Symbolische Ordnungen umschreiben: Autorität, Autorschaft und Handlungsmacht [1. Aufl.] 9783839410424

Das Autoritätsgefüge scheint im Wandel begriffen. Anhand von Fallstudien aus Theorie und Kunst zeigt die kulturwissensch

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Symbolische Ordnungen umschreiben: Autorität, Autorschaft und Handlungsmacht [1. Aufl.]
 9783839410424

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Materialauswahl und Vorgehen
Abriss der Kapitelinhalte
I. Konstellationen ›väterlicher‹ Autorität
Auftakt
Anlehnung und Ambivalenz
Legitimität und Grundlosigkeit
Ursprungsmacht
Tautologie, Bevollmächtigung, Mehrgenießen
Krisenhafte Konstellationen
Nachtrag: »The transformation … does not exist«?
II. Positionen, Dispositionen, Positionierungen: Wissenschaftliche Refl exivität als kritische Handlungsoption? (Pierre Bourdieu)
Situierung
Der Sinn für das Spiel
Libidosozialisation
Soziale Transformation und Refl exivität
Wissenschaftliche Interessen und Blicke
Gegen sich selbst
Triebkraft
III. Drive’s creation: Das Triebschicksal der Sublimierung (Joan Copjec)
Anlehnung, Verführung, Verdrängung
Liaison mit der Idealbildung
Ersetzung einer Objektbesetzung
Erhebung eines Objekts
Der Idealisierung entgegen – Narzissmus und Objekt
Das Subjekt und andere
Vom Begehren zum Trieb?
Zur Logik des Über-Ich
Sexuierung, nicht-alle
Abschluss
IV. Erregendes Sprechen: Verführerische Autorität und parler-femme (Luce Irigaray)
Listen väterlicher Autorität: Ein- und Ausstieg
Autoritative Phantasmen
Sprechen und Schweigen
Mimetik
Platons Drama
›Weibliches Genießen‹
Unsagbar?
Stimmen des Genießens
Das Sprechen genießen
Nicht-Existenz
Ausblick
V. ›Brutale‹ Interventionen: The Destruction of the Father (Louise Bourgeois)
»Take your seat at the Bourgeois table; we’re dining on Daddy tonight!«
Autorschaftsfragen
›Vorläufer‹
Kleinsche Positionen und Interventionen
Beißende Attacken
»Manchmal wird die Phantasie gelebt«
Lebensgeschichtliche Äußerungen – Assoziativer Nachtrag
VI. Momente unbestimmter Bedeutung: Phantasie, Aff ekt und rebellische Handlungsmacht (Homi K. Bhabha)
Ein in der Schwebe gelassener Satz?
Fäden spinnen
Grenzgefechte
Mimikry
Paranoia und westliche Ratio
Zirkulierende Zeichen, Phantasien und Aff ekte
Weiterschreiben
VII. Eine Frage der Manipulation? Zur Handlungsdimension des ›Vergrupptseins‹ (Laibach)
Kontexte
»Die Slowenen sind die besseren Deutschen«
Opus Dei – Geburt einer Nation
One Vision
Geburt einer Nation (One Vision)
Gebt mir ein Leitbild
Stimme hören
Bildliche Facetten
Zusammenspiel
Was wollen sie wirklich?
Manipulationsvorstellungen – das ›vergruppte‹ Individuum
Populäre Musik – Publikumsmanipulation?
Manipulation als Mandat und Verfahren
Manipulation der Übertragung
Ausklang: »The strategy is the same, the contexts are diff erent«
Schluss
Literatur
Abbildungen

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Insa Härtel Symbolische Ordnungen umschreiben

2009-03-20 11-50-45 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02de205448441800|(S.

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) T00_01 schmutztitel - 1042.p 205448441824

Insa Härtel (PD Dr. phil. habil.) ist Kulturwissenschaftlerin und Diplom-Psychologin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Konzeptionen kultureller Produktion, psychoanalytische Kunst- und Kulturtheorie, Geschlechter- und Sexualitätsforschung.

2009-03-20 11-50-45 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02de205448441800|(S.

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) T00_02 seite 2 - 1042.p 205448441848

Insa Härtel Symbolische Ordnungen umschreiben Autorität, Autorschaft und Handlungsmacht

2009-03-20 11-50-45 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02de205448441800|(S.

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) T00_03 titel - 1042.p 205448441856

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2009 transcript Verlag, Bielefeld Zugl.: Bremen, Univ., Habil.-Schr., 2008 Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Insa Härtel Satz: Justine Haida, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1042-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

2009-03-20 11-50-46 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02de205448441800|(S.

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) T00_04 impressum - 1042.p 205448441864

Inhalt

Einleitung ...................................................................................................... 9 Materialauswahl und Vorgehen ................................................................ 18 Abriss der Kapitelinhalte ........................................................................... 22

I. Konstellationen ›väterlicher‹ Autorität ................................................ Auftakt ......................................................................................................... Anlehnung und Ambivalenz ..................................................................... Legitimität und Grundlosigkeit ................................................................ Ursprungsmacht ........................................................................................ Tautologie, Bevollmächtigung, Mehrgenießen ....................................... Krisenhafte Konstellationen ...................................................................... Nachtrag: »The transformation … does not exist«? .................................

27 27 32 38 41 43 48 54

II. Positionen, Dispositionen, Positionierungen: Wissenschaftliche Reflexivität als kritische Handlungsoption? (Pierre Bourdieu) .................................................................................. Situierung ................................................................................................... Der Sinn für das Spiel ................................................................................ Libidosozialisation ...................................................................................... Soziale Transformation und Reflexivität .................................................. Wissenschaftliche Interessen und Blicke ................................................ Gegen sich selbst ........................................................................................ Triebkraft ....................................................................................................

57 63 65 68 71 75 80 84

III. Drive’s creation: Das Triebschicksal der Sublimierung (Joan Copjec) ........................................................................................ 89 Anlehnung, Verführung, Verdrängung ................................................... 91 Liaison mit der Idealbildung ..................................................................... 96 Ersetzung einer Objektbesetzung ............................................................ 98 Erhebung eines Objekts ............................................................................ 100 Der Idealisierung entgegen – Narzissmus und Objekt ......................... 104 Das Subjekt und andere ............................................................................ 108 Vom Begehren zum Trieb? ....................................................................... 113 Zur Logik des Über-Ich ............................................................................. 116 Sexuierung, nicht-alle ............................................................................... 119 Abschluss ................................................................................................... 125

IV. Erregendes Sprechen: Verführerische Autorität und parler-femme (Luce Irigaray) ..................................................................................... Listen väterlicher Autorität: Ein- und Ausstieg ...................................... Autoritative Phantasmen ......................................................................... Sprechen und Schweigen ......................................................................... Mimetik ...................................................................................................... Platons Drama ........................................................................................... ›Weibliches Genießen‹ ............................................................................. Unsagbar? .................................................................................................. Stimmen des Genießens ......................................................................... Das Sprechen genießen ............................................................................ Nicht-Existenz ............................................................................................ Ausblick ......................................................................................................

V. ›Brutale‹ Interventionen: The Destruction of the Father (Louise Bourgeois) ............................................................................... »Take your seat at the Bourgeois table; we’re dining on Daddy tonight!« .............................................................. Autorschaftsfragen .................................................................................................. ›Vorläufer‹ .................................................................................................. Kleinsche Positionen und Interventionen ............................................... Beißende Attacken .................................................................................... »Manchmal wird die Phantasie gelebt« .................................................... Lebensgeschichtliche Äußerungen – Assoziativer Nachtrag ...............

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VI. Momente unbestimmter Bedeutung: Phantasie, Affekt und rebellische Handlungsmacht (Homi K. Bhabha) .............................................................................. Ein in der Schwebe gelassener Satz? ........................................................... Fäden spinnen ........................................................................................... Grenzgefechte ........................................................................................... Mimikry ..................................................................................................... Paranoia und westliche Ratio ................................................................... Zirkulierende Zeichen, Phantasien und Affekte ................................... Weiterschreiben .........................................................................................

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VII. Eine Frage der Manipulation? Zur Handlungsdimension des ›Vergrupptseins‹ (Laibach) ............................................................................................. Kontexte ...................................................................................................... »Die Slowenen sind die besseren Deutschen« ....................................... Opus Dei – Geburt einer Nation ............................................................. One Vision ................................................................................................ Geburt einer Nation (One Vision) ........................................................... Gebt mir ein Leitbild ................................................................................. Stimme hören ............................................................................................ Bildliche Facetten ..................................................................................... Zusammenspiel ........................................................................................ Was wollen sie wirklich? .......................................................................... Manipulationsvorstellungen – das ›vergruppte‹ Individuum ............... Populäre Musik – Publikumsmanipulation? ......................................... Manipulation als Mandat und Verfahren ................................................ Manipulation der Übertragung ............................................................... Ausklang: »The strategy is the same, the contexts are different« .........

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Schluss ........................................................................................................ 281 Literatur ...................................................................................................... 287 Abbildungen ............................................................................................. 323

Besonderen Dank an: Prof. Dr. Sabine Broeck Thomas Disselkamp Kathrin Heinz Dr. Olaf Knellesssen Prof. Dr. Elfriede Löchel Prof. Dr. Sigrid Schade ... und an all die, die mir in Gesprächen in Bremen und Hamburg, Basel, Zürich, Ljubljana, Ithaca/New York wertvolle Anregungen und Hinweise gegeben haben. An Sonja Witte Dank für konstruktives Korrekturlesen. Ich danke den Gutachter/innen und der Habilitationskommission. Dank an die Universität Bremen.

Einleitung

An dem nun vorliegenden Text haben eine Reihe von Phantasien, vielerlei Affekte und Triebkräfte mitgewirkt. Diese herauszuarbeiten ist nicht explizit (oder nur sehr bedingt) Gegenstand dieser Studie – wohl aber die Frage, welche Rolle solche Dimensionen in aktuellen Konzepten kultureller Artikulation spielen können. Dieses Projekt geht aus von der These einer Transformation westlicher Autoritätsgefüge und eruiert sie anhand von ›Fallstudien‹ im Bereich kultureller Produktion. Ich frage, welche Dimensionen von Autorschaft oder Handlungsmacht potentiell zu Tage treten, wenn die Bindungen an ›väterliche‹ Autoritätsideale in Frage oder in ihrer Kontingenz zur Debatte stehen. Hierzu diskutiere ich vier theoretische Entwürfe sowie zwei künstlerische Arbeiten, welche allesamt eine Differenz zu herkömmlichen symbolisch-autoritativen Strukturen artikulieren. Wie wird dabei das produzierende oder handelnde ›Subjekt‹ (oder auch subjekt-entgrenzendes kulturelles Handeln) gedacht? Welcherart Phantasmen, Gewalt- und Genießensdimensionen – denn um deren Neuverhandlung geht es hier – geraten in den Blick? Mit dieser, hier psychoanalytisch ausgerichteten kulturwissenschaftlichen Fragestellung greift die vorliegende Untersuchung zunächst dezidiert in langjährige Debatten um das Thema ›Autorschaft‹ ein. In diesen wird z.T. hoch differenziert diskutiert, wie sich beispielsweise das produzierende Subjekt in das wissenschaftliche oder künstlerische Produkt einschreibt oder ob der/die Autor/in (etwa in Sachen Intention oder Biographie) bei dessen Interpretation eine notwendige Rolle spielt. Die Antworten fallen auch in Abhängigkeit von den jeweils zum Tragen kommenden traditionellen Mythen und Idealen unterschiedlich aus. Denn die Analysen haben es einerseits mit dem ›mythischen‹ Image des ›authentischen‹ KünstlerAutors samt »Ausnahmelizenzen für exzentrisches Verhalten« (Schade/ Wenk 2005, S. 154) zu tun, wie es sich in der Frühen Neuzeit begründet, exemplarisch etwa in Genievorstellungen des 18./19. Jahrhunderts und bis in die Gegenwart zeigt (vgl. etwa: Neumann 1986; Kris/Kurz 1995; Hoffmann-Curtius/Wenk 1997; Schade 2001 und 2007; Ruppert 2000). Andererseits ist im Bereich der Wissenschaft bekanntlich ein a-perspektivisches

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UMSCHREIBEN

Objektivitätsideal zum Thema geworden, das jegliche Subjektivität oder individuelle Charakteristiken zurückweist (vgl. Daston 2003) (wobei diese Entpersönlichung der Autorität individueller Autor/inn/en keineswegs abträglich sein muss) (vgl. Ernst 1999, S. 101). Die ›Autor-Funktion‹ (Foucault 2001) wirkt also historisch und diskursspezifisch auf durchaus verschiedene Weise. – Kann der Künstler schließlich als ›Vater‹ (seiner Werke) und als ›Held‹ erscheinen (vgl. Kofman 1993), so wird in dem auf ein objektives Wissen setzenden universitär-wissenschaftlichen Diskurs der Bezug des Wissens zum Subjekt (und zu dessen Wünschen etc.) ausgeklammert (vgl. Waltz 2001, S. 108; Löchel/Härtel 2006). Das Subjekt, so Žižek, »setzt sich als der sich selbst auslöschende Beobachter (und Vollstrecker)« von – dem neutralen Wissen zugänglichen – ›objektiven Gesetzen‹« (Žižek 2004, S. 224).1 Die imaginären Modelle, die hier auf beiden Seiten am Werk sind, sind eben keineswegs unwidersprochen geblieben: ›Der Schöpfer‹ als Zentrum der Interpretation in Literatur und Kunst wird seit geraumer Zeit Hinterfragungen unterzogen.2 So wurde etwa die »geschlechtsspezifische, auf Oberschichten hin orientierte, oft nationalistische und ethnozentrische Verfaßtheit des kunsthistorischen Meister-Diskurses« (Schade/Wenk 2005, S. 155), die Verflechtung von Autorschafts- mit imperialistischen Diskursen (vgl. Frenk 2003, S. 65 u.a. mit Bezug auf Said) oder auch der westlich-individualistische Autorschaftsbegriff in seinen Beziehungen zum internationalen ›geistigen Eigentum‹ in den Blick genommen (vgl. etwa Woodmansee/Jaszi 1999). Ebenso wird auf die Interessenbedingtheit von Erkenntnis und Wissen hingewiesen und, mit durchaus unterschiedlichen Zielen und Traditionen, Wissenschaftskritik z.B. als Ideologiekritik betrieben (vgl. Maasen 1999, Heuermann 2000).3 Weiter kommt es zu Bestrebungen, das produzierende Subjekt in die Wissenschaft einzubeziehen – ein Anliegen etwa kulturanthropologischer Ansätze oder qualitativer Sozialforschung (vgl. dazu z.B. Flick 1996; vgl. Geertz 1990 bzw. auch die Debatte um Writing Culture: Clifford/Marcus 1986; Berg/Fuchs 1999): Im ›reflexive turn‹ wird die Forschungstätigkeit in ihren unterschiedlichen Dimensionen einer (autoritäts-)kritischen Revision unterzogen – eine (selbst-)reflexive und repräsentationskritische Bewegung, die sich wiederum auch in eine »positive 1 | Es geht bei Žižek um den Diskurs der Universität im lacanschen Sinn. – In Kombination wird die Gründungsgeste ausgeklammert, der machtvolle Akt der Produktion oder Etablierung des Wissens und seiner Ordnung, welche der universitäre Diskurs von Anfang an voraussetzt (vgl. Žižek 1999b, S. 59f., Lipowatz 1982, S. 145f.). 2 | Vgl. Zusammenstellung bzw. Überblicksdarstellung bei Jannidis u.a. 2000; Wetzel 2000. 3 | Maasen (1999) geht auf Ideologiekritik im Kontext von Wissenssoziologie und deren Historie ein.

E INLEITUNG | 11

Selbstverortung wissenschaftlicher Positionen« wenden lässt (BachmannMedick 2007). 4 Die Bestimmung von Subjektpositionen hat an Relevanz gewonnen; von Feminist, Black oder Postcolonial Studies ist längst eine reflektierte Bestimmung und verantwortliche Übernahme der soziokulturellen Position des Sprechenden, sind Politiken der Lokalisierung eingefordert worden (vgl. etwa Rich 1986; vgl. Broeck 1999, 2002). Dekonstruktion von Autorschaftsmythen – Positionierung des kulturellen Akteurs: Die in sich notwendig divergenten Kritiken an den herkömmlichen Umgangsweisen mit Autorschaft können auch in (produktiven) konflikthaften Konstellationen münden, wie z.B. feministische Auseinandersetzungen zeigen: Ist das Subjekt in seiner geschlechtlichen Positioniertheit zu bezeichnen – oder ist die Zuschreibung solcher Positionen und deren kulturelle Relevanz mit Blick auf patriarchale Traditionen gerade zu hinterfragen? (vgl. Nieberle 1999, Cherry 1997; Miller 1990; Kamuf 1980; 1988) Anders gefragt: Lässt sich aus einer geschlechtersensiblen Sicht der Ende der 1960er Jahre von Barthes verkündete und dann zum Schlagwort gewordene »Tod des Autors« mittragen?5 Barthes zufolge wäre ein Text bekannt lich nicht so sehr an den Autor bzw. dessen Intention gebunden, als dass er sich als ein Gewebe kultureller Zitate erweist, welches sich einer Fixierung des Sinns mit Bezug auf eine übergeordnete Autorität entzieht. Der Autor erscheint danach kaum mehr als ›Vater‹ seiner Werke (Barthes 2000, 1998).6 Der postulierte Tod des Autors (stets im Sinne eines Konzepts) wäre aber auch in seinen verwickelten Konsequenzen für diejenigen zu bedenken, die niemals in eine vergleichbare privilegierte Position aufgestiegen sind (vgl. Tickner 1990 mit Bezug auf Jo-Anna Isaak): muss eine Figur nicht erst einmal ›gelebt‹ haben, bevor sie gleichsam ›sterben‹ kann? (vgl. Battersby 1989, S. 146)7 – So kann etwa, wie Nieberle festhält, 4 | Es werden auch gerade in der (an-)erkannten Situiertheit begründete Vorstellungen von Objektivität entwickelt (vgl. dazu mit Bezug u.a. auf Harding und Haraway: Ernst 1999). 5 | Vgl. Spivak 1993: »[T]he words ›the Death of the Author‹ have become a slogan, both proving and disproving the Authority of the Author« (S. 105). 6 | »Barthes’s essay constituted a revolutionary critique of conventional conceptions of authorship and interpretation, part of the ›veritable revolution‹ of structuralism and poststructuralism [Couturier]. But it was also part of a more general critique of authority itself […]« (Bennett 2005, S. 13). – Nach Jannidis u.a. (1999b) war der Umstand, dass die Autorkritik durch Barthes und Foucault im Umfeld der 1968er Bewegung erschien, »für die Durchsetzung der Theorie von erheblicher Bedeutung« (S. 15). – Die Positionen Barthes’ (2000 [1968]) und Foucaults (2001 [1969]) sind dabei durchaus divergent (Foucault kritisiert in seinem Aufsatz u.a. Konzepte, die auch bei Barthes eine Rolle spielen). 7 | Die etwa für Kunstgeschichtstheorie gerade der 1980er und 1990er Jahre durchaus einflussreiche Vorstellung vom Autor-Tod »has been protested by

12 | S YMBOLISCHE O RDNUNGEN

UMSCHREIBEN

»die Frage nach dem Tod der Autorin nicht eindeutig beantwortet werden« (Nieberle 1999, S. 271; – vgl. auch Weigel 1990, 1987; Ecker 1994). Des Autors Tod hat entzündend gewirkt – noch die Debatten von dessen »Rückkehr« (oder gar »Rache«) (vgl. Simion 1996, Burke 1999, Jannidis et al. 1999 und Schiedermair 2000)8 werden nicht selten explizit mit Bezug auf Barthes geführt. Mit der Rückkehr-Metapher kann sich dabei das Anliegen verbinden, auf differenzierte Weise den »Bezug zwischen Autor und Text […] solange als sinnvolle Analysekategorie anzuerkennen, bis das Gegenteil erwiesen ist […]« (Jannidis et al. 1999b, S. 34). Zugleich verbinden sich mit dem Bild einer Rückkehr verschlungene Bewegungen von Lust und Begehren: So wird etwa bei Barthes selbst der Autor (weiter ohne »Vaterrechte« und auch kein »Held einer Biographie«) als ein im Text begehrter angerufen, und: »Die Lust am Text« ist auch begleitet von einer »freundschaftliche[n] Wiederkehr« des (nicht als eine Einheit wirkenden) Autors (Barthes 1996, S. 43 und 1986, S. 12). Oder aber es wird die Infragestellung eingeführter Grenzziehungen thematisiert, welche die praktisch unumgängliche Aufnahme des Wirkens des Subjekts – was etwa Dimensionen seines Begehrens oder Strebens, des (Auto-)Biographischen o.ä. betriff t – in die theoretische Darstellung des Textes potentiell mit sich bringt (vgl. Burke 1999, S. 189ff.). Die ›Rückkehr des Autors‹, so lässt sich sagen, kann nicht nur eine eher kategorisierende oder sinn-sondierende Seite ansprechen, sondern offenbar auch verunsichernd-›heimsuchende‹ Bewegungen ins Werk setzen. Es bleibt, mit oder ohne Barthes festzuhalten: Die Frage nach dem Autor-Subjekt scheint die Theorie selbst herauszufordern; der Autor operiert auch als »principle of uncertainty in the text« (ebd., S. 190; dazu insgesamt Härtel 2007). Die Herausforderung und Verunsicherung, die (diesseits imaginärer Panzerungen) das produzierende Subjekt oder auch ein das Subjekt selbst many feminists, including ourselves, on the grounds that the exaggerated adulation of heroic authorship was declared to be passé just when women began to take the stage as authors/artists« (Broude/Garrard 2005, S. 11). Broude und Garrard distanzieren sich nachträglich, insofern sie schreiben: »But perhaps we have been identifying with the wrong part of this equation« (Frauen hätten nicht nur als »authors« bedeutende kulturelle Rollen übernommen). Ohne die Einschränkungen zu negieren, wäre es nun die richtige feministische Strategie »not to complain that we don’t have access to cultural power, but simply to recognize and claim the power and agency that women have had and continue to exercise« (ebd., S. 22): »Reclaiming female agency« (so der Titel des Buches, das aus meiner Sicht z.T. problematische Charakterisierungen von feministischer Forschung und auch von Psychoanalyse vornimmt). 8 | Vgl. auch Ulf Wuggenig 2004: »Den Tod des Autors begraben«. – Zur Auseinandersetzung mit dem ›Tod des Autors‹ vgl. auch die Debatten um Autorschaft und neue Medien.

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entgrenzendes kulturelles Handeln für die Theorie darstellen kann, ließe sich gar zum Motto der vorliegenden Arbeit erklären.9 Was diese vorhat, soll sich nun zunächst differentiell durch das, was sie unterlässt, erweisen: Meine Untersuchung leistet nicht, die Spuren des Subjekts im kulturellen Produkt nachzuzeichnen.10 Sie versteht sich weder als eine (noch immer notwendige) Arbeit an (noch immer wirksamen) Autorschaftsmythen, noch macht sie sich für eine neue Verwendung des Autorbegriffs stark. Auch argumentiert sie nicht im Sinne einer Politik der Positionierung. Sie nimmt auf die Autorschaftsdebatte aber insofern Bezug, als die Verabschiedung der Bezugnahme auf den Autor ihren Ausgangs- wenngleich nicht ihren Endpunkt bildet. Von Interesse sind hier Überlegungen aus Theorie und Kunst, die nicht herkömmlichen Autorschaftsmodellen, Mythisierungen oder ›autorentleerten‹ Objektivitätsidealen folgen, sondern durch den ›Tod des Autors‹ quasi ›hindurchgegangen‹ sind und eine anders geartete ›Wiederaufnahme‹ des kulturell tätigen Subjekts eruieren, und zwar mit der Frage: Wie werden Artikulationen angetrieben und hervorgebracht, die nicht in herkömmlich-autoritativen Strukturen funktionieren? Wenn diese Studie also die Verbindung von Autorschaft und Autorität problematisiert, so geschieht dies nicht unter dem Vorzeichen der ›Vaterschaft‹ des Autors selbst, wie es der Bezug auf den ›Tod des Autors‹ oder wie es auf andere Weise auch die Etymologie (auctor/itas) nahe legen könnte,11 wenn sie Autorität mit Erzeugung oder Urheberschaft verknüpft. D.h. die Autorität des Künstlers/Wissenschaftlers12 ist nicht mein Gegenstand. Vielmehr geht es um die Frage, wie kulturelle Produktion, wie das Wirken eines ›Subjekts‹ in einer Differenz zu (sich verändernden) ›paternal‹-autoritativen Strukturen konzipiert werden kann. – Womit sich potentiell auch die Subjektkonzeption selbst verändert, d.h. es werden auch subjekterweiternde oder -überschreitende Produktionen relevant. Möglichkeiten des Handelns im Verhältnis zu übersubjektiven autoritativen Strukturen sind auf bestimmte Weise auch ein Thema der – ähnlich weit reichenden – Debatte um Structure und Agency, welche damit Einzug erhält; sie löst jene um Autorschaft in der vorliegenden Untersuchung quasi ab.13 Zunächst einmal verzichtet der hier von mir verwendete Begriff kultureller Produktion oder kulturellen Handelns auf die Abgrenzung des 9 | Ohne dabei Burke weiter zu folgen. – Vgl. zu Burke auch ders. 2008. 10 | Ich theoretisiere also nicht so sehr das Wirken des Subjekts im Text

– oder auch das Begehren nach dem Autor. 11 | Von lat. augere. 12 | Ich benutze die männliche Schreibweise dann, wenn diese Form auf traditionelle Modelle verweist. 13 | Ich beziehe mich vornehmlich auf strukturalistisch informierte Debatten (so wie es auch die von mir untersuchten theoretischen Ansätze sind).

14 | S YMBOLISCHE O RDNUNGEN

UMSCHREIBEN

Feldes ›geistiger‹, intellektueller oder künstlerischer Gestaltungen und bezieht potentiell sämtliche Lebensäußerungen und Praxen einer Gruppe mit ein. Die von mir beforschten Konzepte handeln nicht allein von einem Kunst oder Wissenschaft produzierenden Subjekt, sondern auch von z.B. alltäglichen oder politischen Sprechweisen und Handlungsdimensionen;14 Unterscheidungskriterien werden entsprechend nicht entlang den Linien traditioneller sozialer Wertschätzung entwickelt und so kommen mit meiner Fragestellung und Materialauswahl also auch eher als autorschaftsfern geltende Äußerungsformen zum Zuge. Wenn sich in meiner Lektüre von theoretischen und künstlerischen Arbeiten eine Dichotomie zwischen Hoch- und Alltagskultur als ebenso wenig haltbar erweist wie eine absolute Trennung von textuellen und bildhaften (o.a.) Erzeugnissen (vgl. dazu Schade/Wenk 2005, S. 148), dann folge ich damit an dieser Stelle, das sei hier eingefügt, einem erweiterten, gewebeartigen Kulturbegriff, wie er sich in der neueren Kulturtheorie etwa in der Nachfolge von Barthes’ Semiologie darstellt, welche genau die ›Sprachen‹ auch alltäglicher Gegenstandsbereiche untersucht (Barthes 1970, 1988, 1990; zur Kulturtheoriediskussion vgl. etwa Nünning/Nünning 2003, Moebius/Quadfl ieg 2006). – Die stärker praxistheoretische Frage rund um Handlungspotentiale kommt dabei dann in der Weise der Bezugnahme kultureller Artikulationen auf symbolische Ordnungen zum Tragen: Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Struktur und Handeln dreht sich in langer Tradition, kurz gesagt, um die Frage, ob Handeln eher auf den individuellen Akteur oder auf soziale Strukturen zurückzuführen ist. Sie prägt spezifisch auch das theoretische Feld sozialwissenschaftlicher Kulturtheorien bzw. dieses Feld ist, Reckwitzs’ Darlegung folgend, von einer Konfliktlinie zwischen ›holistischen‹ Positionen (repräsentiert durch die Tradition des kulturwissenschaftlichen Strukturalismus) und ›subjektivistischen‹ Ausrichtungen (ver fügbar durch verstehend-interpretative Ansätze in der Sozialphänomenologie) durchzogen. Entsprechend wird die Structure-Agency-Beziehung different gefasst (Reckwitz 2000, S. 173f., 178f.; vgl. Waltz 2002). Ausgehend von der Frage, ob die in den Kulturtheorien zur Handlungserklärung herangezogenen symbolischen Deutungszusammenhänge im Sinne eines intentional-gerichteten (bewussten) Verstehens des Subjekts oder eines übersubjektiven, dem Subjekt vorgängigen und ihm unbewussten Differenzsystems zu fokussieren wären (vgl. Reckwitz 2000, S. 177, S. 180f.), hat sich schließlich eine Konvergenzbewegung dieser Positionen vollzogen (Reckwitz 2000) – oder eine Ergänzung der strukturalistischen Ansätze um den Aspekt der Agency 15 (starkes Beispiel 14 | Davon ist nicht tangiert, dass es im Handeln natürlich durchaus einen Unterschied machen kann, in welchem Feld man gerade agiert (vgl. dazu Bourdieu, Kap. II). 15 | »Wenn man genau hinschaut, ist [die] Konvergenz nicht symmetrisch:

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für die Modifi kation des strukturalistischen Ansatzes: Pierre Bourdieu). Auf der Grundlage der das intentionale Subjekt dezentrierenden übersubjektiven Ordnungen werden etwa Arten des ›Verstehens‹ durch den Akteur aufgegriffen, welche diese Ordnungen handlungswirksam, d.h. Handeln möglich machen (vgl. Reck witz 2000; Waltz 2002). Auch auf diesem Feld, so ließe sich sagen, vollzieht sich (aus struk turalistischer Richtung geblickt) eine Art ›Rückkehr‹ des Akteurs oder ›Subjekts‹, aber auf eine Weise, die den nicht bewussten Manifestationen vorgängiger Strukturen im Handeln weiter Rechnung trägt. Stellt sich so die Frage nach der Handlungsmacht in sozio-symbolischen Strukturen neu, so ist dabei nicht nur von Interesse, wie deren Zusammenspiel reibungslos funktioniert, sondern auch, inwiefern die Handlung des Subjekts autoritative Kontexte nicht einfach nur reproduziert. Prominent wäre hier Judith Butlers Performativitätstheorie zu nennen (die sich gerade auch in einer Abgrenzung von Bourdieu platziert; vgl. Kap. II).16 Performative Äußerungen sind demnach durchaus in der Lage, mit vorgängigen Autoritäten zu brechen bzw. diese zu enteignen (vgl. Butler 1998).17 Das Subjekt wird Szene einer Ambivalenz, indem es sich durch eine Unterwerfung unter übersubjektive machtvolle Strukturen konstituiert und dabei zugleich eine Handlungsfähigkeit entsteht, die diesen Strukturen potentiell wider steht (vgl. Butler 2001). Dass sich die Aufmerksamkeit auf die Sinnsysteme18 oder auch ›kulturelle Codes‹ richtet und sodann z.T. auf die möglichen Differenzen, die sich in der Wiederholung im Handeln produzieren, kann nun selbst schon als Indiz für kulturell infragegestellte Autoritäten – letztlich auch des Autors – gelesen werden. Denn diese werden hier nicht als selbstverständlich genommen, wohl aber dann jene Dezentrierung des Subjekts. Schließlich werden, wie bei Butler, (historisch spezifisch) transgressive Praktiken in den Mittelpunkt gestellt Der Strukturalismus muss um den Aspekt der agency, der auf die phänomenologische Tradition verweist, nur ergänzt werden, die interpretativen Theorien dagegen müssen ihr subjektzentriertes Fundament durch ein holistisches ersetzen« (Waltz 2002, S. 2). 16 | Zu dieser Auseinandersetzung vgl. etwa Butler 1998, MyNac 2000, 2004, Lovell 2003 … – Sowohl bei Bourdieu als auch bei Butler geht es dabei immer auch um die körperliche Materialität sozio-symbolischer Praktiken. 17 | Zwar können für Butler Sprechakte mit ihren Kontexten zusammenhängen, doch sie können auch im Äußerungsvorgang Autorität gewinnen und die Kontexte verändern (vgl. Butler 1998, S. 226ff.). 18 | »Seit den siebziger Jahren treffen die Kulturtheorien gleichzeitig auf eine sich rasant von der organisierten Moderne zur ›Hochmoderne‹ wandelnde westliche Gesellschaft, für die die Erfahrung mit Kontingenzen und Differenzen von Sinnsystemen und den daraus folgenden Problemen kollektiver und individueller Identität prägend ist […]« (Reckwitz 2000, S. 47).

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(vgl. Reckwitz 2004).19 Bereits die Tatsache der Problematisierung der je handlungsleitenden kulturellen Strukturen und deren (Nicht-)Funktionieren und/oder der dabei entstehenden Reibungen zeugt, so die These, von einer gewissen Ent-Selbstverständlichung. Solche Überlegungen fließen in meine Ausführungen ein, insofern ich gerade versuche, Annahmen über eine sich transformierende autoritative Bindungsstruktur auf Ent würfe kultureller Artikulationsmöglichkeiten zu beziehen (und umgekehrt). Mit den viel beschworenen Veränderungen sozio-symbolischer Autoritätsgefüge geht es mir also um die – diskutable – These, dass sich die bindende Kraft paternaler Autorität in westlichen Gesellschaften einem verringerten Glauben ausgesetzt sieht (diese Zusammenhänge werden in Kap. I ausgeführt). Welche Handlungsdimensionen also können im Zuge dieses Abzugs in den Blick geraten? – Um sich einer Beantwortung dieser Frage zu nähern, entwickelt die vorliegende Studie nun keine alternative ›eigene‹ Theorie, sondern untersucht theoretische und künstlerische Materialien,20 die sich sämtlich durch einen Versuch auszeichnen, ein in der bisherigen autoritativ-symbolischen Ordnung Ungedachtes zu artikulieren – ein Versuch, der hier jeweils die Bezugnahmen auf diese Ordnung und deren Beschaffenheit (wie auch die des Subjekts) tangiert. Zum Beispiel geraten, wie sich zeigen wird, die immer auch beteiligten imaginären Dimensionen der herrschenden autoritativen Gefüge verstärkt in den Blick – und dies wird Grundlage für die Artikulation einer Differenz oder auch: eines different verfassten Symbolischen. Verhandelt wird also nicht nur das Verhältnis des handelnden Subjekts zur symbolischen Ordnung, sondern auch derer beider Verfasstheit selbst. In diesem Sinne wird in jedem Fall eine ›autoritative Umorganisation‹ vor- oder aufgenommen (ohne notwendig explizit davon zu handeln). Es ist dieses gemeinsame Charakteristikum, durch das die Frage nach veränderten soziosymbolischen Autoritätsgefügen hier Einzug erhält.21 Wenn ich also theoretische oder künstlerische Entwürfe kultureller Pro19 | Reckwitz spricht (Bourdieu und Butler diskutierend) von einer »historisch-lokale[n] Kontingenz im sozialen Umgang mit Routinsiertheit [sic!] oder Unberechenbarkeit, die von Praktik zu Praktik variiert« und die »praxistheoretische Analysen aufzeigen können« sollten (2004). 20 | D.h. Kunst und auch Theorie selbst wird hier eben zum Material des Theoretisierens. 21 | Und es ist nicht zuletzt die Aufmerksamkeit für das, was jeweils in der gegebenen autoritativen Ordnung ausfällt oder aus ihr fällt, die hier auch ein theoretisches Verständnis impliziert, welches im Hinblick auf kulturelle Praxen mit den (lacanschen) Registern des Symbolischen, Imaginären und Realen operiert. Diese Begriffe Lacans »öff nen die psychoanalytische Theorie […] auf das intersubjektive und kulturelle Feld« (im Žižek-Kontext: Hetzel/Hetzel 2006).

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duktion mit Konzepten symbolisch-autoritativen Wandels verzahne, wenn ich sie auf die sich in ihnen zeigende Dimension von Autorschaft bzw. Handlungsmacht in ihrer Relation zu einer solchen Abänderung befrage, dann gehe ich zunächst davon aus, dass sie an soziokulturelle Strukturen (oder an den Diskurs über diese) gebunden sind. Wie aber diese Bindungen aussehen können, ist gewissermaßen Teil der Frage. Wichtig ist mir an dieser Stelle festzuhalten, dass es mir nicht um kausale Zuschreibungen geht oder darum, im Material nach Bestätigungen für jenen autoritativen Wandel, etwa im Sinne einer ›Krise‹ zu suchen (was mir wichtig auch deshalb erscheint, um nicht einer mit einem ›Krisendiskurs‹ in der Autoritätsfrage gelegentlich verbundenen Verlustrhetorik zu erliegen). Eher schon verhält es sich umgekehrt bzw. steht eine wechselseitige Befragung auf dem Programm: Wie gestalten sich die Verhältnisse an den konkreten Materialien, wie wird das jeweilige kulturelle Handeln mit Bezug auf – und in Differenz zu – ›väterlich-autoritative(n)‹ Strukturen vorgestellt? Welche Vorstellungen von Subjekt und symbolischer Ordnung und welche Affekte22 treten zutage? Denn, wie sich zeigen wird, sind es eben gerade solche Dimensionen, die kulturell neu verhandelt werden. Daher greift meine Untersuchung in den einzelnen Kapiteln (und quer zu diesen) Diskussionen rund um Trieb (s. Kap. II-V) oder Genießen (Kap. III-IV), Gewalt oder Aggression (Kap. VVII) sowie Phantasma (Kap. IV-VII) auf und in diese ein. So führt mein Weg vom ›Tod des Autors‹ zu den Phantasmen und Erregungen, die in den ausgewählten ›Handlungsentwürfen‹ wirksam sind – durchaus mit dem Ziel, nicht nur diese Entwürfe in ihren Potentialen und Grenzen zu analysieren, sondern auch Tendenzen und Ambivalenzen zu eruieren, die mit den veränderlichen autoritativen Gefügen potentiell selbst verbunden sind. Damit sollen letztlich auch Denkräume eröffnet werden, die über polarisierende Debatten in Sachen Autorität hinausweisen. Insofern meine Arbeit die Befragung der als ›väterlich‹ geltenden Ordnungen also anhand eines theoretischen und künstlerischen Materials untersucht, das divergente kulturelle Artikulationsformen greif bar macht, und sie so mit den Debatten um Autorschaft und Agency – und diese selbst miteinander – verknüpft, ist sie ein Beitrag zur Kultur- und auch zur Kunsttheorie sowie, vergessen wir nicht: zur Psychoanalyse.

22 | Der Begriff des Affekts ist vielschichtig. Ich fasse unter diesem Begriff Arten von Genießen, Aggression o.a. und verwende ihn nicht im Sinne eines vorgängigen ›Außerhalb‹ des Symbolischen – und auch nicht im Sinne einer Absorption des Sexuellen, der Angerer in ihrer Untersuchung des ›affektiven Dispositivs‹ nachgeht (in der sie etwa die Suche nach der ›unmittelbaren Wahrheit des Affektiven‹ in den Blick nimmt) (Angerer 2007).

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Materialauswahl und Vorgehen Mein entschieden interdisziplinäres Material ließe sich leicht in verschiedene Kontexte einsortieren: Da sind Pierre Bourdieus (kultur-)soziologische Refl exivitäts-Überlegungen innerhalb seiner Habitus-Feld-Theorie; es finden sich Joan Copjecs lacanianischer Entwurf von Sublimierung, Luce Irigarays ›dekonstruktiv‹-feministischer Ansatz eines ›Frau-Sprechens‹ und Homi Bhabhas postkolonial gerahmter Zugang zu rebellisch-interrogativer Handlungsfähigkeit; schließlich haben wir Louise Bourgeois’ ›biographisch unterfütterte‹ Destruction of the Father und Laibachs totalitär-manipulative Ost-Industrial-Inszenierung oder ähnliches mehr. Doch solcherart Klassifi kationen sind nicht mein Ausgangspunkt. Zeit-räumlich ist der Herkunft der Arbeiten allein eine Entstehung ab dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts und mindestens eine Bezugnahme auf westlich-kulturelle Phänomene gemein. Letzteres ist für meinen (auf westlich-autoritative Strukturen bezogenen) Untersuchungsgegenstand keinesfalls unerheblich, sondern relevante Auswahlbedingung. Die auf dieser Basis weiter notwendige Eingrenzung23 ist dann zunächst der Fragestellung geschuldet: Es wurden solche Arbeiten herangezogen, die zumindest implizit, in Details, einen Bezug zum Verschwinden oder ›Tod des Autors‹ erkennen lassen und die zugleich, wie oben skizziert, eine Differenz zu ›paternal-symbolischen‹ Ordnungen artikulieren. Ihnen innewohnende Annahmen zu ›väterlich‹-autoritativen Setzungen, zum Autor oder paradigmatischen Subjekt und auch zu dessen ›Tod‹ bieten quasi im Hintergrund die Bühne für andere Handlungsräume. Dabei verstehe ich die Untersuchung der einzelnen Entwürfe nicht so sehr als beispielhaft, sondern mehr als offene ›Fallstudien‹. Diese Einzelstudien, die zunächst für nichts anderes als ›für sich‹ stehen – was auch die eher konventionell daherkommende Kapitelgliederung nach Autor/inn/en (!)24 oder einzelnen Ansätzen ergibt –, können dann in Korrespondenz treten, d.h. ein Geflecht bilden, durch das sich auch thematische Fäden ziehen, und so ein gemeinsames Feld beschreiben. Solche erkennbaren Querbezüge (und nicht chronologische Erwägungen o.ä.) haben dann auch die Reihenfolge der Anordnung bestimmt, so dass sich nachträglich ein Bild ergibt, in dem an den Schnittstellen der Kapitel gemeinsame Fragen und Themen stehen.

23 | Eine Eingrenzung, die immer auch ein Gewaltakt ist – vgl. in anderem Zusammenhang Weigel 1987: »Ich spürte immer deutlicher, daß ich an einem unabschließbaren Projekt arbeitete und mußte die notwendigen Grenzziehungen oftmals mit einiger Gewalt vornehmen, – ebenso wie den vorläufigen Abschluß der Untersuchungen und der Lektüre« (S. 344). 24 | Zeigt sich hier wieder ein Begehren nach dem Autor…?

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Auch um solche Übergänge und -hänge zu ermöglichen, hat mich bei der Auswahl letztlich die Anschlussfähigkeit der theoretischen und künstlerischen Entwürfe an psychoanalytische Theorie geleitet. Psychoanalyse, just zu einem Zeitpunkt entstanden, in der eine ›Krise väterlicher Autorität‹ artikuliertes Thema war (vgl. Kap. I), verspricht nicht zuletzt deshalb eine besondere Eignung, zur Erhellung von deren Funktionsweise beizutragen. – Auch wenn sie in den hiesigen literatur- oder kunstwissenschaftlichen Autorschaftsdebatten gewöhnlich nicht explizit im Mittelpunkt steht, hat m.E. gerade die psychoanalytische Forschung einiges zum Thema beizutragen: Obschon vor Mythisierungen beileibe nicht immer gefeit, stiftet sie, ernst genommen, zu einem ›Mord‹ »am Künstler als Genie, am großen Mann« (Kofman 1993, S. 31, vgl. S. 34) an.25 Zugleich wird die Blickrichtung von Wissenschaft verkehrt, indem sie das in deren Tradition oft abgewehrte Subjekt und dessen Wünsche fokussiert (vgl. Härtel/Löchel 2006). So ist mit einer psychoanalytischen Ausrichtung immer schon in Aussicht gestellt, weder einer Mythisierung des Autors noch einer vermeintlichen autorlosen ›Objektivität‹, Neutralität des Diskurses oder ähnlichem auf den Leim zu gehen. Ähnliches ließe sich für die Agency-Debatte ableiten – in der psychoanalytischem Denken auch ein angestammter Platz gebührt, insofern es eben genuin das Subjekt dezentriert und (gerade in seiner strukturalen Variante) dessen Unterworfensein unter eine übersubjektive symbolische Ordnung konzipiert; nicht ohne jedoch die sich dabei einstellenden ›Fehlleistungen‹, ›Reibungen‹ und Weisen des ›Scheiterns‹ mitzudenken (vgl. Kap. II). So betrachtet, sind Autorschafts- und AgencyDiskussionen ohne Psychoanalysen des ›Subjekts‹ kaum zu denken. Es gibt also bereits vom Thema meiner Untersuchung her gedacht gute Gründe, die Psychoanalyse zu einer Grundlage für das Arrangement möglichen Untersuchungsmaterials zu machen. Zu guter Letzt aber ist es die Faszination, die mich die definitive Auswahl psychoanalyse-anschlussfähiger Entwürfe hat treffen lassen. Ein Ergriffensein, das, durchaus im Sinne Freuds, forschungsleitend werden kann – erst nachträglich (nach einem Deutungsvollzug) lässt sich gegebenenfalls in Erfahrung bringen, »warum ich einem so gewaltigen Eindruck unterlegen bin« (in anderem Zusammenhang Freud 1914b, S. 173f.; vgl. dazu Härtel 2006). Es bleibt – und dies betriff t hier wiederum meine Autorschaft – immer ein Rest in der Wahl der Forschungsgegenstände, der sich nicht methodisch oder thematisch ableiten lässt: Man ist sich in den Erwählungen, Erregungen, Entscheidungen und auch Ausblendungen unmöglich transparent, ist ihnen immer auch ausgesetzt, getrieben, hingegeben (ohne damit der Verantwortung entbunden zu sein). Damit ist nicht nur bereits ein von der 25 | Schon der psychoanalytische Begriff des Unbewussten stellt z.B. grundlegend auch die Vorstellung bewusst-intentionalen Handelns in Frage.

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Psychoanalyse nahe gelegtes thematisches Motiv der vorliegenden Studie variiert; vielmehr, wiederum ver fahrenstechnisch, ist es gerade in einer psychoanalytisch orientierten Arbeit über Autorschaft und Handlungsmacht unergiebig, diese Kluft 26 fi ktiv zu verstellen … Davon wiederum ist auch die Frage nach der ›Leserschaft‹ berührt, die als ›allgemeine‹, im Sinne etwa eines Konzepts finaler Erklärungen, verabschiedet wird (stattdessen kommt die figurative Konstellation aus Subjekt, Objekt und Adressaten in den einzelnen Kapiteln mit den dortigen Fragestellungen je unterschiedlich zum Tragen). Das Abenteuer des Affiziertseins in der Gegenstands- und Erkenntnisgewinnung berührt die Theoriebildung selbst – bzw. den »Immunschutz, der dem Common sense nach die ›Objektivität‹ der wissenschaftlichen Objektbetrachtung auszeichnet« (Schneider 2001, S. 48). Psychoanalytisches Erkennen, und das ist weiter methodisch von Belang, ist selbst von seinen Objekten ›befallen‹: Die »Grenzen zwischen Subjekt und Objekt sowie zwischen Innen und Außen des psychoanalytischen Wissens [sind] keineswegs mit jener untrüglichen Sicherheit zu ziehen […], die man gemeinhin von einer Wissenschaft verlangt« (ebd., S. 47f., vgl. S. 51). – Das bedeutet für die hier vorliegende Untersuchung auch: Die Beforschung des Materials erfolgt nicht von einem von Anfang an distanzierten Standpunkt aus. Weniger wird mit gebührendem Abstand das jeweilige Stück Theorie oder Kunst einer Analyse, Einschätzung und -ordnung unterzogen als erst einmal seinen inneren Logiken gefolgt. Ich werde mich also in den ›Fallstudien‹ quasi in die untersuchten Arbeiten oder Textpassagen hineinbegeben und ihre Bewegungen nachzeichnen. Heraus kommt – in je unterschiedlichem Zuschnitt – eine Deskription aufzufindender Dynamiken und im besten Fall geschieht das, was Hörisch für dekonstruktives Lesen beschreibt: »Man kriecht in die Texte hinein, bis man ins Offene kommt. Dann bürgt kein Konglomerat von Verfahrensschritten mehr für die Stimmigkeit« (Hörisch 1998, S. 61). »Es ist wahr, die Psychoanalyse kann nicht von sich rühmen, daß sie sich nie mit Kleinigkeiten abgegeben hat« (Freud 1916-17a, S. 20), doch: »Gibt es nicht sehr bedeutungsvolle Dinge, die sich unter gewissen Bedingungen und zu gewissen Zeiten nur durch ganz schwache Anzeichen verraten können« – wenn es etwa um die »Neigung einer Dame« oder die Suche nach einem Mörder geht (ebd.)? Auch in der wissenschaftlichen Arbeit kann sich nach Freud in glücklichen Fällen ein Weg gleichsam von ›Kleinigkeiten‹ und deren Verknüpfung zu ›größeren‹ Zusammenhängen ergeben … Geht man weniger aus distanzierter Perspektive an den Gesamteindruck von Texten oder künstlerischen Arbeiten heran, sondern eher in diese hinein, um den Blick auch auf untergeordnete (durchaus 26 | Diese Kluft kann auch eine Differenz zwischen Aussage und Aussagen markieren.

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formale) Details (vgl. Freud 1914b, S. 185) und deren Konstellationen zu richten, dann setzt an solchen einzelnen Zügen folgerichtig auch die Deutung an. Eine Deutung, die (wenn immer auch sinngebend-verschließend) dann unumgänglich ist, weil sich eben der gesichtete theoretische oder künstlerische Stoff und die Spuren, die sich darin zeigen, kaum eindeutig ›zu lesen‹ geben. Die Deutungen, die hier inhaltlich eben die Relationen zwischen autoritativem Kontext und zu Tage tretenden Autorschafts- bzw. Handlungsdimensionen betreffen, überbrücken eine Lücke zwischen dem, was signifi kant geschrieben, ge- oder performt ist und dessen ›bedeutender‹ (begehrender) Lek türe. Sie versuchen, ausgehend von der möglichst ›erwartungslosen‹ und ›materialgesättigten‹ Arbeit mit Ausschnitten und Anzeichen im ›Text‹ anzutreffende Dynamiken und Implikationen zu (›re‹-)konstruieren und zum Thema ›sprechen‹ zu lassen. Um also etwas herauszufinden über Produktionskonstellationen diesseits väterlicher Autoritätsfigurationen, werde ich im Folgenden an meine Materialien eine Fragestellung herantragen, deren ›Antworten‹ anhand von Zügen ihrer Logik herauspräperieren und diese schließlich deutend in Beziehung zueinander setzen – wobei die Antworten pendelförmig immer schon auch die Frage bis zu ihrer jetzt vorliegenden Form (um)geschrieben haben. Schließlich ergreift diese Studie – vielleicht auch entgegen einem gewissen Zeitgeist – Partei für die Notwendigkeit dezidiert theoretischer Arbeit (um nicht missverstanden zu werden: für die Notwendigkeit, nicht für deren Ausschließlichkeit). Theorie kann, indem sie Räume des Denkens bereitstellt, all das, was wir für selbstverständlich halten, ins Rotieren bringen und damit als belangreiches kulturelles ›Korrektiv‹ fungieren. Sie ist, wie Culler herausgearbeitet hat, disziplinenübergreifend, kritisch gegenüber dem ›gesunden Menschenverstand‹, ein »Denken über das Denken«; sie ist analytisch und beinhaltet »immer auch ein Ausmaß Spekulation« – unentbehrlich, um überkommene Vorstellungen zu befragen (Culler 2002, S. 27f.). Doch dies, und weil sie nicht zu bewältigen ist, sorgt gelegentlich auch für Widerstand: Man hofft auf Konzepte, die für die Anordnung und das Verstehen wichtiger Phänomene sorgen. Aber obwohl Theorie verbunden ist mit einem »Wunsch nach Beherrschung«, macht sie diese gerade unmöglich – »nicht nur deshalb, weil es stets noch mehr zu wissen gibt, sondern auch, weil, konkreter und schmerzhafter, die Theorie selbst immer wieder ihre vermeintlichen Ergebnisse und deren Prämissen in Frage stellt«; ihre Wirkungen sind letztlich nicht vorhersehbar (ebd., S. 29f.). Man könnte auch sagen: es geht um die Aufrechterhaltung eines Nicht-Wissens. Was man glaubte zu wissen, ist keineswegs gewiss; aber das Denken und das Gespür für Implikationen von Texten bzw. Fragen verändern sich. So dass man am Ende »weder Meister« ist, noch »dort, wo man am Anfang war« (ebd., S. 30).

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Abriss der Kapitelinhalte In pointierter Form soll nun – »man gestatte uns die Vorlust« (Žižek 1991b, S. 139) – ein Abriss der in dieser Arbeit erzählten Geschichten erfolgen. Am Anfang steht eine Darlegung des Funktionierens ›paternaler‹ Autoritätsfiguren, ihrer phantasmatischen Kehrseite und ihrer postulierten ›Krise‹ (Kap. I). Ich lese den ›Vater‹ (mit Žižek und Laplanche) als eine in die symbolische Ordnung einführende, zeitbezogen autoritative Antwort auf die überwältigende rätselhafte Erregung, mit denen der vom inkonsistenten Anderen her ›einbrechende‹ Trieb verbunden ist. Die Bindung an die kulturell platz-zuweisende, ebenso ersehnte und geliebte wie gehasste und gefürchtete väterliche Figur ist gerade in ihrer Ambivalenz zwingend, obwohl Autorität gerade keinen unmittelbaren Zwang, sondern vielmehr ein Anerkennungsgeschehen involviert. Dabei sind durchaus imaginäre (wie auch reale) Komponenten im Spiel, insofern etwa das, was symbolische Autorität ›offiziell‹ aus sich ausschließt, als Ausgeschlossenes in ihr weiterwirkt. Davon sind etwa (teils phantasmatische) Dimensionen von Genießen und Gewalt betroffen, die eben hervortreten, wenn die ›beschwichtigende‹ Funktion des Symbolischen fehlt. Diese Wirkweise ermöglicht eine Deutung sozio-symbolischer Veränderungsprozesse westlicher Gesellschaften. In diesen scheint sich die Beziehung zur ›väterlichen‹ Funktion verändert zu haben. Dies kann zu imaginären Verhärtungen, doch auch zu neuartigen Umgangsweisen mit der (vormals eben ›väterlich beantworteten‹) Inkonsistenz des Anderen führen – und eben dieses Changieren ist Ansatzpunkt meiner folgenden Ausführungen. Überlegungen von Pierre Bourdieu, eine in Theorie und Kunst höchst einflussreiche und gerade auch für Agency- und Autorschafts-Debatten durchaus prominente Figur, bilden sodann den Auftakt der Einzelstudien (Kap. II) – und fallen gleich aus dem Rahmen: Bourdieus Ausführungen stehen hier nicht nur selbst für einen avancierten Versuch, etwas in herrschenden, auf Anerkennung beruhenden symbolischen Ordnungen Ungedachtes zu formulieren, sondern übernehmen zudem die (wohl eher undankbare) Aufgabe, eine Art Folie für die dann folgenden Kapitel bereitzustellen.27 Denn Bourdieus Unternehmen, das auf der Basis einer potentiellen Kongruenz von Welt und Habitus funktioniert, ist anders gelagert als diese (freilich nicht gegensätzlich). Im Rahmen seiner Feld- und 27 | Dies beruht auf meiner Entscheidung für einen spezifisch psychoanalytischen Zugriff, die natürlich charakteristische Anordnungen und auch Ergebnisse nach sich zieht – Untersuchungen des Themas mit anderem (z.B. eher bourdieusch-soziologischem) Zugriff oder Instrumentarium wären ebenso möglich und würden andere Aspekte in den Blick nehmen. (Dabei möchte ich, wie ich in Kap. II noch ausführen werde, auch keineswegs eine grundsätzliche Unvereinbarkeit von Bourdieu und der Psychoanalyse behaupten.)

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Habitustheorie werden von Bourdieu sowohl Ideologien des Autor-Schöpfers, direkte Verknüpfungen von ›Werk‹ und Biographie oder Herkunft wie auch bestimmte Vorstellungen im Umfeld des ›Todes‹ des Autors kritisiert und stattdessen die Beziehungen zwischen Stellungnahmen und Stellungen analysiert. Man äußert sich oder schaff t seine ›Werke‹ demnach auf der Grundlage der erworbenen Dispositionen und in Übereinstimmung mit der eigenen Position im sozialen Feld, d.h. entsprechend den Regeln des Spiels. Speziell interessiert mich das von Bourdieu in verschiedenen Schriften entwickelte Verständnis einer (wissenschaftlichen) Reflexivität und der daraus resultierende, in Textdetails zu findende Umgang mit Inkonsistenz, Libido und Trieb. Geht es hier um eine differenzierte Weise kollektiver (selbst-)reflexiver Positionierung und Objektivierung des (erkennenden) ›Subjekts‹, um dieses gleichsam von seinen Determiniertheiten zu lösen, dann ist darin eine Art distanziertes Verhältnis auch zu den (sozialisiert gedachten) ›Trieben‹ impliziert – was eben eine wichtige Differenz zu den in meiner Untersuchung anschließend diskutierten psychoanalysenahen Entwürfen markiert. Diesen nämlich ist es weniger darum zu tun, das sich artikulierende Subjekt in seiner Lebenswelt zu situieren bzw. positionieren – und/oder sie werden gerade auch den Trieb als eine in autoritativen Kontexten nicht aufgehende Kraft fokussieren. Joan Copjec (Kap. III) schreibt in Imagine there’s no woman das Konzept der Sublimierung um und zwar in Richtung eines kopflosen Wirkens des Triebs. Der ›Autor‹ verschwindet gleichsam, nicht aber jedes leidenschaftliche Ich (›I‹). – Eher schon ist mit Bersani das, was das Autor-Ego ›tötet‹, dasjenige, was das ›Subjekt‹ des Triebs konstituiert. Copjec folgend geht es mit der Sublimierung, die gleichsam als das eigentliche Schicksal des Triebes fungiert (und diesem nicht so sehr unter besonderen Umständen zustößt o.ä.), um die wiederholte erschütternde Erregung in der Beziehung zu einem Objekt, dessen Wert sich durch dessen Wahl durch den Trieb als eben ein Objekt der Befriedigung ergibt. Er ergibt sich nicht etwa durch eine Komponente gesellschaftlicher Anerkennung und Wertschätzung, wie sie seit Freud für Sublimierungskonzepte häufig wesentlich erscheint (Ent würfe, denen ich in diesem Kapitel auch, insofern zum Verständnis Copjecs relevant, nachgehen werde). Die Sublimierung/der Trieb kann in einem solchen Verständnis auch als eine Kraft gelten, die ausgehend von dem Nicht-Symbolisierten einer Situation, von dem, was in ihr unmöglich ist, imstande ist, sich von anerkannten Autoritäten zu lösen. Mit der Befriedigung des (sublimierten) Triebs stellt sich eine Art Unabhängigkeit vom Anderen ein. Copjecs Arbeit lässt sich in Beziehung setzen zu Diskussionen, die Bewegungen vom Begehren zum Trieb formulieren und/oder gegen die Logik des Über-Ich argumentieren. So wird die Sublimierung auch einer ›weiblichen‹ Ethik diesseits von Über-Ich-Strukturen angenähert. Werden auf der ›weiblichen‹ Seite der lacanschen Formel der Sexuierung die Inkonsistenzen im Symboli-

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schen gleichsam erfahrbar? – Ihre Welt, ohne wirksames ›jenseitiges‹ Ideal, scheint in gewisser Weise ›haltlos‹ zu sein, ›die Frau‹ das Subjekt par excellence (›I‹). Auch unter Bezugnahme auf die frühere Arbeit Copjecs, Read my desire, möchte ich die schillernden Bewegungen zwischen Trieb, Sublimierung und der Frau bzw. der Logik des nicht-alle diskutieren. Die Frage sexueller Differenz bildet einen Übergang zu Luce Irigaray, der diese am ehesten als die in unserer Zeit zu denkende Frage und als kulturell ausgeschlossene Möglichkeit (vgl. Kap. IV) erscheint. Bezogen auf die Frage von Autorschaft geht es in irigarayschen Texten weniger um deren Abschaff ung, wiewohl sich in ihnen eine nachdrückliche Subjekt kritik formuliert. Irigarays Name ist u.a. verbunden mit dem Versuch, ein in einer ›Lust der Frau‹ begründetes, das Subjekt entgrenzendes, berührend-erregendes Sprechen zu denken. »Wenn unsere Lippen sich sprechen« macht die sich quasi in direkter Rede artikulierenden Lippen sozusagen zur ›Autorinstanz‹ bzw. zu eben dem, was spricht. Aufgeworfen werden Möglichkeiten nicht identischer, nicht einfach (nicht) metaphorischer, nicht einfach (nicht) körperlicher Bewegungen und ›Artikulationen‹. Bevor ich aber das Frau-Sprechen – auch in Bezug zu lacanschen Konzepten des Triebs und des ›weiblichen‹ Genießens – eruiere, soll die kritisierte ›Logik des Selben‹ im Mittelpunkt stehen, und zwar in Form der (hier u.a. gewaltförmigen, macht-missbräulichen und auf einer Reihe uneingestandener Phantasmen beruhenden) ›väterlichen Autorität‹ in Irigarays Lektüre des platonischen Höhlengleichnisses. Es ist diese Logik, aus deren ausgeschlossener (aber von Irigaray immer mitgelesener) Möglichkeit sich das zu ihr differente Lusterleben der Frau bzw. dessen Artikulationen schließlich ergeben. Inwieweit ist Irigarays verführerisch-mimetische Rede ihrerseits durch ihre fiktionalen Gegner verführt? Ein anderes Höhlenszenario und eine andere ›Handlungsmacht‹, die einem ›weiblichen Ausschluss‹ aus einer ›väterlichen‹ Ordnung entstammt, findet sich in der Arbeit The Destruction of the Father (1974) der Künstlerin Louise Bourgeois (Kap. V), mit der es um einen ›unsauberen‹ Grenzgang zwischen den Registern geht. Es handelt sich um eine in die Wand eingelassene Installation in rötlichem Licht voller ›Partialobjekte‹, als deren Kernstück ein geschwungenes, mit Kugel- und Fleischsegmenten behäuftes tisch- oder altarähnliches Gebilde fungiert. Ich möchte dieser Arbeit ›oraler Aggression‹ v.a. ausgehend von den bisweilen provozierenden Rezeptionen Mignon Nixons nachgehen, die diese Arbeit auf kleinianisches Denken bezieht: Lässt sich Bourgeois im Kontext eines return von Lacan zu Klein lesen, wie er sich in den 1990er Jahren an einigen kulturellen Orten vollzieht? Ich werde in diesem Kapitel einige Charakteristika kleinscher Positionen und Aspekte von deren Rezeption durch Lacan verfolgen, um vor diesem Hintergrund (und wiederum auch mit Nixon) die Frage aufzuwerfen, welche Handlungsmacht die (in der Lesart Lacans) ›brutalen‹ Interventionen Kleins angesichts der Arbeit Bourgeois’ evozieren: Ist

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die – optisch in der Installation und verbal durch den Titel und eine Art überschießendes (auto-)biographisches Nar rativ gerahmte – orale Attacke auf den als ›despotisch‹ eingeführten Vater gerade in ihrer reduzierenden Engführung dazu angetan, ein bislang gefangenes, aggressives Sprechen zu bahnen? In einem völlig anderen, nämlich postkolonialen Kontext und Zugriff dreht sich auch meine Auseinandersetzung mit Homi K. Bhabha um eine Form rebellischer Handlungsmacht, und zwar gerade aus einer Perspektive sozio-kultureller Differenz und Marginalisierung (Kap. VI). Bhabhas vielstimmiges Projekt in The location of culture folgt wiederum nicht der Logik des intentionalen ›Autors‹ und wiederholt ebenso wenig einfach dessen Tod. Ausgehend von intersubjektiven sozio-symbolischen Geweben und durch diese hindurch vollziehen sich Denk-, Sprech- oder Handlungsabläufe, mit zunächst weder kausal-intentionalen noch zufälligen Resultaten. Von Bhabha wird das ›Milieu‹ (Bachtin) intersubjektiver Verhandlungsräume als nicht-konsensuell gedacht. Durch projektiv-autoritative Zuschreibungen – und Bhabhas Texte können durch die Erforschung kolonialer Mechanismen prekäre narzisstisch-paranoide Züge westlicher Autoritätsfiguren verdeutlichen – wird es in seiner Beweglichkeit beschnitten. In einer unabschließbar scheinenden Bewegung bahnt sich, gerade als ersatzweise ›Entschädigung‹ für das, was die Unberechenbarkeit und Unsicherheit macht, eine Art Paranoia, ein Verfolgungswahn den Weg – um sich im Zuschnitt wieder als nicht beherrschbar zu er weisen … Bhabhas Ausführungen binden projektive Phantasien und rebellische Handlungsmächte im Moment indeterminierter Bedeutung zusammen. In Situationen, in denen unkontrolliert zwischen den ›Autoritäten‹ und denjenigen, die durch diese nicht ›repräsentierbar‹ sind, etwa Panik und Angst zirkulieren, kann eine rebellische Handlungsmacht resultieren – gerade durch die partielle Einverleibung von Affekten und Phantasien des (Kolonial-)›Herrn‹. Ein Agieren durch Phantasmen hindurch liefert das Stichwort für das letzte Kapitel (VII), das der Musik-Gruppe Laibach gewidmet ist. Laibach, 1980 in Slowenien gegründet, verwenden optisch und akustisch manipulativ Versatzstücke etwa aus totalitärer Symbolik, Heimat- oder auch Avantgarde-Motivik. Wird von Laibach das Prinzip des Kollektivismus propagiert und das Individuum verabschiedet, so wird nicht so sehr (wie im Diskurs vom ›Tod des Autors‹ potentiell nahe gelegt) einer tyrannischen Vorherrschaft des ›väterlichen‹ Autor-Gottes entgegengetreten, als vielmehr eine programmatische Gleichschaltung und autoritäre Uniformität gepflegt – oder im Spiel sind potentiell ›totalitäre‹ Aspekte sowohl von Personenkult als auch von der Absage an den ›Wert der Person‹. Es wird gleichsam eine Vorstellung von Mechanismen geführter Massen gegeben. Anhand der Cover-Version »Geburt einer Nation« (1987), nehme ich mir das atmosphärisch aufgeladene Stückwerk aus Bild, Text und Ton vor. Neben karikaturhaften Aspekten sind Elemente des laibachschen Videoclips

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m.E. in der Lage, auf der Klaviatur von Verführung und Verführbarkeit zu spielen und durch eindringliche archaisierend-autoritäre Anwandlungen hindurch subjektkonstitutive Phantasien, Ungewissheiten und Affekte zu aktivieren. Über dieses Video hinaus paart sich eine weitgehende Vermeidung eindeutiger Stellungnahmen darüber, wo sie ›wirklich‹ stehen, bei Laibach mit einem durchaus auch bestimmten Auftreten und einer programmatischen Manipulation – welche die Frage, was Laibach ›hinter den Kulissen‹ wirklich wollen, noch forciert. In Laibachs Agieren wird in einer Art Kurzschlussverfahren eine kulturelle Gruppen-Phantasie – eine obszöne Kehrseite öffentlich-autoritativer Strukturen – öffentlich inszeniert und man ist als Rezipient/in mit dem eigenen Begehren wie den eigenen Phantasien und Genießensweisen konfrontiert. Wie also ist die Form der Manipulation beschaffen, die die Gruppe Laibach exerziert? Insofern Laibach das Publikum ›manipulieren‹, indem sie sich quasi absichtsvoll nicht positionieren, ist nicht nur die Frage der Intention, sondern auch die nach der Situierung neu gestellt – und der Bogen meiner Arbeit an seinem Ende angekommen; nicht ohne allerdings in einem komprimierten Schlusswort einige der geschlagenen Fäden miteinander zu verflechten.

I. Konstellationen ›väterlicher‹ Autorität

Folgt man Liepold-Mosser (1995), dann wurde kaum ein Begriff »im 20. Jahrhundert, insbesondere nach den historischen Ereignissen des nationalsozialistischen und faschistischen Totalitarismus, dermaßen zum Gegenstand von Diskursen wie die Autorität« (S. 64). Nach wie vor hat das Thema Autorität Konjunktur – und scheint Symptome hervorzubringen, wie etwa im Fall Bernhard Bueb, langjähriger Schulleiter des Internats Salem, der mit seinem öffentlichkeitswirksamen Bedauern, dass der »Erziehung […] das Fundament« der »vorbehaltlose[n] Anerkennung von Autorität und Disziplin« weggebrochen sei (Bueb 2006, S. 11), die Fachwelt provoziert und dabei nicht zuletzt eine »eigenwillige[r] Geschichtsbetrachtung« betreibt (Brumlik 2007b, S. 59). In der Folge entspinnt sich eine Debatte, in der Buebs Traktat zum Beispiel als »unzureichende Antwort auf eine tatsächlich existierende Krisenlage« gedeutet wird (Brumlik 2007 bzgl. Thiersch, S. 8). In diesem eher deskriptiven, als Hintergrund dienenden Kapitel, vor dem sich die dann folgenden Fallstudien figurieren, sind es eben Diagnosen einer ›Krisenlage‹, die mich, unter psychoanalytischen Vorzeichen, interessieren: Worauf antwortet ›väterliche‹ Autorität, wie begründet sie sich, welche Affekte sind mit ihr im Spiel – und: ist sie in die Krise geraten?

Auf tak t Autorität hat nach Horkheimer »im Leben von Gruppen und Individuen auf den verschiedensten Gebieten und in allen Zeiten eine […] entscheidende Rolle«1 gespielt und lässt sich als »eine zentrale geschichtliche Kategorie« (Horkheimer 1972, S. 300) bezeichnen. In der gesamten Zeitspanne, die die ›Geschichtsschreibung‹ erfasst, hat sich Handeln demnach in einer »Unterwerfung unter eine fremde Instanz« (ebd.) vollzogen. Beim Versuch 1 | – Was »auf der bisherigen Struktur der menschlichen Gesellschaft« beruht (Horkheimer 1972, S. 300).

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einer allgemeinen, abstrakten Definition von Autorität allerdings offenbart sich der »widerspruchsvolle Charakter dieser Kategorie«; unvermittelt treten dann konträre Bedeutungselemente zusammen, die der Begriff auch »infolge geschichtlicher Veränderungen gewonnen hat« (ebd., S. 301). Der darin enthaltenen Zurückweisung einer vorschnell allgemeinen, isolierten Begriffsbestimmung von Autorität möchte ich folgen. Autorität bleibt ein differentieller Begriff in einem theoretischen Gefüge, eingelagert in historische Deutungssituationen. Ich werde in diesem Kapitel (an vielen Stellen notwendig schemenhaft) ein bürgerliches, ›väterlich-ödipales‹ Modell in psychoanalytischer Theoretisierung in den Mittelpunkt stellen. Mit diesem wiederum gewinnt der angeführte widerspruchsvolle Charakter von Autorität (den Horkheimer darauf bezieht, dass sie – je nach analysierter gesellschaftlicher Situation – mal im Sinne der Entfaltung menschlicher Kräfte, mal im Sinne von Verhältnissen wirken kann, die den Interessen der Allgemeinheit entgegenwirken)2 einen zusätzlichen Sinn: Denn die im Folgenden im Fokus stehenden Autoritätsfiguren können als ›in sich‹ widersprüchlich gelten, insofern sie auf einem Zusammenwirken gegenläufiger Strebungen beruhen, aus Ambivalenzen erwachsen. Abschließend werde ich mich dann ihrem kulturellen Wandel, d.h. dem durchaus vielstimmig geführten Diskurs einer sich vollziehenden Transformation zuwenden. Zuallererst aber möchte ich die Aufmerksamkeit auf folgenden Zusammenhang lenken: Wenn sich der Wandel westlich-autoritativer Strukturen jedenfalls bis zu dem sich als Emanzipation von herkömmlichen (feudalen, religiösen) Autoritäten verstehenden Impuls der Auf klärung zurückverfolgen lässt, dann scheint dem sich darin zeigenden bürgerlichen Modell eine ›Krise‹ quasi eingeschrieben – was dann wiederum im Moment einer artikulierten Krise ersichtlich werden kann: Das bürgerliche Denken beginnt als Kampf gegen traditionelle Autoritäten und den Glauben an diese, d.h. gegen das Prinzip der Autorität, wie es sich etwa im theologischen Glaubensgebot manifestiert; dem Glauben wird dabei die Vernunft entgegengestellt (vgl. Horkheimer 1972). Dabei geht die Vernunft schließlich selbst mit einer Irrationalität,3 das bürgerliche Denken selbst mit einer Autoritätsstruktur einher. 4 Doch die Autoritäts- im Sinne etwa einer Herrschaftsstruktur findet 2 | Eine Entscheidung darüber ist nur durch »die Analyse der jeweiligen gesellschaftlichen Situation in ihrer Totalität« möglich. »Es gibt kein allgemein gültiges Urteil in dieser Hinsicht« (Horkheimer 1972, S. 301f.). – Horkheimer unterscheidet nicht zwischen Autorität und autoritärem Handeln. 3 | Vgl. dazu auch »Dialektik der Auf klärung« (Horkheimer/Adorno 1995). 4 | Für Horkheimer geht es um die Geltung bestimmter ökonomischer Prozesse als ›natürlicher‹ Tatsachen o.ä. (vgl. Horkheimer 1972).

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zunehmend keine sichtbare gesellschaftspolitische Repräsentation, ist vielmehr ›selbst-beherrschend‹ internalisiert, in der Affektivität verankert (vgl. Bischof 1984) – ein Prozess der Internalisierung und der Negierung von Repräsentationsfunktion, der in der Neuzeit beginnt, und schließlich dazu führt, dass sich in der bürgerlichen Gesellschaft die Macht »aus der Welt der Repräsentation« zurückzieht (anders als etwa in der Monarchie) (ebd., S. 250). Dies wiederum erfordert eine Verlagerung der Herrschaftsmechanismen ins »Innere der vergesellschafteten Subjekte« (ebd.) – insbesondere dort, wo »normalerweise auf die äußere Manifestation von Gewaltmitteln« verzichtet wird, scheint ein Herrschaftssystem umso effizienter »je tiefer es sich in der Affek tivität der ihm Subordinierten zu verankern versteht« (ebd., S. 247). Eine neue Machtökonomie im Namen einer ›Allgemeinheit‹ und Rationalität wird im 18./19. Jahrhundert etabliert, das moderne Gesetz schließlich als neutral-universell eingeführt. Als das Hauptvermächtnis des Aufklärungsprojekts gelten gewöhnlich die ›Rechte‹ und ›Freiheiten‹ des juridischen Subjekts; Foucault hat demgegenüber auch die damit einhergehende politische Technologie internalisierter Disziplinarprozeduren analysiert, die als eine Art Gegengesetz, als eine Form notorischer institutioneller Gewalt wirken, welche jene Rechte und Freiheiten stützt und zugleich unterminiert (Santer 1997, S. 85).5 Körper und Bevölkerungen werden materiell verwaltet und kontrolliert (vgl. ebd., S. 91) – doch ohne dass die Dimension des Symbolischen (hier im Sinne des auf einer nicht direkt materiellen, ›fi ktiven‹ Ebene operierenden Gesetzes)6 dabei unwirksam wird (vgl. Sarasin 2005); ein Bezug zum Gesetz, gerade im Zuge seiner ›pervers-obszönen‹ Unterhöhlung, ist gegeben. Beide Dimensionen wirken gewissermaßen zusammen. In dem u.a. von der Psychoanalyse vorgeschlagenen familialen Modell – oder auch beim Blick auf Funktionen von Familie für Gesellschaft 7 – 5 | Die Macht der Disziplinen transformiert die performative Dimension symbolischer Autorität gleichsam »into regulations for the material control and administration of bodies and populations« (Santer 1997, S. 91). 6 | Dies geht davon aus, »dass die Realität selbst die Struktur einer Fiktion hat, in der sie symbolisch (oder wie einige Soziologen sagen ›gesellschaftlich‹) konstruiert ist« (Žižek 1995, S. 145). 7 | – Lagrange spricht dann von der Familien-Kernzelle als »Oase der Souveränität« inmitten der Disziplinierungsmechanismen (Lagrange 1990, S. 42). (Wiewohl letztere natürlich auch in der Familie wirksam sind, wie nicht zuletzt der berühmte Fall Schreber zeigt) (s. Santer 1997, vgl. Pazzini 1992). – Dem Institut für Sozialforschung zufolge wiederum – und dem folgend geht es mit der Psychoanalyse etwa um konstitutive Funktionen der Familie für Individuums- und Gruppenentwicklungen – kann die ›bürgerliche Familie‹, gerade indem sie »wesentlich eine feudale Institution« bleibt bzw. »ein irrationa-

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ist es zunächst der Vater, der in die symbolische Ordnung einführt und das Gesetz repräsentiert. Die Sozialisation in der modernen Gesellschaft wird dann beschreibbar als eine, die gewöhnlich durch Unterwerfung unter das mit der Rolle des Vaters verbundene und in seiner Autorität funktionierende symbolische Gesetz geschieht – wobei das Subjekt seine ›Freiheit‹ gewinnt, indem es sich von ihm distanziert (vgl. Salecl 2000, S. 201, S. 195, S. 192) und seine Bestimmung durch die sozio-symbolische Ordnung nicht einfach akzeptiert. Es zeigt sich jener viel beschworene Prozess der »Individualisierung« – und eben dieser weist auch auf zunehmend hervortretende imaginäre Vergesellschaftungsmechanismen: Für die psychischen Bedingungen des westlich-modernen, kreativ-dynamischen Individualismus sorgt gewissermaßen eine »zweideutige Rivalität zur Vaterfigur« (vgl. Žižek 2001, S. 429). Mit Blick auf lacansche Annahmen lässt sich diese Rivalität in großem Bogen von einer kulturhistorisch patriarchalischen Konzentration 8 der anleitend-anspornenden (Ich-Ideal) und der als erbarmungslos-einschränkend vorgestellten Funktion (ÜberIch) in der Person des Vaters ableiten. In einer solchen Struktur des Ödipuskomplexes wird die Kraft der ›Unterdrückung‹ gewissermaßen in eben jene Funktion projiziert, die diese Unterdrückung überschreiten soll; sie wird sozusagen »in die Anspornungen hineingeleitet« (Seitter 1986, S. 51; Žižek 2001, S. 429ff.; Lacan 1994, S. 73).9 – Generationenkonflikte wären les Moment inmitten der industriellen Gesellschaft« festhält und in gewissem Sinne anachronistisch wirkt, »als Instanz der gesellschaftlichen Anpassung« wirken (Institut für Sozialforschung 1956, S. 120f.); die Familie kann schließlich als eine »Agentur der Gesellschaft« gelten; in ihrer Irrationalität – aus der die Familie eine Ideologie gemacht hat, »indem sie sich, soweit es ihr möglich war, feudal gebärdete« – spiegelt sich dann die der Gesellschaft (ebd., S. 122). – U.a. zu der Frage, ob oder wie wiederum väterliche Autorität im Rahmen der Auf klärung mit ihren autoritätskritischen Impulsen legitimierbar erscheint, vgl. Frömmer 2008. 8 | Die patriarchale Konstellation (es taucht auch der Begriff paternalistisch auf), wird von Lacan eben in Abgrenzung zu matriarchalen Kulturen vorgestellt (vgl. Lacan 1994, S. 73f.). – Vgl. Turnheim 2007: In der ›paternalistischen‹ Familie erscheint nach Lacan »die Stärke der Unterdrückung der frühen Sexualität direkt mit der Sublimierung verknüpft«. »Die moderne ›konjugale‹ Familie dagegen führt zu einem ›sozialen Verfall der Vater imago‹, zu einer ›Erniedrigung‹ des Vaters […] mit entsprechenden Auswirkungen in der folgenden Generation« (S. 99 bzgl. Lacan). 9 | Während Freud das Tabu als uraltes, von einer Autorität aufgedrängtes »und gegen die stärksten Gelüste der Menschen« gerichtetes Verbot begreift (Freud 1912-13a, S. 45), ist von dem gewöhnlich verehrten Totem an des Vaters Stelle Schutz und Schonung zu erwarten (vgl. ebd., S. 127, 1939a, S. 239f.; vgl. dazu Žižek 2001, S. 429).

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in der Folge vorprogrammiert. In der bürgerlich-modernen Familienform kann die Autorität, »in der nächsten Generation und in einer vertrauten Figur verkörpert«, dann auch »in die unmittelbare Reichweite der schöpferischen Subversion« geraten (Lacan 1994, S. 75). Schließlich ersetzt der Sohn in ›aufgeklärter Brüderlichkeit‹ im Zuge einer eher imaginären Identifi kation Gott, König oder Vater durch eine leere Ich-Fiktion: ›his majesty the ego‹ (MacCannell 1991, S. 26f.).10 In der modernen ›Gruppe‹ (gesellschaftlich wie familial) besetzt der ›Bruder‹ (IdealIch) den Platz des Vaters und spielt dessen Rolle (vgl. ebd., S. 12) (von Frau, Schwester, sexueller Differenz gerade nicht zu sprechen).11 In dieser kurzen verdichteten Skizze ergibt sich – und darum geht es mir hier – gemeinsam mit der hervorgebrachten schöpferisch-kritischen Dimension bereits eine imaginäre ›Schlagseite‹, bestehend aus Facetten 10 | »Collectively, modern society is a fraternity – the ›universal‹ brotherhood of man« (MacCannell 1991, S. 18). – Vgl. Campbell 2004: »The fraternal social tie is […] a homosocial tie in which men are bound to each other through the libidinal relations of identification. This relation is not homosexual, since it is not a relation of desire between two men. It is identification between those of the same masculine sex that produces a social bond« (S. 160). – »The liberal social contract, with its call of ›liberty, equality, fraternity‹, is a social contract between brothers« (ebd., S. 160). Irigaray wiederum beschreibt »a ›hom(m)osexual‹ order, in which the masculine subject only recognizes other masculine subjects« (ebd.; vgl. Kap. IV). – »Fraternity only recognizes a relation to other masculine subjects, that is, to those who are bourgeois, white, male« (ebd., S. 166). »[T]he decline of traditional patriarchy does not result in the dissolution of an androcentric Western culture, but instead founds its modern forms. It articulates the shift of discourse from traditional feudal society to its modern bourgeois and capitalist form« (ebd., S. 162). Während MacCannell die brüderlichen Formen in gewisser Weise auch als ›post-ödipal‹ begreift, argumentiert Campbell »that the fraternal social form does not represent a post-Oedipal social organization, because the decline of the paternal function and the failure of the Oedipus complex are a function of the shift from traditional, patriarchal familial forms to the modern Oedipal family. This does not entail that the Oedipus complex was ever satisfactorily resolved in a pre-modern patriarchal time, because the same modern moment produces both the Oedipus complex and its failure« (ebd., S. 162). 11 | – MacCannell spricht an anderer Stelle auch von einem »brotherly ›general self‹« (MacCannell 1991, S. 6). Auch zu Ausschluss oder Verleugnung von Frau, Schwester … sexueller Differenz vgl. MacCannell 1991. – Ich möchte diesen Ausschluss natürlich nicht wiederholen, wie die folgenden Kapitel zeigen. An dieser Stelle geht es mir eben zunächst um die Skizzierung dominanter autoritativer Strukturen und Deutungsmuster.

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vermeintlicher Neutralität, Rivalität, Ich-Identifi kation. Eine auf die väterliche Autoritätsfigur bezogene ›Krise des Ödipus‹ in Form eines in imaginärer Rivalität gefangenen ›erniedrigten‹, ohnmächtig-zügellos obszönen Vaters ist in solchen Konstellationen bereits angelegt (vgl. Žižek 2001, S. 429f.) – ich komme darauf zurück. Wichtig an dieser Stelle ist mir noch, dass sich gerade in einem schließlich artikuliert ›krisenhaften‹ Moment die Weise des ›normalerweise‹ unsichtbaren Funktionierens zeigen kann (vgl. dazu ebd., S. 430), auf dessen Spuren ich mich nun begeben möchte. In Lacans besonderen Worten: »Womöglich erklärt der sublime Zufall des Genius nicht allein, daß gerade in Wien, damals dem Mittelpunkt eines Staates, der melting-pot der unterschiedlichsten Familienformen […] war, ein Sprößling des jüdischen Patriarchats den Ödipuskomplex imaginiert hat« (Lacan 1994, S. 77).12 Dieser Sprössling, Freud, »stößt auf den Ödipuskomplex gegen Ende des 19. Jahrhunderts, zu einem Zeitpunkt, da der Verfall der väterlichen Autorität längst Thema sozialwissenschaftlicher Reflektion war« (Seifert 1987, S. 13).13 – Wie also funktioniert die von Freud (und dessen Nachfolger/inne/n) imaginierte ›väterlich-ödipale‹ Autorität, die ihre ›Krise‹ quasi in sich trägt?

Anlehnung und Ambivalenz »Über die Bedeutung der Autorität brauche ich Ihnen nicht viel zu sagen«, proklamiert Freud 1910. Sind die »wenigsten Kulturmenschen […] fähig, ohne Anlehnung an andere zu existieren oder auch nur ein selbständiges Urteil zu fällen«, so kann man sich die »Autoritätssucht und innere Haltlosigkeit der Menschen […] nicht arg genug vorstellen« (Freud 1910d, S. 109). Geht man Autorität von Seiten eines solchen ›Anlehnungs‹-Verlangens an,

12 | Berkel konstatiert: »Die Einschreibung der ontogenetischen Entwicklung des Subjekts zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Ödipusmythos […] erscheint mit Blick auf die sich abzeichnende historische Hinfälligkeit der väterlichen Position als Symptom. Der mißlingende Verzicht, die Persistenz des inzestuösen Wunsches, zeigt sich in den ödipalen Ambivalenzen, die die Generationenfolge erschüttern« (Berkel 2006, S. 40f.). – So vollzieht sich nach Berkel die »Herauf kunft der Psychoanalyse, ihre Erfindung und Begründung durch Freud zum Ende des 19. Jahrhunderts […] im Horizont des Funktionswandels der väterlichen Position, mit dem sich moderne Gesellschaften konfrontiert sehen« (ebd., S. 88). 13 | Der Verfall als Diskursgegenstand entsteht praktisch im Zuge der Kulmination des bürgerlichen Familienideals bzw. der Erzeugung des ›traditionellen Vaters‹ (vgl. dazu Drinck 2005).

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wird man an den Vater geraten: Die Sehnsucht verweist auf deren väter14 liche Züge (vgl. Freud 1939a, S. 217). Kulturmenschen bedürfen meist der Anlehnung an andere, heißt es also. Doch der Begriff der Anlehnung bezeichnet bei Freud auch den Prozess, in dem sich die Sexualtriebe (in Anlehnung an Selbsterhaltungsfunktionen) herausbilden. Auch wenn diese Anlehnungsvorgänge weit auseinander zu liegen scheinen: Der Bezug zwischen ihnen geht, wie ich nun in einem (gerade auch für die weiteren Kapitel relevanten) Exkurs zeigen möchte, potentiell über eine Begriffsidentität hinaus, indem er nämlich eine Bewegung markiert, die von dem Auftauchen eines Rätsels zu dessen autoritativ-symbolischer Beantwortung führt: Der ›Vater‹, an den man sich anlehnt – und dies durchaus als kulturelle Figur –, fungiert gewissermaßen als traditionelle Antwort auf die überwältigende Erregung, mit der der sich im Prozess der ›Anlehnung‹ ablösende Trieb verbunden ist. Mit diesem Begriff der Anlehnung ist also zunächst ein Prozess beschrieben, in dem die Sexualbetätigung eine der Lebenserhaltung dienende Funktion berührt, sich auf diese stützt, um sich von dort aus schließlich selbständig zu machen (vgl. Freud 1905d, S. 82). Kommt es etwa im Rahmen einer Zufriedenstellung der Ernährungsfunktion zu einer Erregung von Lippen und Zunge, lehnen sich sexuelle Vorgänge an Funktionen der Lebenserhaltung an und beginnen dann, in Objekt und Ziel zu divergieren. Das Objekt, das nunmehr ›wieder gefunden‹ werden soll, ist nicht identisch mit dem der Funktion, von dem es sich ableitet (Brust anstelle von Milch) und auch das Ziel entfernt sich von dem der Funktion, sich »nach dem Modell der Einverleibung und analog zu dieser« gestaltend (Laplanche 1988, S. 140f.; vgl. 1985, S. 30-39) – Ziel und Objekt sind losgebunden von der Funktion, aufgehoben jede strikte Gliederung in Subjekt und Objekt (vgl. dazu Laplanche/Pontalis 1992, S. 57). Sexualität stellt sich vor im Zuge einer ›Perversion‹ des Instinkts als Lebensfunktion (Laplanche 1985, S. 39 und S. 44) – in der spezifischen Lesart Laplanches besteht die Wahrheit der Anlehnung in der Ur-Verführung (Laplanche 1988, S. 141). Diese Lesart möchte ich nun aufgreifen, insofern sie bereits auf der Ebene dieser Prozesse die Frage nach dem Anderen (für das Kind zunächst der Erwachsene) und dessen Begehren ins Spiel bringt (auf welches die Figur des Vaters ›Antwort‹ gibt): Entgegen wesentlich endogenen Modellen, denen entsprechend sich sexuelle Lust als eine Art Nebenprodukt dem Funktionieren der Selbsterhaltung gewissermaßen ›auf14 | »Autorität ist eine Eigenschaft von Vätern« (Adam 1994, S. 63); eine ›Eigenschaft‹, die sich dann als Positionsbestimmung erweist: »nur unter der Bedingung, daß sie den Platz des Vaters besetzen«, können etwa »Frauen Autorität haben« (ebd.). Um die Positionsbestimmungen geht es mir hier und daher auch nicht um einen Versuch, ein ›weibliches‹ Denken von Autorität zu entwickeln (vgl. dazu DIOTIMA 1999).

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pfropft‹, dient die Funktion hier »als Rufzeichen« für eine erschütternde »Intervention des Anderen« (Laplanche 1996, S. 214f.). Sexualität bricht in die Ordnung des Lebens ein – wobei es keineswegs sicher ist, ob es beim Menschen eine ›vorherige‹ Lebensordnung überhaupt gibt: Gerade deren Unentwickeltheit koinzidiert mit dem Auftreten von Sexualität, gerade deren Ungenügen ruft »die Einmischung der Erwachsenen-Welt herbei« (Laplanche 1985, S. 72ff.). Diese Einmischung führt eben zu einer Verführung; die auf das Kind bezogenen ersten Handlungen (traditionell) der Mutter sind (etwa bei der Pflege) »notwendigerweise durchtränkt von Sexualität« (ebd., S. 53). Im Überschwang z.B. von Liebkosungen beim Füttern entdeckt das Kind »das Mysterium des sexuellen Genießens« (Žižek 2001, S. 400). Alltägliche Praxis einer Urverführung,15 in der »die der Selbsterhaltung dienenden Gesten« auch dem Erwachsenen unbewusste Botschaften enthalten (Laplanche 1988, S. 141).16 An den erogenen Zonen als Umkehrstellen, Austauschzonen, Zonen der Pflege und Brennpunkte elterlicher Phantasmen dringt Sexualität als »innere[r] Fremdkörper« in den kleinen Menschen ein, wird ihm immer auch »eingepflanzt« aus der Welt der Erwachsenen, »deren Strukturen, Bedeutungen und Phantasmen« sie entstammt (Laplanche 1985, S. 39 und S. 74) und über deren Implikationen sich auch kein Erwachsener je im Klaren sein kann.17 Die Erregung entsteht sozusagen an der Schnittstelle zu dem (sexuellen) Gehalt, welche die Berührung für die Mutter hat. Etwa die Brust ist eben nicht nur Quelle der Nahrung, sondern »auch Verweis auf etwas jenseits von ihr« (Passett 1996, S. 47f.) … auf das notwendig rätselhafte Begehren der Mutter. Wahrgenommen und geahnt wird wohl die »perverse« Besetzung der Brust durch die Frau »als Quelle jenes dunklen, zweifelnden Fragens: Was will sie von mir?« (Laplanche 1988, S. 224, vgl. S. 139). In dieser sich aus Irritationen schließlich herausbildenden Frage klingt an, was am Begehren des Anderen – mehr noch Instanz oder Ordnung als konkrete Person, die sie besetzt – strukturell unergründlich bleibt.18

15 | Es ist wichtig festzuhalten, dass, wie Laplanche in anderem Zusammenhang schreibt, zur Urverführung eben »Situationen und Kommunikationen« zu rechnen sind, »die keineswegs einem ›Sittlichkeitsvergehen‹ entsprechen« (Laplanche 1988, S. 225). 16 | Grundlegend ist hier der Unterschied zwischen Erwachsenen und Kind, nicht so sehr eine spezifische familiale Konstellation. 17 | Rätselhaft sind die ›Botschaften‹ »für den Aufnehmenden nur, weil sie auch rätselhaft für den Sender sind« (Laplanche 1998, S. 615). 18 | Zum Verhältnis der Konzepte etwa von Phantasie/Trieb und dem Anderen bei Laplanche und Lacan vgl. z.B. Žižek 2001, Hock 2001.

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Es zeigt sich ein »ursprüngliche[s] ›Aus-den-Fugen-Sein‹«, eine konstitutive (und nicht nur organische) Hilflosigkeit angesichts der undurchdringlichen Geschehnisse (vgl. Žižek 2001, S. 400, S. 393). Der ›Vater‹ kann in dieser Konstellation traditionell als eine Art Antwort fungieren (traditionell, denn festzuhalten bleibt: Mag auch die konstituierende Funktion oder Intervention des Anderen, die Abhängigkeit von seinem Begehren für die Psychoanalyse als strukturelle Not wendigkeit gelten,19 so können die familialen Formen20 und ›Antworten‹ sozio-historisch durchaus variabel ausfallen). Beim Versuch, eine eigene Antwort auf das hier mütterliche Begehren in einer Identifizierung zu finden, erlebt das Kind diese Antwort »als ein Scheitern« (Verhaeghe 2005, S. 50, Anm. 6). Die Situation bleibt rätselhaft, der mütterliche Andere begehrt immer auch etwas anderes, das Begehren lässt nicht ›feststellen‹, verweist auf einen Anderen. Die Einführung des Namens-des-Vaters (im lacanschen Sinne) fungiert dann als Antwort (vgl. ebd., vgl. Waltz 2001, S. 99); die die »namenlose Angst«21 erleichtert, welche aus der Ungewissheit hinsichtlich des Begehrens des Anderen entsteht. Er ermöglicht deren Umwandlung »in ein erträgliches Maß« (Heim 2004, S. 125). Das unergründliche Begehren wird gleichsam ›übersetzt‹, das Rätsel beantwortet bzw. symbolisiert (vgl. Žižek 2001b, S. 182) – wenn auch nimmer restlos: im Symbolisierungsbemühen entsteht unabwendbar ein Residuum; es kommt »zum teilweisen Versagen dieser Symbolisierung und dieser Theoretisierung, das heißt, zur Verdrängung eines unbeherrschbaren, unfassbaren Restes« – als Quelle des Triebs (Laplanche 1988, 142f., vgl. 1996, 167; vgl. dazu auch Kap. II/III). Doch zunächst bleibt festzuhalten: Der Name des Vaters als Signifi kant 19 | Und auch dies ließe sich weiter diskutieren … 20 | Vgl. Gröller 2005, S. 4, S. 17, S. 23. – Vgl. auch Wellendorf 2005: Be-

sitzt »das kleine Lebewesen noch keinen Code […], um die rätselhafte sexuelle Botschaft des Erwachsenen zu übersetzen«, dann »erfüllen, wie Laplanche sagt, die mythischen und symbolischen Codes […] ihre Funktion. Sie sind Teile des kulturellen Universums des Menschen. Diese symbolischen Codes bieten intersubjektive Deutungsmuster für die rätselhaften Botschaften des Anderen und begründen eine erste Ordnung der eigenen und fremden Erregungen und Affekte. Zu diesen elementaren narrativen Strukturen gehört in der westlichen Kultur die Geschichte von Ödipus, in der Sprache der Psychoanalyse: der ›Ödipuskomplex‹. […] Der ›Ödipuskomplex‹ stellt einen Code zur Verfügung, mit dessen Hilfe das Kind die ursprüngliche rätselhafte Botschaft zu übersetzen versucht« (S. 62). Dabei ent wickelt er eben »als intersubjektiver Code für die Übersetzung der rätselhaften Botschaft […] eine eigene Gesetzmäßigkeit und Dynamik« (S. 64). 21 | Heim bezieht sich hier auch auf Bion (vgl. Heim 2004, S. 124).

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des Gesetzes antwor tet und er identifiziert das Subjekt, sagt ihm, »was es ist und was es zu tun hat« (Waltz 2001, S. 99). Väterlicherseits wird – wenn auch in der modernen Ordnung zunehmend weniger bestimmt – ein Platz in der in seinem Namen etablierten Ordnung angewiesen; diese Ansage bedeutet auch, dass der Vater allen vergeblichen kindlichen Versuchen, selbst Objekt des Begehrens der Mutter zu sein, entgegentritt,22 den vorgestellten, mit ›der Mutter‹ verbundenen Genuss offiziell verbietet und ihn auf diese Weise formal substituiert. In dieser Ökonomie des Ödipuskomplexes funktioniert ›väterliche‹ Autorität zunächst als drohende Verbots-Instanz. Untersagt wird die Vorstellung einer erfüllenden Wunsch-Verschmelzung mit der Mutter – eine Vorstellung, die allein phantasmatisch funktioniert, um den Abgrund des Begehrens nachträglich abzuschirmen: Das, was verboten erscheint, hat es niemals gegeben; die ›glückselige Vollkommenheit‹ entsteht als Phantasie im Moment der Untersagung. Doch dem Subjekt scheint: wenn sie nicht verboten wäre, wäre sie möglich … Auf einer imaginären Ebene des Über-Ich destabilisierend (vgl. Lipowatz 2005, S. 47), symbolisch befriedend: Die Figur des Vaters vermag zwar als verbietend-traumatischer ›Eindringling‹ zu erscheinen, welcher das Glück mit der Mutter verhindert; dabei fungiert sie aber zugleich und vor allem als eben jene entlastende, symbolisierende Antwort auf das eindringende Rätsel.23 Die ›väterliche Funktion‹ eröff net einen Raum des Denkens und Bedeutens, etabliert eine Struktur, in die das Subjekt sich einfügt und kann eben dadurch traditionell als symbolisch-institutionelle Antwort dienen.24 Der von Untersagungen und Anweisungen durch22 | Jean-Pierre Lebrun bemerkt […], daß drei Bedingungen erfüllt sein müssen, um die Funktion der Metapher des Vaters zu garantieren: zum einen, daß die Rede (la parole) der Mutter sich an den Ort eines Dritten, eines ›Vaters‹ (in Anführungsstrichen), wenden muß, den sie als den ›anderen‹ Bezugspunkt außerhalb ihres Kindes identifiziert und investiert; zum zweiten muß ein Vertreter, der den Platz des Dritten einnimmt, zu einem bestimmten Zeitpunkt in ›Fleisch und Blut‹ intervenieren, damit das Anders-Sein sich konkret manifestieren kann; und zuletzt muß der Ort dieses Vaters nicht nur von der Anerkennung der Investition und dem Begehren der Mutter getragen werden, sondern auch vom Diskurs der Gesellschaft, der die Bedeutung des Vaters ratifizieren muß. Ich würde hier nur unterstreichen […], daß die Funktion der Vatermetapher vor allem von der Zirkulation des Begehrens in der Familienstruktur bedingt ist« (Patsalides 2006, S. 184) – und sich die Anführungsstriche wohl auch auf die Mutter ausdehnen lassen (I.H.). 23 | Vgl. Žižek 2001b, S. 182; ich habe die Argumentationslinie leicht verändert. 24 | Der Vater wird zunächst als solcher benannt und bringt immer schon symbolische Bezeichnungs-Praktiken ins Spiel, welche auf einer ›fi ktiven‹, aber dennoch wirksamen Ebene funktionieren (vgl. Anm. 6 des vorliegenden

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zogene ödipalisiert-›väterliche‹ Raum (hier: in Relation zur Konfrontation mit dem unergründlichen Begehren) stellt in diesem Szenario offenbar dennoch eine »Wohltat« dar (vgl. in anderem Kontext Copjec 2004, S. 148) – und die Figur der Versagung erlaubt es, an dem vom Vater besetzten Ort imaginär weiterhin eine potentielle Erfüllung anzunehmen (welche aus psychoanalytischer Sicht eben schon ›an sich‹ unmöglich ist). Mit den mit dem Vater verbundenen und diesen z.B. überhöhenden Versprechungen kommen also immer auch imaginäre Komponenten ins Spiel.25 Der Genuss ist verwehrt, das Bild eines ›vollen Genießens‹ etabliert, und in der Folge werden ›Schleichwege‹ gesucht, die sozusagen auf Umwegen eine Befriedigung versprechen. »Ein solcher Schleichweg ist die Anlehnung an die Autorität« (Adam 1994, S. 63, Herv. I.H.). Autoritätspersonen scheinen etwas Seltenes oder Geheimes zu wissen über das, mit dem sich das Subjekt konfrontiert sieht; es bezieht sich begehrend darauf, »das heißt mit einem zum Scheitern verurteilten Versuch der Liebe« (ebd., S. 64, vgl. S. 60). Es wird ein privilegiertes Wissen unterstellt – und wissen soll das Subjekt,26 »weil es Subjekt des Begehrens ist«. Was da geschieht, ist, »was man in der allgemeinsten Form eine Übertragungswirkung nennt. Diese Wirkung ist die Liebe« (Lacan 1987, S. 266). »Sowie irgendwo das Subjekt das wissen soll/le sujet supposé savoir auftritt […] ist auch Übertragung« (ebd., S. 244), und Übertragung ist in Situationen, die »die Situation der Ur-Verführung« erneuern (Laplanche 1988, S. 145).27 – Dabei kann die Au-

Kapitels). Wichtig ist wiederum festzuhalten, dass die symbolische ›Vaterfunktion‹ nicht an einen leiblichen Vater gebunden ist. Heim spricht auch von einer »intersexuelle[n] Austauschbarkeit« (2004, S. 134). 25 | »Weil der Vater unvollständig ist, wird er imaginär überhöht und unter Mitarbeit aller, seiner eigenen, der Mutter, des Kindes, der Familie und der Gesellschaft, zu einer Figur, die im Zentrum der verschiedenen partriarchalischen Strukturen steht«, heißt es bei Borens (2006, S. 103, vgl. S. 93). Eine Schwierigkeit liegt demzufolge darin, den Vater als unvollständigen anzuerkennen (ebd., S. 101). Ich halte die von Borens vorgenommenen Differenzierungen für höchst erforderlich, teile allerdings nicht die Annahme einer »nicht ideologisierten Form« des Vaters (ebd., S. 95). 26 | Die Wissensunterstellung hat einen stark imaginären Aspekt (vgl. Borens 2002, mit dem sich wiederum die imaginären, symbolischen und realen Ebenen der Übertragung unterscheiden lassen). 27 | In dieser Interpretation der lacanschen Formel Sujet supposé savoir ist das Subjekt, dem dieses (All-)Wissen zuerst unterschoben wird, der Erwachsene für das Kind; »so daß man sagen kann, daß bereits die Ursprungssituation des Triebes ein transzendentes und ein Übertragungs-Verhältnis ist« (Laplanche 1988, S. 145f.).

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torität diese Wirkung, die sie ausmacht, nicht ›besitzen‹,28 sie muss geben, was sie nicht hat. Mit der Psychoanalyse geht es, wie sich unschwer erkennen lässt, weniger um rational begründbare Autoritätsanerkennung, z.B. durch beigemessene ausgewiesene Kompetenzen; vielmehr versucht sie zu zeigen, inwiefern Autorität über etwas zu verfügen scheint, was an ihrem Ort eine ansonsten verstellte Erfüllung verheißt; gehorcht wird eben aus Sehnsucht nach dem, was sie verspricht, gerade indem sie es zu verhindern scheint. Der Vater erscheint also als gefürchteter oder gehasster ›Eindringling‹ und als geliebte Macht. »Es ist die Ambivalenz, die das Verhältnis zum Vater überhaupt beherrscht« (Freud 1939a, S. 229); und es ist die Ambivalenz, die hier ›bindend‹ wirkt. Nicht nur führt, wie sich in Anlehnung an Freud in Der Mann Moses und die monotheistische Religion sagen ließe, die Feindseligkeit gegen den Vater zu Schuldgefühlen, die immer neue Triebverzichte mit sich bringen, welche wiederum außer der »unvermeidlichen Unlustfolge« auch einen Lustgewinn für das Ich bewirken: einen Stolz narzisstischen Charakters im Falle verinnerlichter Autorität (Über-Ich) (ebd., S. 224f., vgl. S. 243).29 Über dieses mögliche ›sekundäre‹ Selbstgefühl als Reaktionsbildung auf verdrängte Feindschaft hinaus ist die einleitende Gefühlseinstellung gegenüber dem Vater eben nicht nur Hass oder Furcht (vgl. ebd., S. 187, S. 243); er wird zugleich auch bewundert und geliebt. In diesem unbewussten Konflikt werden die gegenläufigen Strebungen »als bloße Größen betrachtet und […] nur nach ihrem Betrag, nicht aber nach ihrer Richtung bzw. Qualität (wie Liebe/Haß, Lust/Unlust etc.) in Rechnung [ge]stellt«. D.h. die Kräfte addieren sich in diesem Fall, »unbesehen ihrer Ausrichtung«; sie können, gerade weil sie »antagonistisch sind, […] einen beharrlichen Kompromiß erzeugen« (in anderem Zusammenhang: Pfaller 2002, S. 125f.).

Legitimität und Grundlosigkeit In dieser Ambivalenz erscheint Autorität – in der Bindung an die persönliche Vaterfigur und an die durch sie repräsentierten gesellschaftlichen 28 | Die Involvierung der Person verweist viel mehr auf die durch sie eingenommene Position; – sie ist nicht ›persönlich‹ zu nehmen (vgl. in anderem Zusammenhang Lühmann 2006, S. 116, S. 102; vgl. auch Anm. 14 des vorliegenden Kapitels). 29 | Nach Freud wird bekanntlich im individuellen Entwicklungsverlauf »ein Anteil der hemmenden Mächte in der Außenwelt verinnerlicht, es bildet sich im Ich eine Instanz, die sich beobachtend, kritisierend und verbietend dem übrigen entgegengestellt. Wir nennen diese neue Instanz das Über-Ich« (Freud 1939a, S. 224). – Zu einer Konzeption des Über-Ich vgl. Kap. III.

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Dimensionen – zwingend,30 obwohl ihre Ausführung gerade keinen unmittelbaren Zwang impliziert. Dies gilt allgemein als ein Kennzeichen von Autorität: Als »bejahte Abhängigkeit« (Horkheimer 1972, S. 301) bewegt sie sich zwischen gewaltsamem Zwang und argumentativer Überzeugung; sie ist geprägt von Ungleichheit und tritt mit dem »Anspruch des Gehorsams« auf – doch eben ohne Zwang zu gebrauchen; »wo Gewalt gebraucht wird, um Gehorsam zu erzwingen, hat Autorität immer schon versagt« (Arendt 1957, S. 118). Die Beziehung zwischen Befehlendem und Gehorchendem beruht »weder auf einer beiden Teilen gemeinsamen Vernunft noch auf der Macht des Befehlenden« – wodurch das Gemeinsame schließlich in der Hierarchie selbst besteht, »deren Legitimität beide Parteien anerkennen und die jedem von ihnen seinen von ihr vorbestimmten, unveränderbaren Platz anweist« (ebd.). Autorität als Platzanweiser wirkt mittels Anerkennung; sie beruht auf einer in ihrer Legitimität anerkannten Hierarchie – und diese Legitimität kann, das Begehren immer schon entstellend, z.B. in den Qualitäten der Autoritätsinhaber, in der Tradition oder in anerkannten unpersönlichen Ordnungen gesucht werden. Max Weber etwa definiert Autorität (im Sinne von Herrschaft) als Chance, »für spezifische (oder: für alle) Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden« und unterscheidet Legitimitätsgeltungen rationalen, traditionalen und charismatischen Charakters (Weber 1976, S. 122ff.). Wobei Bourdieu uns auf die Spur setzt, dass diese Legitimitätsanerkennung gerade keine Bewusstseinstat ist (vgl. Bourdieu 2001, S. 226). Bourdieu verfolgt an dieser Stelle weniger ein Konzept eines dynamischen Unbewussten31: ihm geht es eher um eine sich als solche verkennende Geschichte bzw. eine prärefl exive Übereinstimmung zwischen objektiven und einverleibten Strukturen (Bourdieu 2001, S. 226ff.), aus der eine Zustimmung und Unterwerfung erwachsen kann, die nicht dem ›Bewusstsein‹ entspricht. Die Anerkennung vollzieht sich kaum auf dem Wege bewusster Entscheidung oder Vorstellung und eine Willensanstrengung vermag dagegen allein nicht viel auszurichten (vgl. ebd.; vgl. dazu auch Kap. II).32 Vielmehr können sich – wie dann ein Blick auf jene 30 | Dabei ist die »Zuschreibung von Autorität […], auch wenn es sich um eine Dyade handelt, stets eine figurative Konstruktion. Autoritäten überragen mehrere. Autorität ist jemand dann, wenn er nicht nur mir selbst, sondern, in meinem Verständnis, auch anderen gegenüber überlegen erscheint« … (Sofsky/Paris 1991, S. 21). 31 | Mit Kastl sind bei Bourdieu neben der Verwendung des Begriffs ›unbewusst‹ im Sinne eines impliziten Unbewussten sozialer Fertigkeiten durchaus auch dynamische Mechanismen am Werk (vgl. Kastl 2007, S. 99). 32 | Tappenbeck kommt zu dem Schluss, dass Autorität weniger ›bejahte Abhängigkeit‹ als vielmehr ›seelische Verstrickung‹ ist. – Als »freiwillige Unterordnung« werde »interpretiert, was in Wirklichkeit als innerer Zwang erlebt

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Ambivalenzdynamik zeigt – entgegengesetzte, teilweise unbewusste Strebungen gar verkoppeln und addieren, und so im Zusammenspiel gerade an Figuren binden, gegen die man auch Vorbehalte hegt und die, wie Sennett gezeigt hat, charakteristisch sind gerade für im 18./19. Jahrhundert wurzelnde moderne Beziehungen zur Autorität (vgl. Sennett 1990). Auch wenn Autorität also gerade »keiner explikativen Legitimation« bedarf,33 bleibt für das Wirken der symbolischen Autoritätsdimension die Beteiligung eines (wie auch immer unbewussten) Glaubens an sie entscheidend, welcher den nicht legitimierbaren Gründungsakt jeder Autorität verstellt und so nicht in eindimensionale Gewalt verfällt. Denn: Autorität bzw. Gesetz erscheinen, wie Theoriebildungen unterschiedlichster Provenienz verdeutlicht haben, in letzter Instanz gerade nicht legitimierbar oder begründbar. Versuche einer Legitimation von Autorität »führen in den Teufelskreis (ich habe Macht [autorité] über dich, weil du mich dazu autorisierst), zur petitio principii (die Autorisierung autorisiert die Autorität), zur Regression ins Unendliche (x wird von y autorisiert, das von z autorisiert wird), zum Paradoxon des Idiolekts (Gott, das Leben usw. bestimmt mich zur Ausübung der Autorität, ich allein bin der Zeuge dieser Offenbarung)« (Lyotard 1989, S. 237).

Autorität – die gerade nicht auf Gewaltausübung beruht – gründet in einer Setzung als grundlose Gewalt (vgl. Derrida 1996, S. 29).34 Der Gründungsakt der Autorisierung ist strukturell nicht begründbar; innerhalb des Wirkungsbereichs der Autorität ist es unmöglich und nicht statthaft, ihn zu ergründen. Es ist gewissermaßen eine Bedingung für die Wirksamkeit einer Autorisierung, dass die Wahrheit der quasi »ohne vernünftigen Grund« eingeführten und dann »vernünftig« gewordenen (vgl. Pascal 1997, S. 60f.)35 gesetzlosen Setzung im Verborgenen (aber nichtsdestoweniger wirksam) bleibt (vgl. Žižek 1994b, S. 60f. mit Bezug auf Pascal und Kant). Mystischer Grund der Autorität: Wird das so Begründete bzw. Autorisierte auf seinen »Ursprung« zurückgeführt, wird es vernichtet (vgl.

wird« (Tappenbeck 1999, S. 161). M.E. ist hier entscheidet, auf welcher Ebene die ›Bejahung‹ gedacht wird. 33 | Tappenbeck 1999, S. 162. Von Tappenbeck wird dies auch auf die Formel gebracht: »Autorität überzeugt nicht, sie wirkt« (ebd.). 34 | Systemtheoretisch betrachtet tritt sie eben dort auf, wo nicht weiter zu begründende Geltungsverhältnisse in ihrer Kontingenz gleichsam ›gebunden‹ werden sollen, wo also gewissermaßen »das Unbegründbare begründet wird« (Friedrich o.J., S. 5. Vgl. Kray, Pfeiffer, Studer 1992). 35 | Fragment 60/294 (bei der Nummerierung der Fragmente gibt die erste Zahl die Zählung Lafumas an, die zweite die Brunschvicgs).

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Pascal 1997, S. 60f.).36 Geltung und Genese fallen auseinander.37 – Ist also die (notwendig) ›vergessene‹ Genese auf eine »willkürliche[n] Entscheidung«, eine »Gewalt ohne Rechtfertigung« (Bourdieu 2001, S. 119f.)38 zurückzuführen, so kann die Auflösung oder öffentliche Preisgabe der Legitimitätsgeltung diese Kräfte entbinden. Die Gewalt soll durch Geltung des Gesetzes aufgehoben werden, ist diesem aber immanent und »kann jederzeit aktualisiert werden und wird es auch, sobald seine Geltung in Frage gestellt ist« (in anderem Kontext: Bischof 1984, S. 279).39

Ursprungsmacht Es lässt sich sagen, dass das, was Autorität definitionsgemäß aus sich ausschließt, in ihr als Ausgeschlossenes weiter wirkt. Die (verdrängte) Kehrseite der im Gesetz begründeten Autorität, die Gründung der gesetzmäßigen Autorität in Form einer Ungesetzmäßigkeit, verweist wiederum auch auf den freudschen Mythos vom Urvatermord. Diese ›Verkehrung‹ des ÖdipusMythos lässt sich auch als eine Art »Urszene« von Gesellschaftsentwicklung lesen (Lüdemann 1992, S. 114 mit Bezug auf Totem und Tabu). Mit jener oft wiederholten Erzählung des Mordes des Urvaters am ›Ursprung‹ der Instanz des symbolischen Gesetzes geht es mir begreiflicherweise nicht um empirische Nachweisbarkeit. Vielmehr kann sie als Versuch gelesen werden, deren nicht zu begründende Setzung in einem ›wissenschaftli36 | Fragment 60/294. Pascal bezieht sich, so Derrida, auch auf Montaigne, ohne ihn zu nennen (Derrida 1996, S. 24f.). 37 | Es geht hier nach Gondek um »jene Aporie, in die man getrieben wird, wenn man den diachronischen Entstehungsgrund der synchronischen Geltung des Gesetzes ausfindig machen will – man gerät entweder in den unendlichen Regreß, immer schon die Geltung des Gesetzes unterstellen zu müssen, oder ist genötigt, die Institution eines ersten Gesetzes auf etwas zu ›begründen‹, das selbst kein Gesetz ist – auf einen Akt setzender Gewalt« (Gondek 1994, S. 224). 38 | Bei Bourdieu heißt es: »Am Ursprung steht nichts als die Gewohnheit, also das historisch Arbiträre einer historischen Einsetzung, die sich durch den Versuch, […] sich als natürlich auszugeben, als solche in Vergessenheit bringt, um so eine auf Verkennung beruhende Anerkennung zu gewinnen«. – »Aber die Macht des Gewohnten hebt das Arbiträre der Macht nie völlig auf, diese Stütze des ganzen Systems, die stets vor aller Augen offenbar zu werden droht« (Bourdieu 2001, S. 119f.). 39 | Damit ergeben sich auch Unterscheidungsmerkmale für verschiedene gesellschaftliche Organisations- oder Herrschaftsformen (der strukturelle Mangel an Legitimität führt eben nicht dazu, dass sich keine Legitimitätskriterien mehr differenzieren lassen).

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chen Mythos‹ doch zu ergründen – nicht einholbar lässt sich diese Setzung nur retrospektiv und auf mythische Weise abhandeln. – Der Versuch, den Anfang darzulegen, ist und bleibt unmöglich; dieser Anfang ist »stets nachträglich gegenüber seiner Darstellung« (ebd., S. 116f.). Entsprechend zeigt sich das ›ursprüngliche Verbrechen‹, das hiernach als Ursache des symbolischen Gesetzes gelten kann, immer auch als dessen Folge: »Am ›Anfang‹ war die Tat, aber erst das Wort, das richtende und verurteilende Wort ist es, das die Tat zur Tat und als Tat zum Anfang machen kann« (ebd.). Die Annahme des ›Urverbrechens‹ »unterbricht als Mythos bereits den Mythos des Ursprungs, den er zu fassen versucht« (Tholen 1995). Es war einmal ein Vater, gefürchtet, beneidet bzw. gehasst, bewundert und geliebt zugleich, d.h. wiederum ambivalent bindend, der sich machtvoll alle weiblichen Wesen vorbehält – eine Vorstellung von exzessivem Genießen bzw. einer auf brutaler Gewalt beruhenden Herrschaft und in diesem Sinne keine (symbolische) Autorität. Der Übergang zu letzterer gründet wiederum in dem »(verleugneten) Akt des ursprünglichen Verbrechens« (Žižek 2001, S. 433), das sich vollzieht, wenn sich die vertriebenen Söhne zusammentun, den Vater töten, verzehren und »so der Vaterhorde ein Ende« (Freud 1912-13a, S. 171) machen; wobei der Vaterverzehr als Form der Identifizierung durch Aneignung eines Stücks der väterlichen Stärke gelten kann. Es kommt zum Versuch, sich an die Stelle des Vaters, der eben auch als verehrtes Vorbild fungiert, zu setzen. Die Einsicht in die Vergeblichkeit derartiger Bemühungen, die Gefühlsbindungen aneinander bzw. an den (toten) Vater führen endlich zum Widerruf der Tat, zum Verzicht auf deren ›Früchte‹ in Form des ›Besitzes‹ von Mutter und Schwestern und auf den Erwerb der Vaterstellung, sowie zu einer Einigung in Form einer Art Gesellschaftsvertrag (vgl. Freud 1912-13a, S. 171ff.; 1939a, S. 186ff.). 40 – Erst durch die Vatertötung hindurch und nicht zuletzt durch das Scheitern der totalen Identifizierung mit dem Vater (vgl. Schwaiger 2006, S. 194) wird u.a. eine soziale Organisation möglich, in der die Beziehungen der »Brüder-Söhne« symbolisch vermittelt sind, der physischen Gewalt entbehren (Lüdemann 1992, S. 115). 41 Der – als Verkörperung des symbolischen Gesetzes wiederkehrende – Tote »wurde nun stärker, als der Lebende gewesen war«, heißt es bei Freud: »Was er früher durch seine Existenz verhindert hatte«, das verbot sich die Brüderschar in einer Art von ›nachträglichem Gehorsam‹ jetzt selbst (Freud 1912-13a., S. 173; vgl. Žižek 2001, S. 433). Ein Teil des entstehenden Regelwerks rechtfertigt sich nach Freud ›rationell‹, insofern eine Abgrenzung der Rechte des Kollektivs und der 40 | Der Urvatermythos ist auch als spezifisch moderner Mythos lesbar … 41 | Freud unterscheidet zwischen einer zunächst ›vaterlosen Gesellschaft‹

und einer sich allmählich etablierenden patriarchalischen Ordnung (Freud 1912-13a, S. 180; dazu Heim 1999, S. 163f.; s.u.).

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Einzelnen notwendig wird. Das jedoch, was an den auferlegten ethischen Ge- und Verboten »großartig, geheimnisvoll, in mystischer Weise selbstverständlich erscheint, das dankt diese Charaktere dem Zusammenhang mit der Religion, der Herkunft aus dem Willen des Vaters« (Freud 1939a, S. 230, vgl. S. 227). 42 Der Urvatermythos deutet auch auf das (heimliche) Weiterwirken dessen, was durch die Geltung der Gesetzlichkeit aufgehoben werden soll, in dieser selbst.

Tautologie, Bevollmächtigung, Mehrgenießen Wie kommt das Regelwerk zum Einsatz? Es sind mehrere Vateraspekte zu differenzieren, deren Zusammenwirken nun weiter im Mittelpunkt stehen soll: Da ist der obszön-genießende Urvater, der Vater als Instanz des symbolischen Gesetzes/Verbots … und darüber hinaus bedarf es noch einer tautologisch verbietenden Figur: Zunächst genügt es »nicht, daß der ermordete Vater als die Instanz des symbolischen Verbots zurückkehrt«, um dieses Verbot auch wirksam werden zu lassen. Es muss, so Žižek, »mit einem ›positiven‹ Willensakt einhergehen« (Žižek 1999, S. 138ff.), mit einer Figur des »reinen Wollens«, die kompromisslos die jouissance, d.h. das Genießen verbietet (das dem der ›väterlichen‹ symbolischen Ordnung unterworfenen Subjekt untersagt ist), bzw. die deren Unverträglichkeit mit dem großen Anderen wirksam in Szene setzt, ohne Rechenschaft für ihr Handeln abzulegen (vgl. ebd., S. 139ff.). Das Verbot muss auf diese Weise ausgesprochen werden, oder: »die Domäne symbolischer Regeln, wenn sie als solche zählen soll«, muss paradoxerweise »auf einer tautologischen Autorität jenseits der Regeln basieren, welche verkündet: ›Es ist so, weil ich es so gesagt habe!‹« (Ebd., S. 141f.) Die kompromisslose, tautologische Setzung verhindert quasi, so lässt sich vor dem Hintergrund des Vorangegangenen sagen, die Ergründung der nicht begründbaren, gewaltsamen Einsetzung des Gesetzten. Die in Tautologien sprechende Figur, v.a. was die Gründe für ihr Wirken bzw. für ihre Ge- und Verbote betriff t (vgl. ebd., S. 139), trägt die paternal-symbolische Autorität. Im »Es ist so …« manifestiert sich eine performative Dimension, mit der gleichsam ›magisch‹ der propositionale Gehalt der Äußerung hervorgebracht wird (Žižek 1993, S. 111). 43 Autorität in diesem 42 | Setzen das Verbot, den verehrten Totem zu schädigen bzw. zu töten und die Exogamie gleichsam den Vaterwillen fort, so rechtfertigt sich das Gebot der Gleichberechtigung der »Bundesbrüder« durch »die Berufung auf die Notwendigkeit, die neue Ordnung, die nach der Beseitigung des Vaters entstanden war, für die Dauer zu erhalten« (Freud 1939a, S. 227). 43 | Autorität wird bestimmbar als eine Art Schnittpunkt performativer und konstativer Dimensionen (vgl. Žižek 1993, S. 114). Žižek setzt sich hier

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Sinne ist »letztlich der Name einer Geste, die einen bestimmten Sachverhalt ›etabliert (konstituiert, kreiert, herstellt)‹ in einer Geste, die ›etabliert (bestätigt, behauptet, feststellt)‹: ›So ist es‹« (ebd., S. 114). ›Es ist so, weil ich es so gesagt habe‹ entfaltet diese Wirkweise, in der eine Äußerung sich quasi durch sich ›selbst‹ verwirk licht, eben als Tautologie. Autorität vollbringt, was sie als vollbracht behauptet, und sie begründet sich in einer sich selbst beglaubigenden Struktur. »Keine Aussage von Autorität kann […] anders garantiert sein als in ihrem Aussagen selbst […]« (Lacan 1991, S. 188); oder: es gibt kaum einen anderen Beweis dafür, dass einer Vollmacht oder Autorität hat, »als seine eigene Aussage« (Kierkegaard 1960, S. 131). 44 Kierkegaard entwickelt diesen Gedanken in seiner Arbeit »Über den Unterschied zwischen einem Genie und einem Apostel«, 45 die die Vollmacht als das schlechthin Andere (ebd., S. 124) vornehmlich auf dem Feld des Glaubens anvisiert. Die Autorität des Apostels – der gleichsam auch als ›bevollmächtigte‹ Instanz eines Anderen, einer die Person übersteigenden Ordnung wirkt – stützt sich auf seine Aussage; und so muss es auch sein, so Kierkegaard: könnte der Apostel »sinnenfällig« beweisen, dass er die Vollmacht hat, »so wäre er gerade kein Apostel« bzw. hätte er einen anderen Beweis als seine eigene Aussage, »träte der Gläubige ja in ein unmittelbares Verhältnis zu ihm, nicht in ein paradoxes« (ebd., S. 131). Kierkegaards Text kann zudem einen Weg weisen zu jenem – bei ihm freilich noch ausgesparten – Element, was Autorität (die etwa ein Gesetz oder eine Transzendenz, eine Lehre repräsentiert) ›mehr‹ zu haben scheint und was Objekt-Grund unseres Begehrens nach ihr ist. Heißt es also: »Die Vollmacht ist das qualitativ Entscheidende« (ebd., S. 122), dann wäre das Entscheidende zunächst nicht in der Aussage, in Form oder Inhalt der Lehre zu suchen; es findet sich auch nicht in der »persönlichen Identität« des Apostels »mit sich selber als der bestimmten Person, die er ist […]« (ebd., S. 120). Der, »dem eine Lehre anvertraut wird«, argumentiert »von daher, daß er bevollmächtigt ist« (ebd., S. 121). Einerseits ist es also nicht ein dem Aussageinhalt innewohnender Wert, der die Grundlage der Autorität bildet46 mit der Sprechakttheorie (Austin, Searle) auseinander. – Zu »Sprechakt und Autorisierung« vgl. Liepold-Mosser 1995. 44 | »In den transitorischen Verhältnissen der Vollmacht zwischen Mensch und Mensch als Mensch« wird die Vollmacht nach Kierkegaard »in der Regel sinnenfällig an der Macht zu erkennen sein« (Kierkegaard 1960, S. 131). 45 | Den durchaus problematischen Geniebegriff kann ich hier nicht ausführen (in Härtel 2006b gehe ich kurz darauf ein). 46 | »Wenn Christus spricht ›es ist ein ewiges Leben‹ und wenn der Kandidat der Theologie Petersen spricht ›es ist ein ewiges Leben‹, so sagen sie beide das Gleiche […]; beide Aussagen sind, ästhetisch gewürdigt, gleich gut. Dennoch ist da wohl ein ewiger qualitativer Unterschied!« (Kierkegaard 1960, S. 127)

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– er wird quasi ersetzt durch die autorisierte Person. Zugleich wird einer Person nur dann Autorität zugesprochen, wenn sie etwas Anderes, etwas sie selbst Übersteigendes repräsentiert, eine fremde Botschaft übermittelt: Einer autorisierten Person wird, so Žižek (mit Bezug auf Kierkegaard), unabhängig von der inhaltlichen Qualität dessen, was sie äußert, gehorcht; zugleich verfügt sie nur dann über Autorität, wenn sie eine transzendente Botschaft überbringt, d.h. deren Träger ist. »Wir gehorchen einer Person, die mit Autorität ausgestattet ist, unabhängig von dem Inhalt ihrer Äußerungen (die Autorität hört in dem Augenblick auf, eigentliche Autorität zu sein, in dem wir sie von der Qualität ihres Inhalts abhängig machen); doch diese Person verfügt nur insofern über Autorität, als sie auf einen neutralen Überbringer reduziert wird, auf einen Träger einer transzendenten Botschaft […]« (vgl. insgesamt Žižek 1993, hier S. 108).

Ist Autorität also weder in den Personen-Eigenschaften noch in der Lehre bzw. deren Inhalt enthalten, wie wird die sich in ihrer Vollmacht selbst beglaubigende Figur dann attraktiv? Hier lässt sich mit Žižek weiter die ›Schnittmenge‹, das Überschneidungsfeld zwischen der Person (mit ihren Eigenschaften) und der überbrachten Botschaft (der Lehre) fokussieren, in dem ein unheimlicher Zug zum Tragen kommt: Autorität wäre begründet in dem, was in ihr mehr ist als sie selbst, »in dieser Überschneidung, die genau dem entspricht, was Lacan als Objekt klein a bezeichnete« (ebd.). Mit diesem Objekt ist man nun auf den Objekt-Grund des Begehrens verwiesen – das »paradoxe unheimliche Objekt, das im wahrgenommenen positiven und empirischen Objekt sich notwendigerweise meinem Blick entzieht und insofern die treibende Kraft für mein Begehren nach ihm ist […]« (Žižek 1995, S. 139). Der Überschuss, das beunruhigende Mehr in ihm als er selbst wird auch als eine Art doppelbödige Kippfigur beschreibbar. 47 Die ›transzendenten‹ Dimensionen, die die Zuschreibung von Autorität bestimmen, führen zu einer Art Spaltung der die Autorität verkörpernden Person, sie verschränken sich in ihrer Differenz mit den persönlichen, den vergänglich-menschlichen Zügen. Dabei geht es nicht nur um eine kontingente Verkörperung der Instanz des Anderen, sondern auch um ein unzerstörbares und unbegreifliches Moment in dieser Verkörperung selbst: Zunächst wird die Verkörperung in einer Person selbst zu einer Bedingung des Funktionierens der sie übersteigenden Instanz. Der empirische, unvollkommene Vater verkörpert eine symbolische Instanz, der er nie ge47 | Diese kann auch beim Versuch der theoretischen Umschreibung immer wieder entgleiten. – Diese Erfahrung begleitet insbesondere meine ŽižekLektüre, etwa im Versuch, verschiedene Arbeiten zusammenzulesen. Gerade, wenn man meint, man ›hat es‹, schlägt es wieder um …

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recht werden kann (und selbst unterworfen ist); und in dieser Hinsicht ist zu akzeptieren, dass es in dieser Verkörperung nicht er selbst, sondern der große Andere ist, der spricht; der Vater als symbolisches Mandat ist ›mehr Vater‹ als der Vater selbst (s. Žižek 1995, S. 141; Žižek 1994, S. 147). Dabei ist die vergängliche empirische Person nicht einfach Träger der symbolischen Funktion, sondern, sobald eine Person auf diese Weise funktioniert, werden gerade deren alltäglich-gewöhnlichen Eigenschaften – charismaverstärkend – zum (übertragungswirksamen) Objekt der Faszination (Žižek 1993, S. 125f.) – wie z.B. im Falle königlicher Familien, die bis heute gut beraten sind, Gerüchte über ›menschliche Schwächen‹, Machenschaften o. ä. unter die Leute zu bringen (vgl. ebd., S. 125f.). Dieser Wechsel in ein Objekt der Faszination – mit potentiell ebenso bewunderungsverstärkenden wie erniedrigenden Zügen – verweist wiederum auf das Objekt klein a, das eben konstitutiv ist für die Wirksamkeit von Autorität. Hier deutet sich etwas an, das sich im anderen entzieht und Triebkraft des Begehrens ist (s.o.), das auch die symbolische Autorität auf wiederum unheimliche Weise verdoppelt und als eine Art konstitutive Restverbindung zum mythisch genießenden Urvater funktioniert. Es geht um ein ›Mehr‹, auch im Sinne eines Mehr an Genießen. Geht aus dem Vatermord ein sozio-symbolisches Universum hervor, das Figuren seiner tautologischen Etablierung bedarf, so ist diese Transformation niemals komplett. Es bleibt ein ›Rest‹ in Form jener wiederkehrenden obszön genießenden Urvaterfigur. – Im Zuge der Etablierung der symbolischen Funktion produziert sich (nachträglich) eine ›Wiederkehr‹ des Urvaters in der Erscheinung obszönen, traumatischen Genießens (vgl. Žižek 1991, S. 106; Žižek 1994, S. 147f.). Ausgehend also von der Überführung in jene durch den ›Urvatermord‹ gleichsam eingerichtete symbolische Dimension findet man sich schließlich auf der phantasmatischen ›Kehrseite‹ wieder, auf der Seite eines angenommenen, die Form ›befleckenden‹ Mehrgenießens, das, auch Ursache des Begehrens, zunächst für die Wirksamkeit von Autorität in der paternalödipalen Konstellation (heimlich) nichts als erforderlich ist. Der ödipale, »als Instanz des symbolischen Gesetzes« herrschende Vater »ist notwendig ein in sich selbst gedoppelter«; seine Autorität kann nur gestützt auf eine obszöne ›Urvaterfigur‹ zur Geltung kommen (Žižek 1991, S. 108). Es ist, wie gesehen, die Vorstellung des genießenden Vaters, des möglichen Genießens an der Stelle des ›bevollmächtigten‹ Vaters, der aus der Misere rettet, dass ›Erfüllung‹ im psychoanalytischen Verständnis immer schon unmöglich ist. Diese Vorstellung ist nun an der Stelle der Instanz des Verbotes platziert, an der Stelle, von der das ödipale Verbot ausgeht. Der Urvatermythos – als »supplementärer Mythos zu Ödipus« – verleiht der unmöglichen Erfüllung ›Fleisch und Blut‹ und suggeriert, dass zumindest einem Subjekt der volle Genuss vergönnt war (insgesamt Žižek 1991, S. 107). Die das Genießen verbietende Autorität als Instanz des Gesetzes findet eine

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Stütze also ausgerechnet in einem verhängnisvollen, nicht einzupassenden Bild dieses Genießens. Von den Genießensdingen nichts wissen will der (s.o., vgl. Žižek 1999), der ohne Rechtfertigung oder Begründung vorzubringen, verbietend das symbolische Regelwerk zur Wirkung bringt – und im Zuge dieses Aussagens scheint sich zugleich ein Genießen zu enthüllen. Der unheimliche Doppelgänger symbolischer Autorität tut, gewissermaßen zum schaurig-schönen Schreckbild geworden, was verboten (unmöglich) ist, was als anstößig gilt – er scheint zu genießen. Durch die Annahme eines am Ort des Vaters bzw. seines Doppelgängers möglichen Genießens, durch die heimliche, ›zwischen den Zeilen‹ eingeräumte Überschreitung des Verbots formt sich die ambivalente Bindung an die ödipale Autorität; der vorgestellte mögliche Genuss deutet auf jenen angenommenen, das Begehren bedingenden Schatz am Ort des Anderen, um dessentwillen man liebend gehorcht und der einem zu schaffen macht. Nicht nur haftet in dieser Konstellation dem Vater, den man liebt, verehrt und der den Genuss drohend verbietet, auf wiederum auch erniedrigende Weise das Obszöne selbst an, sondern, unheimlicher noch, die Vorstellung dieser obszön-genießenden Kehrseite ist auch an dem eigenen, unkenntlich gewordenen Wunsch ›ursprünglich‹ beteiligt. Väterliche Autorität ist also nicht nur eine Figur, die zunächst eine Antwort verspricht auf das Che vuoi?48 bzw. auf die Frage, was der Andere, die anderen einem wollen. Sondern ihr selbst haftet ein phantasmatischer Überschuss an; die symbolische Autorität wäre also mit einem obszönen Fleck des Genießens versehen, der in dieser Konstellation ihre Effektivität erst garantiert und zugleich ihre Krisenhaftigkeit impliziert. Die schattenhafte Überlagerung oder Unterfütterung der in sich gedoppelten symbolischen Autorität mit Obszönität ist sozusagen eine unausgesprochene ›Wahrheit‹ jener familial-ödipalen Konstellation. Ihre Un(an)erkanntheit oder ›Heimlichkeit‹ wäre Grundlage für deren ›normales‹ Funktionieren. (Gerade der Schimmer oder Schein der Übertretung des Verbots stärkt das Spiel ödipaler Identifi kation.) Und zugleich kann man darin bereits die Anlage einer Krise lesen, insofern sich Autorität auf etwas stützt, was sie ›öffentlich‹ ausschließt und was niemals wirklich kontrollierbar ist. – Verliert etwa das im Zuge der Etablierung symbolischer Autorität tautologisch gesetzte Genießens-Verbot an Wirkung, dann vermag die väterliche Autorität in obszöne Ur-Vaterfiguren umzuschlagen. Funktioniert ›der Vater‹ weniger als der wie auch immer unzulängliche Träger symbolischer Autorität, so hat dies, einhergehend mit der Beschränkung auf ein imaginäres Ideal, auch eine »monströse Kehrseite zur Folge« (Žižek 1999, S. 189). Der 48 | »Mit diesem Satz bezieht sich Lacan auf eine phantastische Erzählung des 18. Jahrhunderts, Le diable amoureux von Jacques Cazotte. ›Was willst du?‹ ist der Satz, mit dem bei einer Geisterbeschwörung die Erscheinung des Teufels den erschreckten Protagonisten anspricht« (Waltz 2001, S. 126, Anm. 4).

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»Rückzug« des symbolischen Gesetzes – in seiner herkömmlich-untersagenden Form, den ihm unterworfenen Subjekten zunächst einen Zugang zur Welt und deren Konsistenz versprechend – geht einher mit dem »Vormarsch« des »unheimlichen Doppelgängers«. 49 Ein solches Erscheinen als eine Kehrseite einer ›schwindenden‹ väterlichen Autorität kann weiter als eine Art phantasmatischer Schutzschild davor fungieren,50 dass das absolute Genießen unmöglich ist: es scheint dort gradheraus möglich.

Krisenhaf te Konstellationen Das Zusammen- oder Gegeneinanderwirken symbolischer Autorität und ihres obszönen Doppelgängers bietet nun einen möglichen Deutungsansatz (durchaus kein umfassendes Erklärungsmuster!) für die Betrachtung soziokultureller Wandelungsprozesse in westlichen Gesellschaften, wie der folgende (notwendig wieder verkürzte) Schnelldurchlauf verdeutlichen soll – wobei diese Prozesse, das sei zuvor noch festgehalten, keineswegs linear, vielmehr von Ungleichzeitigkeiten geprägt zu denken sind. Unterscheidungen wie die zwischen moderner, postmoderner … Gesellschaft sind nicht einfach genealogisch zu denken, vielmehr als Differenzierung zwischen verschiedenen »aktuellen Identifikationsformen des Subjekts mit der symbolischen Ordnung« (Salecl 2000, S. 267, Anm. 215). Wie einleitend erwähnt, wird schon im 19. Jahrhundert ein Diskurs über eine sich verringernde väterliche Autorität geführt.51 Bereits 1855 »sagte der konservative Soziologe F. Le Play […] die zunehmende Auflösung der Familie voraus und warnte vor dem Abnehmen der väterlichen Autorität. Nicht anders W.H. Riehl in Deutschland. Und schon 1919 erschien ein Buch mit dem Titel ›Die vaterlose Gesellschaft‹ – von Paul Federn« (Seifert 1987, S. 13). Der mittlerweile zum Schlagwort gewordene Begriff der ›vaterlosen Gesellschaft‹ hat bereits viele Rekontextualisierungen erfahren. Sie enthält ebenso »ein Potential utopischer Ressourcen« wie sie »das Antlitz der Melancholie« trägt, um eine Formulierung Heims aufzugreifen (Heim 1999, S 8f.). Auch ist die Rede von einer ›vaterlosen Gesellschaft‹ spezi49 | Žižek 1999, S. 190 bzgl. des Über-Ichs; vgl. insgesamt Žižek 2001, S. 429f., S. 460. – Auf (auch žižeksche Konzeptionen betreffende) Diskussionen, welche Vorstellung des Symbolischen potentiell verblasst, gehe ich hier nicht weiter ein. (Vgl. aber die folgenden Kapitel, insbesondere Kap. III.) 50 | Vgl. in anderem Zusammenhang Žižek 2000, S. 90f. 51 | Nach Thomä verschärft sich die Krise der Vaterschaft im 19. Jahrhundert (vgl. Thomä 2008, S. 168). Durch die moderne Geschichte der letzten dreihundert Jahre zeige sich hinsichtlich väterlicher Autorität eine Pendelbewegung (vgl. ebd., S. 22). Vgl. auch insgesamt Thomäs – kurz vor Drucklegung erschienene – »moderne Heldengeschichte« des Vaters bzw. seiner Figuren (2008).

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fisch auf die deutsche Zeitgeschichte bezogen, wiewohl sie andererseits als »eine sozialpsychologische Diagnose von hohem Abstraktionswert« auch für andere fortgeschrittene (Industrie-)Gesellschaften gelten kann (Heim 1999, S. 138, S. 184 mit anderer Akzentuierung) – Aussagen zur ›vaterlosen Gesellschaft‹ fungieren nicht selten als »Metaphern […] für unsere gesamte westliche Kultur« (Rath 2005, S. 16). Der Begriff taucht erstmals bei Freud in Totem und Tabu als Situation zwischen Urvatermord und der sich im Zuge der Einsetzung von Vatergottheiten patriarchalisch umordnenden Gesellschaft auf (Freud 1912-13a, S. 180). So gesehen handelt Federns Arbeit bereits von »eine[r] ›vaterlose[n] Gesellschaft zweiten Grades‹«, nach der Überwindung jener »patriarchalisch geordneten Familiengesellschaft« (Rath 2006, S. 54). Hier wird die vaterlose Gesellschaft im Rahmen einer »Psychologie der Revolution« (Federn 1988) interpretiert.52 Spätestens mit dem Sturz des (österreichischen) Kaisers standen demnach »plötzlich in begreiflicher innerer Verwirrtheit eine Menge vaterloser Gesellen da« (Federn 1988, S. 21); Federn, der gewissermaßen auf eine »demokratische Brüdergesellschaft« hoff t (Rath 2005, S. 15), kommt zu dem Schluss, dass das »Vater-Sohn-Motiv […] die schwerste Niederlage erlitten« hat (Federn 1988, S. 33) und bekundet trotz Zuversicht die Sorge (vgl. König 1988, S. 59), dass dieses Motiv »durch die Familienerziehung und als ererbtes Gefühl tief in der Menschheit verankert [ist] und […] wahrscheinlich auch diesmal verhindern [wird], daß eine restlos ›Vaterlose Gesellschaft‹ sich durchsetzt« (Federn 1988, S. 33).53 Der Frage, warum jener ›Vater-Autoritätsverfall‹ weniger revolutionäre Umwälzungen bzw. deren Durchsetzung als vielmehr »das Auf kommen des Faschismus begünstigt hat«, lässt sich im Anschluss an die Studien zum autoritären Charakter nachgehen (König 1988, S. 61), dessen Theoretisierung durch die Kritische Theorie die Empfänglichkeit für autoritärfaschistische Ansichten erfassen will.54 Um die ›autoritäre‹ Dynamik zu begreifen, wäre nicht zuletzt, das sei hier kurz angemerkt, eine Einbeziehung der Kulturindustrie und deren Theoretisierung bedeutsam (vgl. dazu etwa: König 1988) – dies ist hier

52 | Federns Text wurde 1919 publiziert, »nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, aber noch vor dem Versailler Vertrag«, nach dem Sturz des österreichischen Kaisers und der Auflösung der Donaumonarchie … (Rath 2006, S. 50). 53 | »Damit verleiht er noch einmal jenen Sätzen ein besonderes Gewicht, in denen er davon spricht, daß die vaterlos gewordenen Gesellen aus einem ›Gefühl der Unsicherheit‹ heraus […] zum ›Terror‹ greifen könnten [Federn]«. Allerdings war für ihn nicht vorhersehbar, »[d]aß die eigentliche Gefahr von rechts drohte […]« (König 1988, S. 59f.). 54 | Vgl. dazu Weyand 2000: »Zur Aktualität der Theorie des autoritären Charakters«.

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allerdings nicht mein Thema.55 – Was die in Wechselwirkungen begriffenen familialen und gesellschaftlichen Prozesse angeht, auf die es mir hier ankommt, lässt sich ein zentrales Argument Horkheimers in Autorität und Familie (1936) mit Weyand folgendermaßen zusammenfassen: Hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Funktion produziert die Familie autoritäre Charaktere, insofern der durch sie als »Sozialisationsagentur« ausgeübte Zwang »dem Kind durch selbst gesellschaftlich ohnmächtige Eltern vermittelt wird« (Weyand 2000, S. 60, Herv. I.H., vgl. Horkheimer 1972). Der autoritätsgebundene Charakter, wie es bei Horkheimer in dem noch in den 1940er Jahren entstandenen Text »Autorität und Familie in der Gegenwart« heißt, gewinnt offenbar dann »seine eigentümliche Abstraktheit und Verhärtung«, wenn an der familiären Autorität festgehalten wird, nachdem die »innere Substanz der Familie« nicht mehr gegeben ist (Horkheimer 1987, S. 389; vgl. König 1988). Gelegentliche ›Männlichkeits-Ausbrüche‹ des Vaters werden als ein Überspielen und Kompensieren seiner (sozioökonomisch) schwachen Stellung erkennbar (vgl. König 1988, S. 61; Horkheimer 1987, S. 384). Das Kind empfängt »die abstrakte Vorstellung einer willkürlichen Macht«, wodurch es nach einem machtvolleren Vater Ausschau hält und dann vielfach jede Autorität akzeptiert, »wenn sie nur stark genug ist« (Horkheimer 1987, S. 384f.). Der Legitimitätsverlust der ›väterlichen‹ Macht seit den vor-faschistischen Jahrzehnten legt gleichsam den Zustand der keineswegs idyllischen patriarchalen Autorität samt dem bis dato eher unsichtbar wirkenden obszönen Vater offen; diesem beginnt der Vatername umso mehr zu gleichen, je weniger sein Versprechen trägt, »Zugang und Kohärenz der Welt zu gewährleisten« (Quadfasel/Dehnert 2001, S. 55f.). Aspekte nationalsozialistischen Wirkens lassen sich vor dem Hintergrund einer Art Bestrafung des ›zu schwachen‹ Vaters mit Hilfe einer stärkeren Macht lesen (vgl. ebd., S. 56); oder es wird eine Deutung denkbar, nach der »die Erfahrung des Nationalsozialismus Inbegriff einer vaterlosen Gesellschaft bleibt, die deren riskante Entwicklungspotentiale gleichsam zur Explosion brachte« (Heim 1999, S. 138).56 Es ist die symbolische Dimension berührt – »die Hitlersche Tätlichkeit« bedeutet nach Legendre »auch eine Tötungsgeste an die Adresse des Systems des Gesetzes in der Kultur« (1998, S. 22). Oder, in anderer Formulierung: Zerstört wird gleichsam der Glaube an eine durch das Gesetz sich vollziehende mögliche Befriedung bezüglich der Gewalt, die an dessen ›Ursprung‹ steht (vgl. Bischof 1984, 279f.; vgl. o.). Aus einer US-amerikanischen Perspektive etwa wird die (mitnichten auf die direkten Opfer beschränkte) Resonanz der planvollen Vernichtung durch den Faschismus im Symbolischen von MacCannell auch als eine ge55 | Kap. VII lässt sich aber auch vor einem solchen Hintergrund lesen. 56 | Vgl. Institut für Sozialforschung 1956.

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schildert, die nicht nur in den intendierten Wirkungen bestand:57 Geboren 1943, verdeutlichte der Faschismus ihr und ihrer Generation die Fragilität, Verwundbarkeit und Machtlosigkeit der Eltern (deren Existenz in Amerika auf keine Art unmittelbar bedroht war), und sorgte für einen neuen Blick auf gemeinschaftlich-familiale, intergenerationelle Bande (vgl. MacCannell 1991, S. 14f.): »The aggression against the parental relation was so fierce on the part of fascism that it could not help but open our eyes to that parental relation […]« (ebd., S. 15).58 Im postfaschistischen Deutschland hingegen erhält, so lässt sich sagen, die »kindliche Imago vom obszönen Vater […] reichlich empirische Unterfütterung« (Quadfasel/Dehnert 2001, S. 63). Nach dem Krieg entspricht die Position des Familienvaters, überdies vor aller Welt als ohnmächtig entlarvt (Stichwort: Kriegsverlierer, Entnazifizierung), deutlicher noch der des »illegitimen Tyrannen« (ebd., S. 62) – durchaus im Sinne einer »exzessive[n], aber eben auch illegitime[n] väterliche[n] Macht (die natürlich auch die biologische Mutter umfassen konnte)« (ebd., S. 67). – Weder der reale noch »der imaginäre Vater des Familienromans« (mit diesem Begriff sind die imaginär die Elternbande modifizierenden Phantasien charakterisiert) (vgl. Laplanche/Pontalis 1994, S. 152) scheint dann »über die Dignität zu verfügen«, des ›Amtes‹ »als Repräsentant[en] des symbolischen Vaters zu walten« (weshalb wiederum wohl auch »ein Konzept wie dasjenige des Namens-des-Vaters französisch gedacht werden mußte«, so Heim) (2004, S. 133).59 57 | »[W]hat happened to my generation, what assaulted and neutralized the traditional Oedipal form, had an unintended effect, different from the vicious desire that prompted it, in the collective psyche. It unwittingly enabled us to do away with our wish to do away with our parents and thereby ›freely‹ enjoy« (MacCannell 1991, S. 15). 58 | »We came to know that they were what they were by virtue of their roles in the sexual production of human life, not by virtue of their magical and elevated power«. Und: »[W]e entered a new state of mind and soul, one we have to contend with for better or for ill« (MacCannell 1991, S. 15). 59 | Ohne im Folgenden näher darauf eingehen zu können, ist so gedacht wiederum auch die Problematik der deutschen 68er-Bewegung spezifisch: Hier »ging es nicht nur darum, sich von einer sogenannten bürgerlichen Welt voller Tabus abzulösen, sondern zugleich von einer Elterngeneration, die soeben den Nationalsozialismus hinter sich gebracht hat. Es ging somit auch um eine spezifische Schuld des Vaters. Den Begriff ›vaterlose Gesellschaft‹ könnte man also auch hören als eine Gesellschaft, die sich des Vaters entledigen will: Vater los sein« (Rath 2006, S. 67f.). – Lacan war (im Kontext wiederum des »französischen Mai ’68«) nach Rath »der Meinung, daß mit der revolutionären Beseitigung alter Autoritäten eine neue, sehr viel härtere und anonymere Herrschaft eingeführt würde, etwa im Namen der Wissenschaft, der Pädagogik

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1963 legt Mitscherlich seine sozialpsychologische Arbeit »Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft« vor (Mitscherlich 1996),60 in der dieser Weg wiederum kaum als Gewinn erscheinen kann (vgl. Rath 2006, S. 64).61 Die als schwindend angesehene Autorität des Vaters wird wiederum (auf eine darin durchaus auch begrenzte Weise) an »materielle Motive und Bedürfnisse« (Seifert 1992, S. 158) zurückgebunden; die hier »dominante Vater-Imago« ist »vom arbeitenden Vater« – als »Metapher für den ödipalen Vater« – erfüllt (Heim 2004, S. 132). Es geht dort u.a. um die nachlassende Anschaulichkeit dieses Vaters und auch um die »zunehmende Bedeutung der Identifizierung mit Seinesgleichen« in der Subjektkonstituierung (Berkel 2006, S. 113). Der Vater werde (mit fortschreitender Arbeitswelt-Spezialisierung) in der Familie zunehmend unsichtbar und »die personale Relation der Machtverhältnisse überhaupt« löse sich auf (Mitscherlich 1996, S. 338; vgl. Rath 2006, S. 64f.).62 »Das vaterlose […]63 Kind wächst zum herrenlosen Erwachsenen auf, es übt anonyme Funktionen aus und wird von anonymen Funktionen gesteuert. Was es sinnfällig erlebt, sind seinesgleichen in unabsehbarer Vielzahl« (Mitscherlich 1996, S. 338) – nach Rath handelt es sich hier vielleicht um »eine andere Art, die spiegelartige Identifizierung mit dem Nebenmenschen und den Mangel an symbolischer Einschreibung zu konstatieren« (Rath 2006, S. 65). Damit deutet sich wiederum an, dass der beschriebene Wandel kaum allein auf materielle Verhältnisse64 zurückgeführt werden kann. In gegenwärtigen westlichen Gesellschaften (d.h. wiederum durchaus auch gelöst von der spezifisch deutschen Zeitgeschichte), scheint sich, so eine These etwa von Žižek und anderen, die Beziehung zu der auf einer oder der Ideale der Kommunikation. Er ist dabei nicht weit entfernt von Ideen Adornos und Horkheimers zur ›Dialektik der Auf klärung‹« (2001, S. 87). 60 | »Daß es zu Auschwitz kommen konnte«, lag Mitscherlichs Analysen zufolge wiederum »in der Grundstruktur einer vaterlosen Gesellschaft angelegt, zu deren Sozialpsychologie die Wende vom innengeleiteten ödipalen zum außengeleiteten präödipalen, narzißtischen Menschen gehört« (Heim 1999, S. 80). 61 | Nach Busch ist »Mitscherlichs Diagnose spätmoderner Subjektivität« bereits von der Dialektik einer Vaterlosigkeit nicht bloß als »Anzeichen einer Schwundform«, sondern auch als »Ankündigung eines historisch neuen Freiraums gesellschaftlicher Entwicklung« affiziert (Busch 1996, S. 895). Freimüller spricht bezogen auf Mitscherlichs Buch von einer »Doppelung aus düsterer Diagnose und zumindest möglicher Therapie« (2007, S. 261). – Auf H. Marcuses Konzepte gehe ich hier nicht ein (vgl. etwa Marcuse 1966). 62 | Vgl., auch kritisch, Seitter 1986. 63 | Nach Mitscherlich ist das Kind »zunehmend auch mutterlos[e]« (Mitscherlich 1996, S. 338). 64 | Deren Bedeutung ich natürlich keineswegs bestreiten möchte.

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Fiktion beruhenden – das heißt hier also niemals ›anschaulich‹ gewesenen65 – ›väterlich‹-symbolischen Funktion verändert zu haben, deren Wirksamkeit erscheint fragil. – Sorgt der sich gleichsam schrittweise vollziehende »Zerfall[s] der väterlichen Autorität« für den Aufstieg der so genannten ›konformistischen Persönlichkeit‹, dann ist dieser Prozess heute, so Žižek, »unter den Bedingungen eines Wandels hin zur narzisstischen Persönlichkeit, […] sogar noch stärker und in eine neue Phase eingetreten« (Žižek 2001, S. 474). Unter dem Vorbehalt, dass es sich bei solchen Diagnosen natürlich immer um eine Reduzierung gesellschaftlicher Komplexität handeln muss, ließe sich demzufolge sagen, dass eine institutionell-gesellschaftliche Macht, die »Identität zu formen«, kaum mehr angenommen, eher schon »zuweilen an die Möglichkeit der Selbst-Schöpfung« geglaubt wird (Salecl 2000, S. 201). Der Vater erscheint weniger »als der (mehr oder weniger […] unzulängliche) Träger der Autorität«, als vielmehr »als imaginärer Konkurrent« (Žižek 2001, S. 460). – Er zeigt sich gleichsam »in the guise of one of us« (McGowan 2004, S. 50), über nimmt die Position »of just another subject among subjects« (ebd., S. 46); bzw. es entstehen neue ›Herren‹, die als »unser imaginäres Double« auch über eine phantasmastisch monströse Seite verfügen (wie Žižek anhand des zugleich als ›gewöhnlich‹ und als bedrohlich die ›totale Kontrolle‹ erstrebend o.ä. angesehenen Bill Gates exemplifiziert) (Žižek 2001, S. 480ff.).66 Diese Dimension folgt nicht der Logik symbolischer Repräsentation und es scheint schwierig, ›Autorität‹ noch zu identifizieren, sich im Verhältnis zu ihr zu positionieren bzw. die eigene Position in der symbolischen Ordnung (an-) zu-erkennen (vgl. McGowan 2004, S. 46f., S. 57). Das Subjekt findet im Symbolischen keine Gewissheit mehr (vgl. Waltz 2001, S. 121)67 … doch das heißt – jenseits imaginärer Verstellungen und

65 | »Trauerte Mitscherlich um die Anschaulichkeit des ödipalen Vaters und dessen verlorene Spuren konkreter Arbeit, erhob Lacan den symbolischen Vater erst recht in die Position einer unsichtbaren, als Struktur wirkenden generativen Kraft« (Heim 2004, S. 132). 66 | Vgl. auch: »[I]m heutigen, viel beschriebenen ›Untergang des Ödipus‹, dem Niedergang der väterlichen symbolischen Autorität, findet genau die Wiederkehr der gemäß der Logik des ›Urvaters‹ funktionierenden Figuren statt, von den ›totalitären‹ politischen Führern bis hin zum väterlichen Sexualbelästiger […] Wenn die ›befriedende‹ symbolische Autorität außer Kraft gesetzt wird, besteht die einzige Möglichkeit, die lähmende Ausweglosigkeit des Begehrens zu umgehen, ihrer inhärenten Unmöglichkeit auszuweichen, darin, den Grund der Unzugänglichkeit an einer despotischen Figur festzumachen, die für den uranfänglichen Genussmenschen/Luder [jouisseur] steht; wir können nicht genießen, weil er sich allen Genuss aneignet …« (Žižek 2001, S. 432). 67 | Nahezu alles scheint verhandel- und wählbar …

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Verhärtungen68 – wiederum auch: es ist auf neuartige Weise mit der Inkonsistenz des Anderen konfrontiert, hat ein Wissen darum in sich aufgenommen (vgl. dazu Waltz 2007), insofern etwa die selbstverständliche, ›väterliche‹, immer auch ›beschwichtigende‹ Antwort fehlt.69 – Es sind die in solcherart Theoretisierungen zur Disposition stehenden Dimensionen (z.B. von Verbot und Genießen70) bzw. deren Neuverhandlungen, die mich in meinen folgenden Betrachtungen kultureller Produktionen interessieren – unter der Prämisse, dass die sich als verändert darstellende »Beziehung des Subjekts zur symbolischen Ordnung weder als völlige Katastrophe noch als die Eröff nung unbegrenzter Möglichkeiten von Freiheit« zu denken ist, sondern andere Wege zu eruieren sind, »mit der Uneinheitlichkeit der symbolischen Ordnung zurechtzukommen« (Salecl 2000, S. 220). Oder anders gefragt: Wie kann eine ›reform(ulat)ion‹ des Symbolischen (vgl. MacCannell 1991, S. 183) aussehen?

Nachtrag: »The transformation … does not exist«? 71 In Die gnadenlose Liebe entwirft Žižek die (durchaus paradoxe) Diagnose eines Zeitalters, in dem das Denken immer stärker versucht ist, »die alten konzeptionellen Koordinaten über Bord zu werfen« und man sich ständig aufgefordert sieht, sich »von den ›alten Paradigmen‹ zu verabschieden« etc. (2001b, S. 80). Dies gilt auch für Erklärungen, die vorschnell das Ende der »ödipale[n] Sozialisierungsmatrix«, in mutmaßlich »post-patriarcha68 | Wenn ich den Begriff des Imaginären mit solchen Konnotationen verwende, dann ist jedoch mitzudenken, daß »Lacan den drei Registern nie eine Werteskala übergestülpt [hat], der zufolge das Imaginäre eine minderwertige Relationsweise eines dem Bild und seiner Faszination verfallenen, also geblendeten und in Illusionen verharrenden Subjekts wäre, das Symbolische dagegen die Erlösung aus dieser Verfallenheit« (Gondek 2001, S. 136). 69 | Der ›Tod‹ des Vaters kann gewissermaßen deutlicher werden als im 19. und frühen 20. Jahrhundert »with their ideology of the ›traditional‹ family« (MacCanell 1991, S. 6). 70 | Mögliche Stichworte aus der Diskussion sind hier: Aufforderung zum – damit erst recht unmöglichen – Genießen (vgl. auch Kap. III), eingeschärfte Permissivität sowie zunehmende Regulierungen von Genuss, Aversionen gegen fremde Lust … (vgl. dazu etwa die Schriften von Žižek; Pfaller 2005; Copjec 2004; McGowan 2004). 71 | McGowan 2004, S. 37. McGowan bezieht diese Formulierung darauf, dass es sich bei der von ihm analysier ten Transformation nur um »a transformation in the way subjects experience the social order, a phenomenological transformation« handelt: »it occasions no substantive change in the relationship between society and enjoyment« (ebd. – vgl. auch Kap. III).

I. K ONSTELL ATIONEN › VÄTERLICHER ‹ A UTORITÄT | 55

lische[n]« Zeiten o. ä. behaupten (ebd., S. 81) – wobei das (vermeintlich) Neue nicht selten einem Überleben des Alten dienen kann.72 Davon ausgehend ließe sich weiter formulieren, dass es zwar einerseits darum gehen muss, »Neues zu erkennen […], und zwar schnell« (Rath in Lebrun/Chaumon 2005, S. 30), ohne aber andererseits gerade in diesem Bestreben wieder einem autoritativ-normalisierenden Diskurs zu folgen (vgl. ebd.). – Denn der ›Verfall väterlicher Autorität‹ ist, gerade auch in der Figur einer Krise o. ä., zunächst einmal eine Diskurstatsache; und es ist eben gar nicht so klar, was sich in diesem Diskurs artikuliert: ist es das, was er postuliert, oder bildet er selbst ein Symptom der – sich verändernden – gesellschaftlichen Situation?73 Die hochkomplexe Frage nach dem Status des Diskursiven ist damit gestellt. Angesichts meines Anliegens möchte ich hier Perner folgen, wenn er sagt: »[W]as in unserer Gesellschaft geschieht, ist […] Diskurs-Effekt« (und, wie sich vielleicht ergänzen ließe: Imaginationseffekt), wobei aber das, was hier Effekt ist, etwas ist, »das den Diskurs übersteigt« (Perner in: Lebrun/Chaumon 2005, S. 31, Herv. I.H.) und auf diesen wiederum (potentiell durchaus störend) einwirkt. Gesellschaft lichen Diskursen sind immer auch Prozeduren der Ausschließung, Einschränkung, Zuordnung etc. eingeschrieben (vgl. dazu Foucault 1998), wobei die Regulationen, Repräsentationen oder Symbolisierungen eben niemals vollständig sind und Reste bzw. Einbruchsstellen lassen.74 Meine – in die untersuchten Prozesse und deren Deutungen selbst involvierte – Arbeit nun hat sich, ausgehend von einer diskursiven Ebene, vorgenommen, textuelle und künstlerische Strategien und Deutungsangebote zu untersuchen, die veränderte Autoritätsbezüge (mindestens implizit) in sich aufgenommen haben – und zwar auf eine Weise, die genau etwas von dem zu artikulieren versucht, was aus den bisherigen autoritativen Deutungsmustern herausfällt (s. Einleitung). Mit derlei Analysen möchte ich mich auf die Spuren dessen begeben, was in der kulturellen Artikulation zwar mit Bezug auf, aber in Differenz zu Figuren ›traditioneller‹ Autorität sowie auch in Differenz zu gelegentlichen Verlustrhetoriken denkbar, möglicherweise anders symbolisierbar werden, und damit die Welt und ihre Bedeutung wiederum prägen kann. Es geht also um Artikulationsformen, die das, was artikuliert werden kann, potentiell selbst angehen – und auch, wie es artikuliert werden kann. Differenzen werden etabliert 72 | Žižeks Argument zielt u.a. auf die Frage: »Wie können wir dem Alten unter den neuen Bedingungen treu bleiben? Nur so können wir etwas tatsächlich Neues schaffen« (2001b, S. 80). 73 | Die Rede vom »Niedergang des Vaters«, so wäre zu erwägen, kann hinsichtlich gesellschaftlicher Veränderungen auch eine »Sehnsucht nach Traditionen« formulieren (vgl. Tort 2004, S. 112, S. 105). 74 | Vgl. bezogen auf das Thema des Körpers und seine Geschichte: Sarasin 2003.

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und dabei die – als kontingent gefasste – symbolische Dimension reformuliert. So bin ich bei den nun folgenden Studien also keineswegs auf der Suche nach Bestätigungen für einen Krisendiskurs, gar für die Annahme einer ehemals ›nicht-krisenhaften‹ Autorität, oder nach einem neuen ›postPhänomen‹, sondern nach den sich in der Arbeit am theoretischen und künstlerischen Material ergebenden Konstellationen. Viel mehr als eine Beantwortung der Frage, wie die Zeit ›heute ist‹, interessieren mich die in diesem Kapitel vorgestellten veränderten autoritativen Strukturen als Denkfigur, die beim Blick auf kulturelle Produktionen immer auch ihre eigenen Differenzen und Durchkreuzungen erzeugt.75 Ich frage mich also von Kapitel zu Kapitel: Wie taucht das sich artikulierende Subjekt jeweils auf? Welche Bezüge zu einer – möglicherweise instabilen – (›väterlichen‹) Autorität ergeben sich? Welche Affekte und Phantasmen sind involviert? Oder auch: Welche ›Antworten‹, im Sinne kultureller Artikulations- oder Handlungsoptionen, formulieren meine Materialien in Anbetracht eines inkonsistenten Anderen auf dessen beunruhigend-rätselhaftes Begehren (s.o.)? – Materialien, die derartige mögliche ›Antworten‹ nicht nur thematisieren, sondern als kulturelle Produktionen (ebenso wie auch meine Untersuchung) selbst schon als solche funktionieren.

75 | Das heißt einmal mehr, auf die irritierenden, durchkreuzenden Aspekte zu achten.

II. Positionen, Dispositionen, Positionierungen: Wissenschaf tliche Reflexivität als kritische Handlungsoption? (Pierre Bourdieu)

»Handeln geschieht von feststellbaren Positionen des sozialen Raums aus, die durch ihre Relationen zueinander bestimmt werden«. 1 Mein Einstiegskandidat Pierre Bourdieu, auf den dieses Zitat bezogen ist, liefert ein schönes Stück Theorie: er kann als eine zentrale Figur sowohl für Autorschaftsals auch für Agency-Debatten gelten. Zunächst scheint er implizit selbst eine Art ›Tod des Autors‹ bzw. Künstlers kundzutun, wenn er etwa »die künstlerische Avantgarde als ›attitude‹, die ›ambition démiurgique de l’artiste‹ als ›habitus‹ entlarvt« (Wetzel 2000, S. 482). Insofern läuft sein feldtheoretischer Ansatz, den ich noch ausführen werde, »den habitualisierten Selbststilisierungen der Autoren zuwider« (Joch/Wolf 2005, S. 7).2 Seiner Privilegien beraubt, kann der Autor weniger als singulär-selbstbestimmtes Subjekt, sondern muss vielmehr eben durch seine jeweilige Habitus-Disposition geprägt erscheinen (vgl. Wolf 2002, S. 397ff., S. 403). Habitus, das meint hier ein System von Dispositionen und nicht bewusster »Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsschemata« – all jene »Gedanken, Wahrnehmungen und Handlungen« bewirkend, die illusionär »als Schöpfung von unvorhersehbarer Neuartigkeit und spontaner Improvisation erscheinen« … (Bourdieu 1974, S. 40; vgl. u.).3 Der durch die Lebensbedingungen 1 | Colliot-Thélène/François/Gebauer 2005, S. 11 mit Bezug auf Hans-Peter Müller. 2 | Ohne die Eigenlogik z.B. des Literarischen zu negieren (vgl. Joch/Wolf 2005, S. 7). – Bourdieus Konzepte werden auch zur Analyse von Autorinszenierungen eingesetzt (vgl. Künzel/Schönert 2007). 3 | »[W]enngleich sie beobachtbaren Regelmäßigkeiten entsprechen«, heißt es weiter. Der Habitus »selbst nämlich wurde durch und innerhalb von Bedingungen erzeugt, die durch eben diese Regelmäßigkeiten bestimmt sind« (Bourdieu 1974, S. 40).

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geprägte und die Praxisformen hervorbringende Habitus passt, wenn es funktioniert, zu den sozialen Welten, in denen man agiert; die im Habitus angelegten Potentialitäten manifestieren sich im Spiel-Raum des Feldes. Damit ist zugleich markiert, dass der Autor hier nicht entschwindet. Vielmehr werden gerade seine – den Spielraum einschränkenden – ausgebildeten Dispositionen und Positionen im z.B. literarischen, künstlerischen oder auch wissenschaftlichen Feld in den Blick genommen (wovon noch die Rede sein wird). Bourdieus Forschungen richten sich auf den zum symbolischen Raum der Texte oder ›Werke‹ als homolog vorgestellten spezifisch sozialen Mikrokosmos als Raum von Feldpositionen und Distinktionen bzw. auf die Relationen dieser beiden Räume (vgl. Wolf 2002, S. 396f.). Sie versuchen gewissermaßen, »die Stellungnahmen mit den Stellungen […], von denen aus sie vorgebracht werden« in Verbindung zu bringen (Bourdieu 2001, S. 243). 4 Im Zuge dessen formuliert sich auch eine Kritik an Vorstellungen sich quasi anonym ›selbst‹ hervorbringender Texte (vgl. Wolf 2002). Bourdieus Feldtheorie wendet sich demnach desgleichen gegen den »Fetischismus des losgelösten Textes« (Bourdieu 1998b, S. 17). Eine Distanz wird also nicht nur »zur romantischen Ideologie des Autors als selbstherrlichem Schöpfer«,5 sondern auch zu der »Rede vom ›Tod des Autors‹« etabliert (Joch/Wolf 2005, S. 14), welche die écriture protegiert. Die Feldtheorie bricht sowohl mit Ansätzen, die einen direkten Zusammenhang von ›Werk‹ und individueller Biographie behaupten,6 als auch mit immanenten Werkinterpretationen und so verstandenen intertextuellen Analysen, um die darin liegenden Aspekte zusammenzubringen (vgl. Bourdieu 1992b, S. 163). – Sie »bricht mit einem auratisierenden Verständnis von Autorschaft, dem Glauben an das schöpferische Genie als einzigem oder primä4 | Wir können »nur dann wirklich verstehen [...], was ein Akteur des Feldes sagt oder tut (ein Ökonom, ein Schriftsteller, ein Künstler usw.), wenn wir in der Lage sind, uns auf eine Stellung zu beziehen, die er im Feld einnimmt, wenn wir also wissen, ›aus welcher Richtung‹ er spricht, wie man 68 etwas unbestimmt sagte (was voraussetzt, daß wir vorher die objektiven Beziehungen konstruiert haben, die für das fragliche Feld konstitutiv sind), anstatt einfach nur auf den Platz zu sehen, der er im sozialen Raum als Ganzem einzunehmen scheint, auf das also, was die marxistische Tradition Klassenlage nennt« (Bourdieu 1998b, S. 21). 5 | Vgl.: »Was man ›Kreation‹, ›schöpferisches Schaffen‹ nennt, das ist das Zusammentreffen zwischen einem sozial konstituierten Habitus und einer bestimmten bereits institutionalisierten oder möglichen Stellung innerhalb der arbeitsteilig organisierten kulturellen Produktion (und darüber hinaus, auf zweiter Ebene, der arbeitsteilig organisierten Herrschaft) [...]« (Bourdieu 1993b, S. 200). 6 | Oder auch einen direkten Zusammenhang von »sozialer Herkunftsklasse und Werk« (Bourdieu 1992b, S. 163).

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rem Erklärungsprinzip künstlerischer Werke, um den Autor als relationale, historisch variable und stets umkämpfte Größe umso ernster zu nehmen« (Joch/Wolf 2005, S. 14). Man muss sich endlich damit abfinden, schreibt Bourdieu, »daß die ›Wirkung der Werke auf die Werke‹ [...] immer nur über die Autoren vermittelt ausgeübt wird, deren reinste ästhetischen oder wissenschaftlichen Triebe sich unter den Zwängen und in den Grenzen der Position bestimmen, die sie in der Struktur eines ganz bestimmten Stands eines der Zeit wie dem Raum nach historisch bedingten literarischen oder künstlerischen Mikrokosmos einnehmen« (Bourdieu 1998, S. 74).7

Hier taucht der Begriff des Triebs (pulsion) erstmals auf, mit dem dieses Kapitel ausklingen wird … doch treten zunächst die Positionen in den Fokus und damit auch die sich in ihnen manifestierenden (von Bourdieu bekanntlich ausdifferenzierten) Kapitalien als Handlungsressourcen. Denn in den untersuchten Feldern, die immer auch Kräfte- und Kampffelder sind, hängt die Stellung bzw. das Gewicht eines Akteurs gewöhnlich von Kapitalumfang und relationaler Verteilung ab (vgl. Bourdieu 1998b, S. 20ff.). Dabei sind Anerkennungsfragen durchaus zentral; die Macht der Akteure im Kampffeld bemisst sich schließlich auch nach ihrem symbolischen Kapital, d.h. nach der von der sozialen Gruppe beigemessenen Anerkennung (vgl. Bourdieu 1990, S. 72) – was wiederum über Bourdieus Verständnis von Autorität und symbolischer Sphäre Aufschluss gibt (als Sphäre von Bedeutung und Sinngebungsprozessen, die eben eine – verkennende – Anerkennung gesellschaftlicher Macht bewirken). Symbolische Ordnung, stets im Zusammenspiel mit sozio-historischen Herrschaftsgefügen gedacht, heißt hier: den Akteuren werden in ihrer Gesamtheit »strukturierende Strukturen aufgezwungen«, die dann konsistent und resistent wirken, wenn sie u.a. »mit den objektiven Strukturen der sozialen Welt übereinstimmen« (Bourdieu 2001, S. 226). Die symbolische Dimension von Macht oder Herrschaft (und Bourdieu hat auch deut lich deren traditionelle Vater- bzw. Mannzentrierung analysiert und angefochten) (vgl. etwa Bourdieu 2005, Borens 2006, S. 89)8 liegt nach Bourdieu in eben der Form der Zustimmung zu den herrschenden Verhältnissen, und diese rührt von einer vorreflexiv-körperlichen Unterwerfung, letztlich von inkorporierten Machtbeziehungen her (und nicht von einer »freiwilligen Entscheidung eines aufgeklärten Bewußtseins« o.ä.) (Bourdieu 1997, S. 165; 7 | Vgl. auch: Die Position der Autoren, »die sich nur in Relation zu anderen, von anderen Autoren eingenommenen Positionen bestimmen läßt, [spricht] immer und durch ihr ganzes Werk hindurch« (Bourdieu 1993c, S. 27). 8 | Zu La domination masculine vgl. etwa Thébaud 2005.

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ich komme darauf zurück).9 Stimmen einverleibte und objektive Strukturen überein, ergibt sich die Anerkennung quasi von allein. Durch solcherart kollaboratives Einverständnis läuft das gespielte Spiel; es gründet in einer Verkennung und fungiert als »Ursprung jeder Autorität« (Bourdieu 1990, S. 79). Die symbolische Kraft scheint »wie durch Magie« (Bourdieu 2005, S. 71) zu wirken.10 Mit seinen Annahmen zu inkorporierten Strukturen findet sich Bourdieu zugleich im Zentrum von Agency-Debatten wieder und muss sich, insofern seine Analysen in ihrer ›Homogenitätsannahme‹ (Reckwitz 2000) insbesondere Mechanismen der Reproduktion sozio-symbolischer Handlungsmuster fokussieren,11 den Vorwurf einer theoretischen Unterbelichtung der Wege von Transformationen gefallen lassen. Nach Butler geht das auf die – als vorgängig und außersprachlich vorgestellten – gesellschaftlichen Bedingungen12 gelegte Schwergewicht auf Kosten der Transformierbarkeit performativer Äußerungen (vgl. Butler 1998, S. 214).13 Wenn Bourdieu etwa postuliert, dass die Sprache Autorität »von außen« erhält und diese Autorität allenfalls repräsentiert (Bourdieu 1990, S. 73ff.), so gelingt es ihm nach Butler nicht, »jene besondere Kraft« – und damit auch eine Dimension ›widerständiger Handlungsmacht‹ – »theoretisch zu fassen, die die Äußerung entfaltet, wenn sie mit einem früheren Kontext bricht« (Butler 1998, S. 209; kritisch: McNay 2004, 2000). Es ist nicht zuletzt die – von Bourdieu durchaus gekonterte (vgl. etwa 2001) – Kritik einer unzureichenden Theoretisierung von möglichen Transformationsbedingungen oder von Handlungsdimensionen, welche den gegebenen gesellschaftlichen Rahmen überschreiten (was ja gerade 9 | Zur symbolischen Gewalt vgl. etwa Mauger 2005. 10 | »Wirkung aber erzielt diese Magie nur, indem sie sich auf Dispositionen

stützt, die wie Triebfedern in die Tiefe der Körper eingelassen sind« (Bourdieu 2005, S. 71). 11 | »[...] Bourdieus Praxistheorie [geht] jenseits des strukturalistischen Modells unendlicher kultureller Reproduk tion zwar von der ›Normalität‹ von interpretativen Unbestimmtheiten und Mehrdeutigkeiten aus – allerdings ist damit noch keine Theorie der Dynamik und des Wandels von Habitusschemata formuliert. Tatsächlich präsentiert Bourdieu eine solche auf theoretischer Ebene nicht [...], aber er kommt in seinen materialen Untersuchungen nicht umhin, Fälle der Transformation der Wissensordnungen des Habitus zu analysieren« (Reckwitz 2000, S. 341). 12 | Auch »die theoretische Unterscheidung zwischen dem Gesellschaftlichen und dem Sprachlichen« ist nach Butler natürlich schwierig (Butler 1998, S. 217). 13 | Butler zufolge bietet Bourdieu in seinem Habitusbegriff zwar eine »Theorie des Körperwissens«, ohne seine diesbezüglichen Ausführungen jedoch mit »der Theorie der performativen Äußerung« zu verbinden (Butler 1998, S. 216).

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doch auch sein Anliegen ist), die einen Blick auf seinen Ansatz für meine Untersuchung reizvoll macht. Insofern ich mich eben für differente Konzeptualisierungen eines in herkömmlichen autoritativen Konstellationen ›Ungedachten‹ oder Nicht-Symbolisierten interessiere, werden solche Zusammenhänge und die Möglichkeit eines ›Bruchs‹ mit derartigen (entselbstverständlichten) Konstellationen prominent: Wenn ich mich in diesem Bourdieu-Kapitel insbesondere auf die Frage der Notwendigkeit einer (wissenschaftlichen) Refl exivität hinsicht lich der Autor/inn/en- bzw. Akteur/inn/en-Positionen in der Analyse kultureller Äußerungen (und damit auf einen wichtigen Aspekt der Debatten um Autorschaft und Agency) kapriziere, dann deshalb, weil mit einer solchen Reflexivität als Handlungsoption eben verbunden werden kann, dass sie einiges an bislang ›Ungedachtem‹ ins Spiel bringt 14 und darin ein Ansatz für eine Veränderung bisheriger sozio-symbolischer ›Spiele‹ liegt. Diese reflexive Positionsbestimmung erscheint so als eine mögliche Dimension einer bourdieuschen Antwort auf die Frage kultureller Transformation. Meine Ausführungen werden also um die Frage kreisen, wie bei Bourdieu eine Differenz, ja eine gewisse Freiheit von bisherigen sozialen Determinierungen vorgestellt wird, welche Rolle eine reflexive Positionsbestimmung als Handlungsmodell hierfür spielen kann, und worin deren Antwort und deren mögliche Grenzen (durchaus auch, aber nicht nur im Sinne Bourdieus) liegen. Ich werde mir im Folgenden also vornehmlich Konzepte Bourdieus vornehmen, der mir hier als ausgewiesener Vertreter einer wissenschaftsanalytischen Reflexivität gelten soll, und diese anschließend zu einer psychoanalytischen Sicht – hier in Differenz, wenn auch keineswegs im Gegensatz zu Bourdieu – ins Verhältnis setzen. Es gibt verschiedene Versuche, die Psychoanalyse auf Bourdieu zu beziehen (vgl. z.B. Fourny 2000; Steinmetz 2006; Kastl 2007; Fraser 2007)15 – nicht zuletzt durch letzteren selbst. Tatsächlich lassen sich dessen soziologische und psychoanalytische Zugangsweisen z.B. hinsichtlich der Erforschung affektiver Besetzungen und Identifizierungen in sozio-symbolischen ›Welten‹ bzw. hinsichtlich des Versuchs, das in diesen Ungenannte auszumachen, vergleichen. Bourdieu spricht etwa davon, dass sich »Soziologie und Psychoanalyse 14 | Z.B. lässt sich sagen, dass Bourdieus reflexive Soziologie das in den Blick nimmt, was an Sozialem, auch in wissenschaftlichen Bereichen, abgewehrt wird (vgl. Karakayli 2004). 15 | Psychoanalyse »seems to be playing an increasingly important role, no less ambiguous, in the work of Pierre Bourdieu. In fact, psychoanalysis has always had a place in his texts, despite an initial degree of hostility or serious reservations on Bourdieu’s part. His reservations, however, have evolved over time, become nuanced and modified, to ultimately assign psychoanalysis a tentative but increasingly distinct profi le as a problematic discipline« ..., heißt es bei Fourny 2000 (S. 103). – Zu Bourdieu/Lacan vgl. Steinmetz 2006.

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[…] zusammentun« sollten, »um die Genese der Besetzung eines Feldes sozialer Beziehungen zu untersuchen […]« (Bourdieu 2001, S. 212).16 Die Bewegung, bislang für selbstverständlich gehaltene Identifizierungen und Autorisierungen in einem gegebenen Kontext zu eruieren und zu durchqueren, scheint beiden Zugängen Anliegen zu sein. Dennoch lassen sich dabei auch Differenzen konstatieren, von denen ich im Folgenden einige (und zwar von denen, die die Frage kultureller Transformation berühren) ausloten möchte. Bourdieusche Ansätze vermögen in dem vorliegenden, in die Einzelstudien quasi einführenden Kapitel wesentlich als ein Indiziengeber dafür zu fungieren, was in solch differenzierten Positions- und Positionierungsdiskussionen tendenziell aus dem, und durch jene stärker psychoanalytisch geprägte Entwürfe, die ich in den darauf folgenden Kapiteln untersuche, dann in den Blick gerät.17 Hintergrund dieses Unterfangens ist die These, dass Bourdieus Konzepte weniger als diese die Inkonsistenz des Anderen (in lacanianischer Formulierung) einbeziehen – wiewohl er z.B. mit seiner Theorie wissenschaftlicher Reflexivität durchaus eine ›Antwort‹ darauf gibt. Greifen damit die nachfolgend untersuchten Theoretisierungen und künstlerischen Arbeiten eine zeitgenössische Instabilität der Bindung an symbolische Autorität deutlicher auf, dann dient mir die Beschäftigung mit Bourdieu also der Vorbereitung und Hinleitung zu jenen Kapiteln, in denen dann auch die angekündigten Dimensionen von Affekt und Phantasma (im Verhältnis zu der skizzierten ›väterlichen‹ Ordnung) verstärkt in den Vordergrund treten.18 Insofern mein Blick auf Bourdieu sich an diesem Anliegen ausrichtet, quasi eine Art ›Folie‹ zu bieten, von der aus sich die dann folgenden Entwürfe betrachten und abgrenzen lassen, ist es besonders wichtig festzuhalten, dass meine Überlegungen keineswegs den Anspruch geltend machen, seinem vielschichtigem und gewinnbringenden Ansatz insgesamt ›gerecht‹ zu werden. – Einem Ansatz, das sei vorweg noch bemerkt, der sich nach Bourdieus eigenem Bekunden bisweilen durch einen Stil der »langen verwickelten Sätze« auszeichnet, dessen Auf bau »die komplexe Struktur der sozialen Welt wiederzugeben sucht«: es geht gewissermaßen darum, Verbanntes zu Wort kommen zu lassen, Vereinfachungen zu hintertreiben, Automatismen in der Sprache zu brechen (Bourdieu 1987, S. 14; vgl. 1993b, S. 36ff.) – und etwa durch eine gewisse Schmuck- oder Glanzlosigkeit die, wie es heißt, »affektierten Posen des ›großen Stils‹« zu verweigern (Bourdieu 2002, S. 118f., vgl. S. 81).

16 | »[A]ber dazu müßten sie ihre gegenseitigen Voreingenommenheiten überwinden können« ... (Bourdieu 2001, S. 212). 17 | In einer anders ausgerichteten Arbeit ließe sich diese Bewegung sicher auch umgekehrt vollziehen. 18 | Zu affektiven Dimensionen bei Bourdieu vgl. auch u.

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Situierung Forderungen nach (selbst)reflexiven Verfahren (die in unterschiedlichen Formen z.B. in feministischen, ethnographischen oder soziologischen Theoriebildungen auftauchen und selbst bisweilen als einzige verbleibende Konstante erscheinen19) stellen zunächst einen Modus der Infragestellung gesetzter Gewissheiten und Autoritäten dar. Zudem werden Positionen, so banal das klingen mag, dann zum Problem, wenn sie gerade nicht gewiss erscheinen – die Zuerkenntnis der eigenen Position oder Situiertheit in der symbolischen Ordnung scheint längst nicht mehr unhinterfragt an ›platzanweisende‹ paternale Autoritätsfiguren gebunden (vgl. Kap. I). Insofern nimmt der Anspruch auf Reflexivität in Theoriebildung und Wissensproduktion nicht nur selbst eine Infragestellung von selbstverständlich eingenommenen Positionen vor. Er lässt sich auch als Effekt von und sodann als spezifische Umgangsweise mit ungewissen autoritativen Setzungen und Instanzen in der Wissenschaft charakterisieren. Denn der ›Autoritätsverlust‹ hat auch die Wissenschaft im Sinne einer kulturellen Ressource erfasst: Wissenschaft ist von einer verminderten Glaubwürdigkeit der Institutionen in »westlich-liberalen Demokratien« sozusagen »in ihrem zentralen Nerv« getroffen (Nowotny 1999, S. 60f.). Sie ist »die Institution, die sich in modernen Gesellschaften ein bisher unangefochtenes Monopol in der Definition der Wirklichkeit erobern konnte« (ebd.). Die durch den in der Moderne hegemonial werdenden universitären Diskurs »als eine schlichte Einsicht in den tatsächlichen Stand der Dinge« (Žižek 1999b, S. 59f.; vgl. Žižek 2004) präsentierten Entscheidungen und zugrunde liegenden machtvollen Autorisierungsmechanismen sind selbst in die Diskussion geraten. Es lässt sich sagen, dass die wissenschaftliche Welt keine verpflichtenden Positionen oder obligatorische, ohne Zweifel als legitim angenommene Perspektiven mehr bereitstellt (ohne dass die gesellschaftlichen Erwartungen an sie damit verabschiedet sind).20

19 | Feministische Wissenschaft etwa geschieht, so Ernst, »in so vielfältiger und vielschichtiger Weise, daß sie – scheinbar frei von jeder Konstante – die eigenen Positionen ständig hinterfragt und immer wieder neu definiert.« (Ernst 1999, S. 31). Wird gleichsam die Hinterfragung, kritische Reflexion und Neudefinition selbst zu einer Konstante, die allein noch eine gewisse Gewissheit verspricht? Letztere wäre dann von jeglichen Inhalten abgezogen; sie hätte sich stattdessen in das Verfahren der Infragestellung verschoben. 20 | Schließlich kann es zu Konstellationen kommen, in denen gerade in westlichen Gesellschaften, die sich als »Wissensgesellschaft« etikettieren, »das Wissen als die basale Ressource [...] behauptet« wird, und damit »zugleich jedoch [...] die Entdeckung einher[geht], dass es kein verlässliches Wissen über das Wissen gibt« (Pazzini/Schuller/Wimmer 2003, S. 1).

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In (selbst-)reflexiven Unternehmungen, die (wohlbegründet) universelle Geltungen von Wissensproduktionen in Frage bzw. die Perspektiviertheit des Erkennens in den Mittelpunkt stellen und das Anliegen verfolgen, etwas auch an den ›eigenen‹ Positionen bislang Außer-Acht-Gelassenes zu explizieren, wird ein ›krisenhaftes‹ Moment also gewissermaßen zum ›Programm‹ erhoben. Demgemäß wäre dann in die kritisch-reflexive Analyse etwa die Frage einzubeziehen, wer welches Wissen mit wie geprägten Interessen, aus welcher Position und in welchem z.B. institutionellen Kontext produziert bzw. welche Wissensproduktionen sich vor diesem Hintergrund durchsetzen. Nun ist es, wie Waltz bemerkt, »sicher kein neuer Gedanke«, dass der (quasi hinter den inhaltlichen Äußerungen liegende) »Kampf um Positionen« im (sozio-)kulturellen Feld »die Wahl der Inhalte bestimmt« (Waltz 2001, S. 116). Wurde dies aber lange als etwas betrachtet, das die ›wahre‹ Wissenschafts- bzw. Kunstentwicklung zwar beeinträchtigt, »ihr aber im Prinzip äußerlich« bleibt, so wird die ›Situierung‹ nun ebenfalls in die wissenschaftliche Produktion aufgenommen: sie wird sozusagen zum Gegenstand (kritisch oder positiv), es wird mit ihr gearbeitet: »Der moderne Typ des Wissenschaftlers agiert bewußt und positiv mit seiner Situierung in der Wissenschaft als Machtfeld« (ebd.). Diese Entwicklung ist Waltz zufolge nicht zuletzt dem Einfluss von Bourdieus Theorien bzw. einer spezifischen Verwendung seiner Begrifflichkeiten zu verdanken (vgl. ebd., S. 115f.). Aufgegriffen werden bourdieusche Ansätze etwa in linken kulturellen Diskussionen (vgl. ebd.), wiederum auch in der Geschlechterforschung. Hark etwa möchte feministische bzw. queere Theorie nicht über bestimmte ›Gegenstände‹, sondern über »ihre reflexive Praxis« definieren und in diesem Sinne »eine reflexiv-kritische Haltung in Bezug auf die eigenen Denk-Bewegungen« etablieren. Im Sinne Bourdieus wisse »eine wissenschaftliche Praxis, die es unterlasse, sich selbst in Frage zu stellen, […] im eigentlichen Sinne nicht, was sie tue« (Hark 1998, S. 22; s. Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 270). Bevor ich nun dieser Praxis und ihrer Infragestellung durch sich selbst bzw. Bourdieus Vorschlag einer Reflexivität in der Wissenschaft nachgehe, möchte ich mir zunächst seine Konzeption gesellschaftlicher Felder, der dafür prädestinierenden Dispositionen und der darin wirksamen Bindungen ansehen – d.h. auch die Wirkungsweise jener gesellschaftlichen ›Determinierungen‹,21 welche dann reflexiv ›distanziert‹ werden sollen. 21 | »Wie jede Wissenschaft akzeptiert die Soziologie das Prinzip des Determinismus, verstanden als eine Form des Prinzips des zureichenden Grundes« – in der Soziologie geht es dann um den sozialen Daseinsgrund. Und: »[...] anders als der Augenschein es will, ist die befreiende Kraft der Sozialwissenschaft um so größer, je mehr an Notwendigkeit sie wahrnimmt und je besser sie die Gesetzmäßigkeiten der sozialen Welt erkennt« (Bourdieu 1993b, S. 43f.).

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Der Sinn für das Spiel Bourdieus soziale ›Praxis-Theorie‹ bricht mit dem Dualismus von Structure und Agency; sie verweigert sich einem einseitigen ›Subjektivismus‹, der die Akteure und deren (bewusste) Sinnzuschreibungen in den Mittelpunkt stellt, aber auch einem ›Objektivismus‹, der strukturtheoretisch die subjektive Per22 spektive für irrelevant erklärt (vgl. dazu Reckwitz 2000). Vielmehr richtet er seine Kulturtheorie am Begriff des Habitus an der Schnittstelle von Struktur und Handeln aus. Mit diesem – zwischen den Systemen »objektiver Regelmäßigkeiten« und »direkt wahrnehmbare[r] Verhaltensformen« vermittelnden (Bourdieu 1974, S. 40) – Begriff geht es um »sozialisierte Subjektivität« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 159); »Grundlage der praktischen Handlungen ist etwas Erworbenes« (Bourdieu in Schwibs/Bourdieu 1985, S. 386) und jedes psychologische Merkmal ist dabei sozial überdeterminiert – was auch Bourdieus Blick auf den Ödipus markiert: War dieser doch, was die Psychoanalyse vergesse, »auch Königssohn« (ebd. mit Bezug auf Schorske). Der Habitus bezeichnet eine Matrix, ein erworbenes System kultureller Klassifikations- bzw. »Erzeugungsschemata«, mit dem Gedanken, Wahrnehmungen, Handlungen »frei hervorgebracht« werden können, »die innerhalb der Grenzen der besonderen Bedingungen seiner eigenen Hervorbringung liegen« (Bourdieu 1993, S. 102; vgl. Reckwitz 2000, S. 324). Der Habitus organisiert sich im Sinne eines von den einzelnen Vorstellungen der Akteure unabhängigen, handlungskonstitutiv wirkenden Differenzensystems (vgl. Reckwitz 2000, S. 324). Wiewohl er bewusste und willentliche Agenz dezentriert, bedenkt Bourdieu doch die Sinnzuschreibungen der Akteur/inn/en, deren ›praktischen Sinn‹ im Sinne einer angemessenen Situationsbewältigung im jeweiligen Feld (vgl. ebd., S. 324f.), er bedenkt deren Sinn für das Spiel.23 So manifestieren sich die »übersubjektiven Differenzensysteme […] nicht kurzerhand im Handeln des einzelnen«, sondern stellen vielmehr »einen Vorrat von Sinnmustern dar« (Reckwitz 2000, S. 333), die den einzelnen Akteur/inn/en Bedeutungszuschreibungen – und auch ›angemessenes‹ Handeln – ermöglichen. Womit soziales Handeln weder willkürlich noch völlig determiniert, eher schon nachhaltig orientiert, erscheint: 22 | Wenngleich Bourdieu stärker vom Strukturalismus ausgeht (vgl. dazu auch Celikates 2006). – Zur phänomenologischen, objektivistischen und praxeologischen Erkenntnisweise vgl. Bourdieu 1976. 23 | »In der Tat läßt sich das Feld mit einem Spiel vergleichen«, so Bourdieu, »obwohl es im Unterschied zum Spiel kein Produkt einer bewußten Schöpfung ist« und Regularitäten unterliegt, »die nicht expliziert und kodifiziert sind« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 127). – »The feel for the game is [...] a pre-reflexive, non-cognitive form of knowledge which often cannot be explicitly articulated« (Adkins 2004, S. 194).

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»The habitus [...] produces enduring (although not entirely fi xed) orientations to action. But while the habitus structures and organises action it is also generative. Specifically, the habitus is productive of individual and collective practices; practices which themselves are constitutive of the dispositions of the habitus« (Adkins 2004, S. 193).

Nun operiert der Habitus nach Bourdieu innerhalb spezifischer (z.B. ökonomischer, politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher …) Felder (vgl. ebd.)24 – wobei ein Feld sich auch als eine Art ›Gesellschaft in der Gesellschaft‹ (Joch/Wolf 2005, S. 2) vorstellen lässt: Die soziale Welt puzzelt sich aus verschiedenen solcher – sich aber durchaus überschneidender (vgl. Adkins 2004, S. 193) – Handlungsfelder zusammen. Bourdieus Feldtheorie ist folglich weniger am »sozialen Raum als Ganzem« bzw. den Plätzen darin (Bourdieu 1998b, S. 21) interessiert, als vielmehr an eben jenen »relativ autonomen« Welten voller eigener Logiken und Gesetze (vgl. ebd., S. 18; vgl. Adkins 2004, S. 193f.). Jedes Feld, jedes im Zuge gesellschaftlicher Entwicklungs- und Differenzierungsprozesse entstandene Universum bildet solche Gesetze und auch eigene Bezugsformen aus. Wie leicht ersichtlich, treibt uns z.B. im Bereich von Kunst oder Wissenschaft (noch) anderes um als etwa im ökonomischen Feld (vgl. Bourdieu 1998, S. 148f.). Ja, »Imperative externer Instanzen wie Wirtschaft, Politik oder Religion« brechen sich an der Eigengesetzlichkeit eines kulturellen Feldes »ohne jedoch gegenstandslos zu werden« (Joch/Wolf 2005, S. 6). – Das künstlerische Feld etwa konstituiert sich nach Bourdieu im 19. Jahrhundert, »indem es die Umkehrung des ökonomischen Gesetzes zu seinem Grundgesetz erhebt« (Bourdieu 1998, S. 149).25 Im Falle der ›reinen‹ Kunst (in Differenz etwa zur Massenproduktion) (vgl. Bourdieu 2001b) ist der »Eintritt für alle kommerziell Interessierten verboten« (Bourdieu 1998, S. 149) Grundlegend wird das (ökonomische) Interesse negiert (vgl. ebd.) – was in einer gewissen ›Interessenfreiheit‹ resultiert. Diese wird denkbar, wenn ein entsprechend prädisponierter Habitus auf ein die Interessenfreiheit belohnendes Universum triff t (vgl. ebd., S. 153f.). Wie im Falle der Wissenschaft scheint dieserart »interesselose[s] Interesse« bzw. »Interesse an der Interesselosigkeit« 24 | »[A]gents are not simply the benign carriers of the rules and norms of particular fields. For while the field sets certain limits on practice, nonetheless the actions of agents also shapes the habitus of the field and hence the field itself« (Adkins 2004, S. 194). 25 | »Der Prozeß, der bereits in der Renaissance einsetzt und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem, was man L’art pour l’art nennt, zum Abschluß kommt, läuft – beispielsweise mit dem Gegensatz von kommerzieller und reiner Kunst – darauf hinaus, die wirtschaftlichen Zwecke völlig von den spezifischen Zwecken dieses Universums zu trennen« (Bourdieu 1998, S. 149).

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nicht aufzugehen in den »herkömmlichen Interessen des Alltags« und vor allem »denen des ökonomischen Feldes« (Bourdieu 1998b, S. 27). Dabei ist das einer »antiökonomische[n] Ökonomie« (d.h. auch einer spezifischen Form von Ökonomie) eignende ›uneigennützige‹ Interesse letztlich eines an einer – sich ›auszahlenden‹ – Uneigennützigkeit (ebd.). Früchte trägt gleichsam ein (wohl weniger berechnendes als leidenschaftliches) Interesse, uneigennützig, interesselos zu sein. Leugnung der ›Ökonomie‹ (vgl. Bourdieu 1998, S. 149) und »Provokation jeder Form von Ökonomismus« (Bourdieu 2001b, S. 342).26 Begibt man sich also in ein soziales Feld hinein, dann entwickelt sich dieses spezifische Verhältnis, das sich mit Bourdieu als illusio (im Sinne eines kollektiven Glaubens an das Spiel) (Bourdieu 2001b, S. 363) oder auch in Begriffen der libido fassen lässt (vgl. Bourdieu 1998, S. 142). 27 Im Zuge des Zugangs zum Spiel setzt sich eine (An)Erkenntnis der ihm innewohnenden Regel durch (vgl. Bourdieu 2001b, S. 427). Illusio beschreibt hier den Zustand eines gewissen Gefangenseins: Man ist »vom Spiel erfaßt« und glaubt »daß sich das Spielen lohnt« (Bourdieu 1998, S. 140f.). Es entsteht ein »verzauberte[s] Verhältnis« zum Spiel – und zwar dann, wenn zwischen »den objektiven Strukturen des sozialen Raums« und den »mentalen Strukturen« eine Art ontologisch-übereinstimmender Beziehung gegeben ist (ebd., S. 141). Bourdieu spricht auch von einem »Körper gewordene[n] Spiel« (ebd., S. 145). Ist das Spiel bzw. der ›Sinn‹ für dieses erst einmal in Körper und Kopf gesetzt (vgl. ebd., S. 141) und ist letzterer also entsprechend der Spiel-Welt strukturiert, dann erscheint alles wichtig und selbst26 | Das Spiel der Kunst fordert die alltäglich-ökonomische Welt heraus. Folgerichtig wird es durch eine sich verstärkt durchsetzende Logik kommerzieller Produktion (Bourdieu 2001b, S. 531) verdorben: Mit der Durchdringung von Kunst- und Geldwelt ist nach Bourdieu die zu verteidigende Autonomie von Universen kultureller Produktion bedroht (vgl. ebd., S. 530). Eine ›wirtschaftliche Orientierung‹ scheint etwa die Dimension des Kritischen zu paralysieren – womit die Theorie, in gewisser Weise für ein »modernistische[s] Kunstverständnis« (Zahner 2006, S. 289 mit Bezug auf Prior – und kritisch) die Lanze bricht (vgl. Härtel 2006c). – Nach Inglis hat sich bei Bourdieu ein Wandel vollzogen: »[I]n the 1990s, Bourdieu’s analytic emphasis shifted, away from the earlier focus on the internal power struggles within fields towards examining the encroachment upon hitherto autonomous fields by forces external to them [...]« (Inglis 2005, S. 376f. in anderem Zusammenhang). 27 | »Die Theorie der Gruppe bildet eine Dimension einer allgemeinen Theorie des Fetischismus, der illusio, d.h. der Fähigkeit der sozialen Welt, Werte zu schaffen, Sakrales, für Repräsentationen, Ideen, Glaubensüberzeugungen das Leben und den Tod zu schenken (pro patria mori), eine genuin gesellschaftliche Libido zu schaffen, d.h. absolut künstlich, willkürlich und zugleich notwendig und imperativ« (Bourdieu in Schwibs/Bourdieu 1985, S. 391).

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verständlich; »die Frage, ob denn das Spiel den Einsatz lohnt, stellt sich […] gar nicht erst«; man vergisst eben sogar, dass diese sozialen Spiele »Spiele sind« (ebd., S. 141).28 – Läuft alles wie geschmiert, dann wird der Welt ein nicht als Glaube gedachter Glaube geschenkt (Bourdieu 1998, S. 146). Der gemeinsame Glaube, für den die illusio steht, ist ebenso Voraussetzung für das Funktionieren des Spiels wie dessen Resultat (vgl. Bourdieu 2001b, S. 363). Die durch das Feld her vorgebrachte illusio entreißt die sich investierenden Akteure der Gleichgültigkeit … und u.a. der spezifische Glaube an das Spiel lässt dieses erst funktionieren (vgl. ebd., S. 360). – In einem einigermaßen zirkulären Prozess ruft das Spiel seine eigene libidinöse Besetzung (illusio) durch den – mit Sinn für das Spiel begabten, weil durch es geformten – Spieler hervor, der das Spiel, indem er es spielt, ins Leben ruft (vgl. ebd., S. 456).

Libidosozialisation Zwischen Feld und Habitus entwickelt sich mit dem Sinn für die verlangten Einsätze die Handlungsfähigkeit und -neigung. – Aus den Vorstellungen zur Sozialisation der Libido, zur Genese der libidinösen Besetzung eines sozialen Feldes also, lässt sich nun ein Zug herausschälen, der mich im Folgenden sodann durch bourdieusche Annahmen gesellschaftlicher Transformation schleust und in großem Bogen schließlich bei der Handlungsdimension wissenschaftlicher Reflexivität landen lässt: Denn wenn, wie ich nun herausarbeiten möchte, bei Bourdieu ein Funktionieren der Inkorporationen sozialer Strukturen als möglich erscheint, so erfordert ein Veränderungsprozess den ›objektiven Krisenfall‹ – und/oder er wird denkbar im Zuge kritischer Reflexivität (s.u.). Bourdieu sieht eine »der Aufgaben der Soziologie« eben darin, »zu bestimmen, wie die soziale Welt aus der biologischen libido, dem undifferenzierten Trieb [pulsion indifférenciée],29 die soziale, spezifische libido macht. Es gibt nämlich ebenso viele libido, wie es Felder gibt« (Bourdieu 1998, S. 143).30 Die spezifischen, sozial begründeten Interessen sind demnach Ergebnis einer Libidosozialisationsarbeit. Den Meditationen zufolge stellt die Besetzung des familiären Raumes die »ursprüngliche Form der illusio« dar (Bourdieu 2001, S. 210ff.). Ein Feld sozialer Beziehungen wird interessant – etwa durch Anerkennungsbezeugungen, die das Kind einhandelt gegen »Verzicht und Opfer« an 28 | Vgl. dagegen den Spielbegriff bei Pfaller 2002. 29 | Zum Triebbegriff vgl. unten. 30 | Weiter heißt es: »Ist doch die Arbeit der Sozialisation der libido genau

das, wodurch Triebe in spezifische Interessen verwandelt werden, in sozial begründete Interessen [...]« (Bourdieu 1998, S. 143).

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anderer Stelle (ebd., S. 212f.); die sozialen Auswirkungen des »Familienfatum[s]« wären deshalb so mächtig, weil solche Prozesse »mit Wünschen überfrachtet« und – verdrängt – in den Körper »versenkt« sind. So dass auch das, was »als Leidenschaft« im »Innerste[n] des Körpers« fortlebt, wie Bourdieu formuliert (ebd., S. 214), zur Ausbildung passender Dispositionen beiträgt. Die im häuslich-familiären Feld konstituierten Affekte und Dispositionen werden »nach und nach in feldspezifische« umgewandelt (ebd., S. 210ff.). Der langwierige und allmähliche Transformationsprozess, der jemanden z.B. zum Musiker oder Professor macht, beginnt demnach spätestens mit der Kindheit und setzt sich, wie es heißt, »meist ohne Krisen und Konflikte fort – was nicht heißt ohne Phasen moralischen oder physischen Leidens, die als Prüfungen zu den Entwicklungsbedingungen der illusio gehören« … (ebd., S. 211) – Der Weg erscheint nicht leidensfrei, kann demnach aber annähernd bruchlos verlaufen. Leiden und Leidenschaft bilden den Sinn für das Spiel quasi mit aus bzw. werden Bestandteil des Prozesses, welcher Akteur/in und soziale Strukturen tendenziell (als Effekt von Kämpfen) in Übereinstimmung bringt. Auch wenn bei Bourdieu zuweilen Ambivalenzen zwischen affektuellen Kräften und materiellen (›instrumentellen‹) Interessen anklingen (vgl. dazu McNay 2000, S. 63),31 und auch wenn sich die körperlich-emotionalen Dimensionen »den Direktiven des Bewußtseins und des Willens« durchaus entziehen (Bourdieu 2005, S. 72), so wirken Affekte und Emotionen in diesem Zugriff vor allem im Sinne von Herrschaftsstabilisatoren. Soziales wird gleichsam in Gestalt von – sozial gefärbten – Affekten verkörpert (vgl. Bourdieu 2001, S. 213) – was greif bar und unzweifelhaft Einsichten in die Verkettung affektiver und sozialer Dimensionen möglich macht (vgl. etwa McNay 2004). Nun gehen, wie Rose in anderem Zusammenhang schreibt, gewisse soziologische Theorien von der Annahme aus, »daß die Internalisierung von Normen im großen und ganzen funktioniert«. Hingegen »besteht die grundsätzliche Voraussetzung und der Anfang aller Psychoanalyse in der Erkenntnis, daß sie nicht funktioniert« (Rose 1997, S. 94). Lässt sich in Anlehnung daran, zugespitzt, auch für bourdieusche Theorie die These wagen, dass hier ein konstitutives Nicht-Funktionieren etwas aus dem Blick gerät – im ›feinen Unterschied‹ zu psychoanalytischen Akzentuierungen?32 Bourdieu führt eine mit den Strukturen gesellschaftlicher Universen 31 | McNay bezieht sich hier auf Bourdieu 1996. 32 | Akzentuierungen, die sich auch in einer Differenz zu bourdieuschen

Vorstellungen von der Psychoanalyse (als Partnerin in der Erforschung der Genese der Besetzung von sozialen Feldern in diesem Sinne) befinden – aber keineswegs in Abgrenzung zu dem Vorhaben einer solchen Zusammenarbeit.

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verzurrte unbewusste Dimension ein.33 Das, was unsere Praktiken bestimmt, unsere Betrachtungsweisen formt bzw. das komplizenhafte Einverständnis mit dem, was diesen Strukturen eigen ist, ist nicht bewusst.34 Wenn sich davon ausgehen lässt, dass sich das Subjekt sozialen und zugleich unbewussten Ordnungen ausgesetzt sieht, die – ›inkorporiert‹ – sein Erfassen und Handeln prägen, so liegt der Akzent einer psychoanalytischen Lesart darüber hinaus auch auf dem durch das (dynamische) Unbewusste beharrlich offenbarten ›Scheitern‹ – ein ›Scheitern‹, das sich etwa manifestiert in Symptomen, Versprechern, bestimmten Formen der Lust (vgl. mit Bezug auf Identitätsfragen: Rose 1997, S. 94f.). Das Subjekt wird durch (in sich niemals konsistente) überindividuelle Ordnungen strukturiert, in denen es handelnd mitwirkt – und es verspricht sich darin, um eine Bemerkung Elfriede Löchels zu paraphrasieren. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle: Mit bourdieuschen Ansätzen wird ein komplexes, nicht einfach deterministisch zu denkendes Wechselspiel zwischen Feld, Position, Disposition, Positionierung vielschichtig analysierbar. In den Blick geraten vornehmlich bestimmte Spielregel-Systeme gesellschaftlicher Felder und Prozesse der ›Identifizierung‹ oder Inkorporierung darin; weniger greif bar werden dabei die solchen Prozessen immer schon innewohnenden Ambivalenzen bzw. Instabilitäten – Wider-Strebungen, die potentiell das besondere Ergriffensein vom Spiel35 oder auch ein ›Spielverderben‹ (vgl. dazu Härtel 2006c) bewirken.36 33 | »I never tire of quoting Durkheim’s ›the unconscious is history‹« (Bourdieu 2004, S. 95f.). – Vgl. Bourdieu 1976: »In der Tat gibt das ›Unbewußte‹ niemals etwas anderes wieder als das Vergessen der Geschichte, das die Geschichte selbst vollzieht, indem sie die objektiven Strukturen, die sie erschaff t, in jenen Quasi-Naturen, als welche die Habitusformen zu verstehen sind, verkörpert« (S. 171). 34 | Das Unbewusste ist, wie von Freud, »in seiner Vieldeutigkeit ernst zu nehmen« (Kastl 2007, S. 101; vgl. auch Anm. 31 in Kap. I). 35 | Vgl. dazu z.B. Pfallers Ausführungen zur Ambivalenz, zum Zwingenden des Spiels etc. (Pfaller 2002); vgl. auch Kap. I der vorliegenden Arbeit. 36 | In Das Elend der Welt ist weiterführend die Rede von verschiedenen möglichen Relationen zwischen gesellschaftlichen und psychologischen Dimensionen: »Homologie, Redundanz und Verstärkung [...] oder im Gegenteil Widerspruch und Spannung« (Bourdieu 1997c, S. 657). Hier erscheint eine Übereinstimmung als eine von mehreren Möglichkeiten. Zugleich bleibt es gewissermaßen dabei, dass für Bourdieu »Konfl ikte in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, innerhalb der sozialen Welt oder zwischen Handelnden und der sozialen Welt zu bestehen« scheinen. »Angesichts seiner Auffassung von den Feldern, die grundsätzlich von Feldern des Kampfes ausgeht, und vom Habitus als einem durch die Internalisierung von Feldern erzeugten« – d.h., so möchte ich ergänzen, sogar vor dem Hintergrund einer ›erfolgreichen‹ Internalisierung –, muss

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Soziale Transformation und Reflexivität Nach Adkins ist es (vor einem etwas anderen theoretischen Hintergrund) gerade auch die Vernachlässigung der Instabilitäten in den ›Anpassungsprozessen‹ (die diese potentiell unterbrechen und ›Identifi zierungen‹ o.ä. ambivalent erscheinen lassen), welche Bourdieus Verständnis sozialen Wandels problematisch macht (vgl. Adkins 2004, S. 207).37 Denn ausgehend von der wiederholten Annahme, dass Inkorporationen potentiell ›funktionieren‹, scheint es – akzentuiert formuliert – erforderlich, zwiespältig-doppelwertige, veränderliche Strebungen außerhalb des Bereichs der von ihm entwickelten Praxislogik zu arrangieren (vgl. ebd., S. 206f.). Gehen bourdieusche Konzeptionen also von der Möglichkeit einer weitgehenden Entsprechung objektiver und ›einverleibter‹ Strukturen aus, so wären soziale Transformation sowie Formen kritischer Reflexivität hier mit einer Nicht-Übereinstimmung, einer Deplatzierung dieser ›Passung‹ verbunden, welche sich etwa im Falle sich wandelnder, neu konstituierender oder bislang unbekannter sozialer Felder, veränderter Positionen o.ä. ergeben kann. Zu gesellschaftlicher Veränderung bzw. zu einem (bewussten) Nachdenken hinsichtlich des Handelns kann es quasi im (objektiven) ›Krisenfall‹ kommen, »wenn der Habitus keine dem Feld angemessenen Praktiken mehr hervorbringen kann« (Audehm 2001, S. 107), wenn der Spielsinn und das Spiel selbst auseinanderklaffen: »[F]or Bourdieu, when shifts in objective conditions precipitate a lack of fit between objective and subjective structures there are increased possibilities for both critical reflexivity and social change. Indeed this kind of reflexivity, constituted in the specific conditions of a lack of fit between the feel for the game and the game itself, must itself be understood as a transforming practice« (Adkins 2004, S. 197).

Soziale Transformation und erhöhte Tendenzen zur kritischen Reflexivität gegenüber vormals ›normalen‹ sozialen Bedingungen oder habitualisierten man sich mit Fraser fragen, »wie es sein kann, dass diese Kämpfe nicht ebenfalls internalisiert und in den Habitus – oder zwischen dem Habitus und irgendeinem anderen Element des Individuellen – integriert werden« (Fraser 2007, S. 89, vgl. S. 85). Darüber hinaus wäre eine Frage zu richten auf das, was passiert, wenn etwas in den ›Aufnahme‹-Prozessen keine Entsprechung findet, ausgeschlossen wird. (Für Diskussionen vielen Dank an Thomas Disselkamp.) 37 | »In short, because Bourdieu understands norms to be incorporated [...] he has to abandon his understanding of practice and resort to a more problematic sociological understanding of action (as conscious, cognitive and disembodied involving a system of concepts, perceptions, values and beliefs) when he wants to talk about social transformation« (Adkins 2004, S. 207).

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Handlungsformen – »what Bourdieu sometimes refers to as an ›awakening of consciousness‹ [Bourdieu]« – werden demnach zusammengebunden (vgl. ebd., S. 196f.). Solcherart Anschlüsse sind es, die Adkins hier in Frage stellt 38: Weil Bourdieu das soziale Feld v.a. als eine ›objektive‹ Struktur formuliert, an die sich der Habitus (mindestens tendenziell) adaptiert – woraus eine weitgehende Feld-Habitus-Kongruenz resultiert –, kann er Instabilität, Ambiguität, Dysfunktionalität o.ä. kaum in den Inkorporationsprozessen verankern oder innerhalb der Praxislogik durchdenken (vgl. ebd., S. 206f.). Auch erhält das kritisch-reflexive Bewusstsein einen Status, dessen Kompatibilität mit eben der Logik der Praxis fraglich ist. »[W]hen thinking about the issue of social transformation, […] Bourdieu abandons the principles he develops in regard to action« (ebd., S. 205) – etwa in der Tendenz, das Handeln als Angelegenheit eines ›denkenden Bewusstseins‹ vorzustellen (vgl. ebd.). Nun erscheint die Veränderungskraft eines solchen ›Bewusstseins‹ bei Bourdieu durchaus gebrochen: Zwar komme »Determinismus« im Grunde nur »unter geheimer Mittäterschaft des Unbewußten« voll zum Tragen39 (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 170), was dem ›aufgeklärten Bewusstsein‹ Chancen einräumt; zugleich ist es, wie an anderen Stellen deutlich wird, wiederum gerade die Unbewusstheit oder ›Inkorporiertheit‹, die die Macht der Bewusstwerdung zu einer durchaus begrenzten macht: Eine bloße auf ›befreiendem Bewusst werden‹ basierende Willensanstrengung kann dann die »Leidenschaften« oder »Beharrungskräfte«

38 | Adkins Text (2004) befasst sich mit Reflexivität insbesondere im Hinblick auf gender. Sie befragt kritisch die Verknüpfungen von Reflexivität, Detraditionalisierung, sozialer Transformation. – Adkins geht es darum, sowohl die Annahme von Reflexivität als transformierender Praxis zu befragen, als auch die eines ›Funktionierens‹ der Inkorporationsprozesse außerhalb von Reflexivität: »Instead, reflexivity is argued to be a situated process that is ambivalently related to norms; not necessarily transformative or detraditionializing, nor simply incorporating the social order« (Adams 2006, S. 519). 39 | Weiter heißt es: »Damit er [der Determinismus] ungebremst wirken kann, müssen die Dispositionen ihrem freien Spiel überlassen werden. Das bedeutet, daß die Akteure eine Chance, überhaupt so etwas wie ›Subjekte‹ zu werden, nur in dem Maße haben, wie sie das Verhältnis, in dem sie zu ihren Dispositionen stehen, bewußt beherrschen und wie sie wählen, ob sie sie ›agieren‹ lassen oder im Gegenteil am Agieren hindern oder, noch besser, sie – nach einer von Leibniz zur Beherrschung der Leidenschaften erdachten Strategie – einem ›indirek ten Willen‹ unterwerfen und der einen Disposition eine andere entgegensetzen. Aber diese Arbeit des Umgangs mit den eigenen Dispositionen ist nur um den Preis einer ständigen, systematischen Auf klärungsarbeit möglich [...]« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 170f.).

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des Habitus gerade nicht aufheben (Bourdieu 2005, S. 72f., 1997, S. 171);40 eine Einverständnis-Aufkündigung ließe sich allein »von einer radikalen Umgestaltung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen [der] Dispositionen erwarten […]« (Bourdieu 2005, S. 77). 41 Und dennoch ist Raum für Handlungen gelassen, »die vom Bewußtsein getragen sind, immer unter der Voraussetzung, daß es nicht genügt, sich einer Herrschaft bewußt zu werden, um sich von ihr zu befreien« (Mauger 2005, S. 227f.). Gesellschaftliche Veränderungen und kritisches Denken tauchen quasi parallel als Veränderungskräfte auf. Festzuhalten bleibt, dass für Bourdieu eine reflexive Relation nicht nur als Beiträger zum Gewinn einer gewissen Freiheit von sozialen Determinierungen gelten kann, sondern dass sein Verständnis von Reflexivität darüber hinaus zu seiner Theorie sozialer Praxis in ein spannungsreiches Verhältnis tritt. Dem möchte ich nun weiter anhand Bourdieus Überlegungen zu wissenschaftlicher Refl exivität nachgehen, um damit auch an meine Ausgangsfrage nach der Handlungsmacht (selbst-)reflexiver Positionierung anzuknüpfen. Denn auch wenn Bourdieu keineswegs der Vorstellung einer per se als kritisch angenommenen (Sozial-)Wissenschaft das Wort redet, 42 können und sollen dieserart Wissenschaften zur »Entzauberung des Sozialen« (Celikates 2006, S. 81ff.) und so zur kritischen Distanzierung von eingespielt-alltäglichem Handeln beitragen. In der Zusammenschau kann sich daraus durchaus die delikate, zugespitzt mit Celikates folgendermaßen formulierte Wirkung ergeben: Wenn sich der Habitus nach Bourdieu gewöhnlich »dem Zugriff der reflexiven Fähigkeiten der Handelnden« entzieht (Celikates 2006, S. 81), so wird »die Fähigkeit zur kritischen Selbstdistanzierung und das Bewusstsein der Kontingenz der Praxis« gleichsam zu einem – »gewöhnlichen Akteuren nur im Augenblick der Krise eines Feldes« zugänglichen – »Privileg des sozialwissenschaftlichen Beobachters« (ebd., S. 84). 43 (Geldof geht so weit zu sagen, dass »reflexivity serves here as

40 | Die Resultate und Bedingungen der Wirksamkeit symbolischer Gewalt seien eben »in Form von Dispositionen dauerhaft in das Innerste der Körper eingeprägt« (Bourdieu 2005, S. 72f.). 41 | Wenn auch »das Erklären dazu beitragen kann, so vermag doch nur eine wahre Arbeit der Gegendressur, die ähnlich dem athletischen Training wiederholte Übungen einschließt, eine dauerhafte Transformation der Habitus zu erreichen« (Bourdieu 2001, S. 220). 42 | Den wissenschaftlichen Herrschaftsanspruch reflektierende Äußerungen finden sich etwa, wenn Bourdieu eine als per se kritisch auftretende Gestalt (soziologischer) Wissenschaft bzw. eine »kritische Gestalt der wissenschaftlichen Überzeugung« als vielleicht letztes »Refugium der Illusion des Philosophen als Königs« befragt (Bourdieu in Schwibs/Bourdieu 1985, S. 394). 43 | Vgl. Lewandoski 2000: »[I]n Bourdieu it seems that only social scientists

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the ultimate ruse of a theoretical authority« – eine Autorität des Soziologen und seines Diskurses) (1997, S. 41). Um bis hierher zusammenzufassen: Reflexivität und soziale Transformation erscheinen gewöhnlich abhängig von einem ›objektiven Krisenfall‹, bewirkt durch einen Bruch zwischen objektiven und inkorporierten Strukturen; doch sind in dieser Konstellation sowohl die Abhängigkeitsbeziehung wie auch die Verbindung von Reflexivität und sozialer Transformation hinterfragbar. Die (Sozial-)Wissenschaften, um die es nun gehen soll, haben nach Bourdieu ein reflexiv-distanzierendes Potential und es ist wiederum zu fragen, wie dieses im Verhältnis zur beschriebenen Praxislogik zu denken ist. Dreyfus und Rabinow beschreiben ein mögliches Dilemma folgendermaßen: »If we are stuck in our embodied habitus [...], then there is no position from which to do an objective, detached study of one’s own sense of reality. If, however, in the interests of liberation, one claims [...] that doing objective social science enables one to stand outside the habitus and its illusio and demonstrate the working of social injustice, there is no convincing way of accounting for this new motivation« (Dreyfus/Rabinow 1995, S. 43f.).

– Wird bei Bourdieu »das theoretische Weltverhältnis (des Beobachters) […] von der praktischen Relation (des Akteurs) zur natürlichen und sozialen Umwelt abgelöst«? – was eben »nicht ohne eine gewisse Ironie« wäre, »wollte Bourdieu doch gerade die Theorie wiederum als durch den gesellschaftlichen Standpunkt des Theoretikers bedingte Praxis innerhalb eines sozialen Feldes verstanden wissen« (Celikates 2006, S. 83). Und/Oder kann mit Bourdieu die spezifische Praxis, der Habitus im wissenschaftlichen Feld gerade in einer Art verkörperten ›theoretischen Bewusstseins‹ bestehen, 44 dessen Hervorbringungen die eigene Bedingtheit potentiell übersteigen? Wäre also auch für das wissenschaftliche Feld Reflexivität stärker an habitualisierte Handlungsformen zurückzubinden und aus der Verklammerung mit Infragestellungen sozialer Bedingungen zu lösen (vgl. in dem dortigen Zusammenhang Adkins)? (Reflexive Praxen können schließlich durchaus ›zum Spiel gehören‹ …)45 Und/oder wird Reflexivität von Bourhave purchase on the kind of reflexiv ity needed to bring about the ›necessitations‹ of social change« (S. 56). 44 | Bourdieu schreibt: »A scientific practice [...] is, to parody the language of Hegel speaking of morality, ›a theoretical consciousness realized‹, that is to say, embodied, incorporated, in the practical state« (Bourdieu 2004, S. 40). 45 | Welches aber, nach dem zuvor Gesagten, wiederum auch in seinem ›Nicht-Funktionieren‹ gedacht werden muss (durchaus auch im Sinne eines ›Nicht-einfach-Eingelassen-Seins‹ des Subjekts – ich komme darauf zurück).

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dieu in Bereichen der Wissenschaft durchaus als eine habituelle Praxis gedacht, die eben von den sozialen Spielen distanziert und, reflektiert, in einem ›befreienden‹ Sinne wirken kann? – Wie zu zeigen sein wird, lässt sich die wissenschaftlich-reflexive Potenz, mit Bourdieu gedacht, auch für die Betrachtung des wissenschaftlichen Feldes selbst nutzbar machen, ja: eine selbst-reflexive Wendung der (sozial-)wissenschaftlichen ›Waffen gegen sich selbst‹ ermöglicht demnach eine Distanzierung auch von den ›eigenen‹ Praxen und Determinierungen. Wissenschaft wird dann ebenso als soziale Praxis analysiert wie sie als Mittel dieser Analyse fungiert. Sie folgt in diesem Sinne nicht nur der Logik ihrer Praxis, sondern deren Charakteristikum liegt gerade darin, mit der Praxislogik brechen zu können – zu der dann potentiell die ›eigene‹ gehört. In diesem Sinne würde eine distanziert-reflexive Tendenz nicht nur zum ›wissenschaftlichen Spiel‹ gehören, sondern Formen von Selbstreflexivität sollten darin zum Habitus werden 46 und somit innerhalb des bourdieuschen Theoriegebäudes eine entscheidende – kollektiv gedachte – Handlungsdimension bereitstellen. Wie also steht es mit der Praxis der Wissenschaft?

Wissenschaf tliche Interessen und Blicke »Häufig muß die Soziologie ja dazu herhalten, entweder die anderen oder sich selbst zu peitschen. In Wirklichkeit geht es darum zu sagen: ›Ich bin, was ich bin. Und weder Lob noch Tadel stehen an. Nur beinhaltet das eine Reihe von Neigungen, Präferenzen und, wo die soziale Welt zur Debatte steht, wahrscheinliche Irrtümer« (Bourdieu 1992b, S. 223).

Zunächst sind nach Bourdieu bei der reflexiven Analyse des wissenschaftlichen Universums, der Feldtheorie entsprechend, nicht allein der gesellschaftliche Kontext oder die Effekte der sozialen, ethnischen oder geschlechtlichen Herkunft, sondern auch die Positionen in der spezifisch wissenschaftlichen Welt (vgl. Bourdieu 1999, S. 369f.; in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 99f.) und deren Logik in den Blick zu nehmen, »in der die Akteure um Interessenobjekte ganz besonderer Art kämpfen und sich von Interessen leiten lassen, die in einem anderen Zusammenhang, unter

46 | »Um in der Lage zu sein, reflexive wissenschaftliche Habitus zu produzieren und zu fördern«, muss das wissenschaftliche Feld »die Reflexivität in Gestalt der Mechanismen von Ausbildung, Dialog und kritischer Evaluierung institutionalisieren« (Wacquant in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 69).

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finanziellen Gesichtspunkten zum Beispiel, völlig interessenfrei sein können« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 100). Es wird also wie in jedem so auch im wissenschaftlichen Kräfte-Feld gekämpft (vgl. dazu Bourdieu 1998b). 47 Bestrebt, eine möglichst einzigartige wissenschaftliche Autorität zu erlangen, erscheint die in der wissenschaftlichen Konkurrenz verlangte und produzierte Interessensform im Vergleich mit ›gewöhnlichen‹ Interessen wiederum als uneigennützig (vgl. Bourdieu 2001, S. 140): Das wissenschaftliche Feld, wie es sich historisch herausgebildet hat, kann nach Bourdieu eben als ein Universum gelten, in dem ein Interesse an einer – sich auszahlenden – Interessenfreiheit herrscht (vgl. Bourdieu 1998b, S. 27; vgl. 1998; s.o.). – »The field imposes both ›selfish‹ competition […] and disinterestedness« (Bourdieu 2004, S. 53). Es entwickelt eine Art Doppelgesichtigkeit: Die Wissensakkumulation ist stets mit Anerkennungsgefechten oder Wünschen verbunden, sich einen Namen zu machen (Bourdieu 2001, S. 149). Die Wissenschaftler/innen bringen ihre Interessen, ihr Ringen ins Spiel; aber paradoxerweise, so Bourdieu, produziert das wissenschaftliche Feld neben jenen ›mörderischen Impulsen‹ (etwa: der Erste und Beste zu sein) auch deren Kontrolle (vgl. Bourdieu 1998b, S. 28). ›Nackte Gewalt‹ muss sich »läutern« (ebd., S. 77) (auch wenn diese Logik natürlich hintertrieben werden kann). Die hervorgebrachten Interessen finden im wissenschaftlichen Universum nur gehemmt Ausdruck, sie sind quasi ›Sublimationen‹ unterworfen (vgl. ebd., S. 77 und S. 26ff.; vgl. Kap. III)48 bzw. werden sozusagen mit den im Feld akzeptierten Waffen ausgefochten. Anders als bisweilen noch in der Sozio47 | Bourdieu unterscheidet zwei Sorten von wissenschaftlichem Kapital: »[A]uf der einen Seite eine Macht, die man weltlich (oder politisch) nennen könnte, eine institutionelle und institutionalisierte Macht, die verknüpft ist mit der Besetzung herausgehobener Stellen in wissenschaftlichen Institutionen« etc.; »auf der anderen Seite eine spezifische Macht, ein persönliches ›Prestige‹, das [...] nahezu ausschließlich auf einer kaum oder schwach institutionalisierten Anerkennung durch die Gesamtheit der Gleichgesinnten oder der Angesehensten einer ihrer Fraktionen beruht« – das ›reine‹ wissenschaftliche Kapital (Bourdieu 1998b, S. 31). 48 | Bourdieu spricht auch von einer Sublimierung der libido dominandi zu einer libido sciendi (Bourdieu 2001, S. 142) oder auch von einer Transformation der »libido dominandi, which always enters for a part into the libido sciendi, [...] into a libido scientifica [...]« (Bourdieu 1991, S. 375). Zur soziologischen libido sciendi vgl. auch die Anmerkung in Bourdieu 2005: »Ich habe oft [...] auf den möglichen Anteil des Strebens nach den ›Freuden des hellsichtigen Einblicks‹ an der spezifisch soziologischen libido sciendi hingewiesen. Dabei habe ich übersehen, daß das ›Vergnügen an der Desillusionierung‹, das davon nicht zu trennen ist, einige der heftigsten negativen Reaktionen, die die Soziologie hervorruft, erklären und teilweise rechtfertigen könnte« (S. 187).

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logie, so Bourdieu, lässt sich in der Physik der Gegner nur schwer »durch Denunziation des politischen Gehalts seiner Theorie« besiegen oder auch durch »Berufung auf ein Autoritätsargument« (Bourdieu 1993b, S. 23). Oder: »[w]enn Sie einen Mathematiker ausstechen wollen, muß es mathematisch gemacht werden, durch einen Beweis oder eine Widerlegung« – und nicht durch Diffamierung, Gewalt o.ä., denn dies liefe gleichsam auf einen ›Kategorienfehler‹ hinaus (Bourdieu 1998b, S. 28, vgl. S. 77; vgl. 2001, S. 141). – Wissenschaftler wären durch eine Art ›kollektives Über-Ich‹ – auch im Rückzug auf ihre ›einzigartige Originalität‹ – gehemmt (vgl. Bourdieu 2004, S. 83). 49 Die sozialen Bestimmungen sind in ihren feldspezifischen (Kontroll-)Mechanismen mit einem Prozess der »depersonalization, universalization, departicularization« (ebd., S. 75)50 verbunden. Es ist nicht die Tugend wissenschaftlicher Akteure, sondern die Logik von Konkurrenz und Kritik, die demnach »langfristig wissenschaftliche Rationalität und Wahrheit« fördert (Fröhlich 2003, S. 119, vgl. Bouveresse 2005, S. 317). Durch die Logik des Spiels ist man beim Verfolgen der (durchaus nicht vernünftigen) eigenen Interessen o.ä. quasi zur rationalen Produktion gezwungen: »Da ich meinen Gegner nicht mit dem Revolver niederstrecken kann, versuch’ ich’s mit rationalen Argumenten«, so Bourdieu in schlagendem Vokabular (in Schwibs/Bourdieu 1985, S. 387f.); oder, weniger drastisch: »Scientific fields are universes within which the symbolic power 49 | Wissenschaftliche Autorschaft zeigt sich vielschichtig: »Scientists are never the ›singular geniuses‹ that hagiographic history makes of them: they are collective subjects which, in the form of incorporated collective history, actualize all the relevant history of their science [...]« (Bourdieu 2004, S. 70). Dabei erweist sich der »›honorific credit‹ [...] personal and [...] not transferable (scientific authorship cannot be a form of private property, and cannot be transferred by contract or inheritance: I cannot bequeath my symbolic capital). It is attached to the scientist’s name and constructed as non-monetary« (ebd., S. 52f.). Und: »The greatest consecration a researcher can receive is to be able to call himself the author of concepts, effects, etc., that have become anonymous, subjectless« (ebd., S. 74f.). 50 | Dieser Prozess »of which the scientific fact is the product is all the more likely actually to take place the more autonomous and international the field is« (Bourdieu 2004, S. 75f.; vgl. auch 2001, S. 142). – »Ich bin ein absoluter, entschiedener, überzeugter Anwalt der wissenschaftlichen Autonomie« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 223). – Und: »Für mich ist die Vernunft eine historische Errungenschaft, wie die Sozialversicherung; sie ist Ergebnis individuell geführter [...] wie kollektiver Kämpfe [...]; Vernunft ist eine immer gefährdete und immer wieder zu verteidigende historische Norm, und es gibt Institutionen der Freiheit und Rationalität (wie das Collège de France), die es zu verteidigen und zu stärken gilt« (Bourdieu in Schwibs/Bourdieu 1985, S. 389). – Weiter schließen sich für Bourdieu Unabhängigkeit, wissenschaftliche Strenge und engagierte Intervention keineswegs aus (vgl. Jurt 2008).

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struggles and the struggles of interests that they favour help to give its force to the best argument« (Bourdieu 2004, S. 82).51 Wissenschaft als Konstruktion kann gewissermaßen Entdeckungen zum Vorschein bringen, die auf diese Konstruktion bzw. die sozialen Bedingungen nicht reduzierbar sind (vgl. Bourdieu 2004, S. 77). (Solche Äußerungen sind durchaus emphatisch, auch anders lautenden Relativismen entgegen – ja, es ist bisweilen nicht so klar, ob Aussagen deskriptiv oder normativ zu verstehen sind.)52 »Die Felder der Wissenschaft, diese Mikrokosmen, die in mancher Hinsicht – Konzentrationen von Macht und Kapital, Monopole, Machtbeziehungen, egoistische Interessen, Konflikte usw. – soziale Welten sind wie die anderen auch, bilden in anderer Hinsicht exzeptionelle, ein wenig wundersame Universen, in denen die Notwendigkeit der Vernunft in der Wirklichkeit der Strukturen und Dispositionen Gestalt gewonnen hat, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß«,

schreibt Bourdieu (2001, S. 139). – Wie ist dabei der wissenschaftliche Blick auf die Welt beschaffen? Der forschende Akteur nimmt seinen Standpunkt ein, insofern er »aus dem Spiel« ist (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 102) … das er betrachtet. – Beim Blick auf den beobachtenden Blick, den die reflexive Analyse der Wissenschaft genauso erfordert wie den auf ihren (relativ) autonomen sozialen Mikrokosmos, zeigt sich ein changierendes, schließlich chancenreiches Bild. Der Position des Wissenschaftlers sind soziohistorisch eben solche »unsichtbaren Bestimmungen« eingeschrieben, die sein Weltverhältnis, seinen theoretisierenden Blick auf die Welt – die sich ihm nach Art eines Schauspiels zeigt – bestimmen: Dem »kontemplativen Auge[s]« erscheint die Welt tendenziell wie eine »Darbietung« oder »eine Gesamtheit von Bedeutungen, die nach einer Interpretation verlangt« (Bourdieu 1999, S. 370). Der Homo academicus erweist sich als »someone who is paid to play seriously; placed outside the urgency of a practical situation […]« (Bourdieu 1990b, S. 381). Sind die theoretischen Bezüge, wie der Autor betont, nicht gleich denen der Praxis (denn die »Praxis hat eine Logik, die nicht die der Logik ist«) (Bourdieu 1998, S. 146),53 so liegen demzufolge in eben diesem unter51 | – »Die gegenseitige Kontrolle der Konkurrenten fördere (zumindest in relativ autonomen Disziplinen) die Erkenntnis bzw. Vernunft, sei aber von vielen sozialen Verzerrungen behindert und betroffen.« ... (Fröhlich 2003, S. 121f.). 52 | Zu letzterem s. Fröhlich 2003, S. 122. 53 | Vgl. auch: »Der Praxis muß [...] eine Logik zugeschrieben werden, die keine der Logik ist, um damit zu vermeiden, ihr mehr Logik abzuverlangen, als sie zu geben in der Lage ist [...]« (Bourdieu 1976, S. 248). – Für Bourdieu geht es nicht darum, »daß die theoretische Erkenntnis nichts taugt, sondern nur, daß man ihre Grenzen kennen und jedem wissenschaftli-

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schiedlichen Verhältnis zur Welt Gefahren und Chancen wissenschaftlicher Zu- und Eingriffsmöglichkeiten: In der häufigen Verkennung der Differenz zwischen der herausgebildeten wissenschaftlich-theoretischen und der praktischen Logik – der Differenz im Verhältnis zur Welt (vgl. Bourdieu 1993, S. 32) –, wird letztere leicht auf die erste reduziert und eine unanalysierte Beziehung zum Objekt in das Objekt der Analyse selbst projiziert (vgl. Bourdieu in Bourdieu/ Wacquant 1996, S. 99; vgl. Warcquant in ebd., S. 67ff.).54 »Eine wirklich reflexive Theorie muß«, so heißt es, »ständig vor dem Epistemozentrismus auf der Hut sein, vor jenem ›Wissenschaftler-Ethnozentrismus‹, der darin besteht, alles zu ignorieren, was der Analysierende aufgrund der Tatsache, daß er dem Objekt äußerlich ist, es von fern und von oben beobachtet, in seine Wahrnehmung dieses Objekts hinein projiziert« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 100).

Mittels der durch die Reflexivität bereitgestellten Werkzeuge kann aber eben zugleich der Versuch unternommen werden, jenen ›Verzerrungen‹ und jenen Mechanismen beizukommen, die potentiell nicht zuletzt die Reflexion selbst stören (vgl. ebd., S. 230). Die reflexive Analyse gehört für Bourdieu notwendig zur Arbeit der auf besondere Weise habituell geprägten Wissenschaft und die spezifische Distanz des Beobachters zum Objekt kann sich auch in eine »wahrhaft wissenschaftliche Praxis« wenden – wozu erforderlich ist, diese Distanz nicht »per Zaubertrick« aufzuheben, sondern sie samt ihrer sozialen Voraussetzungen in die Theorie zu integrieren bzw. ihrerseits zu »objektivieren« (Bourdieu 1993, S. 32f.; vgl. 2001). Die Kritik wissenschaftlicher Objektivierung (vgl. etwa Bourdieu 1993; 2001b) führt hier zum Bestreben einer Objektivierung der Objektivierung.

chen Bericht einen Bericht über die Grenzen von wissenschaftlichen Berichten beigeben muß: Die wissenschaftliche Erkenntnis verdankt eine ganze Reihe ihrer wesentlichsten Merkmale der Tatsache, daß die Bedingungen ihrer Produktion nicht die Bedingungen der Praxis sind« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 101). 54 | »Bourdieu kritisiert nicht das Privileg, sich in einer scholastischen Situation zu befinden, von der ein Denker gewiß profitieren kann, sondern die Tatsache, daß die Bedingungen, unter denen akademische Erkenntnis zustande kommt, nicht reflektiert werden, mehr noch: daß diese Ignoranz als eine ganz besondere Auszeichnung gilt« (Gebauer 2005, S. 141).

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Gegen sich selbst Bourdieu versteht Reflexivität als »ein Werkzeug, um mehr Wissenschaft zu produzieren, nicht um die Möglichkeit von Wissenschaft zu zerstören« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 230).55 Beinhaltet sein Ansatz auch eine kritische Betrachtung des traditionellen Umgangs mit Objektivierung bzw. derer Grenzen (vgl. etwa Bourdieu 1993) – welche verstärkt in den Blick geraten –, so geht es ihm nicht um eine Absage an wissenschaftliche Objektivierung, sondern vielmehr darum, alles »zur Objektivierung der sozialen Welt« aufzubieten, was »wissenschaftlich zur Verfügung steht« (Bourdieu 1992, S. 37). Gerade Soziologie ist, ob sie es will oder nicht »(and mostly it does) […] an actor in the struggles it describes«; sie erscheint als »science most sensitive to social determinisms« (Bourdieu 2004, S. 88f.). Reflexivität im Sinne eines Sich-selbst-zum-Objekt-Nehmens oder eines Einsatzes der eigenen ›Waffen‹, um sich selbst zu begreifen und zu überprüfen, erscheint folglich als einziger Weg, etwa die Effekte jener Verzerrungen bzw. Determinismen in den Griff zu bekommen (vgl. ebd.). Der Soziologe habe »nur dann die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Bedingungen, deren Produkt er wie jedermann selbst ist, zu entgehen, wenn er seine eigenen wissenschaftlichen Waffen gegen sich selbst richtet« (Bourdieu 1999, S. 372).56 Hierfür hat sich Reflexivität gleichsam in einen habituellen Reflex zu formen. »To be able to apply to their own practice the objectivating techniques that they apply to the other sciences, sociologists have to convert reflexivity into a disposition constitutive of their scientific habitus, a refl exivity refl ex [...]« (Bourdieu 2004, S. 89).57

Vor allem die Fähigkeit, die wirksamen Objektivierungsinstrumente »gewissermaßen gegen sich selbst zu kehren«, »seine eigene Stellung zu objektivieren«, die Fähigkeit, »die Objektivierungsabsicht selber zu objektivieren« und u.a. »daran zu arbeiten, damit alles aus der wissenschaftlichen Objektivierung verbannt wird, was sich noch aus dem Ehrgeiz herleitet, 55 | »[A]gainst the antiscientific use of the science of science, I advocate a scientific – but not a scientistic – usage of this reflexive science« (Bourdieu 1991, S. 385). 56 | Mit gegen sich selbst gerichteten Waffen und gewappnet mit der Erkenntnis der »gesellschaftlichen Determinierungen« und der »wissenschaftlichen Analyse« all der mit einer bestimmten Feld-Position und -Bahn zusammenhängenden »Zwänge« und »Begrenzungen«, geht der Soziologe daran, die Determinierungs-Wirkungen zu neutralisieren (Bourdieu 1999, S. 372; vgl. in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 248). 57 | »[A] refl exivity refl ex, capable of acting not ex post, on the opus operatum, but a priori, on the modus operandi [...]« (Bourdieu 2004, S. 89).

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mit den Waffen der Wissenschaft zu herrschen«, die Fähigkeit, »die Objektivierungsbemühungen sowohl auf die eigenen Dispositionen und Interessen als Forscher« als auch auf die »wissenschaftliche Praxis« bzw. »Vorannahmen« zu richten … komme schließlich einer bestimmten »Freiheit gegenüber den sozialen Determinismen« gleich (Bourdieu 1992, S. 51), um die es hier geht. Von der Objektivierungsarbeit ist also ebenso wenig wie die Wissenschaft selbst das ›Subjekt‹ ausgenommen; die soziologische Analyse schließt eine Objektivierung dessen ein, was an Objektivität um behauptete Orte der Subjektivität geistert (vgl. Bourdieu 1993, S. 44).58 – »[I]ch habe nie aufgehört, mich selber zu meinem Objekt zu machen, nicht narzißtisch, sondern als Vertreter einer sozialen Kategorie« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 238).59 Soziologen müssen nach Bourdieu nämlich durchaus der Versuchung widerstehen, in einer ›narzisstischen‹ Version der Reflexivität zu schwelgen (vgl. Bourdieu 2004, S. 89).60 Entgegen also jeder narzisstischen oder auch »onanisierenden Form von Selbstreflexivitaet«, in der es darum geht, »sich Freude zu machen«,61 wie es in einem Interview heißt (Bourdieu in Graw o.J.) (und auch entgegen einem bloß formalen Selbstbezug, der etwa mit dem Benennen von ›race, gender and class‹ gegeben sein kann) (vgl. Graw/Bourdieu in ebd.), muss man das Privileg des erkennenden Subjekts, »der Mühe der Objektivierung« (Bourdieu 2001, S. 153) enthoben zu sein, befragen. »Reflexivität praktizieren« – und das ist stets kollektiv gedacht62 – heißt, daran zu arbeiten »daß das 58 | »Indem sie die Entdeckung der Äußerlichkeit im Herzen der Innerlichkeit, der Banalität in der Illusion der Seltenheit, des Gewöhnlichen im Streben nach dem Einzigartigen erzwingt, denunziert die Soziologie nicht nur alle Hochstapeleien der narzißtischen Ichbezogenheit. Sie bietet auch das vielleicht einzige Mittel, und sei es auch nur über das Bewußtsein der Determiniertheiten, dazu beizutragen, etwas wie ein Subjekt zu konstituieren, eine Aufgabe, die sonst den Kräften der Welt anheimfällt« (Bourdieu 1993, S. 44f.). 59 | Bourdieu versucht nach Fuchs und Berg, die eigene Position als Beobachter/Autor bzw. als gesellschaftlicher Akteur »in die Sozioanalyse der westlichen kulturellen und akademischen Welt einzubeziehen. Allerdings war [...] [er] stets darum bemüht, noch die Fäden der Inszenierung der Kritik des (eigenen) wissenschaftlichen Tuns in der Hand zu behalten« (Fuchs/Berg 1999, S. 21). – Vgl. auch Bourdieus ›soziologischen Selbstversuch‹ (2002). 60 | Dies ist erforderlich, »not only because it is very often limited to a complacent looking-back by the researcher on his own experience, but also because it is its own end and leads to no practical effect« (Bourdieu 2004, S. 89). 61 | »Es gibt da einen Satz von Marx, den ich sehr liebe, der eine bestimmte Form der Reflexivitaet mit der Onanie vergleicht. Bei dieser onanisierenden Form von Selbstreflexivitaet geht es darum, sich Freude zu machen« (Bourdieu in Graw o.J.). 62 | Vgl. auch: »Reflexivity takes on its full efficacy only when it is embodied

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empirische ›Subjekt‹ der wissenschaftlichen Praxis in die Begriffsbildung der vom wissenschaftlichen ›Subjekt‹ konstruierten Objektivität eingeht« (ebd.; vgl. Bourdieu 1999, S. 373). Dies geschieht vor allem durch dessen Situierung »an einem bestimmten Ort des gesellschaftlichen Raumes und der gesellschaftlichen Zeit«, um so zu einem (schärferen) »Bewußtsein« und einer möglichen »Beherrschung der Zwänge« zu kommen, welche potentiell auf das wissenschaftliche ›Subjekt‹ einwirken, indem es eben an das empirische Subjekt gebunden ist, »seine Interessen, seine Triebe, seine Vorurteile« oder (nicht eingestandenen) Voraussetzungen [à ses intérêts, à ses pulsions, à ses présupposés]: Bindungen, die es unterbrechen muss [qu’il doit rompre], um sich zu konstituieren (Bourdieu 1999, S. 373; vgl. 2001, S. 153; vgl. auch Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 248f. und Bourdieu 2001b, S. 332). Es gilt, Einsicht auch in die möglichen Objektivierungs-Grenzen des ›Subjekts‹ zu erlangen (vgl. ebd.).63 – Dieses wäre quasi angehalten, auch den ›eigenen‹ Bindungen gegenüber eine wissenschaftliche Position einzunehmen, sich selbst äußerlich, – und wird dabei immer auch un-entdeckbar, immer etwas ›schuldig‹ bleiben. Im Sinne einer Befreiung der eigenen (soziologischen) Arbeit von sozialen Determinanten mittels Soziologie, heißt es bei Bourdieu: »Im übrigen denke ich aber nicht eine Sekunde lang, daß ich völlig frei von ihnen wäre. Ich wäre jederzeit gern imstande, zu sehen, was ich nicht sehe, und ich frage mich ständig und fast schon zwanghaft, welche Schublade ich wieder nicht aufgemacht habe und welcher vergessene Parameter mich immer noch manipuliert« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 247).64

in collectives which have so much incorporated it that they practise it as a reflex. In a research group of that kind, the collective censorship is very strong, but it is a liberating censorship, which leads one to dream of the censorship of an ideally constituted field that would free each of the participants from the ›biases‹ linked to his or her position and dispositions« (Bourdieu 2004, S. 114). 63 | Nach Friedrich soll die Frage nach »den gesellschaftlichen Bedingungen der Möglichkeit des wissenschaftlichen ›Subjekts‹« (Bourdieu 2001b, S. 332) »relativistischen Tendenzen vorbeugen« (Friedrich 2001). 64 | »[...] A chaque moment je voudrais être capable de voir ce que je ne vois pas et je suis toujours en train de me demander, d’une manière un peu obsessionnelle, quelle est la boîte que je n’ai pas ouverte, quel est le paramètre oublié qui continue à me manipuler« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1992, S. 183). – An anderer Stelle spricht Bourdieu auch von »la réflexivité obsessionnelle, qui est la condition d’une pratique scientifique rigoureuse« (ebd., S. 215), dem »Zwang zur Reflexivität, der die Voraussetzung einer wirklich wissenschaftlichen Praxis ist« (Bourdieu in Bourdieu/Wacquant 1996, S. 278).

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In diesem Bild gesprochen: Trotz der unterstrichenen Unvollständigkeit scheint es erst einmal nichts zu geben, was sich nicht grundsätzlich öffnen ließe, oder anders gesagt: was die wahrgenommenen von den nicht wahrgenommenen Einflussgrößen unterscheidet, ist nicht ihre ›Schubladen‹- oder Schachtelhaftigkeit. Ein fast schon zwanghaftes [un peu obsessionnelle] Fragen, ein Manipuliertsein65 – ich möchte diese von Bourdieu hier vorgeschlagenen (möglicherweise eher beiläufigen) Formulierungen versuchsweise ernst nehmen: Können sie auch als ein Hinweis auf jene Wissenschaftslogik selbst gelesen werden?66 Ist der vorgestellten wissenschaftlichen Erkenntnis- und Fragebewegung ein ›obsessiv-reflexives‹ Moment eingeschrieben (in einem nicht pejorativ oder pathologisierend verstandenen Sinn)? Was nun folgt, ist Spekulation 67… und im Wissen um all die ersichtlichen Differenzen zu symptomatischen Formen sollen mich dabei einige Züge der zwangsneurotischen Struktur (frz.: névrose obsessionnelle) leiten. Eine gewisse Nähe des zwangsneurotischen und des universitären Diskurses ist beschrieben worden (vgl. dazu etwa Lipowatz 1982). Die Position des Zwangsneurotikers kann »generell als eine der Refl exion« bezeichnet werden (Widmer 1996, S. 64).68 Ihr kann der Wunsch nach einer ›ganzen‹ Theorie eigen sein (Kläui 1996, S. 4) bzw. eine Tendenz zur Vollständigkeit (Borens 1996, S. 36). Es lässt sich sagen, dass (in einer lacanianischen Terminologie) der Mangel des Anderen nicht gesehen wird – denn struktural-psychoanalytisch gedacht, ist dieser Andere unvollständig, als Garant für Konsistenz inexistent; die Symbolisierung wäre also inkonsistent und reicht nicht überall hin. Deutet nun, aus einer solchen Perspektive betrachtet und pointiert formuliert, das fast schon zwanghafte Fragen auf 65 | In einem Interview spricht Bourdieu davon, dass die Reflexivität danach sucht, »sich selbst oder die Situation der Gruppe zu ergruenden, zu erforschen, um zu veraendern, um nicht von der Situation manipuliert zu werden, um Subjekt der Situation zu sein« (in anderem Zusammenhang: Bourdieu in Graw o.J.). – Dank an Thomas Disselkamp für Diskussionen. 66 | Es geht mir, um es noch einmal zu wiederholen, hier um ausgewählte Textpassagen (um eine bestimmte Logik wissenschaftlicher Reflexivität zuzuspitzen) und nicht um den bourdieuschen Ansatz ›insgesamt‹. 67 | ... um Freuds »Jenseits des Lustprinzips« zu zitieren (1920g, S. 23). 68 | Nach Widmer zeigen sich mit der (eben nicht unbedacht pathologisierenden) Attribuierung der Refl exion auch Parallelen zur Wissenschaft. »Der Unterschied zum wissenschaftlichen Diskurs besteht darin, dass das Subjekt in diesem sein Unterworfensein bejahen kann, dass es sich im Interesse einer übergeordneten Sache zurücknimmt, sich dabei auf das Ideal der Objektivität beruft, demzufolge seine besonderen Interessen und Einstellungen zurückzutreten haben, während das von seinen auffallenden Symptomen geplagte Subjekt sich und die Welt zutiefst als fremd und unverständlich empfindet« (Widmer 1996, S. 64).

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die Annahme eines potentiell ungeteilten Symbolischen, eines ›manipulierenden‹ oder ›magisch‹ die Fäden ziehenden Anderen – dem die Zustimmung zugleich (reflektierend) versagt wird? Und weiter: Wie gestaltet sich in dieser Logik der Trieb-Umgang? Meine spekulativen Fragen sollen mir nun als Anlass dienen, weiter nach der Erscheinung des Triebs zu fragen – denn eben dieser ist es, der (in einem allerdings anderen Verständnis) in den folgenden, eben eher mit spezifisch-psychoanalytischen Sichtweisen verbundenen Kapiteln eine prominente Rolle spielt, in die es nun drängt.

Triebkraf t Bei Bourdieu war von triebhaften Kräften sowohl im Rahmen der Libidosozialisation als auch in dem wissenschaftlicher Reflexivität die Rede: Triebe [pulsions] werden gewissermaßen in eine spezifische soziale libido bzw. ebensolche Interessen sozialisiert (vgl. Bourdieu 1998, S. 143; 2001, S. 213; s.o.)69 oder (wie im wissenschaftlichen Feld) sublimiert; das wissenschaftliche ›Subjekt‹ wiederum muss etwa mit der Bindung an Triebe und Interessen brechen – letztlich um einer möglichen Freiheit von den sozialen Bedingungen willen. ›Eingespielte‹ Triebe vermitteln gesellschaftliche Welten – und (Sozial-)Wissenschaft kann (wie sonst nur die Krise eines Feldes o.ä.) zu einer Bewusstheit oder kritischen Distanzierung von eingespieltem Handeln beitragen. Die von mir im Weiteren verfolgten psychoanalytisch orientierten Ansätze geben auf die Frage, wie ein Bruch mit den sozio-symbolischen Spielen, in denen man ›spielt‹, möglich wird, eine vor diesem Hintergrund vielleicht überraschende Antwort: Offenbar weit weg vom ›wissenschaftlichen Subjekt‹ sind es hier zunächst gerade (in sich durchaus ambivalente) Kräfte wie z.B. Liebe, Genießen oder eben Trieb, die potentiell eine gewisse Indifferenz gegenüber sozialen Bindungsmechanismen mit sich bringen – und zwar vor dem Hintergrund eines nicht mit seiner Lebenswelt übereinstimmenden Subjekts. Das ist im Anschluss an dieses Kapitel auszuführen. 69 | An anderer Stelle heißt es wiederum: »Gewiß, der Habitus ist kein Schicksal, aber aus eigener Kraft und ohne jede Veränderung der Bedingungen, unter denen die Dispositionen produziert und verstärkt werden, kann symbolisches Handeln körperlich verankerte Glaubensinhalte, Passionen und Triebe [les croyances corporelles, passions et pulsions] nicht ausmerzen [extirper], die den Aufforderungen oder Verurteilungen des humanistischen Universalismus (der übrigens selbst in Dispositionen und Glaubenssätzen wurzelt) gar nicht erreichbar sind« (Bourdieu 2001, S. 231). Hier ist wieder von einer Notwendigkeit einer Veränderung auch der Bedingungen die Rede (s.o.) – mir geht es an dieser Stelle allein um die Art der Einführung des Triebs.

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Vorangestellt ist zu sagen, dass aus einer solchen Sicht zunächst der von Bourdieu verwendete Begriff des Interesses o.ä. von dem des Triebs – der generell (und fälschlicherweise) nicht selten dazu verwendet wird, Psychoanalyse in Biologie zu befördern (vgl. dazu Rose 1997, S. 62) – zu differenzieren. Mit psychoanalytischem Blick geht es hier nicht notwendig durchgängig um das, was innerhalb eines gespielten Spieles gut funktioniert: Wäre das Interesse etwas, was ›im Spiel sein‹ heißen kann und was gewissermaßen mit feldgerechten Identifizierungen einhergeht – etwa insofern es in den einzelnen Feldern eben bestimmte einzuhaltende Regeln gibt, mit denen sich die Spieler (mehr oder minder) identifizieren (vgl. Waltz 2001, S. 118) und an denen sich die Interessen orientieren –, so markiert der (nicht biologisch verstandene) Trieb psychoanalytisch betrachtet auch eine andere Dimension; seine Wirkmacht geht in den Identifizierungen in einem Spiel von vornherein nicht auf. Sie nimmt ihren Ausgang nämlich in dem, was im Rahmen der jeweiligen Welt und dessen Mechanismen nicht einfach symbolisiert werden kann. Ausgangspunkt wäre hierbei weniger das (unbewusst getragene) ›ImSpiel-Sein‹, sondern mehr die im Spiel auftauchende Kluft, das aus den Fugen geratene Subjekt, das, in Anlehnung an Žižek (vgl. 2001; 2001b), eben eher von seiner Nicht-Übereinstimmung mit der Lebenswelt aus gedacht werden muss. Das heißt, dass der Mensch nicht einfach in diese Welt eingelassen ist, nicht reibungslos in sie eintauchen kann. Dem, was von Anderen her an überwältigender Erregung einbricht, einen aus der Bahn wirft und vor (angst)erregende Rätsel stellt (vgl. Kapitel I), wird vom Menschenwesen ein Prozess des Symbolisierens und Theoretisierens entgegengestellt,70 um das Ein- oder Auf brechende schließlich zu binden oder auch zu ›beherrschen‹ (auch eine fortgesetzte Wissensproduktion ließe sich dann in diesem Rahmen begreifen). Wobei ein solches Unterfangen wieder nicht gänzlich gelingen kann; verdrängt wird ein – nicht fassbarer – Rest, bewirkt wird ein Trieb, dessen verhältnismäßig konstant drängende Kraft sich gleichsam nach der Differenz des Nicht-Symbolisierbaren bemisst (vgl. Laplanche 1988, S. 142ff.; s. Kap. I). Der Trieb steht dann nicht nur für das, was uns lehrt, dass man das Genießen niemals wirklich loswerden kann (vgl. Žižek 2001, S. 407ff.). Er steht desgleichen für eben die Kraft, die ausgehend von dem Nicht-Symbolisierten einer Situation, von dem, was in ihr unmöglich ist, imstande ist, sich auch von anerkannten autoritativen Kontexten zu lösen (vgl. dazu Copjec, Kap. III). Eine Freiheit wäre dann – in Differenz zu dem, was ich hier mit Bourdieu ent wickelt habe – eher ausgehend von dem zu denken, was solchermaßen ›triebhaft‹ entbindet und so eine Art Neubestimmung der Situationen des Handelns ermöglichen kann (vgl. dazu Žižek 2001; 70 | Diese Überlegungen sind inspiriert von Lektüren Laplanches und

Žižeks.

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2001b). Oder: »Die einzige Freiheit des Subjekts besteht genau in seiner Fähigkeit, alle Umstände, Ursachen, Bedingungen, Verheißungen einer Belohnung oder Bestrafung für seine Handlungen außer Betracht zu lassen« (in anderem Zusammenhang Copjec 2004, S. 117). Wenn es wie bei Bourdieu darum geht, in weitestem Sinne eine die sozio-symbolischen Umstände durchquerende Kraft zu denken, so wird doch recht Unterschiedliches ins Visier genommen – auch als Konsequenz unterschiedlicher Annahmen zum Weltverhältnis des ›Subjekts‹. Bourdieu geht gewissermaßen aus von einer »basalen Habitus-Welt-Kohärenz« (Waltz 2007) (auch der Bruch, den die wissenschaftliche Reflexivität potentiell mit sich bringt, kann letztlich einer – wenn auch über sich selbst hinausweisenden – habituellen Feldlogik entspringen).71 Das habituelle Funktionieren lässt sich potentiell selbst als ein ›gewaltförmiges‹ lesen72 und das symbolische Anerkennungsgeschehen wirkt hier – verkennend, wie ›magisch‹, immer auch imaginär – an den herrschenden Verhältnissen mit bzw. ist Folge derer Inkorporierung. Demgegenüber geht es im Folgenden eher um des Anderen Nicht-Existenz als (unmöglicher) Bürge für symbolische Konsistenz bzw. um einen anderen Bezug gerade zu dieser Inkonsistenz (anders als der, den etwa die ›väterliche-autoritative Antwort‹ mit sich bringt). Ist dieses Sujet, das eben auch den Trieb anders theoretisierbar macht, seinerseits wiederum als eine Antwort auch auf ungewisse autoritative Bindungen lesbar – welche bei Bourdieu gelegentlich implizit am Werk sind?73 Entwickelt Bourdieu seine Praxistheorie nicht so sehr anhand ›hochmoderner‹ Fälle (vgl. Reckwitz 2004), so scheint sich die dort als möglich angenommene Kohärenz doch gerade in der ›Hochmoderne‹ (Waltz) als Problem – oder auch deren Mangel als eine ›Spielregel‹ – zu zeigen. Was also können Ansätze, die weniger 71 | D.h. die durchquerende Kraft wird aus dieser Logik selbst heraus erklärbar – wird sie dies nicht, dann kann die angeführte bourdieusche Theorie den über die Bedingtheiten hinausweisenden Impuls weniger gut plausibel machen (vgl. o.). 72 | Schubert liest den Habitus (inklusive Ödipus) selbst als symbolische Gewalt (Schubert 1999). – Steinmetz wiederum stellt die Beziehungen des Habitus auch zu imaginären Dimensionen heraus (Steinmetz 2006, S. 457ff.). 73 | Beispielsweise in der vorausgesetzten (wenn auch praktisch begrenzten) Kontingenz der gespielten Spiele oder auch dem Reflexivitätsansatz selbst. – Deutlicher vielleicht z.B. in Bourdieus Ausführungen zur Krise der Liturgie (vgl. dazu etwa Bourdieu 1990). – Es ist noch wichtig anzumerken, dass es mit dem Blickwechsel, den ich hier gerade in die Wege leite, nicht darum gehen kann, die grundlegende Bedeutung von Reflexionsformen in der Wissensproduktion (welche den Denkansätzen und Erkenntnismethoden der Psychoanalyse ja nicht zuletzt auch selbst eigen sind) zu reduzieren.

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das habituelle oder das sich reflexiv distanzierende, sich solchermaßen ›positionierende‹, als vielmehr das getriebene, genießende (und dann auch aggressive und phantasmatisch verwickelte) Subjekt fokussieren, zur Frage von neu verhandelter Autorschaft und Agency beitragen? Was nehmen sie in den Blick, wie sind sie verstrickt? Bourdieus Unternehmen, ist, wie in der Einleitung angekündigt, anders gelagert als die nun folgenden Entwürfe – und eben dies ist dessen Funktion für die vorliegende Untersuchung, markiert seine Relevanz. Doch zum Kapitelschluss ist noch folgendes nachzutragen: Wie eingangs erwähnt, ist die bourdieusche Theoriebildung hier nur partiell zum Zuge gekommen. Diese Unvollständigkeit findet auch eine Resonanz in meiner Leseerfahrung. In dieser führt das Weiterlesen in bourdieuschen Texten – bei allem, was dabei wiederholt klarer werden kann – immer wieder zu Stellen, die einen auf irritierende Weise an den eigenen Wegen, den Ableitungen zweifeln und mich das Märchen von Hase und Igel assoziieren lassen, mit Bourdieu an der Stelle dessen, der sagen kann: ›Ich bin schon hier!‹ – In Die männliche Herrschaft nun wird z.B. in einem Postskriptum die Liebe ins Feld geführt, und zwar nicht nur in ihrer herrschaftsstabilisierenden Funktion, sondern auch als eine Kraft, die potentiell in der Lage ist, mit gewöhnlichen Ordnungen zu brechen. Im Bewusstsein der Gefahren eines Sprechens »über die Liebe in der Sprache der Analyse« (Bourdieu 2005, S. 187) schreibt Bourdieu dort z.B. von einer »Art wunderbaren Waffenstillstandes« oder von der Möglichkeit, »durch eine ständige und stets von neuem begonnene Arbeit«, »der Kälte der Berechnung, der Gewalt und des Interesses ›die verzauberte Insel‹ der Liebe« zu entreißen … (ebd., S. 188f.). Auch wenn ein Vergleich zu dem, was nun in der Sprache der Psychoanalyse folgen soll, nicht unwichtige Differenzen ergäbe, wird mit dieser Note doch eine Brücke zu meinen weiteren Ausführungen geschlagen.

III. Drive’s creation: Das Triebschicksal der Sublimierung (Joan Copjec)

Um mit der Tür ins Haus zu fallen: Liebe und Trieb kommen bei Copjec im Rahmen einer Theoretisierung der Sublimierung zum Zuge, welche sie sich vorgenommen hat »for a means to connect the not-all of being to an ethics of the act« (Copjec 2002, S. 8). Sublimierung verbindet sich hier also mit einer Ethik und einer ›nicht-alle‹-Logik. Sie weist damit einen Weg zum (lacanschen) Realen, zu den durchbohrenden Lücken und Löchern in den symbolisch-historischen Dimensionen, die Copjec, mit Restuccia gesprochen, einkreist wie eine Motte eine Flamme (vgl. Restuccia 2006, S. 166). Was das heißen kann, soll in diesem Kapitel ausgeführt werden. Wenn ich mich nun also Imagine there’s no woman: ethics and sublimation (2002) widme, so geschieht das nicht nur deshalb, weil der hier auftauchende Begriff der Sublimierung in der Psychoanalyse zunächst die Triebkräfte kultureller Tätigkeiten beschreibt und damit von vornherein einen psychoanalytischen Blick auf Autorschaft bzw. kulturelle Handlungsmacht verspricht.1 Mein Zugriff auf Copjecs Buch erfolgt auch vor dem Hintergrund ihres Anliegens, wie sie es einige Jahre zuvor in Read my desire (1994) entwickelt hat. Dort insistiert sie auf der Existenz eines Überschusses in der Positivität des Sozialen, eines in kulturellen Äußerungen Unartikulierbaren oder auch einer Externalität der Gesellschaft zu sich selbst (Copjec 2004). »[E]ine gewisse Transzendenz-Annahme ist offensichtlich vonnöten, wenn man die Reduktion des sozialen Raums auf die diesen ausfüllenden Relationen vermeiden will« (ebd., S. 19) – eine ›Transzendenz‹, die als eine Art ›reale‹ innere Grenze zu denken und damit auch schon ausgewechselt, 1 | Einen Blick, der sich, wie zu zeigen sein wird, bei Copjec zudem von der Frage sozialer Anerkennung gerade lösen kann. – Die Frage des ›Sozialen‹ im Prozess der Sublimierung ist umstritten. Vgl. etwa Laplanche 1980 und 2002/2003.

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verschoben, in jedem Fall nicht ›anderswo‹ in einem Außerhalb o.ä. zu suchen ist2: »the real displaces transcendence«, heißt es in Imagine there’s no woman (Copjec 2002, S. 5). Copjec postuliert in diesem Sinne ein Prinzip, das die positiven Erscheinungen oder Machtordnungen erzeugt bzw. instituiert und beherrscht, jedoch nicht in diese integriert werden kann und sie in gewisser Weise auch negiert (Copjec 2004, S. 19ff.). Solches betriff t auch das Subjekt3: Wird dieses in zeitgenössischer Theoriebildung oft als eines vorgestellt, das in gesellschaftliche (Repräsentations-)Systeme als dessen Effekt eingebettet ist und auch seine Wünsche den sozialen Gesetzen entsprechend hervorbringt (wodurch der psychische und der soziale Bereich fest verbunden erscheinen), dann sind es eben solche Annahmen, gegen die Copjec argumentiert (vgl. ebd., S. 60ff.). Ja, es lässt sich sagen: Nur wenn man das Subjekt als überschießend gegenüber sozio-symbolischen Ordnungen begreift, macht es überhaupt Sinn, den Begriff der Lust (über das Lustprinzip hinaus)4 zu theoretisieren: Wird hingegen das Subjekt als »Effekt einer besonderen sozialen Organisation im Sinne einer Verwirklichung oder Erfüllung ihres Anspruchs« angesehen, dann wird die Lust »zum bloß subjektiven Synonym für die objektive Tatsache der Formung des Subjekts« (ebd., S. 72f.). – Wenn es also darum 2 | In Imagine there’s no woman argumentiert Copjec mit Lacan, dass eine Beschränkung der Betrachtung auf die Erscheinungen, auf die partikulären Dinge, die Existenz des Realen übersieht: Wenn es nur Erscheinungen in ihrer Partikularität gibt, dann deshalb, weil das Reale, »a by-product or residue of thought, detaches itself from thought to form its internal limit« (Copjec 2002, S. 4). – Später ist auch die Rede vom Realen als innere Grenze des Symbolischen (ebd., S. 96). 3 | Es ist nach Imagine there’s no woman wiederum die innere Grenze der Macht, die es dem Subjekt gewisser maßen ermöglicht »to free himself from submission to the forceful pull of his own determined and determinate identity« – dieses ist, »while unable to extricate himself from its network, […] nevertheless able to be thought as capable of subjectivation rather than as passively subjected to power« (Copjec 2002, S. 96). 4 | Nach Copjec endet ein »ausschließliches Vertrauen auf das Lustprinzip als der einzig verfügbaren Form für die Beziehung des Subjekts zum Sozialen […] in der Eliminierung einer für die Lust bestehenden Notwendigkeit« (Copjec 2004, S. 73) – das freudsche Lustprinzip wird hier, ausgehend von der Entdeckung, dass Lust psychisch angestrebt und gewonnen wird, dennoch gerade nicht im Gegensatz zur sozialen Realität gedacht, sondern die soziale Realität, die Kultur, als Produkt des Lustprinzips bestimmt: »Die Kultur überprüft nicht unsere Phantasien, sondern verwirklicht sie; sie bringt uns nicht mit dem Schicksal (dem Realen) in Berührung, sondern beschützt uns davor« (Copjec 2004, S. 59f.).

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geht, einen Überschuss gegenüber der Positivität des Sozialen zu denken, so lässt sich fragen, um nun wieder auch den Bogen zu Imagine there’s no woman zu schlagen, ob der Trieb als eine solche Dimension zu fungieren vermag. Copjecs Einführung des Triebschicksals der Sublimierung stellt, so lässt sich vorwegnehmend sagen, gängige Annahmen dessen, was Sublimierung heißt (vgl. auch Bourdieus diesbezügliche Begriffsverwendung, vgl. Kap. II) auf den Kopf. Diese Verlagerungen betreffen, und das macht sie für meine Untersuchung interessant, auch den Bezug zur sozialen Anerkennung und Autorität und entwerfen, damit verbunden, ein beteiligtes Subjekt, das weder als intentionaler Autor gedacht, noch entbehrlich ist. Die Frage lautet also: Zeigt sich in der Sublimierung etwas, was dessen ›Einbettung‹ in das betreffende soziale System unmöglich und eine spezifische Handlungsmacht denkbar macht? Vor der Annäherung an Copjecs Antworten wird den Leser/inne/n allerdings noch ein Aufschub abverlangt. Bevor ich mich nämlich auf Copjecs Spuren begebe, möchte ich zunächst solchen Aspekten der Sublimierungsidee aus dem freudschen und lacanschen Feld nachgehen, die diese Spuren legen bzw. für meine Lektüre von Copjecs Ausführungen Relevanz gewinnen. Bei diesem Durchgang scheint es, als würde Sublimierung gerade im Hinblick auf ihr Verhältnis zu Idealen, zu gesellschaftlicher Anerkennung o.ä. und das heißt auch: zu autoritativen Instanzen immer wieder neu verhandelt. Dieses Triebschicksal zeigt sich als ein von Anfang an durchaus verwirrender Prozess.

Anlehnung, Ver führung, Verdrängung Sublimieren, d.h. laut Duden soviel wie erhöhen oder, im chemischen Bereich, vom festen in den gasförmigen Zustand übergehen,5 gilt psychoanalytisch als eine »der Quellen der Kunstbetätigung« (Freud 1905d, S. 140) 5 | »Zerlegen wir aber das Wort in seine Vor- und Hauptsilbe, dann kehrt sich die Richtung des Sinns fast um. Die Vorsilbe sub bezeichnet im Lateinischen unter, sie führt also keineswegs hinauf, sondern hinab […]. Limen bezeichnet im Lateinischen die Schwelle, limen ist verwandt mit limes, dem Querweg, dem Rain, der Grenze. Limes bezeichnet in der Mathematik den Grenzwert, auf den eine Zahlenreihe zustrebt. Von subliminal spricht man, wenn man etwas bezeichnen will, was unterschwellig vorhanden ist. Statt ins Erhabene führt die Sublimierung, so gelesen, hinab in eine Unterwelt, strebt hier unten auf eine Grenze zu, bezeichnet eine Schwelle, die gerade nicht in der höchsten Höhe, sondern vielleicht eher in der tiefsten Tiefe zu suchen wäre. Will man nun diese höchst gegenläufigen Sinnrichtungen zusammenfügen, dann wird man die Sublimierung an zwei Orten zugleich, nämlich dem

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oder als »ein besonders hervorstechender Zug der Kulturentwicklung […]« (Freud 1930a, S. 457) und zuweilen als relevant für sämtliche kulturelle, gesellschaftlich wertgeschätzte Praxen. Denn mit dem – in seiner theoretischen oder historisch-aktuellen Gültigkeit durchaus umstrittenen – Konzept der Sublimierung6 ist zunächst die Möglichkeit einer Ausrichtung des Triebs auf nicht sexuelle Ziele und Objekte bezeichnet: Die Triebwünsche werden weder verdrängt, noch ›pervers‹ realisiert, sondern erscheinen »im Gewande kultureller Anstrengungen« (Schwering 1998, S. 33). Copjecs Urteil zufolge ist die Kategorie der Sublimierung bei Freud unterentwickelt (eine Unterentwicklung, die »significantly matches and only marginally exceeds his underdevelopment of the concept of woman« – ich komme darauf zurück) (Copjec 2002, S. 8). Der Begriff der Sublimierung taucht bei Freud schon früh auf, z.B. in den Briefen an Fließ (vgl. Freud 1950a); er hat jedoch kein einheitliches Sublimierungskonzept entworfen. Vielmehr finden sich Hinweise an verschiedenen Stellen seiner Schriften. Dabei zeigt sich die sublimierende Aktivität einerseits mit gesellschaftlichen Anerkennungsprozessen und sexuell ›repressiven‹ Elementen verknüpft; zugleich deutet sich mit ihr eine Art ›Befreiung‹ des Triebs »vom Gesetz des Über-Ich« an (Baas 1995, S. 153f.; vgl. Schwering 1998). Ich möchte hier im Vorspann meiner Copjec-Lektüre vor allem drei Momente skizzieren: Das Verhältnis der Sublimierung zur Entstehung von Sexualität, zu Aspekten von Narzissmus und Idealisierung. Sublimierung taucht etwa in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie im Kontext des Konzeptes der Anlehnung auf. Damit ist der Prozess beschrieben, in dem sexuelle Erregung im Zuge einer Anlehnung der Sexualbetätigung an Lebenserhaltungsfunktionen erfahrbar wird, von denen es sich nachfolgend selbständig macht (vgl. Freud 1905d, S. 82; vgl. Kap. I). Beim Saugen an der mütterlichen Brust etwa hat das Kind bei Reizung der Lippen durch »den warmen Milchstrom« denkbar Lustempfindungen, so dass »[a]nfangs […] wohl die Befriedigung der erogenen Zone Erhabenen der höchsten Gipfel wie der Unterwelt suchen müssen. […]« (Dahlke 2006, S. 49f.). 6 | In Adornos Minima Moralia (1951) erscheint Sublimierung im Sinne einer künstlerischen Verwandlung von »Begierde« in sozial erwünschte Formen sowohl als »eine psychoanalytische Illusion« (Adorno 2003, S. 242ff.) als auch als nicht mehr zeitgemäß; was zeitgenössische Kunst legitimiert, wäre »precisely its antagonism to what is socially acceptable« (Thurston 2003, S. 32 bzgl. Adorno). Dabei kann sich die Zurückweisung des Sublimierungsbegriffs gegen Vorstellungen sozialen Ansehens o.ä. wenden, ohne notwendig gegen eine Form des Ineinandergreifens somatisch-triebhafter und künstlerisch-produktiver Prozesse zu argumentieren (vgl. ebd., S. 34). – Copjec fragt in anderem Zusammenhang auch, inwieweit die Änderungen ästhetischer Kriterien »signal disturbances to the very possibility of sublimation« (Copjec 1999, S. 10).

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mit der Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses vergesellschaftet« war (ebd.). Die etablierten »Verbindungswege« von anderen Körperfunktionen zur Sexualität nun müssen nach Freud wohl »auch in umgekehrter Richtung gangbar sein« (ebd., S. 107). Begründet etwa »der beiden Funktionen gemeinsame Besitz der Lippenzone« die Entstehung von Sexualbefriedigung bei der Nahrungsaufnahme, so kann eine Störung bzgl. der nicht sexuellen Funktion auf eine Störung der »erogenen Funktionen der gemeinsamen Zone« verweisen (ebd.). Auf den Wegen eines derartigen Übergreifens von Sexualvorgängen oder ihren Störungen auf andere Körperfunktionen müsste sich auch »die Heranziehung der sexuellen Triebkräfte zu anderen als sexuellen Zielen, also die Sublimierung der Sexualität vollziehen« (ebd.).7 Sublimierung beschreitet von der Anlehnung gebahnte Wege; andere als abgelenkte oder angelehnte Objekte und Ziele sind dabei kaum noch auszumachen. In den Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse wird die Sublimierung – ausgehend von der außerordentlichen Plastizität der sexuellen Triebregungen – als »ein Spezialfall der Anlehnung von Sexualstrebungen an andere nicht sexuelle« beschrieben. Das Ziel, das die Sexualbestrebung annimmt, wäre »nicht mehr sexuell, sondern sozial« zu nennen – unter dem Vorzeichen »der allgemeinen Schätzung […], welche soziale Ziele höher stellt als die im Grunde selbstsüchtigen sexuellen« (Freud 1916-17a, S. 357f.). Die Zusammenstimmung mit sozialer Anerkennung ist deutlich im Spiel. Doch lässt die Formulierung von der Sublimierung als Spezialfall der Anlehnung nicht auch eine Lesart zu, die diese als mit dem Auftauchen von Sexualität gleichgerichtet begreift? In anderem Zusammenhang, aber auf eine in diesem Punkt vielleicht vergleichbare Weise führt Laplanche eine Sublimierungsform ein, die nicht als eine rückläufi ge Bewegung im Verhältnis zu einer früheren Periode sexuellen Erwachens funktioniert, sondern genau im Moment der (wiederum an keine spezifische Lebensphase gebundenen) sexuellen Erregung die Bühne betritt. Das Hervortreten des Sexualtriebs wäre von Anfang an von Sublimierung begleitet; diese ist gewissermaßen an eine Art (Neu-)Entstehung von Sexualität gebunden (vgl. Laplanche 1984, S. 23ff.; 1980, S. 111f.). Ein Blick auf Eine Kindheitserinnerung von Leonardo da Vinci kann diesen Zusammenhang weiter beleuchten. Dieser freudsche Text beschreibt u.a. den Weg des mit sexuellen Interessen verknüpf7 | Können die nicht-sexuellen Funktionen dem Sexualtrieb in den Perversionen »zur Entledigung dienen […], dann können sie auch, mittels einer inversen Stützung, den Sexualtrieb auf sich nehmen, indem sie ihn auf nichtsexuelle Ziele ausrichten«. Bei der Perversion »wechselt der Sexualtrieb das Objekt«; im Falle der Sublimierung auch das Ziel; weiter zu unterscheiden ist die (zur Neurose führende) Verdrängung der »perversen Strebungen der infantilen Sexualität« (Baas 1995, S. 147).

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ten »Forschertriebes«, der von der infantilen Sexualforschung durch die Sexualverdrängung zu einer Hemmung des Den kens, zu einem sexualisierten Denkzwang oder zur Sublimierung führen kann. Bei letzterer tritt die Sexualverdrängung zwar ein, »aber es gelingt ihr nicht, einen Partialtrieb der Sexuallust ins Unbewußte zu weisen, sondern die Libido entzieht sich dem Schicksal der Verdrängung, indem sie sich von Anfang an in Wißbegierde sublimiert und sich zu dem kräftigen Forschertrieb als Verstärkung schlägt« (Freud 1910c, S. 147f., Herv. I.H.). Zwar wird auch hier »das Forschen gewissermaßen zum Zwang und zum Ersatz der Sexualbetätigung«, doch »der Charakter der Neurose [bleibt] aus, die Gebundenheit an die ursprünglichen Komplexe der infantilen Sexualforschung entfällt, und der Trieb kann sich frei im Dienste des intellektuellen Interesses betätigen« – wenn auch der Sexualverdrängung, wie es heißt, durch eine Vermeidung der »Beschäftigung mit sexuellen Themen« noch Rechnung getragen wird (ebd.). Das Verhältnis der Sublimierung zur Verdrängung wird hier nicht restlos geklärt; es verbleibt etwas im Einflussbereich verdrängender Mechanismen, 8 doch klar scheint auch, dass sich die Libido diesen entzieht: »Die Sublimierung bringt eine Kraft ins Spiel, die, als solche, der Verdrängung entgeht« (Baas 1995, S. 148).9 8 | Wird »der Sexualtrieb sublimiert, sein sexueller Charakter aber […] verdrängt« (Baas 1995, S. 148)? Vgl. auch: »I have indicated that I found Freud’s notation suggestive, of course, for bringing sublimation into rapport with propping, but, on the other hand, how insufficient I have found the notion that that relationship would be quite a simple one, namely, that sublimation is nothing but propping in reverse, the return of the sexual to the nonsexual« – »[…] it does not take into account the element of repression. In fact at least for some part of the drive, sublimation is certainly one means through which it can escape repression. However, in spite of everything it is correlative to a repression, and in particular to a repression having to do with a certain type of object, the properly sexual object. If we preserve the notion that sublimation is very close to propping, we will probably have to understand the notion of an Anfang, from the beginning, in a special way. Sublimation is not a retrogression, a second retrogression relative to the earliest period of sexual awakening: propping and sublimation, in a way, may even go together« (Laplanche 1984, S. 22f.). 9 | Sublimierung betriff t nach Baas dann (mit Freud) auch »jenen Teil des Triebs […], der sich, um sich zu befriedigen, nicht der von der Verdrängung ausgehenden gebahnten Wege bedient, anders gesagt, jene desexualisierte Libido, die nicht die symbolischen Kanäle der sexuellen Ersatzbildungen durchläuft, die mit dem Ödipus-Komplex verknüpft und dem Über-Ich unterworfen sind« (Baas 1995, S. 149). Das sublimierte Begehren unterscheidet sich »vom artikulierten Begehren nach einem Objekt«, auf das durch die (von der Ver-

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Im genannten Freud-Zitat ist die Rede davon, dass sich die Libido von Anfang an sublimiert; an späterer Stelle des Leonardo-Aufsatzes ist von einer »uranfängliche[n], bei der ersten Verdrängung vorbereitete[n]« Sublimierung die Rede (Freud 1910c, S. 206).10 Formulierungen wie diese wiederum können einen Weg zur Urverdrängung11 und so – darauf kommt es mir hier an – zum Beginn des Sexualtriebs weisen (Laplanche 2002/2003, S. 44). Die Sublimierung ›von Anfang an‹ wäre quasi im Zuge des Auftretens sexueller Erregung zu denken oder im Moment des Auftauchens des sexuellen Partialtriebs (vgl. Laplanche 1980, S. 111; 1984, S. 23). Auf diese Weise wäre die Sublimierung für Laplanche auch mit der von ihm formulierten Verführungstheorie (im Sinne einer »Wahrheit« des Anlehnungsbegriffs) (Laplanche; vgl. auch Kap. I) verschränkt: Ausgehend von der Hypothese, dass die Sublimierung von Anfang an das Auftauchen des Sexualtriebs begleitet, scheint es, dass sie auch an die die Neu-Entstehung der Sexualität charakterisierende Verführung gebunden sein muss (Laplanche 1980, S. 113; 1984, S. 25). Das Sexuelle wird, auf der Grundlage aller Ar ten ›äußerlicher Schocks‹ oder Erschütterungen [toutes sortes d’ébranlements extérieurs], unaufhörlich hervorgebracht (Laplanche 1980, S. 111; 1984, S. 23). Daneben ist aber auch eine andere theoretische Annäherung an die Sublimierung zu verzeichnen, mit der sich dann eine bindende Bewegung vollzieht: Diese ließe sich mit Laplanche als ›normaler‹ Prozess der ›Akkulturation‹ beschreiben, als eine Art Integration »of anarchic sexual aims into a ›socially valorised‹ perspective« (Laplanche 2002/2003, S. 41f.). Diese Sublimierung bildet sich gewissermaßen unter dem Banner des Ich und einer ptolemäischen Wiederverschließung [re-closure] (ebd., S. 43).12 Solches

drängung aufgezwungenen) »symbolisch-assoziativen Bahnen hindurch abgezielt wird […]« (ebd., S. 153f.). 10 | Im Leonardo-Aufsatz beziehen sich die uranfängliche und die zweite Sublimierung auf die forschende bzw. künstlerische Tätigkeit. 11 | Die Urverdrängung, die »vom Psychischen ein ursprünglich Unbewußtes« abspaltet, begründet zugleich »die Quellen des Triebes« (Laplanche 1988, S. 142). Dies wird wiederum verstehbar im Kontext von Laplanches Konzeption der Urverführung, die das Kind mit rätselhaften Signifi kanten konfrontiert. Die Urverdrängung entspricht zunächst der »Einpflanzung, dem ersten Eindruck der rätselhaften Signifi kanten« (vor der Verdrängung) sowie, in einer weiteren Etappe, als deren Reaktivierung. Das Kind versucht, die »nun von innen aus« attackierenden, traumatisierenden Signifi kanten zu symbolisieren – was wiederum niemals ohne Verdrängung eines unfassbaren, erregenden, den Trieb bewirkenden Rest funktioniert (ebd., S. 142 – vgl. auch Kap. I). 12 | Kopernikanisch und Ptolemäisch können hier gelten »as homologies for decentring and recentring movements of thought within the Freudian conceptual field, the former opening onto the relation to the other and the latter

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ließe sich bekräftigen: Sublimierung in ihren Erscheinungsformen zeigt sich gleichsam im Spannungsfeld von De- und Rezentrierung.13

Liaison mit der Idealbildung In Zur Einführung des Narzissmus nun wird das Verhältnis von Narzissmus, Idealbildung und Sublimierung beleuchtet. Die Sublimierung darf, wie Freud insistiert, mit der Idealbildung nicht verwechselt werden – und zeigt sich hier doch von ihr affiziert. Die Idealbildung leitet sich diesem Aufsatz zufolge von einem Eingriff in einen infantilen Narzissmus ab. Geht es mit dem primären Narzissmus zunächst um eine libidinöse Besetzung des (sich abzeichnenden) Ich (vgl. Freud 1914c, S. 141f.), so scheint das infantile Ich sich dann »im Besitz aller wertvollen Vollkommenheiten« zu befinden (ebd., S. 161). Kritische, mahnende Einflüsse (zunächst der Eltern) und Urteile machen es schließlich unmöglich, ein solches Bild narzisstischer Vollkommenheit aufrechtzuerhalten (vgl. ebd., S. 161ff.). Diese wird aber nicht aufgegeben, sondern in Gestalt eines »vor sich hin projiziert[en]« Ideals – Ersatz für den verlorenen infantilen Narzissmus – wieder zu gewinnen versucht (ebd., S. 161). Das Ideal wird zum Maßstab des aktuellen Ich (vgl. ebd.); die Libido wird auf das »aufgenötigte[s]« Ideal verschoben, Befriedigung in dessen Erfüllung gefunden (ebd., S. 167f.). Das Ich ist quasi aufgefordert, Lust in der Liebe eines Ideals zu finden, dem gegenüber es stets unterlegen, ja schuldig bleibt (vgl. Bersani 1990, S. 40). Der Prozess der Idealisierung funktioniert hier als eine psychische Erhöhung und Vergrößerung des Objekts – und nicht schon als Sublimierung: »Wer seinen Narzißmus gegen die Verehrung eines hohen Ichideals eingetauscht hat, dem braucht darum die Sublimierung seiner libidinösen closing off again in a recentring focus on the self« (Laplanche 2002/2003, S. 42, Fn. 20. Vgl. auch Laplanche 1996). 13 | Nach Laplanche lässt sich die Sublimierungsbewegung zwischen den beiden Polen Inspiration und Symptom situieren (2002/2003, S. 42). – Das Subjekt der Inspiration ist nicht ›das‹ Subjekt, sondern der andere, der in »his resonance with the originary adult other […] comes to re-open at privileged moments the wound of the unexpected, of the enigma« (Laplanche 2002/2003, S. 48). Darüber hinaus ist »the poet or the creator in general […] also exposed to another appeal, that of the public« … »it is the public’s expectation, itself enigmatic, which is therefore the provocation of the creative work. There would thus be an opening, in a double sense: being opened by and being open to – being opened up by the encounter which renews the trauma of the originary enigmas; and being opened up to and by the indeterminate public scattered in the future« (ebd., S. 49).

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Triebe nicht gelungen zu sein« (Freud 1914c, S. 161f.).14 Vielmehr können die Idealbildung und die durch sie gesteigerten Anforderungen des Ichs auch eine Verdrängung bewirken; sie stellt sogar »die stärkste Begünstigung der Verdrängung« dar (ebd., S. 162) – wenn etwa libidinöse Impulse mit dem Ideal in Konflikt geraten und unsublimiert bleiben. Die Sublimierung wäre ein (Aus-)Weg, die Anforderungen zu erfüllen, »ohne die Verdrängung herbeizuführen« (ebd.). Sie bleibt, so Freud »ein besonderer Prozeß, dessen Einleitung vom Ideal angeregt werden mag, dessen Durchführung durchaus unabhängig von solcher Anregung bleibt« (ebd.). Scheint damit das Verhältnis von Sublimierung und Idealisierung geklärt, so triff t Freud deren emphatische Unterscheidung jedoch innerhalb einer Diskussion »that has already laid the ground for a blurring of their conceptual boundaries« (Bersani 1990, S. 41). Nach Bersani hat sich im freudschen Text nämlich eine Art Wandel des Narzissmus vollzogen,15 der sich selbst als ›Idealisierung‹ und ›Sublimierung‹ in diesem Sinne begreifen lässt: Richtet sich der primäre Narzissmus zunächst auf eine »ursprüngliche[n] Libidobesetzung des Ichs« (Freud 1914c, S. 141), so liegt die – de-sexualisierte – Befriedigung sodann in der Erfüllung der Er fordernisse eines erhöhten, internalisierten Objekts: Ziel und Art der ›Selbstliebe‹ ändern sich – dem »Idealich gilt nun die Selbstliebe, welche in der Kindheit das wirkliche Ich genoß« (ebd., S. 161) – und alle folgenden (idealisierenden, desexualisierenden) Sublimierungen finden in der Beziehung des Ichs zu seinem Ideal ihre Grundlage (vgl. insgesamt: Bersani 1990, S. 41f.). – Auch hier finden, so lässt sich folgern, Überlegungen zu einer Spannbreite von Formen der Sublimierung ihren Platz: Sie produziert sich im Sinne einer Idealisierung – der weil sich aus der ersten libidinösen Besetzung eines Ich eine gewisse Nähe zum Konzept einer ›anfänglichen‹ Sublimierung ergibt (ich komme mit Copjec darauf zurück).

14 | Freud nimmt keine klare Unterscheidung von Ichideal und Idealich

vor. 15 | Vgl. auch: »The reaffirmation of system – by which I also mean the reaffirmation of authority – takes place in Freud primarily by way of reinforcements in the theory of the ego as, precisely, the instance of authority in the self with respect to both the inner and the outer worlds. Freud’s 1914 essay ›On Narcissism‹ is a startling demonstration of just such an exercise in recovery, an exercise all the more unexpected because the discussion begins by suggesting that the ego is born as an already shattered totality, as an agency seduced into being by the very prospect of being shattered« (Bersani 1990, S. 3; vgl. u.).

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Erset zung einer Objek tbeset zung In Das Ich und das Es erfährt die Sublimierung eine Art Generalisierung (über ein Konzept kultureller Hervorbringung hinaus) (vgl. Kaltenbeck 2003, S. 105f.). Ist hier eine Aktivität eines narzisstisch besetzten Ichs im Spiel, dann im Sinne einer als desexualisierend geltenden Verwandlung von sexueller Objektlibido in narzisstische Libido, die das vermittelnde Ich vornimmt, »um ihr dann vielleicht ein anderes Ziel zu setzen« (Freud 1923b, S. 258). Es geht hier um sekundären Narzissmus: Die Libido wird von einem – verlorenen oder aufzugebenden – Objekt quasi abgezogen, letzteres im Ich ›aufgerichtet‹, eine Identifizierung löst die Objektbesetzung ab – und dieses Geschehen hat »einen großen Anteil an der Gestaltung des Ichs« (ebd., S. 256f.). Statt weiter das Objekt zu lieben, wird sich dem – im Zuge dessen geformten – Ich zugewandt. Auch in dieser substitutiven Identifizierung finden sich Kennzeichen einer Idealisierung. Erhöht sie doch ebenso das – mit dem geliebten, unzugänglichen Objekt ineinsgesetzte – Ich16 wie sie eine hoffnungslose Sehnsucht etabliert; »a blocking of the impulse to love is the precondition for the self’s lovability« (Bersani 1986, S. 96). Der auf das Objekt gerichtete Liebesimpuls wird sozusagen abgeschnitten, um ›selbst‹ liebenswert zu erscheinen; Freud spricht auch von einem Züge des Objekts annehmenden, sich sozusagen als Liebesobjekt aufdrängenden Ich (vgl. Freud 1923b, S. 258). Geht es nach Freud um ein »Aufgeben der Sexualziele«, eine Desexualisierung und somit um »eine Art von Sublimierung« (Freud 1923b, S. 258), dann wird letztere insgesamt als eine desexualisierende Ersetzung einer Objektbesetzung durch Identifizierung gefasst, die das Ich selbst formt 17 – und ebenso das Über-Ich (etwa im Falle der Identifizierung mit dem Vatervorbild) (Freud 1923b, S. 284).18 Die sich im Über-Ich potentiell 16 | Bei Bersani ist hier die Rede vom Selbst (self ). Vgl. Anm. 15 des vorliegenden Kapitels. 17 | Bersani spricht von einem offenbar vorliegenden Widerspruch in der freudschen Beschreibung der Identifizierungen »as both desexualizing and narcissistic: they obviously imply ›an abandonment of sexual aims,’ but the id is, so to speak, tricked into loving that disinvested internalized object, and desexualization is thereby countered by a ›transformation of object-libido into narcissistic libido‹« (Bersani 1986, S. 94 mit Bezug auf Freud). 18 | In der Bildung des Ich-Ideals/Über-Ich (hier begriffl ich nicht klar unterschieden) wird eine ›primäre‹ Identifizierung mit dem Vater (oder auch: mit den Eltern) verstärkt durch den ›normalen Ablauf‹ des Ödipuskomplexes und der sich mit diesem einstellenden Objektwahlen bzw. Identifizierungen (Freud 1923b, S. 259f.). Die vier im Ödipuskomplex enthaltenen Strebungen (Objektwahl und Identifizierung jeweils bezogen auf Mutter und Vater) legen sich bei dessen Untergang so zusammen, dass auch eine Vater- und eine Mutteridenti-

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entfesselnden Aggressionsdynamiken können dann auch als Effekt dieser Art von Sublimierungsarbeit gelten (vgl. ebd., S. 287): Die Sublimierung wirkt gleichsam destruktions-entbindend (vgl. ebd., S. 284f.); sie hat eine Triebentmischung zur Folge (vgl. ebd., S. 284, S. 287). Das Ich bemächtigt sich der Objektbesetzungslibido (vgl. ebd., S. 274) und die »erotische Komponente hat nach der Sublimierung nicht mehr die Kraft, die ganze hinzugesetzte Destruktion zu binden« – »diese wird als Aggressions- und Destruktionsneigung frei« (ebd., S. 284f.). Das Ich wird sozusagen nicht nur ausgebildet, sondern auch gefährdet: es liefert sich der Gefahr des Todes aus (vgl. ebd., S. 287): Durch die Arbeit der Identifizierung und Sublimierung leistet es, selbst notwendig erfüllt mit Libido, den Todestrieben Beistand zur Libido-Bewältigung, kann aber selbst dabei umkommen (vgl. ebd.). Eine solche eher düstere Version19 einer Sublimierung scheint quasi im sekundären Narzissmus festzustecken. Denn über die idealisierende Komponente hinaus ist durch die Gleichsetzung von Sublimierung und Desexualisierung bisweilen die von diesem Narzissmus wieder wegführende Bewegung tendenziell verloren gegangen. Diese klingt an immer dann, wenn der Rückzug der Libido vom sexuellen Objekt und deren Wendung auf das Ich als eine Art Durchgangsstation gedacht werden kann, »um ihr dann vielleicht ein anderes Ziel zu setzen« (ebd., S. 258; vgl. Nasio 1999, S. 64; s.o.).20 – Nach Dahlke muss es, damit es zur Sublimierung kommt, fizierung resultiert. Das Ergebnis ist wiederum ein »Niederschlag im Ich […], welcher in der Herstellung dieser beiden, irgendwie miteinander vereinbarten Identifizierungen besteht« – wobei die Ich-Veränderung »dem anderen Inhalt des Ichs als Ichideal oder Über-Ich« entgegentritt (ebd., S. 261f.). – In dieser verwickelten Argumentation Freuds geraten die Geschlechtsdimensionen der Identifizierungen infolge aufgegebener Objekte zuweilen etwas ins Strudeln. (Vgl. dazu auch Bersani 1986, S. 98ff.) Das Über-Ich wiederum gilt Freud nicht einfach als ein Residuum, sondern auch als Reaktionsbildung bzgl. der ersten Objektwahlen des Es. »Seine Beziehung zum Ich erschöpft sich nicht in der Mahnung: So (wie der Vater) s ol l s t du sein, sie umfaßt auch das Verbot: So (wie der Vater) d a r f s t du n ic ht sein […]; manches bleibt ihm vorbehalten« (Freud 1923b, S. 262). 19 | Vgl.: »For the pessimistic Freud of 1923, sublimation was fi rmly in the service of the destructive drive« (Kaltenbeck 2003, S. 107). 20 | An späterer Stelle werden die Möglichkeiten nebeneinander gestellt: »Hier [Freud hat den Fall der durch Sublimierung bewerkstelligten Denkarbeit angeführt] stehen wir wieder vor der früher berührten Möglichkeit, daß die Sublimierung regelmäßig durch die Vermittlung des Ichs vor sich geht. Wir erinnern den anderen Fall, daß dies Ich die ersten und gewiß auch spätere Objektbesetzungen des Es dadurch erledigt, daß es deren Libido ins Ich aufnimmt und an die durch Identifizierung hergestellte Ichveränderung bindet.

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»nach dem Rückzug auch wieder eine Wende ins Außen geben«, bzw. »zur Produktion von Objekten kommen, die den psychischen Apparat wieder verlassen« (Dahlke 2006, S. 56f. in anderem Zusammenhang). Um die Überlegungen bis hierhin zusammenzufassen: Die (u.a. mit Laplanche und Bersani) ausgelegten Textstellen Freuds spannen ein Feld, in dem Sublimierung durchaus verhängnisvoll ›desexualisierend‹ wirkt und potentiell die Entstehung einer ›zerstörerischen‹21 Sexualität begleitet; oder in dem sie von Verdrängung und Idealbildung divergiert und doch von deren Mechanismen berührt sein kann. Zeigt sich bei Freud für die Sublimierung also bezogen auf Idealisierung, Sexualität und Narzissmus mindestens im Ansatz anhaltend eine Spanne von Funktionsweisen,22 so werden diese Relationen von Copjec einschlägig beantwor tet. Sublimierung, verbunden mit einem spezifischen Verständnis von Narzissmus und sexuellem Genießen, wird aus dem Changieren im Verhältnis zur Idealisierung gelöst und letzterer entgegengestellt.

Erhebung eines Objek ts Insofern Copjec sich in den betreffenden Abschnitten von Imagine there’s no woman nun nicht nur mit Bersani auseinandersetzt (s.u.), sondern insgesamt grundlegend lacanianisch argumentiert (nach Žižek ist Copjec gar »not simply ›the greatest‹ American Lacanian […], she is the only American

Mit dieser Umsetzung in Ichlibido ist natürlich ein Aufgeben der Sexualziele, eine Desexualisierung, verbunden« (Freud 1923b, S. 274). 21 | In der Konzeption Laplanches ist die Rede von der empörenden, weil auch angreifenden und zerstörerischen Eigenart von Sexualität (vgl. Laplanche 1988, S. 113f.): Der Todestrieb stellt »eine letzte Bestätigung der Sexualität in ihrem luziferischen Gepräge« dar, er wäre in die Sexualtriebe quasi einbezogen (Laplanche 1996, S. 204; vgl. 1988, S. 188f.). 22 | Bei Melanie Klein zeigt sich ein ähnlich mehrförmiges Konzept von Sublimierungsprozessen; auch bildet ihre Theorie eine Folie für Lacans Ausführungen; dennoch werde ich in diesem Rahmen nicht auf kleinsche Theorie eingehen, insofern sie für Copjec weiter keine Rolle spielt (vgl. dazu aber Kap. V der vorliegenden Arbeit; vgl. auch Härtel 2004). – Vgl. auch Bersani 1990: »It may in fact be the case, as Jean Laplanche has suggested, that sublimation has two quite different modes of operation: one corresponding to what Klein described in ›Early Analysis‹ as the investment of ego interests with a kind of floating or suspended sexual energy, and the other corresponding to the appropriation of the entire cultural field either as ›substitute objects‹ for the desired and feared objects or as a repository of more or less socially useful activities in which the aims of sexuality can be symbolically deflected« (S. 21).

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Lacanian«),23 stehen nun zuvor noch Ausführungen zu Lacans Sublimierungsüberlegungen an. Lacan will sich mit bisherigen Erklärungsmodellen nicht begnügen, sondern ›bringt sein Ding‹: »Die allgemeinste Formel« von der Sublimierung lautet hier: »sie erhebt ein Objekt […] zur Dignität des Dings« (Lacan 1996, S. 138). Ausgangspunkt ist also die Unterscheidung des Objekts vom Ding, das mit dem Trieb in Verbindung tritt: Die Sublimierung verschaff t nach Lacan dem Trieb eine Befriedigung, die sich von dessen ›natürlichem Ziel‹ unterscheidet; sie enthüllt »die dem Trieb* eigene Natur, insofern dieser nicht rein Instinkt ist, sondern in einem Verhältnis steht zu das Ding* als solchem, insofern es vom Objekt verschieden ist« (ebd.). Die Sublimierung wird bei Lacan in gewisser Weise zum exemplarischen Triebschicksal. Wenn sie dem Trieb eine Befriedigung verschaff t, die von dessen ›natürlichem Ziel‹ differiert und die ›Natur des Triebs‹ enthüllt, dann ist diese ›Natur‹ eben auch durch dessen Differenz zum Instinkt bzw. zu seinen natürlichen Zielen charakterisiert – oder durch Sublimierung. Letztere verdeutlicht nach Lacan die Arbeit des Triebs (Doane 2003, S. 134), oder weiter: ein nicht sublimierter Trieb wäre gleichsam ein biologischer Instinkt (vgl. Žižek 1996, S. 17). Der Trieb hat nicht einfach ein natürliches Objekt wie der Instinkt, sondern seine Natur liegt quasi darin, durch das und in dem Objekt auf das Ding abzuheben. In dem Begriff des Dings werden Anklänge an Kant (das Ding an sich) sowie Heidegger (Aufsatz über Das Ding) ver nehmbar (vgl. dazu Gondek/Widmer 1994) – und an Freud (vgl. etwa 1950c/1950a). Das Ding ist hier zunächst mit etwas Unerreichbarem, Unassimilierbarem, Unverstandenem assoziiert, mit etwas anhaltend in empirischen Objekten nicht Auffindbaren oder Identifizierbaren. Es ist seine Uneinholbarkeit, durch das es jedes andere Objekt »mit einem Mangel beschlägt« (Widmer 1994, S. 12). Als verlorenes Objekt weist es auch auf ein ›ursprüngliches Befriedigungserlebnis‹ zurück (vgl. Baas 1995, S. 44). Anders aber als eine (kleinsche und auch freudsche) Tradition, die dem Ding gleichsam einen ›mütterlichen‹ Körper gibt und die von der versuchten Wiederherstellung eines Bildes dieses Körpers in der Sublimierung spricht (vgl. ebd., S. 45f.; vgl. auch Kap. V), ist das Ding bei Lacan zwar verbunden mit einem ›verlorenen‹ Objekt, doch dieser Bezug erscheint einigermaßen verschoben. Denn nach Lacans Freudlektüre ist erst der Verlust oder die Wiederfindung; dass das Objekt »verloren sei, ist die Konsequenz – jedoch nachträglich« (Lacan 1996, S. 147; vgl. Baas 1995, S. 47). Das (begehrte) Objekt ist immer ein wieder gefundenes Objekt – und das Ding ist kein verlorenes Objekt, sondern »ein Nichts an Verlorenem« (Baas 1996, S. 23; vgl. 1995, S. 48). Erhebt die Sublimierung also das Objekt zur Würde des Dings, so

23 | Klappentext von Imagine there’s no woman (2002) – s.u.

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artikuliert sich hier gerade auch das, was in dem nachträglich als verloren geltenden Objekt nicht darstellbar ist. Im ›Werk‹ der Sublimierung wäre stets ein Index des Nicht-Repräsentierbaren eingeschrieben (vgl. dazu Baas 1995, S. 68). Es ist für das Ding, »dessen durch den Menschen geschaffene Formen sämtlich ins Register der Sublimierung gehören«, charakteristisch, »daß wir uns von ihm unmöglich vorstellend ein Bild machen können« (Lacan 1996, S. 160 und S. 155). Es ist nicht darstellbar oder »positiv bestimmbar, sondern nur durch seine funktionale Notwendigkeit im Psychismus« (Ort 1998, S. 242; vgl. Baas 1995, S. 46). Das Ding wird nach Lacan »stets durch eine Leere repräsentiert sein, weil es nicht durch anderes repräsentiert werden kann – oder genauer, weil es repräsentiert werden kann allein durch anderes« (Lacan 1996, S. 160).24 Dem »Ding einen Inhalt zu geben« heißt, es »mit dem begehrten Objekt zu verwechseln […]« (Baas 1995, S. 45f.). Es ist »in den Wiederfindungen des Objekts« durch ein anderes repräsentiert (Lacan 1996, S. 147) – in diesen Formulierungen Lacans deutet sich gleichzeitig an, dass das allein durch anderes repräsentierbare Ding nur abhängig von den Gestalten seiner ›Wiederfindungen‹ gegeben sein kann (vgl. Cremonini 2007b, S. 140) – die Erscheinungsfor men oder Verkörperungen, die das Ding notwendig verfehlen, bestimmen es zugleich in seinem ›Wesen‹. Im Procedere der Sublimierung erhält das Objekt eine besondere – eben auf seine Dinghaftigkeit zielende – Funktion, welche die Gesellschaft als Wert (an-)zu-erkennen vermag (vgl. Lacan 1996, S. 140f.). Dabei kann auch eine Zündholschachtel für sich allein, »in ihrem kohärenten Sein« eine Art Ding sein (ebd., S. 141). Das Beispiel, das Lacan hier anführt, ist die Sammlung des Freundes Jacques Prévert, in der die stets gleichen Zündholzschachteln, ineinander verschachtelt und gereiht, als ein Band Kamin, Tür und Wand entlanglaufen: »es war unendlich befriedigend von einem ornamentalen Gesichtspunkt aus« (ebd.). Fungiert die Zündholzschachtel in der Sammlung als Beispiel für die Erhebung eines Objekts »zu einer Würde, die [es] vorher nicht hatte« (ebd., S. 146), so wird damit m.E. die Frage gesellschaft licher Wertschätzung verschoben, insofern sich die Sublimierung von kulturell ausgezeichneten Objekten entfernt und ganz alltägliche Dinge zu befallen vermag. Was das eingesetzte Objekt jedoch nicht beliebig macht; die Zündholschachtel kann nach Lacan »als eine landläufige Form« der Schublade gelten und diese hier freigesetzte Schublade zeigt sich durch die vorgefundene Komposition spürbar mit »kopulatorischer Kraft« ausgestattet (ebd., S. 142). Es ließe sich sagen: Der in diesem Arrangement von den Schach24 | Lacan unterscheidet auch verschiedene Sublimierungsformen – z.B. wird von der für die Kunst kennzeichnenden Organisationsweise die bestimmende Leere umkreist (vgl. Lacan 1996, S. 160; vgl. auch Ort 1998; Zupančič 1999).

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teln miteinander gepflegte Verkehr führt das, was die Sublimierung ausmacht, weg von einem besonderen gesellschaftlichen Wert des Objekts hin zur Faszination oder Anziehungskraft, die es in seiner spezifischen Anordnung wahrnehmbar macht. Wir finden mit diesem Lehrstück »eine der Formen, die unschuldigste, der Sublimierung. Vielleicht können Sie hier sehen, wie sich das abzeichnet, worin, mein Gott, die Gesellschaft sich zu befriedigen vermag« (ebd.). In diesem Prozess wird also das Objekt in ein Ding transformiert, »[d]och bemerken Sie wohl, es ist ein Ding, das darum noch nicht das Ding ist«, welches nur umrisshaft zu entwerfen ist (ebd., S. 146). Ist es durch erschaffene Objekte auch möglich, das Ding nicht zu umgehen, so ist das Objekt auf der Ebene der Sublimierung zugleich nicht losgelöst von gemeinschaftlich imaginären Bildungen. In deren »geschichtlich und gesellschaftlich spezifizierten Formen« ist gewissermaßen eine Täuschung des Subjekts »im Punkt von das Ding* selbst« eingeschrieben (ebd., S. 123). Und es sind hier die Täuschungen, die die Sublimierung mit einer gewissen Entspannung oder einem gewissen Glück verbinden. Sozial akzeptierte Sublimierungen ›führen‹ die Triebe »to certain fields where they can ›relax‹ and ›let themselves go‹« (Zupančič 1999, S. 40) – und die Gruppe vermag durch die imaginären Formationen, welche jene (kollektiven) Sublimierungen zu produzieren tendieren, »das Feld des Dings* zu kolonisieren« (Lacan 1996, S. 123; vgl. Zupančič 1999).25

25 | In Folge der lacanschen Konzeption ergibt sich ein Spektrum, das z.B. auf eine »Glasur« des Wahren (Lacan 1996, S. 262) wie auf eine Realisation des (›reinen‹) Begehrens gehen kann (vgl. Ort 1998). Nach Bernet wird der Trieb der lacanschen Sublimierungstheorie zufolge weder »seinem gewohnten Gang« im Rahmen der symbolischen Ordnung überlassen, noch erfolgt eine »unmittelbare Konfrontation mit dem Ding (jenseits von allen Objekten)« (Bernet 1998, S. 209f.). Die Konfrontation des Triebs mit dem Ding in der Kunsterfahrung geschehe »unter der Obhut des schönen Scheins« (ebd., S. 210). Oder: Der »Glanz von Schönheit, der es umgibt, [verbirgt] immer auch das Grauen […], von dem die Inhumanität eines solchen Dings ausgeht« (Bergande 2007, S. 193). Gemäß Lacans Theorie ist Schwering folgend in der Sublimierung das »den Zugang zum Feld des Erhabenen« versperrende Schöne in seinem Glanz »porös«; das Schöne korreliere »mit seiner schrecklichen Wahrheit, und die Erfahrung des Formvollendeten impliziert das Unbedingte des formlosen Horrors, das Monströse des Dings« (Schwering 1998, S. 49f.). Die lacansche »Vereinigung« von Schönem und Schrecklichem wiederum verweist nach Baas »exakt auf die Erfahrung des Erhabenen zurück« (Baas 1995, S. 171).

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Der Idealisierung entgegen – Narzissmus und Objek t Wenn Lacan folgend der Trieb, wie gesehen, quasi im Nicht-Erreichen seines ›natürlichen Ziels‹ Befriedigung erlangen kann26 und dies ebenso die Sublimierung charakterisiert wie es die Natur des Triebs selbst enthüllt, so stößt Copjec zufolge die Sublimierung dem Trieb nicht unter besonderen Umständen zu, sondern ist dessen eigenes, eigentliches Schicksal (Copjec 2002, S. 30).27 – Obwohl das Sublimierungskonzept permanent kurz vor einem (Ein)Sturz in verwandte Konzepte der Idealisierung, Hemmung und Reaktionsbildung steht oder taumelt, wie es bei Copjec an anderer Stelle heißt, bringt Lacan es demnach zustande, so etwas wie einen unverkohlten Kern aus den Flammen der Verwirrung zu holen … (Copjec 1999, S. 6). Mit der lacanschen Formulierung einer ›würdevollen Erhebung‹ sieht Copjec jedoch potentiell auch die Gefahr einer Verschmelzung von Sublimierung und Idealisierung gegeben (vgl. Copjec 2002, S. 38). Dabei setzt sie in die angeführte Formel ein »ordinary« ein. Spricht Lacan etwa von der Erhebung eines Objekts zur Dignität des Dings [»la sublimation […] élève un objet […] à la dignité de la Chose«] (Lacan 1986, S. 133), so ist bei Copjec die Rede von »the elevation of an ordinary object to the dignity of the Thing« (Copjec 2002, S. 38).28 Die besondere Fokussierung auf die Wendung des alltäglichen, gewöhnlichen Objekts29 kann – wiewohl es um dessen ›Verwandlung‹ geht – assoziativ bereits einen Hinweis geben auf die Loslösung der Sublimierung von jeder Art der Idealisierung und sozialen Wertschätzung (Relationen, die sich bei Lacan eben facettenreich gestalten).30 26 | Vgl. auch: Der Trieb kann zu einer Befriedigung gelangen, ohne sein Ziel (im Sinne einer biologischen Funktion) zu erreichen (vgl. Lacan 1987, S. 187). 27 | Mit Bezug auf Freud entwickelt Copjec diesen Gedanken ausgehend vom Todestrieb im Hinblick auf die Zielgehemmtheit: »[W]hile the aim (Ziel) of the drive is death, the proper and positive activity of the drive is to inhibit the attainment of its aim; the drive, as such, is zielgehemnt [sic!], that is, it is inhibited as to its aim, or sublimated, ›the satisfaction of the drive through the inhibition of its aim‹ being the very definition of sublimation« (Copjec 2002, S. 30). 28 | Vgl. die Stelle, an der Lacan die Formel einführt, in der englischen Übersetzung des Ethik-Seminars: »[I]t raises an object […] to the dignity of the Thing« (Lacan 1992, S. 112). 29 | An anderer Stelle heißt es: »In opposing itself to the world of ordinary, exchangeable objects, the sublimated object renders visible not the ideal, but the real […]« (Copjec 1999, S. 9). Der Kontext hier: Copjec hat hier die Widerständigkeit des ästhetischen Objekts gegen dem Markt als eine Widerständigkeit gegenüber dem Über-Ich und dessen zunehmenden Idealisierungen etc. eingeführt (vgl. ebd., S. 8). Zur Frage des Über-Ich vgl.u. 30 | Vgl. zur Frage gesellschaftlicher Anerkennung z.B. Lacan 1996, S. 133; vgl. o.

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Nach Copjec geht es nicht darum, durch ein gewöhnliches Objekt etwas anderes ›Jenseitiges‹ zu erzielen oder zu repräsentieren. An Stelle eines solchen Vorgangs wird wiederum das lacansche Bild der Zündholzschachteln ins Feld geführt. Hier zeige sich, dass die Vorstellung, das alltägliche Objekt würde zur Repräsentation des Dings (oder eines noumenalen ›Jenseits‹) nicht greifen kann. In diesem Fall impliziert die »Erhebung« keine solche Repräsentationsfunktion, »but rather entails […] the substitution of an ordinary object for the Thing« (ebd.) – was die von Lacan beim Anblick des Schachtelarrangements erfahrene Befriedigung zeige. »One seeks satisfaction from an ordinary object instead of waiting vainly for the arrival of the Thing« (ebd.). Das Ding wird vorstellbar nicht als ein ›Anderswo‹ vollkommener Befriedigung, als noumenales Objekt o.ä. (dies wäre stets nur eine retrospektive Illusion); vielmehr ergibt sich eine Triebbefriedigung, die nicht immer schon verloren, sondern durch partiale Objekte erreichbar ist (vgl. Copjec 2002). Zündholzschachteln, ›Schubladen‹, Objekte in spezifischer Anordnung mit Anziehungskraft … Die Partialtriebe, in die der Trieb sich teilt, »content themselves with these small nothings, these objects that satisfy them […], objects a; they are, as it were, simulacra of the lost (maternal) object, or […] of das Ding« (ebd., S. 34). Objekt a als Simulacrum oder auch Spur des mütterlichen Dings – Copjec entwirft ein Bild, in dem der Verlust der ›Mutter‹ Löcher oder Öffnungen hinterlässt, die sich mit einem Rest an ›unsterblichen‹ Genießen füllen können, das die einer ›ursprünglichen‹ Ganzheit zugeschriebene jouissance verschiebt; »the loss of the mother[,] results in the formation of the partial drives; as she recedes into the void, par tial objects become charged delegates for her« (Restuccia 2006, S. 162f.). – Wenn das überschüssige Objekt a, das die Triebe kreisförmig umlaufen (vgl. Lacan 1987), ein Überrest des vorgeblich verlorenen ›mütterlichen‹ Dings in diesem Sinne ist, dann ist es als Rest einer Trennung auch verbunden mit dem, was im Zuge der Annahme von Subjektivität aufgegeben wird (vgl. Restuccia 2006, S. 165).31 Was dann liebend gesucht wird, was sublimierend zu gewinnen ist, läuft gewissermaßen auf ein narzisstisches, amouröses Geschehen hinaus (vgl. ebd.): Sublimierung ist für Copjec, wie sich insbesondere im Kapitel »Narcissism, approached obliquely« zeigt, wesentlich mit dem Narzissmus verbunden – allerdings weniger im Sinne eines Bildes narzisstischer Vollkommenheit o.ä. Dieser Narzissmus handelt nicht von imaginären Dynamiken oder Idealen; vielmehr ist er in die Problematik des Triebs eingetragen und »approached only via sublimation« (Copjec 2002, S. 67; vgl. S. 63 mit Bezug auf Bersani). Copjec bringt den Narzissmus mit Bersani ins Spiel, 31 | In Objekt a zeigt sich in dieser Theoretisierung auch eine Art abgetretener Teil des Subjekts, es gehört weder einfach zu diesem noch einfach zu den Objekten der Welt.

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der versucht, das Erscheinen eines ersten, sich herausbildenden ›leidenschaftlichen Ichs‹ zu denken. Dabei bezieht er sich genau auf Freuds »Zur Einführung in den Narzissmus« (1914c), allerdings gerade nicht auf die Beziehung des Ichs zu einer idealen Version seiner selbst (vgl. Bersani 1990, S. 39). Denn in dieser Version wäre der Narzissmus bereits moralisiert und selbst idealisiert (vgl. ebd., S. 39-42). Sondern Bersani rekurriert auf jene Vorstellung des primären Narzissmus als ursprüngliche Libidobesetzung des Ichs (Freud 1914c, s.o.). Dabei geht es ihm um die »neue psychische Aktion«, die laut Freud den Übergang vom Autoerotismus zum Narzissmus markiert (ebd., S. 142). Der Autoerotismus ist nicht so sehr als erstes »in sich abgeschlossenes Stadium« zu verstehen, sondern besser zu fassen als der (eher abstrakte als datierbare) Moment, in dem sich der Sexualtrieb (durch das einbrechende Rätsel) von den »nichtsexuellen Funktionen« trennt (vgl. Kap. I), sich trennt »von jedem natürlichen Objekt« und so quasi ›objektlos‹ wird (Laplanche/Pontalis 1992, S. 56; vgl. Laplanche 1988, S. 141f.).32 Der Übergang zum Narzissmus beschreibt dann einen Prozess von dieser autoerotischen Situation, in der sich desgleichen sexuelle Erregungen an dissoziierten erogenen Zonen selbst hervorbringen oder erschöpfen, hin zu einem Zustand, in dem der Umriss eines sexuell besetzten ›Ich‹ erscheint. In Freuds Narzissmus-Aufsatz heißt es: »Es ist eine notwendige Annahme, daß eine dem Ich vergleichbare Einheit nicht von Anfang an im Individuum vorhanden ist; das Ich muß entwickelt werden. Die autoerotischen Triebe sind aber uranfänglich; es muß also irgend etwas zum Autoerotismus hinzukommen, eine neue psychische Aktion, um den Narzißmus zu gestalten« (Freud 1914c, S. 142).

Für Bersani bedeutet das die Möglichkeit, dass das Ich selbst als Folge einer gewissen Entfaltung des Autoerotismus entsteht (Bersani 1990, S. 36) – und zwar durch Sublimierung: »The ›new psychical action‹ creating what Freud calls primary narcissism is the sublimation of auto-eroticism« (ebd., S. 38). Ausgehend von der Annahme, dass das Subjekt ›ursprünglich‹ in die Sexualität hinein ›zerspringt‹ bzw. dass die sexuelle Spannung, die genießend-schmerzhafte, zerschlagende Erregung nach Aufrechterhaltung, Wiederholung, Intensivierung strebt, führt gerade die Erfahrung dieser Selbst-Erschütterung zur Sublimierung (vgl. ebd., S. 36f.). Indem die Erfahrung zuallererst zerrüttender sexueller Erregung wiederholt werden soll, wird es demnach möglich, dass in einer Art selbstreflexiven Bewegung »a pleasurably shattered consciousness becomes aware of itself as the 32 | Eine »Primärbeziehung zum Objekt« wird durch den Autoerotismus also keineswegs geleugnet (Laplanche/Pontalis 1992, S. 56 mit Bezug auf Freud).

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object of its desire«; das Subjekt kann sich gewissermaßen in einer Art leidenschaftlicher Selbst-Bezugnahme als gesonderte Existenz, als Subjekt des ›zunichte machenden‹ Genießens erfahren (Bersani 1990, S. 36f.; vgl. Copjec 2002, S. 58f. Vgl. auch Laplanche 1980).33 In der Sublimierung manifestiert sich demnach eine Art Streben nach Wiederholung der genüsslich schmerzvollen Spannungen selbst, und zwar losgelöst von den Betätigungen, die diese jouissance zuerst hervorgebracht haben können (vgl. Bersani 1990, S. 37). Das Paradigma der Sublimierung ist »the project of distilling sexual excitement from all its contingent occasions«, sie ist »the dream of purely burning« (auch wenn sich sublimierte Energie später mit bestimmten Ichinteressen und -aktivitäten verbinden wird) (ebd.). – Die Lust z.B. in künstlerischen oder forschenden Aktivitäten wäre eine Art Rückwendung auf jene objektlose jouissance (vgl. ebd., S. 43). Während, wie sich hier andeutet, Bersanis Vorstellungen ein Desinteresse gegenüber Objekten involvieren (vgl. ebd.), so verabschiedet Copjec zwar die Vorstellung eines Narzissmus, in dem es darum geht, sich als ein Objekt zu lieben und einer Sublimierung, die not wendig gesellschaftlich aufgewerteter Objekte bedarf, nicht aber jedwede Relevanz eines ›sublimierten‹ Objekts (vgl. Copjec 2002, S. 57ff.).34 Es scheine nur so, als gehe es hier allein um die sexuelle Erregung, losgelöst von der jeweiligen Gelegenheit oder dem jeweiligen Objekt. Während das äußerliche Objekt bei Bersani gewissermaßen als kontingenter Anlass der jouissance (als Nicht-Objekt) daherkommt, werden bei Copjec die partialen Objekte relevant, die, indem sie in der durch den Verlust des Dings eröff neten Leere auftauchen, eine Befriedigung erreichbar oder erfahrbar machen (Copjec 2002, S. 59f.). Der Trieb, innerhalb dessen hier auch die Logik der Sublimierung zu verstehen ist,35 »does occasionally stumble on a satisfying object« (ebd., S. 62). Wie gesehen, zielt der Trieb nach Copjec nicht auf eine über das gewöhnliche Objekt hinausgehende, jenseits von ihm liegende Befriedigung. Das Objekt fungiert nicht als Mittel oder Weg zu etwas anderem als es selbst, sondern ist direkt befriedigend – indem es selbst anders ist als es selbst (vgl. Copjec 2002, S. 38). Sagt man, bei der Triebbefriedigung durch 33 | Vgl.: »It is as if a certain split occurred in consciousness, a split that paradoxically is also the first experience of self-integration« (Bersani 1990, S. 37). 34 | Copjec leitet auch eine Bedeutung der Objektbesetzung aus Freuds Narzissmusaufsatz ab und konstatiert »a clear difference between Freud, who infers narcissism from object-cathexes, and Bersani, who infers narcissism from an objectless self-shattering« (Copjec 2002, S. 61). 35 | Dabei ist mitzudenken: »The theory of the drive seems to issue forth in a series of […] near coincidences: not only of the drive with its object, but also the drive with sublimation, and the external object with the object a. It is as if the very function of the drive were this continuous opening up of small fractures between things« (Copjec 2002, S. 43).

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Sublimierung wird das Objekt gewechselt, so ist »das Kaninchen, das aus dem Zylinder geholt werden soll«, tatsächlich »bereits im Trieb«, schreibt Lacan. »Dieses Kaninchen ist kein neues Objekt, es ist der Wechsel des Objekts in sich selbst« (Lacan 1996, S. 349f.). – Der Trieb erstrebt und erlangt fortwährend Befriedigung in einem Objekt, das nicht-identisch, in sich anders, in sich befriedigend ist (vgl. Copjec 2002, S. 38f.). – Es bilden sich gleichsam sich übersteigende Objekte, die dem Trieb eine ›Surplus‹-Befriedigung verschaffen und durch die das Subjekt ›sich‹ in einem Genießen erfährt. Dabei liegt das ›Mehr‹ an Wert nicht in dem Objekt eigenen, besonders anerkannten o.ä. Eigenschaften, sondern hängt vielmehr von dessen Wahl durch den Trieb als eben ein Objekt der Befriedigung ab. Es geht um seine der Triebbefriedigung passende Position (vgl. ebd., S. 59f.). Ist z.B. die Brust jenes mehr der Milch (als äußerliches Objekt), jenes Anderseins der Milch in oder zu sich selbst, dann fügt sie als Objekt a dem äußerlichen Objekt nichts hinzu, sagt nichts mehr über es aus, »except that it satisfies the drive« (ebd., S. 60). »Thus, the self-shattering jouissance on which Bersani focuses is dependent on a ›shattered‹ object that exceeds itself and renders jouissance accessible« (ebd.). Durch die als Angelegenheit des Triebs gedachte Liebe zu dem, was im Objekt mehr ist als es selbst, wird die jouissance erlebt und dem Subjekt ermöglicht, das schwer fassbare, flüchtige ›Ich‹ (›I‹) zu erfahren (vgl. Copjec 2002). – Wird hingegen die Sublimierung wie der Narzissmus, Bersani entsprechend, als unabhängig von jeder Objektbesetzung entworfen, dann bleibt man nach Copjec auf einer Art autistischer Vorstellung sinnlich-erotischer Erregung sitzen – Dimensionen von Relationalität oder Sozialität wären preisgegeben (ebd., S. 61).36

Das Subjek t und andere Zwecks Annäherung an Copjecs Relationalitätsvorstellung in Sachen Trieb und Sublimierung wäre weiter zu fragen: Wie wird der Bezug des Sub36 | In ihrer Kritik an der ›Objektlosigkeit‹ referiert Copjec an einer Stelle auf etwas undurchsichtige Weise auch auf Laplanche (dessen Arbeit Bersanis Denken beeinflusst habe): Laplanche »noted that sublimation is associated in Freud with ›the genesis of objects‹«, schreibt Copjec (2002, S. 58). Bei Laplanche heißt es (bezogen auf Freuds Leonardo-Aufsatz): »[A]lthough sublimation is most often regarded as a transformation of some sexual activity into nonsexual activity, as a ›destined impulse,‹ we find several passages where what is in question is the genesis of objects, of myths or illusions. Thus the gods are said to have been born out of a sublimation of the genital organs, or that God and Nature [...] are sublimations of the parents [Freud]. Thus duality between impulsive sublimation and what we refer to as the symbolization of objects ›from above‹ seems less important to me than another duality [...]« (1984, S. 9f.).

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jekts zum Objekt bzw. zum Anderen hier gedacht? Aspekte von Subjekt und Sozialität im Rahmen der Trieblogik sollen also nun mein Gegenstand sein: Die Figur, die Copjec vorschlägt, ist erst einmal die eines unerwarteten, kopflosen Stolperns, eines Auf-etwas-Stoßens. Eine solche Bewegung – hebt man zunächst auf den ›Autor‹ ab – findet sich sozusagen nicht nur in der Begegnung mit der mütterlichen Brust, sondern etwa auch im künstlerischen Produktionsprozess. In einem Beispiel, das anhand eines Gespräches von Leo Steinberg mit Jasper Johns die als Gegenstand für die künstlerische Arbeit ausgewählten Objekte thematisiert, äußert Johns, dass er an diesen gerade schätzt oder liebt, »that they come that way«. Steinberg verdichtet diese Objekt-Beziehung in einer Formulierung, die Copjec als bestmögliche Beschreibung für Trieb bzw. Sublimierung dient: »it so wills what occurs that the object it finds is indistinguishable from the one it chooses« (ebd., S. 39). Sicher wird hier eine Art von ›Schöpfung‹ beschworen, doch es ist die des Triebs, ›ex nihilo‹,37 eine Erzeugung eines Objekts eben dort, wo das Ding (verstanden als eine Art ungeteiltes, vereinheitlichtes Genießen) abwesend ist. Diese ›Erschaff ung‹ ruft nicht das romantische Bild des Künstler-Schöpfers wach (ebd., S. 39). Ganz im Gegenteil, der Künstler scheint zu verschwinden. Der Trieb benennt keine subjektive Haltung (Žižek 2001, S. 415); es bleibt kein Spielraum für solche Haltungen oder für Intentionen (vgl. Cremonini 2007, S. 123). »[W]ithout any human attitude whatsoever surrounding [them]«, wie Steinberg bemerkt, stehen in Copjecs Beispiel die Objekte allein und nicht für irgendetwas anderes; sie spiegeln nicht einmal Johns’ Einstellung gegen sie wider (Copjec 2002, S. 39f.). In Copjecs Schilderung hat der intentionale Schöpfer-Autor offenbar nicht viel zur (künstlerischen) Produktion beizutragen. Aber das Verschwinden dieses ›Autors‹ meint eben nicht die Auflösung jedes ›Subjekts‹. Das ›Subjekt‹ des Triebs ist in Copjecs Formulierung »egoless« (ebd., S. 61) – es ist, so ließe sich sagen, ohne Ego, aber nicht ohne leidenschaftliches Ich (»I«), das, wie gesehen, quasi mit seiner Erschütterung und Zerrüttung ins Spiel kommt.38 37 | Vgl. dazu Lacan: »Von der Schöpfung ex nihilo« (in Lacan 1996, S. 143ff.). Vgl. auch: Im (Todes-)Trieb zeigt sich Destruktion bzw. Infragestellung und ebenso »Wille zur Schöpfung aus dem Nichts, Wille zum Wiederbeginn« (Lacan 1996, S. 257f.). – Der Todestrieb entleert quasi den Ort, um den ›Schöpfungsakt‹ möglich zu machen (vgl. Žižek 2006, S. 35). Oder auch: »The creation is […] always the creation of two things that go together: the something and the void, or, in Lacan’s terms, the object and the Thing. This is the point of Lacan’s insisting on the notion of creation ex nihilo, and of his famous example of the vase: the vase is what creates the void, the emptiness inside it. […] Creation is not something that is situated in the (given) space or that occupies a certain space, it is the very creation of the space as such […]« (Zupančič 1999, S. 37). 38 | Bei Bersani heißt es: »The narcissism pointed to in the fi rst pages of

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Schreibt Foucault von einer »Verwandtschaft des Schreibens mit dem Tod«, demzufolge dieses Schreiben heute »an das freiwillige Auslöschen« im Leben des Schriftstellers gebunden wäre und das Werk, das einst unsterblich machen sollte, nun »das Recht erhalten [habe], zu töten, seinen Autor umzubringen« (Foucault 2001, S. 1008f.), so geht es nun mit Bersani nicht einfach um eine Vernichtung des Subjekts, sondern um eine durch die Auslöschung begründete Erfahrung des Subjekts von sich: Jene überflutende oder grenzzersetzende, das ›Autorselbst‹ gleichsam ›tötende‹ Lust, jenes Genießen macht das ›Subjekt‹ nicht zunichte; vielmehr ist es eben gerade die Auslöschung, die sein Erleben als gesonderte Existenz, als »I« konstituiert (vgl. zu diesen Zusammenhängen insgesamt Copjec 2002, S. 58f.).39 Das ›Ich‹ verschwindet als Erschaffer und Ego aber nicht als ›getriebenes Subjekt‹, und das heißt letztlich auch: nicht nur die Vorstellung eines Schöpfers, sondern auch die einer restlos ›subjektlosen‹ Produktion wird verworfen. Wobei für Copjec dann, wie gesehen, weiter das beteiligte Objekt wichtig wird. Um auf das Beispiel von Jasper Johns und ›seinen‹ Objekten zurückzukommen: »The will that chooses these objects is absolutely Johns’s and yet absolutely impersonal« – die künstlerische Arbeit zeigt »a remarkable passion for and satisfaction in the plain object« (Copjec 2002, S. 40). Während Zupančič Trieb und Sublimierung gerade insofern unterscheidet, als »the drive is a ›headless‹ procedure, sublimation is not« (Zupančič 1999, S. 40), 40 findet sich bei Copjec an dieser Stelle ein eher gleitender Übergang; sie bezieht sich im Rahmen ihres Beispiels aus dem Kontext Freud’s essay on narcissism is a self-jouissance that dissolves the person and thereby, at least temporarily, erases the sacrosanct value of self hood […]« (Bersani 1990, S. 3f.). 39 | Die Auslöschungen orten sich gleichsam »in the subject’s passionate regard for itself as subject of these shatterings« und werden ›Beweis‹ von dessen Existenz. Was wiederum nicht zu verstehen ist im Sinne einer ›Essenz des Subjekts‹, das der zerstörerischen Macht des Genießens standhält, sondern das Subjekt ist für Bersani so etwas wie eine sich aus diesem Genießen ableitende ›leidenschaftliche Folgerung‹ (Copjec 2002, S. 58f.). – In der Folge wird von Copjec Bersanis annähernde Verschmelzung von Narzissmus und Sublimierung befragt (und eben die ›Objektlosigkeit‹ problematisiert) – um dann wieder bei einem »essential link between narcissism and sublimation« und dessen Effekten anzukommen (ebd., S. 58-67). »[N]arcissism is approached only via sublimation« – aber in dieser Beziehung spielen eben die Objektbesetzungen eine Rolle (ebd., S. 67). 40 | Weiter heißt es: »Sublimation is a kind of ›navigator‹ of the drives, and this is why it plays such an important role in society« (Zupančič 1999, S. 40). Dieser Aspekt wird bei Copjec eben weniger berücksichtigt.

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Kunst auf eben jenes lacansche Denkbild eines ›kopflosen Subjekts‹ des Triebs (vgl. Copjec 2002, S. 40), eines ›sujet acéphale‹: »[D]ie Erscheinung des Triebs« ist demnach »als Erscheinung eines Subjekts ohne Kopf zu begreifen« (Lacan 1987, S. 189). »Es geht um das Auftauchen eines neuen Subjekts« (ebd., S. 186) – welches, so Cremonini, »nicht einfach eine weitere Subjektivierung« ist, sondern »einen anderen Modus von Subjektivität darstellen« soll (Cremonini 2007, S. 115). Das sujet acéphale verweist auf Akephalos, in der hellenistisch-ägyptischen Volksmythologie ein kopfloser Dämon oder Gott; »manche deuteten ihn als den Geist der enthaupteten Kriminellen, aber es gibt noch andere Interpretationen: So wird die Gottheit Akephalos auch als eine Macht begriffen, die dem ganzen Kosmos übergeordnet sei« (Moebius 2006, S. 256). 41 ›Gesetzwidrige‹ oder übergeordnete Kraft, magisch und anderes mehr – in dem kopflosen Subjektivitätsmodus nach Lacan ist das Subjekt gewissermaßen selbst ergriffen oder im Trieb gefangen (vgl. Žižek 2001, S. 414f); das azephale »Wesen des reinen Triebs« lässt sich dann im Sinne eines »entsubjektivierten Subjekts« begreifen (Žižek 2004, S. 225), das, nicht im Wirkungsbereich paternaler Autoritäten, nicht in den Bewegungen des Begehrens (des Anderen) gefangen ist. – Das Feld, in dem die Relation zur sozialer Autorität bzw. zum Anderen Thema ist, wäre damit betreten. Nach Bersani ist die Sexualität, welche die Menschen, die sie zusammenbringt, in ein Genießen stürzt, »that drives them apart«, sozial dysfunktional. Eben darin kann sie als eine Art Schutz gelten »against our continuously renewed efforts to disguise and to exercise the tyranny of the self in the prestigious form of legitimate culture authority« (Bersani 1990, S. 4). Sexualität wirkt der Tyrannei des Selbst in autoritativer Gestalt gewissermaßen entgegen. Durchaus in einer Übereinstimmung vermag der Trieb nach Copjec vom Ego und darüber auch von autoritativen Ordnungen und Kontexten greif barer Gemeinschaften zu lösen. Jasper Johns’ Objekte, um noch einmal auf dieses Beispiel zurückzukommen, deuten nach Copjec eine Abwesenheit der egoistischen Befangenheit an, »which causes us to bow to external circumstances, to the wills and desires – the preferences – of others or to be moved to pity by their pains and sorrows« (Copjec 2002, S. 40). Solche Formulierungen Copjecs verweisen nicht nur auf eine gewisse Absenz des Ego, der »personality« (vgl. ebd., S. 64) o.ä., sondern auch auf eine Art Autonomie im Sinne einer Unabhängigkeit vom Anderen wie vom Über-Ich, von der die Befriedigung des (sublimierten) Triebs zeugen 41 | Der kopflose Gott hat »dionysisch-orphische[n], magische[n] und andere[n] symbolische[n] Dimensionen«, und das Wort akephalos impliziert auch »Führerlosigkeit« (Moebius 2006, S. 261f.) – was Gründe dafür gewesen sein mögen, dass Acéphale als Name einer von Bataille 1936 initiierten (und bis 1939 bestehenden) Geheimgesellschaft diente (vgl. ebd. und S. 253ff.) (mit der offenbar auch Lacan assoziiert war) …

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kann. – Wie Žižek an einer Stelle schreibt: »Die Spannung zwischen dem befriedenden Gesetz und dem exzessiven Über-Ich ist nicht unser Erfahrungshorizont schlechthin« … (Žižek 2001b, S. 170 in anderem Kontext). Die Bewegung des Triebs sorgt sich nicht um das Wohl des Subjekts und kann, wie Cremonini schreibt, »mit einem Selbstverständnis des Ichs, das aus intersubjektiv geteilten normativen Überzeugungen und symbolisch kodierten Rollenerwartungen gewoben ist«, kollidieren (Cremonini 2007, S. 124, vgl. S. 116). Das, was am Trieb zwingend ist, gilt als gleichgültig gegenüber äußerlichen Kriterien »such as the good opinion of others« (Copjec 2002, S. 40f.). Der Trieb macht sich nichts aus Verboten (vgl. Salecl 2000b, S. 49f.). Und wenn es die Vorherrschaft durch das Über-Ich ist, die uns anfällig macht »to the judgement of others« (Copjec 1999, S. 8), dann betriff t die pychoanalytische Ethik »the subject’s relation to these small pieces of being, not primarily its relation to other people or to the Other« (Copjec 2002, S. 9). In der das Wohl durchaus nicht wahrenden, nicht begründeten, unerschöpflichen Faszination für ein Objekt werden nicht Bestätigungen durch Autoritäten gesucht oder diese in Anspruch genommen. Auch geht es nicht um eine Überwindung des Gesetzes (vgl. Salecl 2000b, S. 49f.), nicht um Überschreitung; eher schon gibt sich ein solchermaßen getriebenes Tun quasi sein ›eigenes‹ Gesetz (vgl. Copjec 2002, S. 42) – bis hin zur Destruktion einer »community in the name of what is impossible in it« (ebd., S. 41). 42 Der Trieb kommt hier gewissermaßen ins Spiel mit der aus der bekräftigten Liebe zu einem Objekt, wie es – nicht-identisch – ist, gewonnenen Kraft, die ausgehend von dem, was gemäß der gesellschaftlich bestimmten Optionen unmöglich (d.h. real) ist, imstande ist, sich von äußerlichen Kriterien oder anerkannten Autoritäten abzulösen (vgl. Copjec 2002, S. 41ff.). Dabei geht es Copjec weniger um eine heroische, eher schon um eine unmenschlich wirkende Macht; auch fällt das über ein Triebobjekt ›stolpernde‹ Subjekt nicht aus jeder Vorstellung von Gemeinschaft oder Sozialität heraus43 – vielmehr kann in dem den Körper dann durchfließenden Ge-

42 | »[T]he ethics of psychoanalysis is concerned not with the other […] but rather with the subject, who metamor phoses herself at the moment of encounter with the real of an unexpected event« (Copjec 2002, S. 44. – Diese Ausführungen finden sich im Zuge einer Diskussion der Antigonefigur). 43 | Nach Cremonini entfernt sich das Trieb-Subjekt bei Lacan »aus der lebendigen Welt geteilter Bedeutungen« bzw. das Subjekt fällt »aus der Vorstellung möglicher Gemeinschaft mit anderen Subjekten« heraus. (»Mit allen Folgen und Problemen, die diese heroische, weil in einem gewissen Sinne unlebbare Vereinzelung für die Psychoanalyse als Institution […] aufwirft«) (Cremonini 2007, S. 124). – Vgl. auch Lipowatz’ Žižek-Kritik (Lipowatz 2005).

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fühl selbst der Anbruch eines Sozialen liegen (vgl. Copjec 2002, S. 213). 44 Im Zuge von Begebenheiten, die eine mögliche Ablösung und Unabhängigkeit von geltenden Instanzen und Ordnungen mit sich bringen, bleibt desgleichen ein Bezug zum Anderen gegeben – oder vielmehr zu dessen Mangel oder Nicht-Existenz. So geht es in den hier beschriebenen Bewegungen nicht so sehr um einen Anderen als konkrete Gemeinschaft anderer oder als entleerte transzendente Möglichkeitsbedingung (vgl. ebd., S. 212, S. 223); vielmehr wird in der Begegnung mit dem ›überschüssigen‹ Objekt die Abwesenheit eines transzendentalen Anderen als dessen Mangel offenbar; und es sind solche ›durchbohrenden‹, gleichgewichts-auf brechenden Begegnungen, die wiederum neue sozio-symbolische Formen und (sublimierende) Akte eröffnen. 45 –Von Belang an dieser Stelle ist weniger eine das Handeln bestimmende ›Realität‹, als ein Handeln antreibendes Reales in der Welt.

Vom Begehren zum Trieb? Die Sublimierung hat auf den kopflosen Weg der Trieberregung hin und damit implizit auch von der Dynamik und Artikulation des Begehrens fortgeführt – des Begehrens, insofern dieses gemäß lacanscher Theorie im Netz symbolischer Anerkennung verstrickt, auf den Anderen bezogen und mehr oder minder gesellschaftliches Erzeugnis ist. Sozusagen eine Bewegung vom Begehren zum Trieb, die auch eine gewisse Kritik der freudschen Ödipus-Theorie impliziert, vollzieht sich nun auch in Lacans Denken selbst (vgl. Cremonini 2007). In dessen Psychoanalyse gewinnt der Trieb-Begriff erst an Wichtigkeit, wobei das Ethik-Seminar, das die Sublimierung theoretisiert, einen wichtigen Punkt markiert. Mit Cremonini lässt sich die Entwicklung vom Ethik- (VII) zum Grundbegriffe-Seminar (XI) und schließlich zu Encore (XX) – Seminare, die auch für Copjec eine 44 | Copjec setzt sich an dieser Stelle mit Sartres Überlegungen zum Blick in Das Sein und das Nichts auseinander (vgl. dazu auch Lacan 1987). 45 | Dabei wird der tote Vater, sein nicht auszufüllender leerer Platz bzw. sein Gesetz sexueller Differenz gerade beibehalten (vgl. Copjec 2002, S. 216, S. 220ff.; Copjec 2005, S. 88). Denn hierbei geht es nach Copjec um ein Gesetz, das ebenso wenig auf seine profanen paternalen Repräsentanten (irdische Väter, Richter …) wie auf ein kulturelles Gesetz reduziert werden kann (vgl. Copjec 2002, S. 220ff.). Dieses kulturbegründende Gesetz bestimmt, wie es heißt, die Art und Weise, in der das Subjekt seine Identität und das kulturelle Gesetz, das diese festzulegen versucht, gerade in Frage stellen wird. »The law that founds culture is not a constituent part of the culture it founds and maintains an antinomic relation to the latter« (ebd., S. 222). – Auf die Frage sexueller Differenz komme ich zurück.

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wichtige Rolle spielen, – als Versuch rekonstruieren, »ein ›Jenseits des Ödipus‹ auf eine mit Freud solidarische Weise zu denken«; wobei »dem Trieb in dieser Neugestaltung des analytischen Feldes eine Schlüsselfunktion« zukommt (Cremonini 2007, S. 112). 46 In ihm kündigt sich eine »die symbolisch-imaginäre Selbstdeutung des Begehrens unterlaufende und sie zugleich begründende Ordnung« an (ebd., S. 112). Insofern er, wie es scheint, symbolischen Prozessen und Engführungen zu entgehen vermag, wird dem Trieb ein ›utopisches‹ Potential beigemessen (vgl. dazu auch kritisch: ebd., S. 115ff., S. 103). An die Stelle spezifischer imaginär-symbolisch dominierter Prozesse scheinen solche realer Prägung zu treten (vgl. ebd., S. 123). Während das Begehren bei Lacan stets das Begehren des Anderen bzw. das nach des Anderen Begehren ist, dringt mit dem Trieb ein exzessives Genießen ein. – Müht sich das Begehren mit Überlegungen wie »›Man will, dass ich dieses oder jenes tue, also tue ich es nicht‹ oder ›Man nimmt nicht an, dass ich mich in dieser Richtung orientiere, also ist das die Richtung, in die ich mich orientieren möchte, aber vielleicht werde ich in der letzten Sekunde doch nicht in der Lage sein, es zu tun‹«, folgt der – immer Befriedigung erlangende – Trieb seinem eigenen Hang (Miller 2007, S. 21). Gleichgültig eben gegenüber dem Anderen und dessen Begehren vermag er nach Žižek auch eine Haltung zu markieren, »sich selbst dem ›dunklen Fleck‹ des Rätsels des Anderen auszusetzen, ohne diesen Fleck mit einer phantasmatischen Antwort auszufüllen« (Žižek 2001, S. 399). Der Trieb konfrontiert mit dem Realen im Anderen – und doch ist mit Cremonini zu bedenken, dass der Trieb auch eine Abwehrformation darstellt, die (auf andere Weise als das Begehren) »die rätselhafte Botschaft im Anderen« vereindeutigt (Cremonini 2007, S. 125). Der ›triebhaften‹ Öffnung zum (lacanschen) Realen korrespondiert auch eine Schließung; der »beunruhigende[n] dunkle[n] Fleck im Anderen« wird phantasmatisch antwortend gefüllt (ebd.); mindestens als Da- oder Fortseiendes oder anderer Ort ist das Reale nimmer unverstellt zu haben. 47 Solches zu betonen erscheint wichtig auch deshalb, um den Trieb nicht heroisch zu überhöhen (vgl. ebd., S. 103), der sich ›wesenhaft‹ als durchaus doppelwertig zeigt. Mit der Bewegung zwischen Begehren und Trieb wird weiter auch eine historisch-kulturelle Veränderung beschrieben, die dann eher die problematischen Aspekte des Triebs fokussiert. In Read my desire (1994) greift Copjec diese lacansche Wendung im Sinne eines geschichtlichen Übergangs auf, 46 | Dabei »operiert der Trieb vor dem Seminar XI gewissermaßen undercover« (Cremonini 2007, S. 112). 47 | Nach Cremonini lassen sich »analytisch zwei Momente des Triebs unterscheiden: die Konfrontation mit dem obskuren Ding des Anderen, dem Realen im Anderen, und die phantasmatische Bearbeitung dieses Dings, seine Wendung nach innen. Letztere muss als eine minimale Abwehrbildung verstanden werden […]« (Cremonini 2007, S. 125).

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»von dessen Verlauf wir immer noch Zeuge« wären (Copjec 2004, S. 211): Demnach wird die von einem ödipalen Vater regierte Begehrensordnung tendenziell von einer neuen Ordnung abgelöst, die eben eine des Triebs ist und in der die ›ödipal-väterlichen‹ »Schutzmechanismen gegen die jouissance« nicht mehr greifen (ebd.). Jouissance wird gewissermaßen zu einer gesellschaftlich gebotenen Pflicht und (als ›private‹) fetischisiert, Teile der öffentlichen Sphäre werden ruiniert (vgl. ebd.). – Im Zeitalter des ›ödipalen Niedergangs‹, wie Žižek ausführt, ist »der paradigmatische Modus von Subjektivität nicht länger das durch symbolische Kastration ins Gesetz des Vaters eingemeindete Subjekt […], sondern das ›polymorph-perverse‹ Subjekt, das dem Genußbefehl des Über-Ich folgt« (Žižek 1999b, S. 10) – ein stupides Genießensgebot als Triebaspekt (vgl. Žižek 2001, S. 543ff.). So zeigt sich der nicht im ›väterlichen‹ Ödipalen aufgehende (Todes-) Trieb48 schließlich in seiner Doppeltheit: Ist mit ihm einerseits die Stupidität jenes »Über-Ich-Befehl[s], zu genießen,« verbunden, »der in zunehmenden Maße das perverse Universum unserer spätkapitalistischen Erfahrung beherrscht und reguliert«, so scheint er eben auch über eine unterbrechende Dimension zu verfügen (ebd., S. 546): Etwa gemäß des Mottos, nach dem man den ›getriebenen‹ Genießenszwang wiederum nur mittels des Triebs entkräften kann (vgl. dazu ebd.). – Und dies gilt gewissermaßen auch umgekehrt; das Scheitern des ›störenden‹ Triebs zeigt eben die Macht des Über-Ich an: »Failure of drive to disrupt superegoic cultural demands indexes their excessive power […]« (MacCannell 1997, S. 64). Der Trieb scheint über kulturell durchkreuzende Dimensionen zu verfügen, welche sich zugleich als gefährdet zeigen. Wenn Copjec, so MacCanell, in Read my desire davon spricht, dass der Trieb seine topologische Position verlagert hat, »and has now been made manifestly audible and visible in today’s climate of a ›duty‹ to enjoy« (ebd., S. 63), dann kann der Trieb, in seiner zeitgenössischen Inszenierung, »thus be in the process of losing its edge as ›the only other of culture‹« (ebd.). Copjecs Texte schreiben sich gewissermaßen an verschiedenen Stellen in die fortlaufenden Bewegungen zwischen den Verschließungen und den unterbrechenden Potentialen des Triebes ein, welche wechselweise eine geradezu konträre Relation zum Über-Ich involvieren: In Read my desire eben auch auf Seiten einer Genießens-Pflicht eingeführt, ist der Trieb in Imagine there’s no woman durch die (entsprechend historisch wichtig werdende) Sublimierung wiederum auch mit einer von der Logik des Über-Ich unterschiedenen Ethik verbunden (seine ›perversen‹ Dimensionen – wie auch das Begehren – scheinen eher eine untergeordnete Rolle zu spielen – wenn auch von der generellen Perversität des Triebs nach Freud die Rede ist). 49 48 | … In gewisser Weise sind für Lacan alle Triebe Todestriebe, »weil jeder Trieb exzessiv, repetitiv und letztendlich zerstörerisch ist« (Evans 2002, S. 314). 49 | Vgl. zu letzterem Copjec 2002, S. 208. – Zu den Differenzen von Su-

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Demnach zu unterscheiden wären das ›Getriebensein‹ durch das Über-Ich einerseits und das Getriebensein durch eine durch die Liebe zu einem Objekt gewährte Befriedigung andererseits, »which provides the pressure or tension necessary to act« (vgl. Copjec 2002, S. 46). Der Trieb richtet sich in dieser Lesart eben nicht am Über-Ich oder an externalen Autoritäten aus; sowohl solchen äußerlichen Instanzen als auch dem ›inneren Ankläger‹ wäre vielmehr zu misstrauen.

Zur Logik des Über-Ich Der mit diesen Überlegungen angefochtenen Logik des Über-Ich als Form der Sozialität oder Ethik – oder als »superegoic underside of ethics« (Copjec 2002, S. 9) – ist noch etwas weiter nachzugehen. Denn sie ist es genau, die eine potentielle Ausrichtung an den Urteilen der anderen, eine Preisgabe an die Launen öffentlicher Meinung involviert bzw. eine phantasmatisch-verschleierende Beziehung zum Anderen bzw. dessen Nicht-Existenz unterhält: »The superego attempts to mask the loss of the Other by posing as witness or reminder of that absolute satisfaction which can no longer be ours« (ebd., S. 46f.). Copjec hat die Über-Ich-Logik, die sich auch in Gleichheitspostulaten manifestieren kann,50 insofern im Visier, als sie die Subjekte im Zustand einer idealisierten Unzufriedenheit hält.51 Man bleibt quasi an einem unerreichbaren Ideal hängen, das sich von der Sehnsucht nach etwas ableitet, was man niemals besessen hat (vgl. ebd., S. 46). – »The superego […] maintains a rigorous division between that satisfaction available to us and the one that lies beyond« (ebd., S. 47). Es scheint, als wäre das Über-Ich, von Freud in uneindeutigen Beziehung zum Genießen bzw. Gesetz konzipiert,52 zum Kontrahenten einer blimierung und Perversion vgl. auch den 2. Teil von Imagine there’s no woman (Copjec 2002). – Wenn Copjec ganz am Ende des Buches die perverse Struktur mit der Clinton-Aff äre in Zusammenhang bringt, in der »[a] prosecutor who would carry out his officially mandated duty by hunting down and publishing, for the legal record, volumes and volumes of it, every evidence of the sexual weaknesses of the law’s own flesh, and who would force the law to confess its jouissance in the most intimate detail, in front of a camera« (Copjec 2002, S. 230f.), dann ist darin auch eine Art Gegenwartsdiagnose impliziert. 50 | Die Regel: Jeder muss das gleiche sein und haben, wäre demnach eine Anordnung des Über-Ich (vgl. Copjec 2002, S. 167). 51 | »One often hears it said that the superego is an internalization of the laws and ideals of the culture or community; this simplification misses the fact that the laws and ideals of the community are themselves fabricated only on the basis of an idealization of dissatisfaction« (Copjec 2002, S. 46). 52 | Nach Lipowatz wird für Freud (im Unterschied zu Lacan) im Über-Ich

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Reihe einschlägiger, auf Lacan Bezug nehmender Publikationen avanciert. »Das Über-Ich ist gleichzeitig das Gesetz und seine Zerstörung«.53 Neben das ›klassische‹ Über-Ich als internalisierte Autorität bzw. als Garant des moralischen Gesetzes des Verbots (oder auch an dessen Stelle) tritt das Über-Ich als Gestalt, die einen »mit dem Reiz eines Ideals des Genießens verführt« (Nasio 1999, S. 111) oder geradezu obszön und grausam seine tyrannische Moral aufdrängt (vgl. dazu Evans 2002, S. 316).54 – Verbunden mit Schuld, scheint es (wiederum auch als Diagnose eines gesellschaftlichen Wandels) zwischen neurotischer und ›perverser‹ Struktur, zwischen Verbot und Genießens-Befehl zu changieren. Doch diese beiden haben auch etwas gemein: Ist es in einer »society of enjoyment«, wie McGowan sie etwa für die (us-)amerikanische Gegenwart ent wirft, allem Anschein nach kaum mehr nötig, unbefriedigt zu sein, so stellt sich bei näherem Hinsehen bald heraus, dass diese Gesellschaft nicht hält, was sie verspricht (McGowan 2004). Wie schon in der durch sie abgelösten Gesellschaft des Verbots kommt in ihr das Bild eines vollkommenen Genießens zum Einsatz. Stand diese Vorstellung – ein unmögliches Ideal – vormals für das, was zu opfern war, so muss es nun verfolgt werden (vgl. ebd., S. 194); dabei bleibt das Genießen dem Subjekt weiterhin (und vielleicht: erst recht)55 vorenthalten. »[T]hough the social order today demands enjoyment instead of a sacrifice of enjoyment, this in no way allows subjects within the social order to enjoy themselves […]« (ebd., S. 37). Gerade in Zeiten des globalen Kapitalismus wird demnach Pflicht zu einer Pflicht zum Genießen, »which is precisely the commandment of the superego« (ebd., S. 34)56 – zugleich zieht »die Zweideutigkeit des Verhältnisses des Gesetzes zum Genießen […] intern wirksam« (Lipowatz 2005, S. 66). 53 | Lacan 1990, S. 134 in anderem Kontext. 54 | Das Über-Ich gilt Copjec auch als »die sadistische Quelle unseres moralischen Gesetzes«; und die moralische Ordnung wird errichtet, um einen Abstand zu den obszönen Anreizungen des Über-Ichs zum grenzenlosen und aggressiven Genießen zu gewinnen (2004, S. 113). 55 | »Der direkte Befehl ›Genieße!‹ ist ein wesentlich effektiveres Mittel, um den Zugang des Subjekts zum Genießen zu versperren, als das explizite Verbot, das den Raum für seine Überschreitung aufrechterhält« (Žižek 1999, S. 195). 56 | »The superego and its command to enjoy have burdened the subject throughout history, but global capitalism allows the logic of the superego to gain predominance« (McGowan 2004, S. 34). – Vgl. dazu das Konzept der ›repressiven Entsublimierung‹: In Differenz zu einer gesellschaftlich repressiv geprägten Sublimierung hat Marcuse für die ›(hoch)entwickelte Industriegesellschaft‹ Formen ›repressiver Entsublimierung‹ diagnostiziert. Die »Liberalisierung der Sexualmoral« bedeutet in diesem Kontext »keine wirkliche Veränderung der repressiven Triebstruktur«;

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diese Transformation eben keine wirkliche Veränderung in der Beziehung zwischen Gesellschaft und Genuss nach sich (ebd., S. 37). Entsprechend geht es bei McGowan nicht – wie nicht selten vorgeschlagen – darum, neue Wege zu finden, das Genießen einzuschränken, als vielmehr darum, dieses zu ermöglichen (vgl. ebd., S. 8). Wofür das Aufkommen der ›Genuss-Gesellschaft‹ schließlich doch auch, so McGowans versöhnlicher Schluss, ein »window of opportunity« schaff t: »[W]e might obey the command to enjoy in a way that frees us from its superegoic compulsion and opens enjoyment as such. We can only do so if we reject the image of completion – and of complete enjoyment – that this command proffers« (ebd., S. 196).57 Die erscheinende sogenannte Society of Enjoyment vollzieht, wenn sie das Genießen ge- statt verbietet, also keinen grundlegenden Wandel – eher schon lässt sich sagen, dass in einer Situation, in der die Einzelnen quasi zum Genießen aufgefordert sind, neue Regulationen und Verbote um sich greifen. – Copjec nun, die in anderem Kontext festhält: »[w]hat we find most difficult is hanging onto and enjoying the pleasure we have« (Copjec 2002, S. 174), will gewissermaßen auch die Vorstellung eines vollkommenen zugunsten eines erfahrbaren partialen Genießens verabschieden. Und wenn sie projektiert, »that a love life, a life directed toward satisfaction, is thinkable once we emancipate ourselves from the notion that we can only fi nd das Ding in a transcendent beyond« (Restuccia 2006, S. 174), dann ist weiter mit Restuccia zugleich nach der Wahl ihrer Beivielmehr hätte »die Gesellschaft die Gefahrenzone der Triebe in Verwaltung genommen« (dem gegenüber steht eine nicht repressive Sublimierungsform) (Marcuse 2002, S. 143ff.). 57 | »As long as we pursue and defend an image of total enjoyment, we remain within the domain of the superego. Accepting the partiality of enjoyment is the path to freedom that the contemporary world offers us« (McGowan 2004, S. 196). – Eine Form des ›Genießens‹ entgegen einer Über-Ich-Logik allererst ermöglichen – ein solches Vorhaben verbindet diese Studie etwa mit der ganz anders gelagerten Arbeit Robert Pfallers, um ein weiteres Beispiel anzuführen. Dessen Anliegen in Die Illusionen der anderen ist die (Wieder-)Einführung einer als solche erfahrbaren sexuellen Lust – was in den von ihm als asketisch charakterisierten westlichen Gesellschaften mit z.T. »befremdlichen Passionen« wie Schönheitschirurgie oder Ordnungsfanatismus (vgl. Pfaller 2002, S. 223) gerade nicht der Fall zu sein scheint. Den auf Narzissmus, Selbstachtung, Idealisierung, Über-Ich o.ä. beruhenden Unternehmen von Moderne und Postmoderne wird von Pfaller ein ›Feiern des Triebs‹ entgegengestellt – eines Triebs, der einen ›packt‹, Subjektivität außer Kraft setzen kann und einen zum Objekt macht (ebd., S. 300f.). – Insbesondere der Begriff der Perversion wird von Pfaller hingegen anders gefasst (aber z.B. auch der Begriff der jouissance) (vgl. Pfaller 2002).

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spiele zu fragen: Copjec konzentriert sich auf das einzelne (sublimiert-) liebende Subjekt und es sind (mit Figuren wie Antigone) familiale Beziehungen oder, wie ich ergänzen möchte, (künstlerische) Beziehungen zu unbelebten Objekten im Spiel – unerwiderte Leidenschaften: Das Paar wird gerade nicht paradigmatisch, die Beziehung zweier … liebender Subjekte bleibt eher ausgespart, das Geschlechtsverhältnis unmöglich (vgl. insgesamt ebd., S. 174, S. 176). Zugleich ist sexuelle Differenz prominent im Spiel: Die dem Über-Ich entsprechende Forderung einer reinen Befriedigung oder eines absoluten Ziels (vgl. Copjec 2002, S. 46f.) wird nicht nur den jeder Idealisierung entledigten Dynamiken von Trieb/Sublimierung entgegengestellt. Darüber hinaus ist ein solches Postulat im Sinne der lacanschen Sexuierungsformeln ›männlich‹ konnotiert. Demgemäß wird eine äußerliche Grenze zur Welt (voraus-)gesetzt, die alle Bemühungen oder Befriedigungen entleert und einen dazu veranlasst, erfolglos einem unerreichbaren Ziel entgegenzustreben (vgl. ebd., S. 47). Wird also eine Grenze auferlegt, »die alles, was wir tun und was wir sagen, nichtig erscheinen lässt im Vergleich zu dem, was wir nicht können«, dann ist es diese Logik der Grenze, die, so Copjec in Read my desire, nicht nur das Über-Ich, sondern auch das ›männliche Subjekt‹ definiert (Copjec 2004, S. 266). Oder, wie es in Imagine there’s no woman heißt: »Part of the reason the relation between femininity and ethics was obscured previously in psychoanalysis is that the superego was often mistaken for a measure of morality« (Copjec 2002, S. 8).

Sexuierung, nicht-alle Freuds Annahme, dass sich Frauen durch einen Über-Ich-Mangel auszeichnen (vgl. dazu etwa Freud 1925j), wird von Copjec aufgenommen und gewendet. Ist bei Freud desgleichen von einer geringeren Sublimierungsfähigkeit von Frauen die Rede (z.B. Freud 1933a, S. 144; kritisch: Nagl-Docekal 2001, S. 77f.) – »Freud frequently and consistently pointed out that women are less capable of sublimation than men« (Doane 2003, S. 128) –, so untergräbt Copjecs Zugang jede Vorstellung von Sublimierung als einer spezifisch ›männlichen‹ Angelegenheit.58 Ihr Sublimierungskonzept er58 | Nach Fink ist der Weg der Sublimierung kennzeichnend für die durch die ›weibliche‹ Struktur Charakterisierten (vgl. Fink 2006, S. 153) – was nicht heißt, dass die Triebsublimierung »bei jemandem mit männlicher Struktur niemals vorkommt«. Fink unterscheidet hier verschiedene Formen der Sublimierung (ebd., S. 247, Fn 174). Es ist auch von ›männlicher‹ und ›weiblicher Sublimierung‹ die Rede (ebd., S. 248, Fn 191). – Zur Position des Weiblichen/ Sublimierung vgl. Bergande 2007.

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scheint im Gegenteil auf eine ›weibliche‹ Ethik ausgerichtet, insofern diese von jener Über-Ich-Ökonomie differiert. Was die Frau zunächst als defizitär zu bestimmen scheint, wird bei Copjec in der Bewertung quasi umgekehrt: »[D]as Feld des Ethischen [ist] zu lange entsprechend [der] partikulären Über-Ich-Logik der Ausnahme oder Grenze theoretisch gedacht worden […].« Es sei nun »eine der Frau eigene Ethik« zu ent wickeln, es sei ein Anfang zu machen »mit einer anderen Logik des Über-Ichs« [Another logic of the superego must commence] (Copjec 2004, S. 267; 1994, S. 236). Wird mit diesen Formulierungen Read my desire (1994) beschlossen, so liest sich Imagine there’s no woman (2002) auch als Umsetzung dieses Programms, in Form von »Ethics and Sublimation«, wie der Untertitel heißt – d.h. nun einer anderen Logik als der des Über-Ich: »The lack of a superegoic structure becomes the key to understanding feminine being« (Copjec 2002, S. 127) – und die Wendung zur Sublimierung soll den Weg für eine an das (lacansche) nicht-alle geknüpfte Ethik bereiten (vgl. Copjec 2002, vgl.u.). Copjec folgend wird die Sublimierung also einer ›weiblichen‹ Ethik angenähert und im Unterschied zur Idealisierung oder auch zur Logik des Sublimen gedacht. »Whereas in the logic of the sublime, the subject is able to sur pass or exceed herself by finding herself lacking in relation to an exceptional force or measure […], feminine being […] goes beyond itself without relating itself to any such measure […]« (ebd. S. 126f.). Weiblicherseits von Belang ist gerade nicht ein überragender Maßstab o.ä., demgegenüber man stets unterlegen oder mangelhaft bleibt. Bevor ich der ›weiblichen‹ Seite weiter nachgehe, sei folgende Bemerkung vorausgeschickt: Wenn Copjec nun Lacan’s Sexuierungsformeln oder Weiblichkeitskonzepte wieder aufnimmt, dann nicht, um den dort gesteckten Rahmen zu überschreiten (vgl. Kadi 2006, S. 144). »In ihrem Text nach neuen Einsichten für die Befreiung von Frauen zu suchen, heißt auch den Text zu überfordern so, als müsse ein schottisches Kochbuch Eisenbahnverbindungen zwischen Glasgow und den Hebriden beinhalten«, wie es bei Kadi heißt (2006, S. 144). – Zunächst ist hinsichtlich des lacanschen Sexuierungsschemas, das Copjec vor allem in Read my desire ausführlich entwickelt hat, zu sagen, dass das »Sortierprinzip […] nicht länger deskriptiv« funktioniert, »das heißt, es geht nicht um geteilte Eigenschaften oder eine gemeinsame Substanz« (Copjec 2004, S. 246). Die Unterscheidung ›Mann‹/›Frau‹ referiert hier nicht einfach auf biologische oder anatomische Zuordnungen o.ä. ›Sexuelle Differenz‹ in diesem Sinne geht insgesamt nicht auf in Diskursen von sex oder gender; sie umkreist vielmehr eine im lacanschen Sinne reale Dimension. »In fact, the Lacanian real can be understood precisely as the traumatic cause on account of which any attempt to reduce sexual difference to biology, phenomenology, or cultural construction is doomed to fail« (Barnard 2002, S. 4). Copjec denkt das Reale auch als »internal limit of the symbolic« (Cop-

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jec 2002, S. 96; vgl. o.) und das Geschlecht (sex) von der Domäne der Triebe her, »die – der Tatsache zum Trotz, dass sie außerhalb der Kultur keine Existenz haben – nicht kulturell sind« (Copjec 2004, S. 241). Geschlecht in diesem Sinne kommt eben dort zum Zuge, wo diskursive oder symbolisierende Praktiken misslingen (vgl. ebd., S. 236), es handelt sich um das, was im Sprechen nicht aussagbar ist. Die sexuelle Differenz ist »keine positive Beschreibung des Subjekts« (ebd., S. 244, vgl. S. 243).59 Sie ist, wie Žižek schreibt, »nicht die Opposition, welche jedem der zwei Geschlechter seine positive Identität zuweist, die in Gegensatz zum anderen Geschlecht definiert wird (so daß die Frau ist, was der Mann nicht ist und umgekehrt), sondern ein gemeinsamer Verlust, aufgrund dessen die Frau niemals zur Gänze eine Frau und ein Mann niemals völlig ein Mann ist: ›männliche‹ und ›weibliche‹ Positionen sind bloß zwei Arten, um mit diesem inneren Hindernis/Verlust zurande zu kommen« (Žižek 1999b, S. 43).

Hier geht es gerade um ein Scheitern des Symbolischen, der Sprache und dieses Scheitern kann sich – das eben läuft auf zwei Formeln der Sexuierung hinaus – nicht nur auf eine Weise vollziehen: Ob man in die ›männliche‹ oder ›weibliche‹ Klasse fällt, hängt dann von der eingenommenen »Position im Aussagevorgang« ab (vgl. Copjec 2004, S. 246, vgl. S. 244f.). – »Was immer es sei vom sprechenden Sein, es schreibt sich ein auf der einen Seite oder auf der anderen« (Lacan 1991b, S. 86). Die eingenommene Position ist wiederum nicht abhängig von der (anatomischen, genetischen …) Art des Körpers – auf dieser Ebene als ›männlich‹ oder ›weiblich‹ bestimmte Menschen können jeweils die eine oder die andere Position einnehmen (»this flexibility is most clear, however, with regard to men«) (Hollywood 2002, S. 154): »Jedem sprechenden Sein, wie es sich ausdrücklich formuliert in der Freudschen Theorie, ist es erlaubt, was immer es sei, es sei oder sei nicht ausgestattet mit den Attributen der Männlichkeit – Attribute, die zu bestimmen bleiben – sich einzuschreiben in diesen Teil [den ›Frau‹-Teil, I.H.]« (Lacan 1991b, S. 86f.). Wiewohl sich also zeigt, dass jeder frei ist »sich auf der einen oder der anderen Seite einzuordnen«, ist diese Freiheit nicht gleichbedeutend mit Indifferenz: denn, so Soler, »der Signifi kant ist an die Anatomie gebunden […]. Wenn es also eine Wahl gibt, so ist es zumindest eine nachdrücklich empfohlene Wahl« (Soler 2006, S. 36f.).60 59 | Das Geschlecht ist für Copjec »eine Größe, mit der kein Prädikat verbunden werden kann« (Copjec 2004, S. 239). 60 | Soler geht so weit, dies auf die Gattungsreproduktion zu beziehen, wenn es weiter heißt: »Anders ist es nicht zu verstehen, dass sich immerhin zwei Hälften ergeben, die sich grosso modo im Geschlechtsverhältnis so er-

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So entsteht in der Lacan-Rezeption, auf der Basis einer Abgrenzung, dennoch eine Unschärfe im Verhältnis zu sex (im Sinne biologischer Körperorgane, Reproduktionsfunktion etc.) wie auch zu gender. Liest Bergande die Sexuierungsformeln gar »als die Notation einer psychosozialen Strukturierung im Sinne von Gender« (Bergande 2007, S. 156),61 so betont Lummerding mit Copjec sexuelle Differenz als eine reale und kritisiert für Read my desire das Fehlen von gender als unterschiedene (symbolische) Dimension (insofern daraus eben eine Uneindeutigkeit des Konzepts resultiert). Lummerding plädiert folglich für eine unmissverständliche Bezeichnung ›sexueller‹ als realer Differenz etc. (vgl. Lummerding 2005, S. 146f.).62 Es lässt sich fragen, ob die Unschärfen auf diese Weise zu beseitigen sind, sich etwa die reale Dimension ›reinhalten‹ lässt – schon aufgrund der paradoxen Bezeichnungssituation des Realen. Vielleicht sind die sich ergebenden Uneindeutigkeiten, was Begriffe wie männlich und weiblich jeweils bezeichnen, auch als ein Hinweis darauf lesbar, dass die Sexuierung eben nicht anders als ›unscharf‹ und die reale Differenz immer auch verschließend zu denken ist. Zumindest funktioniert Imagine there’s no woman gelegentlich nicht ohne jenes Schillern sexueller Differenz, die Unklarheit, in der ein von der Sublimierung eher ›abgezogenes‹ Changieren gleichsam wiederkehrt, lässt sich nicht einfach ›abziehen‹.63 gänzen, dass die Reproduktion der Gattung weiter voranschreitet« (Soler 2006, S. 37). 61 | Bergande hat in seinen Kapiteln über Sexuierung auch viel Material aus Lacans unveröffentlichten Seminaren herangezogen. 62 | Zu hinterfragen wäre m.E. auch der potentiell implizite ›Exklusivitätsanspruch‹ der sexuellen auf die reale Differenz (vgl. zur Unterscheidung sexueller Differenz von anderen Differenzen wie »rassische, Klassen- oder ethnische Differenzen«: Copjec 2004, S. 239f.; vgl. auch Seshadri-Crooks 2000). 63 | So wird von Copjec zwar betont, dass natürlich nicht jede Frau – auch im Unterschied zum Mann – ethisch handelt o.ä.: »Es gibt Männer, die so gut sind wie die Frauen. Das kommt vor« (Lacan 1991b, S. 83; vgl. Copjec 2002, S. 7). – Zugleich arbeiten Passagen mit einem entsprechenden Changieren. Dieses entsteht z.B. in der vorgestellten Ableitung der Sexuierungsformeln von Freuds Ausführungen zu den Kastrationsszenarien beim Mädchen und beim Knaben (vgl. Copjec 2002, S. 115f.) oder dann, wenn diese Formeln für die Interpretation der Trennung des Jungen oder des Mädchens von der Mutter herangezogen werden: Die Trennung wäre »more easily figurable in [the boy’s] case, since for him separation is simultaneous with an installation of the mother on the other side of a limit, in a paradisiacal beyond. Or: separation is achieved through an idealization that puts the mother out of reach, on a pedestal. A barrier separates the boy and his mother, and the ideal space she thus comes to occupy is the very one in which the superego will form« (Copjec 2002, S. 101).

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Das heikle – durchaus problematische – Spiel (mit) der Differenz im Hinterkopf steht nun die Betrachtung der ›weiblichen‹ Seite der Sexuierung v.a. in Differenz zur ›männlichen‹ Über-Ich-Logik an.64 Diese Seite operiert nach Copjec eben nicht mit der Vorstellung eines ›jenseitigen‹ Ideals, sondern ihre Welt scheint ohne idealen Halt, d.h. in gewisser Weise ›haltlos‹ zu sein. Ohne auf die Ableitungen näher eingehen zu wollen (vgl. Lacan 1991b; Copjec 2004), bleibt für meinen Zusammenhang festzuhalten, dass sich die beiden Seiten der Sexuierung verbinden lassen mit differenten Relationen zum Anderen, zur Kastration (im Sinne einer strukturellen Unvollständigkeit), zum Genießen. Auf ›männlicher‹ Seite wäre die Kastration verbunden mit der väterlichen Untersagung, mit einem verbotenen oder unerreichbaren ›Jenseits‹ als ein aus der sozialen Ordnung Ausgeschlossenes: »one thing« ist aufzugeben (Copjec 2002, S. 116). – Die Einrichtung eines ›Außerhalb‹, einer Ausnahme aber er möglicht allererst eine Universalisierung, ein ›Alle‹. Um diesen Konnex zu skizzieren: »Das Alle beruht […] hier auf der Ausnahme« (Lacan 1991b, S. 86); und es ist die Ausnahme, durch die das Universale in seiner Differenz zur empirischen Allgemeinheit konstituiert wird (Žižek 1994, S. 135).65 Diese Struktur, in der sich die Gruppe durch eben das definiert, was sie nicht ist, lässt sich mit dem Urvatermythos darlegen (vgl. Kap. I): Männer sind universal, weil sie allesamt nicht der Urvater werden können (dessen Position verboten ist) (vgl. Sedinger 2002, S. 59). Etwas wird abgezogen – die Ausnahme ist quasi etwas, »which has to be subtracted from an indefinite set in order for this set to become a set« (Zupančič 2000, S. 283f.). Die Subtraktion richtet eine feste Grenze ein, die die Schließung bestimmt; das »Universum der Männer«, das also möglich ist unter der Bedingung, dass etwas von ihm ausgenommen wird, ist, so Copjec, »ein durch ein Verbot – schließ nicht

– Solche Formulierungen folgen nicht unbedingt einer lacanschen Theorie, die hier weniger zwischen effektiven knaben- oder mädchenhaften Formen jener Trennung unterscheidet (vgl. Restuccia 2006, S. 166f.). Nach Restuccia stellt sich dann doch die Frage: »[W]ouldn’t such a sense of the boy’s distinct separation from the mother, which puts her on a pedestal, rule out the possibility of biological men enjoying sublimation love?« (Ebd., S. 167) 64 | Fink schreibt: »Lacans neue Metapher für die Geschlechterdifferenz konstituiert ein neues Symptom: eine neue symptomatische Weise, die Geschlechterdifferenz zu betrachten, die weder symptomatischer noch weniger symptomatisch ist als die anderen Betrachtungsweisen zuvor. Ein Symptom ermöglicht es einem immer, bestimmte Dinge zu sehen und hält einen davon ab, andere Dinge zu sehen« (Fink 2006, S. 165). 65 | – Oder auch: die, die sich auf der ›männlichen‹ Seite der Formel finden, sind »gleich in Bezug auf ein Element, das anders ist« (Rentdorff 2000, S. 105f.).

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jedes Ding in dein Alle(s) ein! – gebildeter Schein« (Copjec 2004, S. 265, vgl. S. 261). Hingegen zeugt nach Copjec der ›Vorrang‹ der Kastration im ›weiblichen‹ Szenario66 von einer gewissen Unmöglichkeit oder Unausweichlichkeit (vgl. Copjec 2002, S. 116). Die Frau ist »nicht empfänglich […] für die Drohung der Kastration«; das »Nein« verfängt hier nicht; oder genauer: die Frau ist bezogen auf das »Nichtverfangen der Negation« die Konsequenz, sie ist »das Scheitern der Grenze« (Copjec 2004, S. 257). Die Frau hat in dieser Logik keine äußerliche Grenze, kein Außen und wird durch die Negation jedes transzendenten ›Jenseits‹ konstituiert (Copjec 2002, S. 101). »The fact that prohibition does not figure in her castration means not that everything can be included in it, but that nothing can be excluded from it«. Und: »[N]o all can form where inclusion knows no limit« (ebd., S. 116). Es gibt kein Außerhalb, von dem aus ein ›Alle‹ möglich wäre, weshalb die Frau gemäß Lacans berühmter For mulierung »nicht-alle« ist (vgl. Lacan 1991b). Ein »Universum der Frauen« (Copjec 2004, S. 265) wird so unmöglich wie ein Existenzurteil; alles wird über die Frau gesagt, ohne je auf eine »Bestätigung oder Bestreitung ihrer Existenz« hinauszulaufen; und gerade weil sie ohne Grenze ins Symbolische eingeschrieben ist, »ist sie in gewissem Sinne völlig außerhalb davon, womit gemeint ist, dass die Frage ihrer Existenz innerhalb des Symbolischen absolut unentscheidbar ist« (ebd., S. 257f.). – Oder anders formuliert: Das Symbolische funktioniert hier auf eine nicht gewohnte, nicht mit dem (lacanschen) Anderen synonyme Weise; verbürgt dieser Andere Konsistenz, so ist das die Frau konstruierende Symbolische inkonsistent (vgl. Copjec 2004, S. 258). Es ist hier also »nicht in der Gestalt des Anderen gegeben«, sondern »durch Inkonsistenzen, durch Brüche gezeichnet« und somit »nicht das Andere des Realen« (Cremonini 2007b, S. 147; vgl. Kap. IV). Die Frau ist »das Produkt eines ›Symbolischen ohne einen Anderen‹« (Copjec 2004, S. 258), hat einen Bezug zum Signifikanten von dessen Mangel. So gedacht, wäre das Symbolische also nicht automatisch mit einer Verbots-Logik verbunden.67 Die Formeln der Sexuierung (gerade die Seite ›der Frau‹) können als Hinweis auf die Möglichkeit einer anderen Weise 66 | Auf dieser Seite heißt es: Es gibt kein x, das nicht der Kastration unterworfen ist (Existenzaussage), und nach der Verneinung: Nicht alle x sind der Kastration unterworfen (Allaussage). Auf der männlichen Seite: Es gibt ein x, das nicht der Kastration unterworfen ist/Alle x sind der Kastration unterworfen. 67 | Auch wenn die sprachliche Dimension einen Unmittelbarkeitsverlust und ein Art Appellfunktion in Form einer Frage, eines Che vuoi? mit sich bringt, folgt daraus nicht schon ein Verbot (vgl. Cremonini 2007b, S. 144). (– Für Cremonini ist auch das Gesetz der Kastration auf Seiten des Verbots; es ist »das Gesetz im Sinne des Über-Ich«) (vgl. ebd.). – Die Entkopplung von Symbolischem und Verbot führt in gewisser Weise rückwirkend auch eine zu-

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dienen, »das Symbolische zu bewohnen« (Cremonini 2007b, S. 149) – eine Form, die nicht auf dem väterlichen Verbot, einem Über-Ich-Gebot oder idealen Support basiert, sondern, ›würdevoll‹ formuliert, involviert ist in die Inkonsistenz der Welt und ihre Grundlosigkeit. Dieser Zugang wiederum wird nun gewissermaßen insgesamt zum ›Seins-Modell‹. Denn es gibt keinen großen Anderen, der die Konsistenz des Symbolischen garantiert (vgl. Žižek 2002). Lacans Entwurf des nichtalle ist nach Copjec nicht nur auf die Frau bezogen (vgl. Copjec 2002, S. 5f.). »His ethics takes off from the proposal that being is not-all or there is no whole of being« (ebd., S. 7) – es ist das Reale, das »an all of being« unmöglich macht (ebd., S. 4). Und wie Lacan verficht »that universals are real« (ebd.), so ist diese Ethik universal: »[E]thics […] must be universal if it is to be worthy of its name« (ebd., S. 6; vgl. Reynaga-Abiko 2006). Universalisierung dessen, was keine Universalisierung ergibt … die weibliche ›nichtalle‹ Seite der Sexuierung gilt gewissermaßen für jedes sexuierte Wesen.68 »And yet if it is woman who is privileged in Lacan’s analysis this is because she remains closer to the truth of being, while man obfuscates this truth through a nostalgic, secondary operation that allows him to maintain a belief in the plenitude of being to come« (Copjec 2002, S. 7). ›Weiblicherseits‹ wird »[t]he impossibility of an all of being« bezeugt, die im ›männlichen‹ Szenario geleugnet oder neu gezeichnet, geformt wird durch ein Ver- (oder, ergänzungsweise, auch Ge-)bot, »that pretends to install being elsewhere, in a beyond« (ebd., S. 116). Das durch eine Ausnahme als Grenze gebildete Universum ist quasi nichts als ein Schein, und dies um den Preis eines Unbefriedigseins (vgl. o.). – Oder, wie es bei Žižek heißt: »[M]an is perhaps simply a woman who thinks that she does exist« (Žižek 1992, S. 75).

Abschluss ›Mannsein‹ beruht auf einem Schein, umgekehrt bricht das ›weibliche‹ nicht-alle sozusagen in die ›männlichen Phantasmen‹ ein. – Woman does not exist: was am Ende an dieser Aussage unerhört bleibt, wäre »its reliance on a definition of being as plural and partial, as small objects of the drive« (Copjec 2002, S. 9). Auch und gerade wenn der Trieb nicht ›natürlich‹ in

sätzliche Differenzierung in die Ausführungen von Kap. I der vorliegenden Arbeit ein. 68 | »The famous formulation of a feminine ›not-all,‹ that is, the proposal that there is no whole, no ›all‹ of woman, or that she is not One, is fundamentally an answer not just to the question of feminine being, but to being as such. It is not only feminine being, but being in general that resists being assembled into a whole« (Copjec 2002, S. 6).

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das Geschlechterverhältnis eingeschrieben ist (vgl. Miller 2007, S. 19), sind ›weibliche‹ Nicht-Existenz und Triebobjekt hier zusammengebunden. Womit dieses Kapitel wieder bei Trieb und Sublimierung angekommen, der Bogen fast geschlossen ist. Nach diesem Durchgang lässt sich das Triebschicksal der Sublimierung nun als eines lesen, das die ›weibliche‹ Seite der Sexuierung eher zeigt und weniger verstellt; hier manifestieren sich gleichsam die Inkonsistenzen im Symbolischen, aus denen Trieb oder ein mögliches Genießen überschüssiger Objekte erwachsen. Es erscheint das ›Subjekt‹ des Triebs in ›weiblicher Gestalt‹: Die Frau – »that sex ›which is not One‹« (Copjec 2002, S. 65; vgl. Kap. IV) – ist in diesem Sinne »the subject par excellence« (›I‹) (ebd., S. 67); oder auch: »das reine Triebwesen […] ist hinsichtlich der Formeln der Sexualisierung eine weibliche Figur« (Žižek 1999b, S. 96). Was hat meine Lektüre ergeben? Ansatzpunkt dieses Kapitels bildete wieder die Frage nach einem möglichen Überschuss gegenüber der Positivität des Sozialen und eben diese Frage hat mich hier, auch im Anschluss an und in Differenz zu Bourdieu, auf die Bahnen des Triebs geführt. Passagen aus Imagine there’s no woman. Ethics and Sublimation sollten sodann Aufschluss über dessen Schicksal bzw. über Triebkräfte kulturellen Handelns geben. Ausgehend von Facetten freudscher Sublimierungsüberlegungen im Verhältnis zur entstehenden Sexualität, zu Narzissmus und Idealisierung (gelesen mit Bersani und Laplanche) sowie von lacanschen Vorstellungen von der ›Natur‹ des Triebs und der ›würdevollen‹ Erhebung eines Objekts, vollzieht sich in Copjecs Aussagen in dieser Hinsicht eine vergleichsweise vereindeutigende Bewegung: Es kommt zu einer recht restlosen Loslösung der Sublimierung von jeder Art der Idealisierung und sozialen Wertschätzung, d.h. von ›autoritativ‹ besetzten Prozessen, zu denen die Sublimierung bislang ein zweiseitiges Verhältnis unterhält. Stattdessen, so ließe sich sagen, geht es u.a. um den (unmöglichen) Versuch, ein ›anfängliches‹ Triebschicksal diesseits symbolisch-imaginärer ›Verschließungen‹ zu denken; zeitbezogen wird versucht, eine Bewegung hin zum Trieb zu vollziehen, welche gewissermaßen weniger in dessen ›perversen‹ Schleifen hängen bleibt, wie häufiger für gegenwärtige westliche Gesellschaften als durchaus dominant angenommen.69 Vielmehr tritt, teils mit Bersani, ein durch das Trieb-Objekt erfahrbares, grenzüberschreitendes, das ›Autorselbst‹ gleichsam ›tötendes‹ Genießen in den Vordergrund, das ein in diesem Sinne ›narzisstisch-liebendes‹ Erleben eines ›Subjekts‹ möglich macht. Das so getriebene Subjekt agiert nicht gemäß den Interessen des Ego oder auch des Über-Ich, worin in gewisser Weise seine Freiheit 69 | Vgl. hingegen Pfallers Ausführungen zu den vorherrschenden kulturell narzisstischen Tendenzen und deren Unterscheidung von der Perversion (vgl. Pfaller 2005, 2002; vgl. Anm. 57 des vorliegenden Kapitels).

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liegt: Weniger eine Ausrichtung an anderen als vielmehr der reale Mangel des Anderen wird in der Begegnung mit dem ›überschüssigen‹ Objekt als ›Gesetz‹ offenbar. Dabei erscheint die Logik des Über-Ich – Widerpart verschiedener kulturtheoretischer Abhandlungen – hier nicht nur im Kontrast zu den Dynamiken von Trieb oder Sublimierung, sondern wäre, gelesen durch die lacanschen Sexuierungsformeln, überdies ›männlich‹ konnotiert: In diesem brisanten Spiel der Differenz wird umgekehrt der Mangel an Über-Ich-Struktur und Idealisierung zum Kennzeichen nicht nur von Sublimierung, sondern auch von einer ›weiblichen‹ Position und Ethik. Das ›die Frau‹ konstituierende Symbolische erweist sich als inkonsistent und bildet darin schließlich auch insgesamt eine Grundlage des sexuierten Subjekts als nicht-alle oder auch als partial genießendes Wesen: Die sich von der ›männlichen‹ Logik des Über-Ich unterscheidende Ethik ›weiblicher‹ Triebsublimierung entwirft so letztlich ein unpersönlich-leidenschaftliches Handeln in einem ›anderen‹ Symbolischen, das letztlich auch die Wahrheit des ›einen‹ ist. Die Inkonsistenz oder auch Nicht-Existenz des Anderen diesseits ›väterlich-verbietender‹ Antworten (die, doppelgesichtig, auch als Verstellungen lesbar werden) und die eben darin liegende Handlungsmacht – immer auch im Sinne einer Grenzerfahrung, im Sinne einer möglichen Ethik – wird zu einem Ausgangspunkt dieses Denkens. – So passt Copjecs keineswegs harmloser Ansatz in das neue Jahrtausend, was sich auch bereits an der skizzierten Anschlussfähigkeit zu anderen Theoretisierungen (etwa des Über-Ich, der Bewegung zum Trieb o.ä.) zeigt, und füllt in den ausgeführten Passagen den bereitgestellten Rahmen doch spezifisch mit ihrer Zusammenbindung von Trieb, Sublimierung, der Frau oder nicht-alle-Logik. Diese Zusammenbindung wiederum kommt äußerst kenntnisreich daher. In der Arbeit mit diesem keineswegs linear verfassten Text »the reader must pay close attention in order to follow the arguments that flow throughout the body of the work« (Reynaga-Abiko 2006). Copjecs Schreiben erfordert Aufmerksamkeit und wiederholtes Zusammen-Lesen der durchlaufenden, auch unerwartet sprudelnden Ableitungen und argumentativen Verknüpfungen. Besticht sie »weniger durch strenge Argumentation als durch ihren Assoziationsreichtum«, so resultiert, wie Kadi schreibt, »eine beeindruckende Fundgrube zeitgenössischer Theoriebildung« (Kadi 2006, S. 142) – und eine potentielle ›Überforderung‹ der Leser/innen (vgl. ebd.). Copjec funktioniert dabei als Autorin, der man Wissen unterstellt (vgl. Kap. I) und dies zeigt die Art der Übertragungswirkung an, der den (zu durchquerenden) Anfang einer Psychoanalyse kennzeichnen kann (vgl. Fink 2005), v.a. aber ›pädagogische‹ Relationen. Es geht dann um Autorität, die eine Haltung des ›Schülers‹ zum ›Lehrer‹ impliziert: Erscheint einem in einer solchen Übertragungsbeziehung etwas misslungen, fragwürdig o.ä., so ist der Lehrer »per definitionem einer, ›dem Wissen unterstellt wird‹, der Fehler liegt immer bei uns« (Žižek 1993, S. 115f.).

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Wenn sich also bei Kadi Formulierungen finden wie: »Damit beweist [Copjec], dass sie im Unterschied zu ihren Leserinnen den Faden ihrer Argumentation nicht verloren hat«, oder: »[…] selbst, wenn uns die vielen Details, auf die sie sich bezieht, bekannt wären, würden wir einen so eleganten Weg durch den Dschungel verschiedener Themen nicht finden« (Kadi 2006, S. 145), dann kann das, bei allen möglichen Zwischentönen, auf eben ein solches Autoritätsverhältnis verweisen. Reynaga-Abiko erklärt, nicht alle Nuancen völlig verstehen zu können, was der Einschätzung dieses Textes als Meisterwerk (gerade) keinen Abbruch tut. »This text requires complete engagement, and will undoubtedly lead the astute reader to finish every chapter with a sense of wonder as to how one author can possess such a deep understanding of so many fields of thought,« heißt es dort (Reynaga-Abiko 2006) und Aspekte dessen decken sich auch mit meiner Lektüreerfahrung, die eine kritische Kommentierung Copjecs beinah nicht anders als marginal möglich macht. Obwohl ihr Schreiben zweifelsohne (Ein-)Brüche zulässt, schleicht sich in der Rezeptionsrelation ein Moment der Unerreichbarkeit ein. Sowohl Copjecs – sich auf assoziativen Bahnen ›treiben lassender‹ und sich dabei zugleich souverän bewegender, durchaus scharf abgrenzender und urteilender – Stil als auch ihre Reputation scheinen in den Leseerlebnissen potentiell in Richtung einer Idealisierung zu führen, von der der Text selbst Abstand nimmt. Copjec »is not simply ›the greatest‹ American Lacanian« (dies könnte sogar jemand anders sein) – »in a much more radical sense, she is the only American Lacanian«, heißt es bei Žižek (vgl. o.), was Restuccia folgendermaßen kommentiert und ergänzt: »Although initially I was (mildly) offended by Žižek’s blurb on the cover, testifying that Copjec is the only American Lacanian (just as Mozart is the only composer), after I spent three exhilarating weeks teaching Copjec’s book, my annoyance was assuaged. One can grasp what Žižek means; it makes sense that readers would be inclined to rave about this study« (Restuccia 2006, S. 159).

So kreist meine Lektüre am Ende von verschiedenen Seiten Aspekte der ›(Ent-)Idealisierung‹ ein; und es ist nicht zuletzt das hier kurz gestreifte, potentiell reibungsvolle Zusammenspiel zwischen Aussage und Aussagen in der Lektüre oder auch die Übertragungsbeziehung, die mich in die nächsten Kapitel führt. Nach den eröff nenden theoretischen Positionen Bourdieu – Copjec soll dieses Zusammenspiel nun stärker mit in den Vordergrund treten – und der nachfolgende Einstieg in Irigarays Gefi lde erscheint für ein solches Vorhaben, gerade im Hinblick auf autoritative Umgänge in der Lektüre, geradezu prädestiniert. Denn dort werden nicht nur Geschlechterverhältnis und sexuelle Differenz, welche bei Copjec (wiewohl sie das lacansche Sexuierungsschema

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in Read my desire beispielhaft und trennscharf analysiert) hier eigenwillig und verfänglich changiert, zum Hauptgehalt, der Ausschlussmechanismen einkalkuliert. Sondern Irigaray steht in meinem nächsten Kapitel auch für den Versuch, in ihrem Schreiben ›pädagogisch-autoritativen‹ Relationen in deren männlicher Tradition (die Copjec in jedem Fall beirrt) entgegenzuarbeiten – thematisch wie per formativ –,70 wie für eine spezifische Inszenierung des Verhältnisses zu den ›philosophischen Vätern‹. Auf solcherart Spuren möchte ich mich nun also zur weiteren Erschließung begeben.

70 | Es lässt sich lesen: »[T]he strength of Irigaray scholarship lies in the fact that it can engage with Irigaray’s texts in a manner that pushes interpretation beyond the relationship of disciple to master […]« (Miller/Cimitile 2007, S. 4). Auch wäre es demnach mit Whitford wichtig »to engage with Irigaray in order to go beyond her« (Whitford 1991, S. 6).

IV. Erregendes Sprechen: Ver führerische Autorität und parler-femme (Luce Irigaray)

Irigaray ein Kapitel zu widmen, scheint ein durchaus prekäres Unterfangen. Dies betriff t zunächst die unmögliche Beherrschbarkeit ihrer Texte, welche die Lesenden unmittelbar auf Inkonsistenzen stoßen. Was Gallop bezogen auf das erste (Freud gewidmete) Drittel von Speculum schreibt, ist auch auf andere Teile von Irigarays Arbeit auszudehnen und somit festzuhalten, dass diese zuweilen ein close reading praktizieren, welches die beforschten Texte in Brocken verschiedenen Umfangs trennt, zitiert und mit allerlei Kommentaren bzw. Fragen und Assoziationen versieht – ohne je eine (Be-)Deutung zu zentralisieren. »Her commentaries are full of loose ends and unanswered questions. As a result, the reader does not so easily lose sight of the incoherency and inconsistency of the text« (Gallop 1989, S. 56). Darüber hinaus drängen sich beim Lesen schnell indiskrete Affekte auf. Befragt nach ihrem Verhältnis zu den Texten Irigarays – ist es Liebe? – antwortet Butler, begleitet von Gelächter: »No, I’m probably too frightened. […]. I think I can’t quite devote a chapter to her. …« (But ler in Cheah/Grosz 1998, S. 19f.). Die Frage nach Liebe und Aggression im Kontext Autorschaft und Handlungsmacht stellt sich bei Irigaray nicht allein auf der Ebene der Aussage, sondern wird mehr noch durch ihre Weise des Aussagens, die Beziehung zu den gelesenen Textobjekten virulent – wobei es gerade auch darum geht, jeden »dichotomisierende[n] und zugleich verdoppelnde[n] Einschnitt – eingeschlossen de[n] zwischen dem Aussagen und der Aussage – aus der Fassung« zu bringen (Irigaray 1979, S. 82). Irigarays Schreiben nimmt stark affek tive Beziehungen auf und legt entsprechende Bezugnahmen nahe. Wenn ich im Folgenden einer Lesart von väterlich-männlicher Autorität und parler-femme nachgehe, werden diese wesentlichen ›performativen‹ Dimensionen immer wieder mit im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. »Wollte man für Irigarays Werk eine Ausgangsfrage formulieren, so

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lautete diese: Was sind die Voraussetzungen dafür, daß die sexuelle Differenz überhaupt als solche wahrgenommen und akzeptiert wird?« (Gürtler 1997, S. 123) Denn eben diese Differenz, die bei Irigaray stets vom Unterschied zwischen Männern und Frauen innerhalb der Logik des Selben unterschieden ist (zu welcher wiederum auch das ödipale Modell gehört; vgl. Grosz 1994, S. 337), würde in der abendländischen Kultur dauerhaft verleugnet. Fungiert die Frau in dieser Logik als ›mangelhafte‹ Spiegelstütze ›männlicher‹ Identität und zugleich als deren Exzess, so gilt sexuelle Differenz als eine Differenz zu solchen Vorstellungen von ›männlich‹ und ›weiblich‹ insgesamt; sie erscheint als eine Art begründende Differenz und ist für Irigaray wahrscheinlich das, was »in unserer Epoche zu denken ist« (Irigaray 1991, S. 11) (was ihr gelegentlich auch den Vorwurf einer Monopolisierung der ausgeschlossenen, irreduziblen Differenz eingetragen hat; vgl. etwa Butler 1995; Deutscher 2002). »I think that nothing similar to Speculum can be written today […]. No longer can the differences between sexes be totally represented as a corpsà-corps between a subject who owns the symbolic rules and a mute object, and this mainly because of the existence of texts such as Speculum, and of the event that produced them«, schreibt Giardini 2003 (S. 17)1 – eines Textes »whose appeal and greatness still lie in the elegance and effectiveness with which it opened a new space in the rarefied domain of concepts« (ebd., S. 14). Irigarays Schreiben hat neue Artikulationsräume eröffnet und handelt mit der Frage sexueller Differenz von den Möglichkeiten des sich artikulierenden Subjekts. Denn »[j]ede bisherige Theorie des Subjekts hat dem ›Männlichen‹ entsprochen‹, lautet das bekannte Postulat aus Speculum (Irigaray 1980, S. 169)2: Die Frau hingegen wird, »insofern sie ›weiblich‹ ist«, durch den Diskurs zum ›Objekt‹ (ebd.). – Das ›Männliche‹ teilt nach Irigaray »die Initiative des Diskurses« nicht, sondern »versucht lieber darin, ›Frau‹ zu sprechen, zu schreiben, zu genießen, als dieser Anderen irgendein Eingriffs-, ›Handlungs’recht einzuräumen, bei dem, was sie betriff t« (1979, S. 163). – »Wenn nun aber das ›Objekt‹ zu sprechen anfinge?« (Irigaray 1980, S. 171) Irigaraysche Texte bewegen sich auf ein Objekt- oder Frau-Sprechen zu. Dies meint eben nicht, die Frau zu repräsentieren oder 1 | Auf der Ebene des Aussagens – Irigarays Sprechens – war eine solche Repräsentation auch 1974 fraglich. 2 | Es ist von einer »verweigerte[n] Subjektivität« zu lesen (Irigaray 1980, S. 169). Dabei gelte es nicht, wie es an anderer Stelle heißt, »eine neue Theorie auszuarbeiten, deren Subjekt oder Objekt die Frau wäre« (Irigaray 1979, S. 80); zugleich geht die Frage darauf, welche Veränderungen es mit sich bringen würde, »wenn die Frauen aus zwangsläufig aphasischen Objekten der Konsumtion oder des Austauschs auch zu ›sprechenden Subjekten‹ – und natürlich nicht nach dem männlichen oder exakter, nach dem phallokratischen Modell – würden« (Irigaray 1979, S. 87).

IV. E RREGENDES S PRECHEN : VERFÜHRERISCHE A UTORITÄT

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über sie zu sprechen. »Es geht nicht um die Produktion eines Diskurses, dessen Objekt bzw. Subjekt – die Frau wäre. Das heißt, indem man Frauspricht, kann man versuchen, dem ›Anderen‹ als Weiblichen einen Ort einzuräumen« (Irigaray 1979, S. 141). Es geht um andere Orte des Sprechens – wobei sich wiederum »nichts von einem weiblichen Ort aus artikulieren läßt, ohne daß das Symbolische selbst befragt wird« (ebd., S. 169). Die Erkundung anderer Artikulationsformen schließt ein Inquirieren symbolischer Dimensionen ein; umgekehrt lässt sich sagen, dass Irigaray zu denjenigen gehört, die beim Versuch, eine Veränderung der symbolischen Ordnung zu denken, »nicht der Verabschiedung der Autorinstanz das Wort reden […]« (Rinnert 2001, S. 58). Eher schon geht es auch um den Versuch, ein das Subjekt entgrenzendes Sprechen zu denken – vom Punkt eines gerade nicht gegebenen Wissens, wer oder was Frau ›ist‹: »Weil ›ich‹ nicht ›ich‹ bin, bin ich nicht, bin ich nicht eine. Und dann Frau noch dazu, wer weiß …« (Irigaray 1979, S. 126). Irigarays Schreiben ist nicht gesichert und wohl definiert; es nähert sich den ausgesuchten Texten nicht mit einer unbeteiligten ›Objektivität‹ (vgl. Whitford 1994, S. 19); vielmehr unterminiert ihr Schreiben eine solche Position und ermöglicht allenfalls eine changierende ›Positionierung‹ der Autorin. Zugleich geht es ihr immer auch darum zu zeigen, dass die Her vorbringung von Botschaften sexuiert [sexuate] und eben nicht neutral ist (Irigaray 1997, S. 143) – »[a] concern to go beyond neutralization«, der sich in diesem Sinne auch ›postmodern‹ nennen ließe (in anderem Kontext Goux 1994, S. 186, vgl. S. 189). So schreibt sich Irigaray nicht nur auf spezifische Weise in Autorschaftsdiskussionen,3 sondern auch – durchaus eigen – in Formen von Gegenwartsdiagnosen ein. Spricht Lasch 1979 von The Culture of Narcissism 3 | Wenn die Debatte (vgl. Kamuf/Miller; s. Einleitung), die darum kreist, was es heißt als Frau zu schreiben, einerseits die Gefahr einer Verfestigung von Zuschreibungen oder Universalisierungen und andererseits die Relevanz des Geschlechts des Schreibenden betont, dann stellt sich – mit Irigaray und über sex/gender- oder Anti/Essentialismusschemata hinaus – die Frage: »[C]an one appeal to an author’s sex without falling into a set of naively metaphysical or humanist assumptions about authorial intention, identity, language, and domination?« (Chanter 1995, S. 46) Weiter heißt es: »Irigaray’s interrogation of sexual difference is, in my view, a testimony to the importance and value of balancing the need to specify that it makes a difference whether it is a man or a woman who writes, speaks, or acts, and the need for feminism to refuse to simply embrace the illusions of metaphysics. […] [I]n her attention to the question of sexual differences and their psychoanalytic construction, Irigaray sees the need to reexamine the function and significance of the sex/gender distinction within feminist discourse. She does so in a way that brings the body back into play […]« (ebd.).

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(vgl. Lasch 1980), dann macht es laut Whitford, bei allen Differenzen, Sinn, Irigarays Arbeit auch in einem solchen Kontext zu lesen. 4 – »In particular she argues that Western culture only recognizes one sex, and that the narcissism in question is male narcissism« (Whitford 2003, S. 28). Irigarays Arbeit oszilliert gleichsam »between an account of the narcissistic hatred of otherness and its cultural effects, and a quest for, or evocation of, nonnarcissistic models« (ebd., S. 34).5 – Das wiederum schließt bei Irigaray die Erforschung eines möglichen anderen als ödipalen Imaginären-Symbolischen mit ein (vgl. Bergoffen 2007, S. 155).

Listen väterlicher Autorität: Ein- und Ausstieg Zuerst soll nun Irigarays Verständnis einer ›väterlichen Autorität‹ im Mittelpunkt stehen, in dem diese Autorität, versehen mit imaginären Ingredienzien, jedes ›andere‹ Sprechen (das dann im zweiten Teil des Kapitels mein Gegenstand ist) gerade auszuschließen scheint – und zwar in der Form, in der es sich in der Lektüre des Höhlengleichnisses aus dem siebten Buch von Platons Politeia darstellt.6 Diese Lektüre fokussiert nicht zuletzt die »List der Autorität«, die quasi an die Stelle der »List des Zauberkunststücks« tritt (Irigaray 1980, S. 345).7 – Im Höhlengleichnis, das nach Irigaray das Prinzip des Gleichen, der Angleichung bzw. einen Ausschluss des ›Weiblichen‹ inszeniert, müssen sich die Beteiligten gewissermaßen auf das Urteil des wirklichkeits- oder 4 | Es versteht sich, dass es hier auch im Folgenden nicht um einen Narzissmus im Sinne Bersanis/Copjecs geht (vgl. Kap. III). – Zum Narzissmusverständnis bei Irigaray vgl. auch Peebles 2007. 5 | »My argument is that Irigaray has been concerned from the outset with the problem of cultural narcissism. Although this is clearer in her later work, all of her work, in my view, has been informed by the post-Freudian psychoanalytic account of narcissism« (Whitford 2003, S. 28). Whitford geht in ihrem Aufsatz dann im Besonderen auf (post-)kleinianische Theorie ein. 6 | Unter anderem Gesichtspunkt habe ich Irigarays Höhlengleichnislektüre in meiner Arbeit Zur Produktion des Mütterlichen (in) der Architektur (1999) behandelt. 7 | In einem späteren Essay betont Irigaray, wie ihre Kritik u.a. von Plato in Speculum »pointed out the fallacies, omissions, unquestioned assumptions, and blind spots in our ›monosubjective, monosexual, patriarchal and phallocratic philosophy and culture‹ […], in order ›to free the two from the one, the two from the many, the other from the same, and to do this in a horizontal way by suspending the authority of the One: of man, of the father, of the leader, of the one god, of the unique truth etc.‹« (Schwab 2007, S. 33, Irigaray 2000b [1994], S. 129f. zitierend).

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wahrheitserzeugenden ›Vaters‹ verlassen; doch die Ver trauensinvestition verläuft keineswegs ohne Schwierigkeiten … Wenn ich mir also meinen Weg durch Irigarays »Die hystéra von Platon« (in: Irigaray 1980) bahne, dann geht es mir weder um eine ›korrekte‹ Platonexegese oder eine historische Verortung; vielmehr werde ich mich vornehmlich auf die Ebene des polyphonen irigarayschen Textes begeben, mich in diesem bewegen, meinerseits Zusammenhänge zerreißen und unter dem Gesichtspunkt der dort umschriebenen Autoritätsgestalten eine Neuanordnung vornehmen.8 D.h. ich werde Schneisen schlagen. »Plato […] will never be the same since Irigaray turned her critical eye on [him]« (Miller/Cimitile 2007, S. 5). – »Die hystéra von Platon« stellt den letzten Teil der 1974 entstandenen Schrift Speculum de l’autre femme dar und rahmt – gemeinsam mit den Ausführungen zur Weiblichkeit bei Freud zu Beginn – den mittleren Teil der Abhandlung, welcher die Lektüre verschiedener westlicher Philosophien sowie ›eigene‹ Theoretisierungen umfasst (vgl. zu den ›Rahmentechniken‹: Moi 1989). In Speculum werden, in weitgehend verdrehten historischen Reihenfolgen, Linien von der griechischen Antike bis zur Psychoanalyse gezogen: Streng genommen gibt es laut Aussage der Autorin in Speculum »keinen Anfang und kein Ende« (Irigaray 1979, S. 70). – »Zum Beispiel, oder in beispielhafter Weise, könnte man beim Höhlengleichnis wieder anfangen« (Irigaray 1980, S. 303). Irigaray springt – einigermaßen kontextlos – in das Gleichnis der Höhle, in der sich – in gewisser Weise geschichtslos – »[s]eit jeher« Menschen aufhalten, die diesen Ort offenbar niemals verlassen haben, sondern »von Anfang an« in diesem Projekt gefangen sind (ebd., S. 303ff.). Wir beginnen also »[f]ast in einer Imitation der Höhlenbewohner« in der Höhle (kritisch: Hyland 2004, S. 156). Von Anfang an wird der Lesende in das Szenario gezogen, ohne Einstieg in die Situation, den Gleichniszusammenhang … ähnlich, wie der Gefangene den »Zeit-Raum« der Höhlenszenerie nicht abschätzen kann (Irigaray 1980, S. 450). Fangen wir also, so Irigaray »wieder mit der Lektüre des Höhlengleichnisses an. Sokrates erzählt, daß Menschen – hoi anthropoi, unbestimmten Geschlechts – sich unter der Erde aufhalten, in einer Behausung in Form einer Höhle« (ebd., S. 303). Menschen befinden sich demnach zur gleichen Zeit am gleichen Ort, »der die Form einer Höhle, eines Schoßes haben soll« (ebd.). Die ›mütterliche‹ Analogie scheint nahe gelegt (vgl. dazu Härtel 1999); zugleich wäre dieser allzu vertraut wirkende Ort Irigaray zufolge Ergebnis einer Verlagerung oder Metaphorisierung dessen, was als »hystéra« die »Matrix dieser Szenerie der Repräsentation, der Vorstellung« bildet (Irigaray 1980, S. 338). Mit der Höhle ist so etwas wie ein Zwischenort markiert. Die hystéra bzw. das ›Formlose‹ (l’informe) ist darin immer schon verkehrt oder 8 | Diese folgt wiederum auch nicht immer der Chronologie der Darstel-

lung.

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darstellend geformt, nicht ohne dass jedoch einige Eigentümlichkeiten widerstehen (vgl. ebd., S. 360). Der Ort der Höhle ist ›noch mütterlich‹, »auch wenn er schon immer umgestülpt, zur Proliferation von Bildern verwendet wurde« (ebd., S. 444). Es handelt sich um ein komplexes Blick- oder Bildarrangement, um ein »Schattentheater«, das »nur ganz unsichere Gewißheiten« zustande bringt, ein »immerwährendes Fluten«, eine »Flut von Schatten« … die sich als Bild fassen lassen (ebd., S. 450). – Die möglichen fließenden Deformationen finden sich gleichsam immer schon in erstarrten Bildungen vor.9 Die Höhle der so zwar bereits ›eingefangenen‹, doch auch vieldeutigen, unassimilierbaren, unreinen Schatten (vgl. ebd., S. 369) ist der Ort der Phantasmen, die sich gleichsam zwischen das Formlose und die ›väterliche Ordnung‹, die Welt der Ideen schieben. An eben diesem Zwischenort ließe sich nach Irigaray auch die »psyché-analyse« finden, die die Menschen entfalten, wenn sie auf solche Phantasmen, Phantome und Trugbilder achten, die Spektakel beschreiben, unterscheiden, erinnern o.ä. – eine psyché-analyse, »die sie von mancher nützlichen Aufgabe abhält« (ebd., S. 445, vgl. S. 450).10 Wir finden hier also »Foci von faszinierenden Empfindungen«, »[u]nsichere Meinungen«, ein Verfehlen der »Genauigkeit der Idee« oder ein Abgelenktsein »von objektiven Realitäten« (ebd., S. 445). Nun kommt es im platonischen Gleichnis bekanntlich zu einer Befreiung von den Fesseln – der Auf bruch aus der Höhle gerät gleichsam »zum Gleichnis der menschlichen Erkenntnis schlechthin« (Habig 1990, S. 65). Es geht dabei um die Erkenntnis der als wahrhaft objektiv geltenden Ideen (vgl. Zoglauer 2002, S. 6) oder um die »Idee (der) Wahrheit« (Irigaray 1980, S. 368)11 – wobei eine derartige Wahrheit nach Irigaray »seit 9 | In der Höhlenszenerie werden die schattenhaften Repräsentationen gewissermaßen in Bilderspektakeln eingefangen; über den »Mauer-Vorhang« wird ein – Schatten werfendes – totes Objekt-Zeichen dargeboten (Irigaray 1980, S. 450ff.). – Platon schildert, wie zwischen einem Feuer und den Gefesselten etwas höher ein Weg mit einer niedrigen Mauer verläuft, an der entlang »Menschen allerlei Geräte« vorbeitragen, »die über die Mauer hinausragen, Statuen verschiedenster Art aus Stein und Holz von Menschen und anderen Lebewesen […]« (Platon 1989, S. 268; vgl. Irigaray 1980, S. 312). 10 | »Wer sich mit der Beschreibung und mit der Speicherung derartiger Spektakel im Gedächtnis befaßt, handelt gewiß verdienstvoll, und es ist gerecht, daß man ihn belohnt. Doch mit welchem Recht? Und welcher Gefahr würde sich die Stadt aussetzen, wenn sich alle zu diesem Spiel anstacheln ließen? […] Sie haben nicht einmal mehr ein Bewußtsein davon, daß sie von Thaumaturgen verzaubert sind […]« (Irigaray 1980, S. 445f.; vgl. dazu auch S. 450f.). 11 | Vgl. auch: »Die Idee der Ideen ist einzig in sich selbst sie selbst« … »Unbegrenzt identisches Ideal« … »Immer sich selbst gleich, ohne die Hilfe

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jeher die Szenerie einer anderen ›Wahrheit‹ oder ›Wirklichkeit‹ verdeckt, ausgelöscht (›aufgehoben‹?)« hat, »deren Vergessen der Diskurs von Sokrates begründen, besiegeln wird« (ebd., S. 336)12 … und deren ›Wiedererinnerung‹ sich die Autorin quasi zur Aufgabe macht. Denn die Erinnerung des ›Wahren‹ im Gleichnis würde in gewisser Weise auf eben einem Vergessen beruhen (vgl. ebd., S. 344). Darüber hinaus kommt dieser Prozess erst durch einen weiteren Eingriff einer Autorität zustande, und um diese geht es mir hier: Das veränderte Verhältnis zur Wahrheit stellt für das bisherige »Gefangenen-Kind[es] der hystéra« einen »Bruch mit der überlieferten Ökonomie« dar und wird »durch den Diskurs eines Meisters […]« bestimmt (ebd., S. 338, S. 343).13 Stets muss, wie es in anderem Zusammenhang heißt, die väterliche die mütterliche Macht ausstechen, um eine »Autoritätskrise« zu verhindern und die Ordnung aufrechtzuerhalten (ebd., S. 389f.).14 Sodann wird eine Hierarchisierung der vorfindlichen Welten und der in ihnen geltenden Wahrheiten vorgenommen und dabei das »Mehr an Sein oder an Wahrheit von der Entscheidung einer Obrigkeit vorgeschrieben […]« (ebd., S. 343). – Methode, Weg, Gang etc. dienen dem Vater dazu, »sich seiner Autorität zu versichern« (ebd., S. 455f.) … die Dinge laufen ab, »wie es sich gehört«: Der Weg, auf den Sokrates, »der zuverlässige Führer« führt, ist abgesteckt; die Methode bereits bekannt und anerkannt – ein Risiko besteht nicht, »außer vielleicht dieses: sich am Ende auf subtilere Weise beherrscht zu sehen als am Anfang« (ebd., S. 310).

irgendeiner Repräsentation, Figuration. Absolute Sicherheit der Identität mit sich, die von keinem Spiegel unterstützt wird. Wirklich? […]« (Irigaray 1980, S. 378). – »Underlying the economy of truth is an imaginary phantasy of the primal scene in which the mother’s role has been elided« (Whitford 1991, S. 106). 12 | »Wobei die alétheia, noch in der Verneinung, Verleugnung, die sie artikuliert, als Vortäuschung einer Entschleierung des Vergessens interpretiert werden kann, als Affirmation der Möglichkeit, das Vergessene in einer Ökonomie der Repräsentation der Vorstellung wiederzusehen, durch die es als solches bestimmt wird« (Irigaray 1980, S. 335f.). 13 | An anderer Stelle werden die quasi zaubernden ›Scharlatane‹ der Höhle als Meister bezeichnet (vgl. Irigaray 1980, S. 463f.). 14 | Irigaray nimmt auch einen dem Vatermord noch zugrunde liegenden Muttermord an. »Would there not be a more archaic matricide beneath the murder of the father, a matricide that could be deciphered at the origins of our culture […]? This murder of the mother (as fertile lover in a cultural dimension), would continue to operate in the positioning of the symbolic and social order that is ours« (Irigaray 1987, S. 84f.).

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Autoritative Phantasmen Nehmen die Höhlenbewohner gleichsam »alles, was man ihnen zeigt, für Wahrheiten« (Irigaray 1980, S. 464), so wird der zunächst – und letztlich im Namen des Vaters – »aus dem Zusammenhang [der] allzu ›natürlichen‹ Empfängnis und Geburt« herausgerissene ›Gefangene‹ auf einen »edleren Ursprung«, einen »Urheber« zurückführt, im Verhältnis zu dem er sich wieder erkennen soll (ebd., S. 371). Ein- oder angeleitet wird der Auszug, diese ›als-ob-Entbindung‹ aus der Höhle zum Ideenhimmel vom »Geburtshelfer« bzw. von dessen »anonyme[n] Helfershelfer – des Seins, wenn man so will« (ebd., S. 352). Unternommen wird eine Art »Erziehungsprogramm[e]« für unwissende, noch den »Trieben« unterworfene Kinder, die man »an die Gesetze der Vernunft erst gewöhnen muß« (ebd., S. 359). Dieses Programm zieht gewissermaßen gegen die (Höhlen-)Phantasmen zu Felde:15 Ausgehend von den Verführungen trügerischer Erscheinungen würde das ›Kind‹ in die philosophische paideia gezogen; und das heißt: auf einen »steile[n] und beschwerliche[n] ›Weg‹, voller Hinterhalte«, den es »nicht ohne Leiden zurücklegt« (ebd., S. 433). Jemand holt den Menschen, das Kind »kraft der Autorität, ungeachtet seiner ›Schmerzen und seiner Entrüstung‹« (ebd., S. 359) aus der Höhle und aus dem »noch sinnlichen Ort, in den die Spuren seiner Wünsche eingeschrieben waren« (ebd., S. 379). Der Gefangene hat sich vom (hysterischen) Begehren ab- und der Beherrschung zuzuwenden (vgl. ebd., S. 344f.).16 – »Aufrichtung in die Vertikale«, »Drehen des Kopfes«, »Blendung durch das Feuer und das Tageslicht«, »mühsame[r] Aufstieg nach oben« (Kroker 1994, S. 22f.), Ausrichtung des Blicks (auf die Idee) … der ›Jüngling‹ wird von seinem – sich schon in Gottes Nähe befindenden – Meister »stufenweise zur Erkenntnis geführt« (ebd., S. 24). 15 | »Es gibt auch keine Magier mehr, jedenfalls keine, die als solche bezeichnet werden. Keine Geräte, die der Ausübung ihrer Zauberei dienen, keine Fetisch-Statuen, deren Reflexe faszinieren. Kein Theater mehr, keine Phantasmen, keine Echos […]« (Irigaray 1980, S. 361). – Das Paar Wahrheit/Phantasma sichert, wie Irigaray in Form einer Frage feststellt, quasi einen vergessenen Profit ab (vgl. ebd., S. 339). 16 | In Folge der Drehung, der »auf pädagogische, vielleicht gar philosphische Anweisung« erfolgenden – schwindelerregenden – Verrückung des Horizonts kommt es zeitweise zu einer (von Irigaray durchaus affir mierten) »nicht zu behebende[n] Doppelsichtigkeit« (Irigaray 1980, S. 339) des Gefangenen (der »noch nicht einmal weiß, in was für einer symmetrischen Verdrehung, Verkehrung der hystéra« – oder: einer »jedenfalls noch quasi hysterischen Projektion […]« – er bereits gefangen war) (ebd., S. 349). – Dabei darf sich schließlich (nur) einer der beiden »unvereinbare[n] Gesichtspunkte« (ebd., S. 339) unverändert durchsetzen.

IV. E RREGENDES S PRECHEN : VERFÜHRERISCHE A UTORITÄT

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Der ›Sohn‹ hat sich schließlich dem (niemals in Erscheinung tretenden) ›Vater‹ möglichst getreu, in einer mehr oder minder guten Nach-Bildung, anzugleichen17 und ist er nach seinem Bild geraten, so ist ihm eine Teilnahme an der belohnenden Ewigkeit, dem Guten des Vaters, versprochen (Irigaray 1980, S. 374). Im Erfolgsfall erfüllt das Kind gleichsam das – niemals sichtbare – Verlangen, ›Sohn‹ zu werden oder sein, d.h. »dem ›Vater‹ ein Bild seiner selbst zurückzugeben. Aber wer ist der Vater? Wo ist der Vater? Der Vater ist. Reine Spekulation und Spiegelung. Das, was sich niemals einfach repräsentiert« (ebd., S. 399).18 Entscheidend ist, dass das Kind »sich als identisch mit ihm« zu ›phantasieren‹ imstande ist (ebd., S. 454). – In dieser, sich den Höhlenphantasmen doch entgegen richtenden Konstellation wäre gleichsam nicht nur ein Vertrauen auf die Ähnlichkeit mit dem niemals Wahrgenommenen (»Also auf die mit sich selbst?«; ebd., S. 447), sondern wiederum auch Phantasie gefragt. Phantasmen bleiben, so ein Resultat der Lektüre, verstärkt und unbemerkt im Spiel, geraten allein ins ›Unsichtbare‹ – »Man wird dem nicht entkommen, worin man gefangen war« (ebd., S. 354), heißt es an anderer Stelle. Eine »andere Art von Okkultation« verführt »den (angeblich) Befreiten« und nimmt ihn gefangen (ebd., S. 345); auch eine »neue[n] Täuschung, durch die Vernunft, wenn man so will« (ebd., S. 341). Eine Okkultation, eine Täuschung …, die dann gewisser maßen auch noch als Vortäuschung einer Offenlegung funktioniert – das »›Mehr‹ an Wahrheit« wäre in dieser Denkfi gur zugleich ein »›Mehr‹ an Phantasma« (ebd., S. 349). »[B]loße Autorität« kommt gegen den ›Wahnsinn‹ kaum an; es sind, so scheint es, auch Gewalt- und Willkürakte vonnöten (ebd., S. 340), Missbräuche und wieder auch Verführungen sind im Spiel. Die Gebote des ›Pädagogen‹, der in der Funktion des Vaters (vgl. ebd., S. 399) über ein gewisses hypnotisches Vermögen verfügt (vgl. ebd., S. 338), »stützen sich weniger auf Räsonnement«, als dass sie den Jüngling in »eine ekstatische Blendung« treiben (ebd., S. 401). – Im Verlauf werden etwa die Sinne, wird das Begehren 17 | Die Seele, die dann »die Idee der Ideen mehr oder weniger gut zu reflektieren« – »mehr oder weniger« – befähigt ist, ist »der Idee (der) Wahrheit« entsprechend »mehr oder weniger nahe« (Irigaray 1980, S. 368). – Und es wären schließlich die schlechteren der männlichen Lebewesen, die sich mit den Phantasien oder Trugbildern zufrieden geben (vgl. mit Bezug auf Phaidros ebd., S. 413). 18 | Dass der Vater von Anfang an »pure Spekulation« ist, »entgeht den Augen eines noch sterblichen Körpers, natürlich« (Irigaray 1980, S. 391) – Wäre die Spekulation nicht den Blicken entzogen, dann könnte das »zum Beispiel« zu einer Verdopplung der Wahrheit führen; diese hätte zumindest eine sich als solche konstituierende Rückseite, ein anderes Gesicht …: »Man würde nicht mehr wissen, wohin man den Blick richten, die Augen (der Seele) wenden soll, um klar zu sehen« (ebd., S. 391).

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missbraucht (vgl. ebd., S. 362); auch missbraucht der »Professor[s] der Philosophie«, dessen Autorität verführerisch wirkt, »seine Macht manchmal ein wenig […], indem er dem Kind – der Kindheit – das nimmt, was sie braucht, um den Fortgang seines Projekts zu sichern […]«: er pflanzt »Wahrheitssamen« in die »aufnahmefähige[n] ›Seele‹«, die »noch intakte[n] Matrix« … (ebd., S. 397). – Die den Diskurs der Wahrheit dominierende Autorität – die in dieser Lektüre als väterliche Funktion und unmerklich verführerische Kraft mit notwendig gewaltförmig-missbrauchenden, verleugnenden Zügen kaum noch als ›Autorität‹ im symbolischen Sinne gelten kann (bzw. deren ›phantasmatische‹ Kehrseite in den Vordergrund tritt; vgl. Kap. I)19 – gibt sich freilich nicht zu erkennen. Und die diesen Diskurs beherrschende Leidenschaft »wird von ihm selbst unterdrückt« (ebd., S. 345). Was den Präzeptor der Philosophie angeht, so lässt sich dieser »in Wahrheit« als »Päderast« bezeichnen (ebd., S. 394).20 »There is a certain pederasty implicit in pedagogy«, schreibt Gallop (in anderem Zusammenhang: 1989, S. 63f.): In dieser speziell gefassten Pädagogik »[a] greater man penetrates a lesser man with his knowledge. The homosexuality means that both are measurable by the same standards, by which measure one is greater than the other« (ebd.). Irigaray legt eine Art männlicher ›Homosexualität‹ – hier eine Homosexualität männlicher Genealogie – frei, die unter Weiblichkeitsausschluss traditionell Institutionen wie die Pädagogik, ja sogar Theorien so genannter Heterosexualität strukturiert und eher ›sublimiert‹ (hier durchaus im Sinne von: idealisiert) funktioniert, »raised from suspect homosexuality to secure homology, to the sexually indifferent logos, science, logic« (ebd.).21 Durch die »allgemeine Homosexualität« ist notorisch »alles zutiefst homosexuell«, ohne dass in dieser Logik jemand homosexuell sein darf (Heinz 1981, S. 82). Nach Irigaray geht es in den platonischen Konstellationen – auch mit 19 | Irigaray nimmt weiter auch die ›weibliche Kehrseite‹ ins Visier. 20 | In anderem Kontext (mit Bezug etwa auf Phaidon und Nomoi) heißt

es dann: »[I]n der ersten Zeit [ist es] angebracht, die Augen auf die hübschen Knaben zu richten, die hier unten am besten die Schönheit spiegeln. Doch bald ist es allein ihr Verstand, in dem der Weise sein Heil suchen wird; er geht dabei sogar so weit, daß er ihre und seine äußere Hülle außer acht läßt, den Körper, […] der nichts ist als ein Schattenbild seines Vorbildes« (Irigaray 1980, S. 414f.). 21 | Mader spricht von »Irigaray’s well-known characterization of Western society as hommosexuel, namely, as being a male monoculture, constituted upon an originary matricide or suppression of women’s cultural subjectivity and genealogy« (Mader 2003, S. 379). – Zur Hom(m)osexualiät vgl. auch Irigaray 1979, S. 177ff., etwa: »Allseits herrschend, aber in ihrer Praxis verboten, spielt sich die Hom(m)osexualität über die Körper der Frauen, als Materie oder Zeichen, ab« … (S. 179).

IV. E RREGENDES S PRECHEN : VERFÜHRERISCHE A UTORITÄT

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Bezug auf andere Schriften – um die »Suche nach dem Selben«, um eine Liebe, die »sich an das Ähnlichste zu binden« bemüht (Irigaray 1980, S. 409): Die Liebe bindet sich an den »jüngeren, schöneren Anderen«, den ›Sohn‹, wobei der Geliebte mit dem Liebenden eben »so identisch wie möglich« gemacht werden soll – der ›Liebling‹ wiederum ist durch den (sein Bild formenden) Blick des Älteren, den »von einem Vater erleuchtete[n] Anblick« verliebt (ebd., S. 409f.): »Und wenn der Höhepunkt der Liebe darin besteht, daß der ›Vater‹ und der ›Sohn‹, der ›Weise‹ und sein ›Liebling‹ sich in gleicher Art lieben, das heißt, wenn sie einander und einer dem anderen jenen Zielpunkt bieten, an dem ihr Bewußtsein (von sich) schwindet, so werden sie um dieser Begeisterung willen in die andere Welt versetzt« und schauen schließlich gemeinsam die Ideen … (ebd., S. 410). – Die Beziehung, die mit solchen Passagen (auch über das Höhlengleichnis hinaus) im Spiel ist, ist implizit narzisstisch, ›autistisch‹ oder besser: »inzestuös paternalistisch«: »[D]er Vater und der Sohn, der Vater als er selbst: der Sohn« (ebd., S. 437), der Vater und der Sohn als der Zweite, doch beide stets auf »die Form der Einheit« bezogen (ebd., S. 457). – Der Inzest am Ort der Mutter, zu der kein Weg mehr führt, ist allerdings verboten und, psychoanalytische Theorien persiflierend, ›streng genommen‹ unmöglich (ebd., S. 438), der Eintritt der Mutter in den Austausch unter Männern ist sozusagen ausgeschlossen (vgl. in anderem Zusammenhang Irigaray 1976, S. 56). Mit dem Inzestverbot, so Irigaray in »Jede Theorie des Subjekts …«, artikulieren sich »die Bedingungen der Möglichkeit der spekulativen Matrix des ›Subjekts‹« (Irigaray 1980, S. 177).22 So lieben in »Wahrheit« nur diejenigen, die auf ein ›Wiederfinden‹ des Selben erpicht sind und sich zu diesem Zweck offenbar »keinem anderen Teil des Menschen oder irgendeinem Objekt zuwenden« müssen (Irigaray 1980, S. 415). Wohingegen das andere fortan als das figuriert, was »Schatten auf diese verliebte Aneignung seiner selbst wirft« (ebd., S. 427). Doch vermag die Allgegenwart des Vaters nicht auch jeden Schatten aufzulösen, »und wäre es auch nur der Schatten eines Zweifels« (ebd., S. 445)? – Nach der Bekehrung zum ›Vater‹ tritt nichts anderes mehr wahrnehmbar in Erscheinung … wäre »da nicht – vielleicht? manchmal? – der Schmerz darüber […], auf diese Weise geblendet zu sein […].« Allein »in diesem Taumel und Schwindel eines Gottes, der nichts mehr kennt als sich selbst« (ebd., S. 461f.).23 22 | Vgl.: »For Freud and Lacan, remaining coupled with the mother is the equivalent of a death warrant. For Irigaray, marking the mother’s body as taboo is a recipe for violence and destruction« (Bergoffen 2007). 23 | Es ist dann auch die Rede von der Mutter-Materie, die »überdies den Abfall der Spekulation und Spiegelung in sich [verschließt]. Agonie von Phantasmen, die durch den Schirm, der sich der Projektion darbietet, verborgen und abgesperrt werden, eine glatte Oberfläche, die man ohne Grausen und Abscheu

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Im Falle des Höhlengleichnisses wird eine Szenerie gezeichnet, in der der gefangene ›Sohn‹ getäuscht und der Szenograph potentiell selbst in dem von ihm geknüpften Netz gefangen wäre (vgl. ebd., S. 353) – schließlich stellt sich sogar bei dem von Irigaray eingeführten Gott selbst die Frage, ob er »noch nichts von der [sic!] projektiven Mechanismen seiner Vorstellungen weiß«. Ist er »Gefangener im Feld seines einzigartigen Blicks«? (ebd., S. 420) – Eine Frage, die in der Irigaray-Lektüre nicht einfach bejaht werden kann. Denn, nicht zuletzt, »Gott-der-Vater, Er-der-Selbe – unter Ausschluß eines jeden, einer jeden ›anderen‹ –, er kennt vielleicht seit jeher die Geheimnisse des hysterischen Lusterlebens. Seine Samen, seine Abkömmlinge der Wahrheit sind vielleicht nur als Ergänzung zu jener unvergleichlichen Lust entstanden, die Er sich selbst vorbehält.«

Doch väterlicherseits werden solcherart Geheimnisse wieder verschlossen und mit der durch nichts in Frage zu stellenden »Autorität seines Gesetzes« umhüllt (ebd., S. 455) … – Wir hätten es also mit einer ›väterlichen‹ Autoritätskonstellation zu tun, die gewaltförmige, hypnotische, machtmissbräuliche und inzestuös-paternalistische Methoden und Unterstützung in Anspruch nimmt, um gleichsam heimlich eine potentiell andere Lust zu umkreisen.

Sprechen und Schweigen Was nun die Frage möglicher Artikulationen im Gleichnis angeht, so sind für sie zunächst bestimmte Zuschnitte vorgesehen, die sich in der Lektüre sogleich mit Platons Darstellungsformen und Irigarays Schreibweise verschränken. In einem mit »Die Dialoge« betitelten Abschnitt aus »Die hystéra von Platon« vollzieht Irigaray die akustische Situation in der Höhle bzw. die dort (eingeschränkt) gegebenen Redemöglichkeiten nach, nicht ohne dabei die Dialogform des platonischen Schreibens mit zu thematisieren, zu mimen. Die Artikulation der Gefangenen richtet sich im Gleichnis auf eine Benennung des Wahr-Genommenen, die mögliche Höhlen-Unterhaltung ist nicht mehr öff nen wird. […] ›Gute‹ Auto-Kopien entstehen, wenn man den Umweg über den Glauben an das Gesetz des Vaters nimmt, der den spekulativen Plan bestimmt und auf diese Weise den Tod austreiben wird. Vernehmt – wenigstens einmal ganz deutlich – die Kastrationsdrohung. Die Angst und der Schrecken sind dem Bauch der Mutter vorbehalten. Wohin man ganz gewiß nicht zurückkommen wird. Es sei denn im Namen des Vaters« (Irigaray 1980, S. 449).

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nach Irigaray »auf einen von Zufällen freien Bereich eingeschränkt« (Irigaray 1980, S. 329). Könnten die Gefangenen miteinander reden, so sollte man glauben, dass sie meinen, ihre Benennungen kämen den gesehenen Dingen zu (vgl. Platon 1989, S. 269). Würden sie das Gesehene also besprechen, sie würden es notwendig für das Seiende halten. Könnten sie miteinander reden, «,glaubst du nicht, daß sie auch pflegen würden, dieses Vorhandene – ta ónta – zu benennen – nomizein –, was sie sehen?‹ – ›Ananke‹. Notwendig« (Irigaray 1980, S. 328). Bestätigt und wiederholt wird hier »die Notwendigkeit des Verhältnisses zwischen der Möglichkeit, miteinander zu sprechen, und der Tatsache, daß man das als Seiendes bezeichnet, was man sieht« – ein Gesehenes, das für alle Gefangenen dasselbe zu sein scheint (ebd.).24 Die Bezeichnung ›Seiendes‹ hat Geltung für diese ›Selben‹, die auf nur dieselbe Weise sehen können und es im Gesprächsfall mit denselben Namen bezeichnen – ermahnt, nichts anderes zu sehen, gibt es nur die Bezeichnung als Seiende für das durch die Selben auf dieselbe Art gesehene Selbige, die Selben …: Man drehe es, wie man will: immer wird man zum Selben zurückkommen (vgl. Irigaray 1980, S. 330; Irigaray 1974, S. 326). Der Unterhaltungsverlauf wäre dabei immer schon durch eine beherrschende, wieder zu erkennende Wahrheit bestimmt, auf die die Bilder, Reflexe o.ä. als mehr oder minder ›gute Nachbildungen‹ bezogen und benennbar sind. Die alétheia wäre nicht nur Einsatz, sondern auch Raum des Spiels, sie wäre im Dialog – regelbestimmend – als dessen Figur und Feld benannt (vgl. Irigaray 1980, S. 329). Man spricht miteinander über das, was als zu Sehendes seiend, auf das Sein, das Selbe (vgl. ebd.), bezogen wäre – und man hält für wahr, was spricht oder stimmliche Präsenz verspricht: Wenn nämlich einer von jenen Menschen spricht, die in der Höhle an dem Mauerwerk Schatten werfende Gebilde tragen (vgl. Platon 1989), so werden die Gefangenen das Echo – die Nachbildung der menschlichen Worte – dem Gleichnis zufolge den Schatten zuschreiben und diese folglich für sprechend halten (vgl. Platon 1989, S. 269). Wenn also die sich von der »schweigende[n] Unberührtheit der Höhlenrückwand« abhebenden Schattenreflexe zu sprechen anfingen, so könnten für die Gefangenen wahr allein diese Schatten künstlicher Gebilde sein (Irigaray 1980, S. 330f.; vgl. Platon 1989). Nach Irigaray wird den Projektionen Wahrheit nur unter eben der Bedingung attestiert, dass man ihnen Stimmen bzw. dass man den Phantasmen Ton-Artikulationen zusprechen kann (Irigaray 1980, S. 331f.). Bescheinigung unmittelbarer Präsenz:25 »Wenn es spricht, repräsentiert das Trugbild die Wahrheit« (ebd., S. 332). Die Wahrheit als »ewige Präsenz« 24 | Es heißt: »Nachdem vorher der Beweis geführt wurde, daß das Gesehene für alle Gefangenen dasselbe ist, die übrigens für uns, die wir ihnen ähnlich sind, miteinander identisch sind« (Irigaray 1980, S. 328). 25 | Vgl. dazu auch Derridas Ausführungen zum Phonozentrismus oder Stimmprivileg (vgl. etwa 1983).

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setzt so ihren Glaubwürdigkeitsanspruch durch (um das stimmlich-materielle Element sodann zu bezwingen) (vgl. ebd., S. 333). Die allererst für wahr genommenen sprechenden Schatten funktionieren über den Widerhall der Zauberer-Stimmen durch die schweigende Höhlenrückwand. Diese die Gegenstände vorübertragenden Menschen werden, wie es im Gleichnis heißt, »wie begreiflich« – »wie natürlich«, heißt es in Irigarays Übersetzung – teils reden, andere werden schweigen (Platon 1989, S. 268; Irigaray 1989, S. 322).26 »Wie man es hätte erwarten können?«, fragt Irigaray und antwortet sich in diesem Dialog ›selbst‹: »Ja, wie man es hätte erwarten können […]« (Irigaray 1980, S. 322). Denn wenn alle gleichzeitig sprächen, würde der Lärm den ›Echo‹-Vorgang aussichtslos machen: die Töne gingen ihrer klaren Konturen, ihrer »reflektierbare[n], reproduzierbare[n] Gestalt« verlustig; und »das Schweigen der anderen« könnte nicht als Grundlage der Bestimmung bzw. Verdeutlichung der Worte der/des einen dienen (ebd., S. 322). In dem von Irigaray verwendeten Konditionalsatzbzw. Konjunktiv-Gefüge sind andere Möglichkeiten mitgedacht, Möglichkeiten eben eines gleichzeitigen und auch eines miteinander Sprechens der Zauberer: Wenn diese »miteinander sprächen« … würden die »Komplexität der nachträglichen Wirkungen« und die Faktoren »der Überdeterminierung im Drama der Interventionen« die Gegenwart der »Produktion-Reproduktion aufsprengen« (ebd.). Die Figuren tragenden ›Menschen‹ würden hier potentiell die die Höhle organisierende »mimetische Verfahrensweise interpretieren und demaskieren« (ebd., S. 323). Doch, formuliert in einer irigarayschen Wiederholungsschleife, »[b]estimmte Menschen sprechen also, andere schweigen. Ein bestimmter Mensch spricht, und andere oder ein anderer schweigen, bekommen die Gelegenheit zur Gegenrede. Wenn sie sie nicht artikulieren, übernehmen sie die Funktion eines Reflexionsschirms« (ebd.). Und spätestens damit sind wir vom ›Inhalt‹ des Gleichnisses auch bei seiner ›Form‹ angekommen, bei den Dialogen zwischen Sokrates und Glaukon, zwischen Rede und ›Gegenrede‹, die sich ebenso in einem geregelten, Überlagerung und Lärm reduzierenden Wechsel (vgl. ebd., S. 324) vollziehen. Die jeweils dargestellten (vorführenden, gefangenen …) Menschen in der Höhle und die geregelt über sie Sprechenden sind gleichsam gleitend durch den Prozess des Selben miteinander verbunden, dessen Spuren sich wiederum auch auf der Ebene der Narration finden. Im Gleichnis heißt es etwa, dass die Gefangenen uns ähnlich sind oder gleichen (vgl. ebd.; vgl. Platon 1989, S. 268). »Wie man es hätte erwarten können. Natürlich.« – »[U]ns ähnlich, die wir ganz ähnlich sind«, schreibt Irigaray und bringt sich sodann in mehrdeutiger Formulierung als Autorin auch ›selbst‹ mit ins Spiel: »›Sie sind uns ganz ähnlich‹, antwortete ich« [›Ils nous sont semblables‹, répondis-je] (Irigaray 1980, S. 324; 1974, S. 321) – denn 26 | Dieses Schweigen kann dem der Höhlenrückwand nicht einfach beigefügt werden (vgl. Irigaray 1980, S. 322).

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ebenso wenig wie »wir« haben »sie« etwa die Wirkung und die Bedeutung der projektiv-umkehrend erzeugten, einkesselnden Fiktion erkannt (vgl. Irigaray 1980, S. 325) – und das sprechende »ich« hat es doch. Man wird lange warten müssen, heißt es bei Irigaray, bis nach diesen »die Frage einer klanglichen und sprachlichen Mimetik« von Anfang an übertragenden, verfälschenden und verdunkelnden Dialogen Platons »das Problem der Beziehungen zwischen Mimetik, Repräsentation und Kommunikation erneut aufgeworfen wird«. Allein die Hysterikerin (»von hystéra, wie man es erwarten konnte«) wird, und zwar »scheinbar durch Täuschung, an das vergessene Dilemma erinnern« (ebd., S. 323)27 – oder auch die Autorin Irigaray.

Mimetik Irigaray wirft in der Tat die Angelegenheit von Mimetik und ›Repräsentation‹ neu auf – durch die für sie bekanntermaßen kennzeichnende Methode, den Text, den sie schreibt, mit dem, den sie – anklagend bis ergeben – ›zitiert‹, immer auch nachbildend zu ›fusionieren‹. Um die Funktionsweise des Diskurses zu ›zerstören‹ und zu zersetzen, existiert »zunächst vielleicht«, so Irigaray in ihrem bekannten und immer wieder – so auch hier – zitierten Zitat, »nur ein einziger ›Weg‹, derjenige, der historisch dem Weiblichen zugeschrieben wird: die Mimetik. Es geht darum, diese Rolle freiwillig zu übernehmen. Was schon heißt, eine Subordination umzukehren in Affirmation, und von dieser Tatsache aus zu beginnen, jene zu vereiteln. […] Mimesis zu spielen bedeutet also für eine Frau den Versuch, den Ort ihrer Ausbeutung durch den Diskurs wiederzufinden, ohne sich darauf einfach reduzieren zu lassen« (Irigaray 1979, S. 78). Eingeführt wird eine Strategie der Mimesis/Mimicry28 als ›weibliche‹, eine Veränderung symbolischer Ordnungen anvisierende Text-Produktionspraxis, die etwa in »Die hystéra von Platon« nicht nur die Aussagen, sondern unlösbar damit verbunden auch die Form des Gleichnisses aufgreift, sie fortschreibt und imitiert. Wenn sich im fortgeschrittenen Sta27 | Zu hysterischen Mimen vgl. etwa Irigaray 1980, S. 89. – Nach Whitford »[t]he tactic of mimesis can be seen as a kind of deliberate hysteria […]« (Whitford 1991, S. 71). 28 | Vgl. dazu Robinson 2006. – »For Irigaray […] the strategies for resistance can follow differing paths: hysterical mimicry, or productive mimesis« (ebd., S. 35) … oder: »[S]he models the strategies used by the hysteric into a productive mimesis« (ebd., S. 39). – Ich werde hier keine weitere Unterscheidung zwischen Mimesis oder Mimikry verfolgen. Le mimétisme etwa wird im Deutschen z.B. in Irigaray 1979, S. 157 mit Mimesis, im Englischen mit mimicry übersetzt. – Zu Mimikry vgl. auch Kap. VI.

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dium des Höhlengleichnisses über den ›Befreiten‹ beispielsweise Formulierungen wie die folgenden finden: »Und wie, wenn er nun seiner ersten Wohnung gedenkt und der dortigen Weisheit und der damaligen Mitgefangenen, meinst du nicht, er werde sich selbst glücklich preisen über die Veränderung, jene aber beklagen?« (Platon nach Irigaray), dann erwidert der irigaraysche Text: »Was meint ihr dazu? Glaubt ihr, er könne sich seiner ›ersten Wohnung‹ erinnern und der ›dortigen Weisheit‹? Der Weisheit, die dort etwas galt?« (Irigaray 1980, S. 440). Und weiter: »Sollte der Logos eine Lücke lassen, durch die Phantasmen, Phantome, Halluzinationen wiederauftauchen können? In der selbst das Stammeln und Plappern der Kindheit zu neuem Leben erwacht? Oder verlangt seine Kohärenz, daß er sie benennt, sie sogar konnotiert – als schlechte Kopien zum Beispiel – und ihnen so den Wert ihrer eigenen Wahrheit austreibt?«

Als Antwort auf vorgefundene Formulierungen stellen sich Formen von Fragen ein, die den platonischen Antworten entgegenarbeiten; zugleich werden die Lesenden gleichsam in den Gleichnisdialog miteinbezogen.29 Irigaray greift auf diese Weise ›enteigend‹ Inhalte und ›Dialog‹-Form auf, welche sich wiederum am Punkt der so verdoppelten Rede von den ›schlechten Kopien‹ berühren. Denn diese schlechten Kopien lassen sich auf die platonischen Texte und ihren Umgang mit Fragen der Repräsentation sowie auf Irigarays lesende Wiederaufnahme beziehen. Im dritten Buch der Politeia werden ›gute‹ und ›schlechte‹ Mimesis unterschieden, die sich etwa in der Nachahmung vorbildhafter besonnener Männer vs. der Nachahmung von Tönen und Gebärden manifestieren (Platon 1989, S. 101ff.; vgl. Löchel 1987, S. 224) – Nichts Hässliches darf nachgeahmt werden, damit die Wächter des Staates »nicht auf Grund der Nachahmung wirklich so werden« (Platon 1989, S. 101). Im zehnten Buch werden Nachahmungsfragen erneut aufgegriffen – wobei es sich, so ließe sich mit Irigaray sagen, um einen jener Dialoge handelt, »die eine Unterhaltung über die Nachahmung nachahmen« (Irigaray 1980, S. 323); die Debatte der Dichtkunst wird wieder aufgenommen und die Mimesis etwa eines Tischlers als ›Werkbildner‹ oder -meister, die in der Herstellung eines Dings in Beziehung zu dessen Idee als Urbild stehe, als höherwertig denn die Mimesis eines Künstlers angesehen, der von der Wahrheit weit entfernt ist. »[…] Maler, Stuhlmacher, Gott, das sind drei Meister für drei Arten von Stühlen« (Platon 1989, S. 389). Der erste wird dabei zum Nach29 | Nach Irigaray geht es, wie sich in einer Situation bekundet, in der ihr Fragen gestellt werden, nicht um eine Umkehrung des sokratischen Verhältnisses. »Auch nicht, wenn es wichtig ist, deren Möglichkeit zu erwähnen, um ihr den Laufpaß geben zu können. Die Umkehrung […] würde sich immer noch innerhalb des Gleichen abspielen […]« (Irigaray 1979, S. 162).

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bildner von Werk- und Abbildern oder gar zum Schattenbildner von Erscheinungen (vgl. insgesamt Platon 1989, S. 385ff.; Löchel 1987, S. 224f.; Peres 1990, S. 5). Künstler wie Dichter produzieren nicht nur Schattenbilder ohne »Wirklichkeitsgeltung«, sondern »Trugbilder« und verhalten sich damit wie Taschenspieler oder Gaukler, »denen ›die Nachbildung eben nur ein Spiel ist und kein Ernst‹« (nach Peres 1990, S. 6). Besitzen die Schatten entsprechend im Höhlengleichnis eine »zweifach abgeleitete Natur«, das heißt eine (sich von der ›Wahrheit‹ entfer nende) ›Natur‹ als Nachbildungen von Abbildern (welche in dieser Logik die Schatten wer fenden Gegenstände darstellen) (vgl. Blumenberg 1996, S. 117), so werden in Irigarays ›gauklerischer‹ Platon-Lektüre die eingeführten Unterscheidungen in ›untreuer Wiederholung‹ aufgegriffen30 – wieder auf der Ebene des Verfahrens und auch der Aussagen selbst: Verfahrenstechnisch verliert die Mimesis ihren Abbildcharakter und beginnt als Verweis auf das in dem wiederholten Denken Abgewertete, Vergessene bzw. als dessen ›Artikulation‹ zu funktionieren. In dieser Operation geht es weniger um Wahrheit oder Falschheit, nicht um die »mehr oder weniger gute Nachahmung eines Objekts«, sondern um »etwas sich darin artikulierendes anderes« (Löchel 1987, S. 225, vgl. S. 228). Irigarays verstörende Schreibpraxis als eine Art ›Arbeit‹ an einer ›Autoritätskrise‹ entspräche dann einer in Platons Schriften – mit Bezug auf die Wahrheit – eher abgewerteten Mimesis, ohne in einer ›schlechten‹ Kopie aufzugehen, einen Gestus vollziehend, der sich so umschreiben ließe: »ich werde keine schlechte Kopie in eurem System sein, aber ich werde euch trotzdem ähnlich sein, indem ich die Text passagen mimetisch vorführe, durch die ihr euer System konstruiert, und indem ich zeige, daß dasjenige, was nicht hinein darf, bereits drin ist […]« (Butler 1995, S. 71f.). Untrennbar vom Verfahren finden sich auf der Ebene der Aussagen Passagen, denen zufolge es eben »Maler und Dichter« sein werden, welche »Gefallen an der Darstellung der Wiederholung – an der hysterischen Mimesis – haben«, die die Höhle »erforschen und, oft zu ihrem Verderben, ausbeuten werden«; nie aber werden es »die guten Bürger« und schon gar nicht wird es »der Philosoph« sein, der in der Wahrheit unterweist und »sich nur um die Ideen kümmert« (was für Irigaray auch heißt: um »Spekulationen, die in sich jede Erinnerung an eine Vergangenheit der Reflexion getilgt haben«) (Irigaray 1980, S. 454).31 Und in der Höhle richtet sich 30 | »[T]he notion of multiple copies/reflections/shadows/images/likenesses of an original is reflected multiply within the myth itself« (Whitford 1991, S. 108). 31 | »[I]m Gegensatz zum Maler und zum Dichter, die aus diesem per-vertierenden Spiel Lust und Ruhm gewinnen, will die göttliche Ordnung, daß die Dinge an den richtigen Platz, nach vorn zurückgestellt werden, indem sie das Spiegelbild wiederholt und die Operation noch einmal vollzieht, die das Bild umkehrt. So wird die Hypothek des Spiegels aufgehoben, zumindest im

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der Einwand, der – scheinbar voraussetzungslos – gegen die ›Meinungen‹ der Gefangenen erhoben wird, eben »gegen die mangelnde Unterscheidung zwischen einer ›guten‹ und einer ›schlechten‹ Mimesis, zwischen einer ›treuen‹ Reproduktion der Wahrheit, einer Kopie, bei der sie durch die Maske hindurch erkennbar ist, und jenen Phantasmen, Trugbildern, Schatten, Kopien von Kopien von Objekten, die selber schon künstlich fabriziert, nachgemacht sind und deren bloße Betrachtung zum Wahnsinn führt« (ebd., S. 335).

Scheint die Nachahmung auch »in der Szenographie des Selben« zu verbleiben (ebd., S. 419), so kann die Mimetik im ›Zwischenort‹ der Höhle offenbar »nicht einem Urbild, einem Paradigma, der ›Präsenz‹ eines reproduzierten Dinges zugeordnet werden« (ebd., S. 369), die Beziehungen der vieldeutigen Schatten zum ›Eigentlichen‹ bleiben ungewiss (vgl. ebd.). Doch auch im Prozess der pädagogischen ›Bildung‹ sind ›pervertierend‹ mimetische Absichten und heimliche Rückgriffe auf die Sophistik am Werk (vgl. ebd., S. 362).32

Platons Drama Ist der Höhlenmythos selbst als eine ›adäquate‹ Repräsentation (Whitford 1991, S. 106) anzusehen? – Nach Blumenberg lässt sich sagen, dass Platon selbst nicht immer »mit der voll geständigen Wahrhaftigkeit des Autors arbeitet«. Sind doch die Kunstmythen des platonischen Dialogs »immer ein Stück Blendwerk, Überspielungen argumentativer Verlegenheiten« (Blumenberg 1996, S. 118). Die Einbeziehungen von Mythen o.ä. lassen sich jedoch nicht nur als Verlegenheit oder die mimetischen o.ä. Interventionen allein als heimliche ›Per version‹ des expliziten Anliegens wenden: Hyland gelten gerade die in der Suche nach Platons ›Philosophie‹ häufig vernachlässigten ›dramatischen‹ Aspekte, die auch das Mythenerzählen betreffen, Absoluten. Er behält den Schlüssel zu diesem Mysterium für sich: zu seiner von Spiegeln vereisten hystéra, in der er sich selbst erzeugt […]« (in anderem Kontext: Irigaray 1980, S. 421) Und da, »wo der Schatten (eines Doppels), aber auch der Schein, das Phantasma, die Meinung oder auch nur die Ungewißheit darüber, was wirklich ist, auftreten könnten«, korrigiert »eine zweite Spiegelung den Reflexionswinkel« und richtet ihn gerade (ebd., S. 423). 32 | Irigaray bezieht dies hier auf die pädagogische Entscheidung, den ›befreiten‹ Menschen zunächst das wiederholen zu lassen, was er schon kennt: Schatten (Irigaray 1980, S. 362). – »Er würde sich also erst daran gewöhnen müssen, wenn es ihm gelingen soll, die Dinge da oben zu schauen. Zuerst würde er wohl am leichtesten die Schatten erkennen […]« (Platon 1989, S. 270).

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geradezu als hervorzuhebendes Charakteristikum der platonischen Dialoge (vgl. Hyland 2004). Damit wird die Konzeption einer »argumentativen« Philosophie – und dadurch auch die ›Autorschaft‹ Platons – befragbar. Die Philosophie in den platonischen Dialogen, die in ihrer Form demnach gerade keine Abhandlung bilden (welche seit Platon für das philosophische Schreiben vorherrschend geworden ist) (vgl. ebd., S. 161), bestände »nicht nur in ausdrücklichen Argumenten«. Vielmehr seien eben Mythen, »Interaktionen zwischen Persönlichkeiten«, Witze und »erotische[n] Verspieltheit« von Belang (ebd., S. 22f.). In den Dialogen treten demnach verschiedene Charaktere und Schauplätze o.ä. auf den Plan, hingegen spräche »niemals ein Charakter namens ›Platon‹« (ebd., S. 12, vgl. S. 11). Nicht ›Platons Philosophie‹, sondern »philosophische Situationen« würden in der Hauptsache präsentiert, verschiedenste potentiell philosophie-erzeugende Situationen (etwa in Gefängnissen, Gymnasien, am Tag oder in der Nacht, in unterschiedlichen Beziehungen etc.) portraitiert. Sodass »eine implizite Lehre der Dialoge lautet, dass es nahezu keine menschliche Situation gibt, die nicht von philosophischen Fragestellungen durchzogen ist, obgleich die besonderen Probleme und die Manier ihrer Äußerung sich mit dem Kontext verändern wird« (ebd., S. 12f.). Ein Vorwurf an Irigarays Platonlektüre lautet demgemäß, dass diese es versäume, »die Möglichkeit zu erwägen, dass Platon das Höhlengleichnis vielleicht nicht als seine Lehre vorbringt« (ebd., S. 157). Hinweise auf die Kontexte oder etwa darauf, wer in den Dialogen jeweils spricht, würden fehlen (vgl. ebd., S. 156f.; s.o.).33 Auch wenn die Verwischung der Autorinstanzen m.E. eher eine Stärke der irigarayschen Texte markiert (gerade insofern sie sich als ›Autorin‹ in dieses Gleiten durchaus einbezieht);34 bringen Hylands Ausführungen jenseits solcher Zuschreibungsfragen eine für meinen Zusammenhang interessante Wendung ins Spiel. Denn nicht nur kann Platon demnach nicht einfach unterstellt werden, dass er die Position einer das Andere verleugnenden Bejahung des Selben vertritt (vgl. ebd., S. 158), sondern die Dialoge werden in dieser Lesart auch zu »Imitationen der Philosophie« (ebd., S. 13, Herv. I.H.). Platon schreibt, so hält Hyland fest, »für sein Publikum immer und nur auf mimetische Art« (ebd.). Und kommt es in gewissen Dialogen durch bestimmte Charaktere zu jener Kritik an der Nachahmung als Kennzeichen der – gegenüber der Philosophie ›inferioren‹ – Kunst, dann 33 | Hyland bezieht sich hier auch auf Irigarays »Aus dem Index der Werke Platons: die Frau« in Speculum. 34 | Hyland schreibt auch, dass die Höhlengleichnislektüre Irigarays, von der derridaschen Dekonstruktion geprägt, eindeutig »beabsichtigt« (!), »Bedeutungen hervorzubringen, die nicht von Platon intendiert wurden […]«, und dass sie versucht, die von ihr untersuchten Schriften neu oder umzuschreiben (Hyland 2004, S. 148f.).

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wäre dies: Ironie (vgl. ebd., S. 13). Die platonischen Dialoge hätten demnach eine Imitations- und eine Aufforderungsdimension; sie stellen sich dar als Einladung zu einer philosophischen Situation – wie würde ich als Leserin antworten? – oder auch Provokation (vgl. ebd., S. 13 und S. 15 mit Bezug auf Mitchell Miller).35 Nach Hyland bietet die Bestimmung von philosophischen Positionen in den jeweiligen, sie hervorbringenden Situationen kein Material für totalisierende Theorien, mit denen der ›Platonismus‹ nicht selten verbunden wird (ohne jedoch einem Relativismus, im Sinne einer Beschränkung der jeweiligen Ansicht auf die Situation das Wort zu reden) (vgl. ebd., S. 18).36 ›Platons Metaphysik‹ o.ä. lässt sich demnach in Reinform nur unter Vernachlässigung der der Dialogform eigenen »dramatischen und literarischen Dimensionen« finden (ebd., S. 22). Hält nun auch Irigarays Lektüre des Höhlengleichnisses keine Hinweise auf den Kontext, »auf die Charaktere, die dramatische Situation, oder auf dasjenige, was zuvor im Dialog geäußert wurde«, bereit (ebd., S. 156),37 geraten dann also auch bei und durch Irigaray die allererst behaupteten »angebliche[n] Lehren in den Dialogen« zur »Grundlage der metaphysischen Tradition« (ebd., S. 22), um als solche kritisiert zu werden? – Oder steht Platon, umgekehrt betrachtet, Philosophinnen wie Irigaray gewissermaßen näher, als diese selbst glauben?38 35 | Folgt man diesem Gedankengang, so ließe sich zunächst fragen, ob Irigarays mimetisches Verfahren im Umgang mit Platon durch diesen selbst vorweggenommen oder verdoppelt wird. Bei Platon geht es in Hylands Lesart mit der ›Nachahmung‹ um die einer gewissen »philosophischen Situation, d.h. der Art und Weise, in der Philosophie vielleicht aus der Situation hervorgeht« (Hyland 2004, S. 13) und damit dann eben um eine Hervorbringung, die nicht einfach als die ›eigener‹ Ansichten und Positionen gelten kann. Platons Dialoge handeln demnach nicht ab, sondern imitieren Philosophie (und fordern zu ihr auf) (vgl. ebd.). Irigaray hingegen praktiziert eine Art ›überzogenen‹ Lesens (Butler 1995, S. 62; vgl. Hyland 2004, S. 151f.), um etwa eine ungesagte, als Möglichkeitsbedingung des Gesagten fungierende Stimme hervorzukehren. In diesem Sinn wird Irigarays Verfahren durch die von Hyland vorgeschlagene Platon-Lesart auch bezogen auf platonische Schriften keineswegs obsolet (z.B. was die Bearbeitung des Gleichnis-Dialogs selbst angeht, s.o.). 36 | »Eine philosophische Ansicht kann in der Tat diejenige Situation transzendieren, aus der sie hervorgeht, aber sie wird immer eine endliche Transzendenz sein« (Hyland 2004, S. 12, vgl. S. 18). 37 | Nach Blum ist »im Grunde das gesamte siebte Buch der Politeia nichts anderes als eine Interpretation des Höhlengleichnisses, das den Anfang dieses siebten Buches bildet« (Blum 2004, S. 46). 38 | Die Autorin möchte die »KontinentalphilosophInnen« (die hier im Unterschied zur ›analytischen‹ philosophischen Tradition eingeführt werden) »zu einer Interpretation der platonischen Dialoge herausfordern, die mit ihren

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Auch wenn Irigarays Lesart die innerhalb des Höhlengleichnisses inszenierte Dialogform – auf deutlich weniger positiv konnotierte Weise – durchaus mitthematisiert (s.o.) und auch wenn mir etwa Hylands Kritik an Irigarays ›Autorschaftsverfahren‹ an einigen Stellen verkürzt erscheint, wird durch diese Kritik doch ein genauerer Blick auf Irigarays inszenierte ›Gegnerschaft‹ angestoßen. Denn gibt sie nicht einen Hinweis auf einen Zug von Irigarays bisweilen ›hysterischem‹39 oder durch verwirrenden Mimetismus, fesselndes close reading und erschreckende Wut (vgl. Butler bzgl. Speculum in Cheah/Grosz 1998, S. 19) gekennzeichneten Schreiben und Lesen? Bleibt dieses Schreiben, diese Form der Auseinandersetzung nicht potentiell gerade durch Aspekte wie Zorn, Klage – oder eine eigenartige, durchaus sexualisierte Mischung »of both loyalty and aggression« (ebd.) – auf die errichtete Autorität ihres immer auch ›fi ktionalen‹ Gegners bezogen? Ist die Mimesis bei Irigaray strategisch angelegt, so lässt sich zugleich fragen, ob eine solche mimetische ›Identifizierung‹ die Möglichkeit von ›Strategie‹ nicht auch unterläuft (vgl. ebd., S. 39f.); die Frage des Verhältnisses zum jeweiligen ›philosophischen Vater‹ (vgl. Butler 1995, S. 61) bleibt schillernd. Diesem Schillern, dieser Art des ›gegnerischen‹ Bezogenseins und den darin involvierten Wünschen ist nun ein Stück des Weges zu widmen. Es geht dabei eben um Begegnungen mit ›Autorität‹ – und diesbezügliche Positionen und Relationen werden wiederum auch thematisch. In dem mit »Fragen« überschriebenen Abschnitt aus Das Geschlecht, das nicht eins ist schreibt Irigaray von »Fragen, bei denen ich wirklich nicht weiß, wie ich sie – zumindest ›einfach‹ – beantworten könnte« (Irigaray 1979, S. 126) und davon, nicht zu wissen, wie die pädagogische Beziehung umzukehren, umzustürzen sei. 40 »Ich werde also keine Definition innerhalb eines Leitüberzeugungen hinsichtlich des Wesens der Philosophie übereinstimmt, und die sich zugleich von den gemeinen Deutungen, die sie für gewöhnliche [sic!] Platon zuordnen und an ihm kritisieren, deutlich absetzt. Denn einer angemessenen Lektüre der Dialoge entspringt ein Platon, der den Arten von philosophischen Haltungen und Anliegen geistig näher steht, die so viele KontinentalphilosophInnen motivieren« (Hyland 2004, S. 23). (Mein Gegenstand ist insgesamt nicht die Angemessenheit von Hylands Platonlektüre.) 39 | In anderem Kontext schreibt Hollywood von Irigarays »mimicking of hysteria« (Hollywood 2002, S. 237). – Vgl. auch Irigarays von Platon ausgehende Unterscheidung zwischen Mimesis als Produktion und einer schon im Prozess der Reproduktion o.ä. begriffenen Mimesis. Die »Wirkungen-Symptome« der letzteren fänden sich in der Hysterie; in und ausgehend von der ersten Mimesis könne wahrscheinlich »die Möglichkeit einer Schreibweise der Frau auftreten« (Irigaray 1979, S. 137. Vgl. auch Anm. 27 und 79 des vorliegenden Kapitels). 40 | »Autrement dit, je ne saurais procéder ici á quelque renversement du rapport pédagogique […]« (Irigaray 1977, S. 120).

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befragten Diskurses liefern« (ebd.). Irigaray bietet keine Antwort-Definitionen, sondern versucht, dem nachgebildeten ›sokratisch-pädagogischen Dialog‹ – hier gelesen im Sinne einer ›pädagogischen‹ Relation »with the ›answer‹ prior to and independent of the question and the questioning« (Gallop 1989, S. 65)41 – wiederum auch fragend, mit einem Begehren nach etwas Hetero-Sexuellem entgegenzutreten. 42 Ein Begehren nach hetero-sexueller Begegnung und Dialog (bezogen quasi auf die ›Autoritätsposition‹), das sich mit Gallop umgekehrt auch als das einer Tochter charakterisieren lässt, abgewiesen durch homologisch-›väterliche‹ Regelwerke (vgl. ebd., S. 71). 43 Im ersten, mit Freud befassten Teil von Speculum, auf den Gallop sich hier bezieht, geht es genau um die Verführung zwischen Vater und Tochter (auch auf der Ebene der Analyse). Das Vater schaff t sich demnach, um sich vor seinem meist nicht realisierten Begehren zu schützen, Gesetze, wobei das töchterliche Begehren zurückgewiesen und ›verführt‹ wäre (vgl. Irigaray 1980, S. 44). »Wie sollte sich das Mädchen künftig in seinem Begehren, besonders nach dem Vater, zurechtfinden können, ohne es in Begierden aufgehen zu lassen […], die in ihrer Autorität vergewaltigend und gleichzeitig unbedeutend, lächerlich sind, weil sie sich an die Stelle eines Begehrens setzen, das sich verschanzt und verleugnet?« (ebd., S. 45) In dieser frag-würdig provokanten Deutung geht es, und das ist hier relevant, um ein vielleicht stummes, »noch stammelndes, schwierig in Sprache zu übersetzendes Begehren« des Mädchens und darum, den über das väterliche Begehren und Geschlecht gebreiteten »Mantel des Gesetzes« zu lüften. – »Das heißt nicht, daß der Vater mit seiner Tochter schlafen soll – zuweilen ist es besser, die Dinge beim Namen zu nennen –,« heißt es dann recht unvermittelt (ebd.); und so scheint es in Irigarays (Freud-) 41 | Vgl. auch Anm. 29 des vorliegenden Kapitels. – Wobei auch die Frage entsteht, ob es Irigaray in ihrem Schreiben gelingt, den ›pädagogischen‹ Bezug zu ruinieren (vgl. in anderem Kontext: Gallop 1989, S. 73f.). – Vgl. Whitford: Irigaray »wants to persuade her readers, but she also wants to allow for the possibility of something new emerging from the dialogue between her and her readers« (1991, S. 24). 42 | »Not in the customary way we think heterosexual – the dream of symmetry, two opposite sexes complementing each other. In that dream the woman/ student/reader ends up functioning as mirror, giving back a coherent, framed representation to the appropriately masculine subject« (Gallop 1989, S. 66). 43 | Vgl. auf anderer Ebene auch Heinz 1981: »Immer geht es um den Tochterstatus, die aufwendige Etablierung der Tochterfrau zwischen der verschwundenen Mutter und dem allmächtigen Vater-Dritten, die Regulation heftiger Ambiguitäten, Aporien, Dilemmata, ohne daß dieser Prozeß […] zur Ruhe kommen […] könnte, ebendort wo es die Frauen nicht gibt und ihr Nichts für Ruhe sorgt« (S. 89).– Auf die für Irigarays Arbeit wichtige Tochter-MutterBeziehung werde ich im Hinblick auf mein Thema nicht weiter eingehen.

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Lektüre eben dieser Punkt zu sein, an dem sie am meisten befürchtet, missverstanden zu werden (vgl. Gallop 1989, S. 77f.): Später in Speculum ist mehrdeutig die Rede davon, es sei besser »nur in Äquivokationen, Anspielungen, Gleichnissen, Andeutungen« zu sprechen, »selbst dann, wenn mehr Präzision verlangt wird […]« (Irigaray 1980, S. 182): Solche For men sind »flirtatious; they induce the interlocutor to listen, to encounter, to interpret, but defer the moment of assimilation back into a familiar model« (Gallop 1989, S. 78). An einer Stelle jedoch zieht Irigaray es offenbar vor, präzise zu sein und zurückzukehren zu einer Ökonomie »of clarity and univocity«: the question of making love with the father (ebd.). Stellt sich beim Lesen der genannten Tochter-Vater-Passagen ein Unbehagen angesichts der Grobheit der Formulierungen, des (›exhibitionistischen‹) ›Mantellüftens‹ und auch angesichts der damit vorgenommenen ›Offenlegungen‹ ein, so ist in der expliziten Formulierung potentiell auch eine gewisse Verneinung im psychoanalytischen Sinne inbegriffen, d.h. eine Abwehr dessen, was bereits klar gesagt werden kann. Das heißt nicht, daß der Vater mit seiner Tochter schlafen soll – die ›Tochter‹ jedoch vermählt sich mit den ›philosophischen Vätern‹: In der Art, wie Irigaray mit diesen umgeht – um ihre Ordnungen zu sprengen – zeigt sich genau ein (aggressives) making love, das ihre ›töchterlichen‹ Strategien für ›Missverständnisse‹ anfällig macht. Gefragt nach ihrer Forschungsmethode in Speculum, problematisiert Irigaray den Methodenbegriff und sagt: »Es war also notwendig zu zerstören, jedoch wie René Char schrieb, mit Vermählungswerkzeugen [avec des outils nuptiaux]. […] Anders gesagt: ich hatte noch mit den Philosophen Vermählung zu feiern [il me restait à faire la noce avec les philosophes]. Kein einfaches Unternehmen …« (Irigaray 1979, S. 157; 1977, S. 147). Diese Vermählung, dieser Verkehr hat und ist gewissermaßen Methode, das ›philosophisch-väterliche‹ System zu infiltrieren, sich sozusagen einzuschleichen (vgl. Gallop 1989, S. 78). 44 – »Is this kind of relationship that she has with the philosophers she reads a sexual relationship? […] Yes, there is no doubt that there is an eros of a certain kind, usually the kind that frightens me, quite frankly« (Cheah und Butler in: Cheah/Grosz 1998, S. 19).

44 | Auf Gallops weitere Schlussfolgerungen werde ich hier nicht eingehen. – Vgl. Whitford 1991: »Irigaray is […] addressing herself both to the philosophers, whom she is trying to ›seduce‹ into an amorous exchange, and to other women« (S. 49, mit Bezug auf Texte von Burke und auch Gallop). »The first address is not an untraditional one, although as it is explicitly mimetic, (she is playing the role of the ›philosopher’s wife‹) it must be read in inverted commas. The second address has no such obvious strategy marked out for it, since the new relations between women are still in the process of creation« (ebd.).

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›Weibliches Genießen‹ Der letzte Abschnitt von »Die hystéra von Platon« ist mit »Das Lusterleben der ›Frau‹/La jouissance de ›la femme‹« überschrieben und – in einer Art sich ›gegnerisch vermählenden‹ Auseinandersetzung Irigarays mit Lacan – soll es nun um ein solches Lusterleben und das daraus resultierende, potentiell differente Sprechen gehen. Parler femme wird hier also einmal mehr vornehmlich in einem Bezogensein auf lacansche Formulierungen zu entwickeln sein – in einer gewissermaßen auch zwischen Trieb und sexueller Differenz changierenden Passage. 45 »Es gibt ein Genießen für sie, für diese sie, die nicht existiert und nichts bedeutet. Es gibt ein Genießen für sie, von dem vielleicht sie selbst nichts weiß, außer daß sie es empfindet – das, das weiß sie. Sie weiß es, sicher, wenn es geschieht. Es geschieht ihnen nicht allen« (Lacan 1991b, S. 81). »Sie brauchen sich nur in Rom die Statue von Bernini ansehen zu gehen, um sofort zu begreifen, daß sie genießt, da gibt es keinen Zweifel« (ebd., S. 83). »Nach Rom? So weit? Betrachten? Eine Statue? Einer Heiligen? Von einem Mann in Stein gehauen? Um welche Lust [ jouissance] handelt es sich? Um wessen Lust? […]« (Irigaray 1979, S. 94). Die Geschichte ist recht bekannt: Lacan, immer auch in die Provokation verliebt, spricht im Seminar XX – das in gewisser Weise auch auf psychoanalytisch-feministische Debatten ant wortet (vgl. Hollywood 2002, S. 176) – von einem supplementären Genießen, »jenseits des Phallus«, von dem die nicht-alle-Frau nichts weiß, das sie nicht sagt; und: »[S]ie wissen einfach nicht, was sie sagen, das ist der ganze Unterschied zwischen ihnen und mir« (Lacan 1991b, S. 80f.). Keinesfalls minder provokant gerät die Gegenrede der – vormals Mitglied der lacanschen Ecole freudienne – ihrer Lehrtätigkeit an der psychoanalytischen Abteilung der Universität Vincennes enthobenen 46 Autorin Irigaray (ein zu einer Art Mythos gewordener Ausschluss, welcher Irigaray in eine Position versetzt, die Lacan durch seinen Ausschluss durch die IPA nicht ganz unvertraut ist). 47 Sie lässt ihren Text »Cosi fan tutti« zunächst mit zwei Lacan-Ausdrücken beginnen, von denen der eben genannte einer ist: »Den liebe ich, dem ich das Wissen unterstelle« und: »Sie wissen nicht, was sie sagen; das ist der ganze Unterschied zwischen ihnen und mir« (Lacan zit.n. Irigaray 1979, S. 89; s.o.). 45 | Für Lacan lässt sich nach Barnard nicht nur jener »well-known shift in emphasis from the subject of desire to the subject of drive« (Seminar XI) konstatieren, sondern »in his return to the question of sexuality and knowledge in Seminar XX, one can discern another shift in focus, this time from the structure of drive to the structure of sexual difference« (Barnard 2002b, S. 172). – Vgl. auch Kap. III. 46 | Vgl. dazu Irigaray 1979, S. 173. 47 | Vgl. dazu Gallop 1989, S. 94.

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Diese Zusammenstellung ohne eigene Worte, die quasi le sujet supposé savoir (hier auch: die geliebte Autorität) und ›ihr‹ Nicht-Wissen miteinander konfrontiert, präsentiert, dass diese ›sie‹ kaum als übertragswirksame Subjekte, denen liebend Wissen untergeschoben wird, wirken. Später in Irigarays Text wird das unterstellte Nicht-Wissen zum Hinweis auf ein NichtHören: »Die Geographie der weiblichen Lust ist es nicht wert, daß man ihr Gehör schenkt. Die Frauen sind es nicht wert, daß man ihnen Gehör schenkt, besonders dann nicht, wenn sie versuchen, von ihrer Lust zu sprechen: ›sie wissen nicht, was sie sagen‹ […]« (Irigaray 1979, S. 93). 48 In »Cosi fan tutti« wird pausenlos Lacan zitiert, dessen Name – »the symbol of his authority« – jedoch allein in einer Fußnote erscheint (vgl. Burke 1994, S. 46). Scheint eine solche Verweigerung von Lacans Namen anzudeuten, »to refuse to read Lacan as Lawgiver and rather to choose to read his text as body, as that […] which is open to intercourse« (Gallop 1989, S. 39), 49 so vermag dabei gerade auch eine Verbannung, ein weitgehendes Nicht-Sagen ein Bezogensein anzuzeigen. Denn der ungesagte Name »paradoxically embodies the paternal authority of psychoanalytic ›law‹« (Burke 1994, S. 41). Dies führt im Bestreben, die Sprache zugunsten einer möglichen Erkundung der »Geographie der weiblichen Lust« (Irigaray, s.o.) von diesem Inbegriff des väterlichen Gesetzes zu befreien – um gewissermaßen ein anderes Nicht-Gesagtes zur Sprache zu bringen –, schließlich »to a kind of separatism that is nevertheless troubled by the seductive appeal of the paternal metaphor from which it is breaking away« (ebd., S. 41).50 Von der väterlichen Metapher beunruhigend gereizt, wenn nicht verführt (die väterliche Verführung betriff t eben nicht nur den gefangen genommenen ›Sohn‹, sondern auf andere Weise auch die Tochter), wird in Cosi fan tutti »Don Jacques« (Weed) gewissermaßen gegen sich selbst zitiert (vgl. Burke 1994) und eine z.T. negative Übertragung51 der verführerisch-verführten Leserin auf den ›väterlich‹ autoritativen Text evoziert; Irigarays Schriften sind zudem versucht, differente Lüste und Artikulationen zu eruieren. »Und wenn die Frauen – ihm zufolge – von ihrem Lustempfinden nichts sagen, nichts wissen können, dann deshalb, weil es sich in

48 | Ich konzentriere mich hier wiederum auf Texte aus Speculum (1974) und Das Geschlecht, das nicht eins ist (1977). 49 | Gallop bezieht sich hier auf Texte Irigarays; – in Speculum, taucht Lacans Name nicht auf, in dem Text »Die ›Mechanik‹ des Flüssigen« wohl in den Fußnoten, nur nicht im Text (vgl. Gallop 1989, S. 38) … »for the most part [Lacan] remains unnamable« (Butler in: Cheah/Grosz 1998, S. 38). 50 | Später heißt es bei Burke: »Irigaray’s insertion of [a] multiple signature runs counter to the Name-of-the-Father and goes beyond the enclosures of patriarchal naming« (Burke 1994, S. 52). 51 | Vgl. dazu in anderem Zusammenhang Chisholm 1994, S. 275f.

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keiner Weise in und durch eine Sprache einordnen läßt, die in irgendeiner Hinsicht die ihre wäre. Oder … die seine?« (Irigaray 1979, S. 99).

Unsagbar? Bei aller Polemik und in den Text gewobenen Resistenz sind nichtsdestoweniger die Grenzen des widerstreitenden Diskurses bisweilen wieder nicht recht auszumachen; Irigarays Lektüren ›bewohnen‹ (vgl. Weed) die reizenden und gereizten Texte, die sie sich vornehmen, sie gehen in diese hinein und hinüber. In »Cosi fan tutti« stellt sich die Frage: Wo hört Lacans Diskurs auf, wo beginnt Irigarays? (Weed 1994, S. 87)52 Irigarays Formulierungen, die Formen ihrer Erwiderungen und Kommentare changieren häufig im Verhältnis zu dem, was sie rezipieren: »Das geht nicht … Halten wir das fest, wobei wir von logischen Imperativen ausgehen« (Irigaray 1979, S. 91). »›Uihh! …‹, auf der anderen Seite« (ebd., S. 95). Oder, an anderer Stelle: »Es ist wahr, daß die Frauen nicht alles sagen« (Irigaray 1980, S. 286).53 – »Daß es kein Geschlechtsverhältnis als solches gibt, daß es nicht setzbar ist, – derartige Behauptungen kann man nur unterschreiben« (Irigaray 1979, S. 103, Übers. leicht modifiziert, I.H.). Was unterschrieben wird, erscheint im nächsten Moment unheilbringend verkehrt; ›gute‹ und ›böse‹ Passagen alternieren, gleiten, kippen ineinander – die Objekte wirken doppelwertig, bisweilen beinah in kleinscher ›paranoid-schizoider‹ Manier: Was bleibt, sind die sprachlichen Objekte – unstet wird es in den Neigungen, Einstellungen, Autorinstanzen. 52 | Vgl. auch: »Irigaray weaves a sinuous text, artfully combining Lacanian threads with remarks against or beyond Lacan. Above all, there is a tremendous fluidity since Lacan’s threads are not consistently identified or set off from ›her own‹« (Gallop 1989, S. 39). 53 | »Und es gibt keinen Sinn für die/für eine Frau, es hat keinen Sinn, alles zu sagen, da sie jenes Nichts nicht nennen kann, das sie berührt, in dem sie sich schon immer berührt hat und das sie schon immer berührt hat. Jenes Nicht-zu-Sagen, welches die Geschichte – die Geschichte – noch einmal verdoppelt, indem sie es und sie der Ökonomie des Diskurses entzieht« (Irigaray 1980, S. 286). – Vgl.: »Es gibt etwas, das von [dem] Nicht-Alles schlagend Zeugnis gibt. Sehen Sie, wie, mit einer dieser Nuancen, dieser Bedeutungsoszillationen, die sich in der Sprache produzieren, das Nicht-Alles den Sinn wechselt, wenn ich Ihnen sage – unsere Kollegen, die Damen Analytiker, über die weibliche Sexualität sagen sie uns … nicht alles! Das ist durchaus frappant. Sie haben die Frage der weiblichen Sexualität nicht um ein Ende vorangebracht. Es muß dafür einen inneren Grund geben, gebunden an die Struktur des Apparats des Genießens« (Lacan 1991b, S. 63).

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Was das »Lustempfinden« der Frau angeht, so wäre diesem ausgehend von bestimmten Stellen des lacanschen Textes »vielleicht?« eine – sofort wieder zurückgenommene – »Chance« gegeben (Irigaray 1979, S. 102); dabei vermag die »sogenannte Genuß-Substanz« auch als eine »jüngst geschöpfte« zu erscheinen (ebd., S. 101). Es ist, so ließe sich sagen, eine Bewegung zwischen einer Formung der ›Frau‹ als ›Andere‹ des ›Mannes‹, deren Zurückweisung und der Möglichkeit eines ›jenseitigen‹ oder anderen Genießens, die sich im lacanschen Text manifestiert. – Liegt eine Ambiguität nicht auch in dem Schwanken, ob die Rede von einem »Genießen jenseits des Phallus …« (Lacan 1991b, S. 81) beim Wort zu nehmen sei, in dem – angezogenen wie zurückweichenden – Zaudern, diesem Genießen möglicherweise zu nahe zu kommen? »Ich glaube an das Genießen der Frau, insofern es mehr ist […]«. »Das wäre niedlich, das« (ebd. S. 83, S. 81). Die sich in und zwischen solchen Formulierungen manifestierende Spannung ließe sich m.E. im Sinne dessen lesen, was Rose als Lacans Versuch fasst, ein Kollabieren der Frage nach einem ›anderen‹ Genießen und einer Mystifizierung der Frau als absolut Andere zu verhindern (vgl. Rose 1982, S. 51f.). Wird das Schillern des lacanschen Textes solchermaßen auch zu einem Versuch, gegen eine Mystifizierung anzuschreiben (welcher er Irigaray folgend aber dennoch nicht entgeht), so wird im gleichen Zug die am ›weiblichen Genießen‹ klebende Unbehaglichkeit umgangen. Diese scheint gerade auch die Rezeption der Vorstellung ›weiblicher‹ jouissance häufig zu äußerster Zurückhaltung zu nötigen: Jene Lust und das Sprechen darüber sind offenbar nur mit Vorsicht zu genießen. »One often associates feminine jouissance with some kind of mystical trance that words fail to express« (und auch Lacans Denken scheint nicht frei davon) (Zupančič 2000, S. 295). Auch über Lacan hinaus wird nicht selten in Versicherungen von deren Unmöglichkeit, deren unmöglicher Sagbarkeit die Bedenklichkeit eines Vorhabens, der ›anderen Lust‹ ›Existenz‹ zu verleihen, zu bannen gesucht. So notwendig sich ein solches Insistieren auch darstellen kann, so kann es zugleich in problematische Nähe einer funktionalen Verdunkelung des ›Unsagbaren‹ geraten. Hat nicht ein mystifiziertes als ›sich-entziehend‹ Geltendes »als Anderes selbst noch in seinem Entzug zu Verfügung [zu] stehen«? (In anderem Zusammenhang: Schällibaum 1991, S. 21) Mystifizierungs- und Abwehrtendenzen sprechen die Sprache des verlorenen, ›jenseits‹ zu haltenden Objekts und folgen damit, entsprechend den Formeln der Sexuierung, eher der ›männlichen‹ Logik (vgl. Kap. III). Nun ist bei Lacan selbst die Rede von einem »Genießen jenseits des Phallus …« – was Rendtorff zufolge eine »Heilserwartung« durchscheinen lässt (2000, S. 108); zugleich ermöglichen seine Formulierungen auch eine Lesart, die die Logik der Unerreichbarkeit gerade verlässt – und so wird m.E. die Frage aufgeworfen, ob sich jenes Genießen tatsächlich in einem Jenseits verorten lässt, wenn dieses unerreichbar scheint. Denn was unzugänglich

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erscheint, ist nimmer eine weibliche jouissance, sondern eher die ›phallische‹ Annahme von der Ausnahme eines nicht-kastrierten Genießens; oder: die Unzugänglichkeit wäre eben der Genießens-Modus der phallischen und gerade nicht der ›weiblichen‹ jouissance (vgl. Zupančič 2000, S. 291): »[E]ven though that which embodies the inaccessible jouissance is situated on the other side of the bar, it does not concern the jouissance of the other or feminine jouissance but represents the originally alienated (and now inaccessible) part of the subject of desire« (ebd., S. 293). Die Annahme eines ›jenseitigen‹ Genießen stellt dann m.E. eher seinen eigenen Mythos vor … Um indes ein anderes Genießen zu eröff nen, wäre die Ausnahme (die nicht-kastrierte jouissance) vom Genießen quasi abzuziehen (vgl. ebd., S. 295). Zeigen sich bei Lacan diesbezüglich durchaus widersprüchliche Tendenzen, so hält Irigaray keineswegs bei konstatierten Unmöglichkeiten und lässt in ›ihrer‹ Lust wenig Besorgtheit walten. Wendet sie sich gegen Vorstellungen eines strukturellen Entzogenseins, so ergeben sich, wie zu zeigen sein wird, gewisse Nähen zu dem nicht als unerreichbar konzipierten Genießen. Doch quasi stärker in das Unsagbare hineingeraten wird hier schließlich eine Art Positivität sexueller Differenz protegiert, die letztlich auch einen Abstand zu Lacan markiert (vgl. Weed 1994, S. 99f.; vgl. u.). Wobei das sexuell Differente wiederum weder als eine ›verschüttete Wahrheit‹ noch als ›etwas‹, das nicht-wissbar außerhalb der Sprache liegt, o.ä. erscheint; vielmehr wäre es eine kulturell ausgeschlossene Möglichkeit: Nicht ›innerhalb‹, da ausgeschlossen; nicht gänzlich ›außerhalb‹, da in diesem Ausgeschlossensein als Möglichkeit angezeigt. »[T]he concepts of femininity and sexual difference generated by Irigaray have a paradoxical inside/ outside, possible/impossible status« (insgesamt: Deutscher 2002, S. 29f.). Sodass es schließlich darum geht, in einem riskanten Sprechen zu erkennen und zu artikulieren, was nicht erkannt und artikuliert werden kann.54

Stimmen des Genießens Vom Genießen der Frau hat man »nie was ›rausbringen können« (Lacan 1991b, S. 82) – »schon ewig lange« fleht man sie »auf Knien« an, »doch zu versuchen, es uns zu sagen, na ja, nicht ’n Wort!« – sie weiß eben nichts von diesem Genießen; also »nennt man’s, wie man kann, dieses Genießen« … (ebd.). – Irigaray gibt solcherart Verknüpfungen wiederum ihre eigene Wendung: »[S]ie behaupten, daß die Frauen über ihr Lustempfinden nichts sagen können« (Irigaray 1979, S. 101); doch deren Wissen bzw. die »Spra54 | »Who ever said that things could happen without risk or anxiety?« (in anderem Zusammenhang: Caputo 2000, zit.n. Deutscher 2002, S. 103. – Vgl. Deutscher 2002, S. 70).

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che, die wir kennen, ist so begrenzt …« (Irigaray 1979, S. 220). Weiß die Frau über dieses Genießen »nicht mehr als die simple Tatsache, daß sie es genießt« und spricht sie nicht darüber, weil »es etwas ist, das jenseits der Sprache liegt«, wie wiederum Salecl schreibt (2000, S. 104), so würde das in der irigarayschen Deutung etwa heißen: »daß man ihr das Funktionieren der Sprache aufbürdet, das sich nicht weiß« (Irigaray 1979, S. 96). Ein ›weibliches‹ Schweigen verweist mit Irigaray auf einen Widerstand gegen das Hören und wäre gleichsam Effekt eines Verstummens bzw. für stumm Erklärens.55 »Und sie dort zu interpretieren, wo sie nichts als ihre Stummheit zur Schau stellen, läuft darauf hinaus, sie einer Sprache unterzuordnen, die sie immer weiter weg von dem treibt, was sie Euch vielleicht gesagt hätten, Euch längst zugeflüstert haben. Wenn bloß Eure Ohren nicht so gut geschult wären, so vollgestopft mit Sinn wären, daß sie demgegenüber verschlossen bleiben, was nicht in irgendeiner Weise Echo auf im voraus Verstandenes ist« (Irigaray 1979, S. 117).

Zu denken ist auch an das Höhlenszenario, in dem ein menschliches Echo an der schweigenden Unberührtheit der Höhlenrückwand für die Zuschreibung von Stimmen an Projektionen sorgt, die so für wahr gehalten werden (s.o.) – wobei es Irigaray eben um eine Artikulation in Differenz zu diesem Schweigen zu tun ist. Entsprechend geht es darum, die Frau zum Sprechen und das Sprechen subjektentgrenzend zu Gehör zu bringen. »Erfinden wir schnell unsere Sätze. Damit wir überall und immerzu uns unauf haltsam küssen« (Irigaray 1979, S. 222): Wenn Irigarays Texte fluide ein Frau-Sprechen in Analogie zur weiblichen Sexualität produzieren (vgl. Burke 1994, S. 51), dann fungiert das Nicht-Sagbare gleichsam als Maßgabe, die Lippen darüber zu öffnen. Heißt es in jener direkten Rede der prominent gewordenen, sich austauschenden, doppelwertigen Lippen etwa: »Küsse mich. Zwei Lippen küssen zwei Lippen: das Offene wird uns zurückgegeben« (Irigaray 1979, S. 216), dann verlangt das Lusterleben der/einer Frau geradezu nach einer solchen Offenheit, nach einem Sich-Öff nen »über etwas […], das sich nicht sagen läßt« und zugleich eine Schließung verhindert (Irigaray 1980, S. 298).56 Im Sog der suggestiven Bilder taucht etwa die Vorstellung eines stetigen Er55 | Zu Salecls Deutung des Schweigens des weiblichen Genießens vgl. Salecl 2000 (vgl. dazu auch Härtel 2004b). 56 | Die Lippen werden etwa in »Das Geschlecht, das nicht eins ist« eingeführt und spätere Arbeiten (wie Amante Marine und Passions élémentaires) bleiben dabei, auf ihnen zu bestehen (vgl. Gallop 1988, S. 97). – Whitford schreibt 1991: »In a sense, whatever Irigaray may have meant originally when she put the two lips into circulation, and whatever she may maintain now, she is not in

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regens und Berührens oder das Bild eines diskontinuierlichen Kreislaufs auf, »dessen Abschluß eine Spalte ist, die ihre Lippen an den Rändern ineinander übergehen läßt und verschmilzt« (Irigaray 1980, S. 286). Der/die Leser/in wird in einen nicht einfach wiederholbaren Prozess gezogen, auf sich fließend-verformende, ineinander übergehende Bahnen: ein »Geringfügige[s]« fehlt »an der Zirkularität« der »auf sich selbst zurückkomm[enden]« Bewegung (ebd., S. 291). Aspekte dieses Szenarios nun erinnern – nach Art eines ›Close up‹ – an das, was in lacanscher Lesart die ›Selbstaffektion‹ des Triebes (»se faire …«) ergibt, die (in der ›Standard‹- unterscheidung zum ›männlichen‹ Begehren) auch vor allem die ›de-subjektivierte‹ Frau betriff t. Sich selbst küssende Lippen vermögen »die treffendste Metapher für den Trieb« abzugeben (Žižek 2001, S. 425f., S. 411). Dabei kommt es wiederum nur zu einer scheinbaren Geschlossenheit; tatsächlich ist jener »geschlossene[n] Schleife zirkulärer Befriedigung« hier ein Scheitern eingeschrieben: die Selbstaffektion des azephalen Triebes (vgl. Kap. III) geht aus von dem Nicht-Erreichen des im ›eigenen Tun‹ angestrebten Ziels; die kreisende Wiederholung des Verfehlens wird quasi zur Befriedigung des Triebs; es scheint, als wäre dieser »um eine Kleinigkeit verschoben« (Žižek 2001, S. 425, vgl. S. 414).57 »Nun, die Frau […] genießt bald da, bald dort […]. ›Sie‹ ist in sich selbst unbestimmt und unendlich anders. Zweifellos kommt es daher, daß man sie launenhaft, unbegreiflich, kopflos, kapriziös … nennt« (Irigaray 1979, S. 28). Kopflos wird die Frau genannt, kopflos wirkt der Trieb im lacanschen Sinn – was getrieben geschieht, geschieht auf eine nicht intendierbare, nicht ›integrierbare‹ Weise (vgl. Žižek 2001). Niemand vermag sich zum Autor dieses ›im Subjekt‹ operierenden ›unpersönlichen‹ Drängens aufzuschwingen, das nicht subjektivierbar oder als ›eigenes‹ annehmbar ist »by way of saying ›It is me who wants to do this!‹« (Žižek 1996, Herv. I.H.) Ein eine kopflos-zirkulierende Befriedigung mit sich bringendes Scheitern bei Žižek, ein Fehlen an der Zirkularität in der Lust der ebenso wenig intentional beherrschbaren ›Lippen‹ bei Irigaray … Geht es in beiden Fällen um etwas, was – nicht einfach – zirkuliert, was kopflos (genannt) ist etc., so erscheinen in Irigarays sprachlichen Bildern einer gleichsam immer schon das andere ›in sich‹ erregenden Bewegung sich berührender Lippen Lust control of this image any longer; it has taken on a life of its own and this life is far more significant than any single reading« (Whitford 2008, S. 218). 57 | Žižeks küssender Text läuft u.a. auf eine andere »Subjektivierung des Triebs« bzw. des ›unmöglichen‹ (Weib-)Dings hinaus (Žižek 2001, S. 426f.): Der Trieb, dessen Befriedigung sich durch die Unzugänglichkeit des Dings in der »Wiederholung eines Scheiterns« (ebd., S. 425) generiert, führt in seiner sich absetzenden Subjektivierung zu einer ›Selbsterkennung‹ als eben dieses Ding.

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und Sich-Sprechen oft untrennbar verwoben. Dann wäre parler-femme dem Genießen quasi eingeschrieben. Gleichsam »ein unaufhörliches Hin und Her von Gesängen, Reden« (Irigaray 1979, S. 215) zwischen den Lippen, wäre das Sprechen der ›kopflosen‹ Frau nach Irigaray gekennzeichnet durch »[w]idersprüchliche Reden«: Auch wenn sie spricht, auch in ihrem – etwa plaudernden, halbvertraulichen, in der Schwebe bleibenden – Sagen rückt die Frau kaum von sich ab, berührt sie »sich immerzu selbst« (Irigaray 1979, S. 28). Es ließe sich sagen, dass diese »für die Logik der Vernunft« »ein wenig verrückt[e]« (ebd.) Sprache – wohl auch in Differenz zu den scheinbar ›übernommenen‹ Vorstellungen eines nicht ›intersubjektiven‹ »idiotische[n] Gebrabbel[s] des Genießens« (Žižek 2001, S. 427) – nicht einfach nicht auf ein anderes bezogen ist. Können die von Irigaray herangezogenen Bilder von ›Kopflosigkeit‹ und sich küssenden Lippen an die psychoanalytisch beschriebenen Bahnen des Triebs erinnern, so wäre das ›Gebrabbel‹ hier auch ein auf ein anderes bezogenes ›berührendes‹ Sprechen. »Es be-rührt (an)«/Ça touche (à) (Irigaray 1979, S. 28; 1977, S. 28). Es ginge um eine Art »angrenzend[es]« Sagen, das, in sich different, wiederum niemals identisch ist (auch nicht »mit dem, was sie sagen will«) und das entsprechend nach eben einem anderen Hören verlangt (Irigaray 1979, S. 28).58 In »Die ›Mechanik‹ des Flüssigen« ist die Rede von einem nicht ›ähnlichen‹, ›gleichen‹ oder ›(mit sich) identischen‹ Sprechen der Frau, die sich folglich »nicht von selbst« versteht (Irigaray 1979, S. 115f.). Die Wirkung, der »Einschlag der Bedeutung« [l’impact de la signifi cation] wird nicht auf gewohnte Weise er reicht: »Che vuoi, also?« (ebd., S. 116; Irigaray 1977, S. 110) Nicht nur erscheint der ›Vater‹ als Antwort auf diese Frage (vgl. Kap. I) kaum mehr akzeptabel, sondern auch Ton, Klang, Schall wären nicht einfach auf Sinn reduzierbar. Es schwinden »die Sinne, der eigentliche Sinn, der Sinn des Eigentlichen« – das Unterfangen, dem zuzuhören, was die Frau »fließend«, »fluktuierend«, »[f]lunkernd« von sich gibt, resultiert folglich in einer Entgrenzung des ›Subjekts‹ – was »Widerstände gegen diese Stimme« mit sich bringen kann (Irigaray 1979, S. 116f.). So findet sich eine emphatische Auff ührung einer entgrenzenden Berührung, eines körperbezogenen An- und Sich-Sprechens in und aus ›der Nähe‹. In Irigarays Texten wird eine wiederum nicht mehr zirkulär hervorgebrachte Lust ›besungen‹, gleichsam in die vorgestellten ›verrückten‹ Klänge ›hineingeschrieben‹, dessen ›idiotische‹ Dimension sie auf den Kopf und in Frage stellt, quasi eingelassen in das, was in der ›männlichen‹ Logik die Auflösung des Subjekts mit sich zu bringen droht. – Ist Irigarays 58 | Ihr wäre »von einem anderen Punkt der Lust oder des Schmerzes aus« zuzuhören, »wie einem ›anderen‹ Sinn, der immer dabei ist, sich einzuspinnen, sich mit Worten zu umarmen, aber auch sich davon abzulösen, um sich darin nicht festzulegen, darin nicht zu erstarren« (Irigaray 1979, S. 28).

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Schreiben damit nicht auch ›nah‹ an jenen Auslegungen des schillernden lacanschen weiblichen Genießens, die in diesem einen anderen Bezug zum inkonsistenten Symbolischen – und nicht dessen mystisches Außerhalb – vermuten? In einer solchen Lesart würde sich Irigaray, ausgehend von dem als unsagbar Geltenden, auf Genießen und Sprechen verkoppelnde Wege und (in lacanschem Vokabular) in die Nähe von lalangue bzw. eines zum Realen hin geöffneten Symbolischen begeben, um schließlich die Sprache selbst zu ent-grenzen. Diesem vor- und eingeschlagenen Vorhaben und Pfad möchte ich nun weiter nachgehen.

Das Sprechen genießen Lalangue funktioniert gewissermaßen als Wortspiel, das Wortspiele allererst ermöglicht (vgl. Dolar 2006, S. 143); sie affiziert uns, so heißt es bei Lacan über seine Wortschöpfung, zunächst durch die sie beigeführten »Effekte, die Affekte sind«; Effekte, die »weit über alles hinausgehen«, was das sprechende Sein auszusagen vermag und Affekte, »die rätselhaft bleiben« (Lacan 1991b, S. 151). Lalangue dient nicht der ›Kommunikation‹, mit ihr geht es hier um weit mehr als das, »wovon man Rechenschaft geben kann im Namen der Sprache« (ebd., S. 150f.). Hervorgebrachte Klänge ohne anerkannte Bedeutung, können dennoch große Wirkungen – libidinöse Besetzungen, Materialitäten … – haben (vgl. Fink 2006, S. 52). Die affektiven Effekte leiten die Sprache zum Körper (vgl. Hollywood 2002); beide laufen per formativ genießend zusammen: Lalangue wird lesbar als »the language of the being that ex-sists in Other jouissance« (Barnard 2002b, S. 184); im Zuge des – gleichsam im ›Körper der Sprache‹ vernehmbaren (vgl. ebd.) – Genießens wird lalangue gesprochen. Es gibt Genießen in der Rede und nicht – jenseits dieser – das verbotene Objekt (vgl. Dolar 2006, S. 145).59 – Lalangue erweist sich als »ein durch die Inkonsistenzen und Lücken des Symbolischen her vorgebrachtes Reales« (Cremonini 2007b, S. 147); diese ›Sprache‹ wäre verbunden mit der sich in jenen Inkonsistenzen produzierenden ›weiblichen jouissance‹ – einem Genießen des sprechenden Körpers, des Körpers der Sprache. In diesem Sinne wird die jouissance féminine auch lesbar als das, was im Sprechen selbst erregt (vgl. Žižek 2005b, S. 79). »Da wo es spricht, genießt es«, heißt es bei Lacan (1991b, S. 124). Trotz aller ›Rätselhaftigkeit‹ ist in dieser Lesart jene jouissance weit davon entfernt, ›jenseits der Sprache‹ zu sein. Es ließe sich sagen, dass dieses Genießen weniger unsagbar ist, als dass es gerade das ›Sagen‹ zu genießen scheint. Liebe machen [ faire l’amour], das ist, in Differenz zum Liebesakt als der »polymor phe[n] Perversion des Männchens«, Poesie (Lacan 1991b, S. 79). 59 | Nach Dolar ist lalangue in der Psychoanalyse Raum und auch Einhalt zu gebieten (vgl. Dolar 2006).

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»[T]alking instead of sex« (Fink 2002, S. 40)60 hält sozusagen seine eigenen, anderen Lüste bereit. Lässt sich jouissance in den Worten, auf der Ebene des Anderen finden (vgl. Žižek 2002, S. 59), dann ist darin wiederum auch ein anderer Bezug zu eben diesem Anderen impliziert. Es handelt sich, so paradox dies zunächst klingen mag, um ein ausnahmsloses Eintauchen in sprachliche Gefi lde. Frauen sind in dieser Denkart »immersed in the order of speech without exception« (Žižek 2002, S. 60). Sexuierung ohne Ausnahme: Es ist eben die ›immanente‹ Beziehung zum Anderen, die Inklusion in seine Dimension, »that abolishes the Other as that limit toward which one can only approach ad infinitum and which, at the same time, delimits the space of ›all.‹ Paradoxically, woman is One with the Other, and this is exactly what makes her not-all« (Zupančič 2000, S. 293). – Gerade weil sie ohne Grenze ins Symbolische eingeschrieben ist, hat sie einen Bezug zu dessen Inkonsistenz und Kontingenz (vgl. Kap. III) bzw. zum Signifikanten des Mangels des Anderen – eines Anderen, der strukturell unvollständig, eines Mangels, der dessen inhärentes Merkmal und eines Signifi kanten, der hier mit der Materialität der Sprache verbunden ist (vgl. Fink 2006, S. 224). Auf diese Weise bringt gerade ein »being in the symbolic ›without exception‹« eine Beziehung zum Anderen mit sich, die eine andere ›un-begrenzte‹ Form der jouissance erzeugen kann (Barnard 2002b, S. 178). – Wobei das ›Unbegrenzte/Unendliche‹ [infinite]61 der jouissance wiederum nicht ein Genießen umreißt, dass so außerordentlich oder intensiv wäre, dass die Worte versagen oder ähnliches mehr (vgl. Zupančič 2000, S. 296): Mit Miller gesprochen, ist das ›Unbegrenzte‹ einfach das, »which says no to the exception to the finite« (zit.n. ebd.). Oder, genauer gesagt: Insofern ein Genießen gerade durch eine angenommene Ausnahme (einer nicht-kastrierten jouissance) innerhalb eines begrenzten [ finite] Rahmens bleibt, eröffnet sich der Raum des anderen Genießens durch einen Abzug dieser ›Ausnahme‹ (vgl. Zupančič 2000, S. 295; s.o.). Sodass sich schließlich sagen lässt: »Infinite jouissance is that which puts an end to ›exceptional enjoyment‹ in all meanings of the words« (ebd., S. 296). – Das ›weibliche Genießen‹ ist alles andere als eine Ausnahmeerscheinung.

60 | »[I cannot] say why Lacan associates it [the Other jouissance] specifically with women, characterizing it as a specifically feminine jouissance« … (Fink 2002, S. 40). 61 | Hätte man es mit dem Unendlichen zu tun, dann »ist es nicht mehr von der Seite der Extension her, daß wir das Nicht-Alles nehmen dürfen. Wenn ich sage, daß die Frau nicht-alle ist und daß ich darum nicht sagen kann die Frau, dann genau darum, weil ich ein Genießen in Frage stelle [ je mets en question], das im Hinblick auf alles, was sich anbietet in der Funktion von ƜƝ, von der Ordnung des Unendlichen ist« (Lacan 1991b, S. 111).

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Nicht-E xistenz In irigarayschen Textpassagen besitzen Lacans Überlegungen zur Sexuierung oder etwa sein Diktum, dass die Frau nicht existiert (vgl. Kap. III), keine gute Reputation. Seine Aussagen über ihr Nicht-Sagen, ihr NichtWissen, ihre Nicht-Existenz werden in ihrer Lektüre gewissermaßen zum Symptom eines Ausschlusses (vgl. Irigaray 1979). – »Für die Frauen ergäbe sich daraus ein Problem. Für sie, die so wenig wissen. Vor allem hinsichtlich dessen, was ihr Geschlecht angeht. Das – ihnen – nichts sagte« (ebd., S. 104). Mit einem feinen Gespür für die in Lacans Formulierung liegenden Provokationen und Ambivalenzen, werden genau diese – parteilich – vorgeführt und gegen sich selbst gekehrt. La femme n’existe pas? Die Frau ist also – als Möglichkeitsbedingung der ›männlichen‹ Ordnung – ein Nichts (vgl. Kroker 1994, S. 17). Sie existiert nicht? »Im Hinblick auf die Diskursivität« (Irigaray 1979, S. 115). So gelesen, werden Redeweisen wie »Die Frau existiert nicht« oder »Die Frau ist nur ein kulturelles Produkt« (die nach Copjec wiederum eine bedeutsame Differenz zwischen psychoanalytischen und historistischen Ansätzen markieren würden; vgl. Copjec 2004; vgl. Kap III), beinah austauschbar: Es handelt sich dann um zwei Weisen »of avoiding how to confront the existence of a subject other than the so-called neuter and universal subject of Western culture« (Irigaray 2004, S. viii).62 Die Kritik an Theorien ›diskursiver Konstruktion‹ erweitert sich quasi um die lacansche Psychoanalyse; nach Hollywood misstraut Irigaray sowohl der (Lacan attribuierten) Behauptung, dass Weiblichkeit nur eine Frage des Diskurses und ihr Ort von jedem einnehmbar ist, als auch der Sprache als Domäne des – männlichen – sprechenden Subjekts (vgl. in anderem Kontext: Hollywood 2002, S. 196). Der Gestus, der sich daraus ergibt, kann der eines entgegnenden ›Trotzdem‹, eines ›Dennoch‹ sein. Die Frau existiert nicht? »Dennoch, Es spricht die Frau [Pourtant, la femme, ça parle]. Aber nicht ›ähnlich‹, nicht ›gleich‹ […]. Es spricht ›flüssig‹ […]« (Irigaray 1979, S. 115; 1977, S. 109).63 Das flüssige Sprechen wird so nicht nur der ›männlichen‹ Sprache, sondern auch lacanschen Konzepten entgegengestellt, Irigaray stellt sich der NichtExistenz der Frau entgegen. Und dennoch: Es ergibt sich potentiell eine gewisse Nähe im Sprechen. Es ließe sich z.B. anführen, dass Lacan eher 62 | Vgl. auch: »The domination of that language [›always-already engineering the body‹] means that the sexual relation is as non-existent as Woman […]« (Irigaray 1997b, S. 86). 63 | Nach Hollywood: »By reconfiguring subjectivity through a female morphology, the seemingly inescapable movement between ›the all‹ and the ›not all‹ will be surpassed in a subjectivity of fluidity and openness to the other« (2002, S. 182).

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den bestimmten Artikel »die« – »indicating the whole genus« – als »Frau« negiert (Gu 2002, S. 247)64 – was durchaus zu Ähnlichkeiten mit Irigarays Aussagen von einer Nicht-Definierbarkeit der Frau führt (vgl. Irigaray 1979; Gu 2002, S. 259). Beide Theorien denken in meiner Lesart sexuelle Differenz – wenn auch verschieden und veränderlich – weder einfach als entweder sex oder gender (vgl. auch Kap. III),65 beide versuchen, durch eine Art ›weiblicher‹ Ökonomie und ein entsprechendes Genießen eine andere als phallische Logik zu denken66 und arbeiten auf ihre Weise mindestens partiell Vorstellungen von Unerreichbarkeit entgegen. – Und wenn Irigaray, wiederum auch im Unterschied zu Formulierungen eines der Sagbarkeit allzeit entzogenen ›Weiblichen‹, auf einer Verbindung von Sprechen und Lusterleben der Frau insistiert, insofern es hier die Sprache der Lippen ›selbst‹ ist, die berührt, dann begibt sich parler-femme auf den durchaus an lacansche Deutungen anschlussfähigen Pfad eines Erregt- oder eben Berührtseins im Sprechen.67 Diskurs einer Berührung also68 – und mit diesem eine Erregung und eine Materialität des Sprechens; auch hier thematisiert sich ein Genießen des sprechenden Körpers, das eine absolute Differenz von Sprache und Körper unmöglich macht. Berührung kann bei Irigaray »als Schlüsselbegriff für ein unhintergehbares Ineinandergreifen von Körper und Sprache« gelesen werden – der Körper »ist Teil des Diskur64 | »Es gibt nicht Die Frau, bestimmter Artikel, um zu bezeichnen das Universale. Es gibt nicht Die Frau, denn […] ihrem Wesen nach ist sie nicht alle« (Lacan 1991b, S. 80; vgl. auch Anm. 61 des vorliegenden Kapitels). 65 | – Worauf im Falle Irigarays auch die ausführlichen Essentialismusdebatten verweisen (vgl. dazu Schor 1992, Chanter 1995 …). »As far as the debate over sex and gender, I think we should make every effort to understand one another better reciprocally, to make sure we use the same terms, and to overcome the stereotypes that emerge even among the thought of women. Essentialism offers one such instance, deriving from a theoretical confl ict which is contained within that traditional order of philosophical discourse which I have from the beginning worked to deconstruct critically«, heißt es 1996 bei Irigaray (2000, S. 141). 66 | Bei allen Differenzen oder Ambivalenzen: »Feminine jouissance cannot be referred to by the sameness of the phallus« (Gu 2002, S. 253). 67 | Wobei die jouissance ›of the Other‹ auch im Sinne einer »utter alienation« daherkommt (Žižek 2002, S. 59f.). – Vgl. dann wiederum auch: »[T]he feminine subject is (wholly) alienated in the symbolic in such a way as to have a different relation to its limit« (Barnard 2002b, S. 178). 68 | Wobei auch noch »die Motive des ›Sich-Berührens‹, der ›Nähe‹« auf ihre möglichen Tendenzen, »das Weibliche dem Diskurs anzueignen«, zu befragen wären (Irigaray 1979, S. 81). »[I]soliert als solche und auf Aussagen reduziert« könnten sie tatsächlich als ein solches Unterfangen gelten (ebd.) – es bedarf immer auch einer Arbeit an der Sprache (vgl. ebd.).

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ses selbst« (Postl 2001, S. 127) – und gerade unter dem Gesichtspunkt von Materialität und Sprache wäre das Projekt parler femme (auch mit Bezug auf Genderdiskussionen) zu rehabilitieren (vgl. ebd., S. 117f.). Was in Irigarays »Wenn unsere Lippen sich sprechen« spricht, sind eben zunächst die sich quasi in direkter Rede artikulierenden, mit der ›Autorinstanz‹ des Textes identifizierten Lippen – eine Instanz und eine Rede, die sich zugleich diversifiziert: »[D]eine Sprache […] kommt gleichzeitig von überall her. Du berührst mich überall gleichzeitig« (Irigaray 1979, S. 215). – Wenn das von Irigaray vorgeschlagene Modell der zwei Lippen Körperbilder variiert und bereitstellt, die sich von traditionellen Repräsentationsformen unterscheiden (vgl. Gürtler 1997, S. 121), dann wiederum nicht allein auf der Ebene des Ausgesagten, sondern auch durch eine »insistent material language« (Whitford zit.n. ebd.),69 die einen körperlich angehen kann. Diese Sprache »could well be designed […] to make it difficult for readers to take up the distanced stance they would normally adopt when reading a work of theory or philosophy« (ebd.). Nicht nur wird der Status der gewählten Metaphern nicht selten im Unklaren gelassen, sondern es wird gewissermaßen versucht, statt Körper einfach zu negieren oder zu ›metaphorisieren‹, ein ›Physisches‹ in die Rede aufzunehmen (vgl. dazu Schällibaum 1991) – und es lässt sich sagen, dass »Wenn unsere Lippen sich sprechen« ein Changieren zwischen einem ›Materiellen‹ und einer Verweisung bzw. ein Sich-Öff nen auf eine ›korporale‹ Dimension rigoros in Szene setzt. In dieser Spannung erzeugt der zugleich überkomplex und naiv erscheinende ›Diskurs des Körpers‹ in jedem Fall seine eindringliche Kraft – und bringt einen bisweilen in die Nähe dessen, was man lieber »auf Distanz« (Žižek 2001) gehalten hätte.70 Die ›wörtliche Rede‹ der Lippen vermag in ihrem grenzenverwischenden Operieren aufdringlich zu wirken – als ob die Worte korporale Prozesse nicht allein schildern, sondern die Körper eindringlich be- und durchsetzen, oder: als ob zugleich beschworen wird, was geschrieben steht, wenn z.B. von einer ›Ausdehnung‹ »unsere[r] Körper« durch »unser gemeinsames Lustempfinden« die Rede ist (Irigaray 1979, S. 220). – »Und wenn Ihr zufällig den Eindruck habt, noch nicht alles verstanden zu haben, dann

69 | Über die (›weibliche‹) andere Beziehung zum Anderen (im lacanschen Modell) wiederum heißt es: Sie »both exhorts from and returns to the Law a certain strange corporeality« (Barnard 2002b, S. 179). 70 | Irigarays Texte setzen sich einer Wirkung aus, die in dem, was anzieht, im nächsten Moment abstoßend sein kann; nicht selten ist man (zumindest aus der zeitlichen Distanz einiger Jahrzehnte) auch peinlich berührt: »Weine nicht. Eines Tages wird es uns gelingen, uns zu sprechen. Und das, was wir sagen werden, wird noch schöner sein als unsere Tränen. Ganz flüssig« (Irigaray 1979, S. 222).

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laßt doch Eure Ohren vielleicht ein wenig offen für das, was sich so nahe berührt, daß es Eure Diskretion darüber verwirrt« (Irigaray 1979, S. 123). Und weiter: In lacanscher Terminologie und Theorie ist das die Frau bildende Symbolische voller Inkonsistenzen – und in diesem Sinne der Andere hier nicht-existent; »Frau ist das Produkt von lalangue«, wie es bei Copjec heißt (2004, S. 258; vgl. Kap. III) – und lalangue ist ein durch die Inkonsistenzen des Symbolischen produziertes Reales (vgl. Cremonini 2007b; s.o.). Die Struktur des ›weiblichen‹ Subjekts legt letztlich offen, wie die Konsistenz des Symbolischen bzw. seiner Kluft zum Realen für eine ›destabilisierende‹ Wirkung dieses Realen anfällig ist (Barnard 2002b, S. 179). Während die trennende Kluft zum Realen innerhalb des ›männlich‹ strukturierten Universums mit der von außen eingeführten Ausnahme gilt oder hält (vgl. ebd.), funktioniert das Symbolische in der ›weiblichen‹ Struktur eben ohne die konstitutive Illusion einer solchen Ausnahme als Grenze und somit nicht als Anderes des Realen: Ein solches Symbolisches »hat Bezug zum Mangel im Anderen, ist ein nicht totalisierbares Feld, wodurch der Zugang zum Realen nicht jenseits, sondern im Symbolischen bzw. als Symbolisches sich ereignet (Cremonini 2007b, S. 149, vgl. S. 147): »[T]he symbolic becomes, in a sense, real« (Barnard 2002b, S. 179).71 Wenn Irigaray auf das Reale explizit Bezug nimmt,72 dann gelegentlich in einer wiederum Lacan auch gegen sich selbst wendenden Weise: »›Die Frau existiert nicht‹? Im Hinblick auf die Diskursivität […]. Von daher jene mit Stummheit geschlagene Instanz, die jedoch in ihrem Schweigen beredt ist: das Reale« (Irigaray 1979, S. 115).73 In diesem (oben z.T. bereits angeführten) Zitat nimmt Irigaray eine Nähe des ›Schicksals‹ der Frau und 71 | Zur Problematisierung des lacanschen Begriffs des Realen vgl. Cremonini 2007. 72 | In einem (auch Lacan namentlich benennenden) Text heißt es: »There is no question of underestimating the real if […] we interpret its effects« (Irigaray 1997b, S. 86, Zitat umgestellt I.H.). »Just ask yourself whether the real might not be some very repressed-censored-forgotten ›thing‹ to do with the body« (ebd.). 73 | Irigaray spricht auch von einer Unterwerfung unter das »unerbittliche[n] Schweigen eines unabänderlichen Realen« bzw. von einer »Unterwerfung des Realen unter das Imaginäre des sprechenden Subjekts« (Irigaray, 1979, S. 108, S. 102). – Wenn Irigaray das lacansche Konzept des Realen kritisiert, dann hat sie ein imaginäres Reales im Visier, d.h., folgt man Hollywood, eine Art ›männliche‹ Verwechslung des Realen mit dem ›weiblichen Imaginären‹ (dem weiblichen Geschlecht als Ort des Horrors und der Faszination) (vgl. Hollywood 2002, S. 194, S. 209). Doch eine solche Kritik würde kaum auf Konzeptionen des Realen als innere Grenze des Symbolischen zutreffen (vgl. Copjec; vgl. Kap. III),

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des Realen an bzw. eine ›Identifizierung‹ des Realen mit dem, was zum Verstummen gebracht ist, vor. Geht es folglich darum, dieses ausgeschlossene und vorausgesetzte oder in Anspruch genommene ›Reale‹ zum Sprechen zu bringen, dann richtet sich die Bewegung hier einer ›Vereinnahmung‹ durch die ›gleiche‹ Sprache entgegen, ohne auf ein (miteinander) Sprechen zu verzichten (vgl. Irigaray 1979, S. 221f.). Sie richtet sich darauf, »eine Sprache [zu] erfinden« (ebd., S. 220) und darin die Bewegungen jener Körper »ohne feste Ränder« (ebd., S. 221) einfließen zu lassen. Solche Versuche, in einer Form ›ausnahmslosen‹ Eintauchens ein ›Symbolisches‹ denkbar zu machen, das nicht auf einer ausgegrenzten ›Stummheit‹ beruht, sprechen gleichsam eine Sprache, die an das ›Real‹-Werden des Symbolischen (in dem dieses nicht mehr als abgetrenntes Anderes erscheint) angeschlossen werden kann74 – und geben ihm zugleich die entscheidende Wendung: Bei aller Nähe zu lacanscher Theorie geht es hier eben nicht allein um einen anderen Bezug zum – offenkundig inkonsistenten, unvollständigen – Anderen, aus dem sich ein Sprechen-Genießen ergeben kann, sondern stärker darum, aus der Öffnung zum Realen hin ein anderes Sprechen für das Genießen zu entwerfen, was nicht das gleiche ist.75– »[V]on Liebe zu sprechen« ist »an sich ein Genießen« (Lacan 1991b, S. 91)76 – »Wie aber anders sagen: ich liebe dich?« (Irigaray 1979, S. 213).

die der Annahme eines anziehenden oder abstoßenden ›Anderswo‹ entgegenarbeitet. 74 | Bei Campbell heißt es in anderem Zusammenhang auch, »Irigaray is challenging the opposition between the real and the symbolic within Lacan’s work […]. As a potential female symbolic, the female imaginary traverses the gap between the sensible and the transcendental connecting the female body to language in a relationship which is ›neither one nor two‹« (Campbell 1997, S. 45); oder es ist die Rede von »a female imaginary which will mediate between real and symbolic, connecting the experiential and sensual relation to the mother’s body with cultural representation and subjectivity […]« (ebd., S. 55). – Ich denke eben, dass sich eine bestimmte Herausforderung der Gegenüberstellung von Realem und Symbolischem durchaus auch mit lacanschen Ansätzen ent wickeln lässt. – Auf die Frage des mütterlichen Körpers gehe ich hier nicht weiter ein. 75 | Es geht hier eben darum, nicht weiter in der gleichen Sprache zu sprechen, nicht gleiche … »Diskussionen, gleiche Auseinandersetzungen, gleiche Dramen« zu reproduzieren, gleiche »Reize und Brüche«, gleiche »Schwierigkeiten, Unmöglichkeiten sich zu verbinden« … (Irigaray 1979, S. 211). 76 | Dies ist hier bezogen auf das, was der analytische Diskurs beizutragen hat (vgl. Lacan 1991b, S. 90f.).

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Ausblick Die Lektüre hat eine Vorstellung ›weiblichen‹ (Sprechen-)Genießens voller Ambiguitäten, Spaltungen und Durchkreuzungen in und zwischen den Texten und Positionen gegeben. Meiner – in diesem Sinne ›weiblichen‹ – Lesart zufolge sind dabei zunächst die genauen Grenzen der je inkonsistenten irigarayschen und lacanschen Konzepte kaum klar zu ziehen – wenngleich die nicht selten wütend-spöttische Redeweise Irigarays77 dieses ›Berühren‹ manchmal schwer wahrnehm- oder vertretbar macht. Irigaray legt nicht die das ›Triebsubjekt‹ (vgl. Kap. III) kennzeichnende ›Gleichgültigkeit‹ gegenüber autoritativen Instanzen, eher schon ›hysterische‹ Züge an den Tag. Angesichts der unzweifelhaften Unzulänglichkeiten gegebener Ordnungen und Ökonomien, und auf einer Differenz insistierend, wird von einem wenig greif baren Standpunkt aus ein ›väterlicher‹ Meister gesucht, um diesen auf gewisse Weise meisterlich zu beherrschen (oder auch gekonnt zu ›kastrieren‹). Wie sich aus ihrer Lektüre des Höhlengleichnisses ergibt: »Man wird dem nicht entkommen, worin man gefangen war« (Irigaray 1980; s.o.). So bleibt Irigaray in der Weise ihres Sprechens auf die ›väterlichen‹ Autoritäten, mit denen sie umspringt (z.B. auf Platon oder Lacan), bezogen78 – nicht ohne den Mangel im Anderen ›spürbar‹ zu machen.79 Was den Status des ›Weiblichen‹ angeht, dessen Ambivalenz diese ›verführte‹ und verführende Textpraxis etwa in Lacans Formulierungen genau aufzuspüren vermag, so bleibt dieser auch bei Irigaray – durchaus konzeptionell – selbst schillernd und schwer zu verorten.80 Festzuhalten wäre je77 | Oder umgekehrt auch Irigarays Ausschluss aus einer lacanschen Institu-

tion … 78 | Ist Irigaray »a woman who is most profoundly identified with masculine authors, a more profound identification than we have ever seen, we might say ...«? (Butler in Cheah/Grosz 1998, S. 38) 79 | »[…] [T]he hysteric represents a contestation and disruption of the Master’s Discourse. She represents its moment of failure because she reveals its cost. However, Lacan argues that the position of the Hysteric resolves itself in a demand to the Master […].« Und: »The hysterical analysand exposes the castration of the Master, but she does not dislodge him from his position of mastery« (Campbell 2004, S. 78). – Irigaray schreibt: »In der Hysterie gibt es immer gleichzeitig eine potentielle und eine gelähmte Kraft« … (1979, S. 144). 80 | Hollywood etwa erwähnt (mit Bezug auf Whitford) Irigarays »ambivalence with regard to the category ›woman.‹ On the one hand, Irigaray wants to keep the term radically open; on the other she seems to argue that woman can be/must be defined« (Hollywood 2002, S. 343, Anm. 38). Zum schillernden Konzept sexueller Differenz/Frau vgl. z.B. auch Burke/Schor/Whitford 1994, Deutscher 2002 oder Irigaray 2004.

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doch, dass sie, in Relation zu lacanschen Ansätzen, den notwendigen Blick auf dessen Dimension als kulturell ausgeschlossene Möglichkeit verstärkt (ohne das sexuelle Differente einfach in einem ›Außen‹ zu verorten) (s.o.) Was wiederum auch eine Bezeichnungspraxis als ›weiblich‹ potentiell mindestens partiell plausibel macht. Zugleich heißt das hier auch, dass sexuelle Differenz – anders als bei Lacan – schließlich in einer Art Positivität erscheint (s.o.).81 – Wenn es kein Geschlechtsverhältnis als solches gibt, dann heißt das nach Irigaray, wie gesehen, zunächst, dass es der Diskurs in der Ökonomie seiner Logik nicht fassen kann; doch zu sagen, dass es kein mögliches Geschlechtsverhältnis gibt, »heißt das nicht, zu unterstellen, daß man aus diesem Logos nicht herauskommt […]«? (Irigaray 1979, S. 103) Irigaray hält nicht bei der Unmöglichkeit dieses Verhältnisses an, wagt sich an ein Schreiben des ›Weiblichen‹ und »mobilizes the trace to ›positive‹ ends« (Weed 1994, S. 100)82 – m.E. schließlich auch über eine »positivity of the failure of sexual relation«, in deren Richtung man auch Lacans Encore lesen kann (Ziarek 1999, S. 7), hinaus. Irigarays Arbeit ist mit einer Kritik einer ›mono-subjektiven Kultur‹ und mit einer Vision oder Anlage einer oder zweier anderer kultureller Ordnungen befasst (vgl. Irigaray 2004, S. viii; vgl. Whitford 1997, S. 12). Ohne hier eine ›Vorher/Nachher-Logik‹ etablieren zu wollen (eine Form der Polarisierung oder ›Spaltung‹, die – angesichts einer nicht ›lösbaren‹ Konstellation – eine ›beschwichtigende‹ und ›normalisierende‹ Funktion übernehmen kann),83 lässt sich doch eine oft bemerkte Verlagerung in ihren Schriften und deren Spektrum aus aneignenden und dialogischen Praktiken konstatieren. Irigaray hat es von Anfang an vorgezogen »not to make sense […] ›[u]ntil the ear tunes into another music‹ [Irigaray]« (Burke 1994b, S. 251). Sodann ist der rätselhafte Ton vorangegangener Schriften einer prophetischen Stimme gewichen, »one that spells out its vision rather than trying to enact it« (ebd., S. 257).84 Whitford zufolge zeigt sich bei Irigaray eine Bewe81 | Damit ist auch eine Differenz zur Dekonstruktion etabliert. 82 | Es lässt sich sagen, dass jeder der ›positiven‹ Ausdrücke – ob Lippen

oder Flüssigkeiten oder Frauen oder Geschlechtsverhältnis … – »bears the trace of its history – both its discursive history through other texts of the culture and its deconstructive history as a term that is posited, reversed, and ›caught up again in the supplementarity of its reversal‹ [Irigaray]« (Weed 1994, S. 101; vgl. Irigaray 1979, S. 82). 83 | Vgl. in anderem Zusammenhang Shepherdson 2000, S. 57ff. 84 | Irigaray »now states, rather than evoking indirectly, and spells out instead of alluding […]. The result is […] that her later work is in some ways as difficult to understand as her earlier work, for the simplified statements cannot simply be taken at face value. Their meaning depends on the complex analysis and infrastructure of the earlier work«, so Whitford (1997, S. 11f.). – Spätere Arbeiten lassen sich auch vor dem Hintergrund eines Performativitätskon-

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gung »from the stress on unbinding, or undoing (e.g., undoing patriarchal structures) to a stress on binding (e.g., constructing new forms of sociality)« (Whitford 1994b, S. 381). Der in Speculum wirksame ›philosophische Terrorismus‹ »has given way to an apparently more law-abiding concern with citizenship and rights, in which the central political concept is love between the sexes« (ebd.).85– In einigen späteren Arbeiten eröff net Irigaray zwei verschieden strukturierte Subjektivitäten und eine Kultur der Liebe und des Respekts, gegründet auf sexueller Differenz. »What remains is to put these two subjective realities into relation one with the other« (Irigaray 2004c, S. 71).86 Appropriating one another – d.h. »to render something one’s own« (Deutscher 2002, S. 75) –, soll ersetzt werden durch approaching each other (Irigaray 2004b, S. 5), ohne Bemeisterung bzw. Subjekt-Objekt-Dichotomie.87 – Bei allen eingeschriebenen Potentialitäten offeriert Irigarays Arbeit zuweilen ein »ideal image of a mediated, peaceful, loving, differentiated, and nonhierarchical relationship between self and other« (Deutscher 2002, S. 186) und evoziert – bei wiederum allen aufgeworfenen Fragen und Differenzierungen88 – eine Art von Vision, die ein lacanscher Ansatz zepts lesen (vgl. v.a. bezogen auf Irigarays program for sexuate rights: Deutscher 2002). Zu den späteren Arbeiten Irigarays und deren Relation zu den früheren Schriften vgl. etwa auch Cimitile/Miller 2007. 85 | – Nach Whitford geht es mit Irigaray darum, imaginäre patriarchale Formationen aufzubrechen, um etwas Neues, eine neue Formation entstehen zu lassen, die dann aber wiederum selbst problematisch wird. »The harmonious sexual relationship could equally well become the image of satisfaction, and absence of contradiction, and then one would expect the conflict that is expelled from the imaginary to return elsewhere« (Whitford 1994b, S. 394). 86 | Es wäre nicht die Unterordnung unter das Gesetz des Vaters, die der Frau ermöglicht, eine Subjektivität zu entwickeln oder sie selbst zu werden, sondern die Anerkennung des anderen als anderen. »This cultural becoming of the woman will then be able to help the man to become man, and not only master and father of the world, as he has too often been in History« (Irigaray 2004d, S. 27). 87 | Greift man die oben angeführte Frage »Wie aber anders sagen: ich liebe dich?« (Irigaray 1979, S. 213) wieder auf, so kann die Antwort nun etwa lauten: ich liebe zu dir, j’aime à toi, statt ›je t’aime – denn mit dem à wäre der »Ort einer Transzendenz zwischen uns« markiert (Irigaray 1997c, S. 94; vgl. auch Irigaray 1992). Und gerade die »zwischen uns« bestehende Differenz, die zuerst durch ein ne…pas erfahren wird – »ich bin und ich werde niemals du sein, du wirst niemals mein sein« (Irigaray 1997c, S. 90) – müsste »uns dazu bringen […], miteinander zu sprechen« (ebd.). Oder, stärker noch: Das ne … pas »erlaubt mir und zwingt mich, zu dir zu sprechen« (ebd., S. 94). 88 | »Certainly, we can interpret this ideal in many ways. For example, it

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notorisch verweigert.89 Nicht ohne Ausschlüsse, werden in einer solchen wohl auch ›brutale‹ Aspekte in Beziehung und Subjektivität tendenziell ins Abseits gestellt, wie sich mit Blick auf das nächste Kapitel anfügen lässt. Eben Aspekte von Gewalt und Aggression – die sich wiederum in Irigarays Autoritätsanalyse und v.a. in Seiten ihres (oben ausgeführten) Schreibens bereits angekündigt haben90 – sollen nun also in den folgenden Ausführungen zu Artikulations- und Handlungsfragen stärker in den Vordergrund treten. Zunächst werde ich mir Louise Bourgeois’ The Destruction of the Father (1974) vornehmen – und damit wieder ein Höhlenszenario und eine andere aus einem ›väterlichen‹ Ausschluss (und den daran geknüpften Phantasien) resultierende ›töchterliche‹ Handlungsmacht, in der sich Sprache und Körper zuweilen überlagern: Der Weg führt mich gleichsam von sich küssend-sprechenden Lippen zum Körper-Worte essen und von einem philosophischen ›Terrorismus‹ (s.o.) zu einer brutalen künstlerischen Intervention.

can be seen as emphasizing the impossibility of such a relationship. Perhaps it acts to provoke us to reflect on the reasons for this impossibility. We may also wish to ask whether it is the right ideal« … (Deutscher 2002, S. 186). 89 | Es ergeben sich Differenzen zu Copjecs Beispielen ›unerwiderter‹ Liebesbeziehungen (vgl. Kap. III) und zum nicht alle. – Vgl. dann wieder Ziarek, die u.a. über die Wege schreibt, »in which Lacan’s Encore opens beyond its own formulations of jouissance and sexual relation and points beyond the logic of desire toward the non-appropriative relation which Irigaray redefines in terms of wonder« (1999, S. 4 – Ziarek bezieht sich u.a. auf Irigarays Ethik der sexuellen Differenz). 90 | Vgl.: »In a certain way, what always attracted me to her work was that she stood face-to-face with key texts, revered texts, and said ›I dare you‹, and attacked when they did. She wasn’t afraid of mobilizing a certain kind of violence in the sphere of the intellectual where it was never given over to women to have« (Grosz in: Cheah/Grosz 1998, S. 38).

V. ›Brutale‹ Inter ventionen: The Destruction of the Father (Louise Bourgeois)

Zu sehen ist eine Höhle: In rötlichem Licht zeigt die in die Wand eines verdunkelten Raumes eingelassene Installation ein feierliches, einigermaßen erschreckendes Arrangement langrunder Klumpen, die den Boden bevölkern und von der Decke hängen.

Abbildung 1: Louise Bourgeois: The Destruction of the Father 1974, Gips, Latex, Holz und Stoff, 238 x 362 x 249 cm.

Das Kernstück bildet ein geschwungenes tisch-, altar- oder auch bettähnliches Gebilde, auf dem sich eine Vielzahl kleinerer Objekte in Form von Kugel- und Fleischsegmenten – Abgüsse von Tiergliedmaßen – befi nden. Das Zusammenspiel aus Farben und Formen evoziert Bilder von Verzehr, von Verdauungsvorgängen wie das Bild eines »large open mouth with huge gapped teeth, the tongue exposed« (Leffingwell 1999). In der Szene des menschenfressenden Festmahls ähneln die Klumpen und eindrücklichen Hubbel also auch den Zähnen einer Art riesigen Mauls oder einer vagina dentata, »with the both grisly and obscene humour of this sculptural double-

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entendre being central to Bourgeois’ meaning« (Storr 2004, S. 66). – In diesem »kannibalistische[n] Schaufenster« (Kellein 2006, S. 16) scheinen sich Ausgangssituation, Stationen des Prozesses und Überreste eines Vorgangs des Verschlingens gleichsam zu überlagern.

»Take your seat at the Bourgeois table; we’re dining on Daddy tonight!« 1 Als erster Einstieg in diese Arbeit und dieses Kapitel soll mir hier eine Zusammenziehung künstlerisch-theoretischer Kommentare dienen. Zunächst ist festzuhalten, dass Bourgeois in Selbstaussagen und detailreichen biographischen Angaben (der Status solcher Äußerungen bleibt zu befragen) »unaufhörlich betont« hat, »wie sehr sie während der Kindheit an den Abweisungen durch ihren Vater gelitten hat, bis sie 1974 mit The Destruction of the Father den Konflikt zum Thema einer Installation machen konnte« (Fricke 2003, S. 21). Über diese folglich konfliktgeladene, »ganz und gar mörderische Arbeit« (Bourgeois 2001, S. 125) dann hat die Künstlerin etwa folgendes zu sagen: »Da ist dieser Eßtisch, und man sieht, daß etwas los ist. Der Vater setzt sich in Szene, erzählt dem gefangengesetzten Publikum, wie großartig er ist, welche tollen Dinge er getan hat, wie er wieder einmal all die schlechten Leute zurechtgewiesen hat. Und das wiederholt sich Tag für Tag. Bei den Kindern wächst der Groll. Es kommt der Moment, in dem sie wütend werden. Eine Tragödie liegt in der Luft. Er hat sein Spiel einmal zuviel gespielt. Die Kinder packten ihn und legten ihn auf den Tisch. Und er wurde zur Nahrung. Sie zerteilten ihn, zerstückelten ihn. Aßen ihn auf. Und so war er beseitigt. Es ist – wie Sie sehen – ein orales Drama! Die Verärgerung entstand durch seine ständigen verbalen Beleidigungen. Und so wurde er beseitigt, wie er seine Kinder beseitigt hatte« (Bourgeois 2001, S. 124f.).

Diesem zunächst aus Betrachterinnenperspektive formulierten, freilich mit ›Insider‹-Informationen gespickten Bericht zufolge richtet sich die kannibalistische Attacke gegen einen sich impertinent in Szene setzenden, die anderen für seine ›Größen-Ergüsse‹ benutzenden, despotischen Vater. Anders als etwa im freudschen Urvatermythos ist in der hier geschilderten Situation das eigentlich Tyrannische, welches zur amokartigen Vernichtungstat führt, die väterliche Rede, die andere zum Schweigen bringt,2 1 | Wagner 1999, S. 6. 2 | Vgl. derweil die Erzählung des durchaus auch ›körperlichen‹, auch ›vä-

terlichen‹ Betrugs: »Sadie […] war als meine Englischlehrerin angestellt. Ich

V. ›B RUTALE ‹ I NTERVENTIONEN : THE D ESTRUCTION

OF THE

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und beim Sprössling Louise nicht so sehr ein Verlangen nach einem anderen Sprechen zu bewirken scheint, sondern eher nach oral-sadistischer Macht und Lust verlangt (vgl. Nixon 1995, S. 74). Die Phantasie, das väterliche Fleisch zu konsumieren, verdoppelt in dem Verlangen, seine – selbst quälend-vernichtend wirkenden – Worte zu essen, soll ihn gleichsam zum Schweigen bringen (vgl. ebd.); die gewaltsame Aufnahme in feierlicher Raserei changiert zwischen symbolischer und korporaler Sphäre. Bourgeois hat sich nicht nur zur ›Destruktion des Vaters‹, sondern auch verschiedentlich ablehnend gegenüber Lacan geäußert: so heißt es, dieser sei ein – charmanter und eloquenter – »Quacksalber« oder »Taschenspieler«. Ihm sei wie allen zu misstrauen, die »mit den eigenen Worten gurgeln« [ils se gargarisent avec le mots] (Bourgeois 2001, S. 249 und S. 213).3 Wie übrigens auch Freud und Breton gleicht Lacan nach Bourgeois »meinem Vater: so viele Versprechen und keins gehalten« (Bourgeois 2001, S. 249f.). Es heißt (in einer gewissen Spannung zu so mancher Performanz eigener Kommentierungen): »Freud und Lacan waren an Worten interessiert. Das funktioniert für mich nicht« (Bourgeois 2003, zit.n. Kellein 2006, S. 16). Man könne mit Worten »alles sagen« und fortwährend lügen (Bourgeois 2001, S. 250, vgl. S. 18; vgl. u.) – dem wird quasi die Verarbeitung oder Wiedererschaff ung von Erfahrung gegenübergestellt (bei der man eben nicht lügen kann oder darf) bzw. auch eine ›Konkretheit‹ oder (nicht ›beschreibende‹) Formensprache: »Ich bin eine ganz konkrete Frau. Die Formen sind alles« (Bourgeois 2001, S. 213, vgl. S. 250, S. 18). Liest man in einer Art spekulativer Verschleifung durch Bourgeois’ (zeitlich auseinander liegende)4 Kommentare hindurch, dann werden in The Destruction of the Father nachträglich auch ›Vater Lacan‹ mitsamt den zunächst viel versprechenden, dann aber gegurgelten Worten verschluckt; der Platz der ›ganz konkreten Frau‹ wiederum kann in der Rezeption in gewisser Weise von Melanie Klein eingenommen werden. Scheint diese meinte, sie würde mich gern haben. Statt dessen betrog sie mich. Ich wurde nicht nur von meinem Vater, sondern auch von ihr, verdammt noch mal, hintergangen. Es war doppelter Betrug. […]« (Bourgeois 2001, S. 147). 3 | Vgl. wiederum auch jene »legend of The Mistress, the emotional rival whom Louise hated, and of The Father, who was charming, unfaithful and casually cruel but whom she loved […]« (Storr 2004, S. 39). – Oder dann wiederum: Lacan (neben anderen) als eine von jenen »ridiculous Don Juan macho father figures (Don Juan macho figures have miserable endings. Wisdom is with me). They have all motivated my work. I had a bone of contention with each one of them and I am out to call their bluff and still am« (zit. in Morris 2007, S. 127). 4 | Dieses vielleicht gerade mit Blick auf die Künstlerinnenkommentare wieder nicht ganz ›saubere‹ Verfahren (s.u.) soll hier als Auftakt und Einstieg dienen.

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nicht eine Phantasie- und Erfahrungswelt jenseits des täuschend-enttäuschenden ›Sprach-Lacan‹ zu verkörpern? Tatsächlich ist Klein von Nixon als mögliche Übertragungsfigur für Bourgeois gelesen worden (vgl. Nixon 2005, S. 269) – und die künstlerische Arbeit letzterer im Umfeld einer Wende von Lacan zu Klein: Deren Rezeption, so Nixon 1995, habe dazu beigetragen, »that the Kleinian model has recently been taken up and employed critically by a number of artists in relation to 1970s and ’80s Lacanian-based work« (Nixon 1995, S. 75).5 Standen vormals (durchaus wichtige) Begehrensfragen, semiotische Körperanalysen u.ä. im Vordergrund, so hätten sich gerade in der feministischen Szene Verlagerungen hin zur Erforschung von Trieb oder Aggression etc. vollzogen (vgl. Nixon 1995).6 Von einem Return to Klein ist dabei auch außerhalb der Welt der schönen Künste die Rede – schien der Zugang zu Klein in den Humanities, durch eine »post-Lacanian orthodoxy« lange versperrt, wie Rose bemerkt (1993, S. 139), so konstatiert Scott 1990 »an explosion of cultural and feminist interest« an der Arbeit Kleins (»or so it feels«) (Scott 1990, S. 128); Stonebridge zufolge geht »the ›return of the real‹« mit der Rückkehr zu Klein einher.7 Deutet sich hier eine mögliche Konvergenz der Theorielinien an, so wird die Kleinzugewandtheit zuweilen auch als eine Abwendung von lacanschen Konzepten beschrieben. Auch wenn in diesem Kapitel weniger

5 | Nixon hält fest, dass es nicht um »a fi xed temporal or theoretical divide between body-centered feminist projects of the 1970s and ’80s and those of the 1990s« geht. »[I]n fact, feminist art practices of both periods are extremely diverse. But there does appear to be a shift away from a semiotic analysis of the body of pleasure and desire to an object-relations analysis of the body of aggression and the death drive in some recent work […]« (Nixon 1995, S. 73). – Vgl. dazu Nixon 2005: »First in the 1970s and then again in the 1990s, a turn to the drives in feminist-based art prompted a rethinking, a recasting, of the seemingly disparate artistic traditions that are marked by the part-object. Art objects as part-objects, again, then. But with this difference: when the part-object returns as a logic of artistic practice in the 1990s, it returns to contest a new, feminist orthodoxy, the Lacanian symbolic« (S. 264f.). Und: » [I]f the part-object appears to return in recent art, it returns having been there all the time, running like an ›insistent thread, a sustained subtext‹ [Michelson] through modernism and postmodernism« (ebd., S. 265). 6 | »[A] significant body of recent feminist work calls for readings of aggression as complex as the analyses of pleasure and desire offered in Lacanian-based feminist art and critical theory of the 1970s and ’80s« (Nixon 1995, S. 92). 7 | »These ›returns‹ do not amount to the same thing […], but they do cross a similarly negative terrain. Reading Melanie Klein, in other words, need not necessarily be an alternative to post-Lacanian theory, but a different way of approaching the same problem« (Stonebridge 1998, S. 3).

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die Logik von returns im Zentrum steht,8 ist mit Klein und Lacan, Sprechen und Einverleiben das Feld, auf das ich mich begebe, abgesteckt. Auf eben diesem soll es im Folgenden um die leitenden Fragen nach Autorschaft und Handlungsmacht, um Symbolisierungsformen und bildliche bzw. narrative Rahmungen gehen.

Autorschaf tsfragen Um nach diesem Auftakt meine weiteren Ausführungen rund um Louise Bourgeois’ Arbeit The Destruction of the Father (1974) wiederum mit einem Bezug zum Tod des Autors einzuleiten: Wie in der Einleitung skizziert, hat sich in den Autorschaftsdebatten die Frage gestellt, was das Postulat eines solchen ›Todes‹ oder ›Verschwindens‹ für diejenigen heißen kann, die eine vergleichbare Position niemals inne hatten; kann es, metaphorisch gesprochen, einen Tod vor dem Leben geben? Und: Was bedeutet die zeitliche Koinzidenz von erklärtem Autortod und verstärktem Auftreten von Autorinnen? – Nun wurde »[t]he emergence of the woman artist at the very moment when the death of the author was proclaimed« manchmal als eine theoretische Regression ausgelegt, »perpetuating the myth of the artist in another form« (Nixon 2005, S. 273). Dieses Zitat ist Fantastic Reality entnommen, ein Buch, das Mignon Nixon 2005 »Louise Bourgeois and a story of modern art« gewidmet hat. Deren Ausführungen möchte ich an dieser Stelle nicht weiter verfolgen;9 doch die Frage nach einer ›weiblichen‹ Produktion, ohne traditionellen Konstruktionen exemplarischer künstlerischer Subjekte aufzusitzen, wird mich durch dieses Kapitel weiter begleiten. Einmal mehr soll es darum gehen, wie sich das Entstehen einer Handlungsmacht denken lässt, ohne alte Autorschaftsmythen neu aufzulegen. Hinsichtlich fortlebender mythischer Mechanismen geht Nixon Bourgeois’ ›Übertragungsanalyse‹ bezogen auf die ›Mutter-Beziehung‹ bzw. mütterliche Ambivalenzen nach (vgl. ebd.); Jahn beschäftigt sich u.a. mit Bourgeois’ Schwangerschaftsdarstellungen als Ort ›weiblicher‹ Autorschaft, welcher sexuelle Identität eher auflöst als eine neue geschlechtliche Subjektivität bedingt – womit sie letztlich auch den Künstlermythos zur Debatte stellt (vgl. Jahn 1999, S. 250, S. 188ff.). Ich werde hier hingegen (wie 8 | Ich komme auf den Return to Klein aber noch zurück. 9 | Im Anschluss an obiges Nixon-Zitat heißt es weiter: »Bourgeois has

countered this trend in a distinctly psychoanalytic way: by analyzing the transference. Since 1982, the moment of her designation as feminist foremother, Bourgeois’s sculpture has insistently returned to the mother – as a figure of anxiety and ambivalence« (Nixon 2005, S. 273). – Wenn ich dem hier auch nicht weiter nachgehe, so wird jedoch Nixons Rezeption von The Destruction of the Father zentraler Bestandteil dieses Kapitels sein.

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auch schon bei Irigaray) die zweifellos wichtigen Motive des ›Mütterlichen‹ nicht in den Mittelpunkt stellen,10 sondern die Frage nach Künstler(innen) tum und produzierendem Subjekt vor dem Hintergrund meiner Fragestellung von Seiten der ›Handlungsmacht einer Vaterattacke‹ angehen, wie sie eben die bekannte Arbeit The Destruction of the Father von 1974 (vormals: Le Repas du soir) in Aussicht stellt. Damit ist bereits markiert, dass ich mich auf einen spezifischen Moment von Bourgeois’ künstlerischem Prozess konzentriere – ich berücksichtige andere mögliche ›Ant worten‹ darin nicht. Kurz skizziert, stark schematisiert (und ohne dabei einer einfachen Chronologisierung das Wort reden zu wollen) hat die Arbeit Bourgeois’ einen Weg von der Malerei zur Skulptur eingeschlagen, und hier eine Bewegung von zunächst klar vertikalen, v.a. hölzernen Figuren zu neu orientierten,11 zuerst eher ›biegsam-weicheren‹, dann wiederum auch härtere Materialien vollzogen. Weiter sind die Skulpturen zu Architekturen, zu ›Zellen‹ gewachsen und schließlich stehen z.B. ›Mutter-Spinnen‹ oder auch Netze, Textilien, Stoffe auf dem Programm. Über diesen facettenreichen Weg, auch in seinen kunst-kontextuellen Bezügen (z.B. zum Surrealismus) ist viel Ertragreiches geschrieben worden. Mein Interesse richtet sich hingegen – themenbezogen – auf die in The Destruction of the Father eingeschriebenen ›töchterlichen‹ Artikulationen: (Wie) wird mit dieser offenbar vater-demontierenden Arbeit eine Sprechund Handlungsfähigkeit des ›weiblichen Subjekts‹ entworfen? Bourgeois’ Arbeiten werden gelegentlich als Herausforderung von Geschlechter-Strukturen oder ödipalen Narrativen rezipiert – doch sind solche Deutungen keineswegs unumstritten. Die Künstlerin selbst, so etwa Fricke, würde die Vermutung einer »feministische[n] Gegenstrategie zur Macht des Signifikanten (als Differenz zum phallokratischen Denken womöglich?) […] seit immerhin bald vierzig Jahren zumeist mit Humor« ertragen (Fricke 2003, S. 22). »Is She? Or isn’t She?« (Lebovici in Morris 2007, S. 131ff.) Ist Bourgeois Feministin oder nicht? Prominent für meine nun folgende Auseinandersetzung sollen die bisweilen provozierenden Interpretationen Mignon Nixons sein, deren Deutungen Anschlussmöglichkeiten von The Destruction of the Father an meine bisherigen Ausführungen bereithalten (namentlich an die Frage einer von einem Ausschluss her gedachten ›weiblichen‹ Artikulations- oder Handlungsfähigkeit oder auch die Sublimierung). Eine Lesart von Bourgeois wie die Nixons im Sinne eines »distinctive psychoanaly-

10 | Wiewohl ›mütterliche Motive‹ mit Melanie Klein immer auch im Spiel sein werden … 11 | »Where before Bourgeois had worked almost exclusively in wood, she now employed plaster, clay, plastic, and rubber latex. The new pieces were equally heterogeneous in form: a knotted length of plaster-coated tubing, a suspended plaster nest, a molten sheet of poured latex […]« (Nixon 2005, S. 169).

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tic feminism« (Nixon 2005, S. 3)12 hat auch bezogen auf die Psychoanalyse Widerspruch nach sich gezogen: Der Versuch, Bourgeois’ Kunst mit dem psychoanalytischen Vokabular Freuds, Lacans oder Kleins zu erklären, führe »zu einem Circulus vitiosus, denn das Werk spiegelt in seinen zahlreichen Facetten eine Theorie wider, die sich am Ende auf das verbale Vokabular der Künstlerin, mithin einen Teil des Werkes, stützt« (Kellein 2006, S. 16).13 Ist das zu Zeigende in dem Vor(aus)-Gesetzten also schon enthalten? Auch wenn ich nicht, wie hier impliziert, der Ansicht bin, dass eine psychoanalytische Interpretation von Bourgeois einfach deren Aussagen folgt, so sind es doch gerade Aspekte eines Zirkelschlusses im Sinne eines Zusammenspiels – manchmal nah an einem Kurzschluss – aus künstlerischer Arbeit, verbalen (Selbst-)Aussagen (deren Status) und psychoanalytischer Theorie, der mich hier interessiert. »Ich habe immer gesagt, dass die Kunst meine Psychoanalyse ist« (Bourgeois 2003 zit.n. Kellein 2006, S. 16).14 So dient mir die Arbeit The Destruction of the Father – inklusive der (noch zu kommentierenden) Künstlerinnenkommentare, die als teils nachträglich rahmender Bestandteil der Arbeit einbezogen sind – gewissermaßen als Ansatzpunkt, um, ausgehend von deren spezifischer Rezeption, psychoanalytische Positionierungen und damit Modelle von Handlungsmacht zwischen künstlerischer Installation und Psychoanalyse zu erkunden; es handelt sich hier um eine Art des ›Verwendens‹ von nicht mehr ›sauber trennbarer‹ Kunst und Theorie, die gewissermaßen bereits als Teil des Themas gelten kann.

12 | »Any matrix of interpretation for Bourgeois’s art must surely be drawn along the axes of feminism and psychoanalysis. Her art’s determined resistance to patriarchal patterns of genealogy and influence, and its cardinal themes of feminine aggression and desire, demand a political analysis informed by feminism. And its disavowal of formal criteria of consistency and consecutive development, coupled with its intensive focus on the dynamics of sex and violence, point to the work’s psychoanalytic logic« (Nixon 2005, S. 3). 13 | Weiter heißt es dort: »Weder ist Bourgeois’ Œuvre der vorrangige Ausdruck einer Familienneurose, noch handelt es sich allein um Zeugnisse eines ausgeklügelten Feminismus. Es geht bei ihrer Jahrzehnte andauernden künstlerischen Untersuchung um das Entwerfen eines autobiographischen weiblichen Kosmos, dessen Komplexität noch immer unfassbar ist« (Kellein 2006, S. 16). 14 | Und weiter: »Ich muss die Dinge machen. Die physische Auseinandersetzung mit dem Material hat einen heilenden Effekt. Ich muss mich körperlich ausagieren. Ich muss die Objekte in Verbindung zu meinem eigenen Körper sehen. Freud und Lacan waren an Worten interessiert. Das funktioniert für mich nicht. Aber ich habe an der Sublimierung Interesse und am Unbewussten« (Bourgeois 2003 zit.n. Kellein 2006, S. 16; ich habe dies z.T. oben schon angeführt).

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›Vorläufer‹ Bourgeois vollzieht in den 1960er Jahren in eigenen Worten eine Bewegung »from rigidity to pliability« (Bourgeois). Dies zeigt sich etwa in Formgebung und Material. »Whereas her earlier sculpture consisted of vertical figures constructed of wood, her latest work was fashioned from plaster, cement, latex, and plastic-fluid materials that allowed the artist to explore increasingly amorphous physical and psychological states« (Posner 2007, S. 35f.).

– Es entstehen sinnlich-verstörende Arbeiten etwa aus Latex und Gips, Serien von so genannten Lairs und Soft Landscapes – »[m]anche Formen verbleiben in ihrem ersten Zustand als über Drahtgeflechte modellierter Latex, andere werden durch einen Gipsabdruck oder eingelassenen Stoff verfestigt« (Schulte-Fischedick 2003, S. 99 mit Bezug auf Robbins); schließlich finden auch beständigere Materialien (wie Marmor, Bronze) Verwendung.15 Den ›unförmigen‹ Arbeiten mit teils erotischen, fäkalen, eingeweideartigen Konnotationen werden biomorphe Qualitäten beigemessen (vgl. Jahn 1999b, S. 56). Bezogen auf die Produktion ist auch die Rede von der Weigerung, eher eine Form herzustellen, als eine geschehen zu lassen (Raynor nach Nixon 2005, S. 190).16 Etwas wird geschehen gelassen, eine Form stellt sich her – was in Abgüssen u.ä. ein neu überdachtes Skulptur- und ein spezifisches Autorschaftsverständnis impliziert. Robbins Beschreibung des Schaffensprozesses etwa der Lairs zufolge bebt und flattert der Gummi (wie lebendiges Fleisch), der – geschnitten und verklebt – Kanäle, Sehnen, Brücken o.ä. formt (vgl. Robbins 1964 nach Nixon 2005, S. 179). Die künstlerischen Verfahren scheinen in der Beschreibung fast schon »ohne (künstlerisches) Subjekt auszukommen« (Jahn 1999b, S. 61).17 Eher schon deutet sich etwas an, »what might seem least representable in the medium of sculpture«: der Beginn von Subjektivität (Nixon 2005, S. 179). Für Nixon konzentrieren sich etwa Lairs und Latex-Portraits auf die Schnittstelle zwischen innen und außen – und auf den Prozess, durch den das 15 | – »The combination of hard and soft, wet and dry, animates much of Bourgeois’ work […]« (Fer 1999, S. 33). 16 | »The refusal to ›make a shape rather than let one occur‹ [Raynor] […] and the suggestion that a casting mold might count as a sculpture entail an aggressive rethinking of what sculpture might be – and of what the negative of sculpture might be« (Nixon 2005, S. 190). 17 | Bei aller notwendigen Kritik an Naturalisierungsprozessen o.ä. in der Rezeption, teile ich die eher negative Bewertung Jahns, die an dieser Stelle eine »bewußte künstlerische Leistung« (Jahn 1999b, S. 61) ins Spiel bringt, nicht.

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Subjekt entsteht; dieses kommt gleichsam als Wirkung des Objekts ins Spiel (vgl. Nixon 2005, S. 195). Man kann sagen: Körperliche Integrität, die Beziehung zwischen Innen und Außen werden irritiert. Der Arbeit Portrait (1963) etwa wird von Fer, obwohl sie aus der Wand herausragt, die Qualität »of an inside of something« attestiert (Fer 1999, S. 32). Und die ›nestähnlichen‹ Lairs bilden organische Formen aus, »with oddly formless exteriors and dark, inchoate interiors […]« (Posner 2007, S. 36). – Die Beziehung zwischen Innerem und Äußerem ist nach Nixon Ausgangspunkt der Lairs: »It is as if the Lair would track the process by which interiority and exteriority are constituted« (Nixon 2005, S. 180).18

Abbildung 2: Louise Bourgeois: Fée Couturière 1963, Bronze, painted white, hanging piece, 100, 3 x 57, 2 x 57, 2 cm

Nixon zufolge gelangen Arbeiten wie Fée couturière (1963) – eine tränenförmige, von einem Haken ungefähr auf Augenhöhe herabhängende NestSkulptur »pierced by a number of holes« (ebd., S. 174) – sozusagen an einen Anfangspunkt, an dem sich eine Beziehung zum Objekt an der Schnittstelle eines Inneren und eines Äußeren bildet, »that do not (yet) exist« (ebd., S. 176). Wie sie anschaulich beschreibt, wechselt die Position des 18 | »The relation [between inside and outside] begins with an occlusion, a hardening of the exterior shell the corollary of which is an opening up of an interior world« (Nixon 2005, S. 180).

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körperlich verwickelten Betrachtenden zwischen innen und außen dieser Arbeit: »To look inside is to lose the outside; to pull back is to leave the world within« (ebd.). Mit Arbeiten wie dieser werden demnach Fragen nach Zuständen am Beginn einer Skulptur, einer Subjektivität, einer Beziehung zum anderen gestellt (vgl. ebd., S. 176ff.). – Logik eines ziel- und sinnlosen Triebs (vgl. ebd., S. 176)? Der aimless drive wird hier mit Bersanis Ausführungen zu Klein eingeführt – als ein Sexualtrieb ohne Objekt (vgl. ebd., S. 173). Insofern dies eine gewisse Bezugnahme auf den im Copjec-Kapitel (vgl. Kap. III) entwickelten Entwurf sowie eine anschließende Verlagerung Richtung kleinscher Überlegungen zur Destruktion ermöglichen kann, möchte ich auf diese Verknüpfungen eingehen. Bersani bezieht sich in The culture of redemption (1990) u.a. auf Kleins (frühen und ungewöhnlichen) Text »Zur Frühanalyse« (1923). Dort wird die Sublimierungsfähigkeit gleichgesetzt mit jener Fähigkeit, Ich-Strebungen »mit überschüssiger Libido« zu besetzen (Klein 1995, S. 108, vgl. S. 112). Auch wenn die Tendenzen des kleinschen Textes keineswegs immer eindeutig sind, lässt sich mit Bersani das Augenmerk auf die investierte ›überflüssige‹ oder ›in der Schwebe gehaltene‹ Libido richten: Es ist, so Bersani, als ob hier die Erregung die mit ihr verbundenen Repräsentationen übersteigt und so hemmungslos für andere Szenen und Aktivitäten verfügbar wird (Bersani 1990, S. 17) – Aktivitäten und Objekte »[that] act symbolically without symbolizing anything external to them« (ebd.). In solcher Sublimierung fungieren die libidinös besetzten Ich-Aktivitäten oder -interessen nicht als Ersetzungen irgendeiner verdrängten ›ursprünglichen‹ Lust (vgl. ebd., S. 20), sondern es würde die libidinöse Energie selbst ›symbolisiert‹ (vgl. ebd., S. 18). »[T]he most varied ego interests would represent symbolically not specific sexual fantasies but the very process by which human interests and behavior are sexually moved« (ebd.). An dieser – durchaus an Copjec anschlussfähigen 19 – Stelle ist auch die Rede von einem nicht mehr ›sublimierend‹ sein Ziel wechselnden sondern ziellosen Trieb, auf den Nixon rekurriert. Verschiedene ›Symbolbildungsformen‹ sind im Spiel und werden wichtig für deren Bourgeois-Interpretation. – Nixon geht es hier darum, einen Widerstand gegen Symbole als solche bzw. ihre Beständigkeit zu begreifen (vgl. Nixon 2005, S. 173f.). Gegenüber solcherart ›fester‹ Symbole wird von Nixon eine Form der ›Symbolisierung‹ als eine an den (Trieb-)Körper gebundene Aktivität gefasst20 und an spezifi19 | … ohne die in Kap. III angeführten Differenzen Bersani/Copjec nun vernachlässigen zu wollen. 20 | Die Autorin führt als ein Beispiel für die mögliche Aufweichung der Grenze zwischen den Trieben und dem Symbolischem u.a. auch Jasper Johns’ Target with Plaster Casts (1955) an (vgl. Nixon 2005, S. 174). Johns wiederum kam auch Copjec beim Thema Trieb/Sublimierung in den Sinn – nicht nur wegen der speziellen Arbeit Target with Plaster Cast, mit seinen anatomischen

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sche künstlerische Prozesse zurückgebunden: »Through the use of pliable materials […] and flexible techniques […] a work seems to take on a bodily resonance rather than to offer up symbols as such« (Nixon 2005, S. 174). – Es wird eine Verbindung von Trieb, einer nicht etwas ›anderes‹ ersetzenden, sondern zum Triebgeschehen gleichsam durchlässigen Symbolisierung bzw. Sublimierung zu Bourgeois’ Arbeiten aus dieser Zeit hergestellt. Insbesondere bei Bourgeois könne der turn to pliability als eine Tendenz in Richtung einer in diesem Rahmen verstandenen Sublimierung gelten (vgl. ebd.). Mit Bersani liegt der Akzent deutlich auf (wenn auch keineswegs harmlosen, ja ›zerstörerischen‹) sexuellen Dimensionen; von Nixon wird demgegenüber mit Blick auf Bourgeois’ ›unter der Hand‹ eine Art Verschiebung vorgenommen. Die (in Nixons Argumentation als Konzept insgesamt nicht so zentrale) Sublimierung wird schließlich mit einer ebenso frühen und anhaltenden Tendenz zur Destruktion zusammengebunden; beide würden durch Bourgeois’ Arbeiten potentiell zusammenwirken21 und letztere damit für die Wirkungsfähigkeit der Skulptur argumentieren, den Todestrieb einzubegreifen (vgl. Nixon 2005, S. 268). Damit ist eine für Nixon wesentliche – kleinianisch gefasste – Denkfigur im Spiel. Für die Sublimierung kann sich Nixon dabei durchaus auf Bersani berufen, insofern es darum geht, die Zuschreibung der Sublimierungsfähigkeit an das in Entstehung begriffene Subjekt als Charakteristikum von Kleins frühsten theoretischem Schreiben zu begreifen (vgl. ebd.). Durch die gemeinsame Einführung der Sublimierung und dem – mit der Beziehung zur Mutter verbundenen – Todestrieb in einem kleinschen Zuschnitt (vgl. ebd.) wird dann indes auch etwas zusammengebracht, was Bersani eher auseinanderhält:

Fragmenten oder Teilobjekten, sondern auch (und vor allem) dessen Antworten an Leo Steinberg: Er mag an seinen gewählten Objekten, »that they come that way« (nach Copjec 2002, S. 39; vgl. Kap. III). – Nixon beschäftigen an Target with Plaster Casts eher die Partialobjekte in einer kleinschen Manier (vgl. Nixon 2005, S. 213; vgl. auch S. 236). 21 | Der Begriff der Sublimierung wird von Nixon m.E. nicht immer einheitlich verwendet (oder die Zusammenhänge haben sich mir nicht wirklich erschlossen). In dem angeführten Zusammenhang spricht sie von einer Sublimierung »on an early, or infantile, model« (Nixon 2005, S. 174). Jetzt heißt es (in Anführungsstrichen): Bourgeois’ »pointed return to the traditions of the sculptural medium in polished marbles and bronzes firmly demonstrates a[n] […] ›ability to sublimate‹« und es ist auch die Rede von einer »primitive and tenacious tendency toward sublimation« (ebd., S. 268). An anderer Stelle fi ndet sich die Formulierung »[b]inding and unraveling, sublimation and desublimation« (ebd., S. 183; hier liegt auch ein Freud-Bezug vor; zu desublimation vgl. wiederum auch ebd., S. 174).

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Das u.a. anhand von Kleins »Zur Frühanalyse« entwickelte Sublimierungskonzept wird bei ihm in Abgrenzung zu jenen Ansätzen Kleins entworfen, die um die den mütterlichen Körper betreffenden Ängste und Aggressionen kreisen, insofern sich in ihnen wieder ein anderes Symbolverständnis manifestiert.22 – In »Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ich-Entwicklung« (Klein 1930) etwa werden Angst und Aggression bedeutsam. Klein geht hier von einem frühen Sadismus (letztlich als Manifestation des Todestriebs) aus, der zugleich als Gefahr empfunden wird und Angst entbindet – vor dem eigenen Sadismus und vor dem angegriffenen (›mütterlichen‹) Objekt, von dem analoge Angriffe befürchtet werden. Angst wiederum trägt zur Gleichsetzung mit anderen Dingen bei und treibt dann von den durch diesen Prozess »zu Angstobjekten verwandelten Dingen weg zu immer neuen und anderen Gleichsetzungen, die die Basis für ein mit diesen Gegenständen verknüpftes Interesse und für die Symbolik bilden« – für die Symbolik, die Grundlage wird »für alle Phantasietätigkeit und Sublimierungen« und darüber hinaus »auch die für die Herstellung der Beziehung zur Umwelt und Realität im allgemeinen« (Klein 1995b, S. 352f.). »[N]ebst dem libidinösen Interesse« erwirkt demnach nun die letztlich durch Zerstörungswünsche ausgelöste Angst zunächst einen »Mechanismus der Identifi kation« (Klein 1995b, S. 353)23 – eine Identifikation, die von nun an weniger als »as an attempted repetition of pleasure«, denn »as an attempted flight from anxiety« (Bersani 1990, S. 19) in den Blick gerät. In solchen kleinschen Konzepten liegt zweifellos eine wichtige theoretische Erweiterung um eben Aspekte von Angst bzw. Aggression; zugleich erfolgt damit wiederum auch eine Einrückung der Symbolisierung (und gleichgerichteter Sublimierung) in Prozeduren der Substitution. Symbole funktionieren von nun an in erster Linie – bezogen auf den mütterlichen Körper – substitutiv, als Ersatz-Objekte, und die anderen Objekte und Aktivitäten als wiederhergestellte Versionen dieses Körpers (vgl. Bersani 1990, S. 20). – »Intellectually valuable pursuits and aesthetically pleasing objects are, in this view, disguised repetitions of an infantile defense against infantile aggressions« (ebd., S. 21). Nixon selbst erwähnt in Fantastic Realty Bersanins »passionate critique of the reparative trend in Klein […]« (Nixon 22 | Ich wiederhole hier das Zitat aus Kap. III (s. dort Anm. 22): »It may in fact be the case, as Jean Laplanche has suggested, that sublimation has two quite different modes of operation: one corresponding to what Klein described in ›Early Analysis‹ as the investment of ego interests with a kind of floating or suspended sexual energy, and the other corresponding to the appropriation of the entire cultural field either as ›substitute objects‹ for the desired and feared objects or as a repository of more or less socially useful activities in which the aims of sexuality can be symbolically deflected« (Bersani 1990, S. 21). 23 | Vgl. dazu in anderem Zusammenhang auch Nixon 2005, S. 111.

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2005, S. 11);24 indes werden in ihren von kleinscher Theorie getragenen Überlegungen zum entstehenden Subjekt eben Dimensionen der Angst 25 und v.a. des Todestriebs und der Aggression relevant: »[S]ubjectivity, in Kleinian terms, emerges from the aggressive action of the drives« (ebd., S. 206). Am Anfang des Lebens steht mit Klein: der Todestrieb. Und ähnlich verhält es sich demnach bei Bourgeois: u.a. die Lairs »put the end (the death drive) in the place of the beginning«, so Nixon (ebd., S. 195, vgl. S. 187).26 Es lässt sich sagen, dass durch Nixons Kleinbezüge das Symbolisierung- und Sublimierungsverständnis – vor dem Hintergrund von Bersanis Ausführungen – wohl unscharf wird. Zugleich wird implizit auch eine andere, und für Bourgeois’ Arbeiten offenbar wichtige, Nuance der Begründung des Subjekts in seiner eigenen ›Vernichtung‹ ins Feld geführt, eine, die anders gelagert ist als das zerrüttende Genießen.27 Klein fokussiert ein mit einer Vernichtungsfurcht verbundenes spezifisches Todestrieb-Wirken, das in – von Anfang auf das mütterliche Objekt bezogenen – Verfolgungsängsten resultiert: »Die kindliche Psyche, so ihre Grundidee, erwehre sich der als Vernichtungsdrohung wirksam werdenden Todestriebimpulse« durch deren ›Nach-Außen-Werfen‹ und ihr An24 | In anderem Zusammenhang verweist Nixon darauf, dass die Wiedergutmachung für Bourgeois so nicht greift: »In Bourgeois’s account […] reparation is not (as it may be in Klein) a term through which to redeem destruction, so much as a term through which to complicate it […]« (Nixon 1999, S. 70, mit Bezug auf Destruction of the Father/Reconstruction of the Father … vgl. Bourgeois 2001). 25 | Vgl. etwa Nixon 2005, im Lair-Kontext: Klein »describes the infant’s primitive ego as attempting to ›build up‹ a relation to the outside world, beginning with the mother’s body. [Klein 1940] Finding itself surrounded with objects of anxiety, such as the mother’s breast and its own excrement, the ego begins to make sense of its environment through the body; in effect, it produces itself by building up a world to which it can – in time, symbolically – relate. [Klein 1930] In this way, the internal world of the psyche derives its complex form from the incorporation and reshaping of objects under the impetus of the drives. [mit Bezug zu Butler] […] The psyche is built up in response to internal impulses and external events – which are still indistinguishable – passing through the matrix of corporeal phantasy« (Nixon 2005, S. 183). 26 | »Bourgeois’s concern is […] with the death drive as the origin of the subject« (Nixon 2005, S. 169 mit Verweis auf Rose 1993). – Nixon spricht u.a. bzgl. Bourgeois auch von einem death drive turned against death (vgl. etwa den Titel des 5. Kapitels in Nixon 2005). 27 | … ohne in Abrede zu stellen, dass in letzterem eine zerstörende Komponente bereits involviert bzw. die Triebgefüge theoretisch denkbar anders gefasst sind.

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heften an ein imaginäres Objekt (Gast 2000, S. 67). Kleinschen Schilderungen folgend ist das Menschenkind von Geburt an durch antagonistische Triebimpulse in überaus verwirrende gewaltige Affekte gestürzt (vgl. ebd., S. 69; vgl. Gast 1996, S. 174). Diese wenden sich »über das Medium der Phantasie« sofort an »weitestgehend imaginäre Objekte«, welche – eben etwa angesichts thanatal bewirkter Vernichtungsängste – psychisch gewissermaßen selbst erzeugt und in z.B. aggressive Beziehungen involviert werden, um Kontrolle über die eigene »Verfaßtheit« zu gewinnen (Gast 2000, S. 69ff.). – Kindliche Aktionen wie Beißen oder Saugen produzieren Phantasien von Zerstörung oder Einverleibung der Brust und damit unterschiedliche (›gute‹ oder ›böse‹) Partialobjekte (vgl. Nixon 2000, S. 103). Das solchermaßen selbst durch die Triebe hervorgebrachte Partialobjekt wird – mit den Phantasien – für eine von den Trieben herrührende Subjektivität entscheidend; der Trieb erzeugt die Objekte (Brust, Penis, Exkremente …), die, phantasmatisch verstrickt, das Subjekt platzieren: »The range of part-objects […] generated through the drives is put into play phantasmatically, and these fantasies in turn position the subject« (ebd.). Ähnlich wie die Triebkörperresonanz ist nach Nixon das Partialobjekt – als Objekt oder »target of the drive« (Nixon 1999, S. 60) in Arbeiten von Bourgeois wirksam (vgl. etwa zu Femme couteau (1969), Nixon 2005, S. 209-265); dieses Objekt gilt ihr auch als »[t]he defining logic of Bourgeois’s sculptural production« (Nixon 2005, S. 10).28 – Seine Beharrlichkeit in der Nachkriegskunst wiederum »might be compared, in psychoanalytic terms, to the persistence of the infantile drives, which, at least in one account, survive the Oedipus complex« (Nixon 2000, S. 103). Die Partialobjektlogik wäre in der Kunst seit dem 20. Jahrhundert zudem damit verbunden, beharrlich den Stellenwert von Aggression in der psychischen wie sozialen Erfahrung kenntlich zu machen (vgl. Nixon 2005, S. 265). Die bisherigen Betrachtungen von Arbeiten Bourgeois’ drehen sich also um Partialobjekt und/oder ›ungestaltetes‹ Material … Mein Interesse liegt im Folgenden darin, zu fragen, welche Potentiale für die ›symbol‹und ›subjektbildende‹ Artikulation der dezidierte (kleinsche) Blick auf den Faktor Aggression speziell im Falle von The Destruction of the Father (1974) (in der die Destruktion ja bereits titelgebend ist), potentiell in sich birgt. Dem Blick in diese Installation sind ganz offensichtlich ›Partial‹-Objek28 | Das u.a. mit »Art objects as part-objects« betitelte und sich um die Rolle des Partialobjekts »in the gender politics of postmodernism« drehende Kapitel aus Fantastic Reality vergleicht nach Nixon »Bourgeois’s increasingly systematic representation of the body-in-pieces in the 1960s and ’70s to contemporary work by Duchamp, Jasper Johns, Yayoi Kusama, Eva Hesse, and Nancy Spero, among others, while also reflecting on the reemergence of the part-object in recent art« (Nixon 2005, S. 10f.).

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te zu sehen gegeben. Im gleichen Zug ist diese Arbeit ein »Höhlenbau« im Sinne und in der Folge des von Bourgeois in den 1960er Jahren erkundeten Themas (vgl. Cooke 1996, S. 15); d.h. auch The Destruction of the Father ist als eine (vergrößerte) Art »Lair« bezeichnet worden (vgl. Lippard 1989/1995, S. 15; Nixon 2005, S. 254). Durch horizontale Struktur und Formen bzw. ›verschwitzte‹, auf Verfall deutende Latexthäute ist dieser riesige Bau, dieses Lager eben mit den in der ersten Hälfte der 1960er Jahre neu ausgerichteten Arbeiten verbunden (vgl. Nixon 1999, S. 62). Mit The Destruction of the Father scheint sich im Vergleich sozusagen der Maßstab zu vergrößern; doch zugleich wird, wie zu zeigen ist, auch die zugrunde gelegte ›Trieb-Logik‹ gekippt (vgl. ebd., S. 62f.). Beim Betrachten erscheint die Arbeit von 1974 im Vergleich zunächst recht statisch, komponiert, überformt und die Frage nach der Bedeutung wird evoziert.29 Bedeutungsbildungsprozesse treten auf die Bühne – auf eine Bühne, die als bildliche Rahmung der ›Teilobjekte‹ für eben diesen Veränderung mitverantwortlich ist (ich komme mit Nixon darauf zurück). Mit The Destruction of the Father setzt sich also eine ›Trieblogik‹ nicht einfach fort; es zeigen sich Momente von ›Destruktion‹ und ›Symbolisierung‹, die nicht reibungslos mit der Sublimierungsaktivität (in Bersanis Sinne) zusammen-, auch nicht in substitutiven Prozessen auf-, sondern mit unsauberen bzw. ›brutalen‹ Interventionen oder Ar tikulationen einhergehen.

Kleinsche Positionen und Inter ventionen Um nun diese ›brutalen‹ Bewegungen auszuführen, sollen zunächst weiter einige Spezifika kleinscher Positionen und Aspekte von deren Rezeption durch Lacan (bzw. des Verhältnisses beider Ansätze) im Zentrum meiner Ausführungen stehen (bevor ich dann auf Nixons Inter pretationen zurückkomme): Es geht, auf verschiedenen Ebenen, um Inkorporation. Zunächst werden mit für Klein charakteristischen Ansätzen30 Einverleibung und Ausstoßung geradezu zu einem unverzichtbaren Bestandteil von Symbolisierung und künstlerischer Produktion. Ihrem atemberaubenden Zugriff zufolge werden die vornehmlich ›phantastischen‹ ›guten‹ und ›bösen‹ Objekte so behandelt, als hätten sie »reale Konsistenz« – sie sind ihre (beruhigenden, schreckenerregenden …) Qualitäten selbst (Pontalis 1968, S. 162); »jede metaphorische Bedeutung« scheint sich »zu verwischen: die 29 | – Und beginnt man so zu fragen, dann lautet die kaum korrigierbare Antwort: Dies ist die Destruktion des Vaters (was potentiell auch schon biographische Bezüge impliziert; s.u.). 30 | Ansätze, die stärker charakteristisch sind als der oben angeführte, von Bersani herangezogene Text »Zur Frühanalyse«, von dem aus sich einige spätere Konzepte entwickeln lassen und zu denen er teils auch quer steht.

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Einverleibung, die Projek tion, die Objekte, die kommen und gehen, all dies gewinnt […] einen realistischen Sinn« (Pontalis 1968, S. 171f.). – In einem »Theater des Schreckens« wird der mütterliche Körper zunächst in gut und böse gespalten sowie »gewaltsam entleert, zerrissen, in kleinste Teilchen zerlegt, in Nahrungsstücke« (Deleuze 1993, S. 232). Stehen Mutterteile zum Verzehr, so er wartet das Kind nach Klein zudem »im Innern der Mutter den Penis des Vaters, Exkremente und Kinder, die es eßbaren Stoffen gleichsetzt, zu finden« (Klein 1995b, S. 351).31 Der »väterliche Penis« ist »Gegenstand der Phantasie des mütterlichen, später des ›kombinierten elterlichen‹ Kör pers« – und nicht, so Pontalis, das klassischerweise darin gesehene »dritte Element« (Pontalis 1968, S. 173, Anm. 24). In diesem Szenario lösen, wie skizziert, jene die Elternteile in der Phantasie zerbeißenden, zerreißenden etc. Angriffe auch Angst vor Strafe aus (vgl. Klein 1995b, S. 351). Man muss befürchten, von dem Objekt selbst vernichtend attackiert zu werden, und es ist diese Angst, die nach Klein (neben der Lust) den Prozess der Gleichsetzung etwa von Organen und (un)belebten Dingen lostritt, der schließlich zur Symbolbildung führt (vgl.o.). Die auf diese Weise involvierten Objekte gewinnen Bedeutung, die Beziehung zur Welt wird basal durch die gegen den Mutterleib (sozusagen inklusive ihrer auch ›väterlichen‹ Bestandteile) gewendeten sadistischen Phantasien geprägt (vgl. insgesamt: Klein 1995b, S. 353. Vgl. Löchel 2000). Dabei folgen den Gleichsetzungen (nach Segal) symbolische Repräsentationen, die das Symbol schließlich in seiner Differenz zum Symbolisierten erfahrbar machen; die Übergänge zwischen den verschiedenen Formen und Operationen erscheinen weiterhin nicht selten gleitend. Schließlich funktionieren Symbolisierungsprozesse nach Klein auch im Sinne einer Wiederherstellung des Objekts (vgl. Löchel 2000, S. 7; vgl.o.), einer Wiedergutmachung der Zerstörung und werden so zu einer Quelle der Kunst.32 Das ruinierte, aufzugebende Objekt wird, so schreibt Segal, »im Ich assimiliert […], und zwar durch den Vorgang des Verlusts und der inneren Wiederherstellung«; es wird im Ich wieder eingesetzt und schließlich, z.B. im Schreiben, wieder erschaffen (Segal 1992, S. 247, S. 239f.).33 – Die unbewussten Prozesse der Symbolisierung (welche ›primäre Objekte‹ immer schon substituieren) werden gewissermaßen zur Quelle 31 | Vgl. auch das in dieser Arbeit geschilderte ›Eat daddy‹ des Knaben Dick (um den es im Folgenden noch gehen wird). 32 | Vgl. etwa Klein 1995c bzw. 1995d. 33 | Klein benennt schließlich auch Prozesse, die mit der so genannten (von Klein Mitte der 1930er Jahre eingeführten) ›depressiven Position‹ verbunden sind, als eine Quelle der Sublimierungen (vgl. Klein 2000, S. 140). Diese Position ist dadurch gekennzeichnet, dass die Mutter nun als ganzes Objekt erfasst werden kann und sich die Angst auf die Phantasie ihres Verlusts infolge sadistischer Zerstörung richtet (vgl. dazu Laplanche/Pontalis 1994).

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der Sublimierung (vgl. Löchel 2000, S. 6f.); letztere wird dann auch an eine Vorstellung von Wiedergutmachung gebunden, sie setzt auf eine Wiederherstellung des Objekts als etwas ganzes.34 – Ich habe »behauptet«, so Klein, »daß das Schuldgefühl eines Menschen und sein Wunsch, das zerstörte Objekt wiederherzustellen, einen universalen und grundlegenden Faktor für die Entwicklung seiner Sublimierungen darstellt. Ella Sharpe gelangte in ihrem Beitrag ›Über Sublimierung und Wahnbildung‹ (1930) zu demselben Ergebnis« (Klein 1996, S. 16, Anm. 10). Und so frisst sich die Einverleibung bis in die Kunstproduktion hinein; ihre Zurschaustellung thematisiert diesen Produktionsprozess selbst. Ella Sharpe zufolge wird in diesem Prozess das, was man sich einverleibt hat, nach außen verlagert, magisch beherrscht und wiederhergestellt; im Malen, Tanzen, Singen usw. werden in einer Art Allmachtswahn die ›inkorporierten‹ feindseligen Objekte bezwungen, wird zurückerstattet, was die eigene Feindseligkeit zu rauben und zu zerstören suchte (vgl. Sharpe 1969). In diesem Ansatz, in dem elterliche Repräsentanzen, Bilder und Besetzungen immer wieder ineinander gleiten, wird die Kunstbetätigung zu einer Art ›Erlösung‹; der »Konflikt wird nach außen verlegt« und verarbeitet, die Allmacht ist dem Ich zu Diensten (ebd., S. 385f.). – Führt die Einverleibung in einer Lesart des freudschen Urvatermythos auch zur Einsetzung des väterlichen Gesetzes (vgl. Kap. I),35 so wird bei Sharpe auf der Grundlage einer ›kannibalistischen‹ Identifizierung die Funktion des väterlichen Verbotes – so wie der Vater darfst du nicht sein 36 – im Falle des Künstlers vielmehr ausgesetzt: Er hat sich quasi nicht an dieses Verbot gehalten (vgl. ebd., S. 389f.). Verschiedene Dimensionen von Inkorporationen sind mit diesen Theorielinien schließlich im Spiel: Einerseits geht es, wie gesehen, um magisch-phantasmatische Aspekte der Vernichtung, Aneignung, Wiederbelebung, der inneren Verfolgung, welche zuallererst imaginär-tyrannische, distanzlose Gestalten auch von Autorität etabliert: Elterlich-phantastische 34 | Auf die Problematik dieses Sublimierungskonzeptes kann ich hier nicht weiter eingehen. Vgl. dazu Bersani 1990 (s.a. Anm. 22 des vorliegenden Kapitels). Vgl. aber auch Sánchez-Pardo 2003: »I would subscribe to [Bersani’s] warning and his critique of the perils of falling into the delusion that art may redeem the subject from anything […]. Nevertheless, I must object to his assigning to Klein […] what he reads as a view of art as fundamentally made of ›spectral repetitions … presented as a goal of normative development‹ [Bersani]. […] [L]et me remind you of […] the subversion of any normative teleology implicit in [Klein’s] theory […]« (S. 188). – Zu der lacanschen Kritik vgl. Lacan 1996. 35 | Eine Deutung von The Destruction of the Father vor dem Hintergrund dieses Mythos ist sicher lohnend. – Zu »Totem und Tabu« vgl. Herkenhoff in Morris 2007, S. 70. 36 | S. Freud 1923b, S. 262; vgl. Kap III, Anm. 18.

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Objekte werden aufgenommen und geschluckt, allmächtig verkörpert, sie werden bedrohlich, gebannt und – beherrschend – ausgestoßen, an der Grenze zum Wahn. Auf der anderen Seite muss das Unterfangen, durch die Einverleibung so – machtvoll – zu sein wie der ›Vater‹, immer auch fehlschlagen, es kommt zu einer Verschiebung, einer »Faltung« des Ich »in getrennte Instanzen« (Horn 1999, S. 305, vgl. S. 301);37 wie etwa der freudsche Urvatermythos zeigt, wird man nicht wie der Vater, sondern trägt ihn »als innere Verkörperung des Gesetzes in sich« (ebd., S. 301). Es lässt sich auch von einer Identifizierung mit dem Namen-des-Vaters oder von einer Inkorporierung der symbolischen Ordnung sprechen.38 An die Stelle des korporal einverleibenden Modus tritt gewissermaßen die Fähigkeit zur Symbolisierung: Der leere Mund wäre mit Wörtern erfüllt (vgl. Abraham/ Torok nach Derrida 1979, S. 43). In der kleinschen Sprache wiederum, in der Weise ihres Schreibens, manifestiert sich meines Erachtens etwas, was dabei unverdaulich bleibt. Jener Fähigkeit zur Symbolisierung lässt sich in Anlehnung an Abraham/Torok wiederum eine Inkorporation als gerade das Unvermögen gegenüberstellen, das aufzugebende Objekt bzw. dessen Verlust erfolgreich zu verschieben und auszusprechen;39 auf dem Spiel stehen die Möglichkeiten von Symbolisierung, Bedeutung, Metapher. Und hat nicht Melanie Klein in diesem Sinne den Mund ›zu voll genommen‹? Wird Deleuze folgend das Sprechen gerade durch das ermöglicht, was »sprechen und essen trennt«, die Sätze durch das, was sie von den Dingen sondert (Deleuze 1993, S. 231), so scheinen diese Unterscheidungen in der Lektüre kleinscher Texte phantasmatisch prekär: man taucht gleichsam ein in eine Nacht ungeschiedener Repräsentationen, Dinge und Empfindungen; auch in diesem Sinne wird das »flesh within the word« (Kristeva 2001, S. 148, vgl. S. 228) wiederbelebt. Kommt es in Irigarays Schreiben konzeptionell zu einem ›Diskurs des Körpers‹, in dem sich eine korporale Dimension des Sprechens inszeniert (s. Kap. IV), so rückt einem bei Klein in der Lektüre-Übertragung die wortgewaltige, phantasmengesättigte Sprache bisweilen auf den Leib und es kostet wiederum Mühe, eine Distanz zum grenzüberschreiten37 | Ein ›Risiko‹ des kannibalischen Aktes ist auch die radikale Spaltung des Ich im Sinne der Inkorporation/Kryptierung nach Abraham/Torok (vgl. Horn 1999, S. 305). 38 | Vgl. in anderem Zusammenhang: Küchenhoff/Warsitz 1992, S. 74f. Interessanterweise beziehen sich sowohl Sharpe als auch Küchenhoff/Warsitz auf die freudsche ›primäre Identifizierung‹. 39 | Vgl. Horn 1999, S. 304. Die Inkorporation im Sinne Abrahams/Toroks ist »nicht das Phantasma eines oralen Verschlingens und Zerstörens, sondern das eines Begräbnisses des anderen im Ich« (ebd.). – Insgesamt lässt sich sagen, dass sich die theoretischen Ansätze von Abraham/Torok von denen Kleins deutlich unterscheiden.

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den, bildbombardierenden Geschehen aufrechtzuerhalten. Melanie Klein scheint nicht selten schwer zu schlucken (vgl. in anderem Zusammenhang Stonebridge 1998, S. 1). »Dick hatte, als ich ihn zur ersten Stunde von der Nurse übernahm, diese […] ohne jede Affektäußerung verlassen. Als ich ihm die vorbereiteten Spielsachen zeigte, betrachtete er sie völlig interesselos. Ich stellte dann einen größeren neben einen kleineren Zug und benannte sie ›Papa-Zug‹ und ›Dick-Zug‹. Er nimmt hierauf den kleineren, von mir Dick benannten Zug, läßt ihn zum Fenster fahren und sagt ›Station‹. Ich erkläre: ›Station ist Mutti, Dick fährt in die Mutti‹. Er läßt hierauf den Zug sein, läuft zu dem durch die Doppeltüren des Zimmers gebildeten Zwischenraum, schließt sich dort ein, sagt dabei ›dunkel‹, läuft gleich wieder von dort heraus und wiederholt dieses Vorgehen einige Male. Ich erkläre: ›dunkel in Mutti, Dick ist in dunkler Mutti‹ […]« (Klein 1995b, S. 358f.).

Der kleine Dick (!) aus Kleins bekannter Fallgeschichte – die auch für die Bourgeois’-Rezeption Relevanz gewinnt 40 – lebt in einer einigermaßen undifferenzierten Welt ohne »Gefühlsbeziehung« oder Verständigung mit der Umwelt; aufgrund etwa unerträglicher Angst und zu früh abgewehrter Aggression hat, so heißt es, das Ich »den Ausbau der Phantasietätigkeit und die Herstellung der Realitätsbeziehung abgestellt« (Klein 1995b, S. 354 und S. 357). Eine weitergehende Symbolbildung ist nach Klein sozusagen ins Stocken geraten; es fehlen im Großen und Ganzen affektive und symbolische Beziehungen zu den Dingen und so haben »etwaige Handlungen, die Dick mit ihnen vornahm, […] auch nicht den Phantasiegehalt, der ihnen den Charakter symbolischer Darstellungen gibt« (ebd., S. 357f.). Die Analyse hat entsprechend bei der mangelnden symbolischen Relation als dem »grundlegenden Hindernis für die Herstellung einer Verständigung« einzusetzen (ebd., S. 358). Weil aber die Fähigkeit zur Darstellung nahezu völlig fehlt, sieht sich Klein, wie sie schreibt, »genötigt«, auf Grund ihrer »allgemeinen Kenntnisse auf relativ vage Darstellungen hin zu deuten« (ebd., S. 363). 41 Die resultierende – weniger konstativ als performativ funktionierende (vgl. Felman 1987, S. 114) –42 unnachahmliche Intervention Kleins bringt 40 | Zu Nixons Lesarten s.u. – Eine anders geartete Erwähnung von Kleins Fallgeschichte im Bourgeois-Kontext fi ndet sich bei Krauss (1989/1995, S. 25). 41 | Weiter heißt es: »Indem ich so den Zugang zum Unbewußten fand, gelang es mir, Angst und Affekte zu aktivieren. Durch die zugleich damit einsetzenden reicheren Darstellungen gewann ich bald eine festere Basis für die Analyse und konnte so allmählich zur üblichen Technik der Frühanalyse übergehen« (Klein 1995b, S. 363). 42 | Vgl. auch: »Unlike Klein […] Lacan believes the [practical, clinical] key is not cognitive but performative. The key is not in the clinician’s understand-

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das symbolbildende Geschehen dann in Gang; sie artikuliert in der Rolle des sprechenden Subjekts an Dicks Stelle die vermuteten stillschweigenden Phantasien, die ihm auf diese Weise ›aufgepfropft‹ (vgl. Lacan) werden (vgl. Kristeva 2001, S. 161f.). In der Folge stürzt sich das Subjekt »in eine Reihe von Äquivalenzen, in ein System, in dem sich die Objekte einander substituieren« (Lacan 1990, S. 113): Äquivalenzen wie die zwischen Vater und Zug, die durch Kleins aggressiv-sadistisch beladene Ödipus-Erzählung vorgeschlagen werden und die es nach Kristeva ermöglichen, Dicks Welt der Identitäten – in dem z.B. nach Kleins Schluss der dunkle Raum zwischen den Türen die Mutter wäre – in ein auf Ähnlichkeiten beruhendes Universum zu transformieren, das Kind im Bereich des Imaginären zu platzieren und es mit der Domäne des Symbolischen zu kontaktieren (vgl. Kristeva 2001 bzgl. Lacan, S. 139, vgl. S. 164f.). – Sagt Dick spielend ›Station‹, so deutet sich »das Anheften der Sprache ans Imaginäre des Subjekts« an, so Lacan (1990, S. 112). – Der Erfolg dieser auf ›allgemeinen Kenntnissen‹ und ›relativ vagen Darstellungen‹ (s.o.) beruhenden Auslegung bzw. »its clinical efficacy, does not proceed from the accuracy of its meaning […]. What the preconceived and heavy-handed interpretation does is to give the child – through the verbalized Oedipal constellation – not a meaning but a structure […]; a structure […] in which meaning – sexual meaning – can later be articulated and inscribed« (Felman 1987, S. 114). Klein hat sozusagen »die Verbalisierung« beigesteuert und »die Symbolisierung des Ödipusmythos […] angelegt« (Lacan 1990, S. 112). – Sie (er)greift, benennt und erklärt, sie nimmt die Dinge in Hand und Mund; ihre »Deutung« präsentiert sich »mit einem Charakter des Einbruchs, des Auf klatschens auf das Subjekt« (Lacan 1990, S. 98); ihr Einsatz des Ödipuskomplexes wird von Lacan – fasziniert von ihrer Technik – als ›brutal‹ charakterisiert (vgl. Jacobus 1998, S. 98). Kleins Diskurs propft »brutal die ersten Symbolisierungen der ödipalen Situation […]« auf. Und sei sich Klein auch »lebhaft bewußt, zu keinerlei Deutung« über-, sondern von ihr zur Verfügung stehenden bzw. bekannten Vorstellungen aus- und quasi »direkt darauf los« zu gehen, so macht sie es Lacan zufolge »mit ihren Patienten immer so, mehr oder weniger implizit, mehr oder weniger willkürlich« (Lacan 1990, S. 112f.). Bezogen auf Dick heißt es eben: »Sie schmeißt ihm die Symbolik mit der letzten Brutalität an den Kopf, Melanie Klein, dem kleinen Dick! Sie fängt sofort an, ihm die klotzigsten Deutungen ing, or her meaning, but in her actual speech act« (Felman 1987, S. 117). »It is […] not on the level of its statements but on the level of its illocutionary forces that the anlaytic [sic!] dialogue takes place between the therapist and Dick. But this is, in Lacan’s conception, the true thrust of any analyic [sic!] dialogue […]« (ebd., S. 118). Vgl. auch die weiteren Ausführungen Felmans.

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zuzuschieben. Sie schiebt sie ihm in einer brutalen Verbalisierung des Ödipusmythos zu, beinah genauso empörend für uns wie für irgendeinen anderen Leser – Du bist der kleine Zug, Du willst Deine Mutter ficken. Diese Vorgehensweise fordert selbstverständlich zu theoretischen Diskussionen heraus […]. Aber es ist sicher, daß sich in Folge dieses Eingriffs etwas tut. Alles ist da.« (Lacan 1990, S. 90).

Faszination und Abstoßung mischen sich in der Lektüre, irgendein Leser ist in Aufruhr versetzt, wie Dick selbst in Folge der Intervention. Zeigt dieser vorher so gut wie keine Affekte, so provoziert die ›brutale‹ Intervention Kleins eben solche – und wohl nicht nur bei Dick. Schreibt Lacan, dass Klein es wagt, »mit diesem Instinkt eines Rohlings« zu Dick zu sprechen (Lacan 1990, S. 92), dann zeigt dieses Sprechen seine Wirkung auch bei dem ›empörten‹ Leser Lacan. – In einer Umkehrung wird Klein in gewisser Weise wiederum zu einem ›kleinen Dick‹ Lacans (vgl. Jacobus 1998, S. 101). Muss sie nicht erst in die menschliche Welt des Symbolischen im lacanschen Sinne eingeführt werden? Liegt für sie nicht in gewisser Weise auch »alles auf einer Ebene gleicher Realität« (Lacan 1990, S. 109), wie für Dick zunächst alles »gleichermaßen real« ist, »Reales und Imaginäres äquivalent« sind? (Lacan 1990, S. 108, S. 112. Vgl. Jacobus 1998) »[F]or Lacan, Klein’s sense of ›reality‹ scarcely differs from little Dick’s. As Klein ›grafts‹ what she calls the symbolic onto little Dick, so Lacan in turn grafts what he calls the symbolic onto Klein – not only to reveal her collusion with the nonsense of little Dick’s psychosis […], but also to effect a forcible cure of her defective, psychotic theory by way of his language. […]« (Jacobus 1998, S. 102).

– Die gelesene Brutalität Kleins gegenüber Dick wiederholt sich in der Lektüre Lacans: Was sich bei Klein ›brutal‹ zeigt, wird zu einem eigenen brutalen Beharren Lacans »on the necessity for the subject’s integration« in ein – immer schon eingesetztes – symbolisches System (ebd., S. 99). Kleins theoretische Mängel werden quasi benutzt »to fuel his own theoretical engine« (ebd., S. 101). Es ist etwas an dieser Art ›brutaler‹ Beharrlichkeit, die meines Erachtens zunächst wiederum auf Lacans Autorschaftsposition verweist: Skandalös wäre dabei weniger das Bestehen auf der Einführung seines ausgearbeiteten symbolischen Systems als vielmehr, dass er sich »offen und schamlos« als eine Autorität setzt (in anderem Zusammenhang: Žižek 1993, S. 116) – eine Autorität, die zurückweist, sich nicht rechtfertigt und letztlich auf nichts als der eigenen Aussage gründet (vgl. Kap. I). Diese Geste, die nicht einfach wiederholt, was schon gilt, ist es auch, die sich einer Aufnahme in den universitären Diskurs widersetzt, welcher herkömmlich den stets autoritären Akt der Erkenntnisproduktion verleugnet (vgl. ebd.; Žižek 1999b), der hier so offen ausgestellt ist.

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Auch Formen der Rezeption Kleins führen meines Erachtens in einer performativ-hochstapelnden Geste die autoritäre Struktur des Diskurses selbst vor Augen – darüber hinaus zeugen sie von einer Ambivalenz lacanscher Positionierungen gegenüber Klein: Diese wird von ihm gelegentlich anerkannt; sie wird ebenso aufgenommen (»darin können wir ihr folgen«) (Lacan 1990, S. 110), (nicht) zitiert wie persifliert (»Du willst Deine Mutter ficken« …) (ebd., S. 90, s.o.; vgl. Jacobus 1998, S. 100f.). Ihr wird der »Instinkt eines Rohlings« (Lacan 1990, S. 92, s.o.) attestiert; sie wird zurecht- und zurückgewiesen (»beinah genauso empörend für uns […]«; ebd. S. 90, s.o.), korrigiert und angefochten (»[d]eshalb gibt es bei Melanie Klein weder eine Theorie des Imaginären noch eine Theorie des Ich«) (ebd., S. 109), und es wird über sie triumphiert (»[e]s ist an uns, diese Begriffe einzuführen […]«) (ebd.). Heim, demzufolge »weitgehend unterschätzt [wird], daß sich Lacans Denken seit den 1930er Jahren über den Krieg hinweg bis in die 1950er und 1960er Jahre hinein einer mimetischen Rivalität mit seiner Londoner Kontrahentin verdankt«, liest die lacansche Darlegung, dass Kleins »gesamte Innovation« dem Imaginären verhaftet bleibt, als eine Art Entwindung aus eben dieser Rivalität (Heim 2004, S. 121). 43 – Auch und gerade wenn man »spüren« muss, wie es bei Lacan in anderem Kontext heißt, dass »wir« bei kleinschen Entwürfen »ein wenig hungrig bleiben«, 44 ließe sich sagen, dass diese dem lacanschen Text hier ›inkorporiert‹ sind. In den gelegentlich bewundernden, aneignenden und oft wenig zimperlichen Umgangsweisen Lacans mit einem Werk, dessen Fragen den seinen nicht selten auch verwandt sind, zeigt sich dieses symbolisch introjiziert und verschoben; imaginär verfolgend und beherrscht, schließlich unverdaut. »Swallowing too much Klein may be what is making Lacan gag« (in anderem Kontext Jacobus 1998, S. 103)? So treffend und greifend die lacansche Kritik an Klein im Ausgesagten unzweifelhaft ist, was etwa die eher ausstehende Belichtung der wirksamen paternalen Funktion betriff t, so notwendig, wesentlich und erhellend sich die differenzierende Ausarbeitung der Register (auch in ihren nicht beständig fassbaren Grenzen) zeigt, so scheint sie doch zugleich an dem ›zu nahen‹ Status der kleinschen ›Symbolbildung‹ herumzuwürgen. »Alles ist da« (Lacan 1990, S. 90; s.o.) bei Melanie Klein, heißt das nicht 43 | »Er konnte sich dieser Rivalität als ›starker Dichter‹ (Harald Bloom) nach Freud nur entwinden, wenn es ihm gelang zu zeigen, daß Melanie Kleins gesamte Innovation […] [dem] Imaginären verhaftet blieb« (Heim 2004, S. 121). Vgl. Bloom 1995. – Zu Bloom vgl. auch Nixon 2005: »From its beginnings, Bourgeois’s work is engaged in a transferential movement that, unlike the Oedipal scenario Bloom describes, has no script to follow, no pattern to emulate […]« (S. 43). 44 | Im Kontext kleinscher Theorie zur Sublimierung: Lacan 1996, S. 146.

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auch: ein Mangel mangelt, es droht offenbar eine Differenz- bzw. Distanzlosigkeit – einhergehend mit der beunruhigenden Ver nachlässigung jener ›väterlichen‹ Funktion, die einen aus dem Wahnsinn in die symbolische Ordnung führt? Bei Klein stände die Wirkmacht der väterlichen Ordnung, die Ödipalisierung im traditionellen Sinne auf dem Spiel; doch ist ihr »der Vorwurf zu machen, sie habe die ödipale Dimension vernachlässigt?« (Pontalis 1968, S. 173, Anm. 24) Zeugt ihr Schreiben nicht von einer anderen, anders beschaffenen oder ausgedehnten Symbolisierung? (vgl. ebd., vgl. auch Kristeva 2001) – Kleins Intervention situiert den Ödipusmythos mit Bezug auch zum Imaginären 45 und ihre Texte gehen, wie angedeutet, auf angehende Formen von Symbolbildungen oder Zwischenreiche der Phantasie, die in ihrer negativen Kraft die gebildete ›Realität‹ zersetzen können. Anders als der zunächst weitgehend leere Raum des ›in‹ der indifferenten Realität lebenden Dick (vgl. Lacan) und anders auch als der Raum bestimmter ödipal-symbolischer Engführungen, ist der, den die kleinschen Texte umreißen, bevölkert von Objekten (vgl.o.). Deren heterogenes Amalgam aus Repräsentationen, Sensationen und Substanzen, 46 deren Gemisch den Lesenden gelegentlich irritiert, empört und bombardiert, erscheint unentbehrlich, um dem Spezifischen jener frühen Phantasie auf die Spur zu kommen, deren Reich niemals klar begrenzt zu sein scheint; die kleinsche Phantasie lässt sich auch als ein gänzlich unreines theoretisches Konstrukt beschreiben. 47 Und ist es nicht auch eine ›unsaubere‹ Theoretisierung, die Lacan triumphieren lässt – und die ihn verfolgt? Macht Lacan u.a. den in weiten Teilen (ungenannt) imaginären Charakter kleinscher Theoretisierungen und die Notwendigkeit unterschiedener Register deutlich, dann zeugen kleinsche Textpassagen nicht nur von deren Klebrigkeit, sondern auch von einem prekären Status und einem Abwehrcharakter des Symbolischen, welches sich hier gewissermaßen situiert zwischen dem Wahnsinn mannigfaltiger Partialobjekte48 und einer daraus hervorgehenden Differenzierung als auch einer Synthetisierung und magischen Wiederherstellung unweit wahnhafter Ersatzbildungen – welche bisweilen wiederum in ihrer brüchigen Bedrohtheit und gewaltigen Angestrengtheit ausgestellt erscheinen.

45 | Klein setzt die ödipale Situation bekanntlich auch früher an als

Freud. 46 | Kristeva 2001, S. 63f. (»amalgam of representations, sensations, and substances«). 47 | Kristeva 2001, S. 137 (»a wholly impure theoretical construct«), vgl. S. 64. 48 | Vgl. in anderem Zusammenhang Žižek 2001.

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Beißende Attacken »One response to the current return to Klein: it feels like eating one’s words« (Jacobus 1998, S. 92).49 Diese schon nicht eindeutige Aussage Jacobus’ wird von Nixon, auf deren Klein- und Bourgeois-Lektüre ich nun zurückkommen möchte, 1995 folgendermaßen ergänzt und auch verengt: »Or, to put it another way, maybe it feels like eating Lacan. And how better to enact this cannibalistic desire to eat-Lacan-by-eating-his-words than through a return to Klein […]?« (Nixon 1995, S. 71f.) Wird Lacan mit Hilfe von Klein gegessen oder wird Lacan verzehrt und Klein wäre das mehr oder minder verdaute Produkt? Sicher scheint: Nachdem der psychoanalytische Feminismus Formen lacanscher Theorie und Sprache aufgenommen (sozusagen längst ›gefressen‹) hat, umschließt die Rückkehr zu Klein hier eine Art oral-sadistisches Verlangen nach dem ›Vater‹ und seinen Worten. Verzehrt bzw. zurückgenommen wird gleichsam das, was man längst intus hat und was sich Klein seinerseits längst ›einverleibt‹ hat usw. »It is as if something has been missed and Klein somehow provides the clue to what that is«, so Phillips zum Return to Klein (1998, S. 4), mit dem sich wiederum Erkundungen von vom freudschen Ödipus bzw. vom lacanschen Gesetz des Vaters (vgl. dazu Jacobus 1998, S. 93) abweichenden Wegen verbinden können. Klein, wenngleich auch nicht selten verworfen, da etwa zu sehr von ›verschlingender‹ Nähe oder Negativität geprägt,50 scheint ›radikalere‹ oder ›tiefere‹ etc. Einsichten zu versprechen (vgl. Phillips 1998, S. 5). Nixon folgend entspricht der wiederaufgegriffene kleinsche Ansatz einem Modell für nicht durch Sprache vermittelte körperliche, zu Formen der Phantasie treibende Erfahrungen bzw. für darauf bezogene ›Subjektivität‹; er gewähre einen Zugang zu Aggressionen, die Phantasien bei beiden Geschlechtern strukturieren – ein Zugang, der unversehens konventionelle Geschlechterkonstruktionen destabilisieren, und schließlich auch zu einem ›weiblichen Subjekt der Aggression‹ führen kann (vgl. Nixon 1995, S. 73 und S. 79). »I would […] suggest that the significance of the Kleinian model for recent psychoanalytic feminist work is at least in part its analysis of aggression not as a function of sexual difference, but as structural to all subjectivities. For if the enactment of aggression in body-centered feminist work depends upon the possibility of constituting a female subject of aggression (just as other feminist work has confronted the problem of constituting a female desiring subject), then one way of producing such a subject is through a turn to the drives« (ebd., S. 79). 49 | – Die englische Formulierung eines Essens der Worte bedeutet auch, diese zurückzunehmen. 50 | Vgl. dazu Rose 1993, S. 139f. Zu weiteren Kritiken vgl. ebd. und Kristeva 2001.

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Und erstes Aggressionsobjekt wären eben Serien von Partialobjekten »– breast, milk, penis, children, womb – to which the infant fantasizes the connection of other part-objects – mouth, teeth, urine, feces – in frenzied attacks enacting, according to Klein, the force of the death drive« (ebd., S. 81). Bezogen auf die Installation The Destruction of the Father von Louise Bourgeois, deren Rezeption für das künstlerische Aufgreifen kleinscher Modelle nach Nixon durchaus eine Rolle spielt (s.o.), spricht die Autorin vorher auch von einer »part-object logic based in the Kleinian model« (ebd., S. 75). Der väterliche Körper – gleichsam in ein Partialobjekt gewendet – fungiert demnach als Objekt oral-sadistischer Phantasie (ebd., S. 75) und in dieser Vaterverschlingungsphantasie »eating takes the place of naming […]« (ebd., S. 74). Eine kleinsche Darstellung werde gegen eine lacansche gewendet; und diese als ›Destruktion des Vaters‹ vollführte und als oral-sadistischer Angriff auf die Sprache bzw. das Ödipale gefasste Kritik an Lacan durch Klein »stages an assault on patriarchy from the infantile position«; durch die spezifische ›Repositionierung‹ des väterlichen Körpers im Sinne eines Objekts oral-sadistischer Phantasie auf der »horizontal axis of infantile experience« mache Bourgeois die Logik des Namens-des-Vaters eben durch eine Vaterdestruktions- bzw. (kleinianische) Par tialobjektlogik zunichte (ebd., S. 74f., vgl. auch im folgenden S. 77). Eine Logik, die, von den Trieben herrührend, Bourgeois hier auch mit dem kleinen Dick verbindet – dem in Lacans Lektüre, wie gesehen, implizit bisweilen Klein verwandt und einer entsprechenden Behandlung zu unterziehen war. Und wenn Lacan von Klein gewissermaßen eine Art ›brutalen Gebrauch gemacht‹ hat, um sein symbolisches Register an ihrem ›Textkörper‹ zu instituieren bzw. über ihre Entwürfe Autorität zu präsentieren, werden nicht in dieser Kunst-Rezeption kleinsche Konzeptionen auf andere Weise für eine Lesart anti-patriarchalen Widerstands ›eingenommen‹ und eingepasst? So sehr die Verbindung von Arbeiten Bourgeois’ mit Gesetzmäßigkeiten der Teilobjekte überzeugen kann und wenngleich Nixon Spaltungstendenzen auch befragt: Die rezipierten Reihungen stellen hier eine Art Hinwendung zu Klein im Sinne einer künstlerischen Wende zu Partialobjekt und oralem Sadismus vor, die bzgl. des auf diese Weise in Szene gesetzten ›väterlichen Körpers‹ in der Tendenz verfasste Angriffe, Subversionen bzw. Kritiken des Patriarchats, der Sprache, der Logik des Namens-des-Vaters bzw. Lacans wiederum miteinander verknüpft. Wenn es z.B. zu einer Art ›Identifizierung‹ Lacans (in Opposition zu Klein) mit einer Theorie ödipalsymbolischer Ordnungen kommt, wäre die Rückkehr zu Klein dann nicht auch eine Rückkehr zu dem, was diese Art der Lacan-Lektüre vergessen, ausgelassen hat, was sich an seinen Texten in diesem Sinne als möglicherweise unverdaulich gezeigt hat? Zu denken ist für die vorliegende Arbeit nicht zuletzt an lacansche Konzepte der Sublimierung oder genau auch an die Befragung der Grenze des Symbolischen zum Realen, wie sie in den vorangegangenen Kapiteln eine wichtige Rolle spielten.

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Zehn Jahre später werden von Nixon Aspekte ihrer vorherigen Bourgeois-Rezeption in Fantastic Reality wieder aufgegriffen: Auch hier ist die Rede von einer Art ›beißenden‹ Angriffs auf die Sprache, von einem inszenierten »assault on patriarchy« aus infantiler Position – ausgehend vom Innern des (inkorporierenden und inkorporierten) mütterlichen Körpers (vgl. Nixon 2005, S. 259f.): »The ›insides‹ of The Destruction of the Father are strongly evocative of the kind of bodily ›contents‹ that Klein locates in phantasies of the maternal body« – und es wäre im Sinne von Klein auch vollkommen folgerichtig, einen Angriff auf den väterlichen Körper im Innern der Mutter zu inszenieren … »accumulation of parental part-objects: the father inside the mother« (ebd., S. 260). Zunächst kann Kleins Definition des mütterlichen Körper-›Inneren‹ als ›ein Container unbekannter Dinge phantastischer Beschaffenheit‹ nach Nixon auch eine passende Beschreibung von The Destruction of the Father abgeben (ebd., S. 254). Wie in einem bekannten Foto von Moore (Abb. 3) wird der Betrachtende dann in den Raum der Installation hinein ent- oder geworfen – »the picture produces an effect similar to that of peering into the labyrinthine, organlike interior of some of the plaster Lairs« (ebd., S. 256). – Ein anderes Foto der Arbeit (Abb. 4) bringt hingegen den bühnenartigen Rahmen zur Geltung. Schließlich wird dem/der Betrachter/in, – »placed outside and fronto-parallel to the installation« eine Rolle als Zeuge einer Szene gegeben (ebd., S. 256). Es wird gewissermaßen eine phantastische Szene gegeben – ein Szenario, das The Destruction of the Father ein- oder umfasst und das für diese Arbeit als »a father is being eaten« benannt werden kann (ebd., S. 258f.). Freuds Text »Ein Kind wird geschlagen«/A child is being beaten, der hier angespielt wird,51 gibt den Gehalt eines pervers gewendeten ödipalen Begehrens an und die Form einer Sequenz mit wechselnden Rollen.52 51 | »Ein Kind wird geschlagen« (Freud 1919e). – Vgl. zu »A Father is Being Eaten« auch Nixon 1999, S. 62f. 52 | Der Vater schlägt das (mir verhasste) Kind … ich werde vom Vater geschlagen … ein Kind wird geschlagen (Freud 1919e). – »Die dritte Phase entspricht einem Symptom, von dem Freud während der Analyse nur unter Schwierigkeiten erfährt […]. Zweierlei Manifestationen begleiten in der Regel diese Phantasie: Starke sexuelle Erregung, die meist in masturbatorische Befriedigung übergeht, und ein heftiges Schuldgefühl, das oberflächlich gesehen mit der Masturbation, in einer tieferen Schicht aber mit den erwähnten Vorstellungen zusammenhängt. Die Phantasie selbst besteht aus einer bildhaften Szene, die nach einem verhältnismäßig starren Szenario abläuft; dennoch ist jedes der drei Elemente (Schläger, Geschlagener, Handlung) relativ unbestimmt oder veränderlich […]. Es gilt auch – wie für jede Phantasie – daß die Vorstellung bildhaft ist, vor allem im visuellen Sinne. […]« (Laplanche 1985, S. 144). – Vgl. zu »Ein Kind wird geschlagen« auch Lacan 2003.

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Abbildung 3: Louise Bourgeois: The Destruction of the Father 1974 (detail)

Abbildung 4: Louise Bourgeois: The Destruction of the Father 1974

Wie im Schlagephantasie-Szenario kommen in der von Bourgeois in Szene gesetzten Phantasie auch Vater und Tochter/Kinder ins Spiel (vgl. Nixon 2005, S. 257f.). Bourgeois’ Installation richtet einen oral-dramatischen Schauplatz an, wobei dem Subjekt, dem Vater bzw. dem Kind etc., seine Rolle im Spiel zukommt; sie ›parodiert‹ (freudsche) ödipale Begehrensphantasien – und kann desgleichen das (kleinsche) phantastische ›dark inside mummy‹ berühren (vgl. ebd., S. 258f.).

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Um dies soweit zusammenzufassen: Nixon beschreibt in Fantastic reality (2005) u.a. den Blick in das Innere der Installation Bourgeois’ und den szenischen Rahmen, die rahmende Phantasie. Es wird demzufolge ein Szenario ödipalen Begehrens ›beißend‹ nach- und umgebildet und berührt werden eben auch infantile Phantasien mit Bezug zum Inneren des gefahr vollen mütterlichen Körpers als Ort einer Attacke ödipaler Beziehungen, Benennungen usw.53 Nixons Buch führt damit verschiedene Argumentationsstränge zusammen, wie sie etwa in ihrem (bereits angeführten) Artikel von 1995 auftauchen oder in einer weiterführenden Deutung von 1999, die nun in den Mittelpunkt treten soll: Weiter Klein-basiert argumentierend, wird auch Lacan mitherangezogen54 und The Destruction of the Father wiederum zwischen Trieb- und symbolischem Register situiert (vgl. Nixon 1999). Auch diesem Text von 1999 lässt sich einiges zum ›dark inside mummy‹ o.ä. entnehmen; zugleich geraten, und das ist für meine weiteren Ausführungen wichtig, hier die Rahmungen m.E. besonders dezidiert in den Blick. Hinsichtlich der ausgestellten Phantasien hat die Weise des (den Betrachtenden und seine Imagination platzierenden) szenischen Ausstellens, der Akt der Artikulation eine zentrale Deutungsfunktion. (Trieb-)Objekte und körperlicher Exzess sind in der Installation eben nicht ohne den, wie angedeutet, spezifisch verbildlichenden bzw. den narrativen Rahmen zu denken.

53 | Vgl. Nixon 2005, S. 258ff. Auf die kunst-kontextuellen Bezüge kann ich hier wieder nicht eingehen. – Nixon kommt 2005 auch zu dem Schluss, »Bourgeois invoked oral incorporation as a model of intellectual production that runs counter to Oedipal law. For the script of The Destruction of the Father, a phantasy of ›oral liquidation‹ of the patriarch (the patriarchy), encapsulates a feminist politics in a vocabulary of child analysis. Here Bourgeois lays claim to the neglected discourse of child analysis as a form of political speech […]. [I]t was [the] dissident reputation, [the] distance from Freudian psychoanalytic tradition, that made child analysis compelling for Louise Bourgeois as a praxis through which to disrupt the Freudian-based orthodoxy of surrealism, but also to think feminist politics psychoanalytically« (Nixon 2005, S. 264). (– Bourgeois Arbeit »not only draws on the psychoanalysis of children but also extends, and at times contests, this theoretical field […]. In an autobiographical note dating to the 1960s […] Louise Bourgeois described her interest in what she called the psychology of art. […] Although she did not ultimately follow this course, Bourgeois’s investigation of child analysis with the intention of becoming a therapist consistently informs the development of her art […]«) (ebd., S. 6f.). 54 | Lacan spielt auch in Nixon 2005 eine Rolle.

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The Destruction of the Father vollzieht demnach eine Verschiebung bei Bourgeois: Setzen frühere Arbeiten nach Nixon eine Trieb-Logik in Kraft, so bearbeitet die Installation von 1974 diese Triebobjekte als eine phantasmatische, sich für fotografische Bildrahmungen eignende Szene.55 Stiftet der umfassende Rahmen quasi einen bildhaften Zusammenhalt, so wird zudem narrativ eine Vaterdestruktion betitelt und erzählt (vgl. Nixon 1999) – ein Angriff auf ›väterliche‹ Autorität wird öffentlichkeitswirksam zum Ausdruck gebracht.56 Im gleichen Zug wird die Triebwirkung früherer Arbeiten in Bild und Narrativ überführt und so gewissermaßen auch ›erledigt‹. »The Destruction of the Father, in a way, tells the story of the drives that the logic of the drives in Bourgeois’s earlier work could only enact as a silent resistance, but not speak« (Nixon 1999, S. 69f.). Vollzieht sich demnach in den (oben er wähnten) Arbeiten wie Portrait oder den Soft Landscapes ein ›widerstehender‹ Rückzug von Sprache eine Art Auflösung bedeutungsbildender Prozesse – ruinierte Bedeutung, »collapse of articulation«, Resistenz gegen das Symbolische »with the muteness of the not-work« (ebd., S. 59, Herv. IH) –, so geht es in The Destruction of the Father um Bedeutung und Artikulation. Es geht auch darum, dass sich ein Sprechen als aggressives ›weibliches Subjekts‹ manifestieren kann (vgl. dazu ebd., S. 68f.).

»Manchmal wird die Phantasie gelebt« 57 Dies lässt sich wiederum mit Bezug auf Kleins ›kleinen Dick‹ entwickeln. Dick taucht in Nixons Texten rund um The Destruction of the Father recht kontinuierlich auf: 1995 etwa als einer, dessen Subjektwerdung sich eher ›beißend‹ als ›benennend‹ vollzieht und der den Vater weniger zu einem Namen als zu einem Partialobjekt macht (vgl. Nixon 1995, S. 77; vgl.o.); 2005 wird u.a. Kleins Intervention, auch in Lacans Rezeption, angeführt (vgl. Nixon 2005, S. 253). Solches geschieht ebenfalls 1999, und zwar mit Bezug zu jener ›brutalen‹ Verbalisierung – eben diesen Aspekt möchte ich nun gesondert aufgreifen. Bei Lacan ist, wie gesehen, die Rede von einer (Dick durch Klein) »mit der letzten Brutalität an den Kopf« geschmissenen Symbolik, von einem Zuschieben der »klotzigsten Deutungen« »in einer brutalen Verbalisierung des Ödipusmythos«, von einem brutalen Aufpfropfen der »ersten Symbolisierungen der ödipalen Situation« etc. (Lacan 1990, S. 90, S. 113; 55 | 1999 geht Nixon auch auf die beschriebenen Fotografien ein. 56 | Bourgeois’ Narrativ hat gleichsam die Aufnahme in den Diskurs eines

bestimmten historischen Moments bzw. in diesem eine Lesart der ›Destruktion des Vaters‹ u.a. als Attacke patriarchaler Autorität auch im politischen Sinne möglich gemacht (vgl. Nixon 1999, S. 69). 57 | Bourgeois 2001, S. 172.

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s.o.). Bei Nixon heißt es dann: »Bourgeois […], too, plasters on an Oedipal scenario« (Nixon 1999, S. 69). – Durch die Künstlerinnen-Erzählung von einer gestürzten patriarchalen Autorität würde etwa das verstreute, knollige o.ä. Geschehen aufgegriffen, (wenn auch niemals restlos) in einer ›brutalen Verbalisierung des Ödipusmythos‹ erfasst und mit der aufgerufenen Phantasie die als The Destruction of the Father bezeichnete Arbeit auch auf das ›empörende‹ Signifikat »I (you) want to kill my (your) father« reduziert (etwa vergleichbar mit dem – pointiert formulierten – kleinschen Vorgehen bei Dick bzw. mit »Du willst Deine Mutter ficken«) (vgl.o., Lacan 1990; Nixon 1999, S. 69). Die sadistische Phantasie mag patriarchale Sprachprivilegien von der Trieb-Ebene her attackieren; doch, so heißt es hier, die ›brutale Verbalisierung‹ »also cannibalizes the work«, jene die Destruktion des Vaters benennende Phantasie kann auf der Ebene des Signifikanten auch als zerstörungswirksam angesehen werden (vgl. Nixon 1999, S. 69). »Yet this attack on the signifier is not only destructive«: es würde auf diese Weise eben auch ein aggressives weibliches Subjekt installiert, »whose exclusion from the law of the father is precisely the condition that precipitates ›the destruction of the father‹ as a phantasy« (ebd.). Der Ausschluss forciert so eine Zerstörungsphantasie, die ›oral-sadistische Attacke‹ (gleichsam von der Ebene der Triebe her) wird ›brutal verbalisiert‹, die Arbeit auf das Signifi kat eines Vatertötungswunsches reduziert und (mit resistenten Überresten – es bleibt eine Art körperlicher Exzess) ein aggressives weibliches Subjekt produziert, dessen Ausschluss die Destruktionsphantasie ausgelöst hat … In der Reduzierung der Arbeit durch die benannte Zerstörungsphantasie, welche aus der Nicht-Einbeziehung des ›weiblichen‹ Subjekts in der ›väterlichen‹ Sphäre resultiert, produziert sich dann, so ließe sich sagen, eben dieses – aussagende, phantasierende, aggressive – Subjekt, wird gleichsam entworfen, projiziert. In dieser Deutung tritt eine Affekt evozierende Konstellation zutage, in der sich Subjekt des Aussagens und Subjekt der Aussage in der künstlerisch gefassten Aggression potentiell zu berühren scheinen. Einbezogen sind dabei Ausschließungsdynamiken (relevant auch für Irigarays Entwürfe, vgl. Kap. IV) und eine ›aggressiv‹ initiierte ›Subjektwerdung‹ in Anlehnung an Kleins (Be-)Handlungsverfahren … »in order to force speech« (Nixon 1999, S. 68). Die spezifisch gedeutete Art und Weise, Dick Worte in den Mund zu legen, auch im Sinne einer ›Projektion‹ beschrieben, kann dann, so lese ich es, gleichsam ein ›Modell‹ der Her vorbringung eines ›weiblichen Subjekts‹ im sozio-symbolischen Feld ergeben (vgl. ebd.; vgl. Nixon 2005, S. 250ff.). Wie Klein ›auf klatschend‹ an Dicks Stelle die Phantasien verlautbart, in drohender Distanzlosigkeit und an den Grenzen des Imaginären, so wirkt die ›empörende‹ Artikulation einer Destruktion potentiell performativ (vgl.o.) – nicht nur reduzierend-ruinös, sondern auch ermöglichend. Mit The Destruction of the Father, so schreibt Nixon, »the logic of the

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drives at once breaks through and breaks. Yet the ›contents‹ can be retained – as a corporeal excess, a residue, a remnant« (Nixon 1999, S. 69f.).58 Und, so lässt sich weiterführend sagen: in Folge des Eingriffs, gelesen zwischen Bourgeois und Klein (im Durchgang durch Lacan),59 tut sich etwas an den ›unreinen‹ Grenzen des Symbolischen, so viel ist klar. – »Alles ist da« (Lacan, s.o.). – Aus dem ›Tod des Autors‹ geht hier sozusagen nicht so sehr ein kopflos genießendes (Trieb-)‹Subjekt‹ und auch kein parler-femme, sondern ein sich von den forcierten Phantasmen her aggressiv artikulierendes ›weibliches‹ Subjekt hervor. Gerade durch die Logik des Angriffs, der Destruktion des ›Vaters‹ fi ndet sich weniger (weder in The Destruction of the Father noch in Nixons v.a. kleinianscher Rezeption) eine Abgelöstheit von der väterlichen Ordnung. In dieser Höhle werden Partialobjekte umkreist und ins Werk gesetzt, verbunden mit einrahmenden und auch reduzierenden Phantasieformen und Artikulationen aggressiver ›ödipaler‹ Phantasmen. Doch auch – und gerade wenn – die Installation The Destruction of the Father (wenigstens in meiner Betrachtung) weniger treibend, eben stärker reduzierend daherkommt als frühere Arbeiten Bourgeois’60 und ›aggressiv‹ machen kann, wirkt das, was so beschränkend wirkt, auch bewerkstelligend. Ableiten lässt sich (durch kleinsche, lacansche Theorie und Nixons Rezeption ›hindurch‹) ein ›Verfahren‹, potentiell gerade durch ›klotzige‹ Ein- und Engführungen ein bislang gefangenes Sprechen und eine Art ›Ausdehnung‹ symbolischer Schauplätze zu bahnen.

Lebensgeschichtliche Äußerungen – Assoziativer Nachtrag In The Destruction of the Father sind, wie gesehen, nicht nur die Betitelung, sondern auch die Kommentierungen durch die Künstlerin selbst zum Bestandteil der Arbeit bzw. deren Rezeption geworden. – Hat Bourgeois »once insisted that ›an artist’s words are always to be taken cautiously‹« und über »her own carefully worked out scepticism towards the very possibility of art as self-expression« verfügt bzw. »all searches for origins away from words and back to the work itself« gedrängt (Wagner 1999, S. 7), so heißt es zwei Jahrzehnte später (1973): »Wenn ich alles über mich sage, wird sich alles zum Guten wenden« (in Bourgeois 2001, S. 77; vgl. Wagner 1999). Alles 58 | ›Contents‹ im oben genannten kleinianischen Sinn. 59 | Die mit einer Hinwendung zu Klein verbundenen Aspekte sind in

dieser Form m.E. wohl allein im ›Durchgang‹ durch lacansche Konzepte zu fassen. 60 | Die späteren Arbeiten wiederum sind in diesem Kapitel nicht Gegenstand.

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über sich sagen – wie lässt sich das nun lesen? Wie funktioniert hier die Narration über ›sich‹, die biographische, lebensgeschichtliche Erzählung, die ebenfalls Stein des Anstoßes ist? Bourgeois hat auf die ihr eigene Weise stets »jedes Detail ihrer Biografie« und »jedem Kunst kritiker, der es wissen wollte«, die Verfehlungen und auch Leiden ihres Lebens offenbart (Fricke 2003, S. 21). Dies hat in der Rezeption bisweilen zu einer Psychologisierung oder einer biographischen Deutung ihrer Arbeiten beigetragen – nach Jahn kommen v.a. ab den 1970er Jahren von der Künstlerin selbst nahe gelegte »psychobiographische Deutungsansätze« auf (Jahn 1999b, S. 65). »[S]he herself has plotted, cast, rehearsed and illustrated with a documentarist’s fervor a familial drama of abuses and derelictions, from which script, it is then inevitably assumed, her art must necessarily be said to have been derived« (Wagner 1999, S. 5). Und schreibt Wagner angesichts der von Seiten der Kritik nicht selten postulierten Schwierigkeit, Bourgeois Kunst zu beschreiben oder zu klassifizieren – »[i]t is as if making Bourgeois’ art useful has depended on relocating it on biographical terrain« (ebd., S. 6) –,61 dann geht Nixon eben von der Varietät und Diskontinuität der Arbeit Bourgeois’ als Beweggrund stramm biographischer Interpretationen aus (vgl. Nixon 2005, S. 2). Diese wenig einheitsstiftenden Kunst-Charakteristika hätten oft (zu oft) zu solchen Deutungen Anlass gegeben. Denn die Fokussierung auf die Figur des Autors (etwa seine Biographie oder die Entwicklung, Reifung …) verspricht, mit Foucault gesprochen, ein gewisses Einheitsprinzip. Es wird weiter unterstellt, dass es – »auf einer bestimmten Ebene« des Denkens oder des Verlangens des Autors, »seines Bewusstseins oder seines Unbewussten – einen Punkt geben [muss], von dem her sich die Widersprüche auflösen, inkompatible Elemente sich schließlich aneinanderfügen oder sich um einen grundlegenden oder originären Widerspruch gruppieren« (Foucault 2001, S. 1019; vgl. Nixon 2005, S. 2). Gerade angesichts eher dezentrierender künstlerischer Arbeiten scheint dies beständig Stabilität zu gewähren; die Biographie übernimmt potentiell eine kompensatorische Form. »In much of the critical literature devoted to Bourgeois’s art, it is as if, in compensation for an unbinding at the level of sculptural form, there is a countervailing appeal to unity at the level of biographical interpretation« (Nixon 2005, S. 2). Werden »innerhalb der jeweils aktuellen kulturellen Fragenkomplexe beinahe alle Lektüren ihres Werks durch Louise Bourgeois’ freimütig, 61 | Wagner fragt dann in der Folge auch: »Are there no critical terms and frameworks that might be useful in the face of aberration and defiance? Is style – not as outmoded developmental category but as sculptural practices, habits, purposes – really not at issue? Might some kind of stylistic enquiry not still be helpful if we redefine what we might mean by its logic and goals? […]« (Wagner 1999, S. 6)

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hintergründig – und verschmitzt – mitgeteilte Autobiografie organisiert«, so wird dieses Biographische in Katalogtexten oft als Wahrheit begriffen, nicht als »instabile Konstruktion«, »nicht als flexible Lektüre mit fiktionalem Charakter, sondern als Klartext« (Loreck 2003, S. 36). (Zum Beispiel im Falle von The Destruction of the Father kann dies dazu verleiten »nicht mehr die diffizile Machart des Vater-Topos in Rede und Bild zu befragen«) (ebd.). Dabei kann die wiederholt-detailreiche autobiographische Erzählung auch für Verwirrung sorgen. Zunächst lässt sich diesbezüglich festhalten: »Bourgeois has spoken a great deal about her personal story« und ihre spezifische62 Darstellung »has effectively excluded any attempt to ›capture‹ her life by forms of bio- or psychographic interpretation that she cannot control« (Lebovici in Morris 2007, S. 135). Dem bereitwilligen ›Alles sagen‹ wohnt dann auch eine faktische Ab-sage inne. – Oder auch, wie Bourgeois schreibt: »Wie La Rochefoucault sagte: ›Warum reden Sie so viel? Was haben Sie zu verbergen?‹ Der Zweck der Worte ist oft, etwas zu verstecken. Ich aber möchte eine vollkommene Erinnerung und totale Kontrolle über die Vergangenheit haben. Was würde es also für einen Sinn haben zu lügen?« (Bourgeois 2001, S. 250) Anders als die Lacans dieser Welt (s.o.) lügt Bourgeois demnach nicht, verbirgt nichts, selbst, wenn sie viel spricht; sie offenbart sich offenbar zum Zwecke einer kompletten Erinnerung und Kontrolle. Über solche erklärten Beherrschungsmanöver hinaus führt der Fall biographischer Mitteilsamkeit auch dazu zu fragen, ob und wie man sich Bourgeois überhaupt annähern kann – »[a]lles liegt ja immer schon offen zu Tage« (Fricke 2003, S. 21). – Die Suche nach vermeintlich latenten Bezügen der Arbeiten zum Künstlerinnensubjekt läuft geheimnislos ins Leere und die ›offenen Äußerungen‹ können das biographisch-psychologische Erklärungssystem auch irritieren – »Lassen sich Schmerz, Leid und Verlustangst tatsächlich so unmittelbar ins Werk übersetzen?« (Fricke 2003, S. 23) Misstrauen und/oder Gelächter können kursieren. Nicht zuletzt auch der häufig anzutreffende unterschwellige Humor scheint als ein Widerspruch zur Lebensgeschichte zu wirken (vgl. ebd.).63 Die freimütigen Äußerungen wirken dann auf verschiedene Ebenen: Sie können zweifelsohne einmal mehr für Engführungen der Arbeiten stehen, die, in der Rezeption nicht selten für wahr genommen, entsprechend gängiger, ›signifikanten-reduzierender‹ Deutungsmuster aufgegriffen wer62 | Lebovici bezieht dies an dieser Stelle auf Bourgeois »account of the ›double betrayal‹ inflicted by her father and her governess Sadie« … (Lebovici in Morris 2007, S. 135 – vgl. Anm. 2 des vorliegenden Kapitels). 63 | Fricke hebt dabei auf einen fortwährenden Widerspruch ab, mit dem sich Bourgeois wie es scheint »gegen ihre eigene Lebensgeschichte wehrt« (Fricke 2003, S. 23). Mir geht es hier um einen Widerspruch zu oder in der Erzählpraxis selbst.

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den. Sie können seitens der Künstlerin als Versuch wirken, diese Deutungsmuster ›selbst‹ zu regulieren – oder sie lassen sie ins Leere laufen: Alles ist (schon) da. Eine Zurschaustellung und ein Entzug, eine Bemächtigung der Sprache, der Biographie, des Deutungsraums, die auch als eine Art der Beherrschung der Vaterfigur gelten kann … Weiter lässt sich diese ›Rahmung‹ der Arbeit als eine ›zum Guten wendende‹ Symbolisierung oder wiederum als eine Art kurzschlüssiger Ermöglichungsgrund von Artikulation begreifen: Vor dem Hintergrund von The Destruction of the Father wird die ›(Über-) Erfüllung‹ der in der Kunstkritik nicht selten vollzogenen Anbindung der künstlerischer Arbeit an die (Auto- und Psycho-)Biographie nun auch als Form (hinter-)listig dirigierender, aber ebenso ›bombardierend-brutaler‹ Interventionen lesbar, welche die Produktionen, sich in diese einschreibend, rahmen und als herausfordernde Artikulationen diesen Zuschnitt eines Künstlerinnensubjekts potentiell mit ermöglichen: beherrschend und verschlagen. – Im nächsten Kapitel sollen in einem ganz anderem, d.h. (post-)kolonialen Kontext wiederum bestimmte rebellisch-auf begehrende Handlungssituationen in den Fokus treten. Mit Bhabha jedoch gerät eine aus der unbestimmten Bedeutung erwachsende Agency in den Blick: Diese geht von der Nicht-Kontrollierbarkeit kulturell dominant gesetzter ›Gewissheiten‹ aus. Dann wird die Aufmerksamkeit für die Zwischenräume des Phantasierens, Erlebens, Sprechens geschärft, durch die hindurch Bestimmtheit und dann Regulierung behauptet – oder in Frage gestellt werden – kann, und durch die es, wie sich zeigen wird, z.B. unmöglich ist, die eigene Lebensgeschichte zu ›gestalten‹: Produziert sich diese doch stets auf eine von den Beweggründen des ›Autors‹ divergierende Weise – eine Abweichung, die Bourgeois’ verlautbartes Verfahren, so ließe sich sagen, ermächtigend (wenn auch nicht restlos) ›überspringt‹. Bevor ich nun also zu Bhabha übergehe, soll zum Kapitelabschluss noch eine verdichtete Skizze zu Bourgeois’ Einsätzen von Person, Lebensbezug und persönlichem Bekenntnis im ›Werk‹ folgen: ein ›Subjekt‹ wird in die Welt gesetzt in nachdrücklichen Bezeugungen, in denen die Bedeutungsgehalte immer wieder kippen. The Confrontation (1978) ist eine Arbeit, die als »eine weitere monumentale Installation« (Cooke 1996, S. 15) eine assoziative Nähe zu The Destruction of the Father aufweist bzw. Elemente der Arbeit von 1974 aufnimmt.64 Wieder ist eine Art (aus Tragbahren gebildeter) Tisch gegeben, bedeckt mit verstreuten menschlichen Körperteilen – die sich als »Nahrungsmittel in verschiedenen Stadien des Verfalls« entpuppen –, »Überreste eines un64 | Vgl. The Confrontation »included elements from The Destruction of the Father, thereby evoking once again the idea of a banquet with protagonists seated around a table of viscera, and it reemployed an abstract architecture of anthropomorphic characters, the human element being provided by the presence of real bodies in these niches. […]« (Bernadac 1996, S. 116).

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vorstellbaren Festmahls« (ebd.). Dieses Kernstück wird in einer Art Oval ›gerahmt‹ von weißen Holzkisten-Särgen.65 Bourgeois selbst schreibt beiden Installationen auch ähnliche Themen zu: Wie The Destruction of the Father handelt Confrontation demnach »von emotionaler Aggression, Entfremdung, Desintegration, Ausbruch und völliger Zerstörung oder Mord« (Bourgeois 2001 [1981], S. 149);66 mit Confrontation ginge es um den »Tod als Preis einer unerfüllten Leidenschaft« (ebd.). – Angesichts der verschiedenen vorfindlichen (›alten‹ und ›jungen‹) Formen (vgl. Anm. 65) ist an anderer Stelle die Rede von der ausgemalten »Obsession des Alters für die Jugend«, einer im Tod endenden, da notwendig unerfüllten Liebe einer alten zu einer jungen Person (ebd., S. 243) oder auch, im Gegenteil, der quasi tödlichen Besessenheit etlicher junger Leute von der Vergangenheit, dem Alter, einer älteren Person (vgl. ebd.). Im Hinblick auf die 1974er Vaterdestruktion m.E. durchaus verschoben handelt es sich gleichsam um Leidenschaften eines jüngerer Wesens »zum Lehrer, zum Vater oder zu einer Erwachsenengestalt« (Bourgeois in Meyer-Thoss 1992, S. 92) – oder eben umgekehrt. »Ich bin mit der Vorstellung groß geworden«, so Bourgeois, »daß nur der Tod Erlösung von einer großen Leidenschaft bieten kann« (ebd., S. 91). Zu den in diesen Kommentaren anklingenden Tragiken anscheinend unerwiderter leidenschaftlicher Besessenheiten in ›inzestuösen‹, ›pädagogischen‹ Relationen o.ä.67 treten, von ›Farbe bekennenden‹ Elementen durchsetzt, Konfrontation, Eingeständnis, Beschränkung, wenn es etwa heißt: »Jede der Schachteln verkörpert jemanden von uns. Wir müssen auf hören herumzurennen und unsere Plätze in dem Kreis einnehmen, uns selbst und den anderen gegenübertreten. Das heißt einzugestehen, wie beschränkt und uninteressant wir sind. Jeder von uns muß dies im Angesicht aller anderen leisten. In diesem Moment werden wir erwachsen. Nichts kann uns diese Konfrontation ersparen« (Bourgeois 2001, S. 243). 65 | »In der Mitte des Tisches sind die eingefallenen Wölbungen eines überdimensionierten Hodenpaares erkennbar, während sich zwischen ihnen ein verhältnismäßig kleiner, phallischer Fortsatz aufrichtet. Diese Form […] findet ihre Ergänzung in einer von unzähligen Höckern übersäten Latexhaut, die über die linke Tischhälfte gespannt ist und ebenso faltig und in sich zusammengefallen erscheint wie das Modell des männlichen Geschlechtsteils. Die rechte Tischhälfte wird von ähnlichen Höckern bedeckt, die jedoch prall aufgerichtet nebeneinander gruppiert sind und eine glänzende, glatte Oberfläche besitzen« (Jahn 1999, S. 234). 66 | Weiter heißt es: »Demgegenüber gibt es Arbeiten, die friedlich sind«… (Bourgeois 2001, S. 149). 67 | »Eine Leidenschaft ist ja noch kein Mord, denn man bringt viele positive Gefühle ein. Da kann man nicht von Mord sprechen, und doch sterben leidenschaftliche Menschen gerade so« (Bourgeois in Meyer Thoss 1992, S. 93).

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Abbildung 5: Confrontation 1978, Painted wood, latex and fabric, 1127, 81 x 609, 6 cm

Von solchen bekannt gegebenen und untergemischten ›ermahnenden‹ Lebenserfahrungen und Leitgedanken kann sich die Stimmung bei der Rede über die zur Premiere und Präsentation der Arbeit Confrontation veranstaltete Performance A Banquet/A Fashion Show of Body Parts (New York, Hamilton Gallery 1978) wenden.68 Im Zuge dessen wurde den geladenen Gästen, namhaften Vertretern der Kunstszene, tatsächlich angetragen, sich in die weißen Kisten-Särge zu begeben – und im Gespräch mit Meyer-Thoss stößt man in Bourgeois’ Schilderung auf einen – erneut nahezu kleinianischen – qualitativen Umschlag in den Besetzungen: Ausgehend von The Confrontation und den darin wirksamen tödlichen Leidenschaften merkt Bourgeois an: »[W]ie man mir in der Schule beigebracht hat – man tut besser daran, sich keiner Leidenschaft zu überlassen, wenn man gesund und munter bleiben will«. Und weiter: »Es war also ein moralisches Märchen, das von der Atmosphäre handelt, die bei Leidenschaft und Tod entsteht. Deshalb stehen da überall diese Särge herum. Und da wir uns hier in dieser Gruppe unter Menschen bewegen, die fähig sind, Leidenschaft zu entfachen und zu erleben, bewegen wir uns unter Er lesenen und Auserwählten, in diesem Fall in der Kunstwelt. Kritiker, Sammler und große Kunsthändler – sie alle wurden eingeladen, an der Performance 68 | Nicht nur in den Worten: »The deeply unsettling atmosphere of the installation received an injection of levity during a performance that accompanied its debut at the Hamilton Gallery […]« (Brinson in Morris 2007, S. 84).

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teilzunehmen, die meine besten Freunde für mich arrangiert hatten. Die Museumsleute und die Kritiker waren alle erschienen, sie saßen in ihren Särgen, ohne es zu wissen« (Bourgeois in Meyer-Thoss 1992, S. 93f.).

Abbildung 6: Louise Bourgeois: The Banquet – A Fashion Show of Body Parts, Performance 1978

Leidenschaft als Bedrohung und, in einem Atemzug, als ausgesuchte Befähigung, desorientierend-irregeführte Aufenthalte an ›toten‹ Orten … in der Tat: das ist auch »das hinterlistige Element […]« (ebd., S. 94). Ebenso demonstrativ wird eben, von traurig-tragisch zu verschlagen-scherzend, ein anderer Ton angeschlagen: »[W]enn ich sage«, so heißt es auf Nachfrage, »daß die Erlösung von einer Liebesaff äre der Tod ist, dann kommt einen das etwas teuer zu stehen. Man kann sich im Leben davon nicht allzu viele leisten« (ebd.). Im Rahmen der Perfomance 1978 werden ›Mitspieler‹ in Kostüme gesteckt, wie Hüllen aus Latex, bewuchert von Wölbungen oder Höckern.69 »Indeed, Bourgeois turned this piece into a performance by inviting visi

69 | »In the ›Banquet‹ performance […], nude men and women – artist’s models as well as art-historian colleagues of her husband – sheathed in latex costumes covered with more such protuberances paraded among the spectators to everyone’s discomfort and delight« (Storr 2004, S. 66).

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tors to sit in the booths, and then having her friends parade by in latex garb with multiple breasts […]« (Bernadac 1996, S. 116ff.) – »Ridicule kills«; und: »It seems that men like breasts, so we’ll give ’em plenty …« (Bourgeois zit.n. ebd., S. 118). – Eine Aufnahme zeigt Bourgeois belustigt als Zuschauerin des Auftritts des sich dem Publikum präsentierenden Kunstkritikers Gert Schiff (vgl. Jahn 1999, S. 236) in »der vollen Pracht seines Kostüms« (Bourgeois in Meyer-Thoss 1992, S. 94), über das er sich nach Angaben der Künstlerin »wie ein Schneekönig« freut (ebd., S. 90). – »Schauen Sie, mein Gesicht auf diesem Photo, man sieht mir an, wie sehr mir das alles gefällt. […] Es war mir gelungen, den älteren Mann in einen Narren zu verwandeln. Es ging darum, den Vater lächerlich zu machen«.70 – »[A]ll die Leute hatten einen Heidenspaß« (ebd., S. 94). Der Performance-Ablauf liest sich in den kunstkritischen Worten Gardners als »a wildly surreal theater-of-the ridiculous event featuring ›punk‹ models«, die sich recht exzentrisch aufführen, dann wieder still dastehen »while a red-haired punkster named Suzan Cooper, a creature of blood-red fingernails from another planet, vocalizes about her ›Solitude‹« (zit.n. Jahn 1999, S. 235).71 Bourgeois 1993: »Die ganze Performance […] handelte vom Verlassenwerden« – Stimme einer von ihren Kindern allein gelassenen älteren Person und »[d]as Verlassenwerden des noch sehr jungen Kindes von den Älteren. […] Viele Eltern fühlen sich verlassen, nicht wahr? […] Ich erlebte, als Kind verlassen zu werden. [Singt:] ›She abandoned me‹. Eines Tages werde ich das singen« (Bourgeois 2001, S. 281). – Heidenspaß, Boshaftigkeit, Verlassenheit; moralische und empörende, todernste, humorvolle und verhöhnende Momente wechseln in Bourgeois’ biographisch verwobenen Beschreibungen einander ab, schlagen ineinander um. Ist auch dies »die Polarität zwischen Tragödie und Ausgelassenheit« (Bourgeois in Meyer-Thoss 1992, S. 94)? Ich bin mit der Vorstellung groß geworden … wie man mir in der Schule beigebracht hat … Schauen Sie, mein Gesicht auf diesem Photo … Ich erlebte …: Man tut besser daran, sich der Bekenntnisse – der Abgründe und der Moral ebenso wenig wie des zugestandenen Humors oder der Unverschämtheit – nicht zu gewiss zu sein. Auch beim Lesen und Betrachten der Zeugnisse schwankt man in dieser mehrfach gespaltenen Szenerie, sitzt ihr auf, zahlt seinen Preis. »Ich rede wirklich wie ein Kind, es ist alles so einfach« (Bourgeois in Meyer-Thoss 1992, S. 93).72 Auf vielerlei Arten wird die eigene Kindheit behauptet und vorgetragen; Bourgeois behauptet ›sich‹: Sie gewinnt das Spiel, in welchem sie sich als Teil der Inszenierung allererst entwirft, in das sie 70 | Weiter: »Das war das Vorhaben, und es gelang. Danach habe ich das Ganze vergessen« (Bourgeois in Meyer-Thoss 1992, S. 94). 71 | Und: »The spectators – collectors, critics, curators and the curious – cower inside the wooden ›coffins‹« (zit.n. Jahn 1999, S. 235). 72 | Geäußert selbstverständlich in etwas anderem Zusammenhang, jedoch weiterhin rund um The Confrontation.

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sich bringt als sich äußerndes ›Subjekt‹ und dessen Spannbreite sie in einer durchaus inkonsistenten Ansammlung umkreister Objekte wechselnder Qualität abschreitet. – In diese Bewerkstelligung ist wiederum auch der ›eigene‹ Körper einbezogen: Bourgeois selbst präsentiert sich auf verschiedenen Fotos mit den Confrontation Costumes, wechselt die Positionen, verschmilzt in solchen Inszenierungen den ›Autorinnen‹-Körper gleichsam mit der Skulptur, exponiert Wucherungen, schlüpft oder »verwandelt sich […] selbst in eines ihrer Objekte« (Jahn 1999, S. 204ff.).73 – ›Vater‹, ›Tochter‹, Kunstobjekt: In der ›diffizilen Machart‹ des väterlichen Topos (s.o.), der wiederholt herausgeforderten Vaterfigur, wird dieser akzentuiert attackiert, einverleibt, leidenschaftlich geliebt, lächerlich gemacht. Die Künstlerin-Autorin lässt geschehen, tritt als handelndes Subjekt brutal in Erscheinung, ist befriedigt und verlassen, hält (nicht zuletzt ›sich selbst‹) zum Narren und wird sichtbar Teil des Werks, der Szene, Teilobjekt.

Abbildung 7: Louise Bourgeois mit Confrontation Costume (1980). Fotografi e. 73 | »So setzt sie in den von ihr geschaffenen Körperbildern die Auflösung ihres Selbst als künstlerisches Subjekt in Szene, das heißt, Autorin und Werk durchdringen sich gegenseitig und befi nden sich in einer ständigen Metamorphose« (Jahn 1999, S. 205). – Jahn fokussiert dabei auch das Wechselspiel bzw. die Verunsicherung von Geschlechteridentitäten bzw. -definitionen.

VI. Momente unbestimmter Bedeutung: Phantasie, Affekt und rebellische Handlungsmacht (Homi K. Bhabha)

»You know, most people think I’m some kind of theory-head, sitting cooped up somewhere with all this–[…] Not just somewhere, in London. […] Yes in London, or in Oxford, cooped up with Lacan, and certain kinds of semiotic and Marxist and Foucauldian work, when suddenly the window opens and in flies colonialism!« (Bhabha/Attwell in Attwell 1993, S. 102)

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit Konzepten Homi K. Bhabhas, der »als einer der einflussreichsten postkolonialen Literatur- und Kulturtheoretiker der Gegenwart« gilt (Bonz/Struwe 2006, S. 140). Zwingt die postkoloniale Perspektive dazu, die nicht geringen Begrenzungen eines ›liberal‹-konsensuellen Sinns von Gemeinschaft zu überdenken (vgl. Bhabha in Ruther ford 1998, S. 219), und ist sie in ihren theoretischen Entwürfen auch »committed to opening up a space in which those without a voice can speak and be heard« (Treacher 2005, S. 44f), dann geht es mir im Folgenden um Fragen ›un-erhörter‹ Äußerungsformen und Handlungsmacht in einem solchen kulturellen »Artikulationsterrain«.1 Es geht um Handlungsmächte, wie Bhabha sie ausgehend von den kolonialer Autorität innewohnenden Instabilitäten ent wirft, die dazu führen, dass diese Autorität niemals ein-

1 | »Meine Schwerpunktverlagerung vom Kulturellen als epistemologischem Gegenstand zum Kulturellen als Artikulationsterrain eröffnet neuen Handlungsspielraum (agency) für andere ›Zeiten‹ kultureller Bedeutung (rückwirkend, präfigurativ) und andere Erzählräume (phantasmatische, metaphorische)« (Bhabha 1996, S. 349).

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fach ›besessen‹ werden kann.2 Die macht vollen Strukturen sind hier nicht allein – wie bei Foucault – produktiv, sondern auch ambivalent zu denken (vgl. Yanay 2002, S. 73) – und von dieser Ambivalenz geht gewisser maßen Widerstand aus. »Resistance is not necessarily an oppositional act of political intention, nor is it the simple negation or exclusion of the ›content‹ of another culture, as a difference once perceived. It is the effect of an ambivalence produced within the rules of recognition of dominating discourses […]« (Bhabha 2003, S. 110). Der Akzent in Zuständen der Ambivalenz liegt hier wiederum (über ihre autoritativ-zwingenden Kräfte hinaus) auf der Unbestimmtheit, der Unentschiedenheit, die sie – einen Kontrollverlust, eine Herrschaftsbegrenzung implizierend – mit sich bringen kann.3 Mein Kapitel kreist einmal mehr auch eine Inkonsistenz des Anderen ein, 4 die nun auf spezifische Weise von kultureller Differenz geprägt und gewendet erscheint – welche, in einer wenig beruhigenden Konzeption, »nicht als distinctio, sondern als Inkommensurabilität« zu denken ist; etwa im Sinne einer niemals abschließbaren Kultur-Konstruiertheit, einer Traditions-Erfindung (Kley 2002, S. 57f.): »The representation of difference must not be hastily read as the reflection of pre-given ethnic or cultural traits set in the fi xed tablet of tradition« (Bhabha 2003, S. 2) … Kultur gilt hier auch als ungleichmäßige, unvollendete »Produktion von Bedeutung und Wert […], die sich oft aus miteinander unvereinbaren Forderungen und Praktiken zusammensetzt, wie sie aus dem Akt des sozialen Überlebens hervorgehen« (Bhabha 2000, S. 256).5 Kein konsistenter Anderer, keine konsensuellen Antworten, sondern ein Infragegestelltsein des Subjekts, Affekte wie Panik und dominante Grenzziehungen durchquerende Phantasien werden hier thematisch – damit einhergehend bekommen die Leser/innen es auch weniger mit Phantasien von Einverleibung als mit Einverleibungen von Phantasien zu tun. In Bhabhas Entwürfen von Handlungsmächten geht es nicht so sehr um 2 | »Bhabha shows how the authority of colonial power was not easily possessed by the colonizer […]. His concern is to unfold the ambivalence in colonial and colonizing subjects by articulating the inner dissension within the colonial discourse structured according to the conflictual economy of the psyche. He argues that without such instability of power, anti-colonial resistance would itself be powerless, whereby he focuses on the hesitancies and irresolution of what is being resisted« (Castro Varela/Dhawan 2005, S. 322). 3 | Zu Moderne und Ambivalenz vgl. Bauman 1992. 4 | Auch Laplanches Theorie rätselhafter Botschaften und übermittelter Phantasien sind im postkolonialen Kontext gelesen worden (dazu: Treacher 2005, S. 52f.). 5 | Zu Bhabhas Verständnis von Kultureller Differenz vgl. etwa den entsprechend überschriebenen Abschnitt in »DissemiNation« (in Bhabha 2000) oder Bhabha in Rutherford 1998.

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›brutal-reduzierende‹ Verbalisierungen als vielmehr um Szenarien in Herrschaftskontexten, die die Beteiligten erst einmal im Unklaren lassen. Entsprechend wird dieses Kapitel von in Situationen unbestimmter Bedeutung auftretenden Optionen handeln. Bhabhas Texte entwickeln nicht so sehr differente Logiken im Zugang zu symbolischen Welten, als dass sie die den gegebenen Zugängen innewohnenden Spaltungen, Ambivalenzen oder eben (partielle) ›Einverleibungen‹ akzentuieren. Bhabhas Modell von Handlungsmacht setzt sich weiter, das wird zu zeigen sein, radikalen, potentiell bis zu ›(prä-)psychotischen‹ Zuständen reichenden Verunsicherungen aus. So möchte ich also – wie von Bhabha in postkolonialen Analysen entwickelt – eine ›intersubjektive‹ Sphäre des Sprechens, der Phantasmen und Affekte fokussieren, die, gerade indem sie (auch in hierarchischen Konstellationen) nicht eindeutig zuzuordnen sind, Agency generieren. Auch in diesem Kapitel werde ich die inhärenten Artikulations- und Handlungsentwürfe aufgreifen, erproben und weiterschreiben; im Mittelpunkt stehen Textmaterialien v.a. aus The location of culture von 19946 – und nicht die darin behandelten historischen Situationen selbst. Dies wiederum bedeutet keine Unverbundenheit: Wenn ich mich der Frage nach Autorschaft und Handlungsmacht von einem postkolonialen Textkörper aus annähern möchte, dann ist damit eine spezifische Denkbewegung verbunden, die die koloniale Beziehung als konstitutiv für jene Positionen und Funktionsweisen westlicher Rationalität und Autorität begreift, die in den Beziehungsgeflechten auch ihrer ›eigenen‹ (post-)modernen Kulturen effektiv sind und in Frage stehen. Durch den Kolonialismus hat der ›moderne‹ Westen neben der ›offiziellen‹ Version auch eine andere Geschichte von sich produziert – woraus gewissermaßen »[an] ideological tension, visible in the history of the West as a despotic power, at the very moment of the birth of democracy and modernity« resultiert (Bhabha in Rutherford 1998, S. 218, Herv. I.H.).7 Die Geschichte des Kolonialismus ist nach Bhabha eine – bis heute wirksame – counter-history der normativ-traditionellen Geschichte des Westens (ebd).8 6 | Die dort versammelten Texte stammen z.T. bereits aus den 1980er Jah-

ren. 7 | Vgl. auch: »The material legacy of this repressed history is inscribed in the return of post-colonial peoples to the metropolis«, deren Gegenwart die Politiken, kulturellen Ideologien und intellektuellen Traditionen verändert (Bhabha in Rutherford 1998, S. 218). 8 | Solche Betrachtungen lassen sich durchaus mit Modellen sexueller (In-) Differenz verbinden: Besetzt in der westlich-modernen ›Gruppe‹ das ›brüderliche‹ Ideal-Ich den Platz des Vaters (vgl. Kap. I), dann ist es nach MacCannell (1991) dieses ›general self‹, welches »[u]ntil only very recently […] was the unquestioned focus of social and cultural, but especially economic, value. Now

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Es ist ein »ongoing, problematic, displacing, disseminatory negotiation with the colonial, not only at the political level, but also at the conceptual and psychic level […] that marks the very emergence of modernity« (Bhabha in Attwell 1993, S. 105). Ein Nachdenken über die Wirkmacht westlicher Autorität und deren Wandel kann von solchen Zusammenhängen nicht einfach Abstand nehmen – anderenfalls wird die Erkenntnis spezifischer Charakteristika dieser autoritativen Gefüge gar nicht erst möglich. In diesem Sinne soll die Re-Lektüre von Texten Bhabhas insbesondere prekäre paranoide Züge westlich-bürgerlicher Autoritätsfiguren denkbar machen, deren Spuren sich schließlich noch in den mit diesen Figuren verbundenen Autorschaftsmodellen finden lassen. Ich möchte im Folgenden also, und damit endet diese Vorbemerkung, gezielt einigen bei Bhabha skizzierten Autoritätskonstellationen und im gleichen Zug Entwürfen ›widerständiger‹ Handlungsfähigkeit nachgehen, die auch traditionelle Vorstellungen von Autorschaft ablösen.

Ein in der Schwebe gelassener Satz? 9 »Eines Abends, als ich auf einem Barhocker halb eingeschlafen war, versuchte ich spaßeshalber alle Sprachen aufzuzählen, die an mein Ohr drangen: Musik, Konversation, Geräusche von Stühlen, Gläsern, eine ganze Stereophonie, deren exemplarischer Ort ein Platz in Tanger ist (beschrieben von Severo Sarduy). Auch in mir redete es (das ist bekannt), und dieses sogenannte ›innere‹ Reden ähnelte ganz dem Geräusch des Platzes, jener Abstufung leiser Stimmen, die mich von außen erreichten« (Barthes 1996, S. 74).

Dieses Zitat ist Roland Barthes’ Die Lust am Text (Le Plaisir du Texte) entnommen, jenes Buch, das 1973 (d.h. wenige Jahre nach »Der Tod des Autors«), auch von einem gewissen Begehren nach dem Autor spricht (vgl. ebd., S. 43, vgl. Einleitung) und eine Lust nicht nur als Gegenstand des Textes, sondern auch im Text, als eine Lust des Textes impliziert. Im Anschluss an die eben zitierte Passage, die mit einer Sprachaufzählung, ›spaßeshalber‹, beginnt, führt Barthes ›sich‹ als einen »öffentliche[n] Ort«, einen »Suk« ein (ebd., S. 74), auf dem gehandelt wird. Im Zustand des Halbschlafes wird das, was sich von außen zu Gehör bringt, dem vergleichbar, was im Innen that its principal activities and accomplishments – economic exploitation and domination, colonialism and empire-building, the arts of war and the construction of the powerful, centralized nation-state – are being questioned, the ›symbolic‹ prestige of that particular (male) image is waning« (MacCannell 1991, S. 6). 9 | Irigaray 1979: »Von sich selbst rückt [die Frau] kaum ab […] in einem in der Schwebe gelassenen Satz« (S. 28).

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spricht. Äußere und innere Stimmen ähneln sich an. Es tauchen Wörter, Syntagmen, Formulierungsfetzen auf, die nicht einen Satz formieren und die sich, indem es sich um ein »zugleich ganz kulturelle[s] und ganz wilde[s] Reden« handelt (ebd.), gleichsam in einem widersprüchlichen Verhältnis zur Kultur und zum Ich situieren (vgl. ebd., S. 22). Die Lust am Text folgend, können die nebeneinander arbeitenden, sich in einem diskontinuierlichen Arrangement befindenden Sprachen damit nicht nur auf einen behaglichen, kulturkompatiblen »Text der Lust« (plaisir), sondern auch auf einen »Text der Wollust« ( jouissance) verweisen, der einen erschüttert und sich verlieren macht (vgl. ebd.). In Barthes’ Verwendung des Wortes Lust liegt, wie er schreibt, eine Zweideutigkeit – mit diesem Ausdruck geht es um die Unterscheidung zwischen wollüstigem Vergehen bzw. potentiell kulturdurchsetztem Befriedigt- oder Erfülltsein und es geht allgemein um einen Textexzess (vgl. ebd., S. 30). »[K]ein Satz bildete sich« – in der stereophonischen Anekdote Barthes’ taucht ein Reden ohne Satz-Formung auf; »dieser Nicht-Satz war keineswegs etwas, das nicht die Kraft gehabt hätte, zum Satz zu werden, das vor dem Satz gewesen wäre; es war: was auf ewige, unnahbare Weise außerhalb des Satzes ist« (ebd., S. 74). Der Satz fungiert nach Barthes in der Linguistik als ein Ordnungs- und Einheitsprinzip – er »ist die letzte Einheit, zu deren Untersuchung sie sich berechtigt fühlt«, schreibt er 1966 in seiner »Einführung in die strukturale Analyse von Erzählungen« (Barthes 1988, S. 104).10 1973 wird mit dem, was in »Die Lust am Text« außerhalb des Satzes ist, ›virtuell‹ »die ganze Linguistik hinfällig« (Barthes 1996, S. 74). Man findet sich gewissermaßen außerhalb dessen wieder, was – hierarchisch und abgeschlossen – »Abhängigkeit, Unterordnung, innere Ausrichtung« impliziert (ebd., S. 75). Eine spezifische ›Ausrichtung‹ kommt mit Bhabhas Lektüre in »The postcolonial and the postmodern: The question of agency« (1992) ins Spiel. Bhabha greift mit dem zitierten bartheschen Tagtraum nicht so sehr lustvolle Dynamiken des Schreibens und Lesens, als vielmehr die auftretenden Räume für Formen des Handelns auf, wenn er den »verrückten und wunderbaren Tagtraum des semiotischen Pädagogen, der etwas zu tief ins Glas geschaut hat« (Bhabha 2000, S. 270), zum Anlass nimmt, um der Frage einer »Handlungsfähigkeit« des Marginalen, Minoritären etc., sozusagen »außerhalb des Satzes« (ebd., S. 270f.), nachzugehen. Der Raum des Nicht-Satzes ist etwas, was Eingang in den Satz hätte finden können, »aber dennoch außerhalb davon blieb«, heißt es hier (ebd., S. 271). – Der NichtSatz weilt nicht in einem Vorher oder Vornherein, in einer Tiefe, Präsenz o.ä., sondern ›außerhalb‹ und das meint hier auch eine Art Umstülpung 10 | Barthes argumentiert dort u.a. im Sinne einer Diskurslinguistik. »Der Diskurs ist ein großer ›Satz‹« – so, wie der Satz eine Art »kleiner ›Diskurs‹« ist (Barthes 1988, S. 104ff.).

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oder Unterbrechung, ein Da-Zwischen (vgl. ebd., S. 272). Wenn der NichtSatz bei Barthes, wie zitiert, etwas ist, was auf ewige, unnahbare Weise in diesem ›Außerhalb‹ ist, dann schneidet Bhabha »the word ›eternally‹ out of the phrase […]« und steckt gleichsam einen dritten Raum ›in-between‹ Satz und Nicht-Satz ab (Moore-Gilbert 1998, S. 127).11 »[D]er Nicht-Satz steht zum Satz nicht in einem Verhältnis der Polarität«, heißt es bei Bhabha (2000, S. 271). Auch wäre der bedrohliche Sinn beizubehalten, »in dem der Nicht-Satz direkt an den Satz angrenzt, ihm nahe, aber different, und nicht einfach seine anarchische Aufspaltung ist« (ebd.). Die Frage lautet also: »[K]ann es ein soziales Subjekt des ›Nicht-Satzes‹ geben? Ist es möglich, sich in jenem disjunktiven, unbestimmten Moment des Diskurses außerhalb des Satzes historische Handlungsfähigkeit vorzustellen? Ist das Ganze vielleicht nicht mehr als eine theoretische Phantasie, die jede Form politischer Theorie auf einen Tagtraum reduziert?« (Ebd., S. 272)

– Eine Frage, die die Literatur etwa so kommentiert: »While one might be inclined to nod one’s head, any simple affirmative must recognize that such an answer depends on traditional assumptions about the nature of the political […]« (Moore-Gilbert 1998, S. 140). Nicht zuletzt ist es der tagträumerische Zustand selbst, der Bhabha interessiert. Mit der Einführung des Begriffs des Tagtraums bzw. der Phantasie für das, was bei Barthes als ein Zustand des Halbschlafes beschrieben ist, wäre im Verständnis Freuds umgehend der Wunsch involviert; eine Phantasie »schwebt« gleichsam zwischen den »Zeitmomenten«, »Vergangenes, Gegenwärtiges, Zukünftiges wie an der Schnur des durchlaufenden Wunsches aneinandergereiht« (Freud 1908e, S. 217f.). Man ist mit der Phantasie demnach auf eine Struktur ineinander verwobener Zeitlichkeiten verwiesen, in der von einem aktuellen wunscherweckenden Eindruck auf die Erinnerung eines wunscherfüllten Zustandes zurückgegriffen und eine ebenso erfüllte zukünftige Situation produziert wird (vgl. ebd.) – in einem phantastischen Raum, der keinen »Realitätsanspruch« stellt (von Braun 1998, S. 77) und doch in Antizipation bzw. ›Probehandeln‹ auch auf die Realität bezogen bleibt (vgl. Pagel 1984).12 Bhabha greift freudsche Bestimmungen auf und setzt darauf, dass die Phantasie in ihrer Struktur das Subjekt im Sinne unvereinbarer, diskontinuierlicher, verleugneter Gefüge formuliert, wobei sie »nicht alternativ zum Handeln in der realen Welt« funktioniert (Bhabha 2000, S. 270). 11 | Zu einer Kritik an Bhabha/Barthes (auch daran, dass Bhabha »is in fact at times seduced by Barthes’s rigid ontological distinction between the ›sentence‹, and what is ›outside the sentence‹« …): Moore-Gilbert 1998, S. 128f. 12 | In einem anderen Zugriff ließe sich wiederum sagen: sie stützt auch die Realität.

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Mit dem, was »außerhalb des Satzes« wie die Phantasie einen Zustand beschreibt, der »nicht reine Erfahrung« ist und »noch nicht Konzept, teils Traum, teils Analyse«, geht es Bhabha um eine theoretische Aufschließung, um ein »über die Theorie hinaus« (ebd., S. 270, S. 268). Ein solches ›Darüber hinaus‹ tangiert nicht nur die Grenzen von Theorie und (politischer) Praxis,13 sondern auch das semiologische Projekt, welches sich (wie auch immer »spaßeshalber«) um die Aufzählung der eindringlichen Sprachen bemüht – d.h. etwa jenes (äußerst produktive) Modell, »positing that where there is meaning there is system and that one must identify the different levels of signification and the signifiers and signifieds at every level of signification« (Culler 2001, S. 440). ›Darüber hinaus‹ kommt in Bhabhas Lesart ein Moment ins Spiel that »takes semiotics by surprise« (Bhabha 2003, S. 181). Die Begegnung mit dem Tagtraum Barthes’ heißt nach Bhabha, »den entscheidenden Beitrag der Semiotik zu jenen einflußreichen Konzepten« wie etwa Zeichen, Text, écriture … anzuerkennen, »die um so wichtiger geworden sind, seit sie in das Unbewußte unseres theoretischen Geschäfts eingegangen sind« (Bhabha 2000, S. 269) – und zugleich bricht der Tagtraum unerwartet eben über die Semiotik herein (ebd., S. 270). Dem korrespondiert ein spezifischer Umgang mit Autorschaft: Dieses ›phantastische‹ Projekt bewegt sich nicht allein »außerhalb« des Autors: es fügt sich nicht nur nicht »der intentionalen Oberhoheit des ›Autors‹«, sondern verweigert sich auch einer lediglich »weitere[n] Wiederholung der theoretischen Litanei« von dessen Tod – in einem solchen endlosen ›Gerede‹ geht jener barthessche Tagtraum nach Bhabha kaum auf (ebd., S. 267, S. 270). Entsprechend übernehmen weder der Autor, noch sein – ihn machtvoll inszenierender – ›Tod‹ im Folgenden die Führung; vielmehr lässt sich sagen: Der ›Autor‹ oder der Handelnde »only re-emerges through ›a form of retroactivity‹« (Moore-Gilbert 1998, S. 136). Ich möchte also den Vorstellungen einer »Individuation« spezifischer Handlungsfähigkeit – im Anschluss bzw. in Abgrenzung zu Modellen der Autorschaft – folgen, die sich mit den Stimmen »außerhalb des Satzes« verbinden und die Bhabha als »Nachwirkung« einer von kultureller Differenz durchdrungenen intersubjektiven Verflechtung begreift.

Fäden spinnen Ausgehend u.a. von Formulierungen Bachtins, die den Autor de-plazieren (vgl. Bhabha 2000, S. 281), wären die Linien oder Ketten des Sprechens und Kommunizierens zu eruieren, die stets ein »Milieu fremder Wörter, Bewertungen und Akzente« (Bachtin 1986, S. 97) durchqueren, in welches der halb schlafende Barthes quasi eingetaucht ist. In dieses »elas13 | Vgl. dazu auch »The commitment to theory« (in Bhabha 2003).

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tische, oftmals schwer zu durchdringende Milieu« (ebd., S. 96) fremder Wörter dringt ein Wort in seiner Intention und Ausrichtung auf einen Gegenstand, es flicht sich ein und bricht sich darin (vgl. ebd., S. 96ff.). »[Z]wangsläufig Tausende lebendiger Dialogfäden« berührend, in die ihr Gegenstand jeweils verwoben ist, ist die Äußerung aktiv am »sozialen Dialog[s]« beteiligt (ebd., S. 97). – Dies spricht gegen ein traditionelles Denken, in dem das Wort nur sich selbst, seinen eigenen Kontext, Gegenstand oder ähnliches mehr, seine eigene Sprache kennt, und das direkte Wort »auf seinem Weg zum Gegenstand« (den es niemals auszuschöpfen, nicht vollständig wiederzugeben vermag) nicht auf den »Widerstand des fremden Wortes« triff t (ebd., S. 96). In einem solchen Verständnis scheint niemand das gleichsam in ›Eigenem‹ befangene Wort zu stören – »niemand stellt es in Frage« (ebd.). Hingegen findet Bachtin zufolge jede Äußerung den Gegenstand, auf den sie sich richtet, »umgeben von einem ihn verdunkelnden Dunstschleier oder aber vom Licht der schon über ihn geäußerten fremden Wörter« vor (ebd.). Das Wort wird durchdrungen in und von einem »komplexe[n] Spiel von Licht und Dunkel«, das sich eben durch das den Gegenstand betreffende fremde Wort, durch die »in verschiedene Redeweisen gegliederte soziale Meinung« ergibt (ebd., S. 97) …14 Innerer Dialogcharakter des Wortes 15 – »[d]as Wort entsteht im Dialog, als lebendige Replik des Dialogs, und es wird in der dialogischen Wechselwirkung mit dem fremden Wort innerhalb des Gegenstands gestaltet« (ebd., S. 100). Darüber hinaus bezieht sich der innere Dialogcharakter des Wortes auch darauf, dass jedes Wort auf eine Antwort zielt; es ist auf ein »künftige[s] Antwort-Wort eingestellt« und kann »dem entscheidenden Einfluß des zu erwartenden Entgegnungswortes nicht entgehen« (ebd., S. 100f.). Bildet sich das Wort Bachtin zufolge »in der Atmosphäre des schon Gesagten«, so wird es also zugleich von dem noch nicht gesagten, antizipierten »Entgegnungswort bestimmt« (ebd., S. 101). – Bhabha spricht bzgl. Bachtins Speech genres and other late essays auch von einer Berührung, einem Anstoßen der räumlichen Grenzen des Äußerungsgegenstandes in der »Assimilation« der Rede und einem »Moment der Indetermination im Akt der […] ›Adressivität‹ […]« (Bhabha 2000, S. 281).16 14 | Von dem dialogischen Spiel ist dann potentiell auch die künstlerische Darstellung betroffen (vgl. Bachtin 1986, S. 97). 15 | Das ›Innere‹ an der Dialoghaftigkeit des Wortes ist in Differenz »zum äußerlich-kompositionellen Dialog« gedacht (Bachtin 1986, S. 105). 16 | In »The Problem of Speech Genres« heißt es: »The utterance is addressed not only to its own object, but also to others’ speech about it. But still, even the slightest allusion to another’s utterance gives the speech a dialogical turn that cannot be produced by any purely referential theme with its own object. […] We repeat, an utterance is a link in the chain of speech communica-

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Arendt folgend, auf die sich Bhabha in einer weiteren Schleife bezieht, kommen im Handeln und Sprechen die Handelnden und Sprechenden selbst »zum Vorschein und ins Spiel«,17 auch wenn es um die »jeweiligen, objektiv-weltlichen Interessen« geht (Arendt 2002, S. 224). Konstituieren diese Interessen ein die Menschen in einen Bezug zueinander setzendes ›inter-est‹, so wird dieser Zwischenraum stets von einem weiteren ›Zwischen‹, einem kaum fassbaren Bezugsgewebe aus Worten und Taten »überwuchert« und durchdrungen (vgl. ebd., S. 224f.).18 In dieses immer schon existierende Gewebe fällt jeder Beginn eines Handelns oder Sprechens. Werden in jeder ›lebendigen Äußerung‹ bei Bachtin also eine Vielzahl verwebend-verwobener »Dialogfäden« berührt, so schlagen Sprechen und Handeln nach Arendt gleichsam »Fäden […] in ein bereits vorgewebtes Muster«, die dieses Gewebe immer auch verändern bzw. »alle Lebensfäden, mit denen sie innerhalb des Gewebes in Berührung kommen, auf einmalige Weise affizieren« (ebd., S. 226). Auf diese Weise werden die Fäden gesponnen, bis sie »klar erkennbare Muster« ergeben bzw. »als Lebensgeschichten erzählbar« sind (ebd.). »Wer« einer in seiner kaum greif baren Einzigartigkeit ist, offenbart sich auf unwillkürliche Weise und anderen deutlich und unmissverständlich, bleibt der Person selbst jedoch nicht selten verstellt (vgl. ebd., S. 219) und lässt sich nicht willentlich lenken, bestenfalls nachträglich fassen. – So kann man die (Lebens-)Geschichte beginnen, indem man sich einschaltet und seine Fäden schlägt, aber man kann sie nicht ›gestalten‹. Während man bestimmte Ziele ver folgt, werden die durch das Handeln und Sprechen produzierten erzählbaren Geschichten auf eine von den Beweggründen abweichende Weise hervorgebracht (vgl. ebd., S. 226f.). So dass die »Verlegenheit« schließlich darin liegt, »daß wir in jeder Abfolge von Geschehnissen, die im Erzähltwerden einen eindeutigen Sinnzusamtion, and it cannot be broken off from the preceding links that determine it both from within and from without, giving rise within it to unmediated responsive reactions and dialogic reverberations. But the utterance is related not only to preceding, but also to subsequent links in the chain of speech communion. […]« (Bakhtin 1996, S. 94). 17 | Auf Arendts Verständnis kultureller Produktion im Sinne etwa des Kunstschaffens werde ich hier nicht eingehen. 18 | Vgl. Bhabha 2003b: »What I mean by narration is close to Hannah Arendt’s account of the agent-revealing capacity of action and speech: ›Action and speech go on between human beings, as they are directed toward them, and they reveal their agent-revealing capacity even if their content is exclusively ›objective‹, concerned with the matters of the world of things.‹ [Arendt] Thus narrative as communicative, performative action is concerned with what lies between people, ›something which inter-ests, which lies between people and therefore can relate and bind them together.‹ [Arendt]« (Bhabha 2003b, S. 34)

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menhang [unique meaning, I.H.] ergeben, bestenfalls den Täter (agent) ausmachen können, der den Geschehnisablauf erst einmal ins Rollen gebracht hat, und obwohl dieser Täter häufig das Subjekt, der ›Held‹ der Geschichte bleibt, kann er nie unzweideutig als Autor ihres Endergebnisses angesprochen werden« (zit.n. Bhabha 2000, S. 283; vgl. Arendt 1998, S. 185). – »Somebody began it and is its subject in the twofold sense of the word, namely, its actor and sufferer, but nobody is its author« (Arendt 1998, S. 184). Entsprechend ist »die Geschichte der Menschheit« oder von Menschengruppen (vgl. Arendt 2002, S. 227) nicht ›verfasst‹. Der Sinnzusammenhang, der sich durch die Erzählbarkeit einer Sequenz zeitlich verbundener, noch so zufällig oder disparat veranlasster Geschehnisse ergibt (vgl. ebd., S. 229), kann nicht auf einen Autor oder einen ›hinter den Kulissen‹ die Fäden ziehenden Verfasser (Gott, eine ›unsichtbare Hand‹ o.ä.) zurückgeführt werden. Ein solche Rückführung versucht nur, dem Dilemma Herr zu werden, das sich daraus ergibt, dass sich das historische Geschehen zwar menschlichem Handeln verdankt, aber eben nicht ›gemacht‹ ist (vgl. ebd., S. 229f.; Arendt 1998, S. 185). Die Vorstellung eines verborgenen, Regie führenden Fädenziehers lässt sich weiter als eine ›Umdeutung‹ (vgl. Arendt 2002, S. 231) lesen, die eine erste Spur des Paranoiden erahnen lässt: Ein durch ein soziales Gewebe sich konstituierendes Handeln wird projektiv einer absichtsvoll vorgehenden, verborgenen Figur attribuiert. Gerät man mit einem solchen ›Autorschafts‹-Modell nicht in die Nähe eines (Beziehungs-)Wahns, der nicht ›beabsichtigte‹ Äußerungen und Handlungen anderer als solche gewichtet, ausdeutet oder beurteilt (vgl. Freud 1901b) – um die ängstigende Verwirrung, die mit der kontingenten Struktur intersubjektiven Handelns entsteht, quasi zu ›heilen‹ und einen konsistenten Entwurf der sozio-symbolischen Ordnung bzw. jenes das soziale Geschehen regulierenden Anderen zu garantieren? Von Bhabha wird die solchermaßen verstellte konstitutive Ungewissheit bzw. die ›autorlose‹ Differenz zwischen verursachender Figur und sich ergebender Geschichte auf spezifische Weise aufgegriffen, die das sich handelnd enthüllende ›Wer‹ »außerhalb des Satzes« schreibt; dabei werden die »einzige Bedeutung« der sich einstellenden Geschichte bzw. die weitgehende Konsensualität des (weder Gegen- noch Für-, sondern) ›Miteinander‹, die Arendt als eine Art Voraussetzung für die Enthüllung des ›Wer‹ konzipiert (vgl. Arendt 1998, S. 180; Bhabha 2000, S. 285), in Frage gestellt – im Sinne einer »auf unsere postkoloniale Ära bezogenen Konzeption der kontingenten Handlungsfähigkeit« (Bhabha 2000, S. 284f.). Gerade mit Blick auf kulturelle Differenz bzw. aus einer Perspektive sozialer Marginalisierung ginge es darum, andere Konstellationen menschlichen ›Miteinanders‹ zu denken (statt Gemeinschaft vornehmlich auf Konsens basierend zu begreifen) (vgl. ebd.). Das Miteinander kann etwa »die Kräfte der hegemonialen Autorität repräsentieren«; es kann zu Solidarität und Widerstand gegen Suppressionen kommen oder zu dem Versuch, von einem

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subalternen oder minoritären Punkt aus »das ›inter-est‹ der Gesellschaft […] in Frage zu stellen oder neu zu artikulieren« (Bhabha 2000, S. 285). Dieses ›inter-est‹ erscheint damit als explizit verhandelbar. – »Bhabha’s engagement with Bakhtin and Arendt […] enables him to propose a model of political solidarity which sharply contrasts with that underpinning what he dismissively describes as ›the liberal vision of togetherness‹, as well as with the more traditional models of agency and solidarity […]« 19 (Moore-Gilbert 1998, S. 136f.). Das handelnde Subjekt kommt in der bhabhaschen Konzeption nicht allein als Wirkung ›eines‹ intersubjektiven Gewebes, sondern insbesondere als Effekt seiner Infragestellung ins Spiel. Deutet sich nicht bei Arendt (vielleicht teils symptomatisch) an, »daß Handlungsfähigkeit in der Wiederkehr des Subjekts, aus der Unterbrechung der Abfolge von Geschehnissen als eine Form der Infragestellung und Neueinschreibung des vorher und nachher entsteht?« (Bhabha 2000, S. 284) – Und findet sich das noch nicht gesagte, die Äußerung ausrichtende ›Entgegnungswort‹ Bachtins hier nicht gleichsam als Befragtsein und Frage außerhalb des Satzes wieder? – »[T]he agent, constituted in the subject’s return, is in the dialogic position of calculation, negotiation, interrogation: Che vuoi?« (Bhabha 2003, S. 185) Eine fragende, von dem unergründlichen Begehren des Anderen herrührende Stimme (die in der ›väterlichen‹ Institution bürgerlich-westlicher Prägung keine Antwort mehr findet) geht gewissermaßen aus der stereophonischen Phantasie ›außerhalb des Satzes‹ hervor – und bringt ebenso »eine unerträgliche Angst« (Žižek 1991b, S. 194), ein ›hysterisiertes‹ Subjekt bzw., wie es bei Bhabha heißt, eine »interrogative Handlungsfähigkeit« (Bhabba 2000, S. 276) her vor. In einer Bewegung hin zu durchaus auch spezifischeren Situationen, die sich dann zugleich konstitutiv für den ›allgemeinen‹ theoretischen Zugang zeigen, geht es mir im folgenden um Umgangsweisen mit dem intersubjektiven Verhandlungsraum durch Figuren westlicher Autorität bzw. Rationalität – und weiter um die sich generierende Handlungsmacht derer, die durch diese nicht ›repräsentierbar‹ sind.

Grenzgefechte »Es ist ein auff älliger und allgemein bemerkter Zug im Verhalten der Paranoiker, daß sie den kleinen, sonst von uns vernachlässigten Details im Benehmen der anderen die größte Bedeutung beilegen, dieselben ausdeuten 19 | Bei letzteren bezieht sich Moore-Gilbert auf Fanon bzw. die Arbeit der Subaltern Studies group. – Weiterhin wird Bhabhas abgeleitete »vision of agency (if I have understood it right)« auch als »extremely problematic and unstable« charakterisiert (Moore-Gilbert 1998, S. 137; vgl. die Diskussion auf S. 137ff.).

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und zur Grundlage weitgehender Schlüsse machen« (Freud 1901b, S. 284). In der Zusammenschau mit dem zugleich ganz kulturellen und ganz wilden Sprechen und Denken der bartheschen Tanger-Phantasie, in der sich jenseits fi xierter Bedeutungen innere und äußere Stimmen überlagern, erscheint der ›Deutungszwang‹ des Beziehungswahns als schroffer Kontrast. Alles, was an anderen bemerkt wird, erscheint hier bedeutungsvoll, alles deutbar. Die Kategorie dessen, was keiner Motivierung bedarf, wird verworfen (vgl. ebd.), außen und innen scheinen projektiv klar getrennt. Eine solche Trennung zwischen innen und außen versucht auch Freud selbst in Zur Psychopathologie des Alltagslebens, der obiges Zitat entstammt, aufrechtzuerhalten. Er erkennt hier den der Paranoia bzw. dem Aberglauben20 und der Psychoanalyse gemeinsamen hermeneutischen Zwang (Derrida 1994, fol. 17) und versucht im gleichen Zug, sich in einer Art ›Glaubenbekenntnis‹ von jenen ›anderen‹ zu unterscheiden (vgl. Freud 1901b, S. 286). Seine ganze Redekunst entfaltend, »um uns von der tatsache zu überzeugen, daß er bloß nicht abergläubisch ist« (Derrida 1994, fol. 18), heißt es etwa: »Ich glaube nicht, daß ein Ereignis, an dessen Zustandekommen mein Seelenleben unbeteiligt ist, mir etwas Verborgenes über die zukünftige Gestaltung der Realität lehren kann; ich glaube aber, daß eine unbeabsichtigte Äußerung meiner eigenen Seelentätigkeit mir allerdings etwas Verborgenes enthüllt, was wiederum nur meinem Seelenleben angehört« ... (Freud 1901b, S. 286).

Und zu den Unterschieden heißt es weiter: »[E]rstens projiziert er [der Abergläubische] eine Motivierung nach außen, die ich innen suche; zweitens deutet er den Zufall durch ein Geschehen, den ich auf einen Gedanken zurückführe. Aber das Verborgene bei ihm entspricht dem Unbewußten bei mir, und der Zwang, den Zufall nicht als Zufall gelten zu lassen, sondern ihn zu deuten, ist uns beiden gemeinsam« (Freud 1901b, S. 286f.).

Freud unterscheidet sich, ohne es konsequent einzugestehen, »erst im augenblick des schließens, im moment des urteils und mitnichten während der deutung« (Derrida 1994, fol. 17). Wäre der Zwang zur Deutung von Zeichen in gewissem Maß ein ›abergläubisches‹ oder auch ›wahnhaftes‹ Moment der Psychoanalyse, die dieses zugleich analysierbar macht? Es ist u.a. das in den freudschen Passagen lesbare Bestreben, klare Grenzen zwischen Paranoia und Aberglaube einerseits sowie Wissenschaft 20 | »Die Kluft zwischen der Verschiebung des Paranoikers und der des Abergläubischen ist minder groß, als sie auf den ersten Blick erscheint« (Freud 1901b, S. 288). (Es geht mir hier um Freuds Argumentation, nicht um deren Diskussion.)

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bzw. Psychoanalyse andererseits aufrechtzuerhalten, von dem ausgehend sich mit Derrida der Begriff der »abendländischen stereotomie« (ebd., fol. 20) einführen lässt, jenseits dessen sich wiederum das »Außerhalb des Satzes« in Bhabhas Verständnis situiert: Man muss, so heißt es, »außerhalb des Satzes, und zugleich ganz kulturell und ganz wild denken«, »um die okzidentale Stereotomie […] zu unterbrechen« (Bhabha 2000, S. 278). Die unzähligen Stimmen im phantastischen Universum Barthes’, die die Ebene des Individuellen überschreiten, arbeiten dem Modell der Stereotomie entgegen, für die eben das Herausschneiden von Räumen, soliden Gefügen bzw. eines einheitlich »zusammenhängenden und deterministischen interpretationsfeldes« (Derrida 1994, fol. 20) charakteristisch ist. In einer Art stereometrischer, an das ›Wahnhafte‹ grenzender Gewissheit, sich von wahnhaften Zuschreibungen abgrenzen zu können, versucht Freud in Zur Psychopathologie des Alltagslebens also gewissermaßen, »die wissenschaft vom seelischen« (ebd.) als ein Erkenntnisfeld ›herauszuschneiden‹. Es scheint, als würde er hier ein solches (ausschließendes) Herausschneiden im Sinne einer Grenzziehung zwischen sich und dem paranoiden bzw. abergläubischen Interpretieren brauchen und verteidigen, welches er anderenorts selbst ins Wanken bringt. Geht es hier um die Instituierung einer (psychoanalytischen) Theorie und Praxis, so hütet sich Freud in anderen Zusammenhängen genau vor einer ›Ontologisierung‹ oder ›Substantialisierung‹ der Grenze etwa zwischen dem Draußen und dem Drinnen (vgl. ebd., fol. 19, 21) – und würde damit selbst in einer Art ›Außerhalb‹ sprechen, welches die Stereotomie in ›Unruhe‹ versetzt. (Auch in den Textpassagen in der Psychopathologie finden sich m.E. Hinweise auf solche beunruhigenden Tendenzen21). – Rund 10 Jahre später heißt es in »Psychoanalytische Bemer21 | Beim Blick auf die dort angeführten Erkenntnisweisen erscheint die paranoide Sicht oder Erkenntnis »schärfer als das normale Denkvermögen«; zugleich ist sie wegen der »Verschiebung« des »erkannten Sachverhalts auf andere […] wertlos« zu nennen (Freud 1901b, S. 284). »Die dunkle Erkenntnis (sozusagen endopsychische Wahrnehmung) psychischer Faktoren und Verhältnisse des Unbewußten«, die »natürlich nichts vom Charakter einer Erkenntnis hat«, etwa bzgl. Aberglaube, Mythologie wie Paranoia spiegelt sich »in der Konstruktion einer übersinnlichen Realität«, die die Wissenschaft in »Psychologie des Unbewußten« zurückzuverwandeln hat: Aus Metaphysik werde Metapsychologie (vgl. ebd., S. 287f.). Damit versucht Freud einen metaphysischen Diskurs ›umzusetzen‹ (Freud), der ihm allererst die Begriffe hierfür gibt (vgl. Derrida 1994, fol. 21). – Heißt es weiter, dass nur »in unserer modernen, naturwissenschaftlichen, aber noch keineswegs abgerundeten Weltanschauung« der Aberglaube derart »deplaciert« erscheint (Freud 1901b, S. 288), so verunklaren sich die Grenzen zwischen abergläubischem, paranoidem und ›gesundem‹ Benehmen zugleich. Das Verfahren etwa, »die Außenwelt anthropomorphisch in eine Vielheit von

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kungen über einen autobiographisch beschriebenen Fall von Paranoia (Dementia paranoides)«, es bleibe »der Zukunft überlassen, zu entscheiden, ob in der Theorie mehr Wahn enthalten ist, als ich möchte, oder in dem Wahn mehr Wahrheit, als andere heute glaublich finden« (Freud 1911c, S. 315); eine Äußerung von bis heute »höchster wissenstheoretischer und kulturdiagnostischer Relevanz« (Pazzini/Schuller/Wimmer 2005, S. 7).22 Es lässt sich sagen, dass die Schriften Freuds ebenso ›bemeisternde‹ wie sich aussetzende Tendenzen im Umgang mit ungewissen Grenzen enthalten (etwa in Abhängigkeit vom Stand der psychoanalytisch-›wissenschaftlichen‹ Institution und der darin gebundenen Angst). Im Grunde, so Derrida, glaubt Freud ebenso wenig wie der Abergläubische »an die solide beschaffenheit der von unserer abendländischen stereotomie ausgeschnittenen räume.« Er (und mit ihm Derrida) »glaubt nicht an die kontextualisierenden und einrahmenden, aber nicht realen grenzen zwischen dem seelischen und dem körperlichen, dem drinnen und dem draußen, von all den anderen angrenzenden oppositionen ganz zu schweigen« (Derrida 1994, fol. 20). Im Grunde fehlt der Glaube an krisenfeste Grenzen und öff net die Tore für De-Ontologisierungen oder ›paranoische‹ Angst. – Liest man Texte Bhabhas, so verschiebt sich die Anordnung zwischen Paranoia, ›wissenschaftlich‹-rationalen und ›abergläubischen‹ Strukturen ein weiteres Mal. Jene freudschen Theoreme des ›Beziehungswahns‹ – die sich in Zur Psychopathologie des Alltagslebens als selbst nicht eindeutig abgrenzbar von westlicher Stereotomie und ›wahnhaften‹ Konstellationen zeigen – werden von Bhabha hier ausschließlich als Werkzeug Persönlichkeiten nach ihrem Gleichnis aufzulösen«, wodurch die abergläubisch gedeuteten »Zufälligkeiten« »Handlungen, Äußerungen von Personen« waren, entspricht, wie es heißt, den Paranoikern, »welche aus den unscheinbaren«, von anderen gegebenen »Anzeichen« Schlüsse ziehen, und den »Gesunden alle[n], welche mit Recht die zufälligen und unbeabsichtigten Handlungen ihrer Nebenmenschen zur Grundlage der Schätzung ihres Charakters machen« (ebd.). 22 | Nach Schneider ist dabei die von Freud im gleichen Zug betonte »Priorität seiner Theorie gegenüber der paranoischen Wahnbildung« (Schneider 2001, S. 47) – »Ich kann aber das Zeugnis eines Freundes und Fachmannes dafür vorbringen, daß ich die Theorie der Paranoia entwickelt habe, ehe mir der Inhalt des Schreberschen Buches bekannt war« (Freud 1911c, S. 315, Herv. I.H.) … – wiederum auch »Ausdruck der Verkennung der nicht hintergehbaren Affektion der psychoanalytischen Erkenntnis durch deren Objekte« (Schneider 2001, S. 47). An anderer Stelle heißt es: Psychoanalyse »gebärdet sich zwangssystem- wie wahnsystemhaft und ahmt damit hysterisch das nach, was sie beschreibt und als bloßes Objekt ihrer Beschreibung von sich weist. Aber nur indem sie Ähnlichkeit mit ihren Gegenständen reflektiert, kann sie der Gefahr entgehen, mit ihnen zusammenzufallen« (ebd., S. 28f.).

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der Analyse paranoider Autoritätsfiguren eingesetzt und erhalten an dieser Stelle eine Art schwebenden, unverorteten Status.23 »There is no conception of psychoanalysis as a specifically Western narrative of knowledge«, schreibt Moore-Gilbert über Bhabha in anderem Zusammenhang (1998, S. 141). Bisweilen kritisiert, wird dies hier zu einem Umstand, der zunächst 24 einmal irritiert. So werden implizit die (unsoliden) Linien nicht zwischen Psychoanalyse/Wissenschaft und Paranoia/Aberglaube angenommen, sondern die Psychoanalyse dient gleichsam einem Blick auf Paranoia/›Wissenschaft‹ in gewisser Differenz zum Aberglauben: Von Bhabha wird, das wird zu zeigen sein, die ›Deplaciertheit‹ des Aberglaubens nach Maßgabe westlich-wissenschaftlicher Weltanschauung in gewisser Weise ihrerseits deplacierend aufgegriffen und fruchtbar gemacht: Etwa der ›Aberglaube‹ im Indien des 19. Jahrhunderts arbeitet in einer durch westlich-koloniale, vermeintlich ›rationale‹ Autoritäten dominierten Situation deren Paranoia auch entgegen, welche jeden Zwischenraum des Verhandelns und Fragens angstvoll verschließt. – Um dies auszuführen, werde ich zunächst einen Umweg über die Mimikry einschieben.

Mimikr y In einer von Bhabha in »Signs taken for wonders« (1985) postulierten Wendung zeigt sich im Kontext kolonialer Repräsentation eine spezifische Differenz zwischen der Präsenz der Macht und dem, was ihre eigenen Regeln glauben machen wollen (vgl. Bhabha 2000, S. 166). Geht man davon aus, dass die Anerkennung von Autorität (ungeachtet jener Bestimmungen, die sie u.a. über den Ausschluss von allen mit der »autoritativen Vernunft« in Konflikt stehenden Gründen definieren) stets »eine Bestätigung ihres Ursprungs« erfordert, die als das »Etwas, das einen Herren ausmacht« unmittelbar offensichtlich und allgemein akzeptiert sein muss (ebd.), so stößt das unmittelbare (An-)Erkennen der Autorität in der kolonialen Situation auf Probleme. Um nämlich auf diese Weise autoritativ wirksam zu sein, müssen die »An-Erkenntnisregeln« einen Konsens widerspiegeln; um machtvoll zu sein, sind sie auszuweiten, wenn es darum geht, auch »außerhalb ihres angestammten Bereichs« (ebd., S. 165) liegende ›Objekte‹ zu

23 | Vgl. dann seine Ausführungen zu Anthropologie und Psychoanalyse als ›Gegenwissenschaften‹ (nach Foucault) in »The postcolonial and the postmodern: The question of agency« (in Bhabha 2000). Vgl. etwa auch Bhabha/ Comaroff 2002. 24 | Möglicherweise ist dieser Punkt auch überdeterminiert aufgrund einer sich an dieser Stelle potentiell ergebenden Nähe zu meinem eigenen Schreiben?

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repräsentieren.25 Die diskriminierende Ausübung kolonialer Macht lässt die einheitsstiftende Unterstellung einer Konsensualität des ›Miteinander‹ (s.o.), einer »Kollektivgröße« (vgl. ebd., S. 164) nicht zu. Was sich nicht repräsentieren lässt, wird zu beherrschen versucht – auf der Basis einer Verleugnung, welche die mit der Beherrschung verbundenen Verwerfungen negiert; dabei werden ›diskriminatorische‹ Identitäten produziert, welche die ›reine‹ Identität der Autorität wiederum (vermeintlich) sicherstellen (vgl. ebd., S. 163ff.). Die Autoritätsidentität wird – vermeintlich – sichergestellt: In »Sly civility« (1985) taucht die Formulierung auf von der »Weigerung, dem Auge der Macht das ihm rechtmäßig zustehende Bild der Autorität zurückzugeben« (Bhabha 2000, S. 148). Hier klingt zunächst (mit dem ›Auge der Macht‹) Foucaults panoptischer Blick und (mit dem ›zurückgegebenen Bild‹) die Metapher des Spiegels an: Diese Metapher – die in einer Lesart des lacanschen Spiegelstadiums als Paradigma einer (immer schon von der symbolischen Ordnung getragenen) imaginären Identifizierung, Verkennung und aggressiven Spannung gelten kann: das Ich bildet sich mit einem Spiegelandern26 – wird von Irigaray auf ganz eigene Weise »in ihrer Funktion für die Konstituierung eines Scheinsubjekts auf die Geschlechterbeziehung« übertragen (Postl 1991, S. 125).27 In diesem Gefüge spiegelt die Frau den Mann in gleichsam negativer Form; um solche Funktionsweisen zu zersetzen, wird von Irigaray der Weg eines Mimesis-Spiels vor- und eingeschlagen (vgl. Kap. IV). Die Thematisierung von ›Angleichungsprozessen‹ durch Bhabha – der sich auch, etwa im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Fanon, mit Spiegelphänomenen in kolonialen Situationen befasst28 – beinhaltet eine 25 | »Seid der Vater und der Unterdrücker der Menschen […]«, heißt es in anderem Zusammenhang (T.B. Macaulay zit.n. Bhabha 2000, S. 141). 26 | Es geht dabei immer auch um die Differenz des Ich zum Ideal-Ich in Bildgestalt (vgl. Gondek 2001, S. 137). – Nach Widmer hat die imaginäre Instanz »auch Funktionen, die nicht nur Verkennung, Illusion heißen, sondern auch Raum- und Zeiterfahrung, mithin Konstitution der Realität, auch wenn gegen diese wiederum das Reale […] ausgespielt werden kann« (Widmer 2005, S. 23f.). 27 | Zu Irigaray und dem Spiegelstadium vgl. auch Whitford 1991: »Irigaray argues, first, that all of western discourse and culture displays the structure of specularization, in which the male projects his own ego on to the world, which then becomes a mirror which enables him to see his own reflection wherever he looks. Women as body/matter are the material of which the mirror is made, that part of the mirror which cannot be reflected, the tain of the mirror for example, and so never see reflections of themselves. The second step is to look for the infrastructure, the mother […]« (S. 34). 28 | Vgl. z.B. auch Bhabha 2000: Narzissmus und Aggressivität als »Formen

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durchaus verwandte Mimikry-Operation (vgl. »Of mimicry and man«, 1984). Nicht zufällig also sind die Ansätze Bhabhas und Irigarays gelegentlich miteinander verglichen worden, prominent etwa durch McClintock, die sie – auch im Hinblick auf die jeweils behandelten ›Differenzen‹ – gegeneinander stellt: Verhandele Irigaray Mimicry als speziell weibliche Strategie (»an essentialist gesture that elides race and class«), so beziehe sich Bhabha allein auf race (»eliding in the process gender and class«). – »By eliding gender difference […] Bhabha implicitly ratifies gender power, so that masculinity becomes the invisible norm of postcolonial discourse. By eliding racial difference, Irigaray, in turn, ratifies the invisibility of imperial power« (McClintock 1995, S. 64f.). Eine solche (an dieser Stelle fast schon ›symmetrische‹) Gegenüberstellung29 ist hier nicht mein Ansatzpunkt, wiewohl mich in diesem Kapitel gerade die postkolonialen Einsichten interessieren; eher möchte ich mich eben darauf konzentrieren, wie Bhabha ein (auch verglichen mit Irigaray) radikalisiertes Konzept von Ungewissheit oder Unbestimmtheit entwirft: Bei Bhabha erscheint Mimikry im Sinne struktureller Ambivalenzen,30 sie bildet sich als »eine der am schwersten zu fassenden und gleichzeitig effektivsten Strategien der kolonialen Macht und des kolonialen Wissens« heraus (Bhabha 2000, S. 126). Gleichsam in Übereinstimmung mit der Logik des panoptischen Blicks der Macht, wie Moore-Gilbert schreibt, »[t]he colonizer requires of the colonized subject that s/he adopt the outward forms and internalize the values and norms of the occupying power« (Moore-Gilbert 1998, S. 120). Die koloniale Mimikry wäre das Begehren nach einem »erkennbaren Anderen als dem Subjekt einer Differenz, das fast, aber doch nicht ganz dasselbe ist« (Bhabha 2000, S. 126). So lässt sich, entwickelt am Beispiel der Geschichte Indiens, sagen, dass diese im Sinne einer Subjektformation wirkende Mimikry »only aimed at a partial ›re-form‹ of the native, whereby the underlying premise was that Indians can mimic but never exactly reproduce English values« (Castro Varela/Dhawan 2005, S. 323). Die Einführung dieser geringfügigen Differenz nun, die quasi die ideologische Aufteilung in »superior« und »inferior« – als ›Erklärung‹ für der Identifi kation bilden die dominante Strategie der kolonialen Macht im Hinblick auf das Stereotyp […]. Genau wie die Spiegelungsphase ist ›die Vollständigkeit‹ des Stereotyps – sein Bild als Identität – immer von etwas ›Fehlendem‹ bedroht« (S. 114). 29 | In dieser Gegenüberstellung kann allerdings allein Irigaray ein Essentialismus unterstellt werden … Zur Frage der Asymmetrie der Differenzen in einem lacanschen Zugriff vgl. Copjec 2004; Seshadri-Crooks 2000; s. auch Anm. 62 in Kap. III der vorliegenden Arbeit. 30 | Ein wiederum auch in Irigarays Denken angelegter Befund.

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Herrschaftsverhältnisse – aufrechterhält, bringt unkontrollierbare Effekte hervor (vgl. Huddart 2006, S. 59); der disziplinarische Blick des Kolonialherrn wird potentiell auch destabilisiert: Die hervorgebrachten Subjekte bzw. deren »›not-quite sameness‹ acts like a distorting mirror which fractures the identity of the colonizing subject […]«(Gilbert-Moore 1998, S. 120f.). Ein Spiegel, der verzerrt – Zeigt sich Mimikry also als Strategie kolonialer Macht, »it is at once a site of resistance, which fractures the colonizers identity and authority« (Castro Varela/Dhawan 2005, S. 318).31 – Ein solcher Widerstand ist bei allen Beteiligten weniger intendiert, als das er ›passiert‹: Diese Agency ergibt sich, und das wird an Bhabhas Konzepten nicht selten auch kritisiert, als eine Wirkung der inneren Brüche und Risse des kolonialen Diskurses selbst (vgl. Loomba 2002, S. 178; McClintock 1995, S. 63).32 – »[A]lthough there is some implication that if recognized as such [the] mimicry could be transformed into a strategy of resistance«, lässt sich kaum sagen, dass die Kolonisierten es wählen »to be a mimic« (Huddart 2006, S. 61, Herv. I.H.). Ist Bhabhas Mimikry-Vorstellung (neben Lacans Einfluss)33 potentiell auch durch Irigaray inspiriert (vgl. Castro Varela/Dhawan 2005, S. 324) – die ›hybriden‹ etc. Kolonisierten wären dann gleichsam »also ›not one‹, if not ›two‹ as Irigaray figures the feminine« (Harrow 2002, S. 201) –, so scheint an dieser Stelle zugleich eine gewisse Differenz markiert; zumindest dann, wenn man jene bekannte (in Kap. IV bereits angeführte) Formulierung Irigarays zur Mimetik zitiert: »Es geht darum, diese Rolle freiwillig zu übernehmen. Was schon heißt, eine Subordination umzukehren in Affirmation, und von dieser Tatsache aus zu beginnen, jene zu vereiteln. […]« (Irigaray 1979, S. 78). Etwas überspitzt und polarisiert formuliert:34 »Bhabha […] uses the concept at the level of the unconscious, suggesting that it is in the colonized’s effort to imitate the colonizing Other that difference appears. For Irigaray, mimicry is a conscious strategy of resistance to hegemonic discourse, one which must be taken up ›délibérément‹ […]« (Donadey 1993, S. 111).35 – Werden also gewisse Angleichungen gefordert 31 | Wie hier dann weiter ausgeführt wird: »[P]ostcolonial mimicry can reinforce colonial regimes of desire rather than disrupt it« (Castro Varela/Dhawan, S. 326). 32 | Wiederum auch kritisch gegenüber McClintock vgl. Harrow 2002, S. 161ff. 33 | Lacan zu Mimikry etwa in Lacan 1987, S. 97-111. 34 | Es sollen hier allein Tendenzen beschrieben sein – auch bei Irigaray hat Mimetik immer schon statt und bei Bhabha bleibt die Frage der Un/Bewusstheit der Mimikry bisweilen auch offen. 35 | Weiter heißt es, dass diese Strategie »points to a feminine elsewhere; in Bhabha’s formulation, there is no elsewhere for the mimic man, only absence behind the mask he is made to wear« … (Donadey 1993, S. 111).

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und auch unfreiwillig Differenzen produziert, dann folgt bei Irigaray eine ›freiwillige Übernahme‹, woraus ein ungemein produktives Verfahren und schließlich der Versuch einer Etablierung einer differenten Ökonomie resultiert. Bei Bhabha geht es noch stärker um die irritierende Ungewissheit, ob und wie die Angleichung funktioniert und auch um eine mögliche Ununterscheidbarkeit; die Mimikry, wenngleich changierend an der Grenze zur Inter vention, wird zunächst wiederum zu einer Art ›Agency ohne Subjekt‹ – durchaus mit dem Effekt einer eigenartigen Auflösung oder auch Verschmelzung der Identität »of the colonizer and colonized« (Castro Varela/Dhawan 2005, S. 324). Wenn Bhabha, wie Moore-Gilbert an einer Stelle schreibt, »fails to clarify the degree to which the various kinds of resistance which he describes are in fact ›transitive‹ or ›intransitive‹, active or passive« (Moore-Gilbert 1998, S. 132f.), dann wäre aus meiner Sicht (bei aller Brisanz und Angst, die das potentiell produziert) der Frage nachzugehen, ob sich diese Unklarheit allein als failure figuriert.

Paranoia und westliche Ratio »[M]imicry means that the colonized, while complicit in the process, remains the unwitting and unconscious agent of threat, with a resulting paranoia on the part of the colonizer as he tries to guess the native’s sinister intentions«, schreiben Castro Varela und Dhawan (2005, S. 324). Es sind die paranoiden Dimensionen bzw. die »Zwillingsfiguren von Narzißmus und Paranoia […], die sich auf wütende, unkontrollierbare Weise wiederholen« (Bhabha 2000, S. 136), die mich weiter interessieren. In »Sly civility« (1985) geht Bhabha einerseits von narzisstischen Ansprüchen aus, denen gemäß »der Andere das Selbst autorisieren und dessen Priorität anerkennen, seine Konturen ausfüllen, seine Referenzen vervollständigen, letztlich sogar wiederholen und seinen gebrochenen Blick befrieden möge« (ebd., S. 146). Andererseits bringt die koloniale Situation eben keinen ungebrochenen Spiegel hervor; die imaginären ›Heilungsversuche‹ werden durch den »unberechenbare[n] Einheimische[n]« (ebd., S. 147) weniger zufrieden gestellt als annulliert. »Wenn man ihnen ihre groben und wertlosen falschen Vorstellungen über die Natur und den Willen Gottes oder die monströsen Narreteien ihrer phantastischen Theologie entgegenhält, werden sie das vielleicht mit einer schlauen Höflichkeit (sly civility)36 oder mit einem geläufigen und nichtssagenden Sprichwort abtun. Sie antworten dann vielleicht, daß ›der Himmel ein geräumiger 36 | »›Sly civility‹ hat hier eine schwer in einem einzigen Ausdruck wiederzugebende Mehrdeutigkeit und meint zugleich ›vorgetäuschte Bürgerlichkeit‹« (d. Ü. in Bhabha 2000, S. 146, Anm. 25).

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Ort ist und tausend Tore hat‹ und daß ihre Religion die Pforte sei, durch die sie einzutreten hoff ten. Derart haben sie zusammen mit ihren unverrückbaren Überzeugungen auch ihre skeptischen Ausflüchte. Durch solche Ausflüchte können sie das Für und Wider des Falls jeder Betrachtung entziehen und die Menschen ermutigen, zu denken, daß noch der scheußlichste Aberglaube beliebigen heilsamen Zwecken dienen kann und demnach im Angesicht Gottes auch als Wahrheit und Rechtschaffenheit gelten kann« (aus einer Predigt des Erzdiakons Potts 1818, zit.n. Bhabha 2000, S. 146f.).

Selbst wenn man sich seines Wissens absolut gewiss zu sein glaubte, lassen sich die ›tausend Tore‹ der abqualifizierten differenten Erkenntnisformen nicht einfach bemeistern. Dieser Passage zufolge vermag sich der in westlicher Weltanschauung – seien es Anschauungen von Natur oder Gott – deplaciert (Freud) erscheinende scheußliche Aberglaube in der Rede der anderen als Wahrheit zu erweisen; er nimmt die Rechtschaffenheit gleichsam in sich auf und umgeht die ›herausgeschnittenen‹ Erkenntnisfelder. Es ist die entstehende Unberechenbarkeit und Unsicherheit – durch das, was das herrschende Universum aushebelt, nicht darin integrierbar ist –, in der eine ängstigende Paranoia Raum greifen kann. Ein die Desintegration ersatzweise ›entschädigender‹ machtvoller Verfolgungswahn zeichnet sich ab – von Bhabha gewissermaßen als Kehrseite des Narzissmus der Autorität begriffen (vgl. ebd., S. 148) – wenn der die narzisstischen Ansprüche auf Berechenbarkeit und Bestätigung nicht erfüllende Einheimische als der feindselige Fremde wahrgenommen wird, wie Freud ihn beschreibt. Jedes noch so kleine Anzeichen von ›Fremden‹, von denen der verfolgte Paranoiker »etwas wie Liebe« erwartet, aber indifferent – oder hier nicht den Ansprüchen entsprechend – behandelt wird, wird im Beziehungswahn verwertet; wobei die »Indifferenz im Verhältnis zu seiner Liebesforderung« nach Freud nicht ganz zu unrecht »als Feindseligkeit« empfunden wird (Freud 1922b, S. 199). – So wird die »Weigerung, dem Auge der Macht das ihm rechtmäßig zustehende Bild der Autorität zurückzugeben« (s.o.), in der Sprache der Paranoia geschrieben als eine »unversöhnliche Aggression, die ausdrücklich von außen kommt« (Bhabha 2000, S. 148). Der nicht erfüllte Liebeswunsch konjugiert sich im Verfolgungswahn mittels Affekt verwandlung und Projektion als »Ich l i e b e ihn ja nicht – ich h a s s e ihn ja – weil er mich verfolgt«. Und hasst er mich, wird mich das berechtigen, »ihn zu hassen« (Freud 1911c, S. 299f.; vgl. Bhabha 2000, S. 148). Projektion: »Eine innere Wahrnehmung wird unterdrückt und zum Ersatz für sie kommt ihr Inhalt, nachdem er eine gewisse Entstellung erfahren hat, als Wahrnehmung von außen zum Bewußtsein«. Affektverwandlung: »Die Entstellung besteht beim Verfolgungswahn in einer Affektverwandlung; was als Liebe innen hätte verspürt werden sollen, wird als Haß von außen wahrgenommen« (Freud 1911c, S. 302f.). In Bhabhas Lesart kolonialer Situationen wird der Wunsch »Ich möch-

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te, daß er mich liebt«, gleichsam durch das nicht zurückgegebene Bild frustriert und auf vergleichbare Weise in ein »Er haßt mich« verwandelt (Bhabha 2000, S. 148) – wodurch wiederum herrische Ansprüche ›begründet‹ scheinen. Projektive Zuschreibungen kausal-absichtsvoll unterstellter Wirkmechanismen schneiden das ›Milieu‹ intersubjektiver Verhandlungsräume aus oder ab – und die durch die (verleugnete) Entstellung »von außen kommende Aggressivität des anderen« (ebd.) rechtfertigt in dieser Logik das Subjekt der Autorität bzw. die autoritäre Forderung und zwingt den Einheimischen in der Projektion in eine Relation zum Herrn, die niemals die verlangte sein kann (vgl. ebd.). Allein die an den Tag gelegte, das Bild ›väterlich-gerechter‹ Autorität verfremdende Härte vermag in dieser paranoiden Logik den Einbruch einer Wahnvorstellung vom bedrohlichen ›Chaos‹ oder ›Ende der Welt‹ (vgl. ebd., S. 149f.) noch zu verhindern – und vermag es doch nicht. Der Ort des anderen ist im kolonialen Diskurs ohne ›Verhandlungsraum‹ durch fi xe Ideen und Angstphantasien besetzt und die ›irrtümlichen‹ Besetzungen der anderen können auf nicht berechenbare und angstfördernde Weise, die ›eigenen‹ Ausdrucksweisen und Namen einverleiben oder enteignen. So heißt es zum Beispiel bei Alexander Duff, Indienmissionar des 19. Jahrhunderts: »[J]eder Begriff der Eingeborenen, den der christliche Missionar verwenden kann, um die göttliche Wahrheit zu vermitteln, ist bereits als auserwähltes Symbol eines dazu passenden tödlichen Irrtums besetzt […]. Man wird sich dann anders ausdrücken und [den Eingeborenen] sagen, daß es eine zweite Geburt geben muß. … Nun ist es aber so, daß diese Ausdrucksweise und sämtliche anderen, ihr ähnlichen schon anders belegt sind. Worauf ihnen der Gayatri, der heiligste Vers der Veden mitgeteilt wird … [was] religiös und metaphorisch die zweite Geburt [der Eingeborenen] darstellt. … Der Versuch, sich besser auszudrücken, kann leicht den Eindruck vermitteln, es müßten nur alle Menschen vollkommene Brahmanen werden, damit sie Gott sehen können« (zit.n. Bhabha 2000, S. 150).

Der ›tödliche Irrtum‹ passt zum Begriff göttlicher Wahrheit. Werden dominante Begriffs- und Wissenskonstellationen unheimlicherweise durch ›eingeborene‹ Kenntnisformen artikuliert, dann werden ›Aberglaube‹ und Irrtum Wahrheit und Gott verwechselbar. Es ist genau das von kultureller Differenz durchdrungene und paranoid ›ausgeschnittene‹ intersubjektive Gewebe, das sich immer wieder als nicht beherrschbar erweist. Das vertraute Symbol ist in dem Milieu fremder Wörter, Bewertungen und Akzente (Bachtin) immer schon belegt oder auch belagert, die ›aberkannten‹ anderen Kenntnissysteme – etwa als Irrtum oder Aberglaube, Narretei klassifiziert – ergreifen gleichsam »vom dominanten Diskurs Besitz« und verfremden »die Basis seiner Autorität« (seine Erkenntnisregeln) (Bhabha 2000, S. 168 in anderem Zusammenhang).

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Wie »in den pittoresken Worten« des von Bhabha im Kontext ›schlauer Höflichkeit‹ angeführten »verzweifelten Missionars« deutlich wird, verliert der ›Rationalismus‹ der »Fortschrittsideologien« des 19. Jahrhunderts (wie etwa Evolutionismus, Missionarismus …) »in der Begegnung mit der Kontingenz der kulturellen Differenz immer mehr an Kraft«, heißt es in »The postcolonial and the postmodern: The question of agency« (ebd., S. 292). Die koloniale Begegnung wirke sich auf die »Dünne der Erzählung« aus, welche Foucault in einer Passage von Die Ordnung der Dinge eruiert. In einer Konstellation des 19. Jahrhunderts, in der »das menschliche Wesen« über das Zerbrechen der Einheit des Werdens von Mensch und Welt und die Entdeckung einer den Dingen eigenen Historizität schließlich (diese begründend) selbst »durch und durch historisch geworden ist« (Foucault 1990, S. 444, vgl. S. 440ff.), wird jedes Streben nach Universalität gewissermaßen von der eigenen Geschichtlichkeit heimgesucht. Zu jener »Dünne der Erzählung« neigt die Geschichte in der Akzeptanz der eigenen historischen Verwurzelung bzw. Relativität: Sie dringt dann sozusagen »in die Bewegung ein, die ihr mit dem gemeinsam ist, was sie erzählt« (ebd., S. 444). Der »positive Inhalt« durch die Humanwissenschaften lässt sich nicht halten; diese tun nichts anders als die kulturelle Episode, »auf die sie als auf ihren Gegenstand angewendet werden« (was auch die eigene Synchronie sein kann), mit derjenigen in Beziehung zu setzen, »aus der sie hervorgegangen sind« (ebd., S. 444f.). Es sind nach Foucault – über die Spiele des modernen Historizismus hinaus – ›Gegenwissenschaften‹ wie die Ethnologie,37 die nicht den Menschen selbst, sondern (etwa durch eine spezifische Bezugnahme auf andere Kulturen) die (unbewussten) Möglichkeitsbedingungen jenes »Wissen[s] über den Menschen« in der abendländischen episteme befragen (ebd., S. 452f.). Wird damit das, was sonst »als erworben« hat gelten können, prinzipiell in Frage gestellt (vgl. ebd., S. 447), so ist dieses ›Prinzip des Infragestellens‹ selbst »eine[r] bestimmte[n] Position der abendländischen ratio« (ebd., S. 451) geschuldet: »Die Ethnologie steht innerhalb der besonderen Beziehung, die die abendländische ratio mit allen anderen Kulturen herstellt« (ebd., S. 452), und diese spezifische Position ist – wenn bei Foucault auch nur in negierter Form – mit dem Kolonialismus verbunden (»Das heißt natürlich nicht, daß die kolonisatorische Situation für die Ethnologie unerläßlich ist«) (ebd., S. 451; vgl. Bhabha 2000, S. 292f.). Nach Bhabha wird der koloniale Text zur (verleugneten) »Grundlage der Beziehung« (Bhabha 2000, S. 293), welche die westliche Ratio mit anderen Gesellschaften und »sogar mit der Gesellschaft, in der sie historisch erschienen ist« (Foucault 1990, S. 451), haben kann. Sie kehrt gewisserma37 | Eine andere mögliche ›Gegenwissenschaft‹ (im Verhältnis zu den ›Humanwissenschaften‹): die Psychoanalyse (vgl. Foucault 1990 – vgl. Anm. 23 des vorliegenden Kapitels).

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ßen aus der Beziehung zu ›anderen Kulturen‹, die Foucault als mit einer »historischen Souveränität des europäischen Denkens« verbunden beschreibt (vgl. ebd., S. 451) und die nach Bhabha immer auch eine »Übertragungsbeziehung zwischen dem Westen und seiner kolonialen Geschichte« ist, zeitverschoben zu sich zurück (Bhabha 2000, S. 293f.). Dabei handelt es sich auch wieder um einen selbstentfremdenden Prozess (vgl. ebd., S. 294). Mit der Rückkehr zu ›sich selbst‹ kehrt gleichsam auch das verweigerte Bild von Autorität zurück. Die Beziehung zur ›eigenen‹, als ›souverän‹ unterstellten Kultur konstituiert sich über die koloniale Beziehung – und die Begegnung mit der Kontingenz kultureller Differenz (vgl. o.) vollzieht sich als unheimliche Entfremdung von ›sich selbst‹– mit ›tausend Toren‹ für paranoide Ängste und Abwehrmanöver. Diese bestimmen folglich ebenso die Beziehung der westlichen Ratio zu der ›eigenen‹ Kultur und verfolgen sie bis in die Art ihres Theoretisierens, ihre Modelle von Wissensproduktion und Autorschaft.

Zirkulierende Zeichen, Phantasien und Af fek te »I’m taking about small acts of subversion, small narratives, and a situation where the long historical perspective does not occlude the ways in which lives, aims, ambitions and intentions are being stitched together out of the kind of non-coherence, non-totalisation of the place at which we stand« (Bhabha in Attwell 1993, S. 113). – Im Folgenden soll es um Formen der Handlungsmacht gehen, die sich aus intersubjektiv gewobenen, zirkulierenden Phantasien und Affekten ›außerhalb‹ des angenommenen Werts rationaler Regelungen bzw. der Wissensausschneidungen generieren, wenn die Erzählungen ›dünn‹ werden.38 In Elementary aspects of peasant insurgency in colonial India (1983) führt Guha die ›Psychosen‹ dominanter sozialer Gruppen vor, die sich in einer fälschlichen Zuschreibung sich ausbreitender – etwa mit Vorstellungen eines ›simultanen‹ Auftauchens belegter – Revolten (von vormals als loyal angenommenen Gruppen) an eine vermeintlich vorangegangene konspirative Verschwörung manifestieren (vgl. Guha 1997, S. 225). In Anlehnung an obige Ausführungen ließe sich sagen: sie liegt in einem fälschlicherweise unterstellten Modell verborgen-intentionaler ›Autorschaft‹. Zwar gibt es nach Guha tatsächlich ein organisierendes Prinzip in einem solchen Geschehen – aber dieses wäre nicht in einer Verschwörung, sondern in der Dominanzstruktur selbst zu suchen (vgl. ebd.): Die Rebellion resultiert demnach weniger aus einem bewussten Zusammenschluss bzw. einem 38 | Auch im Folgenden geht es mir wieder um Bhabhas Handlungsmodell und nicht um historisch korrekte Lesar ten und deren Bewertung – dies ist natürlich ein wichtiger, aber eben ein anderer Punkt.

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revolutionären Bewusstein als aus der negativen Bedingung der sozialen Existenz im Zustand des Unterworfenseins (vgl. ebd.). Eine derartige Erhebung »required no secret plots but only the open and overbearing presence of the colonial power to stimulate it« (ebd., S. 226). Bhabha folgend ließe sich wiederum vermuten, dass sich die Handlungsmacht der Bauernrebellion durch die Präsenz der Macht hindurch in der hybridisierenden Zirkulation von Phantasien bzw. Affekten hervorbringt, welche die ›abendländische Stereotomie‹ (die auch in den ›negativen Bedingungen‹ noch anklingt) unterläuft – ich komme darauf zurück. Guha und Bhabha rekurrieren in diesem Zusammenhang u.a. auf den Aufstand in Indien um 1857 bzw. auf die Zirkulation von »Chapatis« (ungesäuertes Fladenbrot und populäres Nahrungsmittel) in den damaligen ›North-Western Provinces‹. »Man wußte darüber nicht mehr, als daß ein Bote auftauchte, dem Vorsteher des Dorfes den Fladen gab und ihn bat, ihn ins nächste Dorf weiterzuschicken, und daß der Fladen auf diese Art von Ort zu Ort die Runde machte […]. Und alles, was die Geschichtsschreibung dazu mit Gewißheit festhalten kann, ist die Tatsache, daß die Übermittler dieser seltsamen Sendschreiben von Ort zu Ort wanderten, und wo immer sie hingingen, neue Erregung auslösten und unbestimmte Erwartungen weckten« (Kaye zit.n. Bhabha 2000, S. 300f.).

Es ist unklar, wie die sich verbreitenden Chapatis zu lesen sind und ob sie mit den Aufständen verbunden waren (vgl. Guha 1997, S. 240). In Abhängigkeit auch von differenten kulturellen Codes, so Guha (vgl. ebd., S. 242), konnten sie jedoch auf verschiedene Weise mit den rebellischen Unruhen in Beziehung gesetzt werden. Das Zeichen wurde etwa – quasi ›paranoid‹ – als Index eines vorgängigen Komplotts gedeutet (vgl. ebd.): Die auf ›britisch-offizieller‹ Seite etwa mit Entfremdungserscheinungen einhergehende fehlende Kenntnis einer ›Identifizierungsregel‹ der zirkulierenden Chapati-Symbole produzierte nicht selten Verschwörungstheorien, die u.a. bewirkten, die unerklärliche Weitergabe als Signal der gerade erfahrenen Unruhen zu markieren. Die Zufälligkeit bzw. Nachträglichkeit der auf diese Weise kausal gedeuteten Beziehung blieb von anderen, lokalen Administratoren nicht unbemerkt (vgl. ebd., S. 240f.). Diesem Interpretationskomplex wird von Guha eine andere Art der zeitgenössischen Deutung im Sinne eines die Zukunft antizipierenden unbestimmten Omens an die Seite gestellt, welches in Momenten der Kollision auftaucht, »when the generally accepted semioticization of a social or political order comes under question and unforeseen options are opened up […]« (ebd., S. 245). – Ausgehend von Riten, bestimmte Objekte als symbolische Träger von Epidemien anderen Gemeinschaften zu übermitteln, um auf diese Weise Schutz vor der Krank heit zu erlangen (vgl. ebd., S. 243), wäre es im Falle der zirkulierenden Chapatibrote gewissermaßen zu einer Ver-

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schiebung der Bedeutung von Pathologie zu Politik gekommen (vgl. ebd., S. 244f.). Ohne deren (›verschwörerische‹) Ursache zu sein, waren die Chapatis dieser Ansicht nach doch nicht ohne jede Beziehung zu den Unruhen (vgl. ebd., S. 246): Als Zeichen einer Art unspezifischen Vorhersage riefen sie gleichsam eine Beunruhigung, ein rätselhaftes Unbehagen hervor. Auf eine im freudschen Sinne an den ›Aberglauben‹ grenzende Weise trugen die Unmengen der in die Übertragung der Chapatis gelesenen Bedeutungen dazu bei, die Gemüter durch die Vorahnung einer drohenden Katastrophe zu ›verdunkeln‹; in einer mit wachsenden Unruhen aufgeladenen Atmosphäre vermittelte sich gleichsam eine Rebellion in Antizipation (vgl. ebd., S. 245f.).39 Bhabhas Ausführungen binden projektive Phantasien und rebellische Handlungsmächte im Moment der indeterminierten Bedeutung zusammen und fokussieren in den ›dünnen‹ Erzählungen der Chapatis besonders auch die über ethnische und kulturelle Grenzen hinweg auftretenden Gerüchte und Paniken. 40 Panik als der Affekt des nach Guha (vgl. 1997, S. 261) ›autorlosen‹, sich als eine Kette von Reaktionen zeigenden Gerüchts widersetzt sich demnach in ihrer »beschleunigte[n] Zeit« (Bhabha 2000, S. 307, vgl. S. 302f.) einer binären Auffassung von Kulturen oder politischen Antagonismen. Entsprechend betont Bhabha im Hinblick auf die – eben Ungewissheit und Panik erzeugende – Neu-Einschreibung des Chapati-Symbols als ein Zeichen in ungewohnter sozialer Bedeutung gerade die Unterbrechung der zirkulierenden kulturellen Codes (vgl. ebd., S. 301f.). 41 Sich ausbreitende Angst oder Panik zirkulieren »unkontrolliert auf beiden Seiten« (ebd., S. 304) und sind keineswegs auf die Einheimischen beschränkt (auch wenn die ›britischen Autoritäten‹ wiederum bestrebt sind, sie auf die Besonderheiten der ›Eingeboren‹ zu projizieren), wie sich in den Chapatibrot-Berichten zeigt (vgl. ebd.). – Nach Bhabha wird »das organisierende Prinzip des Chapati-Zeichens gebildet […] in der Übertragung von 39 | Bhabhas Ausführungen in »By bread alone…« (1994) bestimmen die Chapati-Zirkulation wiederum im Verhält nis zur kontingenten Spannung zwischen Symbol und Zeichen, wobei das Zeichen auf ein ›entsubjek tiviertes‹, intersubjektives Moment verweist, von dem ausgehend u.a. »eine (Neu)ordnung der Symbole in der Sphäre des Sozialen« (Bhabha 2000, S. 286) ermöglicht wird, wie es u.a. mit Bezug auf Lacan heißt. 40 | Im Umfeld der Ereignisse um 1857 tauchten auch Gerüchte auf, die sich etwa um eine von ›englisch-offizieller‹ Seite herbeigeführte Unreinheit z.B. durch eine Verunreinigung der täglichen Nahrungsmittel rankten (vgl. Guha 1997, S. 262). 41 | Solche Codes blieben bei Guha z.T. eine Art Grundlage für die jeweiligen Interpretationsweisen. – Auch bei Guha wird an anderer Stelle auf die ethnische Grenzen überschreitende, durch Gerüchte hervorgerufene Panik verwiesen (vgl. Guha 1997, S. 254).

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Angst und Besorgnis, von Projektion und Panik, wie sie zwischen Kolonialherrn und Kolonisiertem zirkulieren« – und gerade die »partielle Einverleibung« von Affekten und Phantasien des Herrn könnte die rebellische Handlungsmacht konstituieren (ebd., S. 307). Die Macht des Handelns auf dieser Basis ist bei Bhabha schließlich mit Bions Erkenntnissen in Experiences in groups… (1961) assoziiert, demzufolge sich Muster des Handelns bzw. Denkens in Gruppen wiederum dem Zugriff des Einzelnen immer auch entziehen – wenn dieser auch zugleich den Wunsch hegt, »sich als Herr seines Schicksals zu fühlen« (Bion 1971, S. 67). Das Individuum hat das Gefühl, »nie mit dem Gang der Ereignisse Schritt halten [zu können], an den er stets und in jedem Augenblick von vornherein gebunden«, mit dem er ver woben ist (ebd.; vgl. Bhabha 2000, S. 308) – eine Gruppenstrukturierung »innerhalb einer Zeitdifferenz« (Bhabha 2000, S. 307), die Bhabha zufolge seinem Entwurf einer Individuation von Handlungsmacht – als eine Wirkung des Intersubjektiven – vergleichbar ist. Bions Ausführungen können hier dazu dienen, den intersubjektiven Verhandlungsraum und die sich in diesem »außerhalb« zeigenden Räume weiter zu differenzieren. Um dem auf die Spur zu kommen, sind Grundannahmen und ›differenzierte‹ oder ›Arbeits‹-Gruppe zu unterscheiden. Bei der Arbeitsgruppentätigkeit handelt es sich um die (psychische) Aktivität einer Gruppe, die sich auf eine vorliegende Aufgabe richtet: »Jede Gruppe«, so heißt es, »kommt zusammen, um etwas zu ›tun‹« (Bion 1971, S. 104) – sie tritt zusammen, »um einer bestimmten Aufgabe willen […]« (ebd., S. 71). Die Arbeitsgruppenbestrebungen werden nun durch »affektive Triebkräfte dunkler Herkunft manchmal behindert, gelegentlich gefördert« (ebd., S. 140). Demzufolge ist die Funktion der Gruppe, sich einer Aufgabe zu widmen (die gewissermaßen dem ›offiziellen‹ Mandat ihres Zusammentretens entspricht), wobei u.a. »an den Wert rationaler oder wissenschaftlicher Behandlung eines Problems« (Bion 1971, S. 71f.) geglaubt wird, stets von Gefühlen ›durchwirkt‹, die einer herrschenden Grundannahme korrespondieren. Derartige Annahmen – die in Zügen ›primitiven‹ Teilobjektbeziehungen entsprechen (vgl. ebd., S. 140f.) und die so in Verbindung stehen mit psychotischer Angst – lassen sich als Schemata beschreiben, die dem Verhalten einer Gruppe zugrunde liegen, es organisieren (vgl. Pontalis 1968, S. 231f.). Es ist, als ob »die Gruppe affektiv so handelt«, als habe sie – auf einer von der Unfähigkeit der Individuen zur Symbolbildung gekennzeichneten Ebene – »gewisse Grundannahmen über ihre Ziele« (Bion 1971, S. 140, vgl. S. 139). Während für die Arbeitsgruppe eine Kooperation auf differenzierter Ebene belangreich ist, spielen im Bereich der Grundannahmen-Gruppe Organisation und individuelle Eigenart oder z.B. Zeitangaben keine Rolle (vgl. ebd., S. 126f.). Die Teilnahme an der jeweiligen Grundannahme (und dem mit ihr verbundenen Gefühlszustand) ist gewissermaßen unvermeidlich (vgl. ebd., S. 69f.), wenn auch nicht unbedingt konfliktfrei.

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Das Denken und Handeln, der ›Gang der Ereignisse‹ ist damit stets von Annahmen oder Phantasien geprägt, die bestimmt sind, psychotische Ängste abzuwehren; die Erscheinungen der Grundannahmen tragen nach Bion eben Merkmale einer Abwehr gegen psychotische Angst (vgl. ebd., S. 141) – welche sich niemals dauerhaft aufrechterhalten lässt. »Es ist […] nur eine Frage der Zeit, wann psychotische Angst von solcher Stärke entsteht, daß eine neue Abwehr« bzw. »ein Ventil in geschlossenem Handeln der Gruppe« (ebd., S. 120, S. 140) gefunden werden muss. Bion unterscheidet verschiedene der zugrunde liegenden Schemata, die entweder um Abhängigkeit, Kampf-Flucht oder Paarbildung kreisen: Es geht um die Annahme, dass die Gruppe zusammengekommen wäre, um durch einen schützenden oder nährenden Führer betreut zu werden, um vor etwas zu fliehen bzw. dagegen zu kämpfen, oder um eine Art hoffnungsvolle Erwartung aufrechtzuerhalten (vgl. ebd., S. 107ff.) – wobei »keine der drei Grundannahmen die Furcht vor der Gruppe und ihren Affekten in befriedigendem Maße beschwichtigt« (ebd., S. 117). – Wenn Bhabha der Annahme grundlegender psychotischer Muster entsprechend die Panik in ihrer Umkehrbarkeit zur Wut als »Psychose« der »Kampf-Flucht-Gruppe« 42 interessiert (Bhabha 2000, S. 307), dann handelt es sich nach Bion um Affekte, die durch ein Geschehen »außerhalb der Arbeitsgruppenfunktionen der betreffenden Gruppe« veranlasst werden (z.B. durch ein Feuer in einem Theater oder Lokal, wie Freud es in der Massenpsychologie anführt) und ein der Grundannahme entsprechendes Handeln als »greif bare Möglichkeit des Affektausdrucks« oder Ventil bewirken (Bion 1971, S. 133f., Herv. I.H.). Dieses den Anlass zur Panik bildende »Außerhalb« wird von Bhabha auch als eine Art diskursiver ›Rand‹ reformuliert, wie er sich etwa in der Chapatibrot-Erzählung artikuliert (vgl. Bhabha 2000, S. 308) – ein sich öffnender, Angst freisetzender und durch herrschende Wissenssysteme bzw. Geschichtsschreibungen nicht wieder einzuholender43 »Raum kultureller und interpretativer Unentscheidbarkeit« (ebd.). Panik produziert sich demnach in der ›kontingenten‹ und ›konfli42 | Diese bildet somit eine der möglichen Grundannahmen, welche eben besagt, die Gruppe habe »sich zusammengefunden […], um gegen etwas zu kämpfen oder davor zu fliehen« (Bion 1971, S. 111). – »Meine These ist, daß Panik, Flucht und planloser Angriff in Wirklichkeit dasselbe sind« (ebd., S. 133). 43 | Die Bewegung, in der das »Moment der politischen Panik« in »eine historische Narrative« transformiert wird, reißt, so heißt es, »die Stereotomie von innen/außen« nieder und rührt damit an das (traumatische, nicht-wissbare …) Moment der ›Extimität‹, »um das herum der symbolische Diskurs der menschlichen Geschichte sich konstituiert« (Bhabha 2000, S. 309). – Die Begegnung mit der (mit der Frage des Che vuoi? verbundenen) ›rätselhaften Botschaft‹ (des Anderen) »[…] ist der ex-time Kern der Signifizierung«, heißt es in anderem Zusammenhang bei Žižek (2001b, S. 181f.).

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gierenden‹ Berührung kultureller Differenzen und über die sich in der »politische[n] Psychose der Panik« ergebende hybride Grenzerfahrung hinweg wird »der Aufstand ausgefochten« (ebd., S. 309); in ihren »plötzlichen, dünnen Zeichen« wird hier (eine weitgehend ›planlose‹) rebellische Handlungsmacht geschrieben – welche nach Bhabha nicht weniger wirksam ist, »nur weil sie auf der disjunktiven oder de-plazierten Zirkulation von Gerücht und Panik basiert« (ebd., S. 310) – und sich, wie ich hinzufügen möchte, immer auch als ›Ventil‹ für grenzüberschreitende psychotische Affekte und darin wandelbare Phantasien generiert. Das (›manisch‹ wiederholte) Gerücht wird zur ›autorlosen‹ Strategie, 44 das Panikelement zum »unkontrollierten und dennoch strategischen Affekt der politischen Revolte« (Bhabha 2000, S. 298).

Weiterschreiben Wenn meine Arbeit von Entwürfen von Autorschaft und Handlungsmacht im Falle infragegestellter Autorität handelt, dann hat sich in Bhabhas Entwürfe zunächst – ohne den Autor einfach wiederholt für tot zu erklären – eine Verabschiedung des Modells intentional-beherrschbarer Autorschaft eingeschrieben, das, ohne weiteren Erklärungswert für kulturelle Produktionsprozesse in seinen projektiven Mechanismen selbst erklärungsbedürftig wird. Vorstellungen intersubjektiver Gewebe und Verhandlungsräume sind zum Einsatz gekommen, durch die sich Denk- und Handlungsabläufe vollziehen, deren Ergebnisse (zu denen auch das produzierende Subjekt gehört), weder als kausal oder absichtsvoll bestimmt noch als zufällig gelten können. Die Öffnungen und Schließungen im bzw. die Einreißungen und Fixierungen des Intersubjektiven bilden soziohistorisch je spezifische Formen und Ausprägungen. Dabei hat mich der Weg – und das Zirkulieren – meiner Lektüre zu spezifisch ›zuschneidenden‹, von kolonialen Beziehungen geprägten autoritativ-machtvollen Umgangsweisen mit eben jenem zwischengeschalteten Gewebe oder Zwischenraum als Stereotomie, ›Deutungszwang‹ oder ›paranoider Wahn‹ geführt. Deren Verhärtungen wiederum sind als ein möglicher Effekt radikaler Verunsicherungen durch eine nicht repräsentier- und unbeherrschbar bleibende kulturelle Differenz lesbar, von der sie immer wieder heimgesucht werden. Die u.a. jeden Wahn, Aberglauben und andere als ›westlich-rationale‹ Kenntnissysteme projektiv ausschließenden und selbst paranoiden dominanten Tendenzen produzieren immer schon unheimliche Doppelgänger und ›kontaminier44 | Taucht bei Bhabha an einer Stelle das Gerücht auch als »eine bewußte narrative Strategie« auf (Bhabha 2000, S. 313) o.ä., so ist »simultaneously made clear that, by its very nature, rumour is spontaneous, sporadic and […] without any intending ›author(s)‹« (Moore-Gilbert 1998, S. 133).

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te‹ (nicht einfach durch ihr Negiertsein bestimmte) Existenzen, mit denen eine Stereophonie aus fragenden, verfremdenden oder verschluckenden Stimmen, Ahnungen und Affekten die Gewissheit der Paranoia befällt. Das heißt umgekehrt auch, dass widerständiges Handeln von dem gefährlichen Wechselspiel aus Verunsicherung und Paranoia hier nicht zu trennen ist. Grenzerfahrungen ›politischer Psychose‹. – Schließlich lässt sich formulieren: Ist bei Bhabha ein offen gehaltenes Begehren des Anderen und partiell eine Einverleibung von Affekt und Phantasie zu finden, so ist mit diesem Handlungsmodell auch eine brisante Tendenz zu einer gewissen »unification of colonizer and colonized«… (Moore-Gilbert 1998, S. 147)45 gegeben – beide scheinen etwa »equally caught up within – and similarly affected by – the psychic ambivalence which accompanies colonial exploitation and domination« (ebd.). Was man wiederum nicht nur kritisch, sondern im gleichen Zug auch (wenngleich im Denken und Empfinden vielleicht nicht immer leicht zu bewerkstelligen) als handlungsermöglichend begreifen kann – und dies vielleicht in dem Maß, wie die radikale Unbestimmtheit mit hegemonialen Vorgaben brechen kann. »Colonial power produces what it itself cannot recognise: horrors beyond words, events outside history, spaces beyond the visible. It produces its own strangers who will haunt its self: mockers, mimics, those who are almost the same but not quite, hybrids« (Rose 1995, S. 370f.). – Dabei wäre die gegenwärtige Schreibperspektive Bhabhas, wie sie den Fokus auf Aspekte vergangener Situationen legt, von jenen Situationen selbst mitgeprägt. »Bhabha’s discussion of postcoloniality assumes a relationship of continuity rather than rupture between the era of colonialism and the contemporary period, which he refers to as ›the on-going colonial present‹« (Moore-Gilbert 1998, S. 114); und: »Bhabha’s rewritten perspectives on colonialism demand a more complex understanding of the present moment, which is never quite as radically new as it seems« (Huddart 2006, S. 4). Im gleichen Zug haben sich Bhabhas Blick auf koloniale Herrschaftsbeziehungen – der die paranoid-despotischen Züge und Ambivalenzen von Autoritäten und Wissenssystemen erkennbar macht und ein radikales InFrage-gestellt-Sein, einen Aufenthalt im »Außerhalb« bzw. ›psychotische‹ Phantasien und Affekte in den Mittelpunkt stellt – ungewisse autoritative Instanzen, deren bindende Kraft in Frage steht, eingeschrieben. Der solcherart ›zeitverschränkende‹ Blick zeichnet das Bild eines nimmer konsensuellen Gefüges, in dem sich verbindliche Bindungen dünn reiben, Bedeutungen radikal ins Ungewisse verlagern, Orte ›außerhalb‹ identifizierender Welten aufreißen und (wie auch immer wahnhafte) Ersatzbildungen wuchern. 45 | Vgl., ebenfalls mit Bezug auf Abdul JanMohamed, Robinson 1993: »Bhabha has erased the violence, the ex ploitiveness, the reality of colonialism« (S. 85).

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Dazwischen schieben sich nicht symbolisierte Annahmen und Affekte in den Vordergrund. – In Bhabhas zugleich ganz kulturellem und ganz wildem Theoretisieren, in das ich meinen Faden ›geschlagen‹ habe, geht eine Inkonsistenz des Anderen um. – Zu seinem Schreiben lässt sich zuallererst sagen, dass es sich klar formulierbaren Definitionen oder Verfahrensweisen entzieht (vgl. Bonz/Struwe 2006, S. 150). In The Location of Culture »knots of dense theoretical complexity entangle the reader, who is then offered threads of wonderful argument to follow, only to be snarled up again a few paragraphs later« (Rose 1995, S. 365) – keine schrittweise Argumentation, keine Halte- oder Ruhepunkte;46 »no point of closure in his text, no moments of absolute beginning or end, only a restless shifting in the interstices of positions« (ebd., S. 367). Bhabhas Schreiben ist, wie Yates über einen Text äußert, »torrential, it does not invite a meditative reading but must be taken at the trot or even at the gallop« (Yates 1991, S. 438). Die Texte kommen atemlos daher, sie schütten wie aus Kübeln. Die Auseinandersetzung mit ihnen, die sich auch mit dem »hybride[n] Moment außerhalb des Satzes« (Bhabha 2000, S. 270) verbünden, verlangt in ihrem selbst vielstimmigen und sich einem zwangs-hermeneutischen (vgl. o.) Lesen hermetisch verschließenden Charakter besondere Formen der Lektüre. Meiner Fragestellung folgend habe ich versucht, Bhabha im Hinblick auf Authority und Agency mit einigen seiner Referenztexte, die er in großer Dichte an- aber selten weiter ausführt, zu lesen und gegenzulesen. Artikuliert sich in einer solchen Lektüreweise nicht auch wieder der Drang, aus wie auch immer disparat erscheinenden Bestandteilen in ihrer ›Wahnsinnsschnelle‹ eine erzählbare Geschichte – wie von Bhabha thematisiert – zu weben? Ist ein Verfahren, sich an den Worten zu reiben, sie teils in Richtung ihrer ›Quellen‹ zu verfolgen, diesen auszusetzen und anzubinden, auch anachronistische Ant wort auf die verwirrende und – dem Sujet gemäß – enteignende Umgangsweise Bhabhas mit ›Autorschaft‹? Immerhin spricht er gelegentlich von einer seine Lektüre bestimmenden »tendenziöse[n] Auslotung« oder davon, dass er weder die gelesenen Texte bei ihrem, noch sich »selbst gänzlich bei [s]einem Wort« nimmt (Bhabha 2000, S. 275, Anm. 34, S. 280). Die aus Psychoanalyse, Philosophie etc. herbeizitierten Autor/inn/en können, das wird deut lich, kaum über eine Textautorität verfügen, von dieser wird vielmehr Besitz ergriffen. 46 | »There is no single starting point, no step-by-step argument, and no final resting point […]. His arguments resist efforts to survey his work in relation to debates in postcolonial literary theory, psychoanalysis, poststructuralism, cultural studies, or feminism – to name a few of the many fields his work makes connections with – because he refuses to systematise either his own arguments or those of others in ways which would allow comparison between his text and their context« (Rose 1995, S. 365).

VI. M OMENTE

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– »In the first place, as is now generally recognised, all interpretations of texts necessarily involve an element of ›misreading‹. More germanely, perhaps, it has always been a common postcolonial strategy to inflect Western narratives in new ways […]. One could argue that Bhabha […] [is] simply extending this subversive process of ›re-citing‹ and ›re-siting‹ to the critical and theoretical arena« (Moore-Gilbert 1998, S. 115, auch kritisch)

– in einer potentiellen Anlehnung an die von ihm analysierten ›belagernden‹ Erkenntnisweisen. Der Text widersteht westlich-akademischen Wünschen nach einem transparenten Wissen, wie Rose schreibt (vgl. Rose 1995, S. 370, vgl. S. 369) – und dies schließt in gewisser Weise auch bestimmte Bewegungen der Selbst-Refl exion mit ein: Bhabha »argues that the self-consciousness which self-reflection assumes is fundamental to Western visions of the self as rational, transparent, deep, and unified« (ebd., S. 368). Die westlich-akademische Tradition wird erfüllt [performed] – »but not quite properly« (ebd., S. 367), sie wird durch-, auf- und vorgeführt, doch wiederum nicht einfach im Sinne eines Autor-Willens o.ä.: »[I]n a sense his text also performs him« (ebd., S. 368, Herv. I.H.). »Bhabha erases himself as a coherent, transparent author […]« (Rose 1995, S. 369). In seinem Schreiben manifestiert sich ein wucherndes Denken und Wissen – das, obschon voller Referenzen auf ›Autoritäten‹, ohne ordnende symbolisch-autoritative Instanz erscheint; es entstehen Lücken und die an deren Stelle gesetzten Bildungen sind von aufgelesener Erstarrung bedroht … Das Auf-sich-nehmen der Nicht-Existenz des großen Anderen ist eine quasi-psychotische Geste. 47 – In ihren Gesten wiederum sind Bhabhas Texte – keinem bestimmten (oder: einem nicht bestimmten) Ort zuzuordnen – wiederum selbst zu viel zitierten ›Autoritäten‹ (inklusive gelegentlichem »Elite-Vorwurf«) geworden. 48 Im letzten Kapitel rund um die Gruppe Laibach soll es abermals um ein Agieren durch Aktivierung herrschender Phantasmen (diesseits von ›Arbeitsgruppenfunktionen‹) gehen. – In Bhabhas Texten wäre den machtvollen Konstellationen, wie gesehen, stets ein Scheitern eingeschrieben 47 | Vgl. in anderem Zusammenhang Žižek 1993, S. 199, Anm. 75. 48 | Vgl. dazu Bonz/Struwe 2006, die den allgemeinen ›Elite-Vorwurf‹ dar-

legen, der sich sowohl auf Phänomene bezieht, »die Bhabha bearbeitet, d.h. die kulturellen Repräsentationsformen in der Hochkultur in Kunst und Literatur«, als auch »auf seine eigene Position als postkolonialer Theoretiker, der erst durch seine komplexe Lesart das Potenzial kultureller Sphären aufzudecken vermag. Problematisch erscheint damit ebenso, dass Bhabha als Intellektueller mit kolonialem Hintergrund zu sehr in der europäischen, besonders in der französischen poststrukturalistischen Literatur- und Kulturtheorie verhaftet ist« (S. 151).

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… und bei allen Situationen des Ausgesetztseins, die sie umkreisen: There is something utopic … a wonderful optimism … und doch: »[I]n the end, it is this optimism which worries me most about Bhabha’s work« (Rose 1995, S. 371). 49 – Im Falle von Laibachs soziohistorisch völlig anders gelagerten Performances nun sind es durchaus inszenierte Beherrschungssituationen, die potentiell für Besorgnis sorgen: Wird etwa in der Vorstellung eines hinter den Kulissen agierenden ›Strippenziehers‹ ein Geschehen projektiv einer absichtsvoll handelnden Gestalt attribuiert (vgl. o.), dann wird von Bhabha eher deren notwendiges Misslingen fokussiert; von Laibach hingegen wird, wie folgt, diese ›paranoide‹ Idee, die als Abwehr einer für das dezentrierte Subjekt nicht beherrschbaren intersubjektiven Situation funktioniert, als manipulative Führerphantasie wieder aufgegriffen. Dabei wird eine Homogenisierung gewissermaßen zum Programm erhoben – was erst recht mit »troubling political implications« verbunden scheint, wie Moore-Gilbert sie für Bhabha beschreibt (Moore-Gilbert 1998, S. 147).

49 | An dieser Stelle ließen sich m.E. auch noch einmal die Wirkmächte von Ambivalenz in ihren verschiedenen Aspekten diskutieren.

VII. Eine Frage der Manipulation? Zur Handlungsdimension des ›Vergrupptseins‹ (Laibach)

The need for authority is stronger than the will for independence. (Laibach)

Die slowenische Musikgruppe Laibach, die 1982 »[t]aylorism, bruitism, Nazi Kunst, disco …« (NSK 1991, S. 18) als Material ihrer ›Manipulation‹ bestimmt und in den 1980er Jahren vornehmlich aus totalitären oder autoritären Zusammenhängen stammende Bild-, Musik- und Textelemente verwendet, beginnt als Industrialband (vgl. Arns 2002, S. 26, S. 84); wobei das Spektrum der stilistischen Zuordnung »von ›Punk‹ über ›faschistoiden Post-Punk‹, ›New Wave‹, ›Heavy Metal‹, ›Hard Core‹, ›rough electro pop‹, ›industrial‹, ›atonal‹ und ›Post-Industrie-Rock‹ bis zur ›Pop-Avantgarde‹, ›No-Wave-MultiMedia‹, ›postmodernistischen Avantgarde‹ und ›hyperprätentiösen Kunst‹« … reicht (PBČ 1985 nach Barber-Keršovan 1993, S. 67). Wie diese Aufzählung signalisiert: Laibachs Auftreten ist überdeterminiert. Die Gruppe hat, ausgehend etwa von Lärmcollagen, früh mit Sampling-Methoden gearbeitet (vgl. Arns 2002, S. 26). Verwendung finden u.a. »brachiale Marschrhythmen«, Elemente klassischer Musik, »Partisanen- und Volkslieder, Tito-, Mussolini- und Hitler-Zitate sowie lateinische Kirchengesänge« (ebd., S. 18). – Im Zerfallsprozess des Sozialismus in Slowenien inszeniert Laibach ein »unberechenbares Gemisch aus Stalinismus, Nazismus und Blut-und-Boden*Ideologie«, wie Žižek schreibt (1993b, S. 56); die Konzerte, auch »PublikumsTorturen« genannt, werden als atmosphärisch diszipliniert und manipulativ beschrieben (Barber-Keršovan 1993, S. 75f.; vgl. Arns 2002, S. 32). Zunächst war Laibach – neben anderen Gruppen – Bestandteil von Laibach Kunst, gegründet 1980 in Trbovlje (Slowenien) als Kollektiv mit variabler Mitgliederanzahl (vgl. Arns 2002, S. 24, 37; vgl. Barber-Keršovan 1993, S. 74). Laibach Kunst wiederum wurde zum Vorläufer der bis heute

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existierenden Neuen Slowenischen Kunst (NSK, seit 1984) (vgl. Arns 2002). Es handelt sich hier um einen Zusammenschluss von Laibach mit dem bildend-künstlerischen Kollektiv Irwin und dem Theaterensemble Gledališče Sester Scipion Nasice (parallel zu einer geplanten Selbst-Auflösung 1987 neu gegründet unter dem Namen Kozmokinetično Gledališče Rdeči Pilot, nachfolgend dann Noordung); später kamen andere Untergruppen hinzu, wie z.B. die Abteilung für reine und praktische Philosophie (vgl. ebd., S. 14, S. 69). Insgesamt ergibt sich eine komplexe (Über-)Organisation (vgl. die Graphik in NSK 1991, S. 14). In der NSK finden Zitate aus den verschiedensten Zusammenhängen eklektizistisch Verwendung: Elemente aus der (totalitären) Propagandakunst, Nazi-Ästhetik, sozialistischem Realismus sind ebenso vertreten wie Heimat- oder religiöse Symbolik und Motive der Avantgarde (vgl. Arns 2002, S. 7). Das Logo der NSK enthält z.B. vier zum Hakenkreuz zusammengebundene Beile (nach John Heartfield) vor dem Hintergrund eines schwarzen Kreuzes (Malevič), Zahnrad-, Dornenzweig- und Hirschgeweihmotiven, brennende Fackeln etc. (vgl. ebd., S. 15f.; vgl. auch Monroe 2005, S. 55f.) und ruft so diverse historische ›Texte‹ und Kontexte auf. Es entsteht eine Ambiguität in den Bildern wie auch in den Auftritten der NSK-Gruppen, verstärkt durch die eine »totalitäre Rhetorik« aufgreifenden programmatischen Manifeste, Statements o.ä. (Arns 2002, S. 7). Es werden vornehmlich solche vorgefundenen, aufgeladenen Formen und Zeichen aufgegriffen oder angeeignet, die in Verbindung stehen mit ›Erlösungsutopien‹ des 20. Jahrhunderts, die traumatisch geworden sind (vgl. ebd., S. 164). Diese Art des Rückgriffs, dieser starke Bezug auf bereits gegebene Formen und vergangene Kontexte kann als Prinzip der Retrogarde gelten, das sich eben nicht ›avantgardistisch‹ einer Schaff ung von Neuem durch den Bruch mit der Vergangenheit verschreibt (vgl. ebd., S. 98f.).1 Als eine Art Nebeneffekt wird damit auch gewissen Künstlermythen eine Absage erteilt.2 Wie z.B. der ›Originalität‹ wird auch »der persönlichen Freiheit« entsagt und stattdessen das Prinzip des Kollektivismus propagiert, welches nach Laibachs Selbstaussage »die Entfaltung individueller Frustrationen« verunmöglicht (Laibach nach Mlakar 1993, S. 73). Gemäß des Prinzips von industrieller Produktion und Totalitarismus erklärt die Gruppe (1982) für ihre Teamarbeit: »[T]he individual does not speak; the organization does« (NSK 1991, S. 18). 1 | Zum Verhältnis etwa zur westlich-postmodernen Appropriation art vgl. Arns 2002, S. 105ff., S. 165. 2 | »According to an early statement, Laibach ›does not invent‹ anything. All the unexpected and disconcerting elements Laibach seems to introduce are actually already present, both in the regimes Laibach manipulate and in their cultural artefacts. On closer examination there is always a precedent for Laibach’s interventions« (Monroe, Anthems-booklet).

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Nach Monroe differenziert der NSK-Kollektivismus »the work from the overtly ego-driven works of ›auteur‹ directors or celebrity artists« und kann »as much as a critique of Western consumerist individualism as of Eastern totalitarianism« gelesen werden (Monroe 2005, S. 65). Individualismus und Totalitarismus werden gleichzeitig in Angriff genommen3 – doch die Zuordnung von ›Kritik‹, ›westlich‹ und ›östlich‹ geht bei Laibach nicht auf. Die dezidiert vertretene Absage an das Individuelle oder Persönliche – nach Art einer »freie[n] Entpersonifi zierung« (Laibach nach Mlakar, S. 83; vgl. NSK 1991, S. 21) – hat m.E. das Potential, ›dunkle Kehrseiten‹ der Autorschaftsproblematik auf die Bühne zu bringen. Wird hier das Kollektive betont und das Individuum verabschiedet, dann geht es weniger um die Bekämpfung der tyrannischen Vorherrschaft des ›väterlichen‹ Autor-Gottes, wie es der Diskurs vom ›Tod des Autors‹ nahe legt (vgl. Barthes 2000), als dass sich eine programmatische Gleichschaltung und Uniformität assoziiert – und dies wiederum exerziert unter ›autoritär-diktatorischer‹ Leitung. Laibach geben eine Vorstellung von Mechanismen geführter Massen – ohne sich einfach ›kritisch‹ zu distanzieren. Mythisierungs- und Ent-Individualisierungsprozesse werden aufgenommen und aufgeladen und es kommen potentiell ›totalitäre‹ Aspekte sowohl von Personenkult als auch von der Absage an den ›Wert der Person‹ ins Spiel. Und eben darin können sich m.E. prekäre Seiten von Künstlerverehrung, aber auch von der Verabschiedung des Autor-Subjekts zeigen. Immerhin wird auch in der sozialistischen Kunst eine Auflösung von Autorschaft propagiert, die z.T. wiederum als gleichsam totalitär gefügte »Vorwegnahme des postmodernen ›Tods des Autors‹ gedeutet« wird (Arns 2002 mit Bezug u.a. auf Groys und Zwickl, S. 112). 4

Kontex te Laibach bzw. die NSK machen eklektizistischen Gebrauch von einer Symbolik jener totalitärer Gesellschaften, die historisch als Sloweniens Unterdrücker aufgetreten sind (vgl. Crowther 1994, S. 94) und thematisieren damit gewissermaßen sämtliche traumatischen Erfahrungen der slowenischen, ja der europäischen Geschichte (Arns 2002, S. 168). Indem 3 | »Totalitarismus ist für [Laibach] eine in immer neuer Verkleidung auftretende Gestalt, die den Menschen und Gesellschaften alle drängenden Fragen vom Hals schaff t, alle Sehnsüchte totschlägt und Sicherheit, Ordnung und Klarheit herstellt […]« (Diefenbach zit.n. Arns 2002, S. 86). 4 | Zu der »postulierte[n] theoretische[n] Autorlosigkeit«, der »Unmöglichkeit des individuellen Sprechens in der totalitären Ästhetik« und der Zusammenführung der beiden ›Autorlosigkeiten‹ in der russischen Postmoderne vgl. Frank et al. 2001, S. 12f.

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sie etwa (verschwiegene) nationalistische Mythen exponieren (vgl. ebd.), provozieren sie die Gesellschaftsordnung des damaligen Jugoslawiens, das die Grundlage seiner Legitimation sowohl »aus dem direkten Kampf gegen den Nazismus« als auch »aus dem Kampf gegen den Stalinismus als Konsequenz des 1948 vollzogenen Bruchs mit Moskau schöpfte« (BarberKeršovan 1993, S. 75). Bereits die Verwendung des Namens Laibach ist eine Provokation: Im Laufe der Geschichte mehrfach aufgetaucht, ist er auch verbunden mit dem 2. Weltkrieg, insofern die Nationalsozialisten Ljubljana während der Okkupation in Laibach umbenannten (vgl. Arns 2002, S. 18; NSK 1991, S. 43; Monroe 2005, S. 155ff.). »Renewed use of ›Laibach‹ seems to imply: it is as if … Ljubljana is still ›Laibach,‹ and as if, under the veneer of normality, ›they‹ (the Nazi and collaborationist forces) had won […]« (Monroe 2005, S. 158). Die deutsche Sprache selbst war nach Irwin in der Ansicht der Menschen zu einem Synonym für Faschismus geworden (Irwin in Harten 2003, S. 247). Entsprechend provozier ten die Verwendungen des Deutschen das jugoslawische Selbstverständnis auf das Schärfste (vgl. Arns 2002, S. 19). Für die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien begann nach dem Tod Titos 1980 ein Prozess der politischen Neuorientierung (vgl. ebd., S. 167). Bevor die jugoslawische Förderation schließlich zerbrach, kam es in den 1980er Jahren verstärkt zu antagonistischen Strömungen, wobei sich die Bundespolitik schließlich auf Rezentralisierung und auf Frei heitseinschränkung der Republiken richtete, während Vertreter Sloweniens gerade für den Erhalt der föderalen bzw. dezentralisierten Struktur des Staates eintraten (vgl. ebd., S. 118ff.). Die SR Slowenien wird in Jugoslawien »zum Synonym für Liberalisierung« (ebd., S. 124); schließlich kommt es zu Demokratisierung5 und zur Herausbildung politischer Parteien bzw. Pluralisierung, zu einem Mehrheitsvotum für die Unabhängigkeit (1990) und, begleitet von einer relativ kurzen militärischen Auseinandersetzung, zur Unabhängigkeitserklärung (1991) (vgl. ebd., S. 129). Als ein Motor der Transformationen in Slowenien wird auch die dortige heterogene alternative Szene oder Subkultur seit Beginn der 1980er Jahre angesehen, die, obwohl im Selbstverständnis gar nicht unbedingt politisch-oppositionell, sondern z.B. »von der Uneffektivität kritischer Distanz« überzeugt, implizit politisch wirkten (ebd., S. 151, vgl. S. 129f., S. 132, S. 143). Etwa die slowenische Punkbewegung – ab 1981 auch einer staatlichen Gegen-Kampagne ausgesetzt – hatte demnach eine initialisieren-

5 | »Wie Magaš betont hat, vollzog sich die Demokratisierung in Slowenien zeitgleich zu einer nationalen Mobilisierung, die als Reaktion auf das autoritäre Verhalten Belgrads zu verstehen ist« (Arns 2002, S. 128).

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de Wirkung für die Schaff ung alter nativer öffentlicher Räume (vgl. ebd., S. 134ff.). Die NSK bzw. ihre Vorläufer in den 1980er Jahren sind zunächst lesbar als Bestandteil der alternativen Szene oder Subkultur Ljubljanas, in deren Rahmen dann die Neuen Sozialen Bewegungen entstanden, »deren Aktivitäten zur Ausdifferenzierung und Pluralisierung der Gesellschaft in Slowenien geführt haben« (ebd., S. 10f.). Zugleich stellen sie mit ihren künstlerischen Strategien bzw. in ihrer Radikalität innerhalb der subkulturellen Szene »eine singuläre Erscheinung« dar (ebd., S. 153) – was sich etwa in Laibachs uniformiertem und autoritärem Auftreten manifestiert. Nach einer provozierenden Fernsehsendung unterliegt Laibach in Slowenien 1983-1987 einem Verbot von Auftritten, inklusive der Verwendung des Namens (vgl. ebd., S. 35ff.); dem waren verschiedene Zensurversuche vorausgegangen, »die sich explizit auf Laibachs Umgang mit militärischen und politischen Symbolen bezogen« (ebd., S. 138). Schließlich ist ›der Fall Laibach‹ zu einer Art Prüfstein für Demokratie geworden (vgl. ebd. mit Bezug auf Gantar, S. 155). Barber-Keršovan zufolge bildete paradoxer weise »der laibachsche ›Totalitarismus‹ einen wesentlichen Beitrag zur Demokratisierung eines semitotalitären Systems« … (1993, S. 75). Zugleich und vor allem liegt nach Žižek in der NSK – und die NSK-Arbeit war seit den 1980er Jahren mit der slowenischen Lacan-Schule und deren Positionen verbunden (Arns 2002, S. 9) – jedoch »a certain surplus that will not let itself be subsumed within the field of ›tendencies toward the democratization of our society‹« (Žižek 2003, S. 64). – »Die Demokratie ist lediglich ein Höfl ichkeitsausdruck für den entwickelten Totalitarismus«, lässt sich bei Laibach lesen (zit.n. Mlakar 1993, S. 68).

»Die Slowenen sind die besseren Deutschen« 6 Gerade Laibach galt im europäischen Ausland oft als tendenziell ›neonazistisch‹ (wohingegen sich nach Arns für die NSK »in den USA das Bild einer ›subversiv-kommunistischen‹ Gruppe« bildete) (2002, S. 7).7 So viel scheint klar: Laibach polarisiert – und scheint immer schon ›kontaminiert‹. Der ›harte Publikumskern‹ zerfällt nach Monroe in zwei Lager: »the ideological and the aesthetic« (Monroe 2005, S. 188). Werden letztere durch Bild und Musik bzw. deren provokativ-brutale Qualitäten angezogen, so sind erstere als prinzipielle »quasi-Nazis« überzeugt, »that Laibach validate or approve of their beliefs. […] At Laibach’s London concert in May 1992, there was an intense and potentially violent discussion between a group of left- and right-

6 | Laibach zit.n. Mlakar 1993, S. 65. 7 | Arns bezieht sich hier auf die 1980er und auch die 1990er Jahre.

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oriented Laibach fans which lasted for the duration of the show« (Monroe 2005, S. 188). Insbesondere in Deutschland hatte Laibach großen Erfolg (vgl. ebd., S. 141) – und auch deutsche faschistische Gruppierungen »have attempted to interpellate Laibach as one of their own, but have also attacked the group« (ebd., S. 199). Laibach selbst wiederum bezieht sich nicht nur durch ihren Namen und durch die teilweise in den songs verwendete deutsche Sprache auf Deutschland, sondern auch durch ihre Proklamationen: »We have already stated that the contemporary Germans are an inferior sort of Slovenes, so it doesn’t surprise us if they took us for their own« (NSK 1991, S. 54). … »Wir wollen den Deutschen die Würde zurückgeben, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg verloren haben« (zit.n. Mlakar 1993, S. 64) … oder auch: »What we are bringing back to Germany is its substantive essence that has been banished from this territory for a certain time. In Slovenia, we have discovered a firm, unchangeable basis that allows us the joy of life, pride and welfare. Therefore, we essentially maintain that both countries share a common ground binding them in a joyful union of rich and mutually dependent existence« … (NSK 1991, S. 54). Würde und Essenz des Deutschen, schillernde Anordnungen von Wohlbefinden und Stolz, nationalistische Stereotypen (wird nicht gerade Osteuropäern vom Westen ein ›primitiv-archaisches‹ Genießen unterstellt?)8 – die Tendenzen und Ambivalenzen, die hier im Spiel und für meine Untersuchung insofern interessant sind, als sich mit ihnen eine bestimmte ›Gruppen- oder Massenpsychologie‹ von Autorschaft und Agency verbindet, werden deutlich. Laibachs Erfolg kreist etwa um »völkischness« oder »›Eastern‹ authenticity« (Monroe 2005, S. 238, S. 243); die Gruppe gibt sich »more Slovene than the Slovene itself«, dieses zeigt sich germanischer als das Germanische und es entsteht ein Eindruck von etwas Totalitärerem »than the totalitarians themselves« (vgl. ebd., S. 150f., S. 135).

Opus Dei – Gebur t einer Nation 1987 wird unter dem Titel Opus Dei Laibachs sechstes Album veröffentlicht, nach dem offiziellen Auftrittverbot erstmals in (Ex-)Jugoslawien, in Zusammenarbeit mit dem britischen Independentlabel Mute Records (vgl. Arns 2002, S. 38). In diesem Album-Titel klingt u.a. die gleichnamige rechts-katholische Organisation an, die Laibach »wegen des angeblichen Mißbrauchs ihres Namens auch prompt vor Gericht stellte« (Barber-Keršovan 1993, S. 77).

8 | Vgl. dazu in anderem Zusammenhang Monroe 2005, S. 234f.

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Dieses ›Werk Gottes‹ Laibachs fällt etwa in die »most visually Germanic-totalitarian phase (roughly 1987-90)« (Monroe 2005, S. 188); es umfasst zwölf Titel (nebst beunruhigenden Graphiken) und leitet – mit bearbeiteten Versionen angelsächsischer ›Rock-Klassiker‹ – für Laibach eine Periode großen Erfolgs ein (auch bei Sendern wie MTV) (vgl. Monroe 2005, S. 229f.). Die erste Cover-Version nennt sich »Geburt einer Nation« (1987). Sie wird von der Gruppe auch im neuen Jahrtausend performt9 und hat zur deutschen Wiedervereinigung ein Remix erfahren. Die Bezeichnung »Geburt einer Nation« setzt verschiedenartige Gedankenverknüpfungen in Gang. Sie ruft wiederum die Geschichte Jugoslawiens auf, insofern bald nach Erscheinen von Opus Dei, begleitet von kriegerischen Auseinandersetzungen, verschiedene Nationen ›(wieder-)geboren‹ werden sollten. Neben Assoziationen an »die slowenische Nation, die Mitte der 80er Jahre ihre kollektive Identität stärker zum Ausdruck zu bringen begann« oder an den sich um diese Zeit verschärfenden serbischen Nationalismus, stehen solche, die etwa an das »tausendjährige Reich« des »Führers« erinnern (Barber-Keršovan 1993, S. 72). – Oder geht es vielleicht um »ein memento mori für den verstorbenen Präsidenten Tito, den ›Laibach‹ wiederholt als Leitbild zitierte?« Um eine geschmacklose, ernsthafte, postmoderne … Botschaft? (Ebd.) »The Birth of a Nation« ist auch der Titel des seinerzeit erfolgreichen US-amerikanischen Stumm-Langfilms über den amerikanischen Bürgerkrieg (1915) von David Wark Griffith mit deutlich rassistischen Zwischentönen. Laibachs »Geburt einer Nation« ist vor allem eine Cover-Version von Queens »One Vision« (1985) – jenes, wie es heißt, durch die Live-Aid-Konzerte inspirierten und zugleich als Teil des Soundtracks zum Kriegs- und Actionfilm Iron Eagle (1986) offerierten Titels der britischen Rock-Gruppe, welche gerade als Liveband vor gewaltigen Zuschauer/innen-Mengen äußerst erfolgreich agierte. »Despite the ambivalent sexual persona of Freddie Mercury«, wie es bei Monroe heißt, waren Queen demnach »the most successful of all stadium rock groups, and their fans’ mass devotion to him exemplified the rock star as Übermensch« (Monroe 2005, S. 228). Solcherlei Massenhingabe, wird, wie zu zeigen sein wird, bei Laibach gewendet und belangreiches Thema. »Geburt einer Nation« von Laibach ist auch mit »Queen« signiert. »Our work […] which is original, or rather a copy without the original, is superior to the historical material« (Laibach, NSK 1991, S. 58). Wie ist in diesem Fall Queen-Laibach das wie auch immer ›originale‹ Material beschaffen?

9 | Vgl. »Laibach Live«, Paris 2004 auf der DVD »Divided States of Ame-

rica«.

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Noch eine Vorabbemerkung vor dem Einstieg ins Material: Wenn nun im Folgenden, rund zwanzig Jahre später, »One Vision« (Queen) und v.a. »Geburt einer Nation« (Laibach) vornehmlich in Form der spezifischen Gattung des Video-Clip10 mein Gegenstand sind, dann verstehe ich diese Rezeptionssituation als figurative Konstellation: auch alleine vor dem Bildschirm sitzend, sind in der Imagination andere Zuschauer/innen involviert.11 Als Teil einer Rezeptionsgemeinschaft werde ich durch die Phantasien des Videos angesprochen, eine Übertragungssituation stellt sich ein oder auch eine Art »Massenbildung zu zweien« (Freud). Weiter schreiben sich auf dem Wege einer solchen (Liebes-)Beziehung eine stets subjektive Auswahl der verschiedenen Sinnangebote12 und notwendig – von Laibach wiederum gewissermaßen auch vor-gesehene – Momente des Nicht-Verstehens in die nun folgende Lektüre ein.

10 | Dabei hat sich die Sicht auf Musikvideos verändert; war der Clip zuvor ein Werbeträger für Musik, so ist er selbst zum Produkt geworden und mittlerweile in der bekannten Form in eine Krise geraten (Keazor/Wübbena 2005, S. 9ff.). 11 | Sofsky und Paris entwickeln in anderem Kontext den Gedanken von der Autoritätszuschreibung als figurativer Konstruktion: Durch die Anerkennung einer Autorität definiert man ein ganzes Beziehungsgeflecht (vgl. Sofsky/Paris 1991, S. 20; vgl. auch Kap I). 12 | »Ein Videoclip kann […] mehrstufi g angelegt sein und auf diversen Ebenen funktionieren« (Keazor/Wübbena 2005, S. 16) und ich werde sicher nur wenigen Bezügen und Verweisen nachgehen können.

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One Vision (Queen 1985, Video directed by Rudi Dolezal and Hannes Rossacher)

One man one goal One heart one soul One flash of light

one mission, just one solution, yeah one god one vision.

One flesh one bone, One true religion, One voice one hope, One real decision, Wowowowo gimme one vision. No wrong no right, I’m gonna tell you there’s no black and no white, No blood no stain, All we need is one world wide vision. One flesh one bone, One true religion, One race one hope, One real decision, Wowowowo oh yeah oh yeah oh yeah. I had a dream, When I was young, A dream of sweet illusion, A glimpse of hope and unity, And visions of one sweet union, But a cold wind blows, And a dark rain falls, And in my heart it shows, Look what they’ve done to my dream.

So give me your hands Give me your hearts, I’m ready, There’s only one direction, One world one nation, Yeah one vision. No hate no fight, Just excitation, All through the night, It’s a celebration wowowowo yeah. One flesh one bone, One true religion, One voice one hope, One real decision. Gimme one night, Gimme one hope, Just gimme, One man one man, One bar one night, One day hey hey, Just gimme gimme gimme, One vision.

Der Ablauf des Queen-Videos wird gleichsam gerahmt durch die bildlich rautenförmige Anordnung der vier Gesichter der Bandmitglieder (in Referenz auf das Video »Bohemian Rhapsody« 1975). In »One Vision« wird diese Gesichter-Anordnung gleich zu Beginn zu verzerrten Klängen einer Art ›Morphing‹ unterzogen; sie taucht im weiteren Verlauf und auch am Schluss wieder auf. Dabei sind die Blicke der Bandmitglieder nicht selten gen Himmel gerichtet: Es geht um eine Vision.

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Der musikalische Spannungsaufbau erfolgt dann in Begleitung einer visuellen Eingangssequenz, die – beginnend mit einer Kamerafahrt ins Unterge-

Abbildung 8

schoss – auf die lässig beim Flippern oder Zeitschriftenblättern zu sehenden Bandmitglieder schwenkt (mit gelegentlichen technischen Farbumkehreffekten). Anschließend geht es in dem »One Vision«-Video vor allem um die Aufnahme des Songs im Studio. Zum Queensound sieht man die ›Jungs‹, die bei der Sache sind und Spaß haben. Die Stimmung wirkt insgesamt gelöst, animierend, erregt, gelegentlich albern (Roger Taylor zieht Grimassen, Freddie Mercury singt zum Schluss im Refrain »Fried chicken« statt »One Vision« …).

Abbildung 9

Die – auch musikalisch zunächst abgesetzte – Passage »I had a dream …« wird von Bildern begleitet, die Live-Szenen zeigen, welche Freddie Mercury fokussieren: Dieser teilt seinen vergangenen Traum mit der wogenden Publikumsmasse, die quasi nach seiner ›jugendlichen Vision‹ tanzt – durch Überblendungen teilweise mit dieser ›verschmolzen‹, bleibt er doch immer ihr ›Kopf‹, ihr ›Führer‹. Szenen einer Massenbildung, die der weitere Video-Verlauf gelegentlich in Erinnerung ruft. Masse und ihr Traum wirken hier sogartig aber kaum bedrohlich – ihre Präsentation ist schließlich eingebettet in eine Szenerie jugendlich-rebellischen, auch verspielten Genießens.

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Gebur t einer Nation (One Vision) (1987, Video directed by Daniel Landin) Ein Mensch, ein Ziel, und eine Weisung. Ein Herz, ein Geist, nur eine Lösung. Ein Brennen der Glut. Ein Gott. Ein Leitbild.

So reicht mir eure Hände und gebt mir eure Herzen. Ich warte. Es gibt nur eine Richtung, eine Erde und ein Volk. Ein Leitbild.

Ein Fleisch, ein Blut, ein wahrer Glaube. Ein Ruf, ein Traum, ein starker Wille. Gebt mir ein Leitbild.

Nicht Neid, nicht Streit. Nur die Begeisterung. Die ganze Nacht feiern wir Einigung.

Nicht falsch, nicht recht. Ich sag’ es dir: das Schwarz und Weiß ist kein Beweis. Nicht Tod, nicht Not. Wir brauchen bloß ein Leitbild für die Welt. Ein Fleisch, ein Blut, ein wahrer Glaube. Eine Rasse und ein Traum, ein starker Wille.

Ein Fleisch, ein Blut, ein wahrer Glaube. Ein Ruf, ein Traum, ein starker Wille. Gebt mir eine Nacht. Gebt mir einen Traum. Nichts als das: ein Mensch, ein Mann, ein Gedanke, eine Nacht, ein-mal. (Jawohl.) Nur gebt mir gebt mir gebt mir ein Leitbild.

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Gebt mir ein Leitbild Der deutsche Text in »Geburt einer Nation« ruft eine Semantik der Weisung, des Geleitetwerdens, der Einigung auf; er transportiert Bilder von Nation, Volk, Rasse, Vorstellungen des Glaubens ebenso wie des Willens. Obgleich hier – neben einem vergleichbaren Tempo – eine beinah wörtliche Übersetzung der lyrics von Queens »One Vision« vorliegt, wird das Bedeutungsfeld verengt, quasi auf autoritäre Bahnen gelenkt. So wird – unter deutlich veränderter Betitelung – etwa »Vision« durch »Leitbild«, »bone« durch »Blut«, »One flash of light« durch »Ein Brennen der Glut« ersetzt, deutsches Reizvokabular verwendet. Aus der Kombination von Live-Aid-Inspiration und Kriegsfilm bei Queen wird eine Agitation, welche ambige Tendenzen des Queen-Textes exhibiert. Nach Monroe war man in Jugoslawien geschult, Populärkultur als ideologischen Text, als eine Art ›Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln‹ zu lesen und auch der Interpretation von lyrics mehr Gewicht einzuräumen (vgl. das booklet der CD Anthems).13 Etwas ähnliches geschieht hier: Laibach behandelt pop lyrics gewissermaßen als ernste ideologische Texte (Monroe 2005, S. 229) … und die Ideologie des auf diese Weise durchgenommenen Textes von ›One Vision‹ scheint nicht nur ziemlich ernst, sondern zunächst auch verhältnismäßig wenig entstellt. »In the case of Queen […] much of the work was already done, and almost no alteration of the lyrics beyond their translation into German was necessary to draw out Queen’s authoritarian subtext« (ebd., S. 228f.). Ein durch die recht unbeschwert-rebellische Form, in der der Queen-song daherkommt, verstellter, aber als Text offen einer ›Übersetzung‹ zugänglicher, durchaus mitausgesprochener Subtext kommt hier als Annahme ins Spiel bzw. auf die laibachsche Bühne. Das von Queen angebotene, vor-gestellte Bild wird subtrahiert; zugleich wird weder ›Auf klärung‹ noch direkt ›aufrechte‹ Gewalt inszeniert, sondern eine umgekehrt angespielte phantasmatische Seite. »Laibach singt nicht ›Give the fascist man a gunshot‹, sondern ›Gib mir ein Leitbild‹«, schreibt Diefenbach 1995 (zit.n. Arns 2002, S. 95) und liest Laibachs Strategie als Inszenierung eines etwa im Jugoslawien der 1980er Jahre inoffi ziell fortbestehenden nationalistischen bzw. rassistischen Phantasmas. Wiewohl die Deutung überzeugt: Laibach singt nicht »Gib mir ein Leitbild«, sondern »Gebt mir ein Leitbild« und vereindeutigt damit gerade das an dieser Stelle uneindeutige englische »gimme« zur deutschen Pluralform. »Gebt mir ein Leitbild« – der Refrain des Songs, der die Geburt einer nationalen Identifizierung beschwört, wendet sich 13 | »Yugoslavs were trained to read popular culture as an ideological text and as a continuation of politics by other means. This combined with another local tendency, to give more weight to the interpretation of lyrics than in the West« (Monroe, Anthems-booklet).

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nicht an eine singuläre Instanz (einen Anderen …), sondern an eine Gruppe, indem er ein »ich« und ein »ihr« etabliert. Damit wird auch in Sachen Leitbild eine Mehrzahl, eine vereinte Menge angesprochen. Auf der Ebene des Textes geht es insgesamt um Einigung, um ein »Ein« (ein Ziel, ein Ruf, eine Rasse, ein Traum …), und dessen Herstellung: So reicht mir eure Hände, gebt mir eure Herzen, eine Nacht, einen Traum … Doch: Das Leitbild fehlt. Im laibachschen Text werden zwar diverse, gerade in deutscher Sprache obszön tönende, phantasmatisch bindende Elemente aufgerufen (Volk, Rasse, Blut …), aber durch das mangelnde Leitbild bleibt eine Nicht-Existenz im Hinblick auf die zu ›gebärende‹ Nation markiert. Diese Markierung geschieht im Modus eines Autorität einfordernden Imperativs, einer Anweisung: Gebt mir, was mir fehlt! In dieser Form der Anordnung schließt sich einerseits die Frage ›Was will er (von) mir?‹, insofern eine klare Aufforderung ergeht zu tun, was befohlen ist. Andererseits bleibt diese Frage auch auf eine einschüchternd als vorläufig gesetzte Weise offen, insofern eine inhaltliche Ausfüllung, eine Antwort von der durch die Herrscherallüre angesprochenen Menge selbst erwartet wird – an sie wird das Fehlen einer gemeinsamen Ausrichtung letztlich in Befehlsform zurückdelegiert. Was angefordert wird, ist gerade eine richtungsweisende Vorstellung, welche gewissermaßen die nationale Identifizierung beglaubigen kann. Im Kontext der ›Geburt einer Nation‹ ist das ersehnte Leitbild lesbar als jenes Phantasma, das eine gesellschaftliche Wahrnehmung von sich selbst als homogene Entität erst möglich macht (wie z.B. die ›Heimat‹, das ›Vaterland‹) (vgl. Salecl 1993, S. 13ff.). ›Die Nation‹ oder die ›nationale Identifizierung‹ ist etwas, was in einer solchen Struktur bestimmend, aber ›als solches‹ nicht spezifizierbar, nicht symbolisierbar ist – und diese Leerstelle ist allein phantasmatisch aufzufüllen (vgl. ebd.) durch Bilder oder Mythen, welche vor Augen führen, was jeweils als ›zu verteidigendes Gut‹ gelten kann. »Gebt mit ein Leitbild« wird vor diesem Hintergrund lesbar als paradoxe Forderung, eben das zu geben, was leitungsstiftend wirkt und in dessen Namen der Imperativ bereits ergeht – ein Bild, das die Gemeinschaft als ›Nation‹ leiten kann. »Ich warte«: Der Protagonist erwartet eine führende Idee … »und aus der Beziehung zwischen Idee und Führer ergäben sich interessante Mannigfaltigkeiten« (Freud 1921c, S. 110).

Stimme hören Der Video-Clip zu Laibachs »Geburt einer Nation«, in dem dieser Text zu vernehmen ist, gibt aus verschiedenen Perspektiven vornehmlich den Sänger sowie drei weitere Musiker (Blasinstrumente, Trommeln) zu sehen und eine »pathetische[n], monumental-wagnerianisch instrumentierte[n]« (Arns 2002, S. 38), auch als »›wagnerianische[s] Heavy Metal‹« bezeich-

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nete (Barber-Keršovan 1993, S. 71) Musik zu hören. Beginnend mit einigen Takten der US-amerikanischen Nationalhymne bleibt der Charakter hymnenartig hämmernd; feierliches Instrumentalwerk, dramatisches Tonstück, ›sakrales‹ Rockmusik-Spektakel klingen an. In Harmonie und Rhythmus tendenziell simpel strukturiert, in einer Melodieführung mit eher geringem Intervallspektrum, weit weg von spielerischer Tonalität, werden unterschiedliche Instrumentenklänge erzeugt. Was beim Hören sofort ins Ohr fällt, ist Milan Fras’ sprechende dunkle Stimme mit Schnarr-Register-Anmutungen. Diese ist ebenso zu einem Markenzeichen Laibachs geworden wie schwer zu erfassen: Eindringlich und beschwörend 14, vor allem martialisch dröhnend-gröhlend, ausgestoßen und teils vulgär tönend. Eine Stimme ist nicht nur ein Transportmittel von Bedeutung oder ein ästhetisch-musikalisches Genussmittel. Sie vermag eine Übertragungsbeziehung in Gang zu setzen und als deren Kern zu wirken (vgl. Dolar 2006, S. 123); dann beginnt sie auch, als ein Objekt-Grund des Begehrens zu fungieren, als etwas, was in der sich artikulierenden Person ›mehr ist als sie selbst‹. Symbolische Autorität, die eben durch ein solches Objekt hindurch wirksam wird (vgl. Kap. I), ist, auch im politischen Sinn, auf die Stimme angewiesen. Erst durch sie verwirklicht sich der Buchstabe des Gesetzes, wird dieser autoritativ in Szene gesetzt. Sie kann aber auch, quasi als ›autoritäre‹ Stimme, die Gültigkeit des Gesetzes suspendieren (vgl. Dolar 2006). »The voice stands at the point of exception which threatens to become the rule […]« (ebd., S. 120, vgl. S. 113).15 Diese schillernde Übergang der Stimme von Gesetzesstütze zu dessen gewaltanbahnender Außerkraftsetzung wird gerade auch in Phänomenen des Totalitarismus deutlich, die nach Dolar dazu tendieren, »to hinge overbearingly on the voice, which in a quid pro quo tends to replace the authority of the letter, or put its validity into question. The voice which appears limitless and unbound, that is, not bound by the letter, the voice as the source and immediate lever of violence« (ebd., S. 114). – Die signifi kante Stimme Hitlers wird von Viktor Klemperer etwa als ein krampfhaftes Schreien, als unmelodisch bzw. unmusikalisches Überbrüllen und rohes Aufpeitschen beschrieben (als Bestandteil fesselnder Massen-Wirkung für ihn unerklärlich) (vgl. Klemperer 1996, S. 70ff.).16 – Anders als im stalinistisch monoton-verlesenden 14 | Im Pariser Live-Mitschnitt von 2004 teilweise begleitet durch Sprechgesang anderer Musiker. 15 | Auf die von Dolar weiter eingeführte Differenz der »voice of pure enunciation« (Dolar 2006) kann ich hier nicht eingehen. 16 | Nach Kopperschmidt ist Klemperers Unverständnis »nicht ganz so unverständlich; er hatte an dem 4. März 1933, als er am Dresdner Hauptbahnhof Hitlers Königsberger Rede aus den Lautsprechern hörte, gleichsam mit dem falschen Ohr gehört. Nicht anders als die vielen anderen, ob sie Stefan Heym

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Stil mit zurückgenommener Stimme im ›perversen‹ Dienst am Anderem (vgl. Dolar 2006, S. 117ff.),17 geht es beim faschistischen Herrscher darum, spektakuläre Ereignisse mittels einer Stimme zu produzieren, die – in unmittelbarer ›charismatischer Präsenz‹ – eine direkte Verbindung zwischen Herrscher und Massen inaugurieren (vgl. ebd.). »[T]he tie that links the subjects to [the Führer] is enacted as a vocal tie; its other part is the answer to the voice by mass acclamation which is an essential feature of the speech« (ebd., S. 116). Die düstere Stimme des Laibach-Sängers nun kommt in der Vortragsartikulation recht unhysterisch, unaufgebracht daher; sie wirkt nicht so sehr demagogisch, eher schon ›untot‹, 18 mit obszön-vulgären (bis hin zu fast schon lächerlich röhrenden) Zügen; sie ist überpräsent, faszinierend und darin wiederum beunruhigend. Die durch diese Qualitäten angeregte dröhnende und auch kaum rechtmäßig scheinende Beziehungsstiftung findet zwar nicht im politischen, sondern im künstlerisch-musikalischen Kontext statt – doch Übertragung funktioniert nicht als ›Schattentheater‹, sondern ›im Ernst‹ (vgl. Žižek 1993, S. 119). Der klanglich bedrohliche Charakter verstärkt sich tendenziell dadurch, dass sich diese Stimme in deutscher Sprache mit recht starkem Akzent formuliert: Klingt deutsch »to non-German speakers […] decisive, curt, domineering and frightening« (Irwin zit.n. Monroe 2005, S. 139)19 bzw. oft »harsh and alienating for both historical and phonetic reasons« (Monroe 2005, S. 155), so wird hier ein Spracheindruck jenseits der Bedeutung auch für native speakers erfahrbar. Der ›archaische‹ Stil des ›Laibach-Deutsch‹ kann nicht nur durch den ›slawischen‹ Akzent potentiell rassistische Phantasien aufrufen, sondern auch die deutsche Sprache gewissermaßen selbst verheißen (›Doch nicht diese Stimme, dieses Geblaff !‹), Marion Gräfin Dönhoff (›Er geiferte‹) oder Kurt Tucholsky (›Der Mann … ist nur der Lärm, den er verursacht‹), ob Hans Mayer (›Theaterform seiner Rhetorik‹), Carl Zuckmayer (›heulender Der wisch‹) oder Walter Jens, der an Hitlers Reden ›den Glanz (der) Perioden, den harmonischen, dem Sujet entsprechenden Wechsel von Parataxe und Hypotaxe …, die Anschaulichkeit der verwendeten Bilder, die Kühnheit der Figuren und Tropen, die Kraft der Metaphern‹ vermisste […]. Zu Ohren, die so zu hören gewohnt sind, hat Hitler nie gesprochen – und auch nicht sprechen wollen […]« (Kopperschmidt 2003, S. 185f.). – Mich interessiert an dieser Stelle allein die klangliche Qualität. – Scholdt hat die beeindruckend differierenden Urteile über Hitlers Stimme nachgezeichnet (2003). 17 | Zu Tito vgl. Dolar 2006, S. 118. 18 | Hier und an vielen anderen Stellen: Dank an die Bremer psychoanalytische Theoriegruppe. 19 | Weiter heißt es, dass diese Sprache »automatically activates traumas buried deep in the subconscious and history. […]« (Irwin zit.n. Monroe 2005, S. 139).

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rätseln oder verfremden (vgl. in anderem Zusammenhang ebd., S. 237f., S. 144). In diesem inkonsistenten Zusammenspiel evoziert die Stimme insgesamt ›archaische‹ und obszöne Phantasien – und bleibt doch auch vernehmbar rätselhaft, in ihrer Qualität nicht einfach zuzuordnen. Das Rätsel, welches die Stimme bilden kann, liegt den provozierten Phantasien quasi zugrunde. Nach Dolar bilden die Stimme, der Lärm, das, was gehört wird, gar eine Art Kern der (Ur-)Phantasiebildung. Unheimliche Geräusche, die einem zu Ohren kommen … ausgehend von jenem »mysterious overinvestment« (Dolar 2006, S. 134), von jener laplanschen ›Verführung‹, der das Kind unterworfen ist und die seiner Subjektbildung zugrunde liegt (vgl. Kap. 1) – »What is driving the Other, what makes it enjoy, how do I fit into all this?« –, denkt Dolar die Stimme als »the paramount sign of that excess in the Other« (ebd., S. 134ff., Herv. I.H.). Die Phantasie bildet sich dann um das Gehörte, das Erhaschte herum und wirkt als eine Art provisorisches ›Verstehen‹: eine Art »stand-in for understanding« (ebd., S. 136f.). – »The subject is always stuck between voice and understanding […]« und letzteres ist schließlich nichts als »fi nding oneself in fantasy […]« (ebd., S. 137f.).20 Stecken bleibt der phantasie-generierende Hörende schließlich auch in Laibachs Fall. Die vernommene stimmliche ›Ausschweifung‹ geht über in rohe Phantasieprovisorien; die Stimme eröffnet einen mit beunruhigenden phantasmatischen Versatzstücken gefüllten Raum wie sie als klangliche Materialität, als Überschuss persistiert … ein abstoßendes Genießen, eine Art Exzess. Und kann gerade »die Beziehung zum Rätsel des anderen« (Laplanche 1996, S. 186) als entscheidende Dimension der Übertragung gelten, dann stiftet Laibachs Stimme eine gewagt anstößige, anrüchig getönte Beziehung zum Rätsel und eine changierende Über tragung.

Bildliche Facetten Die Bilder kommen zuerst mit Wucht. Sie sind von Anfang an militaristisch konfrontativ: Einleitend schreiten vier Männer auf den Betrachtenden zu: Stiefel in Nahaufnahme/Schnitt/Oberkörper/Schnitt/wieder marschierende Schritte. Alles beginnt mit diesen Stiefeln, die auf den Betrachtenden zumarschieren. Beim Einstieg in die Bilder-Sequenz wird das betrachtende 20 | »When the subject does fi nally understand, at the supposed moment of conclusion, it is ›always-already‹ too late, everything has happened in between […]. The true sense, the proper sense, is always preceded by the fantasmatic sense which sets the stage, takes care of the scenery, so when the supposed lead actor finally appears, he is framed […]. The advent of adequate understanding is the advent of the most implausible and preposterous fantasy of all […]« (Dolar 2006, S. 137).

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Subjekt sofort durch die vom Video transportierte Phantasie angesprochen, die ideologische Elemente enthält und bestimmte Positionen für das Subjekt vorsieht, seine ›Bewegungen‹ in der Szenerie reguliert.21 Wenn nun von dieser Eingangssequenz gleich eine Beunruhigung ausgeht, so ist diese sicher an die politisch aufgeladenen Seh- (wie auch Hör-)Eindrücke, die probleAbbildung 10 matisch besetzten Bilder gebunden – aber ebenso an die scheinbar grenzenauf- und affektauslösende Kameraeinstellung.22 In diesem invasiven ›Übergriff‹ wird ein Szenario des Ausgeliefertseins entworfen, begleitet von schillernden Phantasien der Gewalt, der Sexualität, des Genießens, wird eine Art masochistische Erregung eingepflanzt. Die Video-Szenerie evoziert oder rührt damit m.E. eingangs an jene Phantasie, die das Begehren des Abbildung 11 Subjekts fundamental formiert und von der es auch beim Betrachten immer Teil ist. Es ist die ›ursprünglich masochistische‹ Position (vgl. Laplanche 1996, S. 219), die sich verbindet mit wiederum der anfänglichen »traumatisierende[n] Inter vention des Anderen«, welche zwingend ein quasi schmerzhaftes »Moment des Durchbruchs« umfasst (ebd., S. 215). Ein Kind, und das heißt »jeder von uns«, ist eben »an einem bestimmten Punkt ein ohnmächtiger Beobachter«, gefangen in einer sexualisierten, undurchdringlich bleibenden Situation (Žižek 2001, S. 393) – wenn etwa von dem (elterlichen) Anderen Signale mit einer auch ihm unklaren Bedeutung oder Handlungen ausgehen, »deren wahrer libidinöser Tenor ihm verborgen bleibt« (ebd., S. 394; vgl. Kap. 1). Der unergründliche Eingriff wirkt wie eine Art einbrechender Schmerz; er gleicht in seiner Sexualisierung einer masochistischen Position bzw. dem Entstehungsprozess der Phantasie. Diese ausbrechende Phantasie markiert eine Wendung 21 | Inspirationen für diese Überlegungen durch de Lauretis 1997 u.a. mit Bezug auf Heath. 22 | Etwa so, wie sich der Zug in dem frühen Film »Die Ankunft eines Zuges im Bahnhof von La Ciotat« (1895) der Kamera nähert und beim Publikum des 19. Jahrhunderts Angst und Entsetzen auslöst.

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›gegen sich selbst‹: aktiv wird eine (passiv-)imaginierende Haltung eingenommen und eine Szene (passiv-)bewegungsunfähiger Unterwerfung oder Erniedrigung erhalten (vgl. Žižek 2001, S. 390ff.). Die Handlung wird als Phantasie ins eigene ›Innere‹ »eingelassen« (Laplanche 1985, S. 150).23 Wobei sich die Phantasie auch bereits als minimale ›Abwehr‹bildung – gegen die einbrechende Libido, die Genießensbegegnung, mit der sie verbunden ist – lesen lässt.24 Die Phantasie-Szene wird quasi aktiv gehalten, auch dem einbrechenden rätselhaft-exzessiven Genießen entgegengehalten, und bildet das ›Fundamentalphantasma‹ des Subjekts (vgl. Žižek 2001). In den bildlich eindringenden gestiefelten Gestalten des Videos ziehen sich so zwei Ebenen zusammen: Sie sprechen die Sprache einer militaristischen Ideologie und den Betrachtenden als Teil entsprechender Phantasien an – und sie bilden Einfallstore für den ›Durchmarsch‹ einer ›ursprünglich masochistischen‹ Bildung, welche überwältigende Erregung und als Imagination auch schon deren Abwehr ist. 25 Als solche Einfallstore werden die Bilder auch registrierbar, weil sich im Video-Verlauf zunehmend weniger eine sich abschließende kohärente Erzählung ergibt. Dieses Video inszeniert nämlich äußerst ungleiche Blicke. Nach der Eingangssequenz geht der Blick einstweilen auf eine weite Bühnen-Szene (mit den gleichen Gestalten), die, vornehmlich in bläuliches oder rötliches Licht getaucht, mehr noch an wagnerianische Opern als an gewöhnliche Pop- oder Rockkonzerte erinnert. Schnitte und Schatten sind hart, die Gesten sparsam und pathetisch gesetzt, nichts ›fließt‹: Stramme Haltungen der postierten Bläser bzw. synchrone, nahezu mechanische Trommel-Bewegungen, gelegentlich bekräftigende Hand- und Kopfbewegungen des Sängers, der mal bekleidet, mal mit entblößtem Oberkörper und stets mit charakteristischer Kopftracht auftritt, welche ihm auch eine sphinxartige

23 | Laplanche (und mit ihm auch Žižek) bezieht sich hier auch auf Freuds »Ein Kind wird geschlagen« (Freud 1919e; vgl. auch Kap. V). 24 | Žižek beschreibt als einen Unterschied zwischen Lacan und Laplanche, dass für Laplanche »der Trieb wesensgleich [ist] mit der Phantasie, das heißt, gerade die reflexive Umkehrung in die phantasmatische ›Internalisierung‹ ist es, die die Transformation von Instinkt in Trieb zustande bringt; für Lacan dagegen gibt es einen Trieb jenseits der Phantasie […]. Während sich behaupten lässt, dass auch für Lacan der ›Geburtsort‹ der Psychoanalyse die traumatische Erfahrung des Kindes ist, die es mit dem unergründlichen ›dunklen Fleck‹ des Genießens des Anderen macht und die die Ruhe seiner psychischen Homöostase stört, so bestimmt er das Phantasma aber als Antwort auf das Rätsel dieses ›dunklen Flecks‹ […]« (Žižek 2001, S. 399; zum Verhältnis Trieb/Abwehr/ phantasmatische Antwort vgl. aber auch Cremonini 2007). 25 | Und ist es nicht gerade die Invasion, die man zeitweilig fürchtet und genießen kann (statt weiter nach Antwor ten zu suchen)?

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Aura verleiht26 und bereits Anlass für mannigfaltige Spekulationen bot (vgl. Monroe 2005, S. 230). Statt exzessiv-genießenden Queen-Performances hier nun also ein eher wenig animiertes, stilisiert starres Arrangement, recht emotionslos agierende Musiker und ein Sänger, der insgesamt weniger als üblicher »charismatic ›rock God‹« (Monroe 2005, S. 190f. bzgl. Bühnenauftritte), denn als eine quasi ›demagogisch‹ agierende Figur funktioniert, welche gewisslich kaum weniger (gewaltförmige, auch sexualisierte) Phantasien produziert. … Was gelegentliche beinah lächerliche MoAbbildung 12 ment-Aufnahmen wiederum nicht ausschließt – etwa wenn der Sänger, von den Bläsern in kantiger Aufstellung quasi eifrig erwartet, nur als Schattenumriss erkennbar und von eher schmächtiger Statur aus dem Nichts auftaucht und mit ein wenig zu schnell anmutenden Bewegungen fast comic-artig in und durch das Bild schreitet: mit fliegender Kopfbedeckung ist die hier entgegen allem sonstigen MännlichAbbildung 13 keitsgebaren ›weiblich‹ wirkende Gestalt (›wehendes Haar‹ …) rasch wieder verschwunden.27 Die insgesamt bombastische Bilderfolge ergibt offenbar keine kohärente Erzählung. Im fortschreitenden Videoverlauf verliert sich, ohne einen ästhetisch aufgeladenen Charakter abzulegen, mehr und mehr die Geschlossenheit der visuellen Abbildung 14 26 | Für diese Assoziation danke ich Elfriede Löchel. 27 | »Laibach […] are aware of striking ludicrous poses, and often use appa-

rently trivial musical material, but this does not mean that everything is ›really‹ a joke« (Monroe 2005 in anderem Kontext, S. 52).

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Szene, es entsteht eine größere, teils wiederum auch ›ironisch‹-distanziert wirkende Bild-Variation. Assoziativ und klanglich zusammengebunden wechseln die Kulissen, geraten (russische) Avantgarde-Motive z.B. ebenso ins Bild wie stilisierte kitschige Bühnenbildhirsche oder menschliche Statist/inn/en in verschiedenen Konstellationen, ein mit großen, aufgeladenen Gesten pathetisch deklamierender Mann oder in einer religiösen Symbolik z.B. eine Art Pieta-Motiv … Dabei greift die Inszenierung im Verlauf Elemente der Performance »Krst Pod Triglavom« (Die Taufe unter dem Triglav)28 der Theatergruppe Scipion Nasica auf, zu welcher Laibach wiederum den soundtrack geliefert hat (1986). Diese monuAbbildung 15 mentale NSK-Produktion umfasst ebenso eine ›archaisch-heidnische‹ Szenographie (Monroe 2005, S. 231) wie Elemente der Avantgarde-Bewegungen (vgl. Arns 2002, S. 67); »Krst« wird auch charakterisiert »as a depiction of a heroic national mythology paradoxically expressed in the language of abstraction and the international avantgarde« (Monroe 2005, S. 90 bzgl. Dejan Kršić). Die Theater-Gruppe selbst beschreibt das Ereignis auch als die Geschichte einer (Um-)Taufe einer Nation/eines Volkes »durch die Optik der Kunst« (booklet; vgl. NSK 1991, S. 176). Im Spiel sind (Um-)Taufen von Nationen oder Epochen, ›beschworene‹ historische Wunden (wie die Unterwerfung der heidnischen Slowenen oder die Unterdrückung der historischen Avantgarde) Abbildung 16 (Monroe 2005, S. 90), eine Dramatisierung oder Thematisierung slowenischer Identität bzw. slowenischen Selbstverständnisses (vgl. insgesamt Monroe 2005; Arns 2002). Aufnahmen dieser Performance also haben ihren Auftritt in Laibachs Video »Geburt einer Nation«: Nationen werden geboren und getauft – wie 28 | Basierend auf Arbeiten von France Prešeren und Dominik Smole »und auf dem slowenischen Mythos von der Bekehrung des heidnischen Prinzen Črtomir und seiner Frau Bogomila zum Christentum« (Arns 2002, S. 66, vgl. Monroe 2005, S. 90).

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auch der Name ›Laibach‹ selbst Gegenstand traumatischer ›Umtaufen‹ ist. Der Videoclip endet schließlich mit einer (der Autorin teils besonders unbehaglichen) Feuerinszenierung: Fackelträger und brennendes (Malevič-) Kreuz, von Männergestalten gerahmt. – Gerade in ihrer Inkohärenz, die im Verlauf des Videos auch eine Reihe karikaturhaft wirkender Aspekte aufnimmt und diese mit Szenen verschaltet, die eher erschaudern lassen, d.h. gerade indem sie einen nur partiell, dann aber übermäßig in den Ernst zieht, macht die zusammengeklebte Bilderfolge diesen ›Ernst‹, d.h. auch: das ernstliche Genießen an signifi kanten Stellen, diesseits der Abwehr erfahrbar – so die sich aus meinem Betrachtungsprozess ergebende These.

Zusammenspiel »Laibachs Dialektik lebt davon, einen Song wie ›Geburt einer Nation‹ […] als Zuhörer erst einmal genießen zu dürfen, um ihn dann verstehen zu müssen« (Hesselmann 2006). Damit ist eine Bewegung umrissen, die von der Erregung zu einem vorläufigen Verstehen verläuft und im Video »Die Geburt einer Nation« m.E. ebenso umgekehrt funktioniert, eben als Einbruch eines Genießens, quasi durch Phantasmen hindurch. Die irritierende, bannende und doch besorgniserregend-monströse Stimme sorgt im Videoclip gleichsam für Stetigkeit. Rund um deren Beharrlichkeit formiert sich ein atmosphärisch aufgeladenes Stückwerk aus Bild, Text und Ton, wobei es durch deren Zusammenwirken neben den Brechungen in einigen Situationen auch zu potenzierten Wirkungen kommt: Die beschriebene visuell aufgeladene Eingangsszene etwa wird durch eine schnelle Abfolge von Stille, hymnischen Orgel-, Trillerpfeifen- und Schlagzeug-, E-Bass- bzw. Synthesizer-Klängen begleitet, die ›Subordination‹ befördernde feierlich-erhabene bis exerzierende Akzente setzt … Der nach dem Szenenwechsel schließlich erfolgenden Erhellung der Bühne korrespondiert im Spannungsauf bau die auf den Einsatz des Gesangs hinleitende Musik … Bestimmte Textpassagen wie z.B. »Ein Fleisch, ein Blut …« oder »Wir brauchen bloß ein Leitbild für die Welt« werden durch eine Großaufnahme oder Close Up des Sängers akzentuiert und ähnliches mehr. Insgesamt dominiert eine hymnisch-aufgeladene Motivik und zugleich kommen auf allen, sich wechselseitig kommentierenden, Ebenen Spannungen oder (Ein-)Brüche zum Tragen. Suspendiert ist eben die »Ganzheit, die Einheit, von der ja der Song einerseits handelt, von der er spricht«.29 Die entstehenden Phantasieversatzstücke scheinen ›Antworten‹ auf aufgeworfene Fragen zu geben, die dann wieder aufrei29 | Olaf Knellessen in einem Kommentar zu dem vorliegenden Text – an dieser Stelle vielen Dank.

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ßen: So umkreisen der Text ein zentrales Fehlen, die Stimme (vor dem Hintergrund einer uneindeutig bleibenden Musiksprache) ein durchdringendes Rätsel, die Bilder ein bebendes Genießen; auf solche auch abgründigen Phänomene wird man im Prozess des Betrachtens immer wieder geworfen. »Geburt einer Nation« involviert durch seine teils dröhnende – und, etwa auf der Bilderebene, auch verzerrt-karikierend anmutende – Inszenierung hindurch rätselhafte und erregende Momente, deren Eigenart hier besonders interessiert. Der laibachsche Videoclip richtet eine künstlerische Strategie ein und aus, die in der Lage ist, mit einem Spiel auf der Klaviatur von Verführung und Verführbarkeit durch archaisierend-autoritäre Anwandlungen hindurch subjektkonstitutive Phantasien, Ungewissheiten und Affekte zu aktivieren. Diese sind stets verbunden mit der – hier durch die partiell brenzlige Stimmung eingefärbten (und textlich wiederum auch direktiv thematisierten und an den Zuhörenden quasi zurückdelegierten) – Frage, worauf das hinaus soll: Was wollen sie mir, was machen sie mit mir?

Was wollen sie wirklich? Laibachs Inszenierungen insgesamt, d.h. über den Videoclip hinaus, leiten immer wieder zu einer Reihe von Fragen, die von Was wollen sie mir? über Was wollen sie wirklich, wo stehen sie eigentlich?, zu: »[S]ind sie wirklich Totalitaristen oder nicht?« (Žižek 1993b, S. 57, Herv. I.H.) reichen. Solchen Fragen korrespondieren die Art ihrer öffentlichen Kundgaben einerseits und ihre weitgehende Vermeidung eindeutiger Stellungnahmen darüber, wo sie ›wirklich‹ stehen, andererseits. Die NSK hat »nie öffentlich eindeutig Stellung zu ihrer eigentlichen Position« bezogen (Arns 2002, S. 168), »radical ambiguity is essential to the project« und: »[I]t is vital that doubts should remain about Laibach’s ›real‹ intentions« (Monroe 2005, S. 78). Die Unklarheit der echten Intentionen als Handlungsstrategie … Wird dieser Intentionsverschwiegenheit ihrerseits eine kalkulierte Absicht unterstellt, dann liegt der Begriff der Manipulation nicht fern. Ein Blick in die Texte von und über Laibach zeigt diese Gedankenverbindung, wenn es etwa heißt, dass es hier keinen Versuch gibt »to deny or conceal the methods of manipulation« (ebd., S. 196, v.a. bezogen auf Laibachs shows). Eher das Gegenteil scheint der Fall: Programmatisch wird die Manipulation zu einer Sprache erklärt; so äußern sich Laibach dergestalt, dass nur solche Kunst, die selbst die Sprache der (politischen) Manipulation spricht, dieser nicht auf die gleiche Weise ausgesetzt ist (vgl. NSK 1991, S. 18).30 30 | »By studying information and the propaganda system of its forceful and planned operation in the formation of social values (public opinion – uniform thought), LAIBACH is constantly discovering new ways and means of

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Kann, dies einmal wörtlich genommen, nur jene die Manipulationssprache sprechende Kunst eben dieser Manipulation selbst entgehen, so wird ein Wunsch, »zu manipulieren, um nicht selbst manipuliert zu werden« (in anderem Kontext Pontalis 1968, S. 236), aufgenommen und quasi ›offi ziell‹ deklariert. Das Zusammenspiel von Vorstellungen wiederum passiven Manipuliertwerdens (vor allem auch auf Seiten der Rezipient/ inn/en) und einer ›programmatisch‹ aktiv-manipulierenden Rolle ist es, das an Gruppenphantasien rührt und mich in meinen folgenden, über das Video eben hinausgehenden Betrachtungen interessiert.

Manipulationsvorstellungen – das ›vergruppte‹ Individuum Die Rede von der Manipulation weist einen Weg zur Situation des durch ›Vergrupptheit‹ (Bion) charakterisierbaren Menschen: Ein Individuum zeigt stets »aktive[n] Manifestationen der Gruppenpsyche« (Bion 1971, S. 97, vgl. S. 69). Nach Bion ist der Einzelne immer Bestandteil einer Gruppe, auch wenn er zeitlich-räumlich isoliert ist (wie wohl auch, das ließe sich ergänzen, beim häuslichen Video-Betrachten und -Hören). »Die Versammlung der Gruppe an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit […] spielt […] bei der Entstehung der Gruppenphänomene gar keine Rolle« (ebd., S. 97, S. 124). Die Gruppe bzw. der Glaube an ihre Existenz als eine die Einzelnen überschreitende Realität wirkt im Sinne einer auch verhaltensgestaltenden Phantasie – dies manifestiert sich gerade auch in der Vorstellung des Manipuliertwerdens, die aus der Dezentrierung des Individuums in der Gruppe erwächst: »[I]n jeder Gruppe […] wird das Individuum in der Tat veranlaßt, sich als Glied in einer Relation und Ort eines Vorganges zu betrachten; was, in Subjektivität übersetzt, das Bewußtsein erzeugt, von Kräften manipuliert zu werden, die psychological influence on the masses, new ways and means of forcing new humanistic ideas upon the alienated consciousness. […] LAIBACH practices sound/force in the form of a systematic (psychophysical) terror as therapy and as principle of social organization. Purpose: to provoke maximum collective emotions and release the automatic response of masses; Consequence: the effective disciplining of the revolted and alienated audience; awakening the feeling of total belonging and commitment to the Higher Order; Result: by obscuring his intellect, the consumer is reduced to a state of humble remorse, which is a state of collective aphasia, which in turn is the principle of social organization« (NSK 1991, S. 44).

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sich ebenso schlecht kontrollieren wie definieren lassen, eine Manipulation, für die man im allgemeinen den Leader verantwortlich macht: wenn wir schon Marionetten sind, dann soll wenigstens jemand die Fäden gezogen haben! ›Was will er von uns? Er betrachtet uns, er testet uns, er bedient sich unser, wir sind seine Versuchskaninchen, seine Statisten, seine Priester, er ist ein großer Manitou‹« (Pontalis 1968, S. 233f.).

Die relationale und prozessuale Verfasstheit des Subjekts übersetzt sich in Vorstellungen von Machenschaften bzw. von einem Leader, der etwas Bestimmtes von einem will. Die Frage Was will er von uns? wird hier zum Bestandteil der Phantasie, manipuliert zu werden, einer Beeinflussung unterworfen zu sein. Die Idee eines Strippenziehers, die paranoide FührerPhantasie, funktioniert zunächst gewissermaßen als Abwehr einer für den dezentrier ten und ›vergruppten‹ Einzelnen grundsätzlich nicht beherrschbaren Situation (vgl. Kap. VI). – Sie antwortet, so ließe sich sagen, auf das Bezogen-, ja Konstituiertsein durch andere, durch einen Anderen und dessen rätselhaftes Begehren. »[W]ir sind seine Versuchskaninchen« wendet gewissermaßen die noch größere Angst vor der Inkonsistenz oder NichtExistenz des Anderen ab. Bei Bion ist die Rede von in Gruppen auch wirksam werdenden psychotischen Ängsten, in »Verbindung mit Phantasien primitiver Teilobjekt-Beziehungen« (Bion 1971, S. 141, vgl. S. 120). Solche Zustände und Beziehungen früher Positionen führen in der von Bion hier ins Feld geführten kleinianischen Psychoanalyse wiederum auch zu »verzweifelten Fragen« wie in der »Vergeltungsspirale« der paranoid-schizoiden Position: »Wie werden sie – die bösen Objekte im mütterlichen Leibesinneren – sich rächen?« (Heim 2004, S. 125; vgl. Kap. V) Diese Frage lässt sich mit Heim wiederum auch als Übersetzung der sich aus dem ungewissen Begehren des Anderen ableitenden Frage: »Was willst du mir?« lesen (ebd.) – eine ›Übersetzung‹, in die sich wohl schon eine projektive Logik eingeschrieben hat. Paranoide Ängste, manipulative Phantasien … Als eine Art Abwehr gegen psychotische Ängste scheinen die Phänomene jener so genannten Grundannahmen einer Gruppe zu funk tionieren (vgl. Bion 1971, S. 141), die schon im letzten Kapitel eine Rolle spielten und zu denen eben auch der Eindruck eines manipulierenden Gruppenführers gehören kann. – Um es hier noch einmal aufzugreifen: Es geht um eine Arbeitsgruppentätigkeit – wobei der Zweck der Arbeitsgruppe z.B. auch darin bestehen kann, ein Schauspiel zu sehen (vgl. ebd., S. 133f.) oder aber, wie im Falle eines Konzertes, die Musik zu hören, der Performance beizuwohnen. Die Arbeitsgruppe wiederum ist durchströmt von Gefühlen aus einer Grundannahme; wobei »die Gruppe affektiv so handelt, als habe sie gewisse Grundannahmen über ihre Ziele« (Bion 1971, S. 140; vgl. Kap VI). Während für die Arbeitsgruppe eine Kooperation auf differenzierter Ebene belangreich ist, spielen im Bereich der Grundannahmen-Gruppe Organisation und individuelle Eigenart

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oder z.B. Zeitangaben keine Rolle (vgl. ebd., S. 126f.). Und wenn »verbaler Austausch eine Funktion der Arbeitsgruppe ist«, so gibt es in Richtung Grundannahmen-Gruppe wenig Symbolbildung: »Worte übermitteln nur noch Geräusche« (ebd., S. 138) – auch der schnarrend-gröhlende Modus einer Stimme könnte wohl auf solcher Ebene wirken. Grundannahmen beinhalten dabei stets auch die Vorstellung eines ›Führers‹ (vgl. ebd., S. 117, S. 113); sie lenken »die Wahl auf einen bestimmten Leader-Typ« (Pontalis 1968, S. 231f.). Im Falle der Manipulationsphantasie funktioniert die Gruppe in der Folge Bions gewissermaßen entsprechend der Grundannahme der Abhängigkeit (vgl. dazu ebd., S. 234) – für die dann wiederum ein als ›irre‹ bzw. ›genial‹ und zugleich als verlässlich angenommener Führer kennzeichnend wäre (vgl. Bion 1971, S. 91). Genauso wie die Gruppenangehörigen unter Einfluss der Abhängigkeits-Grundannahme »alle Tatsachen von sich weisen, die dem Glauben widersprechen, daß der Mensch oder Gott, von dem sie abhängen, sich um jeden von ihnen kümmere, so kann man auch sagen, daß sie alles von sich weisen, was darauf hindeuten könnte, daß der Anführer oder Gott nicht wahnsinnig sei« (ebd., S. 88). – Dabei besteht bei einem Zustand, »der dazu angetan ist«, die Grundannahme der Abhängigkeit »zu aktivieren, oder der seinerseits von ihr aktiviert sein könnte, […] immer die Furcht vor Diktatur« (ebd., S. 90).

Populäre Musik – Publikumsmanipulation? In den Manipulations- und Unterwerfungsszenarien, die Laibach explizit äußert und in Bild, Text und Ton – wie auch immer gebrochen – bedingungsweise implizit aktiviert, können, so meine These, solche Grundannahmen, Führungs- und Abhängigkeitsvorstellungen, hervortreten … welche mit ideologischen Phantasmen und durch diese hindurch ebenso mit frühen Objektbeziehungen wie ›psychotischen‹ Ängsten verknüpft sind. In der populären Musik, als Massenaktivität und gesellschaftsdurchdringendes Phänomen, sind sie immer schon am Werk, wodurch sich deren Organisation potentiell als eine Art »Manipulation der Grundannahme« (in anderem Zusammenhang Bion 1971, S. 99) lesen lässt. Eine politische Ökonomie der Musik hat Attali in seiner – eine eigene Sogwirkung entwickelnden, nicht allein über als vielmehr durch Musik theoretisierenden – Arbeit Noise (1977) entfaltet (vgl. Attali 2003, S. 4). Jede Art von Musik oder Klangorganisation wäre demnach ein Instrument zur Erzeugung oder Festigung einer Gemeinschaft bzw. Totalität. »[I]t is an attribute of power in all of its forms« (ebd., S. 6). Die politische Tragweite zeigt sich etwa in der Notwendigkeit für totalitäre Systeme, mögliche subversive Formen von Lärm und Geräuschen zu unterbinden (vgl. ebd., S. 7), doch auch in industrialisierten Gesellschaften parlamentarischer Demo-

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kratie übernehmen etwa Monopolisierungs- oder Kontrollfunk tionen im Umgang mit Musik machterhaltende Funktionen (wenn auch auf weniger gewaltsame, subtilere Art) (vgl. ebd., S. 8f.).31 Von Laibach werden Phänomene von Totalitarismus und Populärkultur demokratischer Gesellschaften gewissermaßen zusammengebunden. In offensiver Manier ist u.a. die Rede von einer ›Gehirnwäsche‹ durch die ununterbrochenen Programmströme von Fernsehsendern wie MTV, »implementing the totality of rock ’n’ roll music and the TOTALITARIANISM of its determinants« (zit.n. Monroe 2005, S. 234).32 Verweisen etwa die Konzerte Laibachs nach Monroe auch auf ein populärer Musik inhärentes totalitäres Potential, »that various regimes use for their own ends« (Monroe 2005, S. 185), so ortet die Gruppe in den ›kulturindustriellen‹ Mechanismen – von denen sie ein Teil geworden ist – »a largely unremarked form of Western totalitarianism« (und lotet die eingeführte simple Gleichung vom ›totalitären‹ Osten und ›demokratischen‹ Westen neu aus) (ebd., S. 224; vgl. Arns 2002, S. 39). In dem, was Laibach auf die Bühne bringen, verschränken und verwischen sich programmatisch massenwirksame Mechanismen von politischen Systemen und Populärkultur – die Grenze zwischen ›realen‹, profanen und ›dargestellt-fiktiven‹ Artikulationsformen wird auf dieser Ebene dünn gerieben bzw. der Begriff des ›Totalitarismus‹ ließe sich nicht nur auf eine »terroristisch-politische[n] Koordination der Gesellschaft« (Kermauner 1983 nach Barber-Keršovan 1993, S. 77), sondern auch auf Massenkultur und Marktstrategien, Medien und Pop-Idole, Rockkonzert-Rituale beziehen (vgl. Barber-Keršovan 1993).33 Geht es nicht auch in diesen Feldern – wie in der totalitären Massenmobilisierung (Monroe 2005, S. 229) – um Verherrlichung und Folgsamkeit? Mindestens im Hinblick auf Idole oder Rituale ist es gerade die Band Queen, die diese Themen und Fragen meisterhaft aufwirft und ›tyrannische‹ Züge demonstriert. »In Queen’s case Laibach’s work of exposing the normally hidden atmosphere of mass control and personality cults was al31 | »Here, […] laws of the political economy take the place of censorship laws. Music and the musician essentially become either objects of consumption like everything else, recuperators of subversion, or meaningless noise. […] What is called music today is all too often only a disguise for the monologue of power« (Attali 2003, S. 8f.). 32 | »Despite the need to distance themselves from video as an element of the capitalist entertainment complex, Laibach realized its importance to the penetration of the Western market, and had experimented with the form from an early stage. Video’s alleged totalitarian, ›brainwashing‹ nature made it an ideal bearer of Laibach’s totalitarian motifs« (Monroe 2005, S. 234). 33 | »The NSK strategy is to reveal different aspects of totalitarianism, in its complex, paradoxical, and universal mode. Reference to totalitarianism serves as a way of transforming ideology into art object« (Oblak 1994, S. 11f.).

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ready done« (Monroe im Anthems-booklet). Nicht nur enthält z.B. der Text von »One Vision« – nun nicht mehr überraschend – totalitäre Elemente (vgl. Barber-Keršovan 1993, S. 77), sondern auch in den Auftritten der Band liegt die massenmobilisierende Kraft populären Musikkonsums offen zu Tage. Wie Laibach feststellt: »Queen are very honest. They are bringing out the main principles of pop culture. […] Queen show how the concert is really a political event. The band controls a large number of people and has them behaving according to their vision.« (Laibach zit.n. Monroe, Anthems-booklet, Herv. I.H.)34 Die Vision, die Queen in »One Vision« herauf beschwört und die im dort besungenen ›Traum‹ angedeutet scheint, wird gewissermaßen zum Führungshorizont, wiederum begleitet von Manipulationsideen. »Mercury spoke openly in interviews about his pleasure in the manipulation and control of audiences« (Monroe 2005, S. 297, Anm. 17). Manipulation macht Vergnügen und Lust. Bei aller Zielgerichtetheit zeigt sich darin auch, dass sie in ihrer Wirksamkeit kaum ›von außen‹ beherrschbar ist; es geht nicht um eine manipulierte einfältige Menge einerseits und einen nicht-getäuschten, ›das Spiel leitenden‹ Manipulator andererseits (vgl. in anderem Kontext Žižek 1994, S. 256). Der ›manipulierende‹ Führer ist immer auch in einen Glauben an die Manipulationsbefunde – und die Affektkonstellationen – involviert. Queen erscheint also ehrlich hinsichtlich der angenommenen popkulturell-politischen Dimension, Mercury offen in seiner Freude an Publikumsmanipulation und -kontrolle … ist nun Laibach diesbezüglich nicht erst recht ›offen‹ und ›ehrlich‹? Findet sich Laibachs Sänger in der Rolle des Diktators oder Übermenschen »with which Freddie Mercury flirted« (Monroe 2005, S. 184)?

Manipulation als Mandat und Ver fahren In Queens Video »One Vision« steht ein jugendlich verspielt-revoltierendes Vergnügen im Vordergrund – während die unterliegende Massenphantasie vornehmlich in einer ›Traumsequenz‹ sichtbar wird (»I had a dream« – die Assoziation an Martin Luther Kings »I have a dream« intensiviert das prekäre Flimmern).35 Diesbezüglich möglichen Implikationen des Songs – sein Getragensein durch diesen ›irrealen‹ Untergrund – scheint durch die TändelAtmosphäre die Schärfe genommen. Laibach hingegen meinen es durchaus ernst. Anstelle von Traum-Visionen vermag die immer wieder eindringliche Bestimmtheit der ›Manipulation‹ die Realitätskonstitution zu unterspülen. 34 | »With the exception of Kraftwerk, Laibach rarely differentiated between good and bad examples of rock, but attacked entire genres and, if anything, were even more critical of alternative music than of global rock phenomena such as Queen, whose power over audiences they claimed to admire« (Monroe 2005, S. 223). 35 | Dank an Sabine Broeck.

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Und: Ist »Laibach’s discourse […] one of absolute certainty« und sind die »stage performances […] examples of absolutist totalitarian-style militancy« (Monroe 2005, S. 184), dann bleiben beim Videoclip »Geburt einer Nation« – selbst wenn man Teile der Inszenierung gelassen oder sogar amüsiert, vielleicht abwehrend, betrachten kann – Elemente, an denen man ernsthaft Anstoß nimmt;36 in solchen Momenten droht das Lachen im Halse stecken zu bleiben. »In art, we appreciate humor that can’t take a joke« (NSK 1991, S. 56). Laibach gestehen nicht wie offenbar Mercury eine Lust an der Manipulation, sondern machen diese vielmehr zum ein- und aufdringlichen Programm, zur Sprache. Sie evozieren nicht nur (in Übereinstimmung mit den beschworenen massenkulturellen Mechanismen) entsprechende Affekte, sondern geben sich auch öffentlich und direkt als Manipulatoren. »We, LAIBACH, are the engineers of human souls« (ebd., S. 50). Seelentechnik und Massenkontrolle werden zur Aufgabe erklärt, die Rolle der manipulierenden ›Führung‹ gewissermaßen zur postulierten ›Arbeitsgruppenfunktion‹ der Gruppe Laibach, zum Ende in sich selbst. Die ›Obliegenheit‹ der Manipulation berührt Phantasmen und handlungsleitende Grundannahmen, die ideologisch aufgeladen und als Form der Angst- bzw. Affektabwehr funktionieren. Oder, anders gesagt: Ein Grundannahmenaspekt, d.h. etwas, was das Subjekt implizit phantasmatisch mit psychosenahen Zuständen bzw. der Inkonsistenz des Anderen37 verbindet und davor ›schützt‹ und was die Gemeinschaft unausgesprochen unter Nichtbeachtung der expliziten Regeln leitet und zusammenhält, wird quasi aufgegriffen, tautologisch als ein ›ideologisches‹ Mandat eingesetzt und als solches ›formvollendet‹ und feierlich dargeboten. Das Unausgesprochene kippt und vermischt sich hier mit dem insistierend vorgetragenen ›öffentlich‹ Regelgerechten – ein ›Kurzschluss‹ mit Sog- und Irritationspotential. – Es ist eine Art manifeste Überidentifikation, so Žižeks fast schon berühmt gewordene Interpretation, die durch das öffentliche Hervorkehren der phantasmatisch-obszönen Dimension des Systems (vgl. Žižek 1993b, S. 57)38 das durcheinander bringende Potential beschert. Und es sind gerade das überaus bestimmte Auftreten, diese Form der kundgegebenen Manipulation, welche die Fragen über das, was Laibach ›hinter den Kulissen‹ wirklich will, nicht anhält, sondern eher in einer weiteren Schleife forciert. Hieß es bei Pontalis über den Gruppen-Leader »Was will er von uns? Er betrachtet uns, er testet uns, er bedient sich unser, wir sind seine Versuchskaninchen, seine Statisten, seine Priester, er ist ein großer Manitou‹«, so werden die Fragen und Phantasien 36 | Zur Zeit des Erscheinens sicher noch stärker als heute, wo sich ein weitreichender Laibach-Diskurs gebildet hat. 37 | – Das Auf-sich-nehmen der Nicht-Existenz des großen Anderen macht eine quasi-psychotische Geste aus… (vgl. Žižek 1993, S. 199 – vgl. Kap. VI). 38 | Žižek betont verschiedentlich auch die präsentierte Widersprüchlichkeit oder Inkonsistenz (statt z.B. eines ›typisch Nationalen‹ o.ä).

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durch programmatisch offerierte Manipulationsannahmen und -rituale nicht still gestellt, auch weil Laibach eindeutige Positionierungen – oder ›Leitbilder‹ – eben vorenthält: Welche zugrunde liegende Botschaft wird ausgesandt? Geht es wirklich um und genießt die Gruppe Laibach das, was sie mächtig inszeniert und postuliert oder wovon wird sie angetrieben? Welche Macht übt sie aus über mich und meine Affekte?

Manipulation der Über tragung Die Wirkung Laibachs scheint zunächst deutlich abhängig vom Rezeptionskontext: »[I]m engen subkulturellen Zirkel, der sich im semi-totalitären Jugoslawien der achtziger Jahre um die Neuen [sic!] Slowenische Kunst bildete« (Kersten 1995, S. 10), sind die Inszenierungen sicher anders verstanden worden als im Rahmen der weltweiten Konzerte – oder einer Videoclip-Rezeption in (West-)Deutschland im neuen Jahrtausend. Man kann sich mit Kersten im Übrigen darüber wundern, »wie fasziniert sich gerade linke Intellektuelle« von Laibachs (in den Augen des Autors immerhin höchst bedenklicher) kunsttheoretischer Position zeigen (Kersten 1995, S. 16). Gerade die Art des Fasziniertseins von dieser Gruppe kann zugleich auch eine problematische Seite von Zuschreibungen an verschiedene ›Rezeptionsvoraussetzungen‹ zeigen: Die erste Reaktion »aufgeklärte[r] linke[r] Kritiker« auf die Inszenierungen der Gruppe war, so schreibt Žižek, »sich Laibach als die ironische Imitation totalitärer Rituale zu erklären«; jedoch immer mit einer Art von »ungute[m] Gefühl […]: ›Und wenn sie es ernst meinen? Wenn sie sich wirklich mit dem totalitären Ritual identifizieren?‹ – oder in einer etwas listigeren Form, die den Zweifel an dem einen auf den anderen überträgt: ›Was, wenn Laibach sein Publikum überschätzt? […]‹« (Žižek 1993b, S. 57). ›Ironische Imitation‹ wäre lesbar als Strategie, in eine Einbildung zu investieren, die nicht als die eigene gelten kann. Man ist offenbar nicht überzeugt von der Vorstellung, verfügt über ein besseres Wissen, eine Distanz – was aber die Einbildung keineswegs unwirksam macht (inspiriert durch Pfaller 2002). Dies kann als lustvolle Technik funktionieren. Was aber wäre, wenn das, was als ironische oder zynische Distanz daherkommt, »eine überlegene Form des Konformismus« bezeichnet (Žižek 1993b, S. 57) – etwa wenn es von narzisstischen Überlegenheitsgefühlen begleitet ist? In The sublime object of ideology schreibt Žižek, dass in zeitgenössischen Gesellschaften, seien sie demokratisch oder totalitär, »cynical distance, laughter, irony« sozusagen Teil des Spiels sind: »The ruling ideology is not meant to be taken seriously or literally« (1992, S. 28; vgl. auch Arns 2002). Formen sarkastischer oder ironischer Reak tionen auf Autoritäten »[are] already taken into account […]« (Myers 2003, S. 65). Ironie wird gewissermaßen zur zynischen Anpassung, in der man sich eben vermeintlich von der ›öffentlichen‹ Ideologie

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distanziert, dabei die eigene ›Überlegenheit‹ markiert – und in der zugleich die ideologischen bzw. unterliegenden Phantasmen seltsam unberührt, d.h. wirksam bleiben. Ironische Distanz scheint keineswegs »automatisch eine subversive Haltung« darzustellen (Žižek 1993b, S. 57; vgl. Žižek 1992; McGowan 2004).39 Žižeks obigem Zitat zufolge ging in der Rezeption die vorläufige Annahme von Laibachs Ver fahren als ›ironischer Strategie‹ einher mit einem entweder der Gruppe selbst oder dem ›übrigen‹, quasi ›naiven‹ Publikum potentiell unterstellten ›ernsthaften‹ totalitären Glauben. Dies ist gerade im letzteren Fall dazu angetan, die eigene (›weniger naive‹) Überlegenheit projektiv-narzisstisch zu bestätigen, kann aber andererseits im Falle Laibach ein Unbehagen nicht verhehlen. Denn man kann sich über die, ihrem Anschein selbst entgegenarbeitende, ironisch-zynische Distanz Laibachs keineswegs sicher sein; ihre Aktionen gehen in der Position einer solchen Distanznahme ebenso wenig auf, wie in der einer ›einfachen‹ Identifizierung mit den inszenierten Ideologien (ihren Schatten) – die Frage: ironisches Spiel oder echtes Bekenntnis findet keine abschließende Antwort. »Are you Fascists or not?« – »Isn’t it evident?« 40 Damit ist auch die Ebene markiert, auf der sich die ›Manipulation‹ schließlich lokalisiert: die Übertragung (vgl. Žižek 1993b, S. 57). Eine solche wird von Laibach durch Stimme und Auftritt evoziert und durch die ›Handlungsstrategie‹ einer Unentscheidbarkeit, eines ›Im-Unklaren-Lassens‹ in der bedingungsweisen Bestimmtheit des Auftretens potenziert, aber auch irritiert. Das »Publikum (besonders die Intellektuellen) ist gebannt vom ›Begehren des Andern‹« (ebd.) und dabei zugleich ›gebieterisch‹ auf sich zurückgeworfen. Die Verweigerung von Individualität und erklärter Intention endet … beim Subjekt. Gerade dadurch, dass die ›eigentliche‹ Haltung der Gruppe unentscheidbar scheint, ihr Begehren entzogen und beim Versuch seiner Vereindeutigung ein Unbehagen bleibt, werden wir (als Publikum) letztlich veranlasst, »unseren eigenen Standpunkt einzunehmen und über unser Begehren zu entscheiden« (ebd.) – inklusive einer potentiellen Konfrontation, so würde ich ergänzen, mit den eigenen involvierten (paranoiden) Phantasien und (masochistischen) Genießensweisen. Funktioniert Laibach, wie oftmals wiederholt, als Frage, welche gewissermaßen auf den Fragenden selbst zurückkommt (ebd.), so zeigt kein Erlebnis »deutlicher als das Gruppenerlebnis

39 | Sie kann auch dazu dienen, sich etwas (nur) vermeintlich vom Leibe zu halten. Oder eben umgekehrt gefragt: Funktioniert nicht auch der ›Ernstfall‹ als Theater? 40 | »[P]resented with ›the eternal question‹ – ›Are you Fascists or not?‹ – Laibach responded: ›Isn’t it evident?‹« (Monroe 2005, S. 79)

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die Angst, mit der eine fragende Haltung betrachtet wird« (in anderem Kontext Bion 1971, S. 119).41 Man kann sich Laibach kaum anvertrauen. 42 Bezogen auf den Videoclip »Geburt einer Nation« lässt sich folgendes festhalten: Bei allen (in meiner Wahrnehmung) partiell ironischen Komponenten und Distanzierungsmöglichkeiten erscheint das Publikums-Subjekt auch als ein vergrupptes, manipuliertes und mit einem Fehlen, einem Rätsel, einem Genießen konfrontiert. Wird hier die Frage: Was wollen sie mir? letztlich offen gehalten, so geschieht dies gewissermaßen durch die klanglich, textlich wie visuell dominant gesetzten Elemente und Formen ›hindurch‹ – aufgeladene Elemente, die die Frage, das Rätsel, das Auf-sich-Zurück-Verwiesensein unabwendbar affizieren und assoziativ mit wirksamen Unterwerfungs- und Manipulationsphantasien verschalten, die zwischen einer (gruppenspezifischen) Abwehr und, in der Auflösung einer Suche nach kohärenten Antworten, einer ›zerrüttenden‹ Erregung changieren.

Ausklang: »The strateg y is the same, the contexts are dif ferent« Dieses Kapitel ist rund zwanzig Jahre nach dem Erscheinen von »Geburt einer Nation« geschrieben und befindet sich damit in einer ›verspäteten‹, durch Laibach aber auch vorgesehenen Rezeptionssituation, insofern die Gruppe diesen Titel 43 immer wieder aufgegriffen bzw. performt hat (vgl. etwa den Pariser Live-Mitschnitt von 2004). Laibachs Kunst werden nicht selten – auch von der Gruppe selbst – ›visionäre‹ Qualitäten unterstellt. Sie gäben »Warnungen« an die Welt (s. »A fi lm about WAT«)44 bzw. die volle politische Bedeutung ihrer songs zeige sich nicht selten erst im Nachhinein o.ä. (vgl. Monroe, Anthems-booklet). Anspielungen, die bei Laibach zunächst eher obskur erscheinen, können nachträglich einen quasi-›prophetischen‹ Effekt erzeugen, indem sie sich durch spätere Ereignisse ›klären‹ oder ›formen‹, d.h. rückblickend als Vor41 | Es wird gleichsam die Angst vor des Anderen Mangel durch die ausgestellten, an der Stelle des ›Vaters‹ ›antwortenden‹ Phantasmen hindurch präsentiert – und auch die Lust, die mit dem Phantasmen-Durchbruch verbunden sein kann. 42 | Dennoch genießen Laibach in meiner Rezeption (neben einer wohl aus Ambivalenz gespeisten Neigung) eine Art Vertrauensvorschuss, der sich auch aus ihrer ›Reputation‹ ableitet – ich komme unten kurz darauf zurück. 43 | Wenn er auch nach Kerstens Angaben (zeitweilig?) aus dem Programm genommen wurde (vgl. Kersten 1995, S. 11). 44 | »A fi lm about WAT« (directed by Sašo Podgoršek). – Über den Titel »Das Spiel ist aus« etwa heißt es ebendort: »This is another warning song« (Laibach).

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hersehungen lesbar sind. »[R]ather than attributing uncanny predictive powers to NSK, it is more precise to say that NSK works turn out to be predictive because they are able to detect and amplify the predictive power of the uncanny in the present«; ›prophezeit‹ wird gewissermaßen Vergangenes als Zukunft (Monroe 2005, S. 13f.). So gelesen, ist auch »Geburt einer Nation« selbst eine ›Vision‹. Nachdem Laibachs Kontext der 80er Jahre nun Vergangenheit ist, hat sich das Verdrängte, wie Diefenbach 1994 schreibt, wiederbelebt und ist gewissermaßen aus der Verborgenheit hervorgetreten (Diefenbach 2003, S. 33). Rassismen und die Faszination durch Totalitarismen scheinen in der Zwischenzeit offenkundiger geworden zu sein, ›Visionen‹ eher Mangelware, eher schon im Vordergrund: Bilder eines obszönen ›Genießens‹ (vgl. Kap. I). 45 Oder, wie ich hier nur noch andeuten kann: das Aufkommen von »terrorist fundamentalism, neoliberal authoritarianism and interventionism, and ›theocon‹ militarism and totalitarianism have left little ground for complacency. Laibach’s ›warning songs‹ seem both more appropriate than ever and in constant danger of being overshadowed by events« (Monroe 2005, S. 367). Besteht in einer düsteren Lesart die Gefahr, dass Laibachs ›Visionen‹ von ihrer eigenen Ver wirklichung überschattet werden – oder ihre Strategien im heutigen Kontext affirmativ46 –, so ist eben zugleich zu fragen, ob nicht angesichts solcher Entwicklungen, eine Intervention laibachscher Art gerade erforderlich bleibt, zwecks Konfrontation mit den derzeitigen gesellschaftlich-phantasmatischen Bindungskräften und ›Unterseiten‹ (wie sie etwa in Folterskandalen o.ä. offenbar werden) … »[A]gain, a direct staging of […] the spectacle of barbarism that sustains our civilization« (Žižek 2005, S. xv; vgl. Žižek 2005b, S. 112ff.)? Kann die Form der Intervention die gleiche bleiben? Die quasi verspätete Rezeptionssituation von »Geburt einer Nation« und die Fortsetzung laibachscher Intervention bringt mich am Ende auch wieder auf die Frage nach der Bedeutung des sozio-symbolischen Kontextes einer Äußerung zu45 | In so genannten neo-rassistischen Zeiten ist die Zeile »Ein Volk, ein Blut, ein wahrer Glaube« gewissermaßen mit vorherrschenden Bedingungen in ein Duett getreten (vgl. Diefenbach 2003 [1994], S. 33f.). – Und nach Schröder hat sich etwa in Deutschland »in beinahe jeder musikalischen Subkultur […] ein rechtes Segment entwickelt«; und: »Die Protagonisten der so genannten intellektuellen Rechten, als deren Zentralorgan die Junge Freiheit auftritt, bejubeln seit Jahren die ›Wiederkehr des Pathos‹ in der Rockmusik« (2000, S. 77f.). 46 | In Jungle World wird im Rückblick auf einen Auftritt von 2004 gar ermittelt, ob nicht die »sexy BDM-Mädel« als Zierde der Band und »hübsches Beiwerk« »dem bürgerlichen Popfreund ein erregendes Erlebnis […], der Antifa einen wohligen Schauder und dem Dark-Wave-Nazi ein neues erotisches Ideal« bescherte (Jungle World 14, 5.4. 2006).

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rück, die bereits am Anfang dieser Arbeit begann. Die Relevanz des Entstehungskontextes, der slowenischen bzw. europäischen Geschichte, der gesellschaftlichen Situation und des (sub-)kulturellen Kontextes scheint gerade im Falle Laibachs evident. Doch die einbezogene Entstehungssituation wird in dieser Form der Intervention nicht ›objektiviert‹ in die Stellungnahmen aufgenommen, sondern gerade auf dieser Stellung nehmenden Ebene bleibt jede vertrauenerweckende Situierung entzogen; Laibach spricht nicht von identifizierbaren Positionen. Der politische, künstlerische … ›Kontext‹ ist in die verwendeten zeitgeschichtlich-ideologischen visuellen und akustischen Elemente der Inszenierung eingeschrieben, die eine Suche nach Verortung provozieren – welche auf die Inkonsistenz dieser (keineswegs beliebigen) Versatzstücke wie auf Laibachs entrinnende Positionierung (natürlich auch eine Art der ›Stellungnahme‹) trifft. Gerade in dieser nicht überbrückten Kluft von Situation und Formen (nicht) artikulierter Position werden Phantasien über Bezugnahmen, Intentionen, Manipulationen … evoziert, die sich immer weiter treiben47 und in der Rezeption nicht mehr einfach der Gruppe zuordnen lassen; dazu werden Wünsche nach Verortung und feststellbaren Absichten offenbar. Ljubljana, September 2006. Treffen mit Peter Mlakar aus der »Abteilung für reine und praktische Philosophie« der Neuen Slowenischen Kunst, der auch gemeinsam mit Laibach auftritt, Reden hält. 48 Ich gehe in dieses Gespräch in der klaren Überzeugung, dass NSK mittlerweile ›erlaubt‹ und recht unproblematisch zu genießen ist (Laibach genießen damit auch eine Art ›Vertrauensvorschuss‹ … »wer hat nicht schon alles über sie geschrieben … so falsch kann ich mit meinem Interesse kaum liegen«). 49 Es folgt ein fesselndes Gespräch, ich initiiere, frage, hake nach, folge den Linien seiner Rede, lasse mich führen. »The strategy is the same, the contexts are different«. Und: Totalitäre Phänomene wären gewissermaßen ewig, wenn auch heute vielleicht auf andere Weise perfide. Szenenwechsel, ein anderes Lokal, ein anderes Getränk, eine angenehm leichte Atmosphäre, Genießen. Später, allein im Hotelzimmer, erfüllt und verwirrt, Phantasien einer ›verrückenden‹ Verleitung: Was war das über Gott und die Welt? Was war das für ein Sprechen? 47 | Z.B. nach Art eines ›Deutungszwangs‹ (vgl. Kap. VI): Inwieweit hat die als intentional unterstellte Intentionsver weigerung wiederum eine despotisch-manipulative Dimension? Und wäre dies Teil einer Strategie bzw. durch das dargebotene Material evoziert oder ›eigene‹ Zutat, Projektion usw.? 48 | An dieser Stelle Dank an Peter Mlakar; das Gespräch hat mein Nachdenken über Laibach nachhaltig geprägt. 49 | Liegt darin neben der entlastenden Komponente nicht allerdings auch wieder ein Beeinflussungspotential (und, in meiner Arbeit, gerade durch die prominente slowenische Lacan-Schule, wiederum auch das eines theoretischkünstlerischen ›Kurzschlusses‹)?

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»Gott ist […] wirklich voll-endet, also leer, und diese seine Leerheit, dieses Nichts von allem, wo der Gedanke schon das unendliche Sein und die Endstation ist, ist Seligkeit. […] Obwohl Gott Liebe und Vater ist, kann er wie die schönste Frau mit aller Süßigkeit Freude bereiten«, heißt es in Mlakars »Reden an die deutsche Nation« (1993, S. 54). Berlin, Dezember 2006: Konzert von Laibach in Berlin – Kesselhaus: Nach den die facettenreichen Besucher/innen empfangenden HintergrundSongs und marschartigen Musiken tritt Laibach in Deutschland schließlich zum Deutschlandlied auf die Bühne. Einigkeit und Recht und Freiheit Für das deutsche Vaterland! Danach lasst uns alle streben Brüderlich mit Herz und Hand! And in times of misfortune And in times of mistrust (Von der Maas bis an die Memel) Shall this song continue (Von der Etsch bis an den Belt) From generation to generation, from present to past (Deutschland, Deutschland über alles, Deutschland) Shall this song continue (Über alles in der Welt) More than ever In these times of mistrust After the unspeakable After you have fallen as only angels can fall Go and find your peace again Get back home and grow your tree No victory No defeat No shame And fatherland No more Only unity Justice And freedom for all There will be no memory Or there will be no hope

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It is the lesson you have to learn Now And in the future Do you think you can make it Deutschland?

Zu hören sind wieder Provokationen (etwa die erste Strophe) – zunehmend ›zwischen den Zeilen‹, im Hintergrund; vorherrschend sind deutlich veränderte Konnotationen. Es folgen »America« – eine Spielart der Hymne, deren tönende Anfangssequenzen in »Geburt einer Nation« eine Rolle spielte –, »Anglia« etc.: Laibach präsentiert in Berlin im ersten Konzert-Teil ihr zu diesem Zeitpunkt aktuelles, sich dem Thema ›Nationen‹ anhand derer Hymnen nähernden Album »Volk«, hier inklusive Video-Projektionen, die Flaggen, Laibach-Embleme und Szenerien wie etwa Guillotinen- oder Folter-Arrangements (zur französischen bzw. englischen Hymne) enthalten. Damit spielen sie eine nach Schäfer »teils sehr ruhige[n], aber auch sehr mutige[n] Setlist« (2007, S. 131) – »[w]as sollen wir denn spielen? Wir promoten derzeit ja nicht ›Opus Dei‹« (Novak nach Schäfer 2007, S. 131) – … um schließlich, im zweiten Teil des Konzerts, vor deutlich regerem Publikum vergangene ›Hits‹ zu performen (z.B. »Tanz mit Laibach«, »Alle gegen alle« oder am Ende »Das Spiel ist aus«). Die auch in der personellen Besetzung voneinander separierten Konzertabschnitte, überbrückt durch die NSK-Hymne des Albums, sprechen verschiedene Sprachen: Klingt der erste Teil trotz durchaus herausfordernder Zeichen zunächst bisweilen fast schon besinnlich, und erscheint der Sänger vor allem in der Rolle des Messias oder Propheten mit z.T. durchaus verhaltener Wirkung, so lässt sich sodann gut Bekanntes hören, die Gesten werden martialischer auf eine Weise, die schon – und vielleicht auch: nur noch – als Nostalgie oder Kult funktioniert. Die Gruppe Laibach hat mit neuen Situationen und ihrer eigenen, aktiv betriebenen – tendenziell entleerten – Mythisierung zu tun, wählt im Konzert zunächst differente, kompliziertere Formen für das Neue und scheint das Publikum im zweiten Teil gerade durch das Altbekannte zu mobilisieren. Dabei inszenieren sie, in meiner Wahrnehmung, schließlich Aufschub – hätten sie länger gespielt, so die Phantasie, wäre die ›hypnotische‹ Wirkung sicher entstanden, der Sog hätte sich verstärkt … – Phantasie einer inszenierten Enttäuschung als wiederum herrische Geste? Zum Abschluss: ein Laibach-Medley vom Band, ein Abspann nach Art eines Kinofilms auf der Videowand, die Bandmitglieder treten ab und verabschieden sich – ich bin an Theater oder Oper erinnert … War es also Kino, Theater, ein Schauspiel, ein Film? Und ich lese Rezensionen, Interviews: »Im Gegensatz zu früheren Werken Laibachs bezieht das Kollektiv der Neuen Slowenischen Kunst auf ›Divided States Of America‹ und ›Volk‹ viel eindeutiger Stellung« (Schäfer 2007, S. 130). »Es war immer einfach, zu sagen, Laibach stellen Fragen, geben aber keine Ant-

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worten, weil die Leute selber nicht in der Lage waren, sie zu beantworten«, sagt Ivan Novak, ein Mitglied der Band: »Wir stellen uns natürlich nicht hin und sagen, hier ist die Lösung für ein Problem. Das machen wir nicht, aber wir geben den Leuten ständig die Möglichkeit, ihre eigenen Antworten zu finden. Daher ist es auch nicht nötig, die offensichtlichen Dinge auszusprechen. Eine gute Frage liefert im Allgemeinen auch eine Antwort. Und wir haben eine Menge guter Fragen gestellt« (zit.n. ebd.). Eindeutigere Stellungnahmen – wie es mir eben nicht mehr brisant erschien, mich in ein Gespräch zu begeben, ein Konzert zu besuchen etc. – und am Ende bleiben dennoch …: Fragen. Gerade in Zeiten, in denen man eine, nunmehr vermeintliche, Überschreitung genießen könnte, wird diese wieder enttäuscht, indem die erwarteten Posen nicht mehr die gleichen sind … Laibach sind nicht einfach heimliche Komplizen geworden. Die Antwort auf die Frage, ob es Laibach gelingt, die Systeme oder Regime, die sie sich vor nehmen, (vorübergehend) zu ›überbieten‹ oder auch hinzuhalten, hängt davon ab, so lässt sich sagen, inwieweit sie missverständlich bleiben; »[it] can be measured by the extent to which they remain musically and politically ambiguous« (Monroe 2005, S. 245). Der Tagesspiegel von 7.12.06 stellt Rezensionen zum Album »Volk« zusammen: »Laibach hätten sich ›in die gesellschaftliche Mitte der Fahnenschwenker begeben‹ und mutierten ›tatsächlich zu so was wie einer intelligenten Rechten‹, schreibt das Musikmagazin ›Intro‹. Die ›Wiener Zeitung‹ dagegen will auf ›Volk‹ einen ›aktuellen Abgesang auf den Nationalstaat‹ vernommen haben. Solche Widersprüche freuen Laibach« (Hesselmann 2006).

Schluss

Am Ende stehen, wie zu Beginn angekündigt, einige zusammenbindende Worte an. Zur Einleitung einer solchen Feldbeschreibung lässt sich sagen, dass im Kapitelverlauf, der nicht zuletzt von Phantasieverläufen handelt, selbst (sprachliche) Bilder entstanden sind, etwa solche von reflexiven Prozessen, höhlenartigen Phantasmen, herauf beschworenen Einverleibungen und mannigfach treibenden und/oder beunruhigenden Konstellationen und Kräften. Geht es nun darum, durch die Kapitel hindurch bezeichnende Linien zu ziehen, so ist hierfür von dem eingangs formulierten Anliegen auszugehen, das heißt von der Beforschung textueller und künstlerischer Strategien und Deutungsangebote zu Formen von Autorschaft oder Handlungsmacht, welche veränderte Autoritätsbezüge in sich aufgenommen haben. Um den Zusammenhang noch einmal aufzurufen: Die angeführte Veränderung artikuliert sich in auf westliche Gesellschaften bezogenen Diskursen. Diesen folgend scheinen sich die Bezüge zur ›väterlich‹-symbolischen Funktion gewandelt zu haben. Meinen Ausgangspunkt hat dabei weniger die Einschätzung dieser Annahmen gebildet, nicht die Frage, ob sie einen tatsächlichen gesellschaftlichen Übergang angemessen beschreiben, sondern eher die Überlegung, was mit einem solchen Deutungsangebot an Autorschaftspositionen und Handlungsoptionen vorstellbar wird. Die mindestens im Denken ins Wanken geratende Beziehung des Subjekts zur Verfasstheit der symbolischen Ordnung ist dabei, wie gesehen, weder einfach als eine Befreiung, noch als ein Untergang o.ä. zu begreifen (vgl. Kap. I); vielmehr ergibt sich ein Spektrum der Auslegung, in dem einerseits imaginär-narzissistische Dimensionen ›väterlicher‹ Autorität und andererseits andersartige Umgangsmöglichkeiten mit der Inkonsistenz des Anderen hervorzutreten scheinen. Eine vergleichbare Zweiwertigkeit zeigt sich auch in den untersuchten Ansätzen: Durch deren verschiedene Perspektiven hindurch lassen sich sowohl verschließende Aspekte autoritativer Mechanismen als auch differente, vor dem Hintergrund eines inkonsistenten Symbolischen fassbare Handlungsentwürfe eruieren und differenzieren. Die von mir ausgeführten Entwürfe weisen also jeweils, und das ist es, was ich abschließend noch bündeln möchte, kennzeichnen-

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de imaginär-verstellende bis -verhärtende Autoritätsfacetten aus und nach – die dann zugunsten differenter Artikulationen prompt wieder zur Debatte stehen. Auf diese Weise wird, das lässt sich in jedem der Fälle sagen, mindestens implizit eine Differenz zu Rhetoriken von Verlust oder Krise autoritativer Gefüge wie auch zu diesen selbst etabliert – ohne potentiell verschließende Dynamiken auszublenden. Diese Untersuchung hat Fallstudien vorgelegt, in denen Autorität, Autorschaft und Handlungsmacht auf verschiedene Weise in den Blick geraten. In ihrer Anlage habe ich spezifisch psychoanalysenahen Ansätzen – die im Rahmen meiner Arbeit in all ihren Differenzen eine Art gemeinsamer Denkkultur markieren – einen (kultur-)soziologischen Ansatz vorangestellt. Einen Ansatz, der, obschon nicht ohne Bezüge zur Psychoanalyse, in der vorliegenden Arbeit einen Kontrast formuliert und als Interpretationsfolie fungiert. Im Sinne der Vorhut-Funktion, die er hier also übernommen hat, stelle ich Bourdieu auch der nun folgenden Beschreibung des einfassenden Feldes voran und nehme ihn anschließend davon aus. Bourdieus (autoritäts-)kritischer Impuls landet – durch die Analyse der beteiligten Kämpfe – bei der Möglichkeit einer basalen Kohärenz zwischen Habitus und jeweiliger Welt, die bindende, identifizierende Regeln und einen auf deren Einhaltung achtenden ›Anderen‹ enthält (vgl. Waltz 2001). Eine Inkonsistenz der symbolischen Ordnung selbst oder ein gewisses Nicht-Identifiziertsein des Subjekts oder Akteurs gerät weniger in die Mitte der Analyse. Auch wenn die Habitus durch diskrepante Positionen und (Zwangs-)Lagen bewirkt, mit Ak tualisierungsbedingungen (vgl. Bourdieu 2001, S. 206) oder sozialen Krisensituationen konfrontiert und auch träge sein mögen, so verändert sich im Entwurf die Art der praktizierten Bindung nicht notwendig, läuft tendenziell auf ein potentielles Zusammentreffen ›einverleibter‹ und objektiver Strukturen, eine belangvolle Dispositionsformung nach Produktions- oder Lebensbedingungen hinaus. Eine solche Korrespondenz setzt die Strategie einer differenzierten Positionierung der Akteure in gewisser Weise auch voraus – wiewohl mit der ausgeführ ten kollektiven Reflexivität ein ›krisenhaftes‹ Moment quasi programmatisch und damit auch die Kontingenz der Systeme zum Brennpunkt wird. Die Spannung zwischen einer sich so zeigenden Ungewissheit und dem potentiellen ›Funktionieren‹ kultureller Einverleibungsmechanismen hat nun in meiner Arbeit zu der Fokussierung gerade der Inkonsistenzen in der Bezugnahme auf die wirksamen sozio-symbolischen Ordnungen und in diesen selbst geführt – eine Fokussierung, die bereits als Effekt eines gewissen Ausfalls traditionell-autoritativer ›Antworten‹ gelesen werden kann. Die Frage lautet also einmal mehr: Sind in diesem Sinne andere Beziehungsformen denkbar? In meinen Studien kommen an dieser Stelle jene von Bourdieu in ihrer potentiell auch herrschaftsunterlaufenden Seite nicht weiter ausgeforsch-

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ten affektiven oder ›phantasmatischen‹ Dimensionen ins Spiel. Wenn, anders gesagt, dieser soziologische Zugriff – als solcher andere Ebenen bespielend 1 – in meiner Lektüre derartige Dimensionen wohl aufruft, jedoch hinsichtlich ihrer Potentiale tendenziell mit einer Art ›Verneinungszeichen‹, dann leitet sich in den folgenden Kapiteln, in denen diese die Drehpunkte bilden, die erwachsende Handlungsmacht umgekehrt weniger von den eingenommenen sozio-symbolischen Positionen ab. Geht eine solche hier vielmehr daraus hervor, was in den entsprechenden Ordnungen nicht ins Licht tritt, aus ihnen fällt, dann ist Bourdieus Ansatz einer Verbindung symbolischer und gesellschaftlicher Strukturen – und das macht ihn für meine Arbeit anhaltend relevant – imstande, beharrlich auf die fortbestehenden, nicht selten unerkannt wirksamen sozial-autoritativen Machtmechanismen und -kämpfe aufmerksam zu machen. Solche können dazu in Konstellationen, die den angeführten Autoritäts-Wandlungen einfach folgen, aus dem Blick geraten: Im Zuge um sich greifender imaginärer Verstellungen kann es eben auch zu Schwierigkeiten kommen, die weiterhin wirksamen autoritativen Mechanismen zu identifizieren, sich im Verhältnis zu ihnen zu positionieren bzw. die eigene Position in den durch sie geprägten Ordnungen zu erfassen (vgl. dazu McGowan 2004; Kap. I). Um nun auf die Verflechtungen der Kapitel von Copjec bis Laibach zu kommen (und diese behandle ich zwecks Verflechtung weitgehend gebündelt, ohne die einzelnen Beiträge noch einmal weiter auszudifferenzieren): Hier werden Elemente einer Nicht-Verortung, einer Übergabe der Reflexions- und Positionierungsarbeit an die kulturellen Rezipient/innen oder einer Produktion von Artikulationsorten aufgenommen – und zwar vor dem Hintergrund verschiedenartiger Blicke auf Autoritätsgefüge, die auch nicht-westliche Perspektiven oder Fokussierungen sexueller Differenz umfassen. Blicke, die zur Prüfung der mehrdimensionalen Konsequenzen einer ›väterlich-symbolischen‹ Ökonomie und deren Aussetzung bzw. zur Diagnose und Analyse imaginärer Züge und Aufladungen westlich autoritativer Formationen – und damit zur Ergänzung und Umschreibung diesbezüglicher Theoriebildung – beitragen können. Im Einzelnen bedeutet das: Neben den teils ›beschwichtigen‹ Autoritätsfunktionen wird für ›väterlich-männliche‹ Konstellationen die Dynamik eines als unerreichbar etablierten, ›jenseitigen‹ Ideals, der Fixierung an eine idealisierte ›verlorene‹ Befriedigung (Copjec) formuliert; es werden uneingestanden wirksame ›hom(m)osexuelle‹ (Irigaray) oder untergründig totalitär-manipulative Phantasmen (Laibach) herausgearbeitet, despotisches ›väterliches‹ Gebaren und quälend-leere Sprachergüsse (Bourgeois) oder Befunde narzisstisch-paranoider Zuschnitte intersubjektiver Sphären in Beherrschungssituationen (Bhabha) eruiert. Solche Autoritätskonstella1 | Zum Verhältnis Soziologie/Psychoanalyse bezogen auf Handlungstheorie vgl. Schülein 1998.

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tionen sind deutlich auch anders als ›symbolisch‹ geprägt – doch gilt dies ebenso umgekehrt: Von der ›väterlichen‹ Autorität sich lösende, veränderte symbolische Dimensionen werden in den Untersuchungen eingeführt. Diese öffnen sich etwa zum (lacanschen) Realen, verlieren an klarer Demarkation oder beziehen phantasmatische Seiten ein, die sie in Aufruhr versetzen, mobilisieren. Diese ›symbolischen‹ Verfasstheiten wiederum leiten nun zu den von den dominant-autoritativen Gefügen sich lösenden, nicht auf diese reduzierbaren Handlungsdimensionen. Ausgehend etwa von (durchaus divergierend fokussierten) Annahmen über das, was bisherigen autoritativen Konstellationen als verborgene Möglichkeitsbedingung zugrunde liegt und einer Öffnung dieser Situationen, ergeben sich die jeweils vorgestellten An- und Einsatzpunkte für in jedem Fall ent-grenzte ›Subjekte‹. Den letzten Punkt des Schlusswortes sollen also die Artikulationsoptionen bilden, mit denen die in dieser Arbeit vorgestellten Materialien auf einen inkonsistenten Anderen und dessen enigmatisches oder ›transphantasmatisches‹ (vgl. Žižek 1991b) Begehren – sowie die kulturellen Abwehrmodi dieses Begehrens – ›anzusprechen‹ vermögen. Geht man in Sachen kulturellen Produktionsvermögens zunächst vom ›Tod‹ des Autors aus – und eben dies vollziehen sämtliche Entwürfe in gewisser und auf je eigene Weise mindestens implizit – dann zeigen sich (neben dessen nach wie vor demystifizierender Potenz und Notwendigkeit) von verschiedenen Seiten auch Erfordernisse seines Durchschreitens. Bleibt der Autor oder Akteur in Bourdieus Analysen – deutlich depotenziert – gerade in seinen (Dis-)Positionen relevant, so vermag sein Entschwinden, seine ›Vernichtung‹ in den folgenden Studien das erregend-liebende und/ oder aggressive (auch angstvolle) Erscheinen eines wirkmächtigen (nicht identischen) ›Subjekts‹ zu markieren; ebenso kann die Überer füllung herkömmlicher Deutungsmuster individueller Autorschaft – oder gerade derer ›totalitären‹ Auflösung und Unmöglichkeit – einen Handlungsüberschuss gewähren. Hierbei werden, wie bereits bemerkt, Umgangsweisen zentral, die in ihrem Spektrum das Drängen des Triebs, eine ›sich sprechende‹ Lust, und ›brutale Artikulationen‹ wie verschiedenartige Bezugnahmen auf Phantasmen und Affekte umfassen. Was dabei nun – und mit diesem Hinweis möchte ich meine Ausführungen beschließen – auffallen kann, ist eine gebündelt betrachtet sich wiederholende Dynamik, die gerade solche Komponenten, die zur Aufrechterhaltung der hervortretenden imaginär-autoritativen Konstellationen beitragen, begrifflich als doppelwertig begreift und so gegen ›sich selbst‹ zu wenden vermag. Die von mir beforschten Entwürfe richten sich in Arten und Weisen auf die genannten (triebhaften, phantasmatischen …) Dimensionen, welche in der Zusammenschau deren abwehrende sowie – für erwirkte Formen von Aktion und Artikulation –, ihre unterbrechenden Aspekte scharf zu stellen vermögen.

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Die Ebene der Phantasie beispielsweise erscheint dann in den jeweiligen Konstellationen als eine, an die man, wiewohl sie verschließend und z.B. ›pervers‹2 oder ›paranoid‹ wirkt, anschließen muss und kann, um das je in Frage stehende Ausgeschlossene vernehmbar zu machen: sich mit ihr (über-)identifizierend, sie einverleibend, aus ihr heraus oder durch sie hindurch agierend. Vergleichbares kann für Trieb oder Genießen gelten: Letzteres etwa kann einerseits in einer Art ›totalitären‹ oder absoluten, verhindernden Form erscheinen, andererseits und andersgeartet als erschütternd-erregende und einigermaßen ›autoritäts‹indifferente bzw. -infragestellende Kraft. Oder: Scheint der Trieb eine das spezifisch symbolisch verstrickte Begehren in den Schatten stellende stupide Dominanz erlangt zu haben (vgl. Kap. III), dann geht es auf dieser Basis genau um die Neuverhandlung jener triebhaften Dimensionen und um die darin wiederum auch liegenden Optionen. So besehen kann sich in der Verkopplung der Entwürfe mit Diskursen gewandelter autoritativer Strukturen eine Tendenz herauskristallisieren, eben z.B. dem paradigmatisch gewordenen ›perversen‹ Trieb quasi mit der ent-bindend aussetzenden Funktion des Triebs zu begegnen (vgl. Žižek 2001; Kap. III), einer jüngsten ›Gesellschaft des Genießens‹ samt ihren verunmöglichenden Genussbefehlen eine divergierende Form des (›weiblichen‹) Genießens an die Seite zu stellen oder sich in sich abschließende ›obszöne‹ Phantasmen durch eine phantasie-exponierende – aggressive – Hand lungsmacht zu unterlaufen, zu entkräften. So dass sich schließlich sagen lässt: Es sind nicht zuletzt jene Dimensionen, die im angenommenen Rückzug der Bindung an die ›väterliche‹ symbolische Ordnung in den Vordergrund treten, deren Wendung für ein anderes Sprechen und Handeln an Gewicht gewinnen kann. Ohne meine Auswahl und deren Zusammenspiel überstrapazieren oder nachträglich allzu sehr überformen zu wollen, wäre dies – so mein Schluss – eine Bewegung, welche die von mir zusammen-gelesenen Materialien als Denkfigur vorschlagen. Im besten Fall wird damit kein (unmöglicher) ›neuer‹ oder seinerseits totalisierender ›utopischer‹ Entwurf vorgeschlagen, sondern die Ambivalenz und Mehrdimensionalität sich zeigender, vorherrschender Kräfte ernst genommen, um-(be-)setzend aufgegriffen – deutlich gemacht 3 –, vorangetrieben … und so letztlich nicht nur einer vorschnellen Anstimmung von oder Einstimmung in kulturelle Veränderungen, sondern vor allem auch deren fi xierender Zurückweisung oder Ablehnung entgegengewirkt.

2 | Der Begriff ›Perversion‹ ist stets zu denken mit einem pfallerschen Vorbehalt (vgl. Pfaller 2002, 2005). 3 | Es werden eben offenbar gerade Dimensionen von Verbot und Genießen, Trieb und Phantasie, Aggression und Angst, Subjekt und symbolische Ordnung neu verhandelt.

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UMSCHREIBEN

Ernst Osthaus-Museum, Hagen (15.11.03-4.1.04); Museum of Contemporary Art, Belgrade (17.4.-17.5.04). Frankfurt a.M.: Revolver – Archiv für aktuelle Kunst, S. 64-65. Žižek, Slavoj (2003b): »The Enlightenment in Laibach« (zuerst 1994). In: Inke Arns (Hg.): Irwin: Retroprincip 1983-2003. Publikation anlässlich der gleichnamigen Ausstellung, Künstlerhaus Bethanien, Berlin (26.9.-26.10.03); Karl Ernst Osthaus-Museum, Hagen (15.11.03-4.1.04); Museum of Contemporary Art, Belgrade (17.4.-17.5.04). Frankfurt a.M.: Revolver – Archiv für aktuelle Kunst, S. 39-43. Žižek, Slavoj (2003c): »Why are Laibach and NSK not fascists?« (zuerst 1993). In: Inke Arns (Hg.): Irwin: Retroprincip 1983-2003. Publikation anlässlich der gleichnamigen Ausstellung, Künstlerhaus Bethanien, Berlin (26.9.-26.10.03); Karl Ernst Osthaus-Museum, Hagen (15.11.034.1.04); Museum of Contemporary Art, Belgrade (17.4.-17.5.04). Frankfurt a.M.: Revolver – Archiv für aktuelle Kunst, S. 49-50. Žižek, Slavoj (2004): »Herrschaftsstruktur heute – eine lacanianische Sicht«. Übers. v. E. M. Vogt. In: Erik M. Vogt und Hugh J. Silverman: Über Zizek: Perspektiven und Kritiken. Wien: Turia + Kant, S. 210-230. Žižek, Slavoj (2005): »Foreword: They moved the underground«. In: Monroe, Alexei (2005): Interrogation Machine. Laibach and NSK. Cambridge, Mass.; London: The MIT Press, S. xi-xv. Žižek, Slavoj (2005b): Die politische Suspension des Ethischen. Übers. v. J. Hagestedt. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Žižek, Slavoj (2006): Das Reale des Christentums. Frankfurt a.M.: Suhrkamp (Die Ausgabe folgt der deutschen Erstausgabe in: Die Puppe und der Zwerg. Das Christentum zwischen Perversion und Subversion. Übers. v. N. G. Schneider, Frankfurt a.M. 2003). Zoglauer, Thomas (2002): »Der Mythos des Objektiven«. In: der blaue reiter. Journal für Philosophie, Nr. 15 (1/2002), S. 6-10. Zupančič, Alenka (1999): »The splendor of creation: Kant, Nietzsche, Lacan«. In: Umbr(a): A journal of the unconscious, No. 1, S. 35-42. Zupančič, Alenka (2000): »The Case of the Perforated Sheet«. In: Renata Salecl (Hg): Sexuation. Durham; London: Duke University Press, S. 282-296.

Abbildungen

Abbildung 1: Louise Bourgeois: »The Destruction of the Father«, 1974. Plaster, latex, wood and fabric, 238 x 362 x 249 cm. In: Kellein 1999, S. 13. Abbildung 2: Louise Bourgeois: »Fée Couturière«, 1963. Bronze, painted white, hanging piece, 100, 3 x 57, 2 x 57, 2 cm Solomon R. Guggenheim Museum, New York. In: Morris 2007, S. 129. Abbildung 3: Louise Bourgeois: »The Destruction of the Father«, 1974 (detail). Photo: Peter Moore. In: Nixon 2005, S. 255. Abbildung 4: Louise Bourgeois: »The Destruction of the Father«, 1974. Photo: Peter Moore. In: Nixon 2005, S. 257. Abbildung 5: Louise Bourgeois: »Confrontation«, 1978. Painted wood, latex and fabric, 1127, 81 x 609, 6 cm, Solomon R. Guggenheim Museum, New York. In: Morris 2007, S. 85. Abbildung 6: Louise Bourgeois: »The Banquet – A Fashion Show of Body Parts«, 1978. Performance, 21. Oktober 1978, Hamilton Gallery of Contemporary Art, New York. In: Jahn 1999, Abbildung 129. Abbildung 7: Louise Bourgeois mit Confrontation Costume (1980). Fotografie. In: Jahn 1999, Abbildung 107. Abbildung 8-9: Queen: »One Vision«. Queen – The DVD Collection. Greatest Video Hits 2. 2003 Queen Productions Ltd. Abbildung 10-16: Laibach: »Geburt einer Nation«. Laibach – The Videos. 2004 Mute Records Limited.

ZfK – Zeitschrift für Kulturwissenschaften

Michael C. Frank, Bettina Gockel, Thomas Hauschild, Dorothee Kimmich, Kirsten Mahlke (Hg.)

Räume Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 2/2008 Dezember 2008, 160 Seiten, kart., 8,50 , ISBN 978-3-89942-960-2 ISSN 9783-9331

ZFK – Zeitschrift für Kulturwissenschaften Der Befund zu aktuellen Konzepten kulturwissenschaftlicher Analyse und Synthese ist ambivalent: Neben innovativen und qualitativ hochwertigen Ansätzen besonders jüngerer Forscher und Forscherinnen steht eine Masse oberflächlicher Antragsprosa und zeitgeistiger Wissensproduktion – zugleich ist das Werk einer ganzen Generation interdisziplinärer Pioniere noch wenig erschlossen. In dieser Situation soll die Zeitschrift für Kulturwissenschaften eine Plattform für Diskussion und Kontroverse über Kultur und die Kulturwissenschaften bieten. Die Gegenwart braucht mehr denn je reflektierte Kultur, historisch situiertes und sozial verantwortetes Wissen. Aus den Einzelwissenschaften heraus kann so mit klugen interdisziplinären Forschungsansätzen fruchtbar über die Rolle von Geschichte und Gedächtnis, von Erneuerung und Verstetigung, von Selbststeuerung und ökonomischer Umwälzung im Bereich der Kulturproduktion und der naturwissenschaftlichen Produktion von Wissen diskutiert werden. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften lässt gerade auch jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu Wort kommen, die aktuelle fächerübergreifende Ansätze entwickeln.

Lust auf mehr? Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften erscheint zweimal jährlich in Themenheften. Bisher liegen die Ausgaben Fremde Dinge (1/2007), Filmwissenschaft als Kulturwissenschaft (2/2007), Kreativität. Eine Rückrufaktion (1/2008) und Räume (2/2008) vor. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften kann auch im Abonnement für den Preis von 8,50  je Ausgabe bezogen werden. Bestellung per E-Mail unter: [email protected] www.transcript-verlag.de

Kultur- und Medientheorie Erika Fischer-Lichte, Kristiane Hasselmann, Alma-Elisa Kittner (Hg.) Kampf der Künste! Kultur im Zeichen von Medienkonkurrenz und Eventstrategien Juni 2009, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-89942-873-5

Jürgen Hasse Unbedachtes Wohnen Lebensformen an verdeckten Rändern der Gesellschaft Mai 2009, ca. 204 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1005-5

Christian Kassung (Hg.) Die Unordnung der Dinge Eine Wissens- und Mediengeschichte des Unfalls Mai 2009, 400 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 33,80 €, ISBN 978-3-89942-721-9

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

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3) ANZ1042.p 205377645576

Kultur- und Medientheorie Marcus S. Kleiner Im Widerstreit vereint Kulturelle Globalisierung als Geschichte der Grenzen Juni 2009, ca. 150 Seiten, kart., ca. 16,80 €, ISBN 978-3-89942-652-6

Christoph Neubert, Gabriele Schabacher (Hg.) Verkehrsgeschichte und Kulturwissenschaft Analysen an der Schnittstelle von Technik, Kultur und Medien Juli 2009, ca. 250 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1092-5

Susanne Regener Visuelle Gewalt Menschenbilder aus der Psychiatrie des 20. Jahrhunderts Mai 2009, ca. 220 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 25,80 €, ISBN 978-3-89942-420-1

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

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3) ANZ1042.p 205377645576

Kultur- und Medientheorie Natalia Borissova, Susi K. Frank, Andreas Kraft (Hg.) Zwischen Apokalypse und Alltag Kriegsnarrative des 20. und 21. Jahrhunderts

Özkan Ezli, Dorothee Kimmich, Annette Werberger (Hg.) Wider den Kulturenzwang Migration, Kulturalisierung und Weltliteratur

Mai 2009, ca. 286 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1045-1

Mai 2009, ca. 400 Seiten, kart., ca. 32,80 €, ISBN 978-3-89942-987-9

Moritz Csáky, Christoph Leitgeb (Hg.) Kommunikation – Gedächtnis – Raum Kulturwissenschaften nach dem »Spatial Turn«

Daniel Gethmann, Susanne Hauser (Hg.) Kulturtechnik Entwerfen Praktiken, Konzepte und Medien in Architektur und Design Science

Februar 2009, 176 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN 978-3-8376-1120-5

April 2009, 376 Seiten, kart., zahlr. Abb., 33,80 €, ISBN 978-3-89942-901-5

Lutz Ellrich, Harun Maye, Arno Meteling Die Unsichtbarkeit des Politischen Theorie und Geschichte medialer Latenz Mai 2009, ca. 340 Seiten, kart., ca. 32,80 €, ISBN 978-3-89942-969-5

Marijana Erstic, Walburga Hülk, Gregor Schuhen (Hg.) Körper in Bewegung Modelle und Impulse der italienischen Avantgarde Mai 2009, ca. 312 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 30,80 €, ISBN 978-3-8376-1099-4

Florian Hartling Der digitale Autor Autorschaft im Zeitalter des Internets April 2009, 382 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1090-1

Kristiane Hasselmann Die Rituale der Freimaurer Zur Konstitution eines bürgerlichen Habitus im England des 18. Jahrhunderts Januar 2009, 376 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-803-2

Sonja Neef (Hg.) An Bord der Bauhaus Zur Heimatlosigkeit der Moderne März 2009, 240 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 19,80 €, ISBN 978-3-8376-1104-5

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