u n d Β gleich ist, so sollte m a n meinen, w ü r d e eine Zinsdifferenz s o f o r t zu einer U m d i s p o n i e r u n g f ü h r e n . Aber auch das ist n i c h t r i c h t i g . O b g l e i c h i n beiden Fällen das R i s i k o o b j e k t i v gleich ist, schätzt d e r K r e d i t g e b e r das R i s i k o m i t einem neuen Schuldner z u m Beispiel h ö h e r e i n als m i t einem alten. Es k o m m t also n i c h t a u f das o b j e k t i v e R i s i k o an, sondern a u f die subj e k t i v e Risikoeinschätzung. E r s t nach Überschreiten dieser Schwelle k o m m t es zu K a p i t a l ü b e r t r a g u n g e n 6 . Das Eigeninteresse des Unternehmers, das sich n i c h t a m W i r t s c h a f t lichen allein orientiert, u n d n i c h t n u r seine Kosten-Preis-Vergleiche d u r c h f ü h r e n l ä ß t , sondern aus anderen G r ü n d e n , wie T r a d i t i o n , A n sehen der F i r m a usw., o f t Selbstfinanzierung betreibt, verhindert h ä u f i g das Abströmen des Kapitals. Das Z u s a m m e n f a l l e n von Sparer u n d I n vestor i n einer Person schaltet dann f ü r die K a p i t a l l e i t u n g den R e g u lator Zins aus. W i r sehen auch hier, daß der Zins vorher n o c h eine Schwelle zu übersteigen hat, u m die K a p i t a l f e r n l e i t u n g zu veranlassen. Die reine Zinsspanne m u ß erst beträchtlich g r o ß werden, bevor der Automatismus i n W i r k s a m k e i t treten kann. Es ist w o h l zu beachten, der Z i n s k a n n vorübergehend i n seiner F u n k t i o n als Kapitalverteiler ausgeschaltet werden, doch treten i n die gleiche R i c h t u n g drängend andere Regulatoren auf, u m die K a p i t a l f e r n l e i t u n g m ö g l i c h zu machen. 6 Vgl. S. 23ff.

dazu Ragnar

Niirkee:

Internationale

Kapitalbewegungen.

Wien

1935.

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Man hat geglaubt 7 , der Zinsautomatismus habe seine Wirkung in Richtung einer volkswirtschaftlich richtigen Kapitalverteilung dadurch vermindert, weil in der Wirtschaft die gebundenen Preise eine immer größere Rolle spielen. Hierzu ist zu sagen, daß die gebundenen Preise die Bedeutung des Zinses in der Kalkulation sehr wohl mindern können, doch bleibt die tendenzielle Wirkung des Zinsfußes, das Kapital an die ertragreichsten Stellen der Wirtschaft zu leiten, weiter bestehen. Gebundene Preise, die den Produzenten einen Sondergewinn sichern, ändern an der kostenvergrößernden W i r k u n g der Zinssteigerung nichts. Doch hier versagt die produktionseinschränkende W irkung der Zinssteigerung. Entweder die Produzenten sind in ihrer Produktionsmenge in Quoten festgelegt (durch ein Kartell oder den Staat), oder wir haben es mit einer rein monopolistischen Unternehmung zu tun, die ihre Erzeugungsmenge an dem optimalen Monopolgewinn orientiert. I m ersten Fall ändert eine Kostensteigerung die Produktionsquoten wahrscheinlich nicht, es sei denn, wir haben es lediglich m i t einer Preistaxe zu tun. Dann scheiden Grenzproduzenten aus und die Taxen müssen geändert werden. I m zweiten Fall, bei einem Monopol, ist es nötig, die Kostensteigerung näher zu prüfen, welche Kostenarten dadurch getroffen werden. D e r Zins m u ß n u n insoweit zu den l i x e n Kosten gerechnet werden, als er f ü r das fixe K a p i t a l gezahlt w i r d . Bei einem monopolistischen Unternehmen f ü h r t aber die Steigerung der fixen Kosten n i c h t , wie bei U n t e r n e h m e n i n der f r e i e n K o n k u r r e n z , zu einer P r o d u k t i o n s e i n schränkung, sondern die P r o d u k t i o n s m e n g e bleibt gleich. Eine E r h ö h u n g der fixen Kosten v e r m i n d e r t w o h l den M o n o p o l g e w i n n , verändert den P u n k t des g r ö ß t e n Monopolgewinnes, den Cournotschen P u n k t , j e d o c h n i c h t . E i n e E r h ö h u n g der f i x e n Kosten bedeutet eine Kostensteigerung f ü r jede Menge u m den gleichen Betrag. D e r M o n o p o l g e w i n n w i r d also auch f ü r jede Menge u m den gleichen Betrag vermindert.

Die Abb. 15 zeigt uns die Kurve des absoluten Monopolgewinnes, wobei auf der Abszisse die abgesetzte Produktionsmenge m und auf der Ordinate der jeweilige Gesamtmonopolgewinn (j, die Spanne zwischen Kosten und Erlös, abgetragen ist. Der Monopolgewinn wird optimal bei C mit einer Menge mv W i r dürfen uns nun die erhöhten fixen Kosten durch eine Parallele zur Abszisse denken. Dadurch wird der Monopolgewinn um das Stück vermindert, das unter der Parallele liegt. Es wird also hierdurch der mögliche Monopolgewinn gemindert. Der Punkt des optimalen Monopolgewinnes C wird dadurch nicht verändert. Eine Steigerung der fixen Kosten führt bei einem Monopol so lange 7 Ernst W a g e m a n n : Zinshöhe und Kapilalverteilung in Deutschland seit 1924. ( I n : Kapital und Kapitalismus. Berlin 1931.)

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nicht zu einer Produktionseinschränkung, als nicht der Monopolgewinn dadurch überhaupt verschwindet. Die Zinskosten sind für den Unternehmer aber zum größten Teil fixe Kosten. Nur insoweit sind ßie auch variable Kosten, als sie für die Überlassung des umlaufenden Kapitals, für Löhne, Gehälter, Materialkosten usw. gezahlt werden, λ Vir sehen also, daß die Monopolisten auf eine Zinssteigerung anders reagieren werden als frei konkurrierende Unternehmer, das heißt sie reagieren in Wirklichkeit gai' nicht, sie verändern ihre Produktionsmenge nicht. Eine Zinsänderung hat ihre W i r k u n g auf eine Produktion mit gebundenen Preisen weitgehend verloren. Die Zinssteigerung wirkt zwar auch hier gewinnmindemd, aber nicht sofort produktionseinschränkend.

Der einfache Automatismus des Zinses als Kapitalverteiler ist also durch mancherlei Hemmungen gestört, zum Teil sogar ausgeschaltet. Die Reaktion der Produktion wird durch die für lange Zeit investierten Kapitalien zeitlich stark hinausgeschoben. Der Zinsunterschied muß gleichfalls eine solche Differenz aufweisen, daß die Risikoschwelle überschritten werden kann. Bei den gebundenen Preisen wird gar die kapitalverteilende W i r k u n g des Zinses überhaupt ausgeschaltet, wenigstens bis zu dem Punkt, von wo ab der Monopolgewinn und damit das Monopol selbst ganz verschwindet. Der Kapitalzustrom erfolgt also nicht sofort, da die Beweglichkeit des Kapitals nur gering ist. Aber auch dann, wenn die Beweglichkeit des Kapitals vollkommen wäre, könnte die Arbeitslosigkeit nur dann durch den Kapitalzufluß gemindert werden, wenn ein Unterschied in der Arbeitsintensität bestände. Bei gleicher Arbeitsintensität entsteht durch die Kapitalbewegung Frei-

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Setzung hier und neue Beschäftigung dort. Wäre die Arbeitsintensität jedoch i m Bereich des Kapitalzuflusses größer als dort, wo es abströmt, so werden mit der gleichen Kapitalmenge mehr Arbeiter beschäftigt werden können. I m umgekehrten Fall tritt allerdings eine zusätzliche Minderung des Kapitalbedarfes ein. Je nach der konkreten Lage des Verhältnisses der Arbeitsintensitäten im Gebiet des Kapitalabflusses und -Zuflusses bedeutet die geringe Beweglichkeit des Kapitals Erleichterung oder Erschwerung der Kompensation der ursprünglichen Freisetzung durch den technischen Fortschritt. Erst die Änderung des Lohnsatzes kann das MißVerhältnis der Produktionsfaktoren zueinander ändern 8 .

c) Kapitalbereitstellung durch Kreclitexpansion Die kreditbedürftigen Produzenten werden durch erhöhte Nachfrage nach Kapitaldisposition bei den Banken eine erhöhte Kreditgewährung erwarten dürfen, auch dann, wenn keine entsprechenden Einlagen bereitstehen. Auf Grund ihrer Fähigkeit, Kredite zu schöpfen, werden die Banken den Unternehmern, die den technischen Fori schritt anwenden wollen, zusätzlichen Kredit einräumen 9 . Diese Unternehmer haben jetzt eine größere Menge von Kaufmitteln zur Verfügung und sie werden nun hiermit eine zusätzliche Nachfrage nach elementaren Produktionsfaktoren entfalten, um die nötigen Produktionsmittel zu erzeugen. Da kein Sparen vorausgegangen ist, hat auch keine Kaufkraftübertragung in der Wirtschaft stattfinden können, vielmehr ist die Nachfrageintensität bei den übrigen Gliedern der W i r t schaft nach eben diesen elementaren Produktionsfaktoren nach wie vor unvermindert. Die gesteigerte Konkurrenz der Nachfragenden treibt die Preise in die Höhe und bewirkt eine Unischichtung der Produktion derart, daß ein größerer Teil der Produktionsfaktoren als bisher zur Verfügung der Unternehmer zur Beschaffung der Produktionsmittel bereitsteht. Die Menge der Produktionselemente wurde durch die Nachfragesteigerung nicht erhöht. Es werden also Arbeit und Bodenerzeugnisse zur Bereitstellung von Produktionsmitteln für die den technischen Fortschritt durchführenden Unternehmer herangezogen. Durch die erhöhte Konkurrenz werden alle Unternehmer gleichmäßig durch Steige8

Darüber unten i m Abschnitt V I I I . . . ändern sich die Zinsangebote in der Richtung einer Erhöhung, was insbesondere geschieht, wenn auf technischem Gebiet Fortschritte gemacht werden, die die Rentabilität der Kapitalverwendung steigern, so tritt Kreditexpansion — der häufigste Fall dynamischer Veränderung der KrwJitgebarung der Volkswirtschaft — ein." ( A . L . H a h n : ..Kredit" i m Handwörterbuch der Stnalswissenschaften, 4. A u f l . , 1922.. Bd. 5.) 9

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rung ihrer Kosten betroffen, sowohl Konsumgüter- als auch Produktionsmittelproduzenten. Es tritt also eine Kapitalverschiebung von diesen zu jenen mit zusätzlichem Kredit ausgestatteten Unternehmern ein, die sich in einer Umleitung von Kapitaldisposition äußert, in einigen seltenen Fällen auch in einer Umleitung von Kapitalgütern in eine neue Verwendung 10 . Eine Vergrößerung der Kapitalmenge liegt nur dann vor, wenn die Konsumgüterproduzenten in ihrer Erzeugung beschränkt werden. Das wird dann der Fall sein, wenn die Nachfrage nach Konsumgütern zurückgeht. Die Steigerung der Preise für die ursprünglichen Produktionsfaktoren wird sich durch die ganze Wirtschaft fortsetzen. Eine allgemeine liebung des Preisniveaus ist also die Folge einer durch Kreditausweitung vermehrten Geldmenge. Durch die Steigerung dei* Preise für die Produktionseiemen le entsteht bei dem Konsumgüterproduzenten wie bei allen übrigen eine Kostensteigerung, die sich in einer Preissteigerung auswirken muß. Hier besteht noch kein Grund zu Sonderentwicklungen bei der Konsumgütererzeugung. Erst die Betrachtung der Nachfrageseite ergibt, daß hier eine stärkere Schrumpfung der Produktion eintreten muß als bei den übrigen Grenzproduzenten. Betrachten wir daher die Veränderung der Einkommen durch den kreditpolitischen Eingriff in den Wirtschaftskreislauf. Da es keinen einheitlichen Arbeitsmarkt gibt, werden durch die Nachf rages teiger un g seitens der rationalisierenden Unternehmer nur gewisse berufliche und regionale Arbeitergruppen betroffen. Deren Löhne werden steigen 11 . Alle übrigen, nicht unmittelbar betroffenen Arbeiterkategorien werden nicht oder nur in geringem Maße davon berührt. Ihr Einkommen bleibt nominal gleich. Ebenso alle übrigen festen Einkommen wie Beamten gehälter, Kapitalrenten, Einkommen der freien Berufe, Pensionen usw. Die durch die Kreditschöpfung zusätzlich geschaffenen Zinseinkommen der kreditschöpfenden Banken werden nur zum geringeren Feile dem Konsum zugeführt, der größte Teil wird wohl zur Kapitalbildung verwandt. Faßt man die angeführten Einkoiimiensäiiderungen zusammen, so zeigt sich bei diesen i m ganzen eine Verminderung dieser Realeinkommen. Die Einkommen der durch Umstellung unmittelbar betroffe10 T r i t t eine derartige Kreditexpansion in einer stationären Wirtschaft ein, so bedeuten derartige Kapitalverschiebungen große Störungen i m WirtschaftsablauC. I n einer dynamisch wachsenden Wirtschaft sind solche Störungen viel geringer, da hier die Produktion nirgends verringert zu werden braucht, vielmehr wird nur die Wachstumsrate in den einzelnen Zweigen der Wirtschaft verändert. 11 Besteht Arbeitslosigkeit, so w i r d eine solche Lohnsteigerung gar nicht eintreten, die Löhne werden dann nominal gleich bleiben. Auch sonst wird aus Gründen der geringen Beweglichkeit des Arbeitspreises die Konsumgüterpreissteigerung dur Lohnsteigerung vorauseilen.

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lien Arbeiter steigen w o h l n o m i n a l , da jedoch gleichzeitig die K o n s u m güterpreise gestiegen sind, bleiben diese E i n k o m m e n real nahezu u n verändert u n d die übrigen festen E i n k o m m e n gehen real stark zurück. Es ergibt sich i m ganzen eine M i n d e r u n g der K o n s u m f ä h i g k e i t i n der Wirtschaft. Ob tatsächlich der K o n s u m zurückgeht, h ä n g t davon ab, ob n i c h t die festen E i n k o m m e n m i t einem R ü c k g a n g der f r e i w i l l i g e n K a p i t a l b i l d u n g a u f die Z w a n g s k a p i t a l b i l d u n g antworten w e r d e n 1 2 . A b e r viele der Betroffenen sparen n i c h t oder n u r wenig. D a h e r t r i t t i m ganzen w o h l eine geringere E i n s c h r ä n k u n g der f r e i w i l l i g e n K a p i t a l b i l d u n g ein, als die Z w a n g s k a p i t a l b i l d u n g das Gesamtangebot erhöht. Es t r i t t also d u r c h die K r e d i t s c h ö p f u n g n i c h t n u r eine Verschiebung von K a p i t a l aus einem P r o d u k t i o n s z w e i g i n einen anderen ein, sondern es w i r d auch hier d u r c h die Zwangsenteignung bei einem T e i l der E i n k o m m e n s bezieher K a p i t a l gebildet. D i e Beschaffung von K a p i t a l d i s p o s i t i o n seitens der Unternehmer, die den technischen F o r t s c h r i t t d u r c h f ü h r e n w o l l e n , ist also auch auf d e m W e g e der K r e d i t s c h ö p f u n g m ö g l i c h . D u r c h die K r e d i t a u s w e i t u n g w i r d den U n t e r n e h m e r n , die den technischen F o r t s c h r i t t i n i h r e n U n t e r n e h m u n g e n e i n f ü h r e n Avollen, auf zwei W e g e n K a p i t a l d i s p o s i t i o n zur V e r f ü g u n g gestellt: Einerseits t r i t t bei der Verschiebung von K a p i t a l disposition aus weniger gewinnversprechenden Verwendungen dadurch eine Beschleunigung der Anpassung ein, andererseits — u n d das ist das W i c h t i g e r e — w i r d diesen U n t e r n e h m e r n d u r c h geldpolitische E n t e i g n u n g neugebildetes K a p i t a l zur V e r f ü g u n g gestellt. Gegenüber d e m einfachen F a l l der Kapitalverschiebung ohne K r e d i t ausweitung haben w i r hierbei positiv die gleichzeitige Steigerung des Angebots von K a p i t a l d i s p o s i t i o n , also keine Zinssteigerung, d a f ü r aber negativ eine H e b u n g des allgemeinen Preisniveaus m i t allen seinen störenden u n d kapitalzerstörenden Umstellungen. Es soll h i e r n i c h t gewertet werden, welcher F a l l von beiden der günstigere ist, es genügt, i m R a h m e n unserer Untersuchung festzustellen, daß i n der Realität beide Fälle v o r k o m m e n können u n d v o r k o m m e n . Eine vielverbreitete A n s i c h t ist die, daß eine Kreditexpansion bei technischem F o r t s c h r i t t unbedenklich sei, da der inflatorischen AVirk u n g der vermehrten Geldmenge die deflatorische W i r k u n g des kostensenkenden technischen Fortschrittes gegenüberstände. D a ß diese T e n denz besteht, ist ohne Frage, j e d o c h von einem automatischen A u s gleich k a n n n i c h t die Rede sein. D e n n erstens t r i t t der Gegenwert der Investitionen erst nach längerer Zeit i n F o r m eines vermehrten W a r e n 12 Vgl. Hans Ν ei ss e r : Der Tauschwert des Geldes. Jena 1928, und A. C. P i g o u : Industrial Fluctuations. London 1927, S. 133.

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S. 128/129,

angebotes a u f den M a r k t , u n d zweitens m ü ß t e das S o z i a l p r o d u k t überp r o p o r t i o n a l zu der geschöpften Geldmenge steigen, da dann ceteris paribus die Gleichung G e l t u n g haben m u ß : altes Sozialprodukt Neuprodukt

alte

Geldmenge

neue Geldmenge

D a n u n aber w e r t m ä ß i g das alte Sozialprodukt g r ö ß e r ist als die alte Geldmenge, so m ü ß t e dann auch das N e u p r o d u k t g r ö ß e r sein als die zusätzlich geschaffene Geldmenge. N o c h unwahrscheinlicher w i r d die automatische D e f l a t i o n , wenn m a n bedenkt, daß die U m l a u f s geschwindigkeit des Geldes erheblich g r ö ß e r ist als die ,,Absatzgeschwindigkeit' ' der neuproduzierten W a r e n 1 3 . D i e inflatorische Preissteigerung t r i t t also i n allen Fällen ein u n d die W i r t s c h a f t w i r d erst dah i n tendieren, ein neues Gleichgewicht bei überhöhter Geldmenge zu finden. D a ß das Preisniveau später, das h e i ß t w e n n die zusätzlich p r o duzierten m a r k t g ä n g i g e n G ü t e r a u f den M a r k t k o m m e n , bei technischem F o r t s c h r i t t f r ü h e r das alte Niveau wieder zu erreichen tendiert, ist r i c h t i g , es m u ß j e d o c h betont werden, daß zwischen d e m E i n t r e t e n der inflatorischen Preissteigerung und d e m E i n t r e t e n der deflatorischen Preissenkungstendenz eine Zeitspanne liegt, deren Länge von der A r t der Investition abhängig ist, w ä h r e n d der j e d o c h die Preissteigerung sich f ü h l b a r machen m u ß 1 4 . D a ß das Zvvangssparen notwendigerweise eine diskontinuierliche K a p i t a l b i l d u n g darstellt, ist o f t behauptet worden. Tatsächlich k a n n eine solche K r e d i t s c h ö p f u n g n i c h t unbeschränkt fortgesetzt werden. D i e Grenze f ü r die K a p i t a l b i l d u n g d u r c h K r e d i t s c h ö p f u n g ist d u r c h die L i q u i d i t ä t der Banken u n d die W ä h r u n g s p o l i t i k der Notenbank gezogen. W i r d diese dennoch überschritten, so w i r d die Z w a n g s k a p i t a l b i l d u n g d a d u r c h illusorisch, daß die I n f l a t i o n alle W e r t r e l a t i o n e n ständig verschiebt, eine W i r t s c h a f t s r e c h n u n g d a m i t u n m ö g l i c h w i r d u n d die daraus sich ergebende K a p i t a l v e r n i c h t u n g die K a p i t a l b i l d u n g d u r c h inflatorischen K r e d i t bei w e i t e m überkompensiert. Es g i b t also zwei Grenzen f ü r das A u s m a ß der Kreditexpansion, eine bankmäßige und eine volkswirtschaftliche. AVerden diese erreicht, so w i r d die geldpolitische K a p i t a l b i l d u n g a u f h ö r e n müssen u n d der Z i n s f u ß steigen. Es zeigt sich jedoch, daß auch hier k e i n Unterschied z u m Sparen i n der W i r k u n g a u f die W i r t s c h a f t besteht. W i r d das Sparkapitalangebot geringer, so beginnt der Z i n s f u ß zu steigen. Ebenso auch hier. Eine i m m e r höhere Beanspruchung i h r e r L i q u i d i t ä t w erden sich die Banken d u r c h höhere Zinsen bezahlen lassen. D e r Z i n s f u ß w i r d also bei f o r t 13

N e i s s e r : a . a . O . S. 135. Vgl. vor allem Joseph S c h u m p e t e r : lung. München 1 9 3 5 S . 159. 14

Theorie der wirtschaftlichen

Entwick-

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schreitender Kreditexpansion ebenfalls steigen. D i e a m wenigsten ert r a g f ä h i g e n Verwendungen werden d a d u r c h von der Kapitalbeschaffung ausgeschaltet. Diese Zinssteigerung ist keine Besonderheit der Zwangsk a p i t a l b i l d u n g d u r c h geldpolitische E n t e i g n u n g , eine solche Zinssteiger u n g wäre vielmehr schon f r ü h e r eingetreten, w e n n die Kreditausw e i t u n g n i c h t stattgefunden hätte. Besonders große wirtschaftliche Vernichtungen bei begonnenen P r o d u k t i o n s u m w e g e n , die d u r c h die Zinssteigerung abgebrochen werden m u ß t e n , sind bei der K r e d i t expansion n i c h t zu befürchten. D i e g r o ß e n technischen Fortschritte des vergangenen J a h r h u n d e r t s sind i n den meisten F ä l l e n w o h l d u r c h K r e d i t e x p a n s i o n seitens der Banken finanziert worden. Eine so große vorherige K a p i t a l b i l d u n g , die n o t w e n d i g gewesen wäre, konnte gar n i c h t e r f o l g t sein ; weder waren die Produktionsüberschüsse der U n t e r n e h m u n g e n so g r o ß , n o c h w a r die S p a r w i l l i g k e i t der B e v ö l k e r u n g so schnell gewachsen. D a ß denn o c h keine inflatorischen F o l g e n eingetreten sind, d ü r f t e — ohne d e m oben Gesagten zu widersprechen — d u r c h die deflatorische W i r k u n g dieser technischen F o r t s c h r i t t e verursacht sein. Bisher wurde j a n u r ein isoliert auftretender technischer F o r t s c h r i t t i n seinen F o l g e w i r k u n gen untersucht. Ist aber einem solchen ein anderer stark p r o d u k t i v i t ä t s steigernder vorausgegangen, so w i r k t dieser dahin, eine vorübergehende inflatorische Tendenz a u f den Preisspiegel zu kompensieren. D u r c h die K r e d i t a u s w e i t u n g k a n n also die K a p i t a l m e n g e einer W i r t schaft i n n e r h a l b enger Grenzen erhöht werden u n d d a m i t die F i n a n zierung des technischen Fortschrittes teilweise erfolgen. Bei g r ö ß e r e m K a p i t a l b e d a r f entsteht f ü r die K o m p e n s a t i o n der F r e i setzung die N o t w e n d i g k e i t der Kapitalbeschaffung. Als Folge des technischen F o r t s c h r i t t s k o n n t e die erhöhte Kapitalbereitstellung n u r bei der F i n a n z i e r u n g aus den Rationalisierungsgewinnen der Unternehmer u n d bei der K r e d i t e x p a n s i o n erkannt werden. D i e F i n a n z i e r u n g aus den Rationalisierungsgewinnen ist aber n u r beschränkt m ö g l i c h , da diese n u r w ä h r e n d der Anpassungszeit an die neuen technischen Gegebenheiten entstehen. Ist die Anpassung e r f o l g t , also eine Preissenkung eingetreten, so k ö n n t e die K a p i t a l b e r e i t s t e l l u n g d u r c h größere E r s p a r nisse der K o n s u m e n t e n erfolgen. E i n e Z w a n g s k a p i t a l b i l d u n g ist i n n e r halb von Grenzen m ö g l i c h , besonders dann, wenn die anfängliche K r e d i t e x p a n s i o n d u r c h nachfolgende f r e i w i l l i g e K a p i t a l b i l d u n g abgelöst w i r d . D u r c h die kreditpolitische K a p i t a l b i l d u n g seitens der Banken k a n n n i c h t n u r die w i r t s c h a f t l i c h e A u s w e r t u n g neuer E r f i n d u n g e n stark g e f ö r d e r t werden, sondern es k ö n n e n h i e r d u r c h auch die W u n d e n , die der technische F o r t s c h r i t t geschlagen hat, geheilt werden : D i e Bereitstellung des k o m p l e m e n t ä r e n P r o d u k t i o n s f a k t o r s K a p i t a l g i b t den be-

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troffenen Arbeitern auch die Möglichkeit einer Wiederbeschäftigung. I m ganzen ist jedoch zu sagen, daß i m Falle eines hohen Kapitalbedarfs mit einer längeren Zeit zu rechnen ist, die f ü r die Kompensation der Arbeiterfreisetzung erforderlich ist, als bei gleichem Kapitalbedarf.

VIL Der technische Fortschritt bei Monopolen Daß der Untersuchung der Folgewirkungen des technischen Fortschrittes auf den Arbeitsmarkt bei freier Konkurrenz noch eine gesonderte bei Monopolen hinzugefügt werden soll, geschieht nicht, weil Avil* glauben, daß die heutige Wirtschaft eine monopolisierte ist, oder daß sie zu einer allgemeinen Monopolisierung hindränge, sondern vor allem deswegen, Aveil Avir es bei der short run-Betrachtung stets m i t Teilmonopolen bei der Einführung eines technischen Fortschritts zu tun haben. Jeder Unternehmer, der ein Patent besitzt, hat eine monopolartige Stellung. Jede Investition erfordert Zeit und solange die Konkurrenz nicht nachgefolgt ist, sei es bei Herstellung eines ganz neuen Produktes, sei es bei einer völligen Umwälzung des Produktionsganges, hat der in der freien Konkurrenz stehende Unternehmer eine monopolartige Stellung während der Zeit, in der er allein die Vorteile eines neuen Verfahrens genießen kann. Andererseits ist unsere Wirtschaft von Teilmonopolen und Vollmonopolen durchsetzt, die nicht nur eine vorübergehende Bedeutung haben, sondern als Strukturelement gelten müssen. W i r werden sehen, daß die Voraussetzungen zur Einführung eines neuen technischen Verfahrens bei einem Monopolisten andere sind als bei einem frei konkurrierenden Wirtschafter. Gleichfalls hat auch eine durch einen Monopolisten durchgeführte Rationalisierung andere Folgen für den Arbeitsmarkt. ο

a) Technischer u n d ökonomischer Fortschritt beim M o n o p o l GeAvöhnlich glaubt man, daß es für die Einführung eines technischen Fortschrittes ohne Belang sei, ob die Unternehmung i m freien Wettbewerb steht oder Monopolist am Markte ihrer Produkte ist. Das Gegenteil soll i m folgenden auf graphischem Wege aufgezeigt Averden (Abb. 16). Der Einfachheit halber ist angenommen, die Gesamtproduktion eines Gutes werde von zwei Unternehmungen durchgeführt, die aber i m freien Wettbewerb miteinander stehen. Beide weisen die gleiche Kostenstruktur auf. k ± seien die Durchschnittstückkosten, die mit der erzeugten Menge variieren. Die absetzbaren Mengen sind 2 · mv also f ü r jede Unternehmung mv und der Preis stellt sich dann auf p± bei einer Nachfragekurve von nn" für eine Unternehmung. Jetzt ergibt eine neue

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Erfindung die Möglichkeit des Übergangs zu einer neuen Kostens truktur k 2 , wobei eine Senkung der Stückkosten für den größten Teil der produzierbaren Menge eintritt. Nach Ablauf der Anpassungskämpfe wird jede Unternehmung m^ produzieren, insgesamt beide 2 · mL\ Der Preis sinkt dann von px auf p2. Verändern wir jetzt die Annahmen derart, daß keine freie Konkurrenz bestehe, sondern beide Unternehmungen zusammengeschlossen

eine Menge von 2 · Λ Β produziert, jede Unternehmung die Menge /I />. so daß der Monopolgewinn mit 2 · • Α Β E F maximal wird. Ist nun wieder das neue Produktionsverfahren k 2 gefunden, das eine Kostensenkung bringt, so wird der Monopolist diesen technischen Fortschritt doch nicht einführen, da sonst sein Monopolgewinn kleiner würde. Das punktierte Rechteck stellt den maximalen Monopolgewinn eines Unternehmers bei der neuen Kostenstruktur k ± dar. Man sieht ohne weiteres : dies punktierte Rechteck ist kleiner als das • AB E F, das den früher optimalen Monopolgewinn einer Unternehmung anzeigte. Unser Ergebnis ist also : bei gewissen Stellungen der Nachfrage zu den Kosten

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gibt es beim Monopol Fälle, bei denen ein technischer Fortschritt nicht eingeführt wird, der bei freier Konkurrenz eingeführt worden wäre und, umgekehrt, kann die Monopolisierung einer Produktion zu einer Erzeugungsweise führen, die in der ungehinderten Konkurrenz rückständig ist.

b ) D e r Einfluß des technischen Fortschrittes beim M o n o p o l auf dem Arbeitsmarkt Haben wir gesehen, daß die Frage, ob ein technischer Fortschritt auch ein ökonomischer ist, in manchen Fällen bei Monopol anders be-

A b b . 17

antwortet w i r d als i n der freien K o n k u r r e n z , so zeigen sich die H a u p t unterschiede d o c h bei der A u s w i r k u n g eines angewandten technischen Fortschritts a u f die P r o d u k t i o n s r e a k t i o n u n d d a m i t auf den Arbeitsmarkt.

Eine Kostensenkung durch eine Rationalisierung wird von frei konkurrierenden Unternehmern immer mit einer Produktionsausdehnung beantwortet. Ein Monopolist dagegen handelt nicht in jedem Falle so. Für ihn ist die Richtschnur seiner Produktion die Entwicklung des Monopolgewinns. In Abb. 17 sei aa' die Angebotskurve der monopolisti4 Kruse

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sehen Unternehmer und η ι ϊ die Nachfragekurve. Produzieren die Unternehmer vor Einführung des technischen Fortschritts eine Produktionsmenge von OA, so wird ihr Monopolgewinn optimal mit • E F Κ /. Ändern sich durch den technischen Fortschritt ihre Kosten und wird die Angebotskurve ao! dadurch zu α ^ ' , so wird ihre optimale Produktionsmenge Ο Β mit dem Monopolgewinn • C D H G. Das Ergebnis ist also hier eine Produktionsausdehnung. Die Monopolisten reagieren tendenziell in gleicher Richtung, das heißt in Richtung einer Produktionserweiterung, wie die frei konkurrierenden Unternehmer es tun würden.

A b b . 18

Verändern wir nun die Annahmen. I n Abb. 18 haben die Kostenkurven eine etwas andere Gestalt: Die ursprünglich optimale Produktionsmenge war Ο A m i t einem Monopolgewinn von • E F Κ I. Bei sinkenden Kosten wird die optimale Produktionsmenge O B kleiner als bei höheren Kosten, wo sie O A war. Der Monopolgewinn wird zu [ J C D H G . Der Monopolist reagiert in diesem Falle tendenziell entgegengesetzt zum frei konkurrierenden Unternehmer. Bei sinkenden Kosteil dieser Art wird die Produktion eingeschränkt statt ausgedehnt. Schließlich ist noch der Fall möglich, bei dem die optimale Produktionsmenge durch den kostensenkenden technischen Fortschritt gar

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nicht berührt wird. In Abb. 19 ist sowohl vor als auch nach der Kostensenkung die optimale Produktionsmenge O A . Bei niederen Kosten ist aber dann auch der Monopolgewinn größer ( Q C D H G > • E F H G). In diesem Falle werden die Monopolisten bei Kostensenkung die Produktionsmenge nicht verändern. Bei freier Konkurrenz würde in allen drei Fällen eine Produktionsausdehnung eingetreten sein. I m Monopolfalle dagegen kann, wie wir sahen, die Reaktion eine andere sein. Um die Frage der Arbeiterfreisetzung bei einem Monopol am Produktmarkt zu untersuchen, wird ein Fall gleichen Kapitalbedarfs zur

Untersuchung herausgegriffen. Der Einfachheit halber bleibe auch die Produktionsmenge die gleiche. Es ist hier der in Ahb. 19 dargestellte Sonderfall herausgegriffen. Die Produktionsmenge der Monopolisten war bei den früheren höheren Kosten O A . Die Rationalisierung bewirkte eine Änderung der Angebotskurve durch die Kostensenkung von aa' auf a ^ ' . Die Monopolisten werden ihre Erzeugungsmenge beibehalten und der Kapitalbedarf bleibe in diesem Falle auch gleich. Es fällt also gleicher Kapitalbedarf mit dem Fall zusammen, bei dem die Monopolisten ihre Produktionsmenge trotz Kostensenkung nicht ausdehnen. Durch die 4

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Kostensenkung erlangen die Monopolisten einen zusätzlichen M o n o p o l g e w i n n , der i n unserer A b b i l d u n g d u r c h das schraffierte Rechteck • C D F E dargestellt ist. D u r c h diese R a t i o n a l i s i e r u n g wurde, da es sich h i e r u m einen arbeitsparenden technischen F o r t s c h r i t t handelt, eine g r o ß e A n z a h l Arbeiter freigesetzt. Welches sind n u n die weiteren F o l g e n ? D i e A r b e i t e r sind freigesetzt u n d eine neue B e s c h ä f t i g u n g s m ö g l i c h k e i t d u r c h Produktionsausdehn u n g ist n i c h t gegeben. H i e r vereinfacht sich das P r o b l e m der K o m p e n sation. D i e M ö g l i c h k e i t e n der W i e d e r b e s c h ä f t i g u n g d u r c h Nachfrageverschiebung u n d Kostensenkimg als F o l g e der Preissenkung, die bei freier K o n k u r r e n z bestehen, fallen h i e r f o r t . D a keine S e n k u n g der Preise der rationalisierten P r o d u k t i o n e i n t r i t t , k a n n weder eine Nachfrageverschiebung n o c h eine Kostensenkung i n den nachgeordneten S t u f e n eintreten. F ü r die K o n s u m e n t e n ist d u r c h die Kostensenkung keinerlei Ä n d e r u n g i h r e r Dispositionen eingetreten. Es bleibt also n u r die M ö g l i c h k e i t der K o m p e n s a t i o n d u r c h Einkommensverschiebung. D i e L o h n e i n k o m m e n der freigesetzten A r b e i t e r haben sich i n M o n o polrenten verwandelt. Entscheidend f ü r das Schicksal der Arbeiter ist j e t z t die A r t der V e r w e n d u n g dieser M o n o p o l g e w i n n e . Es bestehen n u n wieder die beiden M ö g l i c h k e i t e n : die Monopolisten k ö n n e n die Gewinne k o n s u m i e r e n oder sparen. W i r d der gesamte zusätzliche M o n o p o l g e w i n n von den U n t e r n e h m e r n k o n s u m i e r t u n d r i c h t e t sich deren Nachfrage gerade auf jene Erzeugnisse, die die j e t z t freigesetzten A r b e i t e r sonst m i t i h r e m L o h n gekauft hätten, w e n n sie n o c h i n B e s c h ä f t i g u n g wären, so ändert sich i m ganzen W i r t s c h a f t s p r o z e ß nichts, n u r daß die Arbeiter freigesetzt sind. Eine W i e d e r b e s c h ä f t i g u n g s m ö g l i c h k e i t besteht vorerst n i c h t 1 . W e n d e t sich die zusätzliche Nachfrage der U n t e r n e h m e r dagegen solchen G ü t e r n zu, deren P r o d u k t i o n eine größere Menge Arbeit erforderte als zu j e n e n Erzeugnissen, die die freigesetzten Arbeiter k o n s u m i e r t hätten, so ergibt sich h i e r , das h e i ß t i n der P r o d u k t i o n u n d i n der V o r p r o d u k t i o n der K o n s u m g ü t e r , eine M ö g l i c h k e i t der teilweisen Wiedereinstellung. I n d e m P r o d u k t i o n s z w e i g , i n d e m die Arbeiterk o n s u m g ü t e r hergestellt w u r d e n , geht die P r o d u k t i o n d u r c h den Ausf a l l der Nachfrage der jetzt Arbeitslosen z u r ü c k , u n d es treten P r o duktionseinschränkungen u n d Stillegungeii von Grenzbetrieben ein. Es werden also K a p i t a l g ü t e r w i r t s c h a f t l i c h vernichtet, und gleichzeitig werden h i e r A r b e i t e r u n d K a p i t a l d i s p o s i t i o n freigesetzt. I n jenen E r zeugergruppen, i n denen die speziellen K o n s u m g ü t e r der Unternehmer hergestellt werden, treten anfänglich E x t r a g e w i n n e auf, die eine P r o 1 Das heißt solange die mögliche Lohnsenkung nicht in die Betrachtung einbezogen ist.

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duktionsausdehnung veranlassen, w ä h r e n d demgegenüber die Verluste in den Produktionszweigen f ü r Arbeiterverbrauchsgüter P r o d u k t i o n s einschränkungen die F o l g e waren. Es besteht also die Tendenz zur Ü b e r t r a g u n g von P r o d u k t i o n s f a k t o r e n aus der E r z e u g u n g f ü r A r b e i t e r k o n s u m g ü t e r i n die E r z e u g u n g f ü r U n t e r n e h m e r k o n s u m g ü t e r . B e i einer großen Elastizität der W i r t s c h a f t ergeben sich hieraus keine größeren Schwierigkeiten. D i e W i e d e r e i n s t e l l u n g der d u r c h die Rationalisierung freigesetzten Arbeiter i n der arbeitsintensiven E r z e u g u n g der U n t e r n e h m e r v e r brauchsgüter k a n n n u r eine teilweise sein. Jede P r o d u k t i o n k o m b i n i e r t A r b e i t s k r a f t m i t K a p i t a l . D e r zusätzliche M o n o p o l g e w i n n entspricht dem f r ü h e r e n A r b e i t s e i n k o m m e n u n d w i r d jetzt zu A r b e i t s e i n k o m m e n u n d K a p i t a l - u n d Renteneinkommen. D e r F a l l , bei d e m annähernd d e r insgesamt eingesparte L o h n b e t r a g den A r b e i t e r n wieder z u f l i e ß t , ist n u r dann gegeben, w e n n das K o n s u m g u t der U n t e r n e h m e r eine p e r sönliche Dienstleistung ist. Dieser F a l l , daß die k o n s u m t i v e Verausgabung des Unternehmergewinns sich G ü t e r n zuwendet, zu deren E r zeugung viele A r b e i t s k r ä f t e n o t w e n d i g waren, k o m m t der W i r k l i c h k e i t w o h l a m nächsten. D i e industriellen K o n s u m g ü t e r der A r b e i t e r sind z u m T e i l Massenproduktionsgüter, die der U n t e r n e h m e r dagegen Spezialerzeugnisse u n d L u x u s g ü t e r , so daß m a n w o h l m i t Recht a n nehmen k a n n , i n den K o n s u m g ü t e r n d e r U n t e r n e h m e r stecke m e h r unmittelbare A r b e i t als i n den von den A r b e i t e r n k o n s u m i e r t e n Erzeugnissen. D e n k b a r , das h e i ß t theoretisch m ö g l i c h , ist s c h l i e ß l i c h n o c h der F a l l , daß Erzeugnisse, deren P r o d u k t i o n weniger arbeitsintensiv w a r , nachgefragt werden. H i e r t r i t t als F o l g e des technischen F o r t s c h r i t t s keine u n m i t t e l b a r e K o m p e n s a t i o n a u f , sondern v i e l m e h r i n der A r beiterverbrauchsgüter erzeugung n o c h eine sekundäre Arbeitslosigkeit. W e g e n der größeren K a p i t a l i n t e n s i t ä t i n d e m Erzeugungszweig, der die K o n s u m g ü t e r der U n t e r n e h m e r herstellt, v e r m a g diese n u r einen T e i l der i n der A r b e i t e r k o n s u m g ü t e r e r z e u g u n g freigesetzten Arbeiter wieder aufzunehmen - - ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, die i n der M o b i l i t ä t des P r o d u k t i o n s f a k t o r s A r b e i t liegen. D i e zweite A r t der V e r w e n d u n g des d u r c h die R a t i o n a l i s i e r u n g entstandenen zusätzlichen M o n o p o l g e w i n n s ist die K a p i t a l b i l d u n g . D i e Unternehmer werden vielleicht a u f einen zusätzlichen K o n s u m verzichten u n d die E x t r a g e w i n n e d e m K a p i t a l m a r k t z u f ü h r e n . D i e Folge ist eine Tendenz zur Zinssenkung u n d ein Anreiz z u r Produktionsausd e h n u n g f ü r andere Unternehmer. H i e r ergeben sich M ö g l i c h k e i t e n , vorerst einen T e i l der arbeitslos Gewordenen wieder zu beschäftigen. D a ß die Gesamtzahl der Arbeitslosen n i c h t s o f o r t wieder B e s c h ä f t i g u n g finden kann, ergibt sich schon daraus, daß der z u r Investition v e r -

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wandte Extragewinn, der früher völlig Arbeitseinkommen wurde, jetzt sowohl zu Arbeits- als auch zu Kapital- und Renteneinkommen wird. Es wird also durch die Kapitalbildung aus dem Monopolgewinn ein Teil der freigesetzten Arbeiter wieder beschäftigt. W i r d der Monopolgewinn längere Zeit hindurch zur Investition verwandt, vermehrt sich der Produktionsfaktor Kapital also ständig, so können auch ständig mehr Arbeiter beschäftigt werden. Das Ergebnis wird also nach einer gewissen Zeit eine völlige Kompensation und Überkompensation der Arbeitslosigkeit sein. Das Tempo der Kompensation, die hier ceteris paribus eintreten muli, ist abhängig von der Arbeitsintensität in dem Produktionszweig, in dem das Kapital investiert wird 2 . Neben dieser Arbeitslosigkeit entstand noch eine solche in den Unternehmungen, in denen die Konsumgüter der Arbeiter erzeugt wurden. Dort fanden auf Grund des Nachfrageausfalls Produktionseinschränkungen statt. Doch ergibt sich f ü r diese kein Ersatz durch gesteigerte Unternehmernachfrage nach den gleichen oder anderen Konsumgütern. Diese freigesetzten Produktionsfaktoren wirken preisdrückend und werden an anderer Stelle der Wirtschaft wieder beschäftigt werden. Es wurde hier nicht nur Arbeit, sondern auch Kapital freigesetzt. W i r sehen hier also 1. eine Arbeiterfreisetzung durch den Monopolislen und eine langsame Kompensation durch ständiges Investieren des Monopolgewinns, und 2. eine Arbeiterfreisetzung in der Arbeiterkonsumgüterproduktion, die aber die Heilungskräfte insofern schon in sich trägt, als auch Kapital gleichzeitig freigesetzt wurde. Eine besondere Art der Kapitalbildung verhindert, oder kann diesen Heilungsprozeß wenigstens hinauszögern. So, wenn die Beträge, die die Monopolisten einsparen, nicht auf dem Kapitalmarkt ausgeliehen, sondern i m eigenen Unternehmen investiert werden. Das Rechnungsmedium des Marktzinses, das die angebotene Kapitaldisposition den ertragreichsten Verwendungen i n der Volkswirtschaft zuführt, fällt fort. Das Kapital wird i m gleichen Unternehmen investiert, in dem es gebildet wurde. Da hier, außer Fragen des Risikos, noch andere Momente neben der reinen Kapitalertragsrechnung eine Rolle spielen, wie Macht, Steuerflucht und ähnliches, werden die Mittel oft nicht wirtschaftlich zweckmäßig verwendet, das heißt die volkswirtschaftliche Verteilung 2

Ist g der jeweils anfallende Monopolgewinn, 1 die ersparte Lohnsumme und das Maß f ü r die Arbeitsintensität in der Erzeugung, i n der die Kompensation

stattfindet, so gilt g = l . Σ Die Kompensation ist durchgeführt. wenn ——

1 - j - Ω wird.

des P r o d u k t i o n s f a k t o r s K a p i t a l erfolgt n i c h t nach einem Rentabilitätsvergleich von M a r k t z i n s u n d r e i n e m Zins. Diese Investitionen k ö n n e n entweder Erweiterungsinvestitionen oder Verbesserungsinvestitionen sein 3 . D a nach Voraussetzung die E r w e i t e rungsinvestitionen i n der gleichen P r o d u k t i o n f ü r unseren M o n o polisten n i c h t von V o r t e i l wären, w i r d er v o r allem Verbesserungsinvestitionen d u r c h f ü h r e n wollen, abgesehen von m ö g l i c h e n Investitionen i n anderen eigenen, aber n i c h t monopolistischen U n t e r n e h m u n g e n . E r weiterungsinvestitionen m ü ß t e n d u r c h die d a r a u f folgende P r o d u k tion serhöhung zwangsläufig den M o n o p o l g e w i n n v e r m i n d e r n , da er schon m a x i m a l war. Verbesserungsinvestitionen k ö n n e n aber n u r einen weiteren r e i n technischen F o r t s c h r i t t bringen, da der ökonomische F o r t s c h r i t t schon weitgehend angewandt w o r d e n ist. D e n n o c h werden solche u n w i r t s c h a f t l i c h e Rationalisierungen h ä u f i g d u r c h g e f ü h r t . E i n e solche K a p i t a l v e r w e n d u n g , die v o m betriebswirtschaftlichen Standp u n k t aus eine K a p i t a l f e h l l e i t u n g ist, braucht v o l k s w i r t s c h a f t l i c h eine solche n i c h t zu sein. Das Nichteinhalten der o p t i m a l e n P r o d u k t i o n s menge u n d eine V e r g r ö ß e r u n g der Erzeugung, so daß eine A n n ä h e r u n g an die Gleichgewichtsmenge e i n t r i t t , ist v o l k s w i r t s c h a f t l i c h n i c h t von Schaden. Eine A n w e n d u n g technischer F o r t s c h r i t t e dagegen, die keine ökonomischen F o r t s c h r i t t e sind, m u ß auch v o l k s w i r t s c h a f t l i c h als verf e h l t angesehen werden. Sie bedeuten entweder, w e n n der F e h l e r d u r c h R ü c k k e h r z u m alten V e r f a h r e n wieder gutgemacht w i r d , eine einmalige K a p i t a l v e r n i c h t u n g oder, wenn das n i c h t geschieht, einen dauernden Verlust an P r o d u k t i v i t ä t , das h e i ß t i n unserem Falle w i r d der M o n o p o l g e w i n n ständig kleiner sein. K a p i t a l v e r n i c h t u n g oder verminderte K a p i t a l b i l d u n g müssen aber die K o m p e n s a t i o n der Arbeiterfreisetzung n o c h w e i t hinauszögern. Es w u r d e n u r der F a l l gleichen K a p i t a l b e d a r f s b e i m M o n o p o l entwickelt. D e r F a l l gesteigerten K a p i t a l b e d a r f s l i e g t b e i m M o n o p o l ganz entsprechend den W i r k u n g e n des technischen F o r t s c h r i t t s bei f r e i e r K o n k u r r e n z , n ä m l i c h ungünstiger f ü r eine schnelle u n d sichere K o m pensation. Bei M o n o p o l e n haben w i r die größere W a h r s c h e i n l i c h k e i t , daß der Produktivitätszuwachs sich i n einer gesteigerten K a p i t a l b i l d u n g niederschlägt. E i n K o n s u m der M o n o p o l g e w i n n e d ü r f t e n i c h t der Regelfall sein. Aus diesem G r u n d e m u ß die Freisetzungsfrage f ü r das M o n o p o l als günstiger erachtet werden als bei f r e i e r K o n k u r r e n z . Gesteigerte K a p i t a l b i l d u n g als Folge eines technischen F o r t s c h r i t t s ist der sicherste W e g , die freigesetzten Arbeiter schnell wieder i n den P r o d u k t i o n s p r o zeß einzugliedern. Andererseits ist j e d o c h auch die oben näher gekennzeichnete geringere Beweglichkeit des F a k t o r s K a p i t a l bei m o n o p o l i s t i 3

Vgl. P r e i s e r : Grundzüge der Kon junkturlheorie. Tübingen 1933, S. 53fT.

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sehen Unternehmungen mid die große Gefahr einer Selbstfinanzierung mit der sehr häufigen Kapitalfehlleitung nicht zu unterschätzen. Entgegen allen jenen Meinungen jedoch, die eine nachfolgende Preissenkung f ü r unfehlbar halten und den Preismechanismus durch die Monopole gestört sehen4, müssen wir gerade das Monopol aus Gründen einer großen Kapitalbildungsfähigkeit als Garanten einer schnellen Kompensation betrachten.

VIII. Kompensation durch Lohnsenkung I m bisherigen sind alle Kompensationsmöglichkeiten erörtert w orden, mit Ausnahme der Lohnsenkung. Es wurde stets ein Gleichbleiben der Löhne angenommen. Eine Freisetzung, das heißt eine Verminderung der Nachfrage nach Arbeit, muß aber eine Senkung des Lohnes zur Folge haben. Eine Lohnsenkung erlaubt aber eine größere Beschäftigung, muß also Kompensationschance sein. Die nachfolgende Darstellung einer Lohnänderung durch Angebotsund Nachfragekurven für Arbeit ist nicht ganz exakt. Einer solchen Darstellung der Marktverhältnisse liegt stets ein stillschweigendes ceteris paribus zugrunde. Bei einer Änderung des Lohnsatzes ändern sich aber alle übrigen Daten der Wirtschaft erheblich und in unverhältnismäßig stärkerem Maße als bei Änderung irgendwelcher Güterpreise 1 . Daß diese Darstellung trotz des offenbaren Fehlers gewählt wurde, hat seinen Grund in der leichteren Aufzeigung der variierten Daten. I m übrigen bedeutet diese Darstellung eines Arbeitsmarktes nur eine erste Annäherung an die Verhältnisse mehrerer verbundener Märkte. Durch den technischen Fortschritt ist die Nachfrage nach Arbeit gesunken. In Abb. 20 ist dies durch das Sinken der Nachfragekurve von nrì auf n 1 n 1 / dargestellt. Vorher waren OM ± Arbeiter beschäftigt. Durch die Nachfrageschrumpfung können zum geltenden Lohnsatz OLt nur mehr OM 2 Arbeiter beschäftigt bleiben. Die Zahl der Beschäftigten geht anfänglich also um M 1M 2 zurück. Jetzt wird der Arbeitspreis sinken 2 und sich letztlich auf der Höhe von O L 3 einstellen; die Beschäftigung steigt damit wieder auf O M 3 . Die Freisetzung beträgt im ganzen somit nur M S M V Es ergibt sich tatsächlich eine Kompensations4 So Fritz M a c h l u p : Führer durch die Krisenpolitik. W i e n 1934, S. 185, und Otto V e i t : Die Tragik des technischen Zeitalters. Berlin 1935, S. 104. 1 Vgl. dazu auch Otto von Z w i e d i n e c k - S ü d e n h o r s t : Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Berlin 1932, S. 210. 2 Der Lohn w i r d nominal sinken, ob auch real ist davon abhängig, ob als Folge der Rationalisierung eine Preissenkung eingetreten ist, und zwar eine Preissenkung der Güter, die f ü r den Konsum der Bezieher dieser Arbeitseinkommen in Betracht kommen.

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möglichkeit durch Lohnsenkung für M 2 M Ò Arbeiter. Allerdings ist dies nur ein Teil der freigesetzten Arbeiter. Diese Anpassung kann aber nicht ausreichen, die Kompensationsmöglichkeit durch Lohnsenkung zu erschöpfen. Es gilt jetzt noch, den Faktor Zeit einzuführen. Die in Abb. 20 gebrachte Angebotskurve gilt nur f ü r einen bestimmten Zeitpunkt. Das Ergebnis war oben eine Freisetzung von Μ 3 Λ / 3 Arbeitern. Ändert sich i m ausgeführten Schema gar nichts, nur daß einige Zeit verstreicht, so wird sich auch die Angebotsstruktur des Produktionsfaktors Arbeit verändern. Das hat vor allem seinen Grund darin, daß die auf Verwertung ihrer Arbeit angewiesenen Arbeiter jetzt kein Einkommen mehr haben und sie nun eine Zeitlang von Unterstützungen und ihren Ersparnissen leben müssen. Ihre Lebenshaltung

A b b . 20

sinkt während dieser Zeit, ihre Ersparnisse und die Möglichkeiten privater Unterstützung gehen zu Ende, und dadurch sinken auch ihre Lohnansprüche, so daß nach Verlauf einiger Zeit der Lohn auf das Niveau der öffentlichen Arbeitslosenunterstützung sinken kann 3 . W i r haben also ein tendenzielles Sinken der Arbeitsangebotskurve in der Zeit bei Rückgang der Arbeitsnachfrage. Das Arbeitsangebot tendiert bei langdauernder Arbeitslosigkeit von einer sehr wenig elastischen zu einer beinahe vollkommen elastischen Kurve zu werden. 3 Wenn keine öffentliche Arbeitslosenunterstützung gezahlt wird, so w i r d es dennoch eine Lolmu η ter grenze geben. Ob dies aber das (physische oder kulturelle) Existenzminimum wäre, ist immerhin zweifelhaft. Diese Untergrenze w i r d stets politisch bestimmt sein. (Anders zum Beispiel Alfred A m o n n : Das Lohnproblem. Berlin 1930, S. 18.)

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I n Abb. 21 verschiebt sich die Arbeitsangebotskurve nach einer Zeit O O v die auf der Zeitachse in der dritten Dimension dargestellt ist, von aaf nach α D e r Gleichgewichtspunkt S sinkt gleichfalls (auf S x ) und die Zahl der Arbeiter, die Beschäftigung finden können, steigt von Ο M g auf 0 1 M 4 . Die Menge der freigesetzten Arbeiter ist somit nur geringfügig, nur M 4 M 1 , an Stelle der viel größeren Zahl von M 3M v Als arbeitslos i m eigentlichen Sinne sind diese nun gleichfalls

A b b . 21

nicht anzusehen, denn Arbeitslosigkeit liegt nur dann vor, wenn noch Anbieter bereit sind, zum geltenden Lohnsatz Arbeit anzunehmen. Die Arbeiter M J M 1 verlangen aber einen höheren Lohn als den geltenden Marktlohn. Erst wenn die Arbeitsangebotskurve durch langdauernde Friktionsarbeitslosigkeit zu einer vollkommen unelastischen geworden ist, ist auch der von Neisser 4 aufgezeigte Fall von Dauerarbeitslosigkeit im 4 H a n s N e i s s e r : Lohnhöhe und Beschäftigungsgrad i m Mark Igle ich g l i c h t . W e l t wirtschaftliches Archiv, Bd. 36, 2.

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Marktgleichgewicht möglich. I n Abb. 22 stelle Ο M das vorhandene Arbeitsangebot dar, nn' sei die Nachfragekurve, dann ist die Zahl der Beschäftigten O B und die Arbeitslosen sind B M . Daß dieses nur ein theoretisch möglicher Fall ist und in der bisherigen wirtschaftlichen Entwicklung kein Beispiel gefunden hat, bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung. Die von S t r i g i 5 angeführte Konstellation, bei der nur ein Teil der Angebotskurve vollkommen unelastisch ist, ist eher möglich, kann aber dann die gleichen Folgen einer Dauerarbeitslosigkeit in einer statischen Wirtschaft haben.

Aber auch dieser Mechanismus, der i m Zeitverlauf wirksam ist, erfolgt nicht ohne Hemmungen und durchaus nicht in der eben geschilderten reibungslosen Form. Die Arbeitspreisbildung ist ein Sonderfall und nicht nur ein Anwendungsfall der Preisbildung. Die Arbeitslosigkeit ist eine Folge der Hemmungen bei dieser Preisbildung. W a r um, so müssen wir fragen, führt eine Arbeiterfreisetzimg nicht zu einer sofortigen Lohnsenkung und Wiederbeschäftigung bei anderen Produzenten? Mit anderen Worten: warum wirkt der Preismechanismus bei der Arbeit nicht oder nur unvollkommen? Der Preis hat i n der Yerkehrswirtschaft zwei Aufgaben : erstens die Regulierung des Angebots und der Nachfrage und zweitens die Ver5

Siehe unten S. 61.

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b i n d u n g der Märkte. „ A u s der Masse derer, die eine W a r e begehren, werden diejenigen ausgeschaltet, die n i c h t m i t der n ö t i g e n K a u f k r a f t ausgestattet sind, u m den Preis zu bezahlen." U n d der Preis „ i s t zugleich der R e g u l a t o r der P r o d u k t i o n , s i n k t der Preis, w i r d die P r o d u k t i o n eingeschränkt, steigt er, so w i r d sie a u s g e d e h n t " 6 . A u ß e r d e m w i r k t ein Preisunterschied a u f verschiedenen M ä r k t e n tendenziell dahin, daß Angebot u n d Nachfrage zusammenfallen u n d die Menge gleichm ä ß i g verteilt w i r d . U m einen w i c h t i g e n Unterschied zwischen der Arbeitsleistung und einer W a r e a u f d e m M a r k t herauszustellen, m u ß vor allem betont werden, daß die Arbeitsleistung n i c h t p r o d u z i e r t w i r d , also das A n gebot von A r b e i t n i c h t i m gleichen f u n k t i o n e l l e n Z u s a m m e n h a n g z u r Nachfrage steht w i e irgendeine n a c h ökonomischen Gesichtspunkten produzierte W a r e . D i e H a u p t b e s t i m m u n g s g r ö ß e des Arbeitsangebotes, die G r ö ß e der B e v ö l k e r u n g u n d deren G l i e d e r u n g ist eine unabhängige Variable i m Arbeitspreisbildungsprozeß. Bei steigendem L o h n m u ß n i c h t u n b e d i n g t die B e v ö l k e r u n g anwachsen oder bei sinkendem L o h n stagnieren oder zurückgehen, ganz abgesehen von der langen Zeit, die verstreichen m u ß , bis eine solche „ D i s p o s i t i o n s ä n d e r u n g der anbietenden M a r k t p a r t e i " zu einer E i n w i r k u n g a u f die angebotene Menge f ü h r e n könnte. D o c h die Bevölkerungszahl allein b e s t i m m t j a n i c h t die Menge der angebotenen Arbeitsleistung. B e i starrer B e v ö l k e r u n g ist das Arbeitsangebot durchaus n i c h t starr. D u r c h L o h n ä n d e r u n g e n k a n n sich das Verhältnis von arbeitenden zu nichtarbeitenden Schichten der Bevölker u n g verschieben u n d die Arbeitszeit des einzelnen Arbeiters ist ebenfalls variabel. Ob aber die angebotene Arbeitsmenge m i t der L o h n bewegung i n gleicher R i c h t u n g sich verändert, ist m e h r als zweifelhaft. Es ist z u m Beispiel s o w o h l denkbar, daß bei steigendem L o h n das A r beitsangebot der berufstätigen Hausfrauen z u r ü c k g e h t , als auch daß d a n n andere F a m i l i e n m i t g l i e d e r , d u r c h hohen L o h n angereizt, sich u m A r b e i t bew erben. Es ist daher w o h l berechtigt, i n Ansehung des N i c h t reagierens der Bevölkerungszahl u n d des i m einheitlichen Reagier ens der k o n k r e t angebotenen Arbeitsmenge a u f eine L o h n ä n d e r u n g , von einem F o r t f a l l der O r d n u n g s f u n k t i o n des Preises a u f das Angebot b e i m L o h n zu sprechen. Das daher allein n u r w i r k s a m e Reagieren der Nachfrage a u f die Preishöhe m u ß so gestaltet werden, daß die W i r k samkeit des Preismechanismusses b e i m L o h n verzögert w i r d . D e r H a u p t g r u n d j e d o c h d a f ü r , daß die Arbeiterfreisetzung n i c h t sof o r t d u r c h L o h n d r u c k zu einer W i e d e r e i n s t e l l u n g f ü h r t , liegt i n der m a n g e l h a f t e n Beweglichkeit des P r o d u k t i o n s f a k t o r s A r b e i t begründet. 6 Adolf W e b e r : a. a. O. S. 8 8 f .

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So sagt Cassel 7 : „Wenn die Arbeitskraft mit vollkommener Beweglichkeit sofort nach der jeweiligen Marktlage eingestellt werden könnte, so würde immer volle Beschäftigung vorhanden sein." Die Beweglichkeit der Arbeit müßle aber in doppelter Hinsicht vollkommen sein: 1. der Preis der Arbeit, der Lohn, müßte völlig beweglich sein, und 2. müßte die Arbeit selbst sich den veränderten Marktbedingungen sofort anpassen können. Ohne diesen Mangel der Beweglichkeit ließe sich auch sonst kein Fall von Arbeitslosigkeit denken. Ein Ausnahmefall, den S t r i g i anführt 8 , besteht immerhin, über

kann, da es empirisch gefundene Arbeitsangebotskurven noch nicht gibt. In Abb. 23 sei aa' wieder die Angebotskurve und nn' die Nachfragekurve vor Einführung des technischen Fortschritts. Nach der Rationalisierung wird diese zu Waren vorher O M ' Arbeiter zu einem Lohn OA beschäftigt, so sind es nachher nur noch Ο M zum gleichen Lohne OA. Die Arbeitslosigkeit beträgt dann MM', das heißt diese Anbieter waren bereit, zum geltenden Lohnsatz OA zu arbeiten, können aber keine Arbeit finden. Eine noch so große Beweglichkeit des Lohnes oder der Arbeiter selbst könnte die Arbeitslosen nicht resorbieren. 7 Gustav C a s s e l in der Sozialen Praxis 1926, Sp. 1058. 8 Richard S t r i g i : Kapital und Produktion. Wien 1934, S. 107.

D e r Preis f ü r die Arbeitsleistung, der L o h n , w i r d von mehreren Seiten g e h e m m t , sich den Marktverhältnissen anzupassen. Eine L o h n senkung, die n o t w e n d i g wäre, u m den Lohnsatz des Gleichgewichtspunktes zu erreichen, w i r d seitens der Arbeiter stets a u f harten W i d e r stand stoßen, denn „das, was m a n hergebrachtermaßen f ü r das Leben g l a u b t n ö t i g zu haben, bildet einen besonders starken W a l l gegen die B e m ü h u n g e n , den L o h n herabzudrücken". 9 . N o c h schwieriger w i r d die Anpassung, wenn eine monopolistische Organisation der anbietenden A r b e i t e r (Gewerkschaft) besteht. Eine solche monopolistische L o h n h o c h h a l t u n g verhindert die notwendige L o h n s e n k u n g u n d m a c h t den P r o d u k t i o n s f a k t o r A r b e i t n o c h u n beweglicher als er ohnedies schon ist. B e i einer n o t w e n d i g gewordenen L o h n s t e i g e r u n g dagegen k ö n n e n solche Monopolorganisationen der A n bieter sehr w o h l die Anpassungselastizität des Preises verbessern helfen, l a u f e n j e d o c h Gefahr, d a n n den Gleichgewichtslohn zu überschreiten, u m n o c h eine M o n o p o l r e n t e realisieren zu können. I n H i n s i c h t a u f den Ausgleich r e g i o n a l verschiedener A r b e i t s m ä r k t e können diese O r g a n i sationen d u r c h H i n d e r u n g des Zuzugs v o n A r b e i t e r n aus anderen Bezirken die Beweglichkeit des P r o d u k t i o n s f a k t o r s Arbeit gleichfalls mindern. A b e r n i c h t n u r die monopolistische Lohnbeeinflussung seitens der .Arbeiter, auch die m o n o p s o n i s t i s c h e 1 0 M a c h t der U n t e r n e h m e r m i n d e r t die M o b i l i t ä t der A r b e i t u n d ihres Preises 1 1 . D i e Festlegung der L o h n sätze d u r c h den Staat, der keine der beiden M a r k t p a r t e i e n vertreten w i l l , k a n n bei ungenügender E i n s i c h t i n die Marktverhältnisse die Bew e g l i c h k e i t der A r b e i t u n d die Anpassungselastizität des Lohnes gleichfalls m i n d e r n , bei guter E i n s i c h t dagegen k a n n der Staat sehr w o h l die Beweglichkeit verbessern. U n d a u f diesem Gebiete der V e r b i n d u n g getrennter A r b e i t s m ä r k t e u n d der Festsetzung des Lohnes i n der Nähe des j e w e i l i g e n Gleichgewichtslohnes l i e g t meines Erachtens die A u f gabe des Staates, die Arbeitslosigkeit a u f die D a u e r zu bekämpfen. Z u einem entscheidenden H e m m n i s a u f d e m W e g e zur m s u i t m ä ß i g r i c h t i g e n L o h n h ö h e m u ß auch die aus sozialpolitischen u n d staatspolitischen G r ü n d e n notwendige Arbeitslosenunterstützung werden, w o bei es g l e i c h g ü l t i g sein k a n n , w e r die U n t e r s t ü t z u n g gewährt, sei es der Staat, Verwandte des Betroffenen oder dieser selbst, i n d e m er seine E r 9 A d o l f W e b e r : a. a. O. S. 110. 10 = nachfragemonopolistisch. Vgl. Juan R o b i n s o n : perfect Competition. London 1933, S. 215, A n m . 1.

The

Economics of

im-

11 Joseph S c h u m p e t e r ( „ D i e Arbeitslosigkeit" i m Deutschen Volkswirt, 1.Jahrg., S. 730f.) geht sogar so weit, die monopsonistische Beherrschung des Arbeitsmarktes durch die Unternehmer als Grund dafür anzugeben, daß die Rationalisierung eine Arbeitslosigkeit als Dauerzustand i m Gefolge hat.

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sparnisse aufbraucht. D i e Arbeitslosenunterstützung bedeutet f ü r den Unternehmer, sei es d i r e k t d u r c h B e t e i l i g u n g an der A u f b r i n g u n g der nötigen Beträge, sei es i n d i r e k t d u r c h die Steuerzahlung, eine K o s t e n steigerung, d a m i t eine M i n d e r u n g seiner Rentabilität, was i n den Grenzbetrieben w i e d e r u m zur Arbeitslosigkeit f ü h r e n w i r d 1 2 . D i e Arbeitslosenunterstützung bedeutet auch eine M i n d e r u n g der K a p i t a l b i l d u n g , die sich i n einem Verbrauchen der Ersparnisse u n d der Versicherungsleistungen bei einer Arbeitslosenversicherung äußert. So t r ä g t also die Arbeitslosigkeit dynamische Elemente i n sich, aus sich heraus n o c h g r ö ß e r zu werden u n d so die Anpassung an den G l e i c h g e w i c h t s p u n k t n o c h zu verschlechtern. Andererseits bedeutet das alleinige V o r h a n d e n sein einer staatlichen U n t e r s t ü t z u n g oder einer Versicherung eine M i n d e r u n g der D r i n g l i c h k e i t f ü r den A r b e i t e r , einen neuen Arbeitsplatz zu finden und zögert auch die notwendige S e n k u n g der Angebotskurve hinaus u n d verhindert deren Sinken u n t e r den Unterstützungssatz. Aber auch w e n n keinerlei Preiseingriffe u n d Beweglichkeitsbeschränkungen bestehen, oder w e n n diese die Anpassung n o c h erleichtern, treten stärkste W i d e r s t ä n d e auf. Es ist stets zu bedenken, daß es keinen einheitlichen A r b e i t s m a r k t g i b t , sondern daß viele Teilarbeitsmärkte nebeneinander bestehen, getrennt d u r c h O r t , B e r u f , Q u a l i f i k a t i o n , Geschlecht, A l t e r usw. W i r haben es h i e r nach C a i r n es m i t sgenannten geschlossenen G r u p p e n ( n o n c o m p e t i n g groups) zu t u n , die i m short r u n n i c h t miteinander i n K o n k u r r e n z stehen. I m l o n g r u n dagegen w i r k t sich auch h i e r die K o n k u r r e n z a u s 1 3 . Entsteht a u f einem dieser T e i l m ä r k t e eine Freisetzung von A r beitern d u r c h einen technischen F o r t s c h r i t t , so w i r d — w e n n keine anderen H e m m u n g e n bestehen — der L o h n h i e r sinken. Es besteht n u n die Tendenz, daß die A r b e i t e r dieses Marktes a u f einen anderen M a r k t abströmen. So w ü r d e n sie f ü r die Freigesetzten, w e n n auch z u niederem Lohnsatz, Arbeitsplätze schaffen; a u f d e m anderen M a r k t e w ü r d e d u r c h den Z u s t r o m gleichfalls eine L o h n s e n k u n g eintreten. D u r c h diese M a r k t v e r e i n i g u n g werden daher normalerweise m e h r A r beiter beschäftigt werden k ö n n e n als ohne M a r k t v e r e i n i g u n g . N i c h t i m m e r j e d o c h f ü h r t eine M a r k t v e r e i n i g u n g zu einer E r h ö h u n g des Absatzes, eine V e r b i n d u n g von A r b e i t s m ä r k t e n n i c h t i m m e r zu höherer Beschäftigung. Das Bestehen m e h r e r e r Teilarbeitsmärkte k a n n bei gewisser L a g e r u n g der Angebots- u n d N a c h f r a g e f u n k t i o n e n eine geringere Beschäftigung bedeuten als bei vereinheitlichtem M a r k t 1 4 . 12

Vgl. Gustav C a s s e l : Selbstkritik ( i n : Soziale Praxis 1927, Sp. 178). Vgl. F . W . T a u s s i g : Theorie der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Leipzig 1929, S. 65 ff. 14 Vgl. zum folgenden auch Augustin C o u r n o t : Untersuchungen über die mathematischen Grundlagen der Theorie des Reichtums. Jena 1924, S. 102 ff. 13

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Es kann durch das Bestehen mehrerer Arbeitsmärkte nebeneinander eine größere Zahl von Arbeitern beschäftigt sein. Deutlich möge uns dieses an einer graphischen Darstellung werden: I n Abb. 24 a und in Abb. 24b seien getrennte Arbeitsmärkte mit verschiedenen Löhnen p1 und p2 dargestellt, die sich jeweils dort ergeben, wo Angebots- und Nachfragekurven sich schneiden. Solange auf dem Markte b die Nachfrage n2n2' war, war die Gesamtzahl der auf beiden Märkten beschäftigten Arbeiter ( m 1 - ) - m 2 ) . Durch den Rückgang der Nachfrage auf n2n2" auf dem Markte 6, ausgelöst durch eine arbeitsparende Erfindung, sinkt die Gesamtzahl der Beschäftigten auf ( m j - f - m o ' ) . Wäre es nun möglich, beide getrennten Märkte zu ver-

A b b . 24

binden, so ergäbe sich ein Gesamtarbeitsinarkt mit zusammengefaßter Angebots- und Nachfragekurve, wie ihn Abb. 24c darstellt. Es werden dabei die Mengen bei verschiedenen Arbeitspreisen addiert. Die Zahl der Beschäftigten sinkt nun noch stärker, nämlich auf ra3, wobei deutlich ist, daß m3 < (m ± -f m2) < (mj + m2). T r i t t nun i m Verlauf des Kompensationsprozesses an Stelle der in c ausgefallenen Arbeitsnachfrage in a eine zusätzliche ein, wirkt sich also auf dem Markt a die Kompensation der Freisetzung des Marktes b aus, so wird die Nachfrage auf diesem Markte zu n1nl r r. Die Mehrbeschäftigung -wäre μ — m 1 . Hätten w i r verbundene Märkte, so wäre das Ausmaß der Kompensation geringer, nämlich μ 3 — m 3 . „Es erhebt

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sich demnach k e i n W i d e r s p r u c h gegen die A n n a h m e , daß die V e r b i n d u n g der M ä r k t e " oder der A r b e i t s m ä r k t e ,,die G e s a m t p r o d u k t i o n " oder die B e s c h ä f t i g u n g „ v e r m i n d e r e , u n d u m g e k e h r t k a n n die I s o l i e r u n g der M ä r k t e eine V e r m e h r u n g der Menge einer f ü r den Verbrauch gelieferten W a r e " oder der Beschäftigung „ b e w i r k e n . W i r wollen hier l e d i g l i c h diese Tatsache feststellen, ohne, Avas w i d e r s i n n i g wäre, der allgemein verbreiteten Ansicht über d i e Vorteile zu widersprechen, welche die Verbesserung der Verbindungswege oder die A u s d e h n u n g der M ä r k t e f ü r die A l l g e m e i n h e i t b i r g t " 1 5 . Die Tendenz des Ausgleichs der Marktunterschiede besteht so lange, als die Lohnsätze n i c h t ausgeglichen sind. D a starke H e m m u n g e n der M a r k t v e r b i n d u n g entgegenstehen, braucht dieser Anpassungsprozeß eine lange Zeit. D e r Preisausgleich einer W a r e geschieht d u r c h V e r b i n d u n g der ö r t l i c h , zeitlich u n d sachlich getrennten M ä r k t e . D e r Preisausgleich a u f sachlich verschiedenen M ä r k t e n geschieht d u r c h eine P r o d u k t i o n , die sich zwischenschaltet u n d a u f eigenes R i s i k o u n d i n der H o f f n u n g a u f einen G e w i n n Erzeugnisse eines Marktes i n solche eines anderen u m w a n d e l t ( V e r e d l u n g s p r o d u k t i o n ) . D e r Ausgleich verschiedener Preise a u f ö r t l i c h getrennten M ä r k t e n e r f o l g t bei W a r e n d u r c h den H a n d e l u n d eine V e r b i n d u n g zeitlich getrennter M ä r k t e d u r c h die Spekulation. D i e A r b e i t ist n u n aber keine W a r e , sie w i r d weder produziert noch g e k a u f t , u m wieder v e r k a u f t zu werden. Sie l ä ß t sich n i c h t von i h r e m Träger, dem selbstwirtschaftenden Menschen, trennen u n d k a n n n i c h t aufgespeichert w e r d e n 1 6 . D a r u m k a n n auch h i e r k e i n M i t t l e r a m M a r k t e auftreten, der sich auf den Preisausgleich spezialisiert hat. W o h l g i b t es Berufsschulen, ein organisiertes Lehrlingswesen, das den Ausgleich zwischen verschiedenen B e r u f e n u n d Arbeitsqualitäten fördert. A u c h der Arbeitsnachweis k a n n den ö r t l i c h e n Ausgleich d u r c h f ü h r e n helfen. D o c h sind diese Stellen n u r als u n v o l l k o m m e n e M a r k t o r g a n e anzusehen, da hier die E i g e n v e r a n t w o r t l i c h k e i t u n d das selbständige R i s i k o t r a g e n fehlt. Sie können i m Bestfall handeln wie K o m m i s s i o n ä r e , aber nie wie Händler, die den Besitz der W a r e erlangen u n d bei Strafe ihres w i r t schaftlichen Unterganges gezwungen sind, den günstigsten M a r k t aufzusuchen. D a diese d r e i F u n k t i o n ä r e des Marktes, V e r a r b e i t u n g s p r o d u k t i o n , H a n d e l und Spekulation bei der L o h n p r e i s b i l d u n g n i c h t eingeschaltet sind u n d n i c h t eingeschaltet werden können, w i r d die volksw i r t s c h a f t l i c h richtige P r e i s b i l d u n g auf dem A r b e i t s m a r k t stark erschwert. Die

Verbindung

verschiedener

Märkte

ist

bei

der

Arbeit

Sehl-

is Co u m o l : a. a. O. S. 105. 16 Adolf W e b e r : Der Kampf zwischen Kapital und Arboil. 1 9 3 0 5 , S. 390. 5 Kruse

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schwierig, n i c h t n u r w e i l die Organe fehlen, die sich auf eine M a r k t v e r b i n d u n g spezialisieren, sondern auch die Kosten sind hier erheblich. Verglichen m i t den Kosten, die bei der V e r b i n d u n g von K a p i t a l m ä r k t e n entstehen, sind die Kosten zur V e r b i n d u n g der A r b e i t s m ä r k t e sehr h o c h . E i n Ausgleich verschiedener Zinssätze k a n n s o f o r t erfolgen, da d o r t k a u m Kosten entstehen, bei L o h n d i f f e r e n z a u f ö r t l i c h verschiedenen M ä r k t e n ergibt sich der Ausgleich n i c h t so p r o m p t , da die Kosten sehr erheblich sein können ( U m s i e d l u n g ) . Ebenso kostspielig k a n n eine A n passung b e r u f l i c h verschiedener L ö h n e d u r c h Berufswechsel sein. W ä h r e n d das H a u p t h e m m n i s a m regionalen Preisausgleich bei W a r e n die Transportkosten sind u n d es bei K a p i t a l das R i s i k o ist, so sind es bei der A r b e i t d o c h n i c h t so sehr die an sich schon erheblichen Kosten der U m s i e d l u n g u n d U m s c h u l u n g , sondern vor allem alle jene I m ponderabilien, die schon d u r c h den U m s t a n d angedeutet sind, daß die A r b e i t keine W a r e ist. Vaterlandsliebe, H e i m a t g e f ü h l , soziale Stellung, Gewohnheit, F a m i l i e u n d Freunde, A b w e h r gegen alles Fremde usw., alle diese D i n g e b e w i r k e n neben den rein materiellen Fragen wie Ber u f s n e i g u n g , Aufstiegsmöglichkeiten die Haupthemmnisse gegen einen Ausgleich der Arbeitsmärkte. Es g i b t also, wie w i r sahen, neben den w i r t s c h a f t l i c h e n H e m m u n g e n wie U m s i e d l u n g s - , Umschulungskosten u n d das R i s i k o noch nationale, soziale u n d allgemein menschliche H e m m u n g e n . D i e A n w e n d u n g irgendwelcher neuer technischer Verfahren erfolgt d u r c h die U n t e r n e h m e r nach vorheriger genauer K a l k u l a t i o n . T r i t t d u r c h die neue T e c h n i k eine Kostensenkung ein, so werden die U n t e r nehmer geneigt sein, sie anzuwenden. Soweit es ein arbeitsparender technischer F o r t s c h r i t t ist, werden vor allem K a p i t a l - u n d Arbeitskosten verglichen. D e r U n t e r n e h m e r rechnet m i t d e m geltenden K a p i t a l zins u n d d e m geltenden Lohnsatz. A u f G r u n d des Preisverhältnisses von K a p i t a l zu A r b e i t w i r d dies neue technische V e r f a h r e n angewandt. D e r erste U n t e r n e h m e r , der das neue P r o d u k t i o n s v e r f a h r e n benutzt u n d Arbeiter freisetzt, w i r d — sofern er einen großen T e i l der Nachfrage an einem A r b e i t s m a r k t selbst ausübt die R e a k t i o n des Lohnes a u f den R ü c k g a n g der Nachfrage nach A r b e i t m i t einkalkulieren, das heißt er w i r d m i t d e m m u t m a ß l i c h e n Preisverhältnis i n der Z u k u n f t rechnen müssen. E r w i r d vielleicht trotz des augenblicklichen Kostenvorteils das neue Verfahren n i c h t einführen, da er als Folge seines Handelns das Verhältnis der Preise der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n selbst wieder verändert, so d a ß das augenblicklich ertragreichere V e r f a h r e n i n der Z u k u n f t zu einem ungünstigeren, vielleicht sogar zu einem verlustbringenden w i r d . F ü h r e n aber viele kleinere U n t e r n e h m e r , die keinen entscheidenden T e i l der Nachfrage nach A r b e i t a m T e i l a r b e i t s m a r k t beherrschen, die arbeitsparende Rationalisierung getrennt d u r c h , so w i r k t sich hier das

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Q u a n t e n p r o b l e m 1 7 aus. Jeder handelt seiner Rentabilitätsrechnung entsprechend r i c h t i g . D a aber alle i h r e H a n d l u n g e n i n gleiche R i c h t u n g lenken, w i r d das Gesamtergebnis ein unrationelles. D i e A r b e i t e r f r e i setzung i n einem kleinen U n t e r n e h m e n hat k a u m einen E i n f l u ß auf den Lohnsatz am Arbeitsmarkt. W i r d der arbeitsparende technische F o r t schritt aber nach einiger Zeit von vielen U n t e r n e h m e r n d u r c h g e f ü h r t , so w i r d auch die Arbeiterfreisetzung eine allgemeine u n d der L o h n k a n n so stark sinken, daß das alte technische V e r f a h r e n wieder das rentablere w i r d . D i e d u r c h g e f ü h r t e n Investitionen zur A n w e n d u n g der neuen Methode müssen als Fehlinvestitionen angesehen werden. Statt der zur K o m p e n s a t i o n notwendigen K a p i t a l b i l d u n g t r i t t eine K a p i t a l vernichtung ein. I n diesem F a l l bedeutet die L o h n s e n k u n g , wie H e r o M o e l l e r 1 8 sagt, „ n i c h t Kompensationschance, sondern Schmälerung der Rationalisierungsmöglichkeiten". D o c h ist es falsch, diesen Schluß zu verallgemeinern. D i e L o h n s e n k u n g k a n n sehr w r ohl Kompensationschance sein, u n d sie ist es i n den meisten F ä l l e n w o h l auch. Ist die Beweglichkeit der A r b e i t u n d des Lohnes n i c h t v o l l k o m m e n , so vergeht bis zur Anpassung des Arbeitspreises an die neuen M a r k t daten eine lange Zeit. Währenddessen k a n n das neue Verfahren sich schon rentiert haben, die neue E i n r i c h t u n g k a n n w i r t s c h a f t l i c h schon so weit abgenutzt sein, daß k e i n Verlust entstanden ist, da die R ü c k kehr z u m alten P r o d u k t i o n s v e r f a h r e n dann keine K a p i t a l v e r n i c h t u n g mehr bedeutet. Aber auch abgesehen v o m Z e i t m o m e n t ist dieser F a l l des Unrentabelwerdens einer neuen technischen Anlage d u r c h die d a m i t kausal verbundene L o h n s e n k u n g n u r ein Sonderfall. Entscheidend ist i m m e r die A r t u n d das A u s m a ß der Kostensenkung des neuen technischen V e r fahrens selbst. Es g i b t solche, die stets günstiger sind als das ersetzte Verfahren, selbst wenn der Preis f ü r A r b e i t sich N u l l nähern sollte. Es sind meist n u r solche technischen Methoden, die a u f einem geringen Preisvorsprung beruhen, die solche p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h wie v o l k s w i r t schaftlich ungünstige F o l g e n haben. Das Ergebnis des Kapitels ist somit dieses: I m allgemeinen stellt die Senkung des Nominallohnes eine M ö g l i c h k e i t dar, das d u r c h die A r beiterfreisetzung eingetretene M i ß v e r h ä l t n i s der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n zueinander zu beseitigen. Solange die F r ü c h t e des technischen F o r t schritts sich noch n i c h t i n einer S e n k u n g der Verbrauchsgüterpreise f ü r die Arbeiter ausgewirkt haben, geht dies auf Kosten der Lebensh a l t u n g der Arbeiter. Aber da ein tendenzielles Sinken der Lebens17

Vgl. Z w i e d i n e c k : a. a. O. S. 140. Hero M o e l l e r : Rationalisierung und Archiv 1931, I I , S. 418. 18

Arbeitslosigkeit.

Wellwirtschaftliches

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haltungskoslen zu erwarten ist u n d die L o h n s e n k u n g selbst stets längere Zeit a u f sich warten l ä ß t , ist dieser f ü r den A r b e i t e r recht bittere W e g der K o m p e n s a t i o n i n seiner sozialen Schädlichkeit doch n i c h t zu überschätzen.

I X . Das Tempo des technischen Fortschritts und das Tempo der Kompensation Bei j e d e m technischen F o r t s c h r i t t treten — zumindest i n der Verk e h r s w i r t s c h a f t — Kapitalzerstörungen auf. U n t e r n e h m e n , die eine neue P r o d u k t i o n s m e t h o d e zuerst anwenden, zwingen a u f d e m M a r k t d u r c h Preisunterbietungen die U n t e r n e h m e n des gleichen P r o d u k t i o n s zweiges das neue V e r f a h r e n , bei Strafe ihres w i r t s c h a f t l i c h e n U n t e r ganges, gleichfalls sofort einzuführen. Diese Unternehmen besitzen aber n o c h Maschinen u n d andere Anlagen, die a u f das alte Verfahren eingestellt s i n d u n d die bei U m s t e l l u n g a u f die neue technische Methode wertlos werden. Diese K a p i t a l g ü t e r werden d u r c h A n w e n d u n g einer solchen neuen E r f i n d u n g w i r t s c h a f t l i c h vernichtet. T r o t z der K a p i t a l zerstörung w i r d der technische F o r t s c h r i t t von den U n t e r n e h m e r n angewandt, da so ein größerer G e w i n n zu erwarten ist bzw. der d u r c h die Preissenkung eingetretene Verlust geringer wird". Dieser K a p i t a l v e r l u s t , der f ü r Betriebs- u n d Volkswirtschaft i m A u g e n b l i c k der E i n f ü h r u n g des technischen Fortschrittes zweifellos entsteht, w i r d n i c h t i m gleichen Z e i t p u n k t d u r c h eine entsprechende K a p i t a l b i l d u n g kompensiert. E r s t nach längerer Zeit k ö n n e n i r g e n d w o i n der V o l k s w i r t s c h a f t entsprechende Kapitalbeträge, die als Folge des technischen Fortschrittes gebildet w u r d e n , auftreten, sei es bei den U n t e r n e h m e r n als erhöhte Gewinne, die gespart werden, sei es d u r c h die Konsumenten, die d u r c h die gesteigerten R e a l e i n k o m m e n einen größeren T e i l davon sparen oder aber es f l i e ß t auch das vermehrte Kapitalangebot aus den gesteigerten K a p i t a l - oder Grundrentene i n k o m m e n 1 . I n allen F ä l l e n bésteht j e d o c h eine zeitliche Differenz zwischen der Kapitalzerstörung bei A n w e n d u n g des neuen Verfahrens u n d der gestiegenen v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n P r o d u k t i v i t ä t , die erst nach V e r l a u f einiger Zeit ein entsprechendes K a p i t a l m e h r a n g e b o t hervorb r i n g t . D i e Kapitalzerstörung ist e i n m a l i g , die K a p i t a l n e u b i l d u n g k o n t i n u i e r l i c h u n d deren Ausmaß steigt m i t wachsender P r o d u k t i v i t ä t . D i e 1 Diese gesteigerte Kapitalbildung tritt — wie oben ausgeführt — nicht ein, wenn 1. die Gewinne oder die anderen Einkommenssteigerungen völlig dem Konsum zugeführt werden, oder 2. alle Konsumenten ihren Verbrauch durch die Verbilligung als Folge des technischen Fortschritts erhöhen.

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Kompensation der Kapitalzerstörung wird stets eintreten, doch der Zeitpunkt ist um so weiter vom Zeitpunkt der Kapitalzerstörung entfernt, je größer die Kapitalvernichtung war und je geringer der Zuwachs an Produktivität sein wird. Wenn nun die Aufeinanderfolge der technischen Fortschritte eine sehr schnelle ist, so argumentiert zum Beispiel Lederer 2 , so werden sich die Kapitalvernichtungen häufen. Die mögliche Kompensation der Arbeiterfreisetzung werde damit sehr in Frage gestellt. Demgegenüber muß folgendes betont werden: Richtig ist, daß bei der Untersuchung der Kompensation die Kapitalvernichtung i m eigenen und fremden Unternehmen oder Produktionszweig mit in Rechnung gezogen werden muß. Damit wird die Höhe der gesamten Gewinne f ü r die Zeit der Anwendung des technischen Fortschrittes geringer sein. Stellen wir uns die Saçhlage in Abb. 25 bildlich dar: +k

A b b . 25

D i e Abszisse ist Zeitpunkt 0 tritt stehenden Anlagen negativen T e i l der

die Zeitachse, die Ordinate die Kapitalachse. I m n u n ein technischer F o r t s c h r i t t a u f , der die beentwertet. W i r tragen diesen Verlust OA a u f d e m Kapitalachse ab. Gleichzeitig t r i t t d a m i t aber ein

2 Emil L e d e r e r : S.108 ff.

Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit. Tübingen 1931,

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Produktivitätszuwachs auf, den wir der Einfachheit halber in gesparten Kapitalmengen messen wollen. Diese mögen nun kontinuierlich auftreten. W i r stellen sie durch die Gerade g dar, wobei die Kapitalmenge mit wachsender Zeit wächst. Bei Zusammenfassung des Kapitalgewinnes und -Verlustes erhalten wir die Gerade /c, die uns den tatsächlichen Kapitalerfolg der Rationalisierung im Zeitverlauf anzeigt. Bis zum Zeitpunkt Β ergibt sich ein Verlust, von da an erhalten wir einen ständig wachsenden Kapitalgewinn. Führen wir diese Darstellung weiter aus und lassen wir den technischen Fortschritt in zeitlich rascher Folge auftreten, so erhalten wir ein Bild, wie es in Abb. 26 auf S. 71 dargestellt ist. Die Gerade k stellt uns wieder die Bewegung des tatsächlichen Kapitalerfolgs eines zur Zeit Ο auftretenden technischen Fortschrittes (in einem Unternehmen, in einem Wirtschaftszweig oder in der gesamten Volkswirtschaft) dar. OA ist hierbei wieder der anfängliche Kapitalverlust. I m Zeitpunkt T 6 wäre, unter sonst gleichbleibenden Umständen, der anfängliche Kapitalverlust durch die wirtschaftlichen Zerstörungen der Kapitalgüter durch die sich in einer Kapitalbildung äußernde gestiegene Produktivität kompensiert. I m Zeitpunkt T 1 wird aber nun wiederum eine neue Erfindung gemacht und es tritt bei deren Anwendung wieder ein Kapitalverlust von CD auf (der gerade = OA sein soll). Diese Rationalisierung bringe einen noch größeren Produktivitätszuwachs, der graphisch durch eine größere Steigerung der Gerade des tatsächlichen Kapitalerfolgs dargestellt ist. Nach einer gleichen Zeit Ί\ Τ 2 = 0T ± tritt wieder ein technischer Fortschritt ein, der die Anlagen wiederum wirtschaftlich vernichtet, und so einen Verlust bringt von EF = CD = OA. Die Produktivität steigt abermals, mit anderen Worten: die Gerade des tatsächlichen Kapitalerfolgs wird wiederum steiler. So folgt nun technischer Fortschritt auf technischen Fortschritt, so daß der Produktivitätserfolg sich in einer Zickzacklinie OACDEF... darstellt, deren Hochpunkte auf einer Parabel zweiten Grades liegen. Wäre ein Unternehmer auf der Stufe des ersten technischen Fortschrittes stehengeblieben, so wäre der Produktivitätserfolg zum Beispiel in Ί \ größer, als wenn jeder neue technische Fortschritt mitgemacht worden wäre, nämlich dann wäre der Kapitalverlust bereits durch den Produktivitätszuwachs abgedeckt, während i m anderen Falle, wenn der 1'nternelmier jeden neuen technischen Fortschritt in seinem Unternehmen angewandt hätte, ein Kapitalverlust von Τ qN bestände. In T u dagegen wäre jener Unternehmer i m Vorteil, der jeden technischen Fortschritt mitgemacht hätte. Es gibt also offenbar eine Bestzeit für den Unternehmer, der die ganze technische Entwicklung überblicken könnte, einem technischen Fortschritt zu folgen. W i r finden diese dort, wo der Produktivitäts-

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A b b . 26

71

vorsprung ein Maximum wird, also in unserer Abb. 26 in Γ 6 . Führt der Unternehmer jetzt das modernste Verfahren ein, so wird die Gerade des tatsächlichen Kapitalerfolgs zu k', die über der alten Zickzacklinie verläuft. Würde dieser Unternehmer jetzt alle Rationalisierungen stets mitmachen, so würde seine Produktivitätslinie zu der zweiten Zickzacklinie werden, die stets einen höheren Kapitalerfolg anzeigt als die alte Zickzacklinie. Größer wäre aber der Erfolg wieder, wenn das in eingeführte Produktionsverfahren bis T 1 2 unverändert benutzt würde, um dann vom neuesten Verfahren abgelöst zu werden. Bei T 12 hätten wir wieder den günstigsten Punkt, das neueste Verfahren einzuführen. Jetzt wäre es wiederum am rationellsten, dieses Verfahren für einige Zeit unverändert beizubehalten. Diese Methode müßte ständig so fortgesetzt werden; es müßte jeweils das Maximum gesucht werden, um die größte Produktivität zu erreichen. Würde so ein Unternehmer handeln können oder ein Monopolist so handeln, dann würde er die größtmögliche Produktivität erreichen. (Die Linie, die dieses anzeigt, ist in der Zeichnung ausgezogen.) W i r kommen an Hand dieser graphischen Beweisführung zu folgendem Schluß: Die Ansicht, das schnelle Aufeinanderfolgen der technischen Fortschritte bedeute eine Kapitalvernichtung, ist richtig. Diese Kapitalvernichtung wird aber auf die Dauer (in unserem Fall nach Ablauf einer Zeit von OT nl) kompensiert durch den Produktionszuwachs aus dem produktiveren Verfahren. Richtig ist auch die Ansicht, das Verharren bei alter Technik verhindere Anlagevernichtungen und sei vorteilhafter als jedes Mitmachen jeder technischen Neuerung. Dies gilt hingegen nur i m short run (in unserem Fall für die Zeit 0T 12). Es gibt Bestzeiten f ü r den Unternehmer und für die gesamte Volkswirtschaft technische Neuerungen einzuführen, um ein Maximum an Prodüktivitätszuwachs zu erreichen. Dieses Ergebnis, das einen Mangel der Konkurrenz Wirtschaft aufzeigt, darf uns nicht veranlassen, die Planwirtschaft als jene Wirtschaft anzusehen, in der das theoretisch gefundene Maximum an Produktivitätszuwachs erreicht werden könnte. Ein Planwirtschaftler, der das Optimum erreichen wollte, müßte die ganze technische Entwicklung vorhersehen können. Erst dann wäre das Verfahren gerechtfertigt, die jeweils neueste technische Methode nicht immer sofort anzuwenden und nur von Zeit zu Zeit das neueste Verfahren einzuführen. Wenn allerdings die technischen Fortschritte sich in sehr schneller Folge überholen und man mit großer Wahrscheinlichkeit mit weiteren technischen Neuerungen rechnen kann, w i r d es vielleicht gut sein, aus Gründen des Vermeidens von Kapitalvernichtungen und aller jener Schwierigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt entstehen müssen, die W i r t -

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schaftspolitik der Planstelle i m Sinne einer Z ü g e l u n g des technischen Fortschrittes eingreifen zu lassen. D o c h erhebt sich h i e r w i e d e r u m die Frage, ob die bei Strafe ihres w i r t s c h a f t l i c h e n Unterganges an genauer Analyse der z u k ü n f t i g e n technischen E n t w i c k l u n g interessierten p r i vaten U n t e r n e h m e r i n der K o n k u r r e n z w i r t s c h a f t n i c h t einen ebenso guten, wenn n i c h t besseren B l i c k f ü r die technische Z u k u n f t haben als die bürokratische Planstelle u n d ob n i c h t gerade sie die bestmögliche P r o d u k t i v i t ä t der Gesamtwirtschaft erreichen werden. I c h glaube, diese Frage a u f w e r f en, h e i ß t auch schon sie bejahen. Das Ergebnis w a r bisher, daß eine n o c h so g r o ß e K a p i t a l v e r n i c h t u n g als Folge des technischen Fortschrittes a u f die D a u e r überkompensiert w i r d d u r c h den Produktivitätszuwachs, der normalerweise i n eine gesteigerte K a p i t a l b i l d u n g ausmündet. M i t anderen W o r t e n : unsere parabolische Zickzacklinie w i r d bei a n f ä n g l i c h e m Sinken dennoch stets einen T i e f p u n k t erreichen, v o n w e l c h e m ab die P r o d u k t i v i t ä t steigt u n d die Tendenz besteht, daß die K a p i t a l v e r n i c h t u n g überkompensiert w i r d . A u c h w i r d der anfängliche V o r s p r u n g eines technisch veralteten U n t e r nehmens a u f die D a u e r ein- u n d ü b e r h o l t werden. H ä l t m a n sich v o r Augen, daß jeder R ü c k g a n g des Kapitalbestandes eine M i n d e r u n g der Arbeitsgelegenheiten bedeutet, so k a n n m a n aus d e m Dargelegten ermessen, daß die schnelle F o l g e der technischen F o r t s c h r i t t e m i t der anfänglichen M i n d e r u n g der K a p i t a l m e n g e ( w ä h r e n d der Z e i t 0T it) eine zusätzliche Belastung f ü r den A r b e i t s m a r k t sein k a n n . D e r K a pitalbestand v e r m i n d e r t sich w ä h r e n d dieser Zeit (das h e i ß t i m s h o r t r u n ) u n d d a m i t bei geringerer Beweglichkeit des Lohnes die Z a h l der Arbeitsplätze. D a w i r n u n annehmen müssen, daß der technische F o r t s c h r i t t n i c h t n u r i n einem P r o d u k t i o n s z w e i g allein diese Tendenz der anfänglichen K a p i t a l v e r n i c h t u n g zeigt, sondern auch i n anderen, u n d daß Zeiten der vorübergehenden K a p i t a l m i n d e r u n g i n einem Z w e i g zusammenfallen m i t einem absoluten Kapitalzuwachs i n anderen Zweigen, so r e d u zieren sich unsere Bedenken a u f ein M i n d e s t m a ß . D i e Zickzackparabeln verschiedener Produktionszweige überdecken sich so, daß eine deutl i c h aufsteigende Tendenz der gesamten K a p i t a l b i l d u n g entstehen m u ß . U n t e r normalen Verhältnissen 3 k a n n also von dieser Seite, das h e i ß t 3 Anders wäre es, wenn die Zickzackparabeln nicht gleichmäßig oder auch nur nicht annähernd gleichmäßig nacheinanderfolgen ; so kann es sein, daß der Zeitpunkt des Beginns mehrerer solcher Kapitalerfolgsparabeln verschiedener Produktionszweige zusammenfällt. Die Ursachen können exogener Natur sein, als Folge technischer W i l l k ü r oder einer durch politische Gründe bedingten stoßartigen Anwendung gemachter Erfindungen, oder auch indogener Natur als Folge einer Kapitalanreicherung i m Konjunkturverlauf, die eine massenhafte Anwendung früher gemachter Erfindungen bringt. Treffen nun die Anfangspunkte vieler derartiger Kapitalerfolgsparabeln zusammen, so kann sich f ü r die Volkswirtschaft sehr wohl eine anfäng-

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von der Seite der Kapitalzerstörungen d u r c h zu schnelle Folge der technischen F o r t s c h r i t t e aufeinander keine S t ö r u n g f ü r den Arbeitsm a r k t entstehen. I m eben Behandelten k a m e n w i r z u m Ergebnis, daß das T e m p o der Folge der technischen F o r t s c h r i t t e aufeinander als Ursache einer K a p i t a l v e r n i c h t u n g zu keiner besonderen Quelle der Arbeitslosigkeit werden kann. Aus d e m Z u s a m m e n w i r k e n des Folgetempos des technischen Fortschrittes u n d d e m Kompensationstempo der Arbeitslosigkeit — das ist jene Zeit, die n o t w e n d i g ist, u m eine K o m p e n s a t i o n der Freisetzung zu ermöglichen — ergibt sich aber bei einem gewissen Verhältnis beider zueinander eine Arbeitslosigkeit, die sehr w o h l lang dauernd sein kann.

Denken wir uns wieder die Zeit in Abb. 27 auf der Abszisse abgetragen, auf der Ordinate die Zahl der Arbeitslosen, so ergibt sich,

Φ

\

B

c

\

[X

—> τ

Ο

τ

Abb.'27

w e n n das F o l g e t e m p o des technischen Fortschrittes gerade gleich dem Kompensationstempo ist, obenstehendes B i l d . I m Z e i t p u n k t 0 t r i t t eine Freisetzung von O A Arbeitern ein. Nach A b l a u f einer Zeit von OT ± haben diese A r b e i t e r wieder alle B e s c h ä f t i g u n g gefunden, die K o m p e n s a t i o n erforderte somit eine Zeit OT v T r i t t n u n i m Z e i t p u n k t T 1 ein neuer technischer F o r t s c h r i t t a u f von gleichem A u s m a ß , sei es i n diesem P r o d u k t i o n s z w e i g oder i n einem anderen, so w i r d w i e d e r u m eine Freisetzung eintreten von T ± B = O A - A r b e i t e r n . I m Z e i t p u n k t T 2 w i r d diese wieder kompensiert sein, u n d j e t z t werden w i e d e r u m gleich viel Arbeiter freigesetzt, die erst i m Z e i t p u n k t T 9 wieder alle Beschäftiliche (das heißt i m short run wirkende) Kapitalvernichtung ergeben. Diese müßte aber stark krisenhafte Entwicklungen bringen f ü r den Zeitraum, in dem die Zickzackparabeln des Kapitalerfolgs i m Negativen verlaufen, das heißt Kapitalvernichtungen anzeigen. Solche gehäuften Kapitalzerstörungen in einem längeren Zeitraum erschweren dann naturgemäß die Kompensation der Arbeit er freisetzung.

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gung gefunden haben. Eine Dauerarbeitslosigkeit kann also unter diesen Voraussetzungen nicht eintreten. Halten wir die Kompensationszeit, das heißt die Zeit, die zur Kompensation der Arbeiterfreisetzung erforderlich ist, konstant mit OT x und variieren die Folgezeit des technischen Fortschrittes. Solange die Folgezeit größer ist als die Kompensationszeit, kann ceteris paribus keine Dauerarbeitslosigkeit eintreten. In Abb. 28 ist die Folgezeit O T 0 kürzer als die Kompensationszeit ΟΊ\. Von den im Zeitpunkt Ο freigesetzten Arbeitern OA sind in T 0 noch T 0B ohne Beschäftigung. Jetzt trete eine neue Freisetzung durch technischen Fortschritt ein von B C = OA-Arbeitern. Diese gesamte Freisetzung von T 0B -j- Β C Arbeitern wäre in T 3 kompensiert. Inzwischen (To) tritt aber eine neue Freisetzung ein. Die neue Freisetzung

A b b . 28

entsteht also immer schon, bevor eine völlige Kompensation eingetreten ist. Es ergibt sich, wie aus unserer Abbildung leicht ersichtlich ist, eine Dauerarbeitslosigkeit von der Größe d. AVird das Folgetempo ein noch schnelleres, so wird die Dauerarbeitslosigkeit unverhältnismäßig größer, als sich die Proportion Folgetempo zu Kompensationstenipo verschoben hat. In Abb. 29 ist die Kompensationszeit wiederum OT v Die Folgezeit des technischen Fortschritts dagegen wurde gegenüber Abb. 28 auf ein Drittel verkürzt, nämlich auf OT 0 '. Hierdurch ergibt sich, wie die Abbildung zeigt, eine sechsmal größere Dauerarbeitslosigkeit (d ±) als i m vorherigen Falle. W i r kommen somit zum Ergebnis : Nur wenn die Kompensationszeit gerade gleich oder kleiner ist als die Folgezeit des technischen Fortschrittes, entsteht unter sonst gleichbleibenden Umständen keine Dauerarbeitslosigkeit. Ist die Kompensationszeit dagegen größer als die Folgezeit, so muß Dauerarbeitslosigkeit entstehen. Bei Verkürzung der

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Folgezeit wächst das A u s m a ß der Dauerarbeitslosigkeit unverhältnismäßig. N u n ist die Kompensationszeit u n d auch die Folgezeit n i c h t i n j e d e m Falle gleich, wie es h i e r bei unserer B e w e i s f ü h r u n g angenommen wurde. Sie sind s o w o h l verschieden i n verschiedenen Produktionszweigen u n d verschieden i m gleichen P r o d u k t i o n s z w e i g zu verschiedenen Zeiten. D i e Folgezeit ist f ü r den W i r t s c h a f t e r ein D a t u m , das i h m die T e c h n i k g i b t u n d a u f das er keinen E i n f l u ß hat. D i e B e d i n g u n g e n der K o m pensation sind weder i n zeitlicher n o c h i n r ä u m l i c h e r n o c h i n sachlicher H i n s i c h t konstant u n d k ö n n e n d u r c h geeignete W i r t s c h a f t s p o l i -

\ :\ \ λ Λ \ ' \:\ •\λ \ \:

\

\

Vχ \ : \

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\

\ :\ λ ·\ Λ \ \· \; \. \ \

\

A b b . 29

t i k beeinflußt werden. Z w e i M ö g l i c h k e i t e n bestehen n u n , u m die K o m pensationszeit zu verringern, erstens eine F ö r d e r u n g der K a p i t a l b i l d u n g u n d zweitens eine Verbesserung der Beweglichkeit des F a k t o r s Arbeit. N a c h alledem ist es offenbar, w e l c h eine w i c h t i g e Rolle K o m p e n sationszeit u n d Folgezeit zur B e u r t e i l u n g der Frage spielen, ob der technische F o r t s c h r i t t eine Dauerarbeitslosigkeit h e r v o r r u f e n könne ocfcr nicht.

X . Das Ergebnis Ziehen w i r den Schlußstrich unter unsere Untersuchungen, so m u ß das Ergebnis dieses sein: E i n arbeitsparender technischer F o r t s c h r i t t k a n n Arbeitslosigkeit erzeugen. D a ß eine K o m p e n s a t i o n dieser Freisetzung eintreten m u ß , steht außer Zweifel. A u c h wenn diese n i c h t d u r c h eine gesteigerte K a -

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pitalbild'ung als Folge des technischen F o r t s c h r i t t s e r f o l g t , so m u ß notwendigerweise die K o m p e n s a t i o n d u r c h die L o h n b e w e g u n g erfolgen. Jedoch der Z e i t p u n k t u n d der O r t der K o m p e n s a t i o n f ä l l t n u r i n den seltensten Fällen m i t d e m O r t u n d d e m Z e i t p u n k t der Freisetzung z u sammen. Es können d a r u m große örtliche Schädigungen eintreten, die n i c h t d u r c h diesen technischen F o r t s c h r i t t wieder geheilt werden. Ganze Produktionszweige u n d ganze Landesteile k ö n n e n d u r c h eine u m wälzende E r f i n d u n g geschädigt, j a sogar vernichtet werden, ohne daß ihnen selbst die nachfolgenden Segnungen des technischen F o r t s c h r i t t s zugute k o m m e n . D i e E r f i n d u n g des Mähdreschers, die n u r i n bestimmten Gebieten — so vor allem i n A m e r i k a u n d R u ß l a n d — a n wendbar ist, hat d e m deutschen Getreidebau einen dauernden Schaden zugefügt. Ebenso k a n n auch die synthetische H e r s t e l l u n g mancher R o h stoffe — Stickstoff, G u m m i , Seide z u m Beispiel — ganze V o l k s w i r t schaften f ü r lange Zeit schädigen, w ä h r e n d die Vorteile v o r l ä u f i g n u r anderen zugute k o m m e n . D i e betroffenen Arbeiter verlieren Arbeit u n d B r o t , statt dessen haben andere Arbeiter i n anderen B e r u f e n u n d Gebieten, m a n c h m a l sogar i n anderen V o l k s w i r t s c h a f t e n , bessere Beschäftigungsmöglichkeiten. F ü r die Freigesetzten ist es d a n n n u r ein geringer T r o s t , zu wissen, daß die Segnungen einer Maschine, die sie arbeitslos gemacht u n d i h r e r Existenz beraubt hat, heute anderen, ihnen oder ihren K i n d e r n vielleicht erst i n viel späterer Zeit zugute k o m m e n werden. N o t w e n d i g zu sagen bleibt, daß n i c h t eine K o m p e n s a t i o n d e r F r e i setzung schlechthin eintreten m u ß , sondern n u r , daß die K o m p e n s a t i o n einer konkreten Freisetzung gesichert ist. Es k a n n ----- bei gewissem Verhältnis von Folgezeit zu Kompensationszeit — trotz der n o t w e n d i g eintretenden K o m p e n s a t i o n sehr w o h l eine Dauerarbeitslosigkeit entstehen. D i e Folgezeiten der technischen Fortschritte sind der W i r t schaft gegebene Größen. D i e Dauer der Kompensationszeit ist abhängig von der Schnelligkeit, i n der sich der P r o d u k t i o n s f o r t s c h r i t t i n eine gesteigerte K a p i t a l b i l d u n g verwandelt u n d von der B e w e g l i c h k e i t der P r o d u k t i o n s f a k t o r e n , vor allem von der Beweglichkeit der A r b e i t u n d des Lohnes. Die K a p i t a l b i l d u n g w i r d w a h r s c h e i n l i c h größer sein, wenn der P r o d u k t i o n s f o r t s c h r i t t sich i n Unternehmergewinnen niederschlägt statt i n Preisermäßigungen u n d d a m i t meist i n erhöhtem K o n s u m . Aber n i c h t n u r die Größe, sondern auch die D a u e r der anfallenden zusätzlichen U n t e r n ehm ergewinn e ist w i c h t i g . Je w e i t e r der Z e i t p u n k t d e r n o t w e n d i g eintretenden Preissenkung hinausgezögert w i r d , desto größer sind die Chancen f ü r eine K a p i t a l b i l d u n g u n d d a m i t f ü r eine schnelle K o m pensation. Monopole und ein ausgedehntes Patentwesen vermögen daher die Anpassung zu erleichtern. D a j e d o c h stets — außer beim M o n o -

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p o l — der Produktionszuwachs letztlich i n eine Preissenkung ausm ü n d e t , so e r f o l g t die Resorbierung der Freigesetzten u m so schneller, j e w e i t e r das betroffene G u t von der K o n s u m r e i f e entfernt ist, somit die Vorteile n i c h t zu u n m i t t e l b a r g r ö ß e r e m K o n s u m f ü h r e n , sondern zu größerer P r o d u k t i o n . Das erwünschte M a x i m u m an K a p i t a l b i l d u n g m u ß j e d o c h m i t einem M i n i m u m von K a p i t a l v e r n i c h t u n g verbunden sein, u m die S t ö r u n g a m A r b e i t s m a r k t so gering wie m ö g l i c h werden zu lassen. Diese w i r t s c h a f t l i c h e Z e r s t ö r u n g von K a p i t a l g ü t e m m u ß i n einer w e n i g anlageintensiven W i r t s c h a f t gering sein. Ebenso i n einer solchen, i n der die A r b e i t s t e i l u n g so g e r i n g ist, daß n u r w e n i g N a c h frageverschiebungen eintreten können. Es w i r d deutlich, daß i n dieser H i n s i c h t unsere W i r t s c h a f t sich i m m e r weiter entfernt v o m Zustand, der einer n u r geringen A n l a g e g ü t e r v e r n i c h t u n g günstig ist. Aber f ü r die K o m p e n s a t i o n einer anfänglichen Arbeiterfreisetzung 1 ist n i c h t n u r das A u s m a ß der d a d u r c h ausgelösten K a p i t a l b i l d u n g u n d K a p i t a l v e r n i c h t u n g entscheidend, sondern ebenso die Beweglichkeit des Kapitals u n d vor allem der Arbeit. D i e Beweglichkeit des Kapitals ist u m so größer, j e weniger Selbstfinanzierung getrieben w i r d u n d je weniger die Preise gebundene Preise sind. W i r sehen hier eine Gegentendenz z u m oben Gesagten. W u r d e d o r t gefunden, daß Monopole f ü r die K o m p e n s a t i o n g ü n s t i g sind, da sie eine gesteigerte K a p i t a l b i l d u n g als w a h r s c h e i n l i c h erscheinen lassen, so m u ß doch betont werden, d ^ ß die Monopole der K o m p e n s a t i o n auch entgegenwirken können, da sie die Beweglichkeit des Kapitals m i n d e r n . Ebenso zögert die mangelhafte Beweglichkeit der A r b e i t u n d des Lohnes die Kompensation der Freisetzung hinaus. Je beweglicher die A r b e i t u n d j e beweglicher der L o h n , desto reibungsloser u n d schneller k a n n die Anpassung erfolgen. K a n n n u n die K o m p e n s a t i o n der Arbeiterfreisetzung d u r c h p l a n m ä ß i g e E i n g r i f f e erleichtert werden? W e n n w i r der Vorteile der technischen F o r t s c h r i t t e n i c h t verlustig gehen wollen, d ü r f e n w i r n i c h t deren A n w e n d u n g überhaupt verbieten. Es bleiben daher grundsätzlich n u r zwei W e g e , entweder Verlängerung der Folgezeit der technischen F o r t s c h r i t t e oder V e r k ü r z u n g der Kompensationszeit der Freisetzung. Eine Verlängerung der Folgezeit könnte i n manchen Fällen sehr w o h l z w e c k m ä ß i g sein, doch da w i r die Z u k u n f t der technischen E n t w i c k l u n g n i c h t voraussehen können, w ürde d u r c h einen solchen p l a n w i r t schaftlichen E i n g r i f f wahrscheinlich m e h r an K a p i t a l g ü t e r n vernichtet werden, als m a n d a d u r c h an K a p i t a l g ü t e r v e r n i c h t u n g vermeiden wollte. Eine solche Behörde, die den technischen F o r t s c h r i t t zu überwachen hätte, k ö n n t e m a n m i t A r t h u r S a l z ebensogut als W i r t s c h a f t s i n q u i s i t i o n w i e als P l a n Wirtschaftskommission bezeichnen, denn wenn jede neue E r f i n d u n g erst a u f ihre soziale u n d volkswirtschaftliche Schädl i c h k e i t untersucht werden sollte, so w ü r d e der technische F o r t s c h r i t t ,

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der heute weniger das Ergebnis des Z u f a l l s als zielbewußter wissenschaftlicher A r b e i t ist, bald weniger h ä u f i g sein. Investitionsverbote werden daher i m m e r n u r N o t m a ß n a h m e n sein können. A l l e p l a n w i r t schaftlichen Eingriffe zur Z ü g e l u n g des technischen F o r t s c h r i t t s d ü r f e n schon aus dem Grunde n u r Übergangs- u n d N o t m a ß n a h m e n sein, da die volkswirtschaftliche K o n k u r r e n z f ä h i g k e i t d e m Auslande gegenüber dadurch i n G e f a h r gerät. Nach alledem bleibt n u r die E i n w i r k u n g a u f die Kompensationszeit. H i e r k a n n der Staat d u r c h seine L o h n p o l i t i k die Anpassung erleichtern. D u r c h aktives E i n g r e i f e n zur Anpassung der Lohnsätze an die N o t wendigkeiten der W i r t s c h a f t k a n n die Arbeitslosigkeit sehr abgekürzt werden, d a m i t w i r d dann aber auch die drohende G e f a h r der D a u e r arbeitslosigkeit geringer. Das beste M i t t e l jedoch, die P r o p o r t i o n a l i t ä t von K a p i t a l u n d A r b e i t wiederherzustellen, ist u n d bleibt die K a p i t a l b i l d u n g . Jede M a ß n a h m e , diese zu f ö r d e r n , ist auch der sicherste W e g , die automatische K o m pensation der Arbeiterfreisetzung d u r c h den technischen F o r t s c h r i t t zu stützen u n d zu beschleunigen.

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Literatur 1. Freisetzungs- und Kompensationstheorie Der wissenschaftliche Streit darüber, ob Freisetzung oder Kompensation das Endergebnis des technischen Fortschritts ist, beginnt schon m i t der klassischen Nationalökonomie. Zweifellos hat die Umwelt nicht nur die induktive, sondern auch die deduktive Forschung i n ihren Ergebnissen beeinflußt. So scheint auch David R i c a r d o i n der dritten Auflage seiner Grundzüge der Volkswirtschaft und Besteuerung, 1821, unter dem Einfluß der Krise von 1815/20 seine Meinung geändert zu haben. Ursprünglich vertrat er die Kompensation theo ri