Systemtheorie und betriebswirtschaftliche Organisationsforschung: Eine Nutzenanalyse der Theorien autopoietischer und selbstreferentieller Systeme [1 ed.] 9783428488254, 9783428088256

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Systemtheorie und betriebswirtschaftliche Organisationsforschung: Eine Nutzenanalyse der Theorien autopoietischer und selbstreferentieller Systeme [1 ed.]
 9783428488254, 9783428088256

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LILIA STÜNZNER

Systemtheorie und betriebswirtschaftliehe Organisationsforschung

Betriebswirtschaftliche Schriften Heft 143

Systemtheorie und betriebswirtschaftliehe Organisationsforschung Eine Nutzenanalyse der Theorien autopoietischer und selbstreferentieUer Systeme

Von

Lilia StÜDzner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Stünzner, Lilia: Systemtheorie und betriebswirtschaftliche Organisationsforschung : eine Nutzenanalyse der Theorien autopoietischer und se1bstreferentieller Systeme / von Lilia Stünzner. - Berlin : Duncker und Humb1ot, 1996 (Betriebswirtschaftliche Schriften; H. 143) Zugl.: Trier, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08825-5 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humb10t GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0523-1035 ISBN 3-428-08825-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde unter dem Titel "Analyse der Theorien autopoietischer und selbstreferentieller Systeme aus erkenntnis- und wissenschaftstheoretischer Perspektive: Nutzen und Grenzen ftlr die betriebswirtschaftliche Organisationsforschung" als Dissertation im Fachbereich IV - Betriebswirtschaftslehre an der Universität Trier angenommen. Sie unternimmt den Versuch, drei Themenbereiche miteinander zu verknüpfen: die Systemtheorie, die Organisationstheorie und die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Die daraus resultierende interdisziplinäre Ausrichtung dieser Arbeit folgt der Idee, die betrachteten Forschungsdisziplinen miteinander zu verbinden und für eine flicherübergreifende Diskussion nutzbar zu machen. Vor diesem Hintergrund widmet sich dieses Buch der Frage, welchen Nutzen die Systemtheorie für die betriebswirtschaftliche Organisationsforschung hat. Diese Arbeit beschränkt sich dabei überwiegend auf die Betrachtung der Theorien autopoietischer und selbstreferentieller Systeme. Von einer Analyse der erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Konsequenzen dieser Theorien ausgehend, steht die Auseinandersetzung mit einer systemtheoretischen Organisationskonzeption sowie die Beurteilung ihres Stellenwertes im Rahmen der Organisationsforschung im Mittelpunkt. Die vorliegende Arbeit wurde von Prof. Dr. Hans Czap betreut. Ihm möchte ich vor allem daftlr danken, daß er mir die interdisziplinäre Ausrichtung meiner Arbeit ennöglicht und durch zahlreiche Anregungen und Diskussionen unterstützt und bereichert hat. Mein Dank gilt weiter meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Alois Hahn, dessen Anregungen mir fiir diese und zukünftige Arbeiten sehr geholfen haben. Zu guter Letzt möchte ich mich herzlich bei Herrn Prof. Dr. Hartmut Wächter daftlr bedanken, daß er den Vorsitz im Prüfungsverfahren übernommen hat. Trier, im Frühjahr 1996 LWa Stünzner

Inhaltsverzeichnis 1. Ausg.ngssitu.tion: Problemstellung und Vorgehensweise ................................. 13 1.1 Problemstellung ................................................................................................. 13 1.2 Vorgehensweise ................................................................................................. 16

2. D.s Untersuchungsobjekt Org.nis.tion und Ansitze der Organis.tionsforschung ......................................................................................... 18 2.1 Zum Begriff der Organisation und Abgrenzung der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung ..................................................................................... 18 2.2 Entwicklung~geschichte der Organisationsforschung: Eine vergleichende Darstellung ......................................................................................................... 22 2.3 Abgeleitete Fragestellungen aus Schlußfolgerungen zum Stand der Organisationsforschung ..................................................................................... 33

3. Der systemtheoretische Ans.tz .............................................................................. 39 3.1 Allgemeine Charakteristika der Systemtheorie .................................................. 39 3.2 Entwicklungsgeschichte der Systemtheorie und Überblick über die relevanten Ansätze ............................................................................... 41

4. Eine Betr.chtuna der Theorien .utopoietischer und selbstreferentieller Systeme .us erkenntnis- und wissensch.ftstheoretischer Sicht .......................... 53 4.1 Erkenntnistheoretische Perspektive der Theorien autopoietischer und seIbstreferentieller Systeme: Das Distanzproblem - Subjektivität versus Objektivität oder das Verhältnis von Wahrnehmung und Realitätsabbildung ... 58 4.2 Gegenstand der Erkenntnis und Prozeß des Erkenntnisgewinns in den Systemtheorien: Wie erkennen Systeme? .......................................................... 66 4.2.1 Der Differenzbegriff als Basismuster der Erkenntnismöglichkeit... ......... 67 4.2.1.1 Der Beobachter ............................................................................ 69 4.2.1.2 System und Umwelt: Das Problem der Einheitsfllhigkeit ............ 73 4.2.1.2.1 System und Subsystem: Zusammenhalt gleichartiger Systeme ......................................................................... 81 4.2.1.2.2 System und System: Einheit verschiedener Systeme .... 89 4.2.2 Selbstreproduktion und -erzeugung als Basisprinzipien des operativen Erkenntnisvollzugs: Verzeitlichung von Systemen .................................. 96 4.2.2.1 Selbstreproduktion durch basale Selbstreferenz ........................ 100 4.2.2.1.1 Instabilität und Anschlußsuche ................................... 100 4.2.2.1.2 Sinn als Bewertungsschema und Bezugsgröße des operativen Erkenntnisvollzugs.................................... 105

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Inhaltsverzeichnis 4.2.2.1.3 Zeit und Komplexität: Selektion als Reduktion von Unbestimmtheit .......................................................... 108 4.2.2.1.4 Evolution und Emergenz: Veränderung als Ermöglichen von Unbestimmtheit ......................................... 111 4.2.2.2 Selbstreproduktion durch Systemreferenz: Systemzeit und Umweltzeit ................................................................................ 113 4.2.2.3 Selbsterzeugung als elementare Operation ................................ 121 4.2.3 System und Welt: Systembildung und -bezug ....................................... 123 4.2.4 Zusammenfassende Grundstruktur zur operativen Erkenntnis von Systemen ................................................................................................ 127 4.3 Reichweite und Sicherheit systemtheoretischer Erkenntnis: Implikationen für die Erkenntnisstruktur der Systemtl}eorie selbst ................. 129

5. Theoretischer und pragmatischer Nutzen der Systemtheorien für die Organisationsforschung: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung ....... 149 5.1 System(theorie) und Organisation(sforschung): GrUnde für die Hervorhebung der Übertragbarkeitsproblematik anhand einesVergleichs systemtheoretischer Ansätze mit anderen organisationstheoretischen Ansätzen ........................................................................................................... 150 5.2 Begriff, Darstellung und Bewertung der Übertragung ..................................... 152 5.2.1 Der Begriff der Übertragbarkeit... .......................................................... 152 5.2.2 Der systemtheoretisch-betriebswirtschaftliche Organisationsansatz als Ausdruck der prinzipiellen Übertragbarkeit ..................................... 159 5.2.2.1 Die Übertragung des Systembegriffs auf Organisationen und GrUnde für die Übernahme systemtheoretischer Ansätze ... 159 5.2.2.2 Darstellung des systemtheoretisch-betriebswirtschaftlichen Organisationsansatzes ................................................................ 162 5.2.2.3 Bewertung der Übertragung ...................................................... 168 5.2.2.4 Anforderungen an die Übertragung systemtheoretischer Ansätze auf Organisationen und Erklärung des Übertragbarkeitsproblems ............................................................................. 177 5.3 Nutzen der Systemtheorien .............................................................................. 180 5.3.1 Entwicklung von Modelleigenschaften und Beurteilungskriterien auf Basis systemtheoretischer Überlegungen als Grundlage für den konzeptionellen Nutzen ................................................................................ 181 5.3.2 Konzeptioneller Nutzen: Auswirkungen der entwickelten systemtheoretischen Modellvorstellungen für Organisationen .............. 191 5.3.2.1 Veränderung des epistemologischen Status der Organisation als Auswirkung der unterschiedenen Analysemöglichkeiten .... 192 5.3.2.2 Konsequenzen für die Grenzidentifikation und den Status von Organisationsgrenzen ......................................................... 197 5.3.2.3 Auswirkungen auf den Elementbegriff...................................... 200 5.3.3 Anwendungsbezug systemtheoretischer Modelle: Entwicklung von Anwendungsaspekten im Hinblick auf die Auswirkung für die Gestaltung, Aufgaben und Ziele von Organisationen ................................. 202 5.3.4 Interdisziplinärer Nutzen: Bezugspunkte systemtheoretischer Modelle für die Interdisziplinarität i.w.S ..................................................... 214

Inhaltsverzeichnis

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5.4 Zusammenfassende Bewertung des theoretischen und pragmatischen Nutzens der Systemtheorien unter Berücksichtigung der entwickelten Bewertungskriterien ......................................................................................... 219 6. Schlußbemerkung ................................................................................................ 224 Literaturverzeichnis ................................................................................................... 226 Sachregister ............................................................................................................. 235

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tab. I:

Die drei Ebenen und ihre Merkmale ............................................................ 182

Abb. I:

Beziehungsmöglichkeiten der Theorie selbstreferentieller Systeme .............. 72

Abb.2:

Vereinfachtes Schema der Systemverschachtelung ........................................ 74

Abb. 3:

Schematisches Gesamtmodell zum Zusammenhang von System, Umwelt und Einheit ..................................................................................................... 95

Abb.4:

Traditionelle und konstruktivistische Theoriebildung.................................. 147

Abb. 5:

Eigenschaften und Ziel der Interdisziplinarität i.e.S .................................... 157

Abb. 6:

Beispielhafte Auswahl von Bezugspunkten der Systemtheorien ft1r die Interdiszip linarität i. w. S............................................................................... 219

Abkürzungsverzeichnis Abb. Anm. d. Verf. Aufl. Bd. bzgl. bzw. CSCWS d.h. etc. f. ff. Hrsg. Le.S. i.O. i.w.S. insb. Jg. Nr.

PAA

S. Tab. TKA TQM u.ä. u.a. usw. v.a. vgl. Vol. z.B.

Abbildung Anmerkung des Verfassers Auflage Band bezüglich beziehungsweise Computer Supported Cooperative Workflow Systems das heißt et cetera folgende fort folgende Herausgeber im engeren Sinne im Original im weiteren Sinne insbesondere Jahrgang Nummer Principal-Agency-Ansatz Seite Tabelle Transaktionskostenansatz Total Quality Management und ähnliche und andere und so weiter vor allem vergleiche Volume zum Beispiel

1. Ausgangssituation: Problemstellung und Vorgehensweise 1.1 Problemstellung Systemtheoretische Ansätze stellen relativ neue Konzepte zur Erklärung und Beschreibung von Systemen und Systemprozessen dar. Sie wurden in starkem Ausmaß in die Betriebswirtschaft zur Lösung spezifischer organisationeller und betriebswirtschaftlicher Problemstellungen übernommen, so daß inzwischen von einer systemtheoretischen Organisationsforschung gesprochen werden kann. Die Begründung hierfür kann darin gesehen werden, daß unter den gegebenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen nach neuen Unternehmenskonzepten gesucht wurde, die mehr Effizienz sowie Wettbewerbsvorteile und eine langfristige Unternehmenssicherung gewährleisten sollen. Ist eine Übertragung kybernetischen Gedankenguts auf betriebswirtschaftliehe Organisationen noch gut gelungen, fUhrte dies bei den die Systemtheorie ganz entscheidend prägenden Theorien selbstreferentieller bzw. autopoietischer Systeme zu erheblichen Schwierigkeiten. Insbesondere die Aussage- und Lösungskraft der Theorien autopoietischer und selbstreferentieller Systeme filr konkrete, pragmatisch orientierte betriebswirtschaftliehe Fragestellungen blieb hierbei mehr oder weniger an der Oberfläche. In der Konsequenz fUhrt dies dazu, daß die Sinnhaftigkeit einer systemtheoretischen Perspektive filr betriebswirtschaftliche Fragestellungen zweifelhaft erscheint und eher einer Mystifizierung systemtheoretischer Aussagen für strategische Zwecke gleichkommt. Von dieser Ausgangssituation abgeleitet stellt sich die Frage nach dem Nutzen der Systemtheorie für die Organisationsforschung, d.h. nach ihren möglichen Potentialen und ihren Grenzen. Schwerpunktmäßig dreht es sich um das Problem der Übertragbarkeit, Anwendbarkeit und Überprüfbarkeit einer Theorie, deren Aussagen zwar mehr oder weniger auf empirischen Sachverhalten basieren, die aber letztendlich auf rein formal-analytischer Ebene argumentiert, so daß eine Konkretisierung allgemeiner Aussagen für Organisationen erschwert wird. Diese Fragestellung baut daher auf der grundsätzlichen Aufgabe der Betriebswirtschaft auf, d.h. der

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I. Ausgangssituation: Problemstellung und Vorgehensweise

Entwicklung von Unternehrnenskonzepten, die pragmatischen Lösungsbezug haben, und stellt die Systemtheorie damit in das Spannungsfeld von Theorie und Praxis. Andererseits jedoch, das zeigt die starke Resonanz der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung auf die Systemtheorie, ist offensichtlich ein Nutzen der Systemtheorie im Hinblick auf ihre Verwendbarkeit fUr organisationale Fragestellungen gegeben. Es wird aus diesem Grunde zu fragen sein, ob sich der angedeutete Gegensatz von fehlendem Praxisbezug der Systemtheorie einerseits und starker Übernahme der Systemtheorie andererseits lösen läßt. Eine Ursache rur diesen Umstand liegt in der mangelnden Auseinandersetzung mit den erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Implikationen der Systemtheorie in der betriebswirtschaftlichen Literatur. 1 Das Wesentliche (und auch das wesentlich Neue), das die Systemtheorie ausmacht, ist ihr erkenntnisund wissenschaftstheoretischer Wert sowie die damit verbundenen Konsequenzen nicht nur fUr eine Übertragung auf Organisationen, sondern fUr das Verhältnis von Modell und Realität überhaupt. Aus diesem Grunde sind die modelltheoretischen Erkenntnisse der Systemtheorie in die Nutzenüberlegungen miteinzubeziehen, da sich hieraus Hinweise rur Ziel und Voraussetzungen der Übertragung ableiten lassen. Denn die erkenntnistheoretische Perspektive ist entscheidend rur die Aussagen, die im Rahmen einer Theorie getroffen werden und damit natürlich auch rur eine Beurteilung derselben. Insofern ist die Aussage - übrigens von Luhmann selbst formuliert - , daß die Systemtheorie eine Selbstbeschreibung ihres eigenen Gegenstandes isf, als ein zentraler Punkt rur diese Untersuchung zu betrachten, da sich hieraus entscheidende Konsequenzen rur die Möglichkeiten und Grenzen einer Übertragung der Systemtheorie auf Organisationen ergeben. Zur Klärung dieser These muß man auf ihre Begründung zurückgreifen. Die Begründung hierftlr läßt sich aus dem Gegenstand der hier zu behandelnden Systemtheorien ableiten. Sie thematisieren das Verhalten von Systemen, insbesondere das Verhältnis von Beobachtern zur Realität, so daß die Realitätswahrnehmung von Systemen in entscheidendem Maße von ihrer Beobachtungs-

I Eine Ausnahme bilden hier das von Schmidt 1990a herausgegebene Buch "Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus" sowie das von Krawietz und Welker 1992 herausgegebene Buch "Kritik der Theorie sozialer Systeme". 2 Luhmann hebt hervor, daß auch fiir die Wissenschaft die Prinzipien gelten, die auch fiir Systeme gelten, d.h. Theorien kommen selbstreferentiell zustande. Vgl. hierzu Luhmann 1988a, S.651 f.

1.1 Problemstellung

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flihigkeit abhängt. Die Frage, die zu stellen sein wird, ist also die, ob das, was die Systemtheorie filr die Erkenntnis von Systemen und ihrem Verhalten aufdeckt, auch flr die Systemtheorie selbst gilt, und vor allem, welche Bedeutung dieses Modellverständnis der Systemtheorie rur die Übertragung auf Organisationen hat. 3 Diese Theoriediskussion bildet die Grundlage rur die weiteren Überlegungen. Die partielle Auseinandersetzung mit den erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Konsequenzen der Theorien selbstreferentieller und autopoietischer Systeme im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Übertragung systemtheoretischen Gedankenguts ist umso erstaunlicher, da schon der Begriff Selbstreferentialität bzw. Autopoiese problembehaftet ist und auf die grundsätzlich problematische Thematik zum Verhältnis zwischen Erkenntnis und Realität verweist. Aufgrund der zentralen Stellung, die das Autopoiese-Konzept von Maturana und Varela sowie die Theorie selbstreferentieller Systeme von Luhmann in der Systemtheorie einnehmen, werden überwiegend diese beiden Konzepte herangezogen. Die Begründung hierfilr ergibt sich auch daraus, daß die Theorie selbstreferentieller Systeme eine Theorie sozialer Systeme ist, so daß die vorgenommene Einengung auf diese beiden systemtheoretischen Konzepte, insbesondere auf die Theorie selbstreferentieller Systeme, vor dem Hintergrund Bedeutung gewinnt, daß Organisationen in einem großen Teil der Literatur als soziale Systeme bzw. als Sinnsysteme defmiert sind. Die folgenden Ausftlhrungen beziehen sich aus diesem Grunde auf Sinnsysteme, d.h. auf Systeme, die mittels Sinn operieren, kommunizieren und handeln. Zur Erläuterung bestimmter Zusammenhänge wird jedoch auch auf andere Systemtypen und -ansätze zurückgegriffen. Die Frage nach dem Nutzen der Sytemtheorie rur die Organisationsforschung ergibt sich auch aus der Organisationsforschung selbst. Sie ist gekennzeichnet durch eine starke Zersplitterung in die unterschiedlichsten Ansätze. In Anlehnung an die Forderung Suchaneks nach einem systematischen und theoretischen Integrationskonzept für die Sozialwissenschaften, welches Einzelaussagen und -theorien zu einem einfachen und allgemeinen Konzept zusammenfassen solV stellt sich die Frage, ob die Systemtheorie eine integrative Funktion rur die Organisationsforschung einnehmen kann, wobei zu klären sein wird, welchen Anforderungen eine Integration unterliegen muß. Die Voraus-

3 Die Ausgangsfrage stützt sich hierbei auf Nassehi 1992, Türk 1987 und Luhmann 1988a selbst. 4 Vgl. Suchanek 1994, S.l.

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I. Ausgangssituation: Problemstellung und Vorgehensweise

setzung hierftlr lassen sich aus der Betrachtung der Übertragbarkeitsproblematik der Systemtheorie für Organisationen herleiten. Anders formuliert soll der Nutzen der Systemtheorien für die betriebswirtschaftliche Organisationsforschung auf den folgenden, grundsätzlichen Fragen aufbauen: 1. Inwiefern sind die Theorien autopoietischer Systeme auf Organisationen übertragbar und können zu konkreten Anwendungsbezügen führen? 2. Woraus resultieren die Probleme der Übertragung und welche Anforderungen lassen sich hieraus ziehen? 3. Inwiefern kann die Systemtheorie als interdisziplinärer oder integrativer Bezugsrahmen der Organisationsforschung gesehen werden? Die so formulierte Problemstellung macht deutlich, daß diese Untersuchung keine pragmatische Zielsetzung hat, sondern eine theoretische Arbeit darstellt. Zielsetzung ist die, den Erkenntniswert und den Nutzen der Theorien selbstreferentieller und autopoietischer Systeme für die Organisationsforschung zu beurteilen.

1.2 Vorgehensweise Die Problemstellung zeigt, daß in dieser Arbeit verschiedene Themenkomplexe miteinander verknüpft werden sollen. Insbesondere drei Bereiche sind hier hervorzuheben: die Organisationsforschung, die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie und natürlich die Systemtheorie. Bei allen Bereichen handelt es sich um hoch komplexe und ausdifferenzierte Einzeldisziplinen mit einer mehr oder weniger langen Tradition, so daß im Rahmen dieser Untersuchung eine starke Selektion von Methoden, Konzepten und Aussagen stattfmden muß. Die Vorgehensweise sieht folgendermaßen aus: In Kapitel 2 werden die Voraussetzungen für die in der Problemstellung skizzierten Fragestellungen hergeleitet, in dem die betriebswirtschaftliche Organisationsforschung dargestellt und charakterisiert wird. Daran anschließend wird die Systemtheorie kurz dargestellt, um einen Überblick über die Grundgedanken, Merkmale und Ansätze der Systemtheorie zu erhalten. Kapitel 4 widmet sich der angesprochenen erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Problematik der Systemtheorie. Dabei soll nach zunächst grundsätzlichen Überlegungen zur erkenntnistheoretischen Position der Systemtheorie die Frage be-

1.2 Vorgehensweise

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antwortet werden, was die Systemtheorie zur Erkenntnis von Systemen aussagt, d.h. zur Frage "Wie erkennen bzw. operieren Systeme?" Diese Fragestellung wird anhand des Kriterienkataloges von Vollmer erarbeitet. Abschließend wird die formulierte Ausgangsthese zu klären sein, welche Konsequenzen dies rur die Systemtheorie selbst hat. In Kapitel 5 schließlich stehen primär zwei Fragenkomplexe im Vordergrund: Inwiefern lassen sich diese Erkenntnisse auf Organisationen übertragen und mit welchen Konsequenzen? Kann die Systemtheorie als ein interdisziplinärer und integrativer Bezugsrahmen rur die Organisationsforschung gelten? Zur Beantwortung dieser beiden, miteinander verbundenen Themenkreise werden aus der erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Diskussion modelltheoretische Eigenschaften auf Basis der Systemtheorie hergeleitet. Aus diesen Ergebnissen wird der modelltheoretische Nutzen der Systemtheorie gewonnen. Die modelltheoretischen Überlegungen sind gleichzeitig die Grundlage rur den Nutzen der Systemtheorien im Hinblick auf ihre grundsätzlichen Möglichkeiten rur die Betrachtung von Organisationen. Als dritter Schwerpunkt stellt sich die Frage nach dem Anwendungsbezug systemtheoretischer Modelle rur Organisationen. Hier soll es darum gehen, die Bezugspunkte und Anschlüsse systemtheoretischer Aussagen rur die Gestaltung, Ziele und Aufgaben der Organisation zu beurteilen. Aus dem Anwendungsbezug abgeleitet kann dann der Nutzen der Systemtheorie im Hinblick auf ihren interdisziplinären Charakter rur die Organisationsforschung begründet werden. Dies bedeutet, daß der Nutzen in vier Kategorien unterteilt wird: 1. Der modelltheoretische Nutzen 2. Der konzeptionelle Nutzen 3. Der Anwendungsbezug 4. Der interdisziplinäre Nutzen

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V gl. Vollmer 1975, S.2.

2 StOnzner

2. Das Untersuchungsobjekt Organisation und Ansätze der Organisationsforschung Das Untersuchungsobjekt Organisation kann als sehr unspezifisch und inhaltlich als nicht allgemeingültig festgelegt bezeichnet werden. Die Ursache hierfür ist darin zu sehen, daß die Organisationsforschung keinen einheitlichen Wissenschafts- und Forschungsansatz darstellt, sondern sich aus den vielfältigsten Theorien, Methoden, Erkenntniszielen und Themenkreisen zusammensetzt. Die Vielfalt an organisationstheoretischen Definitionen und Erkenntnissen ist damit bedingt durch die Vielzahl an organisationstheoretischen Ansätzen. Insbesondere das Untersuchungsziel bzw. -interesse, in dessen Rahmen die Organisation betrachtet wird, beeinflußt in entscheidendem Maße, wie der Begriff Organisation verstanden wird und welche Aspekte der Organisation herausgegriffen werden. Aus diesem Grunde ist es angebracht, zunächst die relevanten Organisationsdefmitionen vorzustellen sowie eine Abgrenzung der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung l vorzunehmen. Daran anschließend wird zum besseren Verständnis ein kurzer Überblick über die hierfür interessierenden Konzepte geliefert, um daraus die in der Problemstellung skizzierten Fragestellungen zu präzisieren.

2.1 Zum Begriff der Organisation und Abgrenzung der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung Bei der inhaltlichen Bestimmung des Begriffs der Organisation werden in der Regel vier Defmitionsmöglichkeiten vorgeschlagen. Eine unspezifische und

I Der Begriff der Organisationsforschung soll insofern als Oberbegriff fIlr verschiedene Organisationstheorien bezeichnet werden, um damit ebenso die diesen Theorien zugrunde liegenden Methoden und Forschungsprogramme zu umfassen. Mit Organisationsforschung sind also nicht nur z.B vergleichende und empirische Studien gemeint, sondern sie soll im Rahmen dieser Arbeit als Sammelbegriff fIlr die unterschiedlichsten Ansätze, Methoden und Programme verstanden werden.

2.1 Zum Begriff der Organisation

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fonnale Organisationsdefmition beschreibt Organisationen als eine Einheit, die aus miteinander verbundenen Teilen besteht. Diese Defmition wird auch als universale Defmition bezeichnet und entspricht im weitesten Sinne der formalen Defmition eines Systems. 2 Darüber hinaus sind drei weitere, gängige Interpretationsmöglichkeiten zu unterscheiden: Organisation kann 1. als Prozeß oder Funktion verstanden werden, d.h. als die Tätigkeit des Organisierens, 2. als Instrument (instrumenteller Organisationsbegrift) im Sinne der "Organisiertheit" der Organisation zur Erreichung bestimmter Ziele und 3. gibt es den institutionellen Organisationsbegriff, der die Organisation als ganzheitliches, soziales Gebilde, als Institution ausweist. 3 Betrachtet man die Organisation als Objekt, so ist hierbei folglich der institutionelle Organisationsbegriff gemeint. Diese Arbeit bezieht sich dabei ausschließlich auf das Untersuchungsobjekt Unternehmen, d.h. auf wirtschaftliche Institutionen. 4 Der institutionelle Organisationsbegriff im Sinne eines sozialen bzw. soziotechnischen Gebildes fmdet dabei in den einzelnen Organisationsansätzen weitgehenden Konsens, d.h. diese Defmition bildet das Grundverständnis von Organisationen, unabhängig von der jeweiligen Fragestellung und Perspektive. In der Regel jedoch gelangen auch der instrumentelle sowie der prozeßbezogene Organisationsbegriff zur Anwendung. Man kann dies so zusammenfassen, daß das Untersuchungsobjekt die Organisation als soziales bzw. sozio-technisches System ist, bei Fragen der Organisationsgestaltung aber der instrumentelle und prozeßbezogene Organisationsbegriff verwendet werden. In der soziologisch orientierten Literatur wird die Organisation ebenfalls als ein Typus von sozialen Systemen defmiert, wobei sie jedoch konkret als Handlungssysteme verstanden werden, d.h. als (von den Organisationsmitglie-

2 Vgl. Hoffmann 1980, S.1426: Diese Definition gleicht der Systemdefinition von von Bertalanffy, der Systeme als eine Menge von Elementen definiert, die miteinander in Wechselwirkung stehen (vgl. von Bertalanffy 1972, S.lII). 3 Vgl. zu den unterschiedlichen Ausprägungen des Organisationsbegriffs z.B. Grochla 1975, S.2 oder Hoffmann 1980, S.1426ff. 4 Eine weitere Differenzierung soll nicht vorgenommen werden.

2'

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2. Das Untersuchungsobjekt Organisation

dem konstituierte) Handlungs- und Kommunikationsgefüge, die durch interaktive, soziale Prozesse entstehen. 5 Ein Merkmal, das eine wesentliche Rolle für das Verständnis von Organisationen spielt, ist das Prinzip der Arbeitsteilung. Arbeitsteilung, verstanden im Sinne von Spezialisierung bzw. Ausdifferenzierung spezieller Arbeits- oder Tätigkeitsbereiche, erfordert Koordination und Kontrolle. 6 Betriebswirtschaftlieh von Interesse ist hierbei vor allem die zielgerichtete Analyse, Strukturierung und Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation, um bestimmte Zwecke, die Aufgabenerfilllung und Leistungserstellung, rational und effizient zu erfüllen sowie das Verhalten der Organisationsmitglieder gemäß ökonomischer Ziele zu steuern. 7 Aus diesem Grunde nimmt der instrumentelle sowie der prozeßbezogene Organisationsbegriff einen großen Stellenwert in der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung ein. Insbesondere ökonomische Regelungs- und Koordinationsmechanismen sind dabei von Interesse. Prägend für die betriebswirtschaftliehe Organisationsforschung ist folgender Grundzusammenhang: Es wird explizit oder implizit von einem rationalistischen Verständnis der Organisation ausgegangen, d.h. die Organisation ist ein Mittel zum Zweck. 8 Das Denken in bestimmten Zweck- bzw. Zielkategorien, hier ökonomischen, kann als das charakteristischste Merkmal der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung unterstellt werden, auch wenn anerkannt wird, daß Ziele in Organisationen nicht eindeutig zu identifizieren, sondern mehrdeutig sind und das rationalistische Organisationsbild im Laufe der Entwicklung der Organisationsforschung (durch z.B. situative, motivationsund verhaltensorientierte, systemtheoretische und evolutionsorientierte Ansätze, wie die Ausführungen noch zeigen werden) aufgeweicht wird. Auch solche Ansätze, die das Verhalten der Organisationsmitglieder, die Problematik konfliktärer Interessen, die Arbeitszufriedenheit und individuelle Bedürfnisse oder die Dynamik informeller und gruppenbezogener Prozesse in den Mittelpunkt rücken, betrachten diese Themenkomplexe vor dem Hintergrund der optimalen Koordination, Steuerung und Leistungserfüllung. Aus diesem Grunde bleibt aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Gestaltung der Organisation nach bestimmten Zielkategorien grundsätzlich bestehen. Es führt dazu, daß die Organisation anhand spezifischer Kriterien bewertet wird: Als Vgl. zum Begriff des sozialen Systems Parsons 1976, S.165. Vgl. hierzu Mintzberg 1992, S.19ff.; Schanz 1994, S. \lf. 7 Siehe zu Gestaltungsparametern und -zielen ausführlich Mintzberg 1992 und Schanz 1994. 8 Vgl. zum klassischen Zweck-Mittel-Denken Hoffmann 1981, S.103ff. 5 6

2.1 Zum Begriff der Organisation

21

Mittel oder Medium ist die Organisation dann optimal (Optimierungsanspruch), wenn sie die Zielsetzung (Zweckausrichtung) arbeitsteiliger Aufgaben- und Leistungserfilllung effizient (Effizienzkriterium) koordiniert und regelt (Steuerungsanspruch).9 Insofern wird zunächst unterstellt, daß die Organisation ein oder mehrere Ziele bzw. Zwecke erfüllen soll. Damit ist ein wesentliches Merkmal verbunden, welches im Laufe der weiteren Arbeit zu diskutieren sein wird: Eine Zweck- oder Zielsetzung sowie die damit verbundene Steuerungskomponte beinhaltet gleichzeitig die Annahme einer bewußten Gestaltbarkeit und Beeinflußbarkeit VOn Organisationen bzw. organisatorischen Parametern. Die Zielorientierung ist die Grundlage für die rationalistische Verhaltensannahme, die in der Betriebswirtschaft vorherrscht. 10 Bedingt durch Arbeitsteilung als effizienteste Fonn der Aufgabenerfüllung ist vor allem die Koordination, Kontrolle und Optimierung der arbeitsteiligen Strukturen und Prozesse vordringlichstes Problem der Organisation. Die Zielsetzung der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung ist folglich das Auffinden und Gestalten solcher Strukturen, Prinzipien, Regeln - anders formuliert Ordnungsprinzipien - usw., die bei Arbeitsteilung und Spezialisierung unter spezifischen situativen und von anderen Faktoren abhängenden Größen einen bestimmten, geldwerten Output ermöglichen. Hierzu gibt es verschiedene Gestaltungsparameter, die vor dem Hintergrund unterschiedlicher Organisationsansätze diskutiert werden. Zentrale Arbeiten in diesem Bereich finden sich bei Kieser/Kubicek, die vor allem auf die Organisationsstruktur als Gestaltungsparameter hinweisen und diese in die Dimensionen Spezialisierung, Koordination, Konfiguration, Entscheidungsdelegation und Fonnalisierung einteilen, die in Abhängigkeit von der spezifischen Aufgabe und externen Einflußfaktoren (z.B. Fertigungstechnologie, Organisationsgröße ) aufeinander abzustimmen bzw. zu optimieren sind. 11 Eine ähnliche Vorgehensweise findet sich bei Mintzberg, der die Gestaltung

9 Vgl. zur Zielorientierung, Instrumenta1charakter und Koordination als Mittel Schanz 1994, S.8ff. sowie zur ZieloTientierung Frese 1984, S.29. 10 Zur Kritik hierzu vgl. v.a. die soziologische Organisationsforschung, die gerade die Unmöglichkeit von Organisationszielen und der Rationalitätsannahme hervorhebt, so z.B. Türk 1978, S.28; Perrow 1978, S.I 05. 11 Einen sehr guten Überblick über die von KieserlKubicek entwickelten Strukturund Kontextfaktoren findet sich bei Staehle 1981, S.22lff. Vgl. auch Kieser 1981.

22

2. Das Untersuchungsobjekt Organisation

der Organisation in Abhängigkeit von bestimmten Rahmenbedingungen thematisiert. 12 Die betriebswirtschaftliche Organisationsforschung läßt sich damit zusammenfassend folgendermaßen charakterisieren: • • • • •

Zweckausrichtung Optimierungsanspruch Efflzienzorientierung Steuerungs- und Kontrollforderung Prämisse der bewußten Gestaltbarkeit und Beeinflußbarkeit organisationaler Prozesse



rationalistische Grundauffassung

Diese grob skizzierte Abgrenzung der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung soll im folgenden durch eine kurze Darstellung der Entwicklungsgeschichte und -stufen der Organisationsforschung präzisiert werden, wobei es sich hierbei lediglich um eine Auswahl von Organisationsansätzen handelt. Darüber hinaus soll zunächst ein Überblick über die zentralen organisationstheoretischen Ansätze gegeben werden und die Systemtheorie in die geschichtliche Entwicklung eingeordnet werden. Anschließend wird die Systemtheorie in ihren zentralen Merkmalen charakterisiert sowie die relevanten Ansätze kurz dargestellt.

2.2 Entwicklungsgeschichte der Organisationsforschung: Eine vergleichende Darstellung Die nachfolgenden Ausfilhrungen beziehen sich insbesondere auf Hill/ FehlbaumlUlrich 13 , die einen guten Überblick über die Entwicklungsgeschichte

12 Der von Mintzberg (und auch von Schanz) gewählte Ansatzpunkt und seine angefUhrten Gestaltungsparameter sind teilweise deckungsgleich mit denen von Kieser und Kubicek. So nennt er folgende Bereiche der Organsisationsgestaltung: die organisationalen Positionen (Aufgabenspezialisierung, Ausbildung und Verhaltensformalisierung), Verbindungsstrukturen (Abstimmungsformen, Planungs- und Kontrollsysteme), Entscheidungssystem (DenzentralisationlZentralisation, Delegation) und schließlich die Rahmenstruktur (Gruppenbildung und -größe). Diese müssen in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen, wie z.B. der Organisationsgröße, Fertigungstechnologie etc. gewählt werden (vgl. Mintzberg 1992 sowie Schanz 1994). 13 Vgl. HilllFehlbaumlUlrich 1981.

2.2 Entwicklungsgeschichte der Organisationsforschung

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und Hintergründe der Organisationsforschung liefern sowie Hoffmann l4 und Grochla ls . Es wird hierbei die bei Hoffmann dargestellte Einteilung nach geschichtlichen Entwicklungsschritten zugrunde gelegt.16 Klassische Organisationsforschung Die Anfänge der Organisationsforschung sind dadurch gekennzeichnet, daß in den unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen stark spezialisierte organisatorische Teilprobleme behandelt wurden, die jeweils nur aus der isolierten Perspektive der einzelnen Problemstellung betrachtet wurden. 17 Der Hintergrund rur eine verstärkte Betrachtung von Organisationen wird dabei in der zunehmenden Industrialisierung mit der aufkommenden Massenproduktion gesehen. Zentrale Frage war hier, wie man Mensch und Maschine miteinander in Einklang bringen kann, wobei die Organisation unter dem Gesichtspunkt des Organisierens von Produktionsprozessen betrachtet wurde. 11 Das Menschenbild, das diesem Organisationsbegriff zugrunde gelegt wurde, wird als mechanistisch bezeichnet und ist unter dem Begriff des "homo öconomicus"19 bekannt. Mit dem "physiologischen Ansatz"20 in den 20er Jahren spricht man von einem ersten, systematischen Konzept der Organisationsforschung, das zur sogenannten "Scientific-Management-Bewegung"21 ftlhrte. Diese ist sehr stark mechanistisch-programmatisch orientiert und von der Auffassung der Organisation als einem zweckorientierten Instrument zur Aufgabenerftlllung determiniert. Das zentrale Problem lautete folglich: Wie muß die Organisation aufgebaut sein, um bestimmte Aufgaben zweckmäßig und rational zu, erftlllen, um damit die Produktivität der Arbeit (und der Arbeiter) zu steigern?22 Als entscheidender Gedanke dieser Richtung kann also

Vgl. Hoffmann 1976. Vgl. Grochla 1975. 16 Andere Autoren systemtatisieren die Organisationsforschung nach inhaltlichen Schwerpunkten, wie z.B. Grochla 1975, S.15f., der eine Einteilung in betriebswirtschaftlich-pragmatische, verhaltensorientierte, entscheidungsorientierte, informationssystemorientierte und systemtheoretisch-kybernetische Ansätze vornimmt. 17 Vgl. Grochla 1975, S.5. 1I Vgl. HilllFehlbaumlUlrich 1981, S.410f. 19 Vgl. ebenda, S.410f. 20 Vgl. ebenda, S.408; S.4lO; Hoffmann 1976, S.70. 21 Vgl. HilllFehlbaumlUlrich 1981, S.411; Hoffmann 1976, S.70. 22 Zur Organisation von Produktionsprozessen, ausgehend von der Arbeitsteilung als Grundgedanken vgl. Hoffmann 1976, S.71; HilllFehlbaumfUlrich 1981, S.411; Frese 14 IS

24

2. Das Untersuchungsobjekt Organisation

das Zweck-Mittel-Schema gesehen werden, das noch heute betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung dominant ist.

in der

In den 20er-40er Jahren wurden organisatorische Fragestellungen weiter präzisiert und weiterentwickelt. Ansätze aus diesem Zeitraum zeichnen sich insbesondere dadurch aus, daß sie organisatorische Sollregelungen und -prinzipien erarbeiteten, die rur das betriebswirtschaftliche Gestaltungshandeln zur Aufgabenerfiillung relevant sind. 23 Dabei wird davon ausgegangen, daß die Untemehmensaufgabe vom Markt gegeben ist, wobei diese an den Formalzielen Rentabilität und Wirtschaftlichkeit orientiert ist. 24 Kosiol stellte hierzu ein Konzept auf, das zwischen einer Autbauorganisation und einer Ablauforganisation differenziert, wobei bei der Autbauorganisation die Aufgabenanalyse, bei der Ablauforganisation die Arbeitsanalyse im Mittelpunkt der Betrachtung steht. 25 Das Kosiol'sche Organisationsverständnis kann folglich als sehr ziel- und strukturzentriert betrachtet werden. 26 Dieses Konzept stellt noch heute ein wesentliches Modell dar, das in der Betriebswirtschaft weite Verbreitung genießt. Als soziologischer Ansatz der klassischen Organisationsforschung wird insbesondere das "Bürokratiemodell" von Weber genannt, welches als zentralen Gegenstand die zweckrationale Gestaltung und Verteilung von Herrschaftsund Machtverhältnissen in Form eines normativen Sollschemas zum Inhalt hat, so daß der Begriff der Organisation im Sinne eines Herrschaftsinstrumentes zu verstehen ist. 27 Darüber hinaus erstellte Weber einen Katalog an Merkmalen, der bürokratische Strukturen charakterisiert und anhand derer Bürokratien

1984, S.52f. Siehe hierzu auch den administrativen Ansatz, der sich nicht auf Produktions-, sondern Verwaltungsstrukturen bezieht (vgl. Hoffmann 1981, S.103f.; Hoffmann 1976, S.71; Hill/FehlbaumlUlrich 1981, S.419). 23 Vgl. Hoffmann 1976, S.7If. und Grochla 1975, S.5. 24 Vgl. Hoffmann 1976, S.72. 25 Vgl. Kosiol 1962. Vgl. auch Hoffmann 1976, S.72. Die Aufbauorganisation fußt auf der Aufgabenanalyse und -synthese, d.h. die Gesamtaufgabe des Unternehmens wird nach unterschiedlichen Prinzipien in Teilaufgaben zerlegt und anschließend den Aufgabenträgern und -stellen zugewiesen sowie Arbeits- und Leitungsbeziehungen zwischen den Stellen und Abteilungen festgelegt. Die Ablauforganisation basiert auf der Arbeitsanalyse und -synthese, bei der Arbeitsgänge und Arbeitsabfolgen herausgearbeitet werden, die wiederum auf Personen und Stellen verteilt und zeitlich koordiniert werden (vgl. Hoffmann 1976, S.73ff.; S.77ff.; Frese 1984, S.114ff.). 26 Vgl. Kosio11975, S.43. 27 V gl. Türk 1978, S.21.

2.2 Entwicklungsgeschichte der Organisationsforschung

25

miteinander verglichen werden können. 2x Die zweckrationale Perspektive ist folglich auch hier dominant, wird jedoch mit dem Aspekt der Herrschaftsausübung verbunden. Das Modell von Weber kann heute als überholt bezeichnet werden. Es wurde sehr stark kritisiert, insbesondere von der modemen Organisationssoziologie und der verhaltenswissenschaftlich orientierten Entscheidungstheorie. Bewertung der klassischen Organisationsforschung Zusammenfassend kann man zur klassischen Organisationsforschung sagen, daß hier eine statische Betrachtung von Organisationen überwiegt. Dynamische Prozesse, situative Einflußfaktoren und der Bezug zur Umwelt wurden vollständig ausgeklammert. 29 Letztlich wurden hier ideal-theoretische Allaussagen entwickelt, die an formal-logischen Zielsetzungen orientiert und als gegeben unterstellt waren. Die zweckrationale Zielvorstellung fungiert als Leitmaxime zur Betrachtung organisatorischer Problembereiche. Der Aspekt Mensch bleibt vollkommen unberücksichtigt; es wird ein "mechanistisch-instrumentales" Menschenbild30 unterstellt. Die Wechselwirkung zwischen individuellen Faktoren und organisatorischen Gestaltungsparametern blieb unberücksichtigt. Von Nutzen ist ohne Zweifel die systematische und analytische Vorgehensweise, die hier erstmalig aufkommt. Neoklassische Organisationsforschung Die Entwicklung der Neoklassik fußt auf der Kritik an klassischen Ansätzen. Im Gegensatz zur Klassik stehen hier individuelle und soziale Aspekte im Mittelpunkt der Betrachtung, d.h. verhaltenswissenschaftliche Aspekte werden in die Organisationsforschung einbezogen. Die Neoklassik wird aus diesem Grunde überwiegend als "Human-Relations-Bewegung"3\ gekennzeichnet. Entgegen dem einseitigen, klassischen Verständnis von Organisationen als reinem Zweck-Mittel-Schema taucht in der Neoklassik der Begriff der Organisation als soziales Gefiige auf. 32 Der Interessensschwerpunkt der Neoklassik kann dadurch charakterisiert werden, daß die Organisation unter Berücksichtigung psychologischer, motivationstheoretischer, verhaltenswissen-

28 V gl. zu Typen der Herrschaft Weber 1972, S.122-176. V gl. zur Erläuterung von Webers Modell HilllFehlbaumlUlrich 1981, S.416, KieserlKubicek 1978a, S.93f.; Hoffmann 1981, S.I04f. 29 Vgl. Hoffmann 1976, S.8l. 30 Vgl. ebenda, S.8l. 3\ Vgl. Hoffmann 1981, S.I06; HilllFehlbaumlUlrich 1981, S.42lf. 32 Vgl. Hoffmann 1976, S.87.

2. Das Untersuchungsobjekt Organisation

26

schaftlicher und soziologischer Faktoren als Mittel33 im Hinblick auf Effizienzsteigerung und Arbeitsproduktivität analysiert wird. Mit Entwicklung der Neoklassik kann darüber hinaus nicht mehr von einer einheitlichen Perspektive der Organisationsforschung, wie sie noch in der Klassik anzutreffen war, gesprochen werden. 34 Die Organisationsforschung splittet sich in diesem Zeitraum in eine Vielzahl von Untersuchungsmethoden, Zielen und Interessensschwerpunkten. Hierzu gehören beispielsweise gruppenorientierte Ansätze, die sich insbesondere mit informalen Beziehungen und Prozessen auseinandersetzen und das Verhalten von Kollektiven untersuchen sowie personelle Ansätze, die sich mit den Einflußfaktoren auf und der Wirkung individuellen Verhaltens beschäftigen. 3s Zu nennen sind hier Motivationstheorien, Führungstheorien, Konflikttheorien, Gruppenmodelle USW.,l6 die sich mit den Bedürfnissen der Organisationsmitgliede~7 auseinandersetzen oder die Afbeitszufriedenheit in Abhängigkeit vom Führungsverhalten3B untersuchen. Als Folge dieser Ansätze wurden die sogenannten kontingenztheoretischen Ansätze entwickelt, die in den Übergang zwischen Neoklassik und Modeme eingeordnet werden können. Bewertung neoklassischer Ansätze Generell läßt sich sagen, daß mit der Neoklassik eine starke Differenzierung der Organisationsforschung auftritt, bei der ökonomische, psychologische und

Vgl. zur Definition der Organisation als Mittel Remer 1993, S.3065ff. Vgl. Grochla 1975, S.6. 3S Vgl. hierzu HillIFehlbaum/Ulrich 1981, S.421, die von einer "Mikrobetrachtung" der Organisation sprechen. 36 Siehe rur eine Charakterisierung der Motivationstheorien HillIFehlbaumlUlrich 1981, S.420ff. 37 So z.B. die Maslow' sche Bedürfnishierarchie, die verschiedene Bedürfniskategorien (Bedürfnisse der Grundbefriedigung bis hin zu Bedürfnissen der Selbstverwirklichung) in Pyramidenform abbildet und dabei voraussetzt, daß die Befriedung einer höheren Bedürfnisebene die Befriedigung der unteren voraussetzt, findet sich heute insbesondere in Konsumentenverhaltensmodellen wieder (vgl. Hoffmann 1976, S.98f.). Siehe Maslow 1981. 31 Beispielsweise entwickelte Likert ein partizipatives Gruppenmodell, das auf Untersuchungen der Arbeitseffizienz in Abhängigkeit von unterschiedlichen Organisationssystemen basiert. Vgl. rur einen Überblick über die Auswirkungen verschiedener Organisationsformen (autoritär und partizipativ) auf Arbeitsprozesse und -merkmale (z.B. Motivation, Art der Entscheidung usw.) Likert 1967, S.14-24. Vgl. auch Hoffmann 1976, S.106f.; Frese 1984, S.256ff. 33

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2.2 Entwicklungsgeschichte der Organisationsforschung

27

soziologische Perspektiven miteinander vermischt werden, d.h. die Wissenschaftsdisziplinen interdisziplinär verwendet werden. Darüber hinaus kann man feststellen, daß die empirische Komponente in diesem Zeitraum stark vertreten ist, da fast alle Organisationskonzepte auf empirischen Untersuchungen basieren. Das Hauptproblern, das allen Ansätzen der Neoklassik gemein ist, kann darin gesehen werden, daß aus spezifischen und reduktionistischen Untersuchungszusammenhängen allgemeingültige Aussagen abgeleitet werden. 39 Letztlich handelt es sich bei den Ergebnissen nur um relative Aussagensysteme, die fUr bestimmte Situationen und Einflußfaktoren relative Gültigkeit besitzen. Hinzu kommt, daß sich die empirischen Ergebnisse häufig widersprechen (z.B. in den Führungstheorien), also keine gesicherten Erkenntnisse ableitbar sind. Wissenschaftstheoretisch liegt jedoch der Vorteil darin, daß die Notwendigkeit einer empirischen Überprüfung erkannt wurde und in der Konsequenz das Ergebnis darauf basiert, daß wissenschaftliche Aussagen nur bedingt Gültigkeit besitzen. Diese Idee wurde dann in den kontingenztheoretischen Ansätzen entsprechend berücksichtigt. Die Neoklassik macht damit die Komplexität organisationstheoretischer Problembereiche deutlich. Inhaltlich läßt sich die Neoklassik dadurch zusammenfassen, daß sie die Frage stellt: "Welche Faktoren müssen berücksichtigt werden, um individuelles und/oder gruppenbezogenes Verhalten auf die Effizienz der AufgabenerfUllung auszurichten und welche Ursachen fUhren zu welchem Verhalten?" Modeme Organisationsforschung Die modeme Organisationsforschung zeichnet sich durch eine Vielzahl an organisationstheoretischen Strömungen aus. Es finden sich hier kontingenzorientierte, entscheidungsorientierte40, informationsorientierte, evolutionäre und systemtheoretische Forschungsrichtungen, wobei letztere an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden sollen, da diese in Gliederungspunkt 3 ausfilhrlich dargestellt werden. Kontingenztheoretische Ansätze beschäftigen sich primär mit der Analyse von situativen Einflußfaktoren auf Organisationsstrukturen, Strategien und das Verhalten der Organisationsmitglieder. Vertreter sind hier Z.B. Kieser und

Vgl. Hoffmann 1976, S.97; S.115f. Die Entscheidungstheorie könnte auch noch in die Neoklassik geordnet werden, da menschliches Verhalten und daraus ableitbare Effizienzkriterien im Vordergrund stehen. Da es sich jedoch um eine Entwicklung handelt, die als neuen Aspekt die Entscheidung hervorhebt und darüber hinaus eine sehr stark vertretene und ausdifferenzierte Konzeption darstellt, wird diese der Modeme - entsprechend Hoffmann 1976 - zugeordnet. 39

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2. Das Untersuchungsobjekt Organisation

Kubicek41 • Die Grundidee ist die, daß die Situation die Organisation beeinflußt. 42 Es gibt insofern keine optimale Organisations- und Strukturform, die für alle Organisationen empfohlen werden kann. Die organisatorische Gestaltung und Effizienz ist also abhängig von den jeweiligen situativen Bedingungen. Die Hauptkonsequenz dieser Sichtweise ist die, daß keine allgemeingültigen Aussagen mehr getroffen werden können, sondern Aussagen immer nur vor dem Hintergrund der jeweiligen Situation bedingte Gültigkeit haben. Methodisch fmdet in diesen Ansätzen eine konsequente Ausrichtung an empirischen und operationalen Forschungsdesigns43 statt, um Organisationen miteinander vergleichbar zu machen. Kontingenztheoretische Ansätze wurden stark kritisiert. Die Ursache hierfür lag insbesondere darin, daß die empirischen Ergebnisse zu relativen und sich häufig widersprechenden Erkenntnissen filhrten und man insofern die Brauchbarkeit dieser Untersuchungen anzweifelte. Darüber hinaus ist an situativen Ansätzen zu bemängeln, daß diese kein theoretisch geschlossenes Konzept anbieten. Dennoch kann in der konsequenten empirischen, operationalen und systematischen Orientierung ein entscheidender Vorstoß im Hinblick auf praxisnahe Organisationsvariablen sowie filr die Akzeptanz überprütbarer theoretischer Annahmen gesehen werden. Eine weitere Strömung läßt sich durch den Begriff der evolutionsorientierten Organisationsforschung44 zusammenfassen. Die evolutionsorientierten Ansätze lassen sich dadurch charakterisieren, daß sie davon ausgehen, daß eine zielorientierte Gestaltung von Organisationen nur bedingt möglich ist, da die Kontrolle der relevanten Parameter nur begrenzt gegeben ist. Vielmehr ist der Wandel von Organisationen und Änderungen des Verhaltens in und von Organisationen das Ergebnis eines zufälligen Prozesses der Variation, Selektion und Mutation. 45 Organisationale Veränderungen sind damit das Resultat eines Anpassungsprozesses, bei dem sich solche Organisationen durchsetzen, die bessere Anpassungsstrategien an gegebene Umweltbedingungen ermöglichen bzw. Nischen finden, die ihr Überleben gewährleisten. Die evolutionsorientierte Organisationsforschung, mit der biologische Aspekte Einzug in die

41 Zum Gegenstand, Begriff, Erkenntnisinteresse und empirischen Untersuchungsergebnissen des situativen Ansatzes vgl. insb. KieserlKubicek 1978b, S.1 05-152. 42 Vgl. ebenda, S.106. 43 Vgl. ebenda, S.112ff. 44 Für einen Überblick über die evolutionsorientierte Organisationstheorie siehe Kieser 1992. Zur evolutionsorientierten Organisationstheorie mit systemtheoretischem Bezug vgl. z.B. Malik (1979). 45 Vgl. Kieser 1992, S.1758; S.1760ff.

2.2 Entwicklungsgeschichte der Organisationsforschung

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Organisationstheorie finden, ist in vielen Bereichen deckungsgleich mit systemtheoretischen Ansätzen und soll aus diesem Grunde nicht weiter skizziert werden. Bei der entscheidungs orientierten Organisationsforschung kann man zwischen entscheidungs logischen bzw. -mathematischen und entscheidungsverhaltensorientierten Ansätzen unterscheiden. Die entscheidungslogische Organisationsforschung zeichnet sich dadurch aus, daß es um das Finden optimaler Entscheidungen unter den Gesichtspunkten Sicherheit, Unsicherheit und Risiko und die Ableitung von Entscheidungsregeln durch Entwicklung meist mathematischer Entscheidungsmodelle geht, die eine optimale Verteilung, Zuweisung und Koordination von Entscheidungen vomehmen. 46 Ansätze, die der entscheidungslogisch orientierten Organisationsforschung zugeordnet werden können, sind z.B. die Teamtheorie und die Spieltheorie. Die Teamtheorie bezieht sich hierbei auf Gruppen, wobei es darum geht, durch Entscheidungs-, Informations- und Kommunikationsregeln die optimale Problemlösung zu gewährleisten. 47 Bei der Spieltheorie werden mögliche Spielsituationen konstruiert, die dann als Modelle für reale Entscheidungssituationen fungieren und das Entscheidungsverhalten entsprechend lenken sollen, wobei hier die Bildung von Koalitionen und Anreizsystemen bei Annahme von Konflikten einbezogen werden. 48 Die entscheidungsverhaltenswissenschaftlich orientierte Organisationsforschung legt ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung der Einflußfaktoren, die das Zustandekommen und die Wirkung individueller und gruppenorientierter Entscheidungen zum Inhalt hat. Sie ist stärker an den ablaufenden Prozessen bei Entscheidungen orientiert, da das Entscheidungsverhalten als Prozeß aufgefaßt wird. 49 Hier stehen die Einflußfaktoren und Prozesse der Zielbildung sowie die Prozesse des Aushandeins von Entscheidungen bei Annahme von Konflikten im Vordergrund. Neben entscheidungsorientierten, kontingenztheoretischen und systemtheoretischen Organisationsansätzen sind in der Modeme auch noch informati-

46 Vgl. zur entscheidungsorientierten Organisationstheorie HiIllFehlbaumlUlrich 1981, S.430f. 47 Vgl. zur Teamtheorie HiIIlFehlbaumlUlrich 1981, S.431; Frese 1984, S.297f. 48 Vgl. HiIIlFehlbaumlUlrich 1981, S.430f. 49 Vgl. Hoffmann 1976, S.169. Auf individueller Ebene wird hier die Theorie der kognitiven Dissonanz angeführt, auf kollektiver Ebene findet sich die Koalitionstheorie, Anreiz-Beitrags-Theorien sowie Konflikttheorien (vgl. Hoffmann 1976, S.180ff.).

2. Das Untersuchungsobjekt Organisation

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onstheoretische Ansätze zur Organisationsforschung anzusiedeln. Die Ursache hierfür liegt in der zunehmenden Computerisierung der Unternehmen, die an Wichtigkeit gewinnt. 50 Hier lassen sich zwei grobe Richtungen unterscheiden: Die eine Forschungsrichtung beschäftigt sich primär mit Fragen zur Modellierung, Gestaltung und Unterstützung organisatorischer Prozesse, Entscheidungen und Informationsbedürfnisse durch Informationssysteme51 und fUhrte zu einer Institutionalisierung der Wirtschaftsinformatik. Die zweite Richtung untersucht die Auswirkungen von Informationstechnologien auf organisatorische Prozesse, Sozialfaktoren u.ä. 52

Darüber hinaus sind in diese Epoche auch der Transaktionskosten- und Principal-Agency-Ansatz einzuordnen, die zu den "New Institutional Economics" gehören. Diese Forschungsrichtung beschäftigt sich weniger mit der Beschreibung von organisationellen Phänomenen, sondern sucht nach Erklärungen für die Existenz von Institutionen und Begründungen dafür, unter welchen Bedingungen Transaktionen über den Markt und wann über Unternehmen abgewickelt werden und stellt hierbei eine Verbindung von Mikroökonomie, Organisationstheorie und Rechtswissenschaft her. 53 Im Transaktionskostenansatz (TKA), von Williamson54 vorangetrieben, wird davon ausgegangen, daß Transaktionen als Vertragsproblem aufzufassen sind und aus diesem Grunde Kosten der Vertragsgestaltung und der Überwachung anfallen. 55 Hierzu werden verschiedene institutionelle Regelungen oder Koordinationsformen angeboten. Solche institutionellen Koordinationsformen sind der Markt, Unternehmen (Hierarchie) oder relationale Verträge56 • Die Frage ist nun die, unter welchen Bedingungen welches Überwachungssystem gewählt wird. Annahme ist, daß die KoordinationsaIternative gewählt wird, bei der Transaktionskosten eingespart bzw. minimiert werden können. 57 Ein ähnliches Konzept stellt auch der Principal-Agency-Ansatz (PAA) 58 dar. Der Ausgangspunkt ist der, daß "ein Zielkonflikt zwischen Auftraggeber und

Vgl. Grochla 1975, S.15. Vgl. zu den Möglichkeiten und Grenzen von Informationssystemen in Unternehmen, den Informationsbedürfnissen und den Grundlagen von Informationssystemen Czap 1990a. 52 Einen Überblick über diese Richtung gibt Kubicek 1979. 53 Vgl. für einen Überblick über die Neue Institutionenökonomik Richter (1990). 54 Siehe zum Transaktionskostenansatz Williamson 1990. 55 Vgl. ebenda, S.22f. 56 Vgl. hierzu ebenda, S.47f.; Picot 1989, S.366f. 57 Vgl. hIerzu Williamson 1990, S.19 sowie GurbaxanilWhang (1991), S.63ff. 58 Zum Gegenstand und Grundproblemen der Agency-Theorie siehe Eischen (1991). 50

51

2.2 Entwicklungsgeschichte der Organisationsforschung

31

Auftragnehmer besteht oder bestehen kann, weil die Auftragnehmer ebenso wie die Auftraggeber im Eigeninteresse handeln, also "opportunistische" Ziele verfolgen"s9. Grundproblem hierbei ist das Bestehen von Informationsasymmetrie, d.h. einer der Beteiligten (in der Regel der Auftraggeber) besitzt aufgrund von "Qualitätsunsicherheit", "holdup" oder "moral hazard" weniger Informationen. 6O Gegenstand des PAA ist nun die Frage nach der Gestaltung und Entwicklung eines optimalen Koordinations-, Kooperations- und Anreizsystems61 unter der Annahme von Informationsasymmetrie und des opportunistischen Verhaltens von Principal und Agent, um eine optimale und effiziente LeistungserfUllung zu erreichen. In der letzten Zeit sind darüber hinaus verstärkt Ansätze zu beobachten, die die Neu- und Umstrukturierung in und von Organisationen in den Mittelpunkt stellen. Sie lassen sich unter dem Begriff der "Prozeßorientierung"62 zusammenfassen. Konzepte, die hier einzuordnen sind, stellen Z.B. das Total Quality Management, Lean Management, Prozeßmanagement, Business Process Reengineering sowie Process Reengineering dar. Gemein ist diesen, daß sie eine ablauforientierte Unternehmensorganisation propagieren. Dabei lassen sich die Ansätze im Hinblick auf die betrachtete Ebene sowie ihre Reichweite unterscheiden. So erweitert das Total Quality Management "das Streben nach Produkt-(Dienstleistung) und Prozeßqualität auf das gesamte Unternehmen. Das Ziel der Fehlerfreiheit bezieht sich auf die gesamte Leistungserstellung"63. Das Reengineering bezieht sich stärker auf die Identifikation und den Entwurf von Prozessen und versucht auf dieser Basis, alte Strukturen und Abläufe zu erneuern, d.h. setzt stärker auf der Reorganisationsproblematik auf. 64 Die Prozeß-

S9 Ebenda, S.1004. Opportunismus bedeutet damit, daß sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer mögliche Gestaltungsspielräume zu ihrem Vorteil nutzen wollen. 60 Vgl. zu den Ausprägungen von Informationsasymmetrie Spremann (1990), S.567ff. Qualitätsunsicherheit bezeichnet den Fall, daß dem Auftraggeber die Qualifikation des Auftragnehmers nicht bekannt ist, oder aber er kann das Zustandekommen des Arbeitsergebnisse, also z.B. den Arbeitseinsatz des Auftragnehmers, nicht beurteilen (moral hazard) bzw. der Auftragnehmer nutzt bewußt vertragliche Gestaltungsspielräume aus (holdup). Als Auftraggeber (Principal) kann man z.B. den Unternehmer anführen, als Auftragnehmer die Geschäftsführung (Agent). 61 Zu dem Themenkomplex der Kooperationsdesigns vgl. Spremann (1990), S.576ff, insb. S.58If. 62 Ein guter Überblick über die Schlagworte der Prozeßorientierung findet sich in Gaitanides/ScholzlVrohlingslRaster 1994. 63 Gaitanides/ScholzlVrohlings 1994, S.14. Fehlerfreiheit bezieht sich hierbei auf die Qualitätssicherung. 64 Eine kritische Bestandsaufnahme zum Business Reengineering geben OsterlohIFrost (1994).

2. Das Untersuchungsobjekt Organisation

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orientierung spiegelt sich in der Unternehmensführung als Prozeßmanagement wider: Prozeßmanagement "umfaßt planerische, organisatorische und konrollierende Maßnahmen zur zielorientierten Steuerung der Wertschöpfungskette eines Unternehmens hinsichtlich Zeit, Kosten und Kundenzufriedenheit"M. Darüber hinaus fmdet in diesem Bereich eine starke Kopplung zur Wirtschafts informatik statt, die mit Hilfe von Datenmodellierungstechniken Prozesse und Prozeßabläufe abbilden und in ein prozeßorientiertes Informationsmanagement66 sowie elektronische Vorgangsbearbeitungssysteme umsetzen. Beispiele hierfUr sind "Computer Supported Cooperative Workflow Systems (CSCWS)"61. In diesen Zusammenhang sind gleichfalls Ansätze einzuordnen, die eine unternehmensübergreifende Perspektive thematisieren und auf die strategische Bedeutung und Möglichkeiten von Unternehmensnetzwerken, virtueller Integration68 u.ä. hinweisen, d.h. die Verbindung selbständiger Organisationen in einem Kooperationsverbund69 als strategischen Erfolgsvorteil beurteilen. Bewertung der Modeme Die modeme Organisationsforschung kann zum einen dadurch charakterisiert werden, daß sie einen Komprorniß zwischen klassischer und neoklassischer Denkweise vollzieht.1° Überwog in der klassischen Organisationsforschung die Idee der rationalen und effizienten Gestaltung der Organisation unter vollkommener Vernachlässigung sozialer und humaner Faktoren sowie in der Neoklassik die Überbetonung von personellen und sozialen Aspekten, so zeichnet sich die Modeme durch eine Gleichverteilung dieser organisationstheoretischen Perspektiven aus. Diese Tendenz läßt sich insbesondere an der entscheidungsorientierten und kontingenztheoretischen Forschung festmachen. Wesentlich jedoch ist fUr diesen Entwicklungsschritt zum anderen, daß die einzelnen organisationstheoretischen Ansätze hier in theoretisch-konzeptioneller sowie in begrifflicher Hinsicht eindeutige Konturen erhalten. Anders formuliert, Ansätze in diesem Zeitraum sind dadurch zu charakterisieren, daß sie vor dem Hintergrund eines (relativ) geschlossenen theoretischen GrundgeTÜstes argumentieren und je ein festgelegtes, begriffliches Aussagesy-

Gaitanides/ScholVVrohlings 1994, S.3. Siehe hierzu z.B. Schwarzer/Krcmar (1995). 61 Siehe zur Motivation und Modellierung von Workflow-Management-Systemen Jablonski (1995). 68 Siehe hierzu z.B. Sydow/Windeler 1994. 69 Siehe hierzu ausfilhrlich CzaplHaas 1995, die ein Informationssystem filr die Koordination und Kooperation von Krankenhäusem (COCOHOP) in einem Nutzungsverbund entwickeln. 10 Vgl. Hoffmann 1976, S.123. 65

66

2.3 Abgeleitete Fragestellungen zur Organisationsforschung

33

stern verwenden. 71 Hinzu kommt, daß neben internen Organisationsanalysen eine ganzheitliche Betrachtungsweise72 von organisationstheoretischen Fragestellungen in den Vordergrund tritt. Die Vielzahl und vor allem die Unterschiedlichkeit an organisationstheoretischen Perspektiven nimmt dadurch in diesem Zeitraum noch stärker zu, als dies in der Neoklassik der Fall war. Es vermischen sich ganzheitliche Betrachtungsweisen mit internen Analysen, verhaltensorientierte Ansätze mit struktur- und zweckorientierten Ansätzen usw. AuffiUlig ist hier vor allem mit Aufkommen von evolutionsorientierten Organisationsansätzen der Einzug biologischer Konzepte in die Organisationsforschung. 73 Es läßt sich zusammenfassend zur Modeme festhalten, daß hier sehr viele neue Sichtweisen von Organisationen auftauchen und diese sehr stark miteinander verbunden werden. Darüber hinaus sind insbesondere solche Ansätze vertreten, die sich mit grundsätzlichen Organisationsproblemen beschäftigen (wie es z.B. bei der Transaktionskosten- und Principal-Agency-Theorie der Fall ist) bzw. eine vollständige Reorganisation und veränderte Sichtweise von Organisationen7• fordern (wie dies die evolutionsorientierte und prozeßorientierte Organisationsforschung verdeutlichen). Insofern kann die modeme Organisationsforschung als Ausdruck einer prinzipiellen Krise der Organisationsforschung oder -praxis interpretiert werden, wie dies bereits in der Problemstellung angedeutet wurde, da hier ein radikales Umdenken zum Ausdruck gebracht wird. 75

2.3 Abgeleitete Fragestellungen aus Schlußfolgerungen zum Stand der OrganisatioDsforschung Natürlich ist es schwierig, aus diesen sehr allgemein gehaltenen Ausruhrungen Aussagen zum Stand der Organisationsforschung zu treffen, zumal hier

71 72

u.a.

Dies zeigen z.B. der Transaktionskosten- und Principal-Agency-Ansatz. Dies verdeutlichen z.B. kontingenztheoretische Ansätze, prozeßorientierte Ansätze

73 Dieser Aspekt wird durch die Systemtheorie noch verstärkt, wie die nachfolgenden Gliederungspunkte zeigen werden. 74 Gemeint ist hier die Sichtweise von Organisationen anhand biologischer Prinzipien sowie die ganzheitliche Betrachtung. 75 Dieser Aspekt findet sich gleichermaßen im systemtheoretischen Organisationsansatz wieder.

3 SlÜnzner

34

2. Das Untersuchungsobjekt Organisation

nicht alle relevanten Ansätze aufgeftlhrt werden können. Bezogen auf die Zielsetzung der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung lassen sich jedoch aus den bisherigen Ausftlhrungen einige Aussagen über die Organisationsforschung und über die Notwendigkeit weiterftlhrender Arbeiten ableiten. Dlugos, Eberlein und Steinmann charakterisieren das Wissenschaftsziel der Betriebswirtschaft folgendennaßen: "Als Realwissenschaft soll die Betriebswirtschaftslehre zugleich theoretische Erklärungen und Prognosen erarbeiten (theoretisches Wissenschaftsziel) wie auch praktisch verwendbare Erkenntnisse über die (optimale) Gestaltung menschlicher Handlungsprozesse in Betrieben gewinnen (pragmatisches Wissenschaftsziel)"76. Bezogen auf das pragmatische Wissenschaftsziel ist festzustellen, daß dieses eine durchgängige Gemeinsamkeit der Organisationsforschung darstellt. Damit ist gemeint, daß die pragmatische Orientierung allen betriebswirtschaftlichen Organisationsansätzen gemein ist, d.h. die letztendliche Zielsetzung der betriebswirtschaftlichen Ansätze besteht darin, Lösungen fl1r praxisrelevante Maßnahmen und Konzepte zu fmden. 77 Die Ursache fl1r die Betonung des pragmatischen Wissenschaftsziels ist auch in der in Punkt 2.1 genannten Zweck-Mittel-Schematik zu sehen, die insbesondere die Aspekte der effizienten Gestaltung und Steuerung von Organisationsvariablen hervorhebt und damit natürlich auch eine stark pragmatische Komponente enthält. Die pragmatische Orientierung läßt sich auch an den in Punkt 2.1 dargestellten Merkmalen der Organisationsforschung festmachen, bei der herausgestellt wurde, daß die Interessensschwerpunkte insbesondere in der Effizienz-

76 DlugoslEberieinlSteinmann 1972, S.ll.

77 Vgl. hierzu auch Ruffner 1972, S.188. In der Literatur werden vier mögliche Zielsetzungen genannt: Die pragmatische, die theoretische, die normative und die deskriptive, die allerdings in der Regel als Mischformen vorkommen (vgl. hierzu Schweitzer 1993, S.1526). Die pragmatische Zielsetzung läßt sich dadurch kennzeichnen, daß sie auf praxisrelevante Gestaltungsmaßnahmen abzielt. Die theoretische Zielsetzung liegt in der Entwicklung eines logikorientierten Konzeptes. Die normative Orientierung läßt sich dadurch beschreiben, daß hier idealtypische Sollregeln entwickelt werden, die als Vorgabe für die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen dienen. Bei der deskriptiven Ausrichtung steht die reine Beschreibung von organisatorischen Sachverhalten im Mittelpunkt. Ihre Verbindung zur theoretischen Zielsetzung ist evident.

2.3 Abgeleitete Fragestellungen zur Organisationsforschung

35

steigerung, Optimierung und Zweckausrichtung liegen. 71 Die Betonung einer pragmatisch orientierten Sichtweise wurde im übrigen auch bei einer Übertragung der Systemtheorie auf Organisationen eingenommen und wird zu einem späteren Zeitpunkt noch ausftlhrlich behandelt. Bezogen auf das theoretische Wissenschaftsziel der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung läßt sich feststellen, daß in dieser Hinsicht eine starke Zersplitterung der Organisationsforschung auszumachen ist. Im Hinblick auf ihren theoretischen Erklärungsansatz unterscheiden sich die Organisationsansätze erheblich voneinander, so daß eine Vielzahl unterschiedlicher Ansatzpunkte und Erklärungsmuster gegeben ist. So geht, wie im vorangegangenen Punkt deutlich wurde, der Transaktionskostenansatz von opportunistischem Verhalten als Grundprämisse aus, Kontingenztheorien heben die Abhängigkeit von Effizienz von verschiedenen Kontextfaktoren hervor, evolutionsorientierte Ansätze erklären Verhaltensänderungen über spontane, zufällige Prozesse. Es ist also feststellbar - und dies ist als der zentrale Ausgangspunkt filr die weitere Arbeit zu betrachten -, daß nach wie vor ein integrierender theoretischer Grundrahmen der Organisationsforschung fehlt. Zwar sind in der modemen Organisationsforschung eine Vielzahl theoretischer Konzepte aufgebracht worden, man kann aber dennoch sagen, daß kein gemeinsamer Bezugsrahmen filr die Organisationsforschung insgesamt existiert. Dies zeigt sich bereits an der Vielzahl der unterschiedlichsten Organisationsdefmitionen und fmdet seinen weiteren Verlauf bei den Forschungszielen, Problemstellungen und den daraus resultierenden Prinzipien, Prozessen und Annahmen. Anders formuliert kann man feststellen, daß die Organisationsforschung durch eine starke Ausdifferenzierung unterschiedlicher Einzelkonzepte ohne einheitlichen Bezug (mit Ausnahme des Erkenntnisgegenstandes im weitesten Sinne natürlich) charakterisiert ist. Diese Tendenz wird noch dadurch verstärkt, daß gleichfalls eine starke Vermischung verschiedener Forschungsansätze stattfmdet, d.h. die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen nutzen die Konzepte anderer Disziplinen und setzen sie unter ihrer je spezifischen Fragestellung ein. Diese Vermischung der einzelnen Wissenschaftsperspektiven ist insbesondere in der neueren Organisationsforschung feststellbar und zeigt sich z.B. daran, daß in der Betriebswirtschaft psychologische bzw. verhaltenswissenschaftliche

71 Erst in jüngerer Zeit rücken Ansätze in den Vordergrund, die dieser Orientierung nicht mehr vollständig entsprechen, sondern stärker das theoretische Wissenschaftsziel forcieren. Solche Ansätze sind z.B. der Transaktionskostenansatz und evolutionäre Organisationstheorien.

3*

2. Das Untersuchungsobjekt Organisation

36

Ansätze (z.B. Motivationstheorien) einbezogen wurden. Man kann also weiter feststellen, daß ein interdisziplinärer Bedarf in der Organisationsforschung zu bestehen scheint. Gleiches gilt ebenso für die Organisationssoziologie. Türk merkt hierzu an: "Auch heute existiert wie in der Vergangenheit keine einheitliche abgegrenzte Organisationssoziologie'