Studien zur Redaktion und Komposition des Amosbuchs [Reprint 2014 ed.] 3110152401, 9783110152401

In der Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (BZAW) erscheinen Arbeiten zu sämtlichen Ge

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Studien zur Redaktion und Komposition des Amosbuchs [Reprint 2014 ed.]
 3110152401, 9783110152401

Table of contents :
Einleitung
Kapitel 1: Die Buchüberschrift und der einleitende Hymnus (Am 1,1f)
1.1. Die Buchüberschrift (Am 1,1)
1.2. Der Hymnus in Am 1,2
2.1. Die sekundären Fremdvölkersprüche
2.1.1. Der Juda-Spruch (Am 2,4f)
2.1.2. Der Tyrus-Spruch (Am 1,9f)
2.1.3. Der Edom-Spruch (Am 1,11f)
2.2. Der ursprüngliche Fremdvölkerzyklus
2.2.1. Der Damaskus-Spruch (Am 1,3-5)
2.2.2. Der Gaza-Spruch (Am 1,6-8)
2.2.3. Der Ammon-Spruch (Am 1,13-15)
2.2.4. Der Moab-Spruch (Am 2,1-3)
Kapitel 3: Der Israel-Spruch (Am 2,6-16)
3.1. Die Landgabetradition (Am 2,9)
3.2. Die Exodus- und Landgabetradition (Am 2,10) sowie Israels Fehlverhalten gegenüber Gottes Propheten und Nasiräern (Am 2,11 f)
3.3. Die Zahlenspruch-Liste in Am 2,6b-8
3.3.1. Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlauts von Am 2,6b-8
3.3.2. Am 2,6b-8X.12 — Zahlenspruch-Liste des Israel-Spruchs oder eigenständige Sprucheinheit?
3.4. Die konkretisierte Strafandrohung in Am 2,13-16
Kapitel 4: Der Visionszyklus (Am 7,1-8; 8,1f; 9,1-4)
4.1. Die erste Vision (Am 7,1-3)
4.2. Die zweite Vision (Am 7,4-6)
4.3. Die dritte Vision (Am 7,7f)
4.4. Die vierte Vision (Am 8,1f)
4.5. Rekonstruktion der beiden ursprünglichen Visions-Paare
4.6. Die fünfte Vision (Am 9,1-4)
4.7. Abschließende Beurteilung des Völker- und Visionszyklus
Kapitel 5: Die Einleitung der Spruchkomposition (Am 3,1-8)
5.1. Die inhaltliche Zusammenfassung der Botschaft des Amos (Am 3,1f)
5.2. Der prophetische Legitimationsnachweis (Am 3,3-8)
5.2.1. Der Evidenzbeweis für Gottes Handlungszwang (Am 3,3-6)
5.2.2. Die Verhältnisbestimmung von Gottes Wortoffenbarung und Gerichtshandeln (Am 3,7)
5.2.3. Der prophetische Verkündigungszwang (Am 3,8)
5.3. Zusammenfassender Rückblick von Am 3,1-8
Kapitel 6: Sprüche gegen Samaria (Am 3,9-4,3)
6.1. Das erste Wort gegen Samaria (Am 3,9-11)
6.2. Das zweite Wort gegen Samaria (Am 3,12-15)
6.2.1. Überlegungen zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Am 3,12 u. 3,15
6.2.2. Überlegungen zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Am 3,13f
6.2.3. Abschließende Überlegungen zur Genese von Am 3,12-15
6.3. Das dritte Wort gegen Samaria (Am 4,1-3)
Kapitel 7: Redaktionsgeschichtliche Analyse von Am 6
7.1. Weheruf über die selbstsicheren Männer Samarias (Am 6,1-7)
7.1.1. Rekonstruktion des Grundbestands von Am 6,1-7
7.1.2. Verortung der Am 6,1aα(ohne הוי).ba.6aß.b.7 umfassenden Redaktionsschicht
7.1.3. Redaktionsgeschichtliche Einordnung von Am 6,1bß
7.1.4. Abschließende Zusammenfassung
7.2. Überlegungen zur Genese und redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Am 6,8-10
7.2.1. Am 6,8
7.2.2. Am 6,9f
7.2.3. Am6,11f
7.2.4. Am 6,13f
Kapitel 8: Die innere Schale der Spruchkomposition
8.1. Die Parodie einer Priestertora in Am 4,4f
8.2. Die Parodie eines Kultbescheids in Am 5,21-27
8.2.1. Israels Kultus in der Wüste des Exils (Am 5,25f)
8.2.2. Die Deportationsankündigung in Am 5,27
8.2.3. Am 5,21-24
8.2.4. Abschließende Zusammenfassung
8.3. Das Kehrversgedicht von der verweigerten Umkehr (Am 4,6ff)
8.4. Der Tag des Herrn (Am 5,18-20)
Kapitel 9: Das Zentrum der Spruchkomposition (Am 5,1-17)
9.1. Die Leichenklage über die Jungfrau Israel (Am 5,1-3)
9.1.1. Am 5,1f
9.1.2. Am 5,3
9.2. Die Aufforderung zum Suchen Gottes (Am 5,4-6)
9.2.1. Überlegungen formaler Art
9.2.2. Überlegungen literarkritischer Art
9.2.3. Abschließende Zusammenfassung
9.3. Die Pendanttexte zu Am 5,1-6 in Am 5,14-17
9.3.1. Die Aufforderung zum Suchen des Guten in Am 5,14
9.3.2. Die Aufforderung zum Hassen des Bösen in Am 5,15
9.4. Das Leichenlied der Landarbeiter (Am 5,16f)
9.5. Am 5,7.10-13
9.5.1. Rekonstruktion des Grundbestands von Am 5,7.10-13
9.5.2. Redaktionsgeschichtliche Einordnung der einzelnen Seg- mente innerhalb von Am 5,7.10-13
9.6. Die ”Hymnen” in Am 4,13; 5,8f und 9,5f
Kapitel 10: Die erste Einschaltung in den Visions-Zyklus (Am 7,9.10-17)
10.1. Am 7,9 — Abschluß der dritten Vision oder Brückentext zum folgenden Fremdbericht?
10.2. Das literarische und zeitliche Verhältnis von Am 7,10-17 zu seinem Kontext, insbesondere zu Am 7,9
Kapitel 11: Die zweite Einschaltung in den Visions-Zyklus (Am 8,3.4-14)
11.1. Am 8,(3.)4-7(.8)
11.2. Am 8,9f
11.3. Am 8,11-14
11.3.1. Der ”Hunger-Spruch” (Am 8,1 1f)
11.3.2. Ein Wort gegen den Götzendienst (Am 8,13f)
Kapitel 12: Das Abschlußkapitel des Amosbuchs (Am 9,7-15)
12.1. Das Problem von Am 9,7
12.2. Am 9,8-10X – Nachinterpretation zu Am 9,7, eigenständige Texteinheit oder Diskussionswort(e) zur 5. Vision?
12.3. Der Buchschluß (Am 9,11-15) — ”Stimme deuteronomistischer Heilshoffnung” oder spätnachexilischer Zusatz?
12.3.1. Die Wiedererrichtung der zerfallenen Hütte Davids (Am 9,11) und die Inbesitznahme des Restes Edoms (Am 9,12)
12.3.2. Ankündigung und Beschreibung der zukünftigen Heilszeit (Am 9,13-15)
12.4. Abschließende Überlegungen zur Komposition von Am 8,(3.)4-14 und Am 9,7-15
Kapitel 13: Zusammenfassung
Literaturverzeichnis

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Dirk U. Rottzoll Studien zur Redaktion und Komposition des Amosbuchs

w DE

G

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Otto Kaiser

Band 243

Walter de Gruyter · Berlin · New York

1996

Dirk U Rottzoll

Studien zur Redaktion und Komposition des Amosbuchs

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1996

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme [Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft / Beihefte] Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. — Berlin ; New York : de Gruyter. Früher Schriftenreihe Reihe Beihefte zu: Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft NE: HST Bd. 243. Rottzoll, Dirk U.: Studien zur Redaktion und Komposition des Amosbuchs. - 1996 Rottzoll, Dirk U.: Studien zur Redaktion und Komposition des Amosbuchs / Dirk U. Rottzoll. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1996 (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft ; Bd. 243) Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-11-015240-1

ISSN 0934-2575 © Copyright 1996 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Printing: Werner Hildebrand, Berlin Binding: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin

Vorwort Die vorliegende Arbeit stellt eine geringfügig überarbeitete Fassung meiner gleichnamigen Dissertation dar, die im Januar 1996 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität zu Marburg angenommen wurde. Diese selbst wurde im Sommer 1995 abgeschlossen, so daB die seither erschienene Literatur zum Buch des Propheten Amos für die Druckfassung keine Berücksichtigung mehr fand; eine Ausnahme hiervon bildet der im Herbst 1995 als ATD-Band erschienene Amoskommentar von Jörg Jeremias. Zu danken habe ich an dieser Stelle Prof. D. Dr. Otto Kaiser und Prof. Dr. Jörg Jeremias für die Übernahme des E r s t - bzw. Zweitgutachtens. Meinem Vater und der Studienstiftung des deutschen Volkes gilt mein Dank dafür, daß sie mir die Anfertigung dieser Arbeit finanziell ermöglicht haben. Frau Alexandra Podraza und Herrn Ernst Teckhaus sei dafür Dank gesagt, daß sie die mühsame Aufgabe des Korrekturlesens auf sich genommen haben. Herrn Dr. Hasko v. .Bassi und Herrn Klaus Otterburig vom Verlag Walter de Gruyter sei schließlich für die bewährte verlegerische Betreuung gedankt.

Leimen, im Mai 1996

Dirk U. Rottzoll

Inhaltsverzeichnis Einleitung

1

Kapitel 1: Die Buchüberschrift und der einleitende Hymnus (Am 1,1 f ) . . . 8 1.1.: Die Buchüberschrift (Am 1,1 ) 8 Exkurs 1: Zur Datierung der Wirksamkeit des Amos 16 1.2.: Der Hymnus in Am 1,2 18 Kapitel 2: Der Fremdvölkerzyklus (Am 1,3-2,5) 2.1.: Die sekundären Fremdvölkersprüche 2.1.1.: Der Juda-Spruch (Am 2,4f) Exkurs 2: Die sprachlichen Berührungspunkte zwischen dem DtrG, HG und Ezechielbuch und ihre Bedeutung für die dtr Redaktion des Amosbuchs 2.1.2.: Der Tyrus-Spruch (Am l,9f) 2.1.3.: Der Edom-Spruch (Am l , l l f ) 2.2.: Der ursprüngliche Fremdvölkerzyklus 2.2.1.: Der Damaskus-Spruch (Am 1,3-5) 2.2.2.: Der Gaza-Spruch (Am 1,6-8) 2.2.3.: Der Ammon-Spruch (Am 1,13-15) Exkurs 3: Die Beziehungen zwischen Am 1,15 und Jer 49,3 2.2.4.: Der Moab Spruch (Am 2,1-3)

22 23 23

27 30 32 35 36 41 46 49 50

Kapitel 3: Der Israel-Spruch (Am 2,6-16) 3.1.: Die Landgabetradition (Am 2,9) 3.2.: Die Exodus- und Landgabetradition (Am 2,10) sowie Israels Fehlverhalten gegenüber Gottes Propheten und Nasiräern (Am 2,1 l f ) 3.3.: Die Zahlenspruch-Liste in Am 2,6b-8 3.3.1.: Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlauts von Am 2,6b-8

62

3.3.2.: Am 2,6b-8 .12 — Zahlenspruch-Liste des Israel-Spruchs oder eigenständige Sprucheinheit? 3.4.: Die konkretisierte Strafandrohung in Am 2,13-16 Exkurs 4: Die semantische Bedeutung des Begriffs ¡?1S)

67 71 74

χ

51 52

56 61

VIH

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 4: Der Visionszyklus (Am 7,1-8; 8,lf; 9,1-4) 4.1.: Die e r s t e Vision (Am 7,1-3) 4.2.: Die zweite Vision (Am 7,4-6) 4.3.: Die dritte Vision (Am 7,7f) 4.4.: Die vierte Vision (Am 8,lf) 4.5.: Rekonstruktion der beiden ursprünglichen Visions-Paare 4.6.: Die f ü n f t e Vision (Am 9,1-4) 4.7.: Abschließende Beurteilung des Völker- und Visionszyklus

81 82 87 91 93 94 94 104

Kapitel 5: Die Einleitung der Spruchkomposition (Am 3,1-8) 5.1.: Die inhaltliche Zusammenfassung der Botschaft des Amos (Am 3,1 f) 5.2.: Der prophetische Legitimationsnachweis (Am 3,3-8) 5.2.1.: Der Evidenzbeweis für Gottes Handlungszwang (Am 3,3-6) 5.2.2.: Die Verhältnisbestimmung von Gottes Wortoffenbarung und Gerichtshandeln (Am 3,7) 5.2.3.: Der prophetische Verkündigungszwang (Am 3,8) 5.3.: Zusammenfassender Rückblick von Am 3,1-8

108

Kapitel 6: Sprüche gegen Samaria (Am 3,9-4,3) 6.1.: Das e r s t e Wort gegen Samaria (Am 3,9-11) 6.2.: Das zweite Wort gegen Samaria (Am 3,12-15) 6.2.1.: Überlegungen zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Am 3,12 u. 3,15 6.2.2.: Überlegungen zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Am 3,13f 6.2.3.: Abschließende Überlegungen zur Genese von Am 3,12-15 6.3.: Das dritte Wort gegen Samaria (Am 4,1-3) Exkurs 5: Die semantische Bedeutung der Begriffe Π Ί 3 Χ ΓΡΊΠΚ, n w o UND m m a ) ΙΎ1Ϊ2 b) ι τ η π κ c) m - p o d) m m

125 125 132

Kapitel 7: Redaktionsgeschichtliche Analyse von Am 6 7.1.: Weheruf über die selbstsicheren Männer Samarías (Am 6,1-7) 7.1.1.: Rekonstruktion des Grundbestands von Am 6,1-7 7.1.2.: Verortung der Am 6,laa(ohne " , in).ba.6aß.b.7 umfassenden Redaktionsschicht

108 112 113 118 122 123

134 137 140 143 i46 146 147 149 149 153 153 153 164

Inhaltsverzeichnis

7.1.3.: Redaktionsgeschichtliche Einordnung von Am 6,lbß 7.1.4.: Abschließende Zusammenfassung 7.2.: Überlegungen zur Genese und redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Am 6,8-10 7.2.1.: Am 6,8 7.2.2.: Am 6,9f 7.2.3.: A m 6 , l l f 7.2.3.1.: Am 6,11 7.2.3.2.: Am 6,12 7.2.4.: Am 6,13f 7.2.4.1.: Am 6,13 7.2.4.2.: Am 6,14

IX

165 166 168 168 170 174 175 176 177 178 179

Kapitel 8: Die innere Schale der Spruchkomposition 8.1.: Die Parodie einer Priestertora in Am 4,4f 8.2.: Die Parodie eines Kultbescheids in Am 5,21-27 8.2.1.: Israels Kultus in der Wüste des Exils (Am 5,25f) 8.2.2.: Die Deportationsankündigung in Am 5,27 8.2.3.: Am 5,21-24 8.2.4.: Abschließende Zusammenfassung 8.3.: Das Kehrversgedicht von der verweigerten Umkehr (Am 4,6ff) 8.4.: Der Tag des Herrn (Am 5,18-20)

185 185 188 188 192 194 198

Kapitel 9: Das Zentrum der Spruchkomposition (Am 5,1-17) 9.1.: Die Leichenklage über die Jungfrau Israel (Am 5,1-3) 9.1.1.: Am 5,lf 9.1.2.: Am 5,3 Exkurs 6: Die Funktion der ΊΏΚ Î~D "'D-Formel 9.2.: Die Aufforderung zum Suchen Gottes (Am 5,4-6) 9.2.1.: Überlegungen formaler Art 9.2.2.: Überlegungen literarkritischer Art 9.2.3.: Abschließende Zusammenfassung 9.3.: Die Pendanttexte zu Am 5,1-6 in Am 5,14-17 9.3.1.: Die Aufforderung zum Suchen des Guten in Am 5,14 9.3.2.: Die Aufforderung zum Hassen des Bösen in Am 5,15 9.4.: Das Leichenlied der Landarbeiter (Am 5,16f) 9.5.: Am 5,7.10-13 9.5.1.: Rekonstruktion des Grundbestands von Am 5,7.10-13 9.5.2.: Redaktionsgeschichtliche Einordnung der einzelnen Segmente innerhalb von Am 5,7.10-13

215 215 218 219 220 223 223 227 230 230 232 233 235 236 236

199 210

240

χ

Inhaltsverzeichnis

9.5.2.1.: Die Grundschicht in Am 5,12a.7.10.12b 9.5.2.2.: Das Einzellogion in Am 5,11 9.5.2.3.: A m 5,13 9.6.: Die "Hymnen" in A m 4,13; 5,8f und 9,5f

240 241 242 242

Kapitel

10: Die e r s t e Einschaltung in den Visions-Zyklus (Am 7,9.10-17) 10.1.: A m 7,9 — AbschluB der dritten Vision oder Brückentext zum folgenden Fremdbericht? 10.2.: Das literarische und zeitliche Verhältnis von Am 7,10-17 zu seinem Kontext, insbesondere zu Am 7,9

Kapitel 11: Die zweite Einschaltung in den Visions-Zyklus 8,3.4-14) 11.1.: A m 8,(3.)4-7(.8) 11.2.: A m 8,9f 11.3.: A m 8,11-14 11.3.1.: Der "Hunger-Spruch" (Am 8 , l l f ) 11.3.2.: Ein Wort gegen den Götzendienst (Am 8,13f)

251 252 254

(Am

Kapitel 12: Das AbschluBkapitel des Amosbuchs (Am 9, 7-15) 12.1.: Das Problem von Am 9,7 χ

12.2.: A m 9,8-10 — Nachinterpretation zu Am 9,7, eigenständige Texteinheit oder Diskussionswort(e) zur 5. Vision? 12.3.: D e r BuchschluB (Am 9,11-15) — "Stimme deuteronomistischer Heilshoffnung" oder spätnachexilischer Z u s a t z ? 12.3.1.: Die Wiedererrichtung der z e r f a l l e n e n H ü t t e Davids (Am 9 , l l ) und die Inbesitznahme des Restes Edoms (Am 9,12) 12.3.2.: Ankündigung und Beschreibung der zukünftigen Heilszeit (Am 9,13-15) 12.4.: Abschließende Überlegungen zur Komposition von Am 8,(3.)4-14 und Am 9,7-15

257 258 262 263 264 266 270 271 272 276 276 280 283

Kapitel 13: Zusammenfassung

285

Literaturverzeichnis

291

Einleitung Seit jeher gilt das Buch des Propheten Amos als das klassische Schulund Musterbeispiel für die (vorexilische) Prophetie, da sich innerhalb desselben auf engstem Raum fast sämtliche Gattungen prophetischer Rede sowie geradezu charakteristische Beispiele für Fremdvölker- und Visionszyklen finden. Um so erstaunlicher ist demgegenüber, daß gerade dieses Buch bisher nur sehr zurückhaltend redaktionskritisch untersucht worden ist. Sieht man von der Ausscheidung mehr oder weniger umfangreicher Partien ab, die bereits von Wellhausen, Marti Duhm und Weiser vorgenommen wurde, lassen sich dezidiert redaktionsgeschichtlich orientierte Arbeiten zum Amosbuch erst seit der Mitte der sechziger Jahre nachweisen (Schmidt, Wolff). Kaum verwunderlich ist daher, daß man noch bis in die Mitte der siebziger Jahre die Spruchanordnung in Am 3-6 für planlos hielt. Exemplarisch genannt sei in diesem Zusammenhang die Vermutung von Baumgartner (1913): " D a s Amosbuch ist d u r c h z i e m l i c h r e g e l l o s e Z u s a m m e n f ü g u n g e i n z e l n e r Reden u n d R c d e s t ü c k e entstanden". 1

In dieselbe Richtung äußerte sich Fey (1963) mit Blick auf das besonders unsystematisch wirkende fünfte Kapitel des Amosbuchs: " W a r u m 5.7.10.12b d u r c h e i n e n e c h t e n (11.12a) u n d e i n e n u n e c h t e n

(8Γ) E i n s a t z

z e r t r e n n t w u r d e und w a r u m w i e d e r u m 7-13 in der h e u t i g e n A n o r d n u n g 5,4-6.14 a u f s p a l t e n , lä&t sich e b e n s o w e n i g b e g r ü n d e n , w i e sich das K o m p o s i t i o n s p r o b l e m d e s A m o s b u c h e s im g a n z e n e n d g ü l t i g lösen läßt". 2

Und selbst Rudolph (1971 ) klagte im Zusammenhang von Am 5 noch, "daß m a n c h e Exegeten g a n z d a r a u f v e r z i c h t e n , O r d n u n g zu s c h a f f e n , und s i c h mit d e r F e s t s t e l l u n g b e g n ü g e n . daA d e r j e t z i g e Z u s t a n d des K a p i t e l s (sc. Am 5) das Erg e b n i s e i n e s m e c h a n i s c h e n U n f a l l s sei. dessen U r s a c h e n i c h t m e h r a u f g e h e l l t werden könne".3

Gegen Ende der siebziger Jahre trat auf Grund der wegweisenden Arbeiten von de Waard (1977) und Lust (1981), die jedoch bisher fast ausschließlich im englischsprachigen Raum rezipiert wurden, eine gewisse Än1

W . B a u m g a r t n e r . Amos 3,3-8. Z A W 33 (1913). 80.

2

R- Fey. Amos. 25. Anm. 3.

3

W. Rudolph. Amos, 184 m i t Blick a u f K. Budde. Text I. 105Γ. — A h n l i c h a u c h H. S c h ü n g e l - S t r a u m a n n . Gottesbild. 32 ("Das g a n z e Kapitel (sc. Am 5) e n t h ä l t lose S p r ü c h e , die j e t z i g e A n o r d n u n g ist w o h l n i c h t u r s p r ü n g l i c h " ) .

4

Vgl. J. de Waard. T h e C h i a s t i c S t r u c t u r e of Amos Vl-17. VT 27 (1977). 170-177.

5

Vgl. J. Lust. R e m a r k s on t h e R e d a c t i o n of Amos V4-6.14-15. OTS 21 (1981). 154.

6

Vgl. R. B. Coote. Amos. 79-82; J. A. Soggin. Amos. 80 : N. J. Tromp, Amos V.l-17. To-

2

Einleitung

derung der Situation ein. In Weiterführung ihrer Ansätze dürfte die Annahme einer planlosen Zusammenstellung des Amosbuchs nämlich hinfällig geworden sein. 7 Zunächst gelang de Waard der Nachweis, daB es sich bei 5,1-17 um eine konzentrisch strukturierte Makro-Einheit handelt: Ihren äußeren Rahmen bilden die um das Thema Tod kreisenden Leichenklagen in Am 5,1-3 und 5,16f, den inneren die mit dem Begriff Leben verbundenen Aufforderungen zum Suchen Gottes (Am 5,4-6) bzw. des Guten (Am 5,14f); den äußeren Kern bilden die Schuldaufweise in Am 5,7 par. Am 5,10-12, das Zentrum der Hymnus (Am 5,8f). Mit dieser Erkenntnis wurde schlagartig eine Reihe der die exegetische Diskussion bis dahin beherrschenden Probleme hinfällig, allen voran die auffällige Stellung von Am 5,14f gegen Ende der Einheit statt nach Am 5,4.5(f) sowie diejenige von Am 5,7 vor dem Hymnus (Am 5,8f) anstatt danach. Erklärbar wird durch dieses konzentrische Kompositionsmodell aber nicht nur die ungewöhnliche Stellung einzelner Verse innerhalb von Am 5,1-17, sondern auch, warum Am 4,4f ein kultkritisches Wort im Kontext von Worten gegen die Bewohner Samarías (Am 3,9-4,3) steht. 8 Denn wie Lust w a r d s a Stylistic a n d R h e t o r i c a l Analysis. OTS 23 (1984). 56-84: A. G. Au Id, Amos. 50-54; G. V. Smith. Amos 5:13. The Deadly S i l e n c e of t h e Prosperous. JBL 107 (1988). 289; - d e r s , Amos. 151-159; J. H. Hayes. Amos. 153; J. J e r e m i a s . Amos 3-6. 123-138; - d e r s . Tod, 135f; G. Fleischer, M e n s c h e n v e r k ä u r e r , 95, Anm. 4; S. M. P a u l , Amos. 158f. D. A. Dorsey, Literary A r c h i t e c t u r e a n d Aural S t r u c t u r i n g T e c h n i q u e s in Amos. Bib 73 (1992). 313Γ; M. D. C a r r o l . Contexts. 2 2 I f : H. N. Rösel, Studien. 96 98. 7

D a g e g e n b e t o n t e C. W e s t e r m a n n . Amos 5,4-6.14.15, 116 noch 1984: "Die Folge der S t ü c k e (sc. in Am 5,1-20) b e r u h t n i c h t a u f e i n e m Plan - a u c h n i c h t dem e i n e s R e d a k t o r s - . D e n n o c h e r k e n n t auch e r e i n e p a a r w e i s e Z u o r d n u n g i n n e r h a l b von Am 5,1-17 an: "Zu der T o t e n k l a g e 5,1-3 g e h ö r t 16-17; zu 4-6 g e h ö r t 14-15; zu 7 g e hört 10-12 ( f o r t g e s e t z t in 18-20)" (117). Ü b e r d i e s stellt C. W e s t e r m a n n a b s c h l i e ß e n d fest, e r h a b e "bei der Arbeit an den W o r t e n des Amos _ e i n e n e r s t a u n l i c h d u r c h d a c h t e n , p l a n m ä ß i g e n A u f b a u des Buches, in dem a l l e s e i n e Teile sinnvoll e i n a n d e r z u g e o r d n e t sind", g e f u n d e n : "In der M i t t e des B u c h e s steht als sein K e r n e i n e S a m m l u n g d e r W o r t e des Amos, die e r im A u f t r a g G o t t e s gegen Israel r i c h tet: G e r i c h t s a n k ü n d i g u n g e n an Israel. D a s ist d e r Teil 3,9-6,17: 8.4-17. U m diesen K e r n legen s i c h m e h r e r e S c h i c h t e n . D i e erste, dem K e r n n ä c h s t e S c h i c h t s i n d Worte, die e s m i t dem P r o p h e t e n zu t u n h a b e n : 3,3-8 v o r h e r und 7.10-17 n a c h h e r ; d a z u die V i s i o n e n 7,1-9; 8,1-3; (9,1-4). D i e z w e i t e S c h i c h t um den K e r n bilden die Worte, die von Israel u n d von Völkern h a n d e l n : v o r h e r 13-2,16. n a c h h e r 9,7-10. D i e ä u ß e r s t e S c h i c h t bildet der j u d ä i s c h e R a h m e n 1,2 u n d 9JI-15. beides Worte, die d a s W e i t e r l e b e n des B u c h e s Amos n a c h dem E i n t r e f f e n des G e r i c h t s ü b e r das N o r d r e i c h J u d ä a b e z e u g e n . _ Diese vom Z e n t r u m h e r sich e r w e i t e r n d e Ano r d n u n g soll z e i g e n , daß die G e r i c h t s a n k ü n d i g u n g des Amos Uber Israel die M i t t e s e i n e s W i r k e n s bildete, daß die a n d e r e n T e i l e a u f diese Mitte bezogen sind u n d mit ihr im Z u s a m m e n h a n g s t e h e n " (117).

8

Vgl. J. J e r e m i a s . Amos 3-6, 130: "Ob dagegen Am 4,4f im ä l t e r e n Amosbuch der S c h ü l e r s c h o n a u f 4.1-3 folgte, ist höchst ungewiß, ja e h e r u n w a h r s c h e i n l i c h , da Am 3 . 9 - 4 3 a u s s c h l i e ß l i c h Worte gegen die B e w o h n e r S a m a r í a s a n f ü h r e n , die T h e m a t i k des G o t t e s d i e n s t e s im übrigen a b e r erst mit Kap. 5 e i n g e f ü h r t wird".

Einleitung

3

erkannte, wird die konzentrisch strukturierte Sprucheinheit in Am 5,1-17 ihrerseits noch einmal von jeweils drei konzentrisch um sie herum gelagerten Sprüchen eingerahmt. Im äußeren Kreis wurden Sprüche gegen die Frauen bzw. Männer Samarías angeordnet (Am 4,1-3; 6,1-7), eine Stufe tiefer solche gegen den Kult (Am 4,4f; 5,21-27). Folglich ist auch die Stellung von Am 4,4f keine zufällige, sondern eine bewußt gewollte. Ein konzentrischer Aufbau läßt sich aber nicht nur in Am 5,1-17 (de Waard) bzw. 4,1-6,7 (Lust) erkennen, sondern darüber hinaus — freilich in nicht ganz so deutlicher Form — in der Spruchkomposition Am 3-6 als ganzer, wie folgende, unsere Analyse vorwegnehmend zusammenfassende U b e r sicht deutlich erkennen läßt: Am 1,2 Hymnus Äm~ í ,~3-2~ Í6 Vöi kër zy kfüs" ~~~~~~ Am 3,lf Gerichtswort gegen die Selbstsicheren Am 3,3-8 Didaktische Fragen Am 3,(9-)l5 Gegen die Häuser Am 4^1-3^ Gegen die Frauen Samarías Am 4,4f Gegen den Kult Am 4,6-12(13) Gerichtsankündigung Am 5,1-3 Leichenklage Am 5,4-6 Aufforderung zum Suchen Am 5,7 Schuldaufweis Am 5,8(f) Hymnus Am 5,(9)10-12(13) Schuldaufweis Am 5,14f Aufforderung zum Suchen Am 5,16f Leichenklage Am 5,18-20 Gerichtsankündigung Am 5,21^27_ Gegen den Kult Am 6,1-7 Gegen die Männer Samarías Am 6,(8-)l 1 Gegen die Häuser Am 6,12 Didaktische Frage Am 6,13f Gerichtswort gegen die Selbstsicheren Am 7,1 ff Visionszyklus Am 9,5f Hymnus 9

Z u d i e s e m E r g e b n i s g e l a n g t e im J a h r n a c h dem E r s c h e i n e n der Arbeit von J. de W a a r d . j e d o c h o f f e n b a r o h n e von i h r K e n n t n i s zu b e s i t z e n , a u c h S. Bergler in s e i n e r n i c h t p u b l i z i e r t e n M a g i s t e r a r b e i t ü b e r "Die h y m n i s c h e n P a s s a g e n u n d die M i t t e d e s A m o s b u c h e s " ( T ü b i n g e n 1978). D o r t f i n d e n sich in Kapitel 6 u n t e r der Ü b e r s c h r i f t " A n r e g u n g e n zu e i n e r N e u i n t e r p r e t a t i o n der h y m n i s c h e n P a s s a g e n " f o l g e n d e A u s f ü h r u n g e n : "Mit e i g e n t l i c h w e n i g P h a n t a s i e w i r d der A n o r d n u n g s m e c h a n i s m u s d e u t l i c h : Vers 5j8 n i m m t e i n e Mittelposition e i n . um d i e r i n g f ö r m i g z u s a m m e n g e h ö r i g e E i n h e i t e n g e l a g e r t wurden". D a b e i "darf _ s t a t u i e r t w e r d e n , da β sich diese R i n g b i l d u n g von Kap. 3 bis Kap. 6 e i n s c h l i e ß l i c h , d.h. Uber

4

Einleitung

Neben dem konzentrischen Gliederungsmodell läßt sich in Am 3-6 a l l e r dings noch eine die Spruchkomposition in zwei Blöcke teilende Gliederungsform erkennen. Wie insbesondere Jeremias darlegte, hat man es Am 3f mit "Worten Gottes" über die "Kinder Israels" (vgl. Am 3,1.12; 4,5) zu tun, in Am 5f aber mit "Worten des Amos" über das "Haus Israels" (vgl. Am 5,1.3. 4.25; 6,1.14). 10 Diese Am 3f von Am 5f abhebenden Subjekts- und Objektsangaben werden vorab in den diesen beiden Textkomplexen voranstehenden und als Einleitung dienenden Höraufrufen deutlich angezeigt. 1 1 Heifit es Am 3,1: "Hört dieses Wort, das / / ü b e r euch redet, Kinder Israels", lautet Am 5,1: "Hört dieses Wort, das ich (sc. Amos) erhebe über euch als Leichenklage, Haus Israels". Daß beide Gliederungsmodelle nicht im Widerspruch zueinander stehen, sondern miteinander harmonieren, läBt sich an einem bisher nicht beachteten Punkt erkennen: dem Hymnus in Am 4,13. Während sich die Stellung des Hymnus in Am 5,8(f) mittels der konzentrischen Anordnung von Am 3 - 6 problemlos erklären läßt, fällt der Hymnus in Am 4,13 in gewisser Weise aus dieser Struktur heraus. Denn ein ihm entsprechender, vor der Ankündigung des "Tag des H e r r n " (Am 5,18-20) zu erwartender Pendanttext, fehlt. Im Rahmen des Am 3-6 in zwei Blöcke gliedernden Modells läßt sich seine Stellung dagegen gut verständlich machen, insofern man in ihm ein den e r sten Block (Am 3f) abschließendes Element sieht. Zieht man überdies den konzentrisch um die Spruchkomposition in Am 3-6 gelegten und von einem Hymnus eingeleiteten (Am 1,2) und abgeschlossenen (Am 9,5f) Völker- und Visionszyklus in die Betrachtung mit ein, wird sogar deutlich, warum ein Am 4,13 analoger hymnischer Abschluß nach Am 6,13f fehlt: Während der Hymnus in Am 5,8(f) als Zentrum des konzentrisch strukturierten Amosbuchs (Am 1,2-9,6) fungiert, zeigt der Hymnus in Am 4,13 nicht nur die Trennlinie zwi-

s ä m t l i c h e E i n z e l s p r ü c h e des Propheten, e r s t r e c k t " (228). wobei "ein p r o v i s o r i s c h e s A n o r d n u n g s s c h e m a _ f o l g e n d e s Bild (ergibt)" (229): 5.8 5.7— S.IOff 5,4-6 5.14-15 5,1-3 5J6-17 4.6-12 5.18 -20 4,4-5 521-24 4.1-3 5.25-27 3.13-15 6J-7 3.9-11(12) 6.8-11 3.3-7(8) 6.12a 3,l(-2) 6,12b-14 10

Vgl. J. J e r e m i a s . Amos 3-6. 131.

11

Ein d e r a r t i g e r A u f r u f z u m Hören f i n d e t sich d a n e b e n z w a r a u c h n o c h in Am 4.1. hat dort a b e r , w i e J. J e r e m i a s (Amos 3-6. 131) gezeigt hat. e i n e völlig a n d e r e F u n k t i o n a l s die A u f r u f e in Am 3J u n d 5.1. i n s o f e r n e r n u r "die k l e i n e E i n h e i t 4,1-3 e i n l e i t e n will".

Einleitung

5

sehen den beiden Textblöcken Am 3f und Am 5f an, sondern auch zwischen Am 1,3-4,12 und Am 5,l-9,4. 1 2 S o l l t e die vorgetragene Kompositionsanalyse die innere Struktur des Amosbuchs richtig erkannt haben, ergeben sich hieraus weitreichende Konsequenzen für die w e i t e r e redaktionsgeschichtliche Untersuchung. Denn ähnlich dem V ö l k e r - und Visionszyklus, die in- und miteinander so eng verknüpft sind, daß sich ihre Abfassung durch ein und denselben Autor nahelegt (vgl. § 4.7.), wird man angesichts der Am 3-6 vorliegenden Kompositionsstruktur auch in ihr das W e r k eines V e r f a s s e r s sehen müssen. Da man es A m 3 - 6 im G e g e n s a t z zum V ö l k e r - und Visionszyklus jedoch mit inhaltlich und sprachlich äußerst disparaten Materialien zu tun hat, wird man ihn als einen Re13

daktor bezeichnen müssen, der aus ihm vorgegebenen Texteinheiten die j e t z i g e Spruchkomposition schuf. Dabei ist davon auszugehen, daß der fortan /jRK genannte "Redaktor der Ringkomposition" entweder nach dem Zeitpunkt d e s / d e r jüngsten in Am 3-6 vorfindlichen Texte(s) wirkte oder aber mit sein e m / i h r e m V e r f a s s e r identisch ist. Letztgenannter Möglichkeit d ü r f t e eine höhere Wahrscheinlichkeit zukommen, da die Am 3-6 zugrundeliegende konzentrische Struktur für jeden Text einen entsprechenden Pendanttext auf der dem Z e n t r u m spiegelbildlich gegenüberliegenden Seite verlangt (vgl. das Diagramm oben); nun bringt es die Anwendung einer derartigen Kompositionsstechnik zwangsläufig mit sich, daß man in dem vorgegebenen Material nicht immer das in ausreichendem Maß vorfindet, was man benötigt. Was liegt also näher, als diese Lücke durch die eigenständige Formulierung ent14 sprechender P a r a l l e l t e x t e künstlich zu schließen? Eine der vorrangigen Aufgaben unserer Untersuchung des Amosbuchs wird es daher sein, dem kompositorischen Werden der Ringstruktur in Am χ

1,2-9,6 nachzugehen. Dabei ist allerdings von vornherein davon auszugehen, daß der die Ringkomposition schaffende Redaktor R * * nicht der l e t z t e war, der bei der Gestaltung des Amosbuchs Hand anlegte. Denn andernfalls ließe sich nur schwer erklären, warum sich in Am 7,(9.)10-17; 8,(3.)4-14; Am 9,715 eindeutig außerhalb der konzentrischen Struktur stehende — und sich dadurch als s p ä t e r e Hinzufügung verdächtig machende — Textpassagen finden. Angesichts der dargestellten Einsichten in die kompositorische Struktur des Amosbuchs empfiehlt es sich, seine Analyse nicht der kursorischen Reihenfolge entsprechend vorzunehmen, sondern sich der Ringstruktur gemäß von der äußeren Schale her sukzessive zum Kern vorzuarbeiten. Daher w e r 12

Ä h n l i c h ä u ß e r t e sich a u c h J. J e r e m i a s . Amos 3-6. 128: "Die Doxologien g l i e d e r n _ z u m i n d e s t Am 3.1-9.6. e h e r aber, w e n n m a n i h n e n mit Wolff und Koch a u c h Am 12 z u o r d n e n d a r f . Am 1.1-9.6. also n i c h t n u r den M i t t e l t e i l des A m o s b u c h e s . sond e r n a u c h die beiden R a h m e n t e i l e " .

13

Vgl. H. N. Rösel, Studien. 96: "Diese A n o r d n u n g des M a t e r i a l s geht n a t ü r l i c h auf e i n e n K o m p o s i t o r und n i c h t a u f Arnos selbst z u r ü c k " .

14

H i e r h e r g e h ö r t a u c h die überspitzt f o r m u l i e r t e A n m e r k u n g von V. F r i t z (Amosb u c h . 35. Anm. 16): "Die k u n s t v o l l e l i t e r a r i s c h e Komposition der Kapitel hat jeden H i n w e i s a u f v o r a n g e g a n g e n e m ü n d l i c h e Ü b e r l i e f e r u n g verwischt".

6

Einleitung

den wir nach einem sich im wesentlichen mit der Überschrift des Amosbuchs beschäftigenden ersten Kapitel in den Kapiteln 2 bis 4 den aus dem Völker(Am 1,3 -2,16) und Visionszyklus (Am 7,1-8; 8,lf; 9,1-4) bestehenden äußeren Rahmen untersuchen. In den Kapiteln 5 und 6 folgt die Analyse von Am 3,14,3, in Kapitel 7 die der entsprechenden Pendanttexte in Am 6,1-14. Kapitel 8 geht dem Werden von Am 4,4-13 und 5,18-27 nach, bevor in Kapitel 9 die den Kern des Amosbuchs bildenden Verse Am 5,1-17 sowie die Hymnen e x e getisiert werden. Die Kapitel 10 bis 12 schließlich haben die außerhalb der konzentrischen Struktur stehenden Texte Am 7,9-17; 8,3-14 und 9,7-15 zum Thema. Neben der Aufhellung der kompositorischen Gesamtstruktur des Amosbuchs werden wir innerhalb der einzelnen Kapitel zudem jeweils dem W e r den der anstehenden Einzelsprüche nachgehen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei dem Problem der deuteronomistischen Redaktionen) geschenkt werden. Nachdem dieses 1965 von Schmidt in die Diskussion gebracht und 1978 von Vermeylen noch einmal grundsätzlich erörtert wurde, sind in der Amosforschung bisher kaum noch Versuche einer näheren Betrachtung dieser besonderen Redaktionsschicht unternommen worden. Dies ist um so erstaunlicher, als seit Beginn der siebziger Jahre gerade in der Deuteronomismusforschung erhebliche Umbrüche stattgefunden haben, in deren Verlauf das einst von Noth vertretene Einheitsmodell bezüglich der Entstehung des DtrG zugunsten einer differenzierteren Betrachtung aufgegeben wurde. Auf dem Hintergrund dieser Ausdifferenzierung der Deuteronomisten innerhalb des DtrG stellt sich natürlich die Frage, ob sich auch innerhalb des Amosbuchs unterschiedliche deuteronomistische Hände nachweisen lassen. Im Zuge dieser Untersuchung werden wir bereits im ersten Teil des ^werten Kapitels sehen, daß die immer wieder für dtr gehaltenen Sprüche gegen Tyros, Edom und Juda entweder gar nicht deuteronomistisch sind oder aber einen Deuterono mi s mus sui generis aufweisen. Zudem werden wir den Nachweis führen, daß die außerhalb der konzentrischen Struktur stehenden Texte Am (3, 9-11;) 8,1 lf und 9,13-15 über eine aus dem Jeremiabuch entlehnte dtr Grundschicht verfügen. Da jede redaktionsgeschichtliche Arbeit nicht Selbstzweck ist, sondern die einzelnen Bestandteile eines biblischen Buchs aus ihrem jeweiligen historischen Kontext heraus verständlich machen will, stellt sich natürlich auch im Zusammenhang des Amosbuchs die Frage nach dem "historischen Amos". Betrachtet man diesbezüglich die jüngere Forschung, so gibt es nicht einmal annähernd einen Grundkonsens. Während Rudolph, von einigen wenigen Halbversen abgesehen, fast alle Sprüche des Amosbuchs für authentische Worte des Propheten hält, möchte Fritz ihm nur Am 3,12; 5,3 und 7,1-6 zusprechen. Im Verlauf unserer Untersuchungen werden wir nun zu dem E r gebnis kommen, daß die Wahrheit ungefähr in der Mitte liegt. Als ein Kriterium zur Aussonderung "echter" Amosworte gibt sich dabei immer wieder die mehr oder minder deutliche Ankündigung eines Erdbebens zu erkennen. Sämtliche das angekündigte Unheil in einem Feindangriff oder einer Depor-

Einleitung

7

tation sehenden Sprüche bzw. Spruchfragmente dürften dagegen frühestens im Zusammenhang mit dem Untergang des Nordreichs, also nach 722/1, zugefügt worden sein.

Kapitel 1: Die Buchüberschrift und der einleitende Hymnus (Am l,lf) 1.1.: Die Buchiiberschrifl

(Am

l,l)

Wie heute allgemein anerkannt, ist (auch) die Überschrift des Amosbuchs (Am l , l ) ein mehrfach redaktionell überarbeitetes Gebilde. So fällt 1.) das direkte Nacheinander zweier Relativsätze in Am l,laß und l , l b a auf, 1 wobei 2.) im ersten der beiden Sätze "die Angabe der Heimat (sc. »von Tekoa«) ... durch ... •"'"IpìO ΓΡΠ wie abgesprengt wirkt, 3 während 3.) der zweite Relativsatz (Am l,lb) liest. Doch selbst wenn man so das semantische Problem von Am 2,7aa gelöst hätte, bliebe die sich mit den beiden nachfolgenden Präpositionen stellende syntaktische Schwierigkeit bestehen. Denn auch begegnet sonst nur ohne nachfolgende Präposition mit direktem Objekt (vgl. Gen . 95 f3,15; 95 Ps 139,11; Ijob 9,17). Daher ist nicht nur das unmittelbar folgende /V oder die Worte *?î?,97 sondern die ganze Verbindung "lDD 89

Vgl. H. M. Barstad. P o l e m i c s . 14, Anm. 13: "The H e b r e w of Am 2.6b-7a is in a r a t h e r bad condition a n d h a s caused t r o u b l e to c o m m e n t a t o r s e v e r s i n c e t h e days of t h e LXX".

90

E i n e g e w i s s e A u s n a h m e bildet h i e r n u r B. D u h m . A n m e r k u n g e n . 2f. der - da " p ^ l X und I T Q K k e i n e g u t e P a r a l l e l e " bildeten - T W * f ü r p ^ l X lesen m ö c h t e . — Vgl. dazu G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 47.

91

E i n e m ö g l i c h e A u s n a h m e bildet Koh 13, dessen t e x t l i c h e I n t e g r i t ä t u m s t r i t t e n ist.

92

Vgl. S. M. P a u l . Amos. 79.

93

G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 30.

94

W e i t e r e Belege bei GK § 72p und S. M. Paul. Amos, 79.

allerdings

95

Anders: S. M. Paul. Amos. 80.

96

So z.B. K. Budde, Text I. 69.

97

So z.B. J. W e l l h a u s e n . Propheten. 72; D. W. Nowack, P r o p h e t e n . 127; D. G u t h e . Amos, 33; M. Lohr. U n t e r s u c h u n g e n . 5: E. B a u m a n n , A u f b a u , 26 u. 32; E. Balla, S c h e l t w o r t e , 20, Anm. 3; K. M a r t i , D o d e k a p r o p h e t o n , 167; H. G r c ß m a n n , G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g , 333; B. D u h m , A n m e r k u n g e n . 3; F. P r a e t o r i u s , B e m e r k u n g e n , 12; E. Sellin. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 207 ( 273. Aufl.); A. W e i s e r . P r o f e t i e . 91; H.-J. K r a u s . D i e p r o p h e t i s c h e B o t s c h a f t g e g e n das s o z i a l e U n r e c h t Israels, EvTh 15 (1955). 295, Anm. 1; H. W. Wolff. Amos. 163; W. Rudolph. Amos. 138; J. Vollmer.

Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlauts von Am 2,6b-8

U

als G l o s s e anzusehen.

63

98

W a n n und w a r u m sie allerdings dem T e x t 99 bestand des I s r a e l - S p r u c h s zugefugt wurde, bleibt rätselhaft. Nicht weniger problematisch als das semantische Verständnis 2,7aa gebrauchten V e r b s

des

Am

( I i ) erweist sich die Konstruktion 10"* ...

in A m 2,7aß. D e n n was unter ihr konkret zu verstehen ist, hat den E x e g e t e n seit jeher erhebliches K o p f z e r b r e c h e n bereitet. D a h e r seien die wichtigsten Deutungsversuche kurz dargestellt: 1.) A m 2,7aß sei real

zu verstehen, dergestalt, daß die angeklagten R e i -

chen ihre verarmten Volksgenossen rücksichtslos vom W e g abgedrängt h ä t 100 ten. 2.) D e r B e g r i f f

meine hier das äußere Ergehen, Geschick oder den

L e b e n s w e g der A r m e n , A m 2,7aß als ganzes die V e r s p e r r u n g

ihres

(Le-

b e n s - ) W e g s zu einem besseren D a s e i n durch die Reichen. 1 0 1 3.) " D a Für ÜQttfD häufiger die W e g - M e t a p h e r bezeugt ist (DQttfÖ ΓΓΙΚ), einmal sogar im Kontext der Rechtsbeugung (Spr 17,23; vgl. ansonsten Jes 26,8; 40,14; Spr 2,8), und die dabei v e r w e n d e t e V o k a b e l Γ Π Κ andernorts p a r a l l e l zu

hinwiederum

steht ( G e n 49,17; Ps 27,11)", 1 0 2 sei das

in A m 2,7aß eine A r t Synonym für

Wort

und habe das A b b i e g e n des

R e c h t s ( w e g s ) der A r m e n durch die Reichen im Blick. 1 0 3 Rückblicke. 22; evtl. auch J. Theis. Amos. 118; W. R. Harper. Amos, 50; L. Marker!. Struktur. 72; I. Willi-Plein. Vorformen. 19; G. Fohrer. Propheten, 25, Anm. 3. 98

So z.B. der Apparat der BHS, R. Fey, Amos. 31, Anm. 1 u. G. Fleischer, Menschenverkäufer, 31 u. 42; O. Loretz, Exodus. 223; vgl. H. Reimer. Recht, 36, der allerdings die gesamte Verbindung Ε7Κ~Π y~IK "IQÎ3 streicht bzw. konjiziert. Immerhin erwogen wird diese Möglichkeit von M. Lohr, Untersuchungen, 6 und E. Baumann. Aufbau. 32.

99

W. Rudolph. Amos, 138 und - ihm folgend G. Fleischer, Menschenverkäufer, 46 sind der Meinung, besagte Worte hätten einmal zur Einleitung von Am 2.8aot gedient ( c r ^ n n E T T U n s y *?y). W. Dietrich. Israel, 322. Anm. 31 hält sie dagegen für aus Am 8.4 entnommen.

100

So E. Balla, Botschaft. 79; T. H. Robinson. Amos, 79; H. Frey, Buch des Ringens. 59; W. Rudolph, Amos, 142 ("geringe Leute, die einem dieser Großen in den engen Gassen nicht schnell genug ausweichen, werden rücksichtslos angerempelt und auf die Seite gedrängt"); B. Vawter, Mahner, 92. Vertreten wird diese "reale" Auffassung auch von K. Budde, Text I. 70; A. B. Ehrlich, Randglossen, 231; E. Sellin, Zwölfprophetenbuch, 207 (= 273. Aufl.) und A. Weiser, Profetie, 91, die allerdings im Anschluß an Ijob 24,4 i p ^ l ? lesen wollen, wobei das 0 durch Haplographie ausgefallen sei. - Vgl. hierzu H. Reimer. Recht. 38. Anm. 43.

101

So F. Hitzig. Propheten. 101; D. W. Nowack, Propheten, 127; G. Fohrer, Propheten. 28; P. Riessler. Zwölfprophetenbuch, 71; K. Koch, Profeten I. 56f (vgl. hierzu H. Reimer, Recht, 38, Anm. 44). Eine ähnliche Auffassung vertritt K. Marti, Dodekapropheton. 167, der hier (nach Änderung von |" I I in O T T ? ! u n ( l Streichung von ItS"1 als Eindringsei aus Am 5J2) liest: "Sie zerstampfen die Elenden".

102

G. Fleischer. Menschenverkäufer. 59f.

103

So G. Baur. Arnos, 268f; A. Winter. Analyse. 337; P. Schegg. Amos. 269; F. Nötscher, Zwölfprophetenbuch. 719; A. Deissler. Amos, 99; H. McKeating. Amos. 23; E. ReuB, Amos. 69; L. Köhler, Amos, 14; H. Ewald, Propheten. 135; J. L. Mays, Amos. 46; J.

64

D e r Israel-Spruch (Am 2,6-16)

Gänzlich unwahrscheinlich von diesen drei Möglichkeiten dürfte die zweite sein, da ihr ein "spiritualisiertes Verständnis" 1 0 4 zugrunde liegt. Ein solches aber paßt nur schlecht zu den in Am 2,6ff erwähnten sozialkritischen Anklagen. Erheblich wahrscheinlicher ist demgegenüber das das Abdrängen der Armen vom Weg real verstehende Verständnis von Am 2,7aß, zumal es vorzüglich zum "Treten des Kopfes der Bedürftigen" im vorangehenden Hemistichos passen würde. Problematisch ist dabei nur, daß das Wort in Am 2,7aß offensichtlich als Nomen regens einer Constructus-Verbindung •"'ÍÜiJ) verstanden wird; folglich ließe sich besagte Auffassung nur halten, wenn man diese Constructus-Verbindung auflöst, indem man die Präposition "ID voranstellt und das Wort •"'Ì^Ì) so vom Nomen rectum einer Con105

structus-Verbindung zum eigenständigen Objekt des Satzes macht. Gegen die somit verbleibende dritte Möglichkeit wandte Fleischer zwar ein, "es sei äußerst gewagt, eine Konstruktusverbindung (OQiöD ΓΠΧ) auseinanderzureißen und das isolierte nomen rectum zum Stellvertreter für den ganzen Ausdruck zu machen". 106 Diesem Problem läßt sich aber durch die Annahme entgehen, daß das Nomen rectum DQE7Q einer hier ursprünglich stehenden Constructus-Verbindung QQÎOO auf Grund eines Abschreibefehlers verlorengegangen ist. Dafür spricht auch die kolometrische Struktur des Grund107 bestands von Am 2,6b-8.12a. Denn während in den drei anderen Bi-Cola der vierzeiligen Liste das jeweils zweite Colon über 16 Konsonanten verfügt haben dürfte, besteht Am 2,7aß im M-Text lediglich aus 12 Konsonanten. Diese Differenz von 4 Konsonanten wird hinfällig, wenn man in Am 2,7aß hinter dem Nomen regens " Ι Ί Ί das Nomen rectum ΏΏΙΰΏ (wieder) e r . 108 ganzt. Daß es sich bei der Wendung "Ί2Πρ ΰΒΓΠΚ ^ Π "pD 1 ? in Am 2,7bß um einen späteren Zusatz handelt, wird in der kritischen Amosforschung inzwi109

sehen weithin zugestanden. Dafür spricht neben dem sonst nur in späten Texten belegbaren Sprachgebrauch dieser "Formel" besonders, daß in Am 2,7bß entgegen der Erwartung kein weiteres Vergehen angeprangert, sondern eine Art Begründung oder Folgenangabe für die zuvor in Am 2,7ba genannte Vollmer. R ü c k b l i c k e . 21f; V. Maag, Text. 11; H. W. W o l f f . Amos. 202: Α. Soggin. Amos, 48; Η. R e i m e r , R e c h t , 38; vgl. C. von Orelli, P r o p h e t e n , 63. 104

G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 60.

105

Vgl. h i e r z u G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 61. u n d die in Anm. 100 dieser Arbeit g e m a c h t e n A u s f ü h r u n g e n .

106

G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 60. Ä h n l i c h ä u ß e r t e sich S. M. Paul, Amos. 81.

107

Vgl. h i e r z u b e r e i t s die g e g e n Ende von § 3.2. g e m a c h t e n A u s f ü h r u n g e n .

108

So a u c h P. Schegg. Amos. 269 ("wir m ö c h t e n n a c h ergänzen")·, vgl. L. M a r k e r t , S t r u k t u r , 72.

109

Vgl. h i e r z u M. K r a u s e . Verhältnis, 88, Anm. 121; M. F e n d l e r . S o z i a l k r i t i k . 42. Anm. 30; H. R e i m e r , Recht, 39 (bes. Anm. 51) u. 71; O. Loretz. Exodus, 223 ( s t r e i c h t Am 2,7b g a n z ) . Τ. H. Robinson, Amos 78; H. Gese, Komposition, 92, A n m . 55; W. Rudolph. Amos, 143f u n d Η. M. Barstad, Polemics, 14ff h a l t e n sie a u c h w e i t e r h i n f ü r "echt"; M. K r a u s e . Verhältnis, 83 m ö c h t e lediglich DB - Γ1Κ s t r e i c h e n .

f 1 Γ _ a m e i n f a c h s t e n 0312713

65

Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlauts von Am 2.6b-8 Tat g e g e b e n w i r d . A n d e r s als bei den A m 2,7aa zugefügten W o r t e n 1 3 Ï J D

deren Herkunft unklar ist, läßt sich der Redaktor von A m 2,7bß a n -

gesichts seiner überaus charakteristischen Sprache relativ genau bestimmen. Denn abgesehen von Jer 34,16 (= dtr 1 1 0 ) finden sich sämtliche P a r a l l e l t e x t e von A m 2,7bß entweder innerhalb der (priesterlich-)dtr bearbeiteten Partien des Heiligkeitsgesetzes 1 1 1 oder denen des Ezechielbuchs. 1 1 2 Nachhaltig

ge-

stützt wird die Zuweisung von A m 2,7bß an einen nicht nur priesterlichen, sondern priesterlich-dtr Redaktor zudem durch z w e i w e i t e r e Gegebenheiten: a ) die offensichtliche Abhängigkeit dieses Textpassus von der dtn-dtr DE?Theologie; 1 1 3 b ) dem Umstand, dafl sich die A m 2,7bß einleitende Partikel • p D 1 ? außer im Ezechielbuch (= 37 B e l e g e ) vor a l l e m in der dtn-dtr L i t e r a tur ( D t n : 48x; J o s - K ö n : 37*; Jer 2 3 * ) äußerster Beliebtheit erfreut. 1 1 4 M i t hin handelt es sich in A m 2,7bß nach A m 2,4f um die z w e i t e Stelle, die sich einem priesterlich-dtr Redaktor zuweisen läßt. Und genau wie in A m

2,4f

der Akzent der A n k l a g e von sozialen auf religiös-kultische V e r g e h e n v e r schoben wird, so auch hier. Betrachtet man nämlich A m 2,7ba für sich, w ü r de kaum jemand unter der hier genannten Γ Π Ϊ ) ! ] eine Prostituierte

(Πϋΐΐ)

oder Kultdirne ( Π 2 ? Π ρ ) verstehen. 1 1 5 Denn w a r u m sollten V a t e r und Sohn nicht zur selben Prostituierten gehen? A n g e k l a g t wird in A m 2,7ba vielmehr der von V a t e r und Sohn gleichermaßen mit ein und derselben tene Geschlechtsverkehr 1 1 6 — und z w a r mit einer rein

Frau u n t e r h a l -

rechtlich

gesehen

( v g l . L e v 18,15; 20,12) als E h e f r a u des Sohnes verstandenen Frau, 1 1 7 w e s h a l b 110

Vgl. W. Thiel. Jeremia II. 42.

111

Vgl. Lev 20.3; 22.232. Zum dtr Charakter dieser Belegstellen vgl. W. Thiel, Erwägungen. 53Γ und 57 in Verbindung mit der Aussage: "Der die Predigt" des HG "charakterisierende Sprachgebrauch rindet seine Entsprechung in der dtr. Literatur und bei Ezechiel! Dieser Tatbestand _ bestätigt die _ Vermutung. daB Zusammenhänge zwischen der dtn.-dtr Literatur und Η bestehen" (69).

112

Vgl. Ez 20,(9.1422.)39; 362021.22^23; 39.7). Zum (priesterlich-)dtr Charakter von Ez 20 vgl. R Liwak. Probleme, bes. 174-176. Zu Ez 36 vgl. S. Herrmann. Heilserwartungen. 271Γ, der jedoch nur Ez 3624ΓΓ expressis verbis als dtr anspricht!

113

Vgl. dazu O. Grether. Name und Wort Gottes im Alten Testament. BZAW 64 (1934), 18-58 und F. Dumermuth. Zur deuteronomischen ICulttheologie und ihren Voraussetzungen. Z A W 70 (1958). 59-98.

114

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Partikel entgegen der herkömmlichen Übersetzung in Am 2.7bß nicht final, sondern im Anschluß an Η. A. Brongers, Die Partikel 1PD1? in der biblisch-hebräischen Sprache, OTS 18 (1973), 89 konsekutiv zu Ubersetzen ist ("wodurch sie meinen heiligen Namen entweihen"). Zum Problem, was unter dem Begriff ΓΠϋ3 genau zu verstehen ist. vgl. die ausführliche Diskussion bei G.Fleischer. Menschenverkäufer. 61-69 und L. Markert. Struktur, 79, Anm. 187. Vgl. H. Gese. Komposition. 91 und H. Reimer. Recht. 41Γ. der die ΓΓΙΒ] in Am 2,7 als eine Art "Familienhure" versteht. H. W. W o l f f s Interpretation allerdings, "der alte, (sc. anderweitig) verheiratete Vater" störe "das Liebesverhältnis des Sohnes" (Amos. 203), dürfte eine romantisierende Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten sein. Denn der Gebrauch von •ρκ i*pn statt KID legt es nahe, "daß weder der Sohn noch der Vater

115

116 117

66

D e r Israel-Spruch (Am 2.6-16)

es nicht "Vater und Sohn", sondern unter Voranstellung des Sohn "ein Mann 118 und sein Vater heifit. Mehr noch als die priesterlich-dtr Hinzufügung in Am 2,7bß legen es die beiden kultischen Ortsangaben "neben jedem Altar" (Am 2,8aß) und "(im) Haus ihres/ihrer Gottes/Götter" (Am 2,8bß) nahe, entgegen dem ursprünglich gemeinten Sinn unter der Π Ί ΰ ] in Am 2,7ba eine Kultdirne zu verstehen. Doch auch sie dürften von priesterlich-dtr Hand zugesetzt worden 119

sein. Neben metrischen Gründen spricht dafür auch die hier feststellbare Umdeutung von ursprünglich sozialen zu kultisch-religiösen Vergehen. Mit der Ausscheidung von A m 2,8aß.bß als priesterlich-dtr Glossen sind die sich mit Am 2,8(a) stellenden inhaltlichen Probleme freilich keinesfalls behoben. Ursache derselben ist der im vorliegenden Kontext in zweierlei Hinsicht schwierige Gebrauch des Verbs IEP in Am 2,8aa: zum einen in bezug auf seine semantische Bedeutung, da PIÜÜ Hif sonst nie in der intransitiven Be» 120 deutung "sich ausstrecken" belegt ist; zum anderen von der syntaktischen Konstruktion her, sind seine logischen Subjekte doch der zuvor in Am 2,7ba genannte "Mann und sein Vater", was wenig sinnvoll ist. Aus diesen Kohärenzstörungen allerdings wie Fleischer den Schluß zu ziehen, nicht nur Am 121 2,8aß.bß, sondern Am 2,8 als ganzes sei redaktionell, erscheint verfrüht. 122

Denn die klassische Lösung, Am 2,7ba hinter Am 2,8aa umzustellen und die vor stehende Präposition als Dittographie der Glosse in Am 2,7aa zu streichen, 1 2 3 vermag beide Schwierigkeiten ebensogut zu lösen. 1 2 4 e r n s t h a f t e Absichten h a b e n " (G. F l e i s c h e r . M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 71). D i e s ä n d e r t f r e i l i c h n i c h t s a n d e m U m s t a n d , dab d e r Sohn, der v e r m u t l i c h als e r s t e r e i n e S e x u a l b e z i e h u n g zu b e s a g t e r ΓΠΙ7] a u f n a h m , rein j u r i s t i s c h b e t r a c h t e t ihr Ehem a n n sein müfite. 118

A n d e r s G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 77: "Die b e t o n t e H i n t a n s t e l l u n g des V a t e r s ist a u f dem H i n t e r g r u n d s e i n e r e r z i e h e r i s c h e n F u n k t i o n zu s e h e n : e r . der den M i f t b r a u c h der ΓΓΊΙΗ d u r c h s e i n e n Sohn e i g e n t l i c h v e r u r t e i l e n u n d ihn davon a b h a l t e n müBte. k o m m t s e i n e r A u f g a b e n i c h t n a c h , s o n d e r n h a n d e l t e b e n s o verwerflich".

119

So z B ; K. Marti. D o d e k a p r o p h e t o n . 168; E. Balla. D r o h w o r t e , 20, Anm. 5 ; B. D u h m . A n m e r k u n g e n . 3: M. F e n d l e r , Sozialkritik. 35. Anm. 6: H. W. W o l f f . Amos, 163: J. Vollmer, R ü c k b l i c k e , 22; G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 33f u. 4 3 f ; H. R e i m e r , R e c h t , 42, 4 5 u. 71. B e i b e h a l t e n w e r d e n diese k u l t i s c h e n O r t s a n g a b e n von K. Budde. Text I, 71, A n m . 25 (er b e z e i c h n e t diese S t r e i c h u n g a l s ein d e m "Moloch M e t r i k " d a r g e b r a c h t e s Opfer); E. Sellin, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 208 (= 2./3. Aufl.); A. W e i s e r , P r o f e t i e , 92; T. H. Robinson, Amos, 78; F. Nötscher, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 719; F. J. A n d e r s e n / D. N. F r e e d m a n , Amos. 321.

120

A n d e r s S. M. Paul, Amos. 86, der d i e r e f l e x i v e B e d e u t u n g von ΠΟ] H i f . mit H i n w e i s a u f den s p ä t e r e n S p r a c h g e b r a u c h der M i s c h n a b e g r ü n d e t .

121

Vgl. G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 33f u. 4 3 f .

122

Vgl. M. Lohr, U n t e r s u c h u n g e n , 6; E. B a u m a n n , A u f b a u . 32; A. W e i s e r , P r o f e t i e , 91f; K. Budde. Text I. 70; E. Sellin. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 208 (= 2./3. Aufl.); W. R. H a r p e r , Amos, 48; L. M a r k e r t , S t r u k t u r , 75, Anm. 162; vgl. a u c h A. J e p s e n , Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 79.

123

Vgl. D. W. Nowack. P r o p h e t e n . 127; M. Lohr, U n t e r s u c h u n g e n . 6; E. B a u m a n n . A u f -

67

Z u Am 2,6-8.12a

Alle bisherigen Darlegungen zu Am 2,6b-8.12a zusammengenommen, läßt sich somit folgender Text als ursprüngliche Zahlenspruch-Liste des IsraelSpruchs rekonstruieren: 2,6b ¡ r ^ s n - n r n n γ ν ο κ τ ιι ρΉϋΣ η ο ^ η D " O D _ ì ? J ) x D ^ T emn D a t à r i 2,7aa .b ICT EPHÌ} (BQttfD) " p m II 1 ΊΕΓ D ^ n n ΰ · > Ί ϊ 3 1 2,8aa.7ba Π Ί ϊ η Π 'PK Ό ?'' Ι Ό Κ Ί BP Kl II ina?· 1 Duerni) " p i 2,8ba.l2a ρ·» ΰ ^ η Γ Γ η Κ 1¡?t2?"n II χ 3.3.2.: Am 2,6b-8 .12a — Zahlenspruch-Liste des oder eigenständige Sprucheinheit?

Israel-Spruchs

Bereits Winter Í1910) äußerte die Vermutung, der Israel-Spruch sei "im Gegensatz zu den Heidenorakeln zusammengesetzt , 125 wobei sich nur noch Am 2,6 als Rest des "ebenso wie die Heidenorakel" 1 2 6 aufgebauten Spruchs greifen lasse. Am 2,7f dagegen stelle "ein Sprengstück aus einer anderen 127

Rede dar". Ähnlich äußerte sich einige Jahrzehnte später Reventlow (1962), der Am 2,7f ebenfalls als "ein unabhängiges Stück" verstand, "das nur aus inhaltlichen Gründen hier (sc. an Am 2,6) angereiht" 1 2 9 worden sei. Über Winter hinausgehend versuchte er diese literarkritische Operation j e doch mit einem Hinweis auf die LXX zu untermauern, "die vor dem CTQKÎtfn ein "ΊΠ »wehe« vorauszusetzen" scheine, "welches durch Haplo»130 graphie leicht ausgefallen sein" könnte. Für eine ehedem mit "'"Iii einge131

leitete Einheit, die Am 9,7-10 als ursprüngliche Fortsetzung von Am 2,6 verdrängt habe, 1 3 2 hielt auch Scharbert (1965) Am 2,7-16. Wesentlich zubau. 32: J. W e l l h a u s e n , P r o p h e t e n , 73; K. M a r t i , D o d e k a p r o p h e t o n . 168; K. Budde, Text I, 71: E. S e l l i n . Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 208 (= 2./3. Aufl.): F. P r a e t o r i u s . B e m e r k u n g e n . 12; A. W e i s e r , P r o f e t i e , 92; W. R. H a r p e r , Amos. 78; T. H. Robinson. Amos. 78; H. W. W o l f f , Amos. 163; O. Loretz. Exodus. 224. 124

B e z ü g l i c h des v e r b l e i b e n d e n H e m i s t i c h o s in Am 2.8b«. der n a c h S t r e i c h u n g d e r Glosse in Am 2,8bß o h n e e n t s p r e c h e n d e F o r t s e t z u n g steht, sie u r s p r ü n g l i c h a b e r e i n m a l in Am 2.12a g e f u n d e n haben d ü r f t e , sei a u f d i e g e g e n E n d e von § 3.2. g e machten Ausführungen verwiesen.

125

A. W i n t e r , Analyse, 336.

126

337.

127

Ebd_

128

H. G. R e v e n t l o w . Amt. 57Γ.

129

yVa.O, 58.

130

Ebd_ — Vgl. h i e r z u die e n t s p r e c h e n d e A n m e r k u n g im Apparat der BHK z u Am 2,7. die a u c h von R. Fey, Amos, 62f, Anm. 4 (Ende) a l s m ö g l i c h a n g e s e h e n w u r d e , u n d die d i e s b e z ü g l i c h e n Ü b e r l e g u n g e n von H. W. W o l f f in s e i n e n V o r a r b e i t e n z u m Amos-ICommentar ( H e i m a t , 13). die er s p ä t e r a b e r w i e d e r a u f g a b (vgl. Amos. 172: "Es ist n i c h t w a h r s c h e i n l i c h , daft in 2.7 ein g a n z n e u e r Spruch beginnt").

131

J. S c h a r b e r t . P r o p h e t e n . 93.

132

A^.O, 92 u. 102.

68

D e r Israel-Spruch (Am 2.6-16)

rückhaltender äußerte sich wenig später Haran (1967): Das ursprünglich auf Am 2,6 folgende, den Fremdvölker-Sprüchen analoge Ende des IsraelSpruchs hält er zwar ebenfalls für verloren, läBt aber offen, woher Am 2,7f stammt. 1 3 3 Höffken (1977) versuchte sodann wieder mittels der Annahme einer literarischen Verknüpfung zweier vormals eigenständiger Einheiten den syntaktischen Bruch zwischen Am 2,6 und 2,7f zu erklären. 1 3 4 Weimar (1981 ) hingegen verstand Am 2,7-9 als eine in sich mehrfach gestufte "redaktionelle Bildung". 135 Doch nicht allein das Verständnis von Am 2,7f(f) als redaktionelle Bildung zeichnet seine Überlegungen gegen all seine Vorgänger aus, sondern auch, daß er den ursprünglichen Israel-Spruch aus dem tradierten Textbestand für rekonstruierbar hält (Am 2,6.13a.ba.l4.16b). Hierin hat er in Soggin (1987) einen Nachfolger gefunden, wenn sich auch eine Abhängigkeit von Weimar nicht erkennen läßt. Denn genau wie dieser hält er zum einen Am 2,7-9 für ein mehrphasig-redaktionelles Gebilde (l. Red.: Am 2,7a; 2. Red.: Am 2,7b-9), zum anderen die Rekonstruierbarkeit des originalen Israel-Spruchs für möglich (Am 2,6.13). 136 Das letzte Wort zum Thema stammt unseres Wissens von Dietrich (1992): 137 Seiner Analyse^|emäß bestand der ursprüngliche Israel-Spruch nur aus Am 2,6.13f.l5aa; in einem ersten Redaktionsgang sei er unter Benutzung von Am 8,4 und 5,12 um Am 139 2,7a erweitert worden. Ein dem dtn-dtr Kreis zugehöriger zweiter Redak140 141 tor habe schließlich nicht nur Am 2,9-12, sondern auch Am 2,7b.8 und Am 2,15aß.b.l6 142 hinzugefugt, um so in der konkretisierten Anklage und Strafandrohung eine Siebenzahl zu erreichen. Während alle bisher genannten Exegeten zumindest in Am 2,6 den Rest eines die Fremdvölker-Sprüche seit jeher abschließenden Israel-Spruchs für greifbar hielten, vertrat Krause (1972) demgegenüber als wohl erster die Ansicht, Am 2,6b gehöre genuin mit Am 2,7f zusammen und sei erst später durch Vorschaltung von Am 2,6a zum vorliegenden Israel-Spruch umgestaltet worden. Diese "ursprünglich ... für sich stehende", 1 4 3 Am 2,6b-16 umfassende Einheit sei aber vor ihrer "Verknüpfung mit dem »Völkergedicht« durch die Formel 1SJD2? oder gar ΠΧΤ "1J)D12? eingeleitet" 1 4 4 worden. Dabei 133

Vgl. M. H a r a n . Rise. 272f, Anm. 2: "To this prophecy (sc. Am 2.6) t h e r e d a c t o r s a t t a c h e d t h e c o r p u s of o r a c l e s of reproof (ii7-vil4)".

134

P. H ö f f k e n , U n t e r s u c h u n g e n . 49f.

135

P. W e i m a r . Schlufl. 82, Anm. 88.

136

A. Soggin. Amos. 50f.

137

Vgl. E_ J. W a s c h k e . Vision. 436.

138

Vgl. W. D i e t r i c h . Israel. 325.

139

A^.O, 322 u. 324.

140

A^.O, 320f.

141

A a . O , 321.

142

A a . O , 325.

143

M. K r a u s e . V e r h ä l t n i s . 71.

144

Ebd_

Z u Am 2,6b-8.12a

69

müsse angenommen werden, "daß bei der Verbindung der »allgemein b e g r ü n deten Ankündigung der Unwiderruflichkeit« (sc. in Am 2,6a) und dem n a c h folgenden ein ursprüngliches Partizip ( • ' , * Ό Ώ Π ) in den suffigierten I n finitiv D 1 D D umgewandelt worden ist". 4 5 Dieselbe Auffassung v e r t r a t e i nige J a h r e später Koch (1978), indem er die Einleitung des I s r a e l - S p r u c h s mit den W o r t e n wiedergab: "So hat JJ gesprochen: H ö r t , um Silber den saddiq verkaufend ...". Ihren nachdrücklichsten V e r t r e t e r fand diese These allerdings in Fleischer (1989). Er rechnete mit einem ursprünglich durch "ΠΠ eingeleiteten, Am 2,6b.7 umfassenden und sekundär durch Am 2,8 e r 147

weiterten W e h e - S p r u c h . Die von seinen Vorgängern v e r t r e t e n e These, der " U r - I s r a e l - S p r u c h " sei durch 1i)Q2? eingeleitet worden, hält er zwar nicht für unmöglich, glaubt mit Berufung auf entsprechende Untersuchungen von Hardmeier aber, daß die "Form des Weherufs ... den asyndetischen p a r tizipialen Einsatz in V 7a «148 besser zu e r k l ä r e n vermag. Sollte A m 2,6b-8 zu zerteilen bzw. von Am 2,6a abzukoppeln sein, h ä t t e man es bei der rekonstruierten vierzeiligen Anklage mit einer erst sekundär zu Am 2,6(a) hinzugewachsenen Z a h l e n s p r u c h - L i s t e zu tun. Dem stehen allerdings eine Reihe von Gründen entgegen: So ist an die V e r t r e t e r der Teilungshypothese die Frage zu stellen, "weshalb ein formal bestens integrierter und auch logisch sich einwandfrei einfügender Text, wie man ihn für die ursprüngliche Fortsetzung von V 6 voraussetzen darf, zugunsten einer von der Norm völlig abweichenden Komposition aufgegeben worden sein 149 -*

soll . Überdies werden sowohl Am 2,6b als auch Am 2,7a durch das Stilmittel des Parallelismus membrorum sowie durch die fortlaufende A r m u t s terminologie zusammengehalten". 1 5 0 Deshalb ist "für eine literarkritische Ausscheidung von A m 2,7 (sie. Am 2,7f) ... die Argumentationsbasis sehr schmal". 1 5 1 Diesem Einwand läßt sich auch nicht mit einem Verweis auf die in Am 2,7aa ein Ό Π voraussetzende L X X entgehen; 1 5 2 der (καί πένητα ενεκεν υποδημάτων) τα παντοΰντα επί τον χουν της γ η ς lautende Text bietet dafür nicht den geringsten Anhaltspunkt. 1 5 3 Zudem weicht der I s r a e l - S p r u c h (anders als von den V e r t r e t e r n der Teilungshypothese behauptet) nicht erst ab Am 2,7, sondern bereits ab Am 2,6bß von den vorangehenden F r e m d v ö l ker-Sprüchen ab. Denn in Am 2,6bß liegt eine inhaltliche P a r a l l e l a u s s a g e zu Am 2,6ba vor, die formal betrachtet ohne e c h t e P a r a l l e l e innerhalb der kon145 Ebd.. 146 K. Koch. Profeten, Bd. 1. 55. 147 Vgl. G. Fleischer, Menschenverkäufer. 28f, 41f u. 254. 148

Αλ.Ο, 29.

149 Αλ.Ο, 28. 150

Ebd.

151

Ebd_

152

Vgl. etwa den BHK-Apparat.

153

Vgl. G. Fleischer, Menschenverkäufer, 27, Anm. 30.

70

D e r Israel-Spruch (Am 2,6-16)

kretisierten Anklagen von Am 1,3-2,5 ist (vgl. aber Am 1,9b; 2,4b). Wollte man den Israel-Spruch also auf eine den Fremdvölker-Sprüchen vergleichbare Form reduzieren, müßte man konsequenterweise auch Am 2,6bß als r e daktionellen Einsatz streichen und hier z.B. eine mittels eines Infinitivs eingeleitete Zweckangabe als ursprünglichen Wortlaut annehmen (vgl. Am l,6bß). — Gegen die Annahme eines ursprünglich eigenständigen, Am 2,6b.7(f) umfassenden und mit ΊΐΩΙΰ bzw. 111Π eingeleiteten (Israel-) Spruchs, dem bei seiner Angliederung an den Fremdvölkerzyklus unter Wegfall seiner ursprünglichen Eröffnungswendung Am 2,6a vorgeschaltet worden sei, spricht vor allem das Fehlen jeglicher literarkritisch auswertbarer Spannungen zwischen Am 2,6a und Am 2,6b. 154 Der von Fleischer diesbezüglich geltend gemachte syntaktische Bruch, "die Personalsuffixe des auf folgenden Invinitivs" bezögen sich in Am 2,6bß nicht wie in den Fremdvölker-Sprüchen "auf die gesamte Bevölkerung", sondern nur auf "eine b e stimmte Schicht innerhalb" 155 Israels, ist schlichtweg falsch. Denn natürlich sind auch die in den Fremdvölker-Sprüchen angeprangerten Verbrechen immer nur von "einer bestimmten Schicht", wohl den Herrschern und ihrer Armee, nicht aber der Gesamtbevölkerung begangen worden. Insofern besteht zwischen Am 2,6bß und den konkretisierten Strafandrohungen der Fremdvölker-Sprüche keinerlei Unterschied. Auch das Argument, Am 2,6b. 7(ff) erweise sich dadurch als redaktioneller Zusatz zu den FremdvölkerSprüchen, daß in ihm "nach außen gegen eine andere Nation" gerichtete Vergehen genannt würden, "während die Vergehen Israels innergesellschaftlicher Natur sind", 156 ist wenig durchschlagend. Denn gerade durch diese Akzentverschiebung gewinnt der Spruch seine eigentliche Prägnanz.

154

157

Wür-

Vgl. W. T h i e l , ( R e z e n s i o n zu) G u n t h e r F l e i s c h e r , Von M e n s c h c n v c r k ä u f e r n . Bas c h a n k ü h e n u n d R e c h t s v e r k e h r e r n _ BZ NF 36 (1992). 132.

155

G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 23.

156

F-bd_

157

Was h i e r m i t g e m e i n t ist, h a t besonders A. W e i s e r ( P r o f e t i e ) s e h r s c h ö n h e r a u s g e a r b e i t e t : "Es h a n d e l t s i c h _ in d e n Strophen Uber die N a c h b a r n I s r a e l s um die r e d n e r i s c h e V o r b e r e i t u n g der letzten Strophe gegen Israel selbst" (86). "Darin besteht der i n n e r e Z u s a m m e n h a n g der V o r b e r e i t u n g s s t r o p h e n m i t dem S p r u c h über Israel, daß das. w a s der P r o f e t den Isracliten v o r w i r f t , a u f d e r s e l b e n E b e n e liegt wie d i e F r e v e l d e r F e i n d e , über d i e sich die H ö r e r e b e n n o c h e h r l i c h e n t r ü s t e n k o n n t e n . V e r g e w a l t i g u n g u n d Roheit. g r o b e r Verstoß g e g e n die e l e m e n t a r e n Gef ü h l e der E h r f u r c h t u n d Pietät ist n i c h t n u r das. w a s m a n den A r a m ä e r n vorw i r f t , daß s i e w i e m i t D r e s c h s c h l i t t e n d r e i n f u h r e n , daß die P h i l i s t e r i h r e F e i n d e von G r u n d und Boden v e r t r i e b e n , daß selbst die E h r f u r c h t vor dem Kind im M u t t e r l e i b u n d vor den Toten g e s c h w u n d e n ist. s o n d e r n a u c h das. daß in Israel a r m e h i l f l o s e u n d d a z u noch u n s c h u l d i g e Volksgenossen g e k n e c h t e t u n d z e r t r e ten w e r d e n d u r c h g e l d g i e r i g e M a c h t h a b e r , daß das V e r h ä l t n i s von Vater und Sohn z e r s t ö r t w i r d _ W e n n die H ö r e r j e n e Frevel bei den F e i n d e n v e r u r t e i l t e n und b e f r i e d i g t sind, daß i h r Gott sie mit g e r e c h t e m G e r i c h t vergilt, w i e viel m e h r gilt d a n n i h r e i g e n e s Urteil i h n e n selbst, die sie g e g e n e i g e n e Volksgenossen n i c h t a n d e r s h a n d e l n a l s jene gegen i h r e F e i n d e " (105). D a h e r s i n d a u c h "die h y p e r b o l i s c h e n V o r w ü r f e »zertreten«, »aus dem Weg r ä u m e n « _ in der Absicht

Die konkretisierte Strafandrohung in Am 2J3-16

71

de man den Israel-Spruch daher als redaktionelle Anfügung an die Fremdvölker-Sgrüche streichen, ließe sich nur schwer einsichtig machen, was sie wollen. Denn die einst von Wiirthwein in die Diskussion gebrachte These, die Fremdvölker-Sprüche seien als indirekte Heilsorakel für Israel zu verstehen und stammten aus Amos heilsprophetischer Zeit,' 5 9 ist in der weiteren Forschung zu Recht aufgegeben worden. Als Präludium des als Klimax fungierenden Israel-Spruchs lassen sie sich dagegen problemlos verständlich u 160 machen.

3.4.: Die konkretisierte

Strafandrohung

in Am 2,13-16

Wie die konkretisierte Anklage des Israel-Spruchs (Am 2,6b-8 x .12a) durch Glossierungen (Am 2,7aa.bß.8aß.bß) und einen heilsgeschichtlichen Rückblick (Am 2,9-11.12b) erweitert wurde, ist auch die konkretisierte Strafandrohung (Am 2,13-16) nicht in ihrem genuinen Wortlaut bzw. Aufbau t r a diert worden. Zwar treten noch immer einige Exegeten für deren literarische Unversehrtheit ein; 16 ' aber auch hier gewinnt zunehmend die Einsicht an Raum, Am 2,13-16 verfüge auf Grund der Doppeltnennung einiger Termini außerhalb des Parallelismus membrorum (*?!? in Am 2,14aa u. 2,15aß; T 0 3 in Am 2,14b u. 2,16a; 013 in Am 2,14aa und 2,16b; YDK in Am 2,14aß u. 2,16a) sowie der dreimaligen Verwendung des Verbs t3/Q, zweimal mit (Am 2,14b.15b) und einmal ohne Objekt (Am 2,15aß), über zu literarkritischen Konsequenzen nötigende Unausgeglichenheiten. Zur Lösung derselben werden zwei verschiedene Wege beschritten. Der erste besteht darin, in Am 2,(l3.)l4-16 Streichungen vorzunehmen. Dabei existiert allerdings nicht einmal annähernd Einigkeit über deren Umfang: So wollen Zeijdncrib2 und Ab-

gewählt. diese Ähnlichkeit mit den Unmenschlichkeiten der Feinde zu unterstreichen" (105, Anm. l). 158

Vgl. J. Jeremias. Völkersprüche. 91: "Ein Völkergedicht mit der Unwiderruflichkeitsaussage, aber ohne die Israelstrophe ist ein Unding".

159 Vgl. E. Wiirthwein. Amos-Studien. 93-98. bes. 96: "Die Erkenntnis, daß Arnos nicht immer n u r Unheilsprediger war. sondern eine Zeitlang als Nabi die Funktion übte, das Heil seines Volkes durch seine Verkündigung (besonders gegen die Feinde) _ zu mehren und zu sichern, bietet eine _ zwanglose Erklärung f ü r das Problem der Völkergedichte _". 160 Vgl. R. Smend. Nein. 410. 161

Zu n e n n e n wären hier E. Sellin. Zwölfprophetenbuch. 200 (» 2./3. Aufl.); L. Köhler. Amos. 14: H. E. W. Fosbroke / L. S. Lovett, Amos. 790; J. Theis. Amos. 118Γ; M. Schumpp. Propheten. 106 u. 113Γ: A. Deissler. Amos. lOlf; T. H. Robinson. Amos. 81; W. Rudolph. Amos. 138: F. Nötscher, Zwölfprophetenbuch, 720.

162

Vgl. H. Zeijdner. Bijdragen to te tekstcritiek op het O.T. ThSt 4 (1886). 196ff. bes. 201 f.

72

Der Israel-Spruch (Am 2,6-16)

wack163 Am 2,15aß.b.l6a, Lohr16* Am 2,15, Winter165 Am 2,15f, Weiser166 Am 2,(l3bß)l4b.l5, Weimar 6 7 Am 2,(l3bß)l5.16a, Praetorius168 Am 2,14b. 15aß.l6, Dietrich169 Am 2,15aß.b.l6 und Fleischer 7 0 Am 2,14b.l5f streichen, während die Mehrzahl der Exegeten' 7 1 (nur) Am 2,14b.l5aß für redaktionell erachtet. — Der zweite, bisher relativ selten beschrittene Weg besteht darin, innerhalb von Am 2,14-16 Textumstellungen vorzunehmen, um so den angenommenen ursprünglichen Parallelismus wieder herzustellen: So nahm Baumann72 an, die Abfolge sei einst Am 2,13.14a.l6(OTP 01ΊΪ> Ό*? γ θ ΐ θ ) . 14b.l5aa.b gewesen,' 7 3 während Harper174 Am 2,15aßlll4aa.l6alll4aß.l6ba (1t2?Q3 O^CP Vi1? m~li)i)lll4b.l5b+16bß(»inn UV2 DUP DICH nDTl)lll5aa für ursprünglich hielt; einen dritten, ohne Streichungen oder Umformulie175

rungen auskommenden Umstellungsversuch legte Rendtorff vor: Er versetzte Am 2,15aß einfach hinter Am 2,14aa (Am 2,13 u. 2,14aalll5aß.l4aßl I14b.l5aalll5b u. 2,16), worin ihm Reimer176 jüngst nachfolgte. Bevor wir uns selbst zu den Unausgeglichenheiten innerhalb von Am 2,14-16 äußern, gilt es einen Blick auf Am 2,13 zu werfen. Von Weiser 177 163

Vgl. D. W. Nowack. Propheten. 128. - Vgl. dazu K. Marti, Dodekapropheton. 171: "Das A u f f a l l e n d e der dreimaligen Wiederholung des g l e i c h e n Ausdrucks CÒD·» 1ÖE» hat man nicht mit ZEIJDNER. NOWACK durch Weglassung von v. 14b-16a fern zu halten; die Wiederholung k e n n z e i c h n e t vielleicht mit Absicht das gleic h e Schicksal, das a l l e trifft - .

164

Vgl. M. Lohr, Untersuchungen. 5-7 (ohne ausdrücklichen Bezug auf LXX!). — Vgl. hierzu F. Hitzig. Propheten. 103; W. R. Harper. Amos. 60 und IC. Marti, Dodekapropheton, 171: Das Fehlen von Am 2.15 in m a n c h e n LXX-Handschriften "beruht wohl auf dem Abirren des Schreibers von dem Ende des V. 14 auf das g l e i c h l a u tende Ende von V. 15".

165

Vgl. A. Winter, Analyse. 336.

166

A. Weiser. Profetie. 98. Uber diese Streichung hinaus änderte Weiser a u c h in Am 2,16a mit der LXX den Wortlaut, um dort, w i e in den vorangehenden Versen, einen Parallelismus membrorum zu erlangen (ähnlich: E. Sellin. Zwölfprophetenbuch, 210f (= 2./3. Aufl.); vgl. hierzu die kritischen Einwände von Α. B. Ehrlich, Randglossen. 233 ("schwerlich das Ursprüngliche") und K. Budde. Text I. 75.

167

Vgl. P. Weimar. SchluA. 82, Anm. 88.

168

Vgl. F. Praetorius, Bemerkungen, 13.

169

Vgl. W. Dietrich. Israel. 325.

170

Vgl. G. Fleischer, Menschenverkäufer, 41.

171

Vgl. E. Balla, Scheltworte. 21. Anm. 4 f : B. Duhm. Anmerkungen. 4: H. W. Wolff. Amos, 160; L. Markert, Struktur. 72f; H. Gese. Komposition, 94; G. Fohrer, Propheten, 26; P. Riessler. Propheten, 70 u. 73; J. Jeremias, Völkersprüche. 86; H. N. Rosei, Studien. 92; J. Jeremias, Erdbeben. 25, Anm. 35; E.-J. Waschke, Vision, 441.

172

Vgl. E. Baumann. Aufbau, 26.

173

Am 2.15aß hält er für einen redaktionellen Nachtrag.

174

Vgl. W. R. Harper. Amos, 63.

175

Vgl. R. Rendtorff. Zu Amos 2.14-16. ZAW 85 (1973), 226f.

176

Vgl. H. Reimer. Recht. 51.

177

Vgl. A. Weiser, Profetie, 97.

73

D i e k o n k r e t i s i e r t e S t r a f a n d r o h u n g in Am 2J3-16 178

und Weimar abgesehen, wird der Vers bis heute in seiner vorliegenden Form als genuine Einleitung der konkretisierten Strafandrohung des I s r a e l Spruchs verstanden. Nun ist bereits verschiedentlich gesehen worden, "daß das ''DíiíT Π3Π ν 13 auf das "'DÍK ν 9 zurückweist, also ν 13 als Folgerung ,7179 aus ν 9 verstanden werden muB . Dann aber kann es sich zumindest bei den ersten beiden Worten des Verses schwerlich um originäre Bestandteile handeln, da Am 2,9 (vgl. § 3.1.) eine redaktionelle Hinzufügung aus s p ä t - d t r Zeit ist. Analog zu den konkretisierten Strafandrohungen der F r e m d v ö l k e r Sprüche, die stets mit einem Verb der 1. Pers. Sg. AK eingeleitet werden, halten wir daher auch in A m 2,13 eine ursprüngliche Einleitung in der Form ""Γΐήρ^ΡΓΙΤ für wahrscheinlich. In dieser Angleichnung von Am 2,13a an Am 2,9aa d ü r f t e sich die Überarbeitung von A m 2,13 aber keineswegs erschöpft haben, wofür vor a l l e m die jetzige metrische Struktur spricht. Denn während in der vorausgehenden konkretisierten Anklage und den in Am 2,15 nachfolgenden Versen der konkretisierten Strafandrohung durchweg Bi-Cola vorliegen, ist Am 2,13 das einzige Tri-Colon innerhalb der Struktur. Zudem ist umstritten, ob es zur Zeit des Amos bereits Erntewagen gab, mit denen 180

man Stroh oder G e t r e i d e vom Feld in die Scheune einbrachte; sollte es sie nicht gegeben haben, h ä t t e man es Am 2,13 mit einem Anachronismus zu tun. A m 2,13 daher jedoch vollständig zu streichen, ist nicht notwendig. Denn 181 182 183 schon Praetorius, Sellin, Weiser und Weimar erkannten, da ή "der Schluß des Verses »der voll ist von Garben« ... ein stilistisch nicht besonders geschickter Zusatz eines S p ä t e r e n " 1 8 4 sein d ü r f t e . ' 8 5 Handelt es sich bei Am 2,13bß aber um einen späteren, das Wort r f ? ^ aus Am 2,13bj?rr _ DK und Ί ^ η ΠΪ3Ί ΠΡΠΓΠΟΧ eingeleitet. Eine derartige Verbindung zwischen dem Stossen in die Trompete ("13*12?) und einem drohenden Unheil (î~liî~l) lasse sich in der Bibel neben Jer 4,5f; 6,1 aber nur noch in Am 3,6 nachweisen. Hieraus jedoch zu schließen, Jer 6,1-8 setze Am 3,(3-)6.9-12 voraus, ist keineswegs zwingend. Vielmehr kann gerade die inhaltliche Ähnlichkeit von Jer 6,1 mit Am 3,6 einen späteren Leser dazu veranlaßt haben, auf Grund dieser Am 3,9-11 unter Bezugnahme auf Jer 6,1-8 nachzutragen. Zugunsten dieser Überlegung spricht auch die Einsicht von Koch, daß "das Thema Palastzerstörung ... schon in der Völkerkomposition ... eine beherrschende Rolle für alle Staaten (spielt) (Am l,14ff)— außer (Nord-)lsrael". Er vermutet daher, daß "hier ... die entsprechende Palastweissagung »nachgetragen« und der Serie von Unheilsweissagungen gegen das eigene Volk vorangestellt" 3 9 werde.

6.2.: Das zweite Wort gegen Samaria (Am

3,12-15)

Am 3,12 ist ein Vers, dessen literarkritische Abgrenzung seit jeher Probleme bereitet. So ist nicht nur umstritten, ob Am 3,12 tatsächlich eine ge40 genüber Am 3,9-11 neue Texteinheit beginnt, sondern vor allem, wo sie ihr Ende findet. Während einige Exegeten dieses bereits mit Am 3,12ba bzw. vor Am 3,13 42 erreicht sehen, betrachten andere noch Am 3,13 43 bzw. (einen . 44 Grundbestand von) Am 3,13-15 als genuine Fortsetzung von Am 3,12. 38

Aa.O, 336.

39

K. Koch. Amos II. 19.

40

F ü r e i n e u n m i t t e l b a r e F o r t s e t z u n g von Am 3,9 11 w i r d Am 3,12(a.boc) von f o l g e n den E x e g e t e n g e h a l t e n : D. W. Nowack, P r o p h e t e n , 131; J. S c h a r b e r t , P r o p h e t e n , 107f; J. Theis, Amos, 120f; J. A. Soggin. Amos. 60f; F. I. A n d e r s e n / D. N. F r e e d m a n , Amos. 401; S. M. P a u l , Amos, 115 u. 119: evt. F. Hitzig. P r o p h e t e n . 106f u. J. Lindblom. G a t t u n g , 79.

41

Vgl. G. H o f f m a n n , V e r s u c h e , 102; J. W e l l h a u s e n . P r o p h e t e n , 77; A. Jepsen, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 72f u. 82·. H. GreAmann. G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g . 340; L. Köhler, Amos, 71; O. P r o c k s c h . S c h r i f t e n , 73; A. W e i s e r . P r o p h e t i e . 145; V. Maag, Text, 16f; G. F o h r e r , P r o p h e t e n , 4 4 ; I. Willi-Plein, V o r f o r m e n , 23.

42

Vgl. E. Reuß. Amos, 71: Κ. Marti. D o d e k a p r o p h e t o n . 176; D. G u t h e , Amos, 35; Α. W i n t e r . Analyse, 339; E. Balla, Scheltworte. 12Γ; E. Sellin, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 215 ( 2./3. Aufl.); H. G e s e . Beiträge. 4 2 7 f : H. W. W o l f f , Amos. 234f; I. W i l l i - P l e i n . Vorf o r m e n . 23-25; L. M a r k e r t . S t r u k t u r , 101; A. D e i s s l e r . Amos. 105; Η. R e i m e r . Recht. 82.

43

Vgl. H. M c K e a t i n g , Amos. 29; T. H. Robinson. Amos, 83; W. Rudolph. Amos. 158 u. 162 ("V. 13 m i t s e i n e m f e i e r l i c h e n Abschluß ist e i n e n a c h t r ä g l i c h e K l a m m e r , um

133

D a s z w e i t e Wort gegen Samaria (Am 3J2-15)

Ursache der disparaten Abgrenzungsvorschläge ist vor allem der Aufmerksamkeitsruf in Am 3,13a. Während Am 3,12-15 nach vorn durch die P D - F o r m e l (Am 3,12aoc) und nach hinten durch die Gottesspruchformel (Am 3,151ιγ) sowie den einen Neueinsatz markierenden Aufmerksamkeitsruf in Am 4 , l a a abgegrenzt wird, stellt Am 3,13 vor Probleme. Denn es ist unklar, an wen der Aufmerksamkeitsruf von Am 3,13 ergeht: a ) Sollten wie in Am 3,9 Philister und Ägypter angesprochen sein, 4 5 läge es nahe, in Am 3,13-15 eine gegenüber Am 3,12 separate Sprucheinheit zu sehen. Doch handelt "es sich in V 13 um etwas ganz anderes ... als um die 46 Begutachtung von geschehenem Unrecht in der Hauptstadt . Zudem ist die Funktion der Am 3,9 herbeigerufenen "Gutachter" bereits mit der Anklage in Am 3,10 zu Ende, 47 und hat Gott schon in Am 3,11 « den Angeklagten in direkter Anrede das Urteil gesprochen". 4 8 \

49

b ) Wohl aus diesem Dilemma heraus schlug Hoffmann 1883 erstmalig vor, Am 3,12bßy zu Am 3,13-15 zu ziehen, und in den dort genannten "Bewohnern Samarías" das Subjekt des Aufmerksamkeitsrufs in Am 3,13 zu s e hen. 5 0 Dagegen spricht aber, daß "eine solche Anrede nicht vor dem 1ÌJQE? stehen kann, sondern wie in iv 1, viii 4, wo eine solche Anrede in der "1ÏÎDE?Einleitung eines Drohspruches auftaucht, dem Imperativ nachgestellt werden muß". 51 Zudem würde auf diese Weise "fast das gleiche Problem für den Rest des V. 12" entstehen: "Es würde eine Anklage fehlen, die sonst in dem abschließenden Partizipialsatz als Apposition zu ! 0 zu erkennen .. „ 52 ware . c ) Nimmt man dagegen an. Am 3,13 diene als Abschlußformel von Am 3,12, und Am 3,14f sei eine eigenständige Texteinheit, 5 3 entstehen neue Probleme: Erstens wäre zu fragen, ob ein sonst stets zur Einleitung eines Spruchs dienender Aufmerksamkeitsruf überhaupt die Funktion einer Schlußformel einnehmen kann; zweitens würde Am 3,14f mit seinem einleitenden die u r s p r ü n g l i c h selbständigen Stücke V. 9-11 und V. 12 zu e i n e r Verkündigungse i n h e i t zu verbinden, u n d gehört also der Redaktion an"). 44

Vgl. B. D u h m . A n m e r k u n g e n . 5: S. M i t t m a n n . Bett. 149ff : J. Jeremias. Jakob. 150Γ.

45

So etwa E. ReuB. Amos. 71. Anm. 4; F. Hitzig, Propheten. 107; C. von Orelli. Prop h e t e n . 67; J. W e l l h a u s e n , Propheten. 77; M. Schumpp. Propheten, 118: L. Köhler. Amos. 71; Κ. Koch. Amos II. 21; M. D. Carroll. Contexts. 198.

46

J. Jeremias. Jakob. 151.

47

Vgl. W. Rudolph. Amos. 162.

48

Ebd_

49

Vgl. G. H o f f m a n n . Versuche, 102.

50

W e i t e r e Vertreter dieser A u f f a s s u n g werden Anm. 41 g e n a n n t .

51

H. Gese. Beiträge. 428, der hierbei auf O. P r o c k s c h s e n t s p r e c h e n d e n Umstellungsvorschlag im Apparat der 3. Auflage der BHK hinweist. Ä h n l i c h ä u ß e r t e sich a u c h H. W. Wolfr, Amos, 235.

52

H. W. W o l f f . Amos. 235.

53

Vgl. h i e r z u Anm. 43.

134

S p r ü c h e gegen S a m a r i a (Am 3,9-4,3)

Ό recht unvermittelt einsetzen; drittens wäre unklar, welche logische V e r bindung zwischen der Gerichtsankündigung gegen den Altar von Bet-El (Am 3,14) und der gegen die Häuser (Am 3,15) besteht. Läßt sich der Aufmerksamkeitsruf in Am 3,13 somit innerhalb von Am 3.12-15 nicht verständlich machen, bleibt nur, ihn literarkritisch auszugrenzen. Ob mit einer Ausscheidung von Am 3,13 aber bereits alle sich mit Am 54

3.13-15 stellenden Probleme gelöst sind, scheint fraglich. Denn in Am 3,9-4,3 hat man es ansonsten mit Gerichtsankündigungen gegen Samaria und seine Bewohner, Am 3,14 dagegen mit einem gegen Bet-El und seinen Altar gerichteten Wort zu tun. 5 5 Macht bereits das es wahrscheinlich, neben Am 3,13 auch Am 3,14 für redaktionell zu halten, 5 6 wird diese Überlegung durch eine weitere Beobachtung zur Gewißheit: Während sich für Am 3,12 (vgl. Am 6,12) und Am 3,15 (vgl. Am 6,11) entsprechend dem konzentrischen Kom57 positionsmodell in Am 6 Paralleltexte finden, fehlen solche für Am 3,13f. Sind in Am 3,12-15 somit drei Textpartien zu unterscheiden (Am 3,12; 3,13f; 3,15), ist nun ihr redaktionsgeschichtlicher Ort zu bestimmen. Dabei gilt es vor allem zu klären, ob es sich 1.) bei Am 3,15 um die ursprüngliche Fortsetzung von Am 3,12 handelt und was 2.) aus der Tatsache folgt, daß Am 3,13f über keinen Pendanttext in Am 6 verfügt.

6.2.1.: Überlegungen

zur redaktionsgeschichtlichen von Am 3,12 und 3,15

Einordnung

Ist Am 3,12bßy seit jeher mit Am 3,12a.ba verbunden gewesen, ergeben sich zwei Möglichkeiten zur metrischen Gliederung der in diesem Vers enthaltenen "hochpoetische(n) Vergleichsrede" (Mittmann): 54

In diesem S i n n ä u ß e r t e sich etwa Α B. E h r l i c h . Randglossen. 237.

55

Vgl. S. M i t t m a n n . Bett. 151.

56

F ü r e i n e A u s s c h e i d u n g von Am 3.13Γ s p r a c h e n sich a u c h S. M i t t m a n n . Bett. 150Γ: P. W e i m a r , SchluB. 97f: E. Z e n g e r , B o t s c h a f t . 400. Anm. 37: G. F l e i s c h e r . M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 2 4 6 f f : H. Reimer. Recht. 85 und J. J e r e m i a s . Jakob. 151Γ a u s . D i e m e i s t e n a n d e r e n E x e g e t e n plädieren dagegen lediglich d a f ü r , e i n i g e T e x t t e i l e inn e r h a l b von Am 3.13Γ a u s z u s c h e i d e n : 1.) Am 3,13b: J. A. Soggin. Amos, 64: — 2.) Am 3.13.14a: D. G u t h e . Amos. 35: Κ. M a r t i . D o d e k a p r o p h e t o n , 177: — 3.) 3.13b.l4bœ H. W. W o i r f . Amos, 237: L. M a r k e r t , S t r u k t u r , 99; — 4.) Am 3 J 4 b : D. W. Nowack, P r o p h e t e n , 132f: M. Lohr, U n t e r s u c h u n g e n . 12: Β. D u h m , A n m e r k u n g e n , 5: J. Wellh a u s e n , P r o p h e t e n , 78: A. Winter, Analyse. 340: A. J e p s e n . Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 82; E. Sellin. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 217: K. Budde. Text I. 90: R. F. M e l u g i n . F o r m a tion, 382 u. 386; — 5.) Am 3.14b«: I. W i l l i - P l e i n . V o r f o r m e n . 2 4 f ; J. V e r m e y l e n , Isaie II. 548.

57

Vgl. a b e r die z u B e g i n n zu § 6.2.2. g e m a c h t e n A u s f ü h r u n g e n . Ob m a n die Auss c h e i d u n g von Am 3.13Γ überdies mit dem f o r m a l e n A r g u m e n t b e g r ü n d e n k a n n . Am 3.12 u n d Am 3 J 5 läge Poesie, Am 3.13f a b e r Prosa vor (so S. M i t t m a n n . Bett. 151), läfit s i c h a n g e s i c h t s der ü b e r a u s s c h w i e r i g e n m e t r i s c h e n V e r h ä l t n i s s e i n n e r halb von Am 3,12-15 n i c h t sagen.

Z u r E i n o r d n u n g von Am 3,12 u n d 3 J S

135

1.) M a n kann einerseits mit G e s e 5 8 den Spruch entsprechend der ihm eigenen Zweiteilung in Bild- (Am 3,12a) und S a c h h ä l f t e (Am 3,12b) zweizeilig strukturieren und ein M e t r u m von 5+4(2+2) Hebungen annehmen: 19:16 im IK Ε Γ Β - ΰ t i e m i · η κ π ^ q ü π ϊ η π ^ χ · » ntöXD 27:16 6 n » p ö m m HÜD rownii t r a t f T i ^ΧΊΕ?·- -»m ρ rnotón .

59

2.) Man kann andererseits mit Mittmann Am 3,12 vierzeilig s t r u k t u r i e ren, wobei ein Wechsel von Zeilen mit 3+2 und 2+2 Hebungen stattfindet: 3+2 · η χ π "'SD πϊηπ 12:7 2+2 IX E P S m Til» 8:8 3+2 γηοιζη cmern ^xrw*1 ibsr ρ i5:i2 2+2 2?ΊΪ) p l ö D T n ntOD n X Q n 7:9 Betrachtet man beide Strukturierungsversuche unter kolometrischcn G e sichtspunkten, verdient der Vorschlag von Gese den Vorzug, da er zu gleichmäßigeren Cola führt. Zwar hat man bei ihm das Problem, daß das e r s t e H e m i - C o l o n des zweiten Bi-Colons mit 27 Konsonanten erheblich länger ist als das entsprechende Hemi-Colon im vorangehenden Glied. Diese Schwierigkeit läßt sich aber relativ mühelos durch die Streichung der W o r t e O D beheben, wodurch auch hier ein aus 19:16 Konsonanten bestehendes Bi-Colon entsteht. Nun sollte man mit Streichungen aus (kolo)metrischen Gründen zurückhaltend sein, sofern sie nicht durch entsprechende inhaltliche Gründe unterstützt werden. Die jedoch liegen in unserem Fall vor. So sah bereits Weiser, daß der Ausdruck 3D das Volk in seiner G e s a m t heit im Blick hat, unter den Q^DtöTl aber nur die Bewohner Samarías zu verstehen sind. Diesem sachlichen Einwand korrespondiert die bereits früher (vgl. § 3.2. u. 5.3.3.-Ende) gemachte Einsicht, Am 3,la(+ I D X ' ? ) , wo ebenfalls von den gesprochen wird, gehe auf die Hand eines Redaktors zurück. Daher d ü r f t e ihm auch die Einfügung der W o r t e "'IO in Am 3,12b in).ba.6aß.b.7 als zusammengehörig zu erkennen, während historische bzw. sprachliche Erwägungen es nahelegten. Am 6,2.3b einem vermutlich nach 711 wirkenden und Am 6,5b einem sich 67

Aa.O, 239.

68

Ebd_

69

Aa.O. 239f, wo sich auch eine Darstellung der entsprechenden Belegstellen rindet.

70

Αλ.Ο, 240.

71

Ebd_ - Ähnlich äußerte sich bereits F. Praetorius. Bemerkungen. 20. Vgl. auch H.-J. Krause, hoj als profetische Leichenklage Uber das eigene Volk im 8. Jahrhundert. ZAW 85 (1973). 26: "Auffällig ist _ das hinter 1aken eingefügte atta, das nicht zu einer Zukunftsweissagung paßt _**.

164

R e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e Analyse von Am 6

chronistischen Vokabulars bedienenden Redaktor zuzuschreiben; wohin Am 6,lbß dagegen gehört, muBte bisher offen bleiben.

7.1.2.: Verortung der Am 6,laa(ohne " l "inJ.fta.6aß.6.7 umfassenden Redaktionsschicht Zeichnete sich der Am 6,laß(+ " , "in).3a.4.5a.6aa umfassende Grundbestand durchgängig durch den Gebrauch von Doppel-Dreiern, Partizipien der 3. Pers. PI. Aktiv, 7 2 einer Beschränkung auf das Nordreich (Samaria!) sowie der Sorglosigkeit als Thema aus, brachte die Hinzufiigung von Am 6 , l a a ( o h ne " , 'in).ba.6aß.b.7 eine erhebliche Veränderung von Form und Inhalt mit sich: Statt aktiver Partizipialformen wurden finite Verbformen ein Adjektiv (Am 6 , l a a ) und ein passives Partizip (Am 6,Iba) verwandt; die ursprüngliche Begrenzung auf das Nordreich wurde zugunsten einer Einbeziehung Judas (vgl. Am 6,la ' , in).3a.4.5a.6aa u m f a s s e n d e r W e h e r u f , der sich gegen die Bewohner Samarías und deren, sich in musikalisch u n t e r m a l t e n E ß - und Trinkgelagen m a n i f e s t i e r e n d e Sorglosigkeit richtet. C h a r a k t e r i s t i s c h für diesen Spruch ist der G e b r a u c h von D o p p e l d r e i e r n und P a r t i z i p i a l f o r m e n der 3. P e r s . PI. mask. Daß diese nicht zufällig gewählt sind, ergibt sich aus dem gemäß dem konzentrischen Kompositionsmodell als P e n d a n t t e x t zu Am 6,1-7 anzusehenden Text A m 4,1-3 . Im Unterschied zu Am 6,Iff finden A m 4,1 nämlich Partizipien der 3. P e r s . PI. fem. Verwendung. D a h e r d ü r f t e sich A m 6,Iff nicht allgemein gegen die sorglose Oberschicht S a m a r í a s , s o n dern im K o n t r a s t zu Am 4,1-3 speziell gegen deren männliche Mitglieder richten. Doch nicht nur über den Am 6,Iff und Am 4 , 1 - 3 gemeinsamen G e b r a u c h von Partizipien sowie die hier wie dort begegnende Rede von der Trinklust werden beide T e x t e miteinander v e r k l a m m e r t , sondern auch in der A r t , wie das mit Unterdrückung und Mißhandlung anderer einhergehende (vgl. A m 4,1a) s c h w e l g e r i s c h e Dasein der Bewohner S a m a r í a s gesühnt w e r den soll. Z w a r fehlt dem Grundbestand von Am 6,1 ff eine e x p l i z i t e G e richtsankündigung, wie sie ein s p ä t e r e r Redaktor in Am 6,7 nachtrug; u n v e r kennbar aber soll "das wohl ursprünglich der Totenklage zugehörige Ό Π ... χ

deutlich machen", daß dem sorgenlosen Treiben der Am 6,1 ff A n g e s p r o c h e 86 nen b e r e i t s "der Keim des Todes ... innewohnt". Damit begegnet A m 4 , 1 - 3 X

und A m 6,Iff g l e i c h e r m a ß e n die Ankündigung des Todes als S t r a f e , ohne daß explizit gesagt wird, wodurch er h e r b e i g e f ü h r t wird. b ) Ein e r s t e r , wohl zwischen 7 2 2 / 1 (= Fall des N o r d r e i c h s ) und 711 (= Z e r s t ö r u n g G a t s ) wirkender Redaktor a r b e i t e t e den ursprünglich nur gegen das N o r d r e i c h g e r i c h t e t e n Spruch durch Hinzufügung von A m 6,lacx(ohne " , "in).ba.6aß.b.7 zu einer an das Südreich g e r i c h t e t e n Mahnung mit didakt i s c h e m C h a r a k t e r um. Sinn des so ü b e r a r b e i t e t e n Spruchs war nunmehr, die Führer Judas (Zion) dazu a u f z u f o r d e r n , aus dem geschehenen U n t e r g a n g des Nordreichs e n t s p r e c h e n d e Schlüsse zu ziehen, da es ihnen sonst wie diesen e r g e h e n w e r d e . Entsprechend diesem retrospektiv-pädagogischen C h a r a k t e r p r ä z i s i e r t e der Redaktor die im Grundbestand des Spruchs noch o f f e n g e l a s s e n e F o r m der S t r a f e : Das "'ΙΠ der Totenklage, unter dem das s o r g l o s e H a n d e l n im Grundbestand noch stand, wird zu einer Deportationsankündigung hin präzisiert (Am 6,7). Da sich dasselbe Phänomen b e r e i t s in Am 4,1-3 b e o b a c h t e n ließ, wo die Beschreibung einer Bergungs- und Beseitigungsaktion von Leichen durch die Hinzufügung der W o r t e ΠΠ33 (Am 4,3a) e b e n f a l l s zu einer Deportationsankündigung u m i n t e r p r e t i e r t wurde, ist hierin der V e r s u c h einer gegenseitigen Textabstimmung zu sehen. Ob sie allerdings b e r e i t s vom A m 6 , l a a ( o h n e " 1 in).ba.6aß.b.7 g r e i f b a r e n oder von einem e r s t s p ä t e r wirkenden Redaktor, eventuell gar vorgenommen wurde, muß o f f e n bleiben. c ) Schon bald nach der Hinzufügung von 6 , l a a ( o h n e " , in).ba.6aß.b.7 e r fuhr der Spruch durch die Einschaltung von Am 6,lbß.2.3b eine w e i t e r e 86

G. Wanke. ^ K und ''in. ZAW 78 (1966). 218.

168

Redaktionsgeschichtliche Analyse von Am 6

Überarbeitung. Intention derselben war es, den pädagogisch-mahnenden Charakter der vorangehenden ersten Redaktionsschicht noch nachdrücklicher herauszuarbeiten. Daher wird das Haus Israel (Am 6,lbß), unter dem das Südreich (!) zu verstehen ist, aufgefordert, sich das Geschick einiger Israel umgebender Völker, als deren Spitzenvertreter sie sich fühlen, vor Augen zu führen, um zu erkennen, daB ihr arrogantes Selbstwertgefühl lediglich auf Einbildung beruht. d) Ein dritter und letzter Glossator, der sich auf Grund seines chronistischen Vokabulars als in nachexilischer Zeit wirkend zu erkennen gibt, fügte schließlich Am 6,5b hinzu.

7.2..- Überlegungen

zur Genese und Einordnung von Am

redaktionsgeschichtlichen 6,8-10

Redaktionsgeschichtlich betrachtet gehört Am 6,8-10 zu den am schwierigsten verortbaren Texteinheiten des Amosbuchs. "Einerseits beginnt mit einer Schwurformel keine eigene Einheit, andererseits ist 6,1-7 ein in sich gerundetes Wehewort". 8 7 Dieser auffälligen (Nicht-)Zugehörigkeit von Am 6,8(-10) zu Am 6,1-7 korrespondiert die früher gemachte Beobachtung, daß Am 6,8-10 gemäß dem konzentrischen Kompositionsmodell über keinen ihm entsprechenden Pendattext vor Am 4,1 verfugt (vgl. § 6.2.2.). Hieraus ließe sich entweder folgern, Ä**· habe Am 6,1-10 als in sich geschlossene Texteinheit verstanden, der es in Am 4,1-3 lediglich einen Pendanttext gegenüberzustellen galt; oder man könnte Am 6,8-10 als einen erst nach R * * dem Amosbuch zugewachsenen Passus ansehen. Zusätzlich kompliziert wird das Ganze durch die zwischen Am 6,8 und Am 3,13(f) bestehenden sprachlichen Bezüge. Denn Am 3,13 ist Bestandteil eines möglicherweise einmal nicht zwischen Am 3,12 und Am 3,15, sondern vor Am 4,1 stehenden Textpassus (Am 3,13f ; vgl. § 6.2.3.), eben jener Stelle, an der der Pendanttext von Am 6,8-10 zu erwarten wäre.

7.2.1.: Am 6,8 Daß Am 6,8 seit jeher mit Am 6,9f zusammengehört, ist relativ unwahr88

scheinlich, da Am Fortsetzung bedarf. berichtender Prosa 6,8) zu einer Rede

6,8 auf Grund seiner inhaltlichen Abgerundetheit keiner Außerdem findet ein Übergang von Poesie (Am 6,8) zu (Am 6,9f) sowie ein Wechsel einer Rede Gottes (Am über Gott (bes. Am 6,10b) statt. 8 9 Daher ist Am 6,8

87

J. Jeremias. Jakob. 147. - Anders A. Weiser. Profetie, 242. der Am 6,8 als direkte Fortsetzung von Am 6,7 versteht.

88 89

Vgl. A. Weiser, Profetie. 214f. Vgl. H. W. Wolff, Amos. 325; L. Markert. Struktur. 173f : 1. Willi-Plein, Vorformen.

169

Am 6.8

nicht im Verbund mit Am 6,9f, sondern separat auf seinen redaktionsgeschichtlichen Ort hin zu untersuchen. Einen ersten Ansatzpunkt zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Am 6,8 bietet die den Spruch eröffnende Schwurformel. Denn wenn Gott hier wie in Jer 51,14 bei seiner iÖQÜ schwört, so ist das wohl gleichbedeutend mit einem Schwur Gottes »bei sich selbst« (Gen 22,16; Ex 32,13; Jes 45,23; Jer 22,5; 49,13), »bei seiner Rechten« (Jes 62,8), »bei seinem großen Namen« (Jer 44,26), »bei seiner Heiligkeit« (Am 4,2; Ps 89,36), »bei seinem Zorn« (Ps 95,11) oder »bei seiner Treue« (Ps 89,5θ); 9 0 ob auch Gottes Schwur »beim Stolz Jakobs« (Am 8,7) hier einzureihen ist, sei offengelassen. Nun sind diese Belegstellen — sieht man von Am 4,2 einmal ab — durchweg 91

erheblich jünger als Amos. Legt bereits das die Vermutung einer späteren Abfassung nahe, gewinnt diese These durch die sprachliche Verkoppelung von Am 6,8aß ( n W l S "'Π1?** ^ " D K ! ] ) mit Am 3,13b und von Am 6 , 8 a r (DpS)"1) mit Am 3,13a an Wahrscheinlichkeit. Daher ist Jeremias zuzustim92 men, der Am 6,8 als so etwas wie eine Fortschreibung von 6,1-7 beur93

teilte, die durch die Vorwürfe gegen Samaria aus Am 3,9-4,3 bestimmt wird. Über ihn hinausgehend ist die Bezugnahme von Am 6,8 auf Am 3,9-4,3 jedoch dahingehend zu präzisieren, daß lediglich die Schwurformel in Am 6,8 als eine Nachbildung der in Am 4,2 zu beurteilen ist, während die zwischen Am 6,8 und Am 3,13 bestehenden Bezüge eher eine Zuriickführung auf denselben Redaktor nahelegen. Für eine Spätdatierung von Am 6,8 spricht zudem die den Vers abschließende Aussage: "Ich liefer(t)e die Stadt und ihre Fülle (= Bewohner?) aus". Denn hinter ihr scheint sich die Ansage eines Feindangriffs zu v e r b e r 94

gen. Da die der Erwartung eines feindlichen Angriffs Ausdruck verleihenden Passagen sich bisher stets als von redaktioneller Hand verfaßt erwiesen haben (vgl. Am 2,14-16; 3,9-11), dürfte selbiges auch für Am 6,8 gelten. 43; J. A. Soggin, Amos. 107f; A. D e i s s l e r . Amos, 120Γ; J. J e r e m i a s . Jakob, 147. 90

Vgl. J. J e r e m i a s . Jalcob. 143. D i e dort a n g e f ü h r t e n Textbelege sind a l l e r d i n g s u n vollständig!

91

Bei G e n 22.16 h a n d e l t es sich g e m ä ß E. B l u m . Komposition. 363Γ u m e i n e n Bes t a n d t e i l e i n e r D(tr)-Schicht; Ps 89 w u r d e gemäA H.-J. K r a u s . P s a l m e n II, 784 in der Zeit z w i s c h e n Josija u n d dem Exil verfallt; Ps 95 g e h ö r t ins U m f e l d der dtr T h e o l o g i e (vgl. H.-J. K r a u s . a a . O , 829). Z u r D a t i e r u n g von Am 8.7 vgl. d i e in § 11.1. g e m a c h t e n A u s f ü h r u n g e n .

92

J. J e r e m i a s . Jakob. 147.

93

Ebd_

94

Vgl. H. Ewald. P r o p h e t e n . 158; A. W i n t e r . Analyse. 350; K. Budde. Text I. 125; E. Sellin. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 246 (= 2V3. Aufl.); K. M a r t i , D o d e k a p r o p h e t o n , 203; F. Nötscher, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 731; A. D e i s s l e r . Amos. 120. — G ä n z l i c h u n b e s t i m m t h i n s i c h t l i c h s e i n e r Aussage wird Am 6.8b von F. Hitzig. P r o p h e t e n . 122 v e r s t a n d e n ("In "ΤΊΟΠ liegt n o c h n i c h t das U e b e r a n t w o r t e n »in F e i n d e s Hand«, w a s sonst w o h l dabei stände, s o n d e r n _ n u r d i e Ein- u n d A b s c h l i e s s u n g . in deren Folge V. 9 die S t e r b l i c h k e i t ü b e r h a n d nimmt"), w ä h r e n d e i n i g e a n d e r e Exegeten in Am 6,8-10 d u r c h g ä n g i n g e i n e (Pest-)Seuche a n g e k ü n d i g t s e h e n (vgl. § 72.2.).

170

Redaktionsgeschichtliche Analyse von Am 6

In letztgenanntem Zusammenhang ist der Beobachtung Feys Aufmerksamkeit zu schenken, daB das Gotteswort in Am 6,8 aßy erst von Am 3,10b voll verständlich wird, insofern die Paläste als von Gott verhaßt gelten (Am 6,8), weil in ihnen ΟΠΠ und 12? angehäuft werden (Am 3,10b). 95 Nun v e r dankt sich die Nennung der Paläste in Am 3,10b zwar erst einer späteren Hand (vgl. § 6.1.). Dennoch ist die von Fey zwischen Am 6,8 und Am 3,10b gesehene Beziehung auffällig. Denn auch Am 3,9-11 gipfelt in einer Feindandrohung und verfügt gemäß dem konzentrischen Kompositionsmodell über keinen entsprechenden P a r a l l e l t e x t . Überdies begegnet die Rede vom "jlìO ^pï)" 1 innerhalb des Amosbuchs nur noch in Am 8,7, einem Text, der ebenfalls außerhalb der konzentrischen Struktur steht und Bestandteil einer s e kundär in den Visionszyklus eingearbeiteten Einschaltung ist (vgl. § 11.1.). Hieraus darf man jedoch keineswegs sogleich schlußfolgern, Am 6,8 sei wie Am 3,9-11 und Am 8,7 erst nach der Wirksamkeit von J R ^ dem Amosbuch zugefügt worden. Denn Am 8,7 liegt eine zitatartige Bezugnahme auf Am 6,8 vor (vgl. § 11.1.), setzt den Text also als Bestandteil der Ringkomposition bereits voraus. Folglich ist auch die zwischen Am 6,8aßy und Am 3,10b bestehende Beziehung mittels Zitationstechnik verständlich zu machen, so daß Am 3,10b eine redaktionelle Explikation von Am 6,8aßy ist. Ist bei der redaktionsgeschichtlichen Auswertung der sprachlichen Bezüge zwischen Am 6,8 und Am 3,9-11; 8,7 folglich Zurückhaltung geboten, können wohl nur die zwischen Am 6,8 und Am 3.13(f) bestehenden weiterhelfen. Die bereits vorgetragene Annahme eines einzigen Verfassers vorausgesetzt, ist auch Am 6,8 in der (nach)exilischen Zeit anzusetzen (vgl. § 6.2.3.). Dann aber läßt sich zwischen Am 3,13f und Am 6,8 neben der sprachlichen noch eine interessante inhaltliche Verknüpfung beobachten: Während Am 3,13f das an Israel zu vollziehende Gottesgericht als Abschlagen der "Horner d e s Altars" beschreibt, kündigt Am 6,8b die Auslieferung "der Stadt und ihrer Fülle" an. Da das Abschlagen der "Hörner des A l t a r s " in Am 3,13f aber eine Umschreibung für die Zerstörung des J e r u s a lemer Tempels sein dürfte, mag man in der Ankündigung der Auslieferung "der Stadt und ihrer Fülle" in Am 6,8b eine Umschreibung für die Eroberung Jerusalems durch die Babylonier sehen. Folglich läge sowohl Am 3,13f* als auch Am 6,8 ein sich auf die Zerstörung Jerusalems beziehendes vaticinium ex eventu vor.

7.2.2.: Am 6,9f Obwohl Am 6,9f sich auf Grund diverser Stilbrüche als ursprünglich nicht mit Am 6,8 zusammengehörige Texteinheit zu erkennen gibt (vgl. § 7.2.1.), scheint zwischen beiden Texten dennoch eine inhaltliche Aufeinanderbezogenheit zu bestehen. Denn während in Am 6,8 die Stadt mit ihrer 95

Vgl. R. Fey. Amos, 38. Anm. 6.

171

Am 6.9f

Bewohnerschaft allgemein bedroht wird, will Am 6,9f dieses Bedrohtsein offenbar an einer Gruppe von zehn, dem Am 6,8b geschilderten Feindangriff (vorläufig) entkommenen M ä n n e r n / M e n s c h e n verdeutlichen. 9 6 Zugunsten dieses Verständnisses sprächen möglicherweise die zwischen A m 5,3 und Am 6,8b.9 bestehenden Analogien, da hier wie dort die Begriffe "Stadt", "zehn (Männer)" und "Haus" im Kontext kriegerischer Handlungen verwendet w e r den. Andererseits nimmt das Gros der E x e g e t e n an, Am 6,9(f) sei nicht vom Tod durch Feindeshand, sondern durch eine (Pest-)Seuche die Rede. 9 8 Folglich würde zwischen Am 6,8 und Am 6,9f keine inhaltliche Beziehung b e s t e hen, es sei denn, man versteht Am 6,8b statt als Ankündigung eines Feind99

angriffs als Ankündigung einer Quarantäne. Daß dies allerdings eine von Am 6,9f her bewußt vorgenommene Uminterpretation von Am 6,8b ist, darauf wies bereits Ehrlich100 hin. U r s a c h e des unterschiedlichen Verständnisses von A m 6,9f ist der ü b e r aus schwer verständliche und teilweise wohl z e r s t ö r t e W o r t l a u t des Textes. So setzt Am 6,9 mit der Beschreibung einer vermeintlich i r r e a l e n Situation ein ("wenn ..."), die sich durch ΓΡΠΠ als bewußte Anknüpfung an Am 6,8b zu erkennen gibt. Damit legt sich für Am 6,9 etwa folgender Sinn nahe: Selbst wenn es in einem Haus zehn M ä n n e r / M e n s c h e n geben sollte, die sich der Auslieferung der Stadt und ihrer Bewohnerschaft in Feindeshand entziehen konnten, werden sie dennoch den Tod finden. Dieses Verständnis von Am 6,9 erweist sich bei genauerem Hinsehen freilich in mehrfacher Hinsicht als problematisch: a) Wenn in einem einzigen Haus zehn M ä n n e r / M e n s c h e n 96

Vgl. W. Rudolph. Amos. 224; F. I. A n d e r s e n / D. N. F r e e d m a n , Arnos. 573.

97

Vgl. F. I. A n d e r s e n / D. N. F r e e d m a n . Arnos. 572: "The p i c t u r e of ten r e f u g e e s in a s i n g l e h o u s e could be explained if they crowded into a city, p e r h a p s a f t e r t h e d e f e a t of 5:3. Note t h e r e f e r e n c e to »house of Israel« t h e r e . It could b e t h e s a m e »ten«". — E i n e m ö g l i c h e B e z i e h u n g z w i s c h e n Am 6,8b.9 u n d Am 5,3 s a h e n a u c h : F. Hitzig, P r o p h e t e n , 122f; P. L o h m a n n , T e x t k o n j e k t u r e n , 277; B. D u h m , A n m e r k u n g e n , 13 u n d K. Budde, Text I, 126.

98

F o l g e n d e Exegeten r e c h n e n damit. Am 6,8 läge die A n k ü n d i g u n g e i n e s F e i n d a n g r i f f s . Am 6,9f a b e r e i n e S e u c h e n / P e s t - S c h i l d e r u n g vor: H. Ewald, P r o p h e t e n , 158; J. W e l l h a u s e n . P r o p h e t e n . 87; K. M a r t i . D o d e k a p r o p h e t o n . 203Γ; Κ Budde. Text I. 126; E. Sellin, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 246 (= 2./3. Aufl.); Α. B. E h r l i c h , R a n d g l o s s e n . 245; C. von Orelli. P r o p h e t e n . 76; J. Lindblom. G a t t u n g . 88: H. W. W o l f f . Amos. 327; F. Nötscher, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 731; F. I. A n d e r s e n / D. N. F r e e d m a n , Amos, 573. — G ä n z l i c h s i n g u l ä r ist dagegen die Ansicht von F. P r a e t o r i u s , Bem e r k u n g e n . 20f. Am 6J8(.9f) sei a u f dem H i n t e r g r u n d e i n e s E r d b e b e n s zu v e r s t e hen.

99

So e t w a B. D u h m . A n m e r k u n g e n , 12; A. J e r e m i a s , D a s Alte T e s t a m e n t im L i c h t e des Alten Orients, 1930, 719; M. S c h u m p p , P r o p h e t e n , 130; H. M c K e a t i n g . Amos. 51; G. F o h r e r . P r o p h e t e n , 45.

100

Vgl. A. B. E h r l i c h , Randglossen, 245: "Dieser u n d der f o l g e n d e Vers, d i e Z u s t ä n d e b e s c h r e i b e n , w i e sie z u r Z e i t e i n e r Pest h e r r s c h e n , sind e i n s p ä t e r e r E i n s c h u b , der a u f M i s s v e r s t ä n d n i s von Τ Π 3 0 Γ Π in V. 8 (sc. im S i n n e von " u n t e r Q u a r a n t ä n e s t e l l e n " ) beruht".

172

R e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e Analyse von Am 6

iibrigfaleiben, kann kaum an die Bewohner eines normalen Einfamilienhauses gedacht sein; 1 0 1 b) es läßt sich nur schwer einsichtig machen, warum hier so betont von einem Haus gesprochen wird; c ) syntaktisch ist nicht klar, ob "lnDI noch Teil der Protasis ist ("Wenn zehn Männer in einem Haus übrig sind und sterben, dann ...") oder bereits zur Apodosis gehört ("Wenn zehn Männer in einem Haus übrig sind, dann w e r d e n / s o l l e n sie sterben ..."). — Gänzlich undurchsichtig wird das Verständnis von Am 6,9, sobald man Am 6,10 in die Betrachtung mit einbezieht. So ist nicht nur das Subjekt des einleitenden Verbs der 3. Pers. Sg. masc. unklar, sondern auch das Bezugsobjekt des an ihm befindlichen Suffixes der 3. Pers. Sg. masc.. Ließe sich erstgenanntes Problem noch dahingehend beantworten, daß im biblischen Hebräisch die Handlung zweier verschiedener Personen (hier: des Ύ Π und des durchaus mittels einer singularischen Verbform zum Ausdruck gebracht werden kann, läßt sich gleiches für die Verwendung eines singularischen Suffixes für eine größere Gruppe von Menschen nicht sagen. Eine Reihe von Exegeten konjiziert daher im Anschluß an die L X X die suffigierte Verbform (= 3. Pers. Sg. masc.) unter Beibehaltung des Konsonantenbestands in (= 3. Pers PI. masc.). 1 0 2 Doch vermag auch diese, auf den ersten Blick elegant scheinende, Lösung die Inkongruenz zwischen der Am 6,9 genannten Zehnzahl an Männern/Menschen und dem auf sie gehenden singularischen Suffix nicht zu lösen, da das Suffix der 3. Pers. Sg. masc. an durch die gleichlautenden Suffixe an 1 Π und ^HDQ gestützt wird. — Unklar ist schließlich, zwischen wem das Gespräch am Ende von Am 6,10 geführt wird: Findet es zwischen dem Ί Π und ^""lOD oder zwischen einem der beiden und einer sich im Haus verbergenden dritten Person statt, die von den zehn Männern/Menschen übrigggeblieben ist? Zugunsten letztgenannter Möglichkeit wies man gelegentlich darauf hin, Am 6,9f sei nirgends vom Hineingehen des Π Ί oder ^ I D D ins Haus die Rede. Folglich müsse das G e spräch zwischen einem von ihnen und einer noch im Haus verbliebenen P e r son stattfinden. Das aber ist in zweifacher Hinsicht problematisch: Zum einen, weil der Wortlaut von Am 6,9 offensichtlich den Tod aller zehn M ä n n e r / M e n s c h e n voraussetzt; zum anderen, da zu Beginn von Am 6,10 von einem "Erheben" und "Herausbringen" der Q^QSJ) die Rede ist, was implizit ein vorheriges Betreten des Hauses durch den "ΓΠ und/oder voraussetzt. Zur Lösung all dieser Probleme sind unzählige Vorschläge unterbreitet worden. Von ihnen kommt keiner ohne Textkonjekturen, Umstellungen, E r gänzungen oder Streichungen aus, besonders, was den Ubergang von Am 6,9 zu Am 6,10 anbelangt. Dabei berief man sich gelegentlich auf die Lesart der L X X : και άποθανουνται, και ύπολειφτήΰονται οι κατάλοιποι, και λήμψονται 101

Vgl. Ε. Sellin. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 246 (= 2./3. Aufl.): "Die Z a h l von 10 M ä n n e r n ist f ü r die a l t p a l ä s t i n i s c h e n H ä u s e r e i n e a u f f a l l e n d h o h e , es m u t s i c h um e i n e n Palast h a n d e l n " .

102

Vgl. I. W i l l i - P l e i n . V o r f o r m e n . 43.

Am 6.9f

173

oí οικείοι, αυτών και (oí) παραβιω(ν )tat 1 0 3 του έξενέγκαι τα όοτα αυτών έκ του οίκου. Ins Hebräische zurückübersetzt würde sie ungefähr folgendem Wortlaut entsprechen: _ ? _ J 1 Ο Γ Τ Η Π ί Κ Ε φ ΓΡΊΧΕ? (1)"1ΠΤΊ 1ΠΏ1 D n b S ï Î n ^ n - I D ΪΟΧΙΠ 1 ?. Sollte der LXX-Text nicht auf einer Verbesτ

: -

104

serung des unverständlichen M-Textes, sondern auf einem ursprünglicheren hebräischen Text basieren, werden die meisten der genannten Probleme von Am 6,9f hinfällig. Denn gemäß der Lesart der LXX scheinen sich im Haus nicht nur zehn Männer (δέκα άνδρες), sondern auch deren Familienangehörige aufgehalten zu haben. Diese blieben nach dem Tod jener in ihm noch übrig (και ΰπολειφτήοονται oí κατάλοιποι), werden in Am 6,10(LXX) als "ihre Haushaltsangehörigen" (οί οικείοι αύτών = Π Γ Ρ Τ Π ) bezeichnet und brachten "ihre Gebeine" (τα οατα αύτών = D D b ^ P ) aus dem Haus heraus. Neben den syntaktischen Schwierigkeiten des M-Textes findet durch die Lesart der LXX aber auch die Frage nach der Ursache des Todes der zehn Männer eine plausible Antwort. Wenn nämlich ihrer Lesart gemäß lediglich die (zehn) Männer den Tod finden, der Rest der sich im Haus befindlichen Menschen aber überlebt, spricht das eher dafür, den Tod jener Männer als eine Kriegsfolge und nicht als Seuchen/Pest-Tod zu verstehen. Doch egal, ob man der LXX-Lesart folgt oder nicht — Am 6,9f erweist sich neben den bereits zu Beginn von § 7.2.1. genannten formalen Gründen in jedem Fall als Fortschreibung des seinerseits redaktionellen Verses Am 6,8. 1 0 5 Als redaktionsgeschichtlicher Ort ist dabei die Zeit kurz nach der Wirksamkeit von R R K anzunehmen. Für eine Ansetzung nach /? RK spricht dabei, daß Am 6,8.11 in Am 3,13f .15 über Pendanttexte verfügt, Am 6,9f dagegen isoliert steht (vgl. § 7.2.3.); daß Am 6,9f nicht lange nach R**- ins Amosbuch eingebracht wurde, ergibt sich auf der anderen Seite aus Am 8,3.7, wo neben Am 6,8 (vgl. Am 8,7) auch bereits auf Am 6,9f (vgl. Am 8,3) zitatartig zurückgegriffen wird (vgl. § 11.1.).

103

Statt des f i n i t e t i Verbs π α ρ α φ ΰ ί ν τ α ι (= sie z w i n g e n ) ist h i e r w o h l m i t Aquila o í π α ρ α β ι ω τ α ι z u lesen, "einem im G r i e c h i s c h e n s i n g u l ä r e n Wort, das e n t w e d e r » D a n e b e n l e n b e n d e « . a l s o N a c h b a r n , oder »Überlebende« b e d e u t e n muH" (W. R u dolph, Amos. 222).— Vgl. J. Theis, P r o p h e t e n . 127: "Statt des k a u m v e r s t ä n d l i c h e n mesarepho V. 10a »sein V e r b r e n n e r « ist n a c h dem S i n n ( s ) v i e l e r hebr. H a n d s c h r i f t e n u n d n a c h dem π α ρ α β ι ω τ α η . der LXX sekheno »sein A n w o h n e r « oder »sein Nachbar« z u lesen".

104

In diesem S i n n e äuAerte s i c h vor a l l e m W. Rudolph. Amos, 222 im Z u s a m m e n h a n g der von d e r LXX (bzw. Aquila) f ü r 1Q10D1 g e b o t e n e n Lesart x s i o í " παραβιωταε "Da n i c h t zu e r k e n n e n ist. w a s f ü r ein hebr. Wort z u g r u n d e liegt _ h a t G a l l e m A n s c h e i n n a c h n u r g e r a t e n u n d h i l f t u n s n i c h t weiter".

105

Vgl. Α. B. E h r l i c h . Randglossen. 245; H. W. W o l f f . Amos. 325 u. 327; L. M a r k e r t . S t r u k t u r . 173f: J. A. Soggin. Amos, 107; J. J e r e m i a s , Jakob, 147; evt. a u c h A. W i n t e r . Analyse. 350f.

174

R e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e A n a l y s e v o n Am 6

7.2.3.: Am 6,1 If Im Gegensatz zum Am 6,9f umfassenden, über keinen Pendanttext in Am 3f verfugenden, Textpassus läßt sich ein solcher für Am 6,llf wieder mühelos in Am 3,15 (par. Am 6 , l l ) und Am 3,(3-6)12 (par. Am 6,12) aufzeigen. Dieser Einsicht korrespondiert die Annahme einiger Exegeten, Am 6,11(f) sei die ursprüngliche Fortsetzung von Am 6,8. 1 0 6 Ihr scheint zwar der zwischen Am 6,8 und Am 6,11 stattfindende Wechsel von der 1. zur 3. Pers. entgegenzustehen; dieses Argument verliert aber seine Stichhaltigkeit, wenn man Am 6,8.11(f) als redaktionell zusammengestellt b e t r a c h t e t . 1 0 7 Für die in § 6.2.2. u. § 6.2.3. aufgeworfene Frage nach dem ursprünglichen Ort von Am 3,13f ergibt sich somit, daß er sich wohl hinter Am 3,15 befand. W e i terhin dürften Am 3,13f und Am 6,8 der Spruchkomposition nicht erst nach Fertigstellung der ihr zugrundeliegenden Ringkomposition zugefügt worden sein, sondern ihr bereits in der von Ä®* geschaffenen Fassung angehört haben, die bezüglich Am 3,(3-6)12-4,3 und Am 6,1-8.11 f so aussah: Am 3,(3-6)12 Am 3,15 Am 3,13f x Am 4,1-3* Am 6,1-7 X Am 6,8 Am 6,11 Am 6,12 Sollten die Ausscheidung von Am 6,9f und die Umstellung von Am 3,13f hinter Am 3,15 richtig sein, ist die in der Literatur gelegentlich begegnende Beurteilung von Am 6,8ff als einer wahllosen Sammlung kleinerer N a c h t r ä ge 1 0 8 als ungerechtfertigt zurückzuweisen. Zwar läßt Am 6,8ff an sich kaum erkennen, warum hier derart verschiedene Sprüche aufeinanderfolgen. Angesichts der Am 3-6 zugrundeliegende Ringstruktur findet ihre Anordnung aber eine äußerst plausible Erklärung. Besonders eindrücklich läßt sich das an Am 6,1 lf aufzeigen. Isoliert b e trachtet, kann man fragen, welcher Zusammenhang zwischen der Ankündigung der Häuserzerstörung in Am 6,11 und dem weisheitlich geprägten Bildwort in Am 6,12 besteht. Von Am 3,12.15 her aber wird deutlich, daß so, wie dort das Drohwort von Am 3,12 in der Strafansage von Am 3,15 inhalt106

Vgl. J. W e l l h a u s e n . P r o p h e t e n . 87; D. W. N o w a c k , P r o p h e t e n . 146: F. P r a e t o r i u s . B e m e r k u n g e n . 20; I. W i l l i - P l e i n . V o r f o r m e n . 87; P. W e i m a r . S c h l u f t . 97. A n m . 146; e v t l . A. D e i s s l e r , A m o s , 121 ("6.11 g e h ö r t t h e m a t i s c h z u 8"), H. R e i m e r , R e c h t , 145Γ u n d D. G u t h e . Amos. 41. d e r Am 6.9f h i n t e r Am 6 J 1 u m s t e l l t (= Am 6 j . l l . 9 f ) .

107

Vgl. F. P r a e t o r i u s , B e m e r k u n g e n . 20.

108

Vgl. IC. B u d d e , T e x t I, 128 ("Die V e r s e m a c h e n d e n E i n d r u c k z u s a m m e n g e l e s e n e r B r u c h s t ü c k e " ) ; H. W . W o l f f , Amos, 326; W. R u d o l p h . Amos. 2 2 5 r f : Α. D e i s s l e r , A m o s , 120 ( " e i n e r e d a k t i o n e l l e »Reste«-Sammlung")¡ Η. Ν. R o s e i . S t u d i e n , 98.

Am 6.11

175

lieh präzisiert wird (vgl. § 6.2.1.), auch Am 6,12 als Begründung der S t r a f ansage von A m 6,11 zu verstehen sein dürfte. Daß diese Zusammenhänge sämtlichst redaktionell durch die Verknüpfung von vormals sicherlich in a n deren Kontexten stehenden Sprüchen bzw. Spruchfragmenten geschaffen wurde, ist dabei unerheblich. Will man jedoch hinter R ^ nach den von ihm v e r a r b e i t e t e n Quellen und ihrem Alter zurückfragen, ist jeder Spruch eigenständig zu analysieren.

7.2.3.1.: Am 6,11 Am 6,11 ist in sich nicht einheitlich, sondern läBt deutliche Spuren r e d a k tioneller Arbeit erkennen. Das hat schon Wolff gezeigt und Am 6,llaoc als sekundäre Verknüpfungsformel bestimmt. Im einzelnen führte er folgende Argumente an: a ) Die Art, wie Am 6,11 in Am 6,1 l a a mit dem Vorangehenden verknüpft wird, ist "den »Worten des Amos aus Thekoa« in Kap. 3-6 und den alten Zyklen ... fremd"; b) "zudem wird Drohung (sc. Am 6,8) mit Drohung (sc. A m 6 , l l ) verbunden"; c) "als sekundäre Verknüpfungsformel ist l l a a auch dadurch ausgewiesen, daß dem angekündigten Gebieten" G o t t e s 109

kein G o t t e s w o r t folgt, sondern eine Aussage über sein Tun in 3. Person . W u r d e Am 6 , l l a a dem Drohwort Am 6,11 aber erst redaktionell v o r g e s c h a l tet, 1 1 0 muß es sich bei Am 6,llaß.b zwangsläufig um einen älteren Spruch handeln. Zusätzlich gestützt wird diese Annahme durch den Einsatz von Am 6,llaß.b mit einem waw consecutivum. Das spricht dafür, in der Ankündigung der H ä u s e r z e r s t ö r u n g nicht nur einen ä l t e r e n Spruch, sondern ein Fragment eines ursprünglich umfangreicheren Drohworts zu sehen. 1 1 1 Angesichts des Am 3 - 6 zugrundeliegenden konzentrischen Kompositionsmodells, dem gemäß Am 6,11 in Am 3,15 seinen ihm entsprechenden Pendanttext findet, w ä r e zu überlegen, ob nicht beide V e r s e nicht einmal Bestandteil ein und desselben Spruchs waren, dessen sich R b e d i e n t e , um durch Splitting aus ihm zwei Sprüche zu extrapolieren: Am 3,15 und Am 6,11. Für diese Überlegung spricht auch die gelegentlich geäußerte Vermutung, 1 1 2 A m 6,11 sei wie Am 3,15 auf dem Hintergrund eines Erdbebens zu verstehen. Dann aber dürften Am 3,15 und Am 6,11 als vom Propheten Amos stammende Texte zu b e u r teilen sein, da die Ankündigung eines Erdbebens sich bisher stets als das Charakteristikum seiner Sprüche zu erkennen gab.

109

H. W. Woirr. Amos. 326. - Vgl. L. Markert, Struktur, 171f u. 175.

110

Gemäfi P. Weimar. Schluß, 97 verdankt sich Am 6Jlaac einem judäischen Redaktor.

111

So auch A. Weiser. Profetie. 200: H. W. Woirr, Amos. 326 und L. Markert. Struktur. 175.

112

Vgl. F. Praetorium Bemerkungen. 20 und A. Weiser, Profetie. 200Γ u. 215.

176

Redaktionsgeschichtliche Analyse von Am 6

7.2.3.2.: Am 6,12 Bei Am 6,12 handelt es sich um ein in der vom R , R K geschaffenen zyklischen Komposition nicht nur über einen, sondern über zwei Pendanttexte verfügendes Wort: Am 3,3-6 und Am 3,12 (vgl. § 6.2.3.). Mit Am 3,3-6 stimmt Am 6,12 vor allem hinsichtlich der Satzstruktur überein (Π + DK), 1 1 3 mit Am 3,12 insbesondere bezüglich der Applikation einer im bäuerlichen Leben spielenden Situation (Am 3,12a; 6,12a) auf ein analoges Ergehen (Am 3,12b) bzw. Handeln (Am 6,12b) der Reichen Israels. Diese doppelte Beziehungvon Am 6,12 sowohl zu Am 3,3-6 als auch zu Am 3,12 hat weitreichende Konsequenzen für die redaktionsgeschichtliche Beurteilung von Am 3,(7f)9-ll: 1.) Man wird nicht umhin kommen, Am 3,(7f)9-ll als späteren Nachtrag zur von R R K geschaffenen zyklischen Spruchkomposition zu beurteilen, da diese Verse über keinen Pendanttext in Am 6 verfügen (vgl. § 6.2.3.). 2.) Es ist davon auszugehen, daß Am 3,3-6(-8) und Am 3,12 in dem von /jRK geschaffenen Spruchzyklus direkt aufeinanderfolgten. Deshalb brauchte er ihnen mit Am 6,12 auch nur einen Pendanttext gegenüberzustellen. Wesentlich schwieriger gestaltet sich demgegenüber die Frage, ob Am 6,12 ein von R R K vorgefundener oder ein erst geschaffener Spruch ist. Galt der kritischen Forschung die amosische Verfasserschaft des Verses bisher als unzweifelhaft, 1 1 4 haben sich neuerdings einige vereinzelte Stimmen gemeldet und sie in Frage zu stellen versucht. So vertrat Vermeylen die Ansicht, Am 6,12 sei als eine "relecture postexilique" 11 " 5 anzusprechen, während Weimar ihn als Bestandteil einer "in sich mehrfach gestufte(n) redaktionellein) Erweiterung" 1 1 6 qualifizierte. Fleischer, der diese Verortung von Am 6,12 angesichts ihrer rein thetischen Behauptung als "eine Verlegenheitslösung" charakterisierte, gab immerhin zu bedenken, daß "sich V 12 doch zumindest durch die mit paragogicum gebildete Verbform verdächtigt (macht), die im Amosbuch nur noch im sekundären Vers 6,3b ... belegt 117

ist . Trotzdem beurteilte auch er Am 6,12 als ein Einzellogion, gegen dessen amosische Herkunft nichts zwingend spricht, das aber andererseits auch keine eindeutigen Zuweisungsindizien enthält". 1 1 8 Lassen sich folglich vom Am 6,12 vorliegenden Sprachbefund her keine Schlüsse auf den V e r f a s 113

Vgl. H. W. Wolff. Amos, 330; A. Deissler. Amos. 121; V. Fritz. Amosbuch. 39.

114

Vgl. aber A. Weiser, Profetie, 198Γ und E. Auerbach, Überarbeitung. 9, der Am 6,12-14 als redaktionelle Hinzufügung beurteilte, dies allerdings nicht begründete.

115

J. Vermeylen, Isaie II. 565.

116

P. Weimar. SchluA. 96. Anm. 140.

117

G. Fleischer. Menschenverkäufer, 123, Anm. 125. — Eine gänzlich andere Erklärung des Sachverhalts bietet dagegen V. Maag. Text. 41: "Der erste Stichos stellt o f f e n b a r ein Zitat aus uralter Spruchweisheit dar. _ Daraus erklärt sich auch die archaistische Endung "|V.

118

A^.O- 148.

Am 6.12

177

ser des Verses ziehen, können allein Überlegungen formaler Art weiterhelfen. Sollte ÄR1C Am 6,12 bereits vorgefunden haben, dürfte Am 6,12 mit hoher Wahrscheinlichkeit vom selben Verfasser wie Am 3,3-6 und Am 3,12 stammen. Da dieser überdies wohl für die Niederschrift des vom Propheten selbst bzw. von einem unbekannten Zeitgenossen des Amos stammenden Grundbestands des Völker- und Visionszyklus verantwortlich ist (vgl. § 4.6. u. § 6.2.3.), läge in diesem Fall eine Zuriickfiihrung von Am 6,12 auf Amos durchaus im Bereich des Möglichen. 119 Andererseits verfugt Am 6,12a über 120 auffällige Parallelen zu Am 5,7. Sie legen es nahe, einer der Sprüche könnte als Vorlage des anderen gedient haben. Berücksichtigt man dabei gemäß dem zyklischen Kompositionsmodell die Zusammengehörigkeit von Am 5,7 mit Am 5,10f (vgl. § 9.5.), scheint die inhaltliche Kongruenz zwischen Am 5,7 und Am 5.10(f) erheblich größer zu sein als die zwischen Am 6,12a 121

und Am 6,12b. Für die in Erwägung gezogene Möglichkeit, entweder Am 5,7 oder Am 6,12 könnte dem jeweils anderen Spruch nachgebildet worden sein, würde das eine Abhängigkeit von Am 6,12b von Am 5,7 wahrscheinlicher erscheinen lassen als umgekehrt. Folglich dürfte Am 6,12 nicht vom Propheten Amos oder einem seiner Zeitgenossen, sondern von R9*- stammen, der den Spruch eigenmächtig als Pendanttext zu Am 3, 3-6(-8).12 schuf (vgl. § 9.5.2.1.). 7.2.4.: Am 6,13f Ihren definitiven Abschluß findet die zyklisch strukturierte Spruchkomposition in dem als Pendant zu Am 3,1 f zu verstehenden Text Am 6,13f. Denn wie die in Am 3,1 f Angesprochenen einem fatalen Erwählungsdünkel frönen, so geben sich die in Am 6,13f Angeredeten einer trügerischen Freude und einem unangemessenen Imponiergehabe hin. Nun handelt es sich bei Am 3,2 um ein von R g e s c h a f f e n e s Gebilde (vgl. § 5.1. u. 5.3.), was für die redaktionsgeschichtliche Einordnung von Am 6,13f wesentliche Konsequenzen hat. Wenn nämlich der Endtext von Am 3,lf auf zurückgeht, ist Am 6,13f möglicherweise als von ihm vorgefundener Text zu beurteilen.

119

Vgl. V. Fritz, Amosbuch, 41, nach dessen Ansicht auAer Am 3,12 und 5,3 "alle Sprüche der Sammlung 3-6 mit Ausnahme der weisheitlichen 3.3-6.8; 6.12 _ die geschichtlichen Erfahrungen seit den Eroberungen Tiglatpilesers III." widerspiegeln.

120

Vgl. H. Reimer. Recht. 149f. der sogar soweit geht zu sagen, "daft 5,7* und 6.12b den negativen Rahmen zu der positiven, fast programmativen Forderung in Am 5.24 darstellen" (149Γ). "Am 5,7* und 6,12 als Rahmensätze zum Textstück Am 5,7-6,12* a u f z u f a s s e n sind".

121

H. Reimer. Recht, 149 stellt in diesem Zusammenhang die Frage, "ob diese rhetorischen Fragen (sc. in Am 6.12a) ursprünglich oder sekundär sind".

178

Redaktionsgeschichtliche Analyse von Am 6

Unter rein formalen Gesichtspunkten betrachtet fällt bei Am 6,13f zunächst auf, daß Am 6,13 poetisch, Am 6,14 dagegen prosaisch formuliert ist. 1 2 2 Weiterhin scheint in dem ursprünglich wohl aus zwei Doppeldreiern bestehenden Vers Am 6,13 nach dem ersten Stichos ein Halbvers ausgefal123 len zu sein. Daher wird man kaum umhin kommen, Am 6,14 als eine r e 124 daktionelle Erweiterung von Am 6,13 zu beurteilen.

7.2.4.1.: Am 6,13 Daß der Wortlaut von Am 6,13 in der vorliegenden Form nur wenig sinnvoll ist, versteht sich von selbst. Denn ein sich allein darauf beschränkender Spruch, der Freude über einige (zurück)eroberte Städte Ausdruck zu v e r l e i hen, ist wenig sinnvoll. Da bisher aber kein Amosspruch "mit nackten P a r tizipien" 1 2 5 begann, legt sich die Vermutung nahe, "wenigstens der Anfang 126

dieses Spruches" sei "nur fragmentarisch überliefert". Nun sind Doppeldreier und Partizipien das Kennzeichen des Grundbestands von Am 6,1-6(7) , weshalb sich die Annahme eines zu Beginn von Am 6,13 ausgefallenen "ΊΠ 127

formlich anbietet. Aber nicht nur auf formaler, sondern auch auf inhaltlicher Ebene verfügt Am 6,13 über gewisse Übereinstimmungen mit Am 6,1-6(7)*. 1 2 8 Denn wie dort das falsche Sicherheitsgefühl (Am 6,laß) und das mit ihm einhergehende Sich-Fern-Wähnen vom Unheilstag (Am 6,3a) unter das "Wehe" der Totenklage gestellt werden, so hier das Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten. Da der Grundbestand von Am 6,1-7 nun mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Amos zurückgeht, legen die zwischen Am 6,1-6(7) und Am 6,13 bestehenden formalen und inhaltlichen Übereinstimmungen es nahe, für Am 6,13 selbiges anzunehmen. Zusätzlich gestützt wird diese redaktionsgeschichtliche Einordnung von Am 6,13 durch entsprechende historische Einsichten. Sollten sich die Wirksamkeit des Amos und die im Damaskus-Spruch (Am 1,3-5) erwähnten E r eignisse nämlich tatsächlich am besten aus der Anfangszeit der Regierung Jerobeams II. verständlich machen lassen (vgl. Exkurs 1 und § 2.2.1.), läge 122

Vgl. T. H. Robinson. Amos. 96.

123

Vgl. E. Balla. Scheltworte. 17; O. Procksch, Schriften. 84; J. Lindblom. Gattung. 88; I. Willi-Plein, Vorformen. 44.

124

So auch D. Guthe, Arnos. 42; T. H. Robinson. Arnos, 96; F. Nötscher. Zwölfprophetenbuch, 732; vgl. auch P. Weimar, SchluA. 97, Anm. 146.

125

H. W. Wolff, Amos, 332. - Vgl. J. A. Soggin. Amos, 110.

126

H. W. Wolff, Amos. 332. - Ähnlich äußerte sich auch A. Weiser. Profetie. 231Γ. der Am 6,13 hinter Am 6J umstellte.

127

So auch V. Maag, Text. 42-, I. Willi-Plein. Vorformen. 44·. F. I. Andersen / D. N. Freedman. Amos, 575; evt. K. Budde. Text I, 129f u. H. W. Wolff. Amos. 332.

128

Vgl. Α. Weiser, Profetie, 232 und W. Rudolph. Amos. 227: "Das Kapitel schließt, wie es begonnen hat, mit einem - allerdings kurzen - Weheruf, der sich auch inhaltlich mit V. 1 berührt

179

Am 6,14

es nahe, die Am 6,13 genannte Eroberung von Lo-Dabar ebenfalls um 780 anzusetzen. 130

129

und Karnajim

7.2.4.2.: Am 6,14 Bezüglich des Am 6,14 eröffnenden Ό bemerkte schon Budde: "Das Ό zu Anfang findet an V. 13 keinen AnschluB; es könnte ihn nur dann begründen (Marti), wenn dem DTlDtön eine Bedrohung, zum mindesten ein "ΊΠ, voraufginge: » W e h e euch, die ihr euch freut usw.; d e n n ich erwecke ,« 131

usw.« . Hierdurch wird unsere Auffassung, Am 6,13 habe es sich einmal um einen Am 6,1-6(7) vergleichbaren Wehe-Spruch gehandelt, zusätzlich untermauert. Zudem legt der Grundbestand von Am 6,1-7 es nahe. Am 6,14 außer auf Grund der bereits genannten formalen Gründe (vgl. § 7.2.4.) auch aus inhaltlichen Erwägungen als redaktionelle Nachinterpretation anzusprechen. Denn wie dort das genuine Ό Π der Totenklage in Am 6,7 durch eine Deportationsankündigung in Folge eines Feindangriffs präzisiert wurde (vgl. § 7.1.1. Ende), so soll gemäß Am 6,14 die unter dem ""in stehende Freude über die (zurück)eroberten Gebiete (Am 6,13; 2. Kön 14,25) nicht von Dauer sein, da ein ungenannter Feind sie Israel wieder abnehmen wird. Damit findet man sich mitten in einer bisher stets als sekundär erwiesenen Thematik wieder (vgl. Am 2,14-16; 3,9-11; 6,8). Schon Guthe gelangte daher zu der Erkenntnis: "V. 14 ist wohl ein redaktioneller Abschluß. Sonst greift" Gott 132 "nach Amos selbst ein ...; hier ist ein Volk das Werkzeug ...". Daraus allerdings zu schließen, Am 6,(l3.)l4 stamme von derselben Hand wie der

129

Entgegen der inzwischen gängigen Auffassung, bei Lo-Dabar handle es sich um e i n e n Ortsnamen (vgl. Jos 1326 (Konj.!); 2. Sam 9.4Γ; 1727), tritt J. A. Soggin, Hintergrund. 433. Anm. 1 da Tür ein. hier ein "Wortspiel" zu sehen und übersetzt entsprechend: "Ihr. die Ihr Euch wegen nichts freuet! Ihr. die Ihr sagt: ' Haben wir doch Qarnayim durch unsere Macht erobert ". Was genau er meint, wenn er davon spricht. Am 6,13 läge ein "Wortspiel" vor. legte JL A. Soggin allerdings erst in s e i n e m Amoskommentar dar: "MT and the translations read lelo' däbär, "for nothing', 'without a motive', but there is an obvious play on words between the expressions and lodebar (elsewhere also written lodäbär and lo'-debar), the n a m e of a homonymous place _ In other words, the conquest of Lodebar is not an important event, as the name indicates". - Vgl. S. Cohen, Background, 1S6 u. W. Rudolph. Amos, 227.

130

Vgl. H. W. Wolff. Amos. 334; J. Α. Soggin. Hintergrund. 433f.

131

K. Budde. Text I, 130.

132

D. Guthe, Amos, 42. — Ähnlich äußerte sich auch G. Fleischer. Menschenverk ä u f e r . 221 f: "Dieser redaktionelle, quasi überschriftartige Spruch Am 3,9-11, _ findet seine Entsprechung in _ Am 6,13-14. der ebenfalls militärische Bedrängung f ü r das gesamte Nordreich ankündigt, einen Feind nennt (diesmal •'U) und das Vertrauen auf Sicherheit - diesmal in Form des Pochens auf bisherige militär i s c h e Leistungen - als trügerisch entlarvt".

180

R e d a l c t i o n s g e s c h i c h t l i c h e Analyse von Am 6 133

von einem Feindangriff gänzlich durchdrungene Spruch Am 3,9-11, ist auf Grund kompositioneller Gesichtspunkte relativ unwahrscheinlich. Unter Berücksichtigung der der Spruchkomposition zugrundeliegenden zyklischen Struktur fallen nicht nur die inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen Am 3,2 und Am 6,13 (vgl. § 7.2.4.), sondern auch die vor allem sprachlichen Ubereinstimmungen von Am 3,1 und Am 6,14 auf. So finden hier wie dort die suffigierten Präpositionen DD",i?î) und QDnK Verwendung, während die Am 6,14 gebrauchte Anrede an das Π Ό in Am 3,1 der an die "•^O (LXX: ΓΙΌ!) entspricht. Überdies verfügen sowohl Am 3,l(b) als auch Am 6,14 über Bezüge zum dtr Geschichtswerk, die allerdings auf völlig unterschiedlichen Ebenen liegen: LäBt sich für Am 3,1b (ohne mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Abfassung durch DtrH oder einen ihm nahestehenden Redaktor plausibel machen (vgl. § 5.1.), finden die Worte m - | ï > n b m — I S ) n o n Κ Ό 7 0 (Am 6,14) im dtr Geschichtswerk in 2. Kön 14,25 als Bestandteil eines dem Propheten Jona ben Amittai zugeschriebenen Heilsworts Verwendung (ΓΟΊΪ)Π CP IS) ΓΙΏΠ KO'pD). Da dieses zumindest in seinem Kernbestand (2. Kön 14,25a) allgemein als "eine geschichtliche Notiz" 1 3 4 "aus den offiziellen Quellen" 1 3 5 beurteilt wird, 1 3 6 ist zu f r a gen, ob und wie Am 6,14 und 2. Kön 14,25(a) miteinander in Beziehung stehen. Überblickt man die einschlägige Literatur, wird man schnell der Tatsache gewahr werden, daß sich die meisten Exegeten mit dem Hinweis auf das Vorhandensein gewisser Beziehungen zwischen Am 6,14 und 2. Kön 14,25 begnügen. Ein Erklärungsversuch dagegen wurde bisher nur von sehr weni137 138 gen Gelehrten unternommen."daß So Amos meinten Wolff und Rudolph, es sei nicht abzuschließen, in Eißfeldt, seiner Grenzbeschreibung kritisch auf diese Botschaft (sc. von 2. Kön 14,25) eines zeitgenössischen Heilspro139 pheten Bezug nimmt". In die gleiche Richtung scheinen die Überlegungen 133

Vgl. G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 223: "Am 3,9-11 und 6J3-14 g e h ö r e n also e i n e r R e d a k t i o n a n . die u n t e r dem E i n d r u c k der d r o h e n d e n U n t e r w e r f u n g des N o r d r e i c h s d u r c h d i e Assyrer die B o t s c h a f t des Arnos bestätigt, i n d e m sie e i g e n e S p r ü c h e f o r m u l i e r t , die die s e h r s p e z i e l l e n S c h u l d a u f w e i s e des Amos z u s a m m e n f a s s e n , s e i n e e h e r vage bleibenden U n h e i l s a n s a g e n h i n g e g e n k o n k r e t i s i e r e n " .

134

E. W ü r t h w e i n , K ö n i g e II. 375.

135

F. C r ü s e m a n n . K r i t i k a n Amos im d e u t e r o n o m i s t i s c h e n G e s c h i c h t s w e r k , in: Prob l e m e b i b l i s c h e r Theologie. FS G. von Rad, 1971, 59.

136

Vgl. M. Noth, Studien. 75; A. Jepsen, Q u e l l e n , 80; E. W ü r t h w e i n . K ö n i g e II, 375; W. D i e t r i c h , P r o p h e t i e , llOf u v a . — A n d e r s dagegen F. I. Andersen / D. N. F r e e d m a n . Amos. 585: "The passage (sc. 2. Kön 14,25) _ is m o r e editorial t h a n a n n a l i s t i c " . Später a b e r heiftt e s bei i h n e n : "The detail about J o n a h f o u n d in 2 Kgs 14:25-27 g o e s b a c k to e a r l i e r s o u r c e s or t r a d i t i o n s " (588).

137

Vgl. O. Eißfeldt, Amos u n d Jona in v o l k s t ü m l i c h e r Ü b e r l i e f e r u n g , in: - d e r s . K l e i n e S c h r i f t e n . Bd. 4. 1968. 140.

138

Vgl. W. R u d o l p h . Amos. 228.

139

H. W. W o l f f . Amos, 336. — Vgl. F. C r ü s e m a n n . K r i t i k , 59. A n m . 12.

181

Am 6.14

von Soggin zu gehen, der Am 6,14 als "a negative addition to this oracle" 1 4 0 bezeichnete. Mit einem genau umgekehrten Verhältnis rechneten dagegen Andersen/Freedmam "2 Kgs 14:25-27 hails the achievements of Jerobeam II as canceling and condemning the words of Amos as found in Am 6:14 141

and, indeed, the position taken by Amos throughout his book". Doch so unterschiedlich diese das Verhältnis zwischen Am 6,14 und 2. Kön 14,25(a) bestimmenden Versuche auch sein mögen, ihnen allen scheint die Vorstellung zugrundezuliegen, bei Am 6,14 und 2. Kön 14.25(a) handle es sich um auf die Zeit Jerobeams II. zurückführbare ipsissima verba der Propheten Amos und Jona ben Amittai. Nun wiesen wir bereits darauf hin, daß dies für Am 6,14 aus formalen wie inhaltlichen Gründen relativ unwahrscheinlich ist, während 2. Kön 14,25(a) mit guten Gründen allgemein als ein Exzerpt aus alten Quellen beurteilt wird. Dann aber dürften die zwischen Am 6,14 und 2. Kön 14.25(a) bestehenden Beziehungen nicht durch eine Bezugnahme eines der Propheten auf das Wort seines Konkurrenten, sondern — wenn überhaupt — redaktionsgeschichtlich zu erklären sein.142 Diese grundsätzliche Erkenntnis wirft die Frage auf, wann und von wem Am 6,14 dem Wehe-Spruch Am 6,13 angefügt wurde. Besonderes Augenmerk ist dabei dem literarischen Werden von 2. Kön 14,23-29 zu schenken. Dem ältesten Grundbestand des Texts sind wohl nur 2. Kön 14,23f.28f zuzurechnen, da nur diese Verse über das von DtrH üblicherweise gebrauchte Rahmenschema verfügen. 1 4 3 In sie wurde ein in sich zweistufiges Textgebilde eingeschaltet: die auf DtrP zurückgehende, in ihrem ersten Teil (2. Kön 14,25a) jedoch auf Quellenmaterial beruhende Notiz (s.o.), Jerobeam II. habe gemäß einem prophetischen Verheißungswort das Gebiet "von Lebo-Chamat bis zum Steppenmeer" wiederhergestellt; die von DtrN stammende Korrektur dieses Zusatzes in 2. Kön 14,26f. Ihr ist in 2. Kön 14,27a mit den Worten ba-ifep Dt2?~na m n a 1 ? ^ - i m eine Formulierung zu eigen, deren Verständnis kontrovers diskutiert wird. Übersetzt man sie wörtlich "aber Gott hatte nicht gesagt, den Namen Israels auszutilgen", kann man mit Criisemann fragen, warum Dtr(N) "hier eine Möglichkeit ab(wehrt), nämlich die absolut zukunftslose Vernichtung Israels, die sonst in seinem Werk gar nicht „ 145

auftaucht . Seiner Meinung nach erklärt sich dieser Sachverhalt dadurch, daß Dtr(N) "in 2Kön 14,27 ohne den Namen zu nennen unter Berufung auf Jona ein eindeutiges Nein zur Botschaft des Amos" 1 4 6 spreche, der wiederholt das Ende Israels angesagt habe (vgl. bes. Am 8,2). Daher — so Criise140

J. A. Soggin, Amos. 111.

141

F. I. Andersen / D. N. Freedman, Amos. 588.

142

In diesem Sinne äußerte sich bisher nur Τ. H. Robinson, Arnos. 96.

143

Vgl. E WUrthwein. Könige II. 374.

144

Vgl. W. Dietrich, Prophetie. 34Γ. Anm. 51 und E. WUrthwein. Könige II, 374f.

145

F. Criisemann. Kritik, 62.

146

Ebd.

182

Redaktionsgeschichtliche Analyse von Am 6

mann — sei der SchluB unumgänglich: "Nicht was Amos verkündete, war das Wort" Gottes "zur Zeit Jerobeams II, sondern - trotz allen Drohungen, die 147

über dem Nordreich hingen - die Heilsbotschaft des Jona ben Amittai". Gegen dieses Verständnis von 2. Kön 14,27 machte vor allem Dietrich geltend, Criisemann vernachlässige in unzulässiger Weise die Frage nach den verschiedenen dtr Schichten innerhalb von 2. Kön 14,25-27. Deshalb sei fraglich, ob 2. Kön 14,26f tatsächlich als "die authentische »Interpretation« von V. 25" 1 4 8 angesehen werden könne. Doch selbst, wenn Dietrich darin zweifellos Recht zu geben ist, daB Criisemann dem literarischen Werden von 2. Kön 14,25-27 zuwenig Beachtung schenkte, bleibt die Auffälligkeit der Formulierung von 2. Kön 14,27a dennoch bestehen. Wiirthwein dagegen versuchte das von Criisemann angesprochenen Problem dadurch zu umgehen, daß er\ 2.· Kön 14,27a mit Verweis auf 2. Kön 13,23b -im Sinne von "er hatte t „149 (noch) nicht beschlossen den Namen Israels auszutilgen verstand, und hierin eine Erklärung dafür sah, "warum das Ende nicht schon früher gekommen war". 1 5 0 Es fragt sich aber, warum der Verfasser von 2. Kön 14,27a, wenn er das zum Ausdruck bringen wollte, dies nicht wie in 2. Kön 13,23b klar und deutlich sagte. Ist die von Criisemann in die Diskussion gebrachte These, bei 2. Kön 14,26f handle es sich um ein kritisches Wort der Deuteronomisten (DtrN) an Amos, trotz der gegen sie von Dietrich und Wiirthwein vorgebrachten Argumente auch weiterhin als zumindest im Bereich des Möglichen zu betrachten, kann das für die redaktionsgeschichtliche Einordnung von Am 6,14 dreierlei bedeuten: a) Bei Am 6,14 handelt es sich um einen Textzusatz, den Dtr(N) in seiner Ausgabe des Amosbuchs bereits vorfand, und der daher vor-dtr ist; b) Am 6,14 wurde erst von Dtr(N) dem Amosbuch zugefügt, um so den von ihm in 2. Kön 14,26f geschaffenen Kommentar zur Aussage des Jona ben Amittai (2. Kön 14,25) nicht nur im Blick auf die allgemein formulierte Vernichtung s aus s age in Am 8,2, sondern auch anhand einer konkreten "Weissagung" (Am 6,14) entsprechend zu belegen; c) Am 6,14 verdankt sich einem nach-dtr Redaktor, der den Textzusatz unter Kenntnis von 2. Kön 14,25.26f schuf. Wägt man sämtliche für oder gegen jede einzelne der drei Thesen sprechenden Argumente ab, scheint sich keine von ihnen im Rahmen eines redaktionsgeschichtlichen Abhängigkeitsmodell plausibel machen zu lassen: So steht erstgenannter These vor allem entgegen, daß es sich bei 2. Kön 14.25(a) mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein erst von DtrP ins DtrG eingebrachtes "analistisches Exzerpt" handelt. Sollte zwischen Am 6,14 und 2. 147

A^.O, 62f.

Vgl. M. Cogan / H. Tadmor, II Kings. AB 11. 1988, 161.

148 W. Dietrich, Prophetie. 35. 149

E. Würthwein. Könige II. 376.

150

Ebd.

Am 6,14

183

Kön 14,25(a) also eine redaktionsgeschichtlich zu erklärende Abhängigkeit bestehen, würde das für Am 6,14 auf Grund seines sekundären Charakters gegenüber A m 6,13 eine Abfassung kurz nach der Zeit von DtrP nahelegen. Da zwischen der Wirksamkeit von DtrP (2. Kön 14,25b) und DtrN (2. Kön 14,26f) jedoch keine allzu große Zeitspanne liegen dürfte, erscheint eine derartige Verortung von Am 6,14 relativ unwahrscheinlich. Dasselbe gilt für die der zweiten These zugrundeliegende Erwägung, Am 6,14 als einen von DtrN selbst geschaffenen Zusatz zum Amosbuch zu v e r stehen. Denn einzig für die Am 6,14 eröffnenden Worte D^pD Ό3Π • D ^ î ) läßt sich innerhalb des DtrG in 2. Sam 12,11 (Τ*?!? "133Π) eine über gewisse Ähnlichkeiten mit unserem Text verfügende Phrase finden. Da sie in 2. Sam 12,11 jedoch nicht von DtrN, sondern von DtrP stammen dürfte, 1 5 1 erscheint eine Abfassung von Am 6,14 durch DtrN bzw. einen 152 Deuteronomisten überhaupt sehr fraglich. Die letztgenannte Annahme dagegen, Am 6,14 könnte auf einen nach-dtr Redaktor zurückgehen, ist insbesondere deshalb recht unwahrscheinlich, da sich eine derart späte Abfassung unter inhaltlichen Aspekten kaum v e r ständlich machen läßt. Nach Prüfung sämtlicher Möglichkeiten, die zwischen Am 6,14 und 2. Kön 14,25a bestehenden Parallelen entweder durch direkte Bezugnahme des Amos auf Jona ben Amittai oder umgekehrt bzw. redaktionsgeschichtlich zu erklären, läßt sich an dieser Stelle somit nur ein Negativurteil formulieren: Eine gegenseitige Abhängigkeit der Texte läßt sich nicht verifizieren. Angesichts dieser Erkenntnis lassen sich die zwischen Am 6,14 und 2. Kön 14,25a bestehenden Ähnlichkeit vermutlich nur so erklären: Nach allem, was sich sagen läßt, hat Jerobeam II. bereits zu Beginn seiner Herrschaft die von seinen Vorgängern aufgegebenen Gebiete wieder zurückerobert. Dieser Rcstitutionsprozeß scheint jedoch nicht auf einen Schlag, sondern sukzessive vor sich gegangen zu sein. Am Anfang stand die Rückeroberung einzelner Ortschaften (Am 6,13), am Ende die Wiederherstellung des gemäß einer anscheinend formelhaften Wendung "von Lebo-Chamat bis zum Steppenmeer" reichenden einstigen Reichsgebiets (2. Kön 14,25a). Gegen diese Kriegspolitik Jerobeams II. erhob Amos sein Wort, prangerte die mit ihr einhergehende Selbstherrlichkeit (Am 6,13) und Sorglosigkeit (Am 6,3a) an und stellte sie unter das ΉΠ der Totenklage. Als 722/1 dieses Ή Π Wirklichkeit wurde, e r gänzte man die Wehe-Sprüche von Am 6,Iff und Am 6,13 unter Berücksichtigung des Falls des Nordreichs um entsprechende Strafankündigungen: Im Fall von Am 6,1 ff vor allem durch die Deportationsankündigung in Am 6,7, bei Am 6,13 durch die Ankündigung der Eroberung des gesamten Staatsgebiets Israels in Am 6,14. Folglich ist Am 6,14 als ein aus der Zeit nach 151

Vgl. W. D i e t r i c h . P r o p h e t i e . 131 u n d T. Veijola. K ö n i g t u m . 112. Anm. 55.

152

M a n b e a c h t e , daA selbst J. V e r m c y l e n (Isaie II), der s e h r s c h n c l l dazu neigt, inn e r h a l b des A m o s b u c h s e t w a s a l s d e u t e r o n o m i s t i s c h z u k l a s s i f i z i e r e n , f ü r Am 6.14 k e i n e r l e i d e r a r t i g e n Ü b e r l e g u n g e n a n s t e l l t e .

184

Redaktionsgeschichtliche Analyse von Am 6

722/1 stammendes vaticinium ex eventu zu beurteilen, und das in ihm als Gerichtswerkzeug Gottes in Erscheinung tretende ungenannte Heidenvolk (",1]|) mit den Assyrern zu identifizieren. 1 Ungefähr eineinhalb Jahrhunderte später fand auch Juda sein politisches Ende, was DtrH durch die Schaffung seines monumentalen Geschichtswerks theologisch zu bewältigen versuchte. Dabei griff er auf ein "Buch der Geschichte der Könige" zurück, in dem b e züglich Jerobeam II. wesentlich mehr historische Aufzeichnungen geboten wurden (vgl. 1. Kön 14,28) als DtrH nach eigenen Angaben in 2. Kön 14,23(.29?) exzerpierte. In ihm fand sich nach allgemeiner Auffassung (s.o.) auch eine auf die Restitution des Staatsgebiets Israels durch Jerobeam II. hinweisende Notiz (2. Kön 14,25a). Diese nahm DtrP auf, legte sie dem mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihm "erfundenen" Heilspropheten Jona ben Amittai in den Mund (2. Kön 14,25b) und schaltet das so entstandene Heilswort in die Ausführungen seines Vorgängers DtrH ein. DtrN schließlich kommentierte die Einschaltung D t r P s in 2. Kön 14,26f dahingehend, daB er den Erfolg Jerobeams II. als allein durch Gott motiviert begründete und sich dabei möglicherweise kritisch gegen andersllautende Äußerungen des Amos wandte. Ist das richtig, kommt der oben angeführten ersten These, bei Am 6,14 handle es sich um einen Textzusatz, den Dtr(N) in seiner Ausgabe des Amosbuchs bereits vorfand, doch eine gewisse Plausibilität zu, sofern man die zwischen Am 6,14 und 2. Kön 14,25a bestehenden Bezüge nicht redaktionsgeschichtlich beurteilt.

1S3

Vgl. die Zusammenstellung der wichtigsten Vertreter dieser Ansicht bei F. L Andersen / D. N. Freedman. Amos. S87.

Kapitel 8: Die innere Schale der Spruchkomposition In den letzten drei Kapiteln versuchten wir, den Entstehungs- und Kompositionsprozeß der "äußeren Schale" der Spruchkomposition (Am 3,1-4,3 u. 6,1-14) zu erhellen. Bevor wir im nächsten Kapitel gleiches für deren eigentlichen K e r n (Am 5,1-17) tun werden, gilt es hier, einen Blick auf die aus Am 4 , 4 - 1 3 und Am 5,18-27 bestehende, "innere Schale" der Spruchkomposition zu w e r f e n . Sie besteht aus insgesamt vier Sprüchen, die sich zu zwei Paaren von Pendanttexten zusammenordnen lassen: den kultkritischen W o r ten in A m 4,4f und Am 5,21-27 sowie den Gerichtsankündigungen in Am 4,6-12(13) und Am 5,18-20. Dabei läßt sich auch bei ihnen, insbesondere bei den Gerichtsankündigungen in Am 4,6-12(13) und Am 5,18-20, ein in a n a l o ger W e i s e schon bei den, als Pendanttexten fungierenden, Abschnitten Am 3,3-6.12 und Am 6,12 in Erscheinung getretenes Phänomen beobachten: die e x t r e m unterschiedliche Länge der einander gegenüberstehenden Texte.

8.1.: Die Parodie einer Priestertora

in Am 4,4f

Bei A m 4,4f handelt es sich um einen Text, dessen Integrität, sieht man von der gelegentlich vorgeschlagenen Ä n d e r u n g des *"ltpj?"l in ^tOj?") 1 (Am 4,5a) sowie der Streichung des "ΊΠίί in Am 4,5b einmal ab, bisher noch nie in Zweifel gezogen wurde. Weitgehender Konsens besteht zudem darin, Am 4,4f sei auf Grund bestimmter F o r m m e r k m a l e als "Parodie einer P r i e s t e r ii4 5 tora zu bestimmen. Bezüglich der V e r f a s s e r f r a g c gehen die Meinungen in 1

Vgl. H. Ewald. P r o p h e t e n , 145; D. W. Nowack. P r o p h e t e n . 134; J. W e l l h a u s e n . Prop h e t e n , 79; B. D u h m . A n m e r k u n g e n . 6; E. Sellin. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 220 2./3. Aufl.); D. G u t h e . Amos. 36; K. Marti. D o d e k a p r o p h e t o n . 182; K. Budde. Text l. 96; H. G r e A m a n n . G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g . 342; V. Maag. Text, 20; Τ. H. Robinson, Arnos. 86; G. F o h r e r , P r o p h e t e n , 43; F. Nötscher, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 724.

2

Vgl. E. B a u m a n n . A u f b a u . 40 u. 42. Anm. 1: H. W. W o i f f . Amos. 247; L. M a r k e r t , S t r u k t u r . 112Γ.

3

In d e r ä l t e r e n F o r s c h u n g gab e s a l l e r d i n g s v e r e i n z e l t e B e s t r e b u n g e n . Am 4 5 b a l s r e d a k t i o n e l l a n z u s p r e c h e n . So w a r D. G u t h e (Am os, 36) der Ansicht, bei Am 4 5 b h a n d l e es s i c h um e i n e n "Zusatz im S i n n e des s p ä t e r e n Dt. in dem die a l t e n K u l t u s s t ä t t e n Israels, die sog. H ö h e n , als von den M e n s c h e n selbst a u s g e s u c h t e K u l t u s o r t e a n g e s e h e n werden". A. W i n t e r (Analyse. 341) schrieb: ""DIK DK] (V. 5b) ist E i n s c h u b , da der Prophet z u r V e r k ü n d u n g dieses S p r u c h e s k e i n e r göttl i c h e n O f f e n b a r u n g bedarf. ' Ρ Κ Ι Β 1 Ό 3 DrOPlX ρ "Ό ist g l e i c h f a l l s s e k u n d ä r ; die W o r t e h i n k e n n a c h u n d v e r w i s c h e n n u r den Eindruck". "AJs F o r m e l e m e n t e p r i e s t e r l i c h e r Tora sind e r s t e n s k u l t i s c h e A n w e i s u n g e n im p l u r a l i s c h e n Imperativ u n d z w e i t e n s e i n b e u r t e i l e n d e r SchluBsatz a n z u n e h m e n , der m i t ''D e i n g e l e i t e t sein k o n n t e ; vgl. Lv 7,22-25; 195-8; Dt 14.4-8.21. D i e s e

4

186

Die i n a e r e Schale der Spruchkomposition

jüngster Zeit allerdings zunehmend auseinander. Galt bis in die Mitte der siebziger Jahre die amosische Verfasserschaft als unzweifelhaft, unternahm Vermeylen (1978) als erster den Versuch, Am 4,4f gemeinsam mit Am 5,4-6 als von der Hand eines Deuteronomisten stammende Rahmentexte zu Am 4,6-5,3 x zu bestimmen. 6 Ohne auf ihn zu rekurrieren, wies wenige Jahre später Weimar (1981) Am 4,4f der Hand eines in der Spätzeit Manasses wirkenden judäischen Redaktors zu. Denn hier habe, im Gegensatz zum ursprünglichen, eine radikale Unheilsprophetie im Sinne des absoluten Endes Israels enthaltenden, Amosbuch, eine Verschiebung der absoluten Gerichtsbotschaft « 7 * hin zu einer "ultimativen Mahnung" stattgefunden; außerdem würden "die sozialkritischen Aussagen deso Amos durch eine kritische Perspektive gegenüber dem Kult überlagert". Letztgenannter Punkt führte auch Fleischer (1989) dazu, Am 4,4f dem Propheten abzusprechen. 9 Allerdings sei "diese Redaktionsschicht nicht, wie Weimar meinte, in die Spätzeit Manasses, sondern eher in die Zeit des Nicht-Eintreffens der amosischen Unheilsbotschaft zwischen 760 und 732 v.Chr. zu datieren". 10 Äußerst problematisch an dieser Beurteilung von Am 4,4f durch Weimar und Fleischer ist aber, daß sie zu ihrer redaktionsgeschichtlichen Einordnung des Textes letztlich nicht anhand des Textes selbst gelangten, sondern von Am 3,14(ba) und Am 5,4f her. Nun verfügt Am 4,4f zwar unzweifelhaft über gewisse Bezüge zu Am 3,14b(a) und Am 5,4f — allen Stellen ist zumindest das Nomen Bet-El gemeinsam. Hieraus aber sogleich zu schließen, sie verdankten sich demselben Redaktor," ebnet in unzulässiger Weise die inhaltlichen Unterschiede zwischen ihnen ein. Denn in Am 3,14ba und Am 5,4f hat 12 man es mit sich gegen Kultstätten Israels richtenden Worten zu tun, nicht

s o l e n n e Form parodiert Arnos in doppelter Hinsicht. Als Ziel der Anweisung n e n n t er gleich zu Beginn in 4a z w e i m a l v e r b r e c h e r i s c h e s Handeln; die Priestertora hat a l s ihr Ziel das Leben zugesagt: vgl. 5,4b; Lv 18,5a; Ez 33,13 _ Z u m a n deren begründet der Schluß 5b die R i t u a l a n w e i s u n g nicht mit dem" Willen Gottes, "sondern ironisch mit der ( w i l l k ü r l i c h e n ) Eigenliebe der Angesprochenen. So parodiert also dieser Spruch Ziel u n d G r u n d p r i e s t e r l i c h e r K u l t a n w e i s u n g e n " (H. W. W o l f f , Amos, 250). 5

Vgl. H. W. Woirr, Heimat, 33f; -ders, Amos. 250; W. Rudolph. Amos. 175; R. F. Melugin. Formation, 379; K. Koch. P r o f e t e n I. 62f : H. S c h ü n g e l - S t r a u m a n n . Gottcsbild. 30; R. Smend. Nein, 414; L. M a r k e r t . Struktur, 117f ; A. Deissler. Amos, 108; Α. J. Soggin, Amos, 71; G. Fleischer, M e n s c h e n Verkäufer. 80. Anm. 4: F. I. Andersen / D. N. F r c e d m a n , Amos, 434; J. Jeremias. Amos 3-6. 129: H. Reimer, Recht, 130; S. M Paul. Amos. 138.

6

Vgl. J. Vermeylen, Isaie II, 551.

7

Vgl. P. W e i m a r . Schlufi. 97.

8

A j . O . 98.

9

Vgl. G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 44, 255 u. 260.

10

Aji.O, 4 4 .

11

Vgl. P. W e i m a r . SchluB, 97f : G. Fleischer, M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 4 4 .

12

Zu e i n e m m ö g l i c h e n , a n d e r e n Verständnis vgl. § 9 2 3 -

D i e P a r o d ì e e i n e r P r i e s t e r t o r a in Am 4.4f

187

aber in Am 4 , 4 f . Besonders deutlich wird diese inhaltliche Differenz bei einem V e r g l e i c h von Am 4,4f mit Am 5,4f: Fordert Am 4,4a die angesprochenen I s r a e l i t e n (in freilich parodistischer Weise) dazu auf, nach B e t - E l und Gilgal zu kommen, besagt Am 5,5a das genaue Gegenteil; richtet sich der mit eingeleitete SchluBsatz von A m 4,5b an die Israeliten, so hat Am 5,5b die Heiligtümer Israels im Blick. Folglich hat man es Am 4,4f nicht mit einer, sich gegen die K u l t s t ä t t e n Israels an sich, sondern gegen das scheinheilige Verhalten der angesprochenen Israeliten richtenden Kritik zu tun, die einerseits die Ärmsten des Volkes vergewaltigen (Ut27Q), a n d e r e r seits aber dem Gott huldigen wollen, dessen Zuwendung gerade der geschundenen K r e a t u r gilt. Ist Am 4,4f im Gegensatz zu Am 3,14ba und Am 5,4f aber nicht gegen B e t - E l , sondern gegen das f r e v e l h a f t e Verhalten der Israeliten gerichtet, sollte man von diesen Texten her keine redaktionsgeschichtlichen Schlüsse für A m 4,4f ziehen. Zusätzlich gestützt wird diese Einsicht durch den Am 13

4,4a gleich zweimal verwandten Begriff der in äußerst c h a r a k t e r i stischer W e i s e schon in den beiden, im Grundbestand auf Amos zurückgehenden (vgl. § 4.7.), Anfangskapiteln des Amosbuchs Verwendung fand (Am 1,3.6.9.11.13; 2,1.4.6). Daß dabei in Am lf stets Nominal formen, in Am 4,4a hingegen V e r b a l f o r m e n gebraucht werden, d ü r f t e belanglos sein. Legt b e reits diese begriffliche Verbindung eine Zurückführung von Am 4,4f auf den Propheten selbst nahe, scheint das durch die Am 4,5b gebrauchte Anrede zur Gewißheit zu werden. Denn bei ihr handelt es sich um eine, bereits im Zusammenhang der Analyse von Am 3,1a (vgl. § 5.4.) und Am 3,12 (vgl. § 6.2.1.) als von der Hand eines sehr frühen Redaktors stammend erkannte, Titulatur. Daher d ü r f t e für die W o r t e ^ Κ Ί Ε Ρ "'DD in Am 4,5b gleiches anzunehmen sein. Folglich ergeben sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten der redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Am 4,4f: Entweder hat der Grundbestand des Spruchs jenem Redaktor bereits vorgelegen, so daß er selbst nur für die Einfügung der W o r t e banc;11 verantwortlich ist; oder der Spruch wurde als G a n z e r von ihm abgefaßt. W e l c h e r der beiden Möglichkeiten der Vorzug zu gewähren ist, läßt sich nur schwer sagen. Zugunsten einer Abfassung von Am 4,4f durch einen sehr frühen Redaktor ließe sich geltend machen, er habe, neben seiner Einschaltung der W o r t e in Am 3,12, schließlich nicht nur die Ü b e r s c h r i f t in Am 3,la(+ n a « 1 ? ) , sondern wohl auch den, in einem vorzüglichen Parallelismus gebauten, Spruch A m 3,8 (vgl. § 5.2.3.) verfaßt. Doch d ü r f t e eine Zurückfuhrung von A m 4,4f Stichwortverbindung, auf Amos selbst, angesichts zwischen Amhaben. 4,4a 14und Am lf bestehenden letztlichdermehr fur sich

13

Vgl. h i e r z u H. S c h i i n g e l - S t r a u m a n n , Gottesbild. 30f.

14

Vgl. J. J e r e m i a s . Arnos 3-6, 129.

188

Die i n n e r e Schale der Spruchkomposition

8.2.: Die Parodie

eines Kultbescheids

in Am

5,21-27

Daß es sich bei Am 5,21-27 um einen zumindest um Am 5,(22aa.)25f redaktionell erweiterten Text handelt, wird in der jüngeren Amosforschung weithin anerkannt. 15 Fraglich ist dagegen, ob es sich bei dem verbleibenden Textbestand (Am 5,21.22aß.b.23f.27) um ein literarisch einheitliches Gebilde handelt. 16 So nehmen einige Exegeten an, auch Am 5,27 sei einem Redaktor 17 zuzuweisen, während andere zudem noch Am 5,21.22aß.b und Am 5,23f auf 18 zwei verschiedene Hände verteilen wollen.

8.2.1.: Israels Kultus in der Wüste des Exils (Am

5,25f)

Die Argumente, auf Grund derer Am 5,25 aus Am 5,21-27 auszuscheiden ist, sind zwingend. Zwar hat man in der älteren Amosforschung Am 5,25 als Abschluß des unmittelbar vorangehenden "Kultbescheids" 19 (Am 5,21-24 x ) 20

zu verstehen versucht. Dagegen spricht aber, daß die in Am 5,25 enthaltene rhetorische Frage, entgegen der offensichtlich intendierten negativen Antwort, von den Am 5,21-24 angeredeten Hörern unzweifelhaft bejaht und der negative "Kultbescheid" somit seiner polemischen Spitze beraubt worden wäre. Denn die Vorstellung, Israel habe in seiner vorstaatlichen Wüstenzeit ein opferloses Dasein geführt, findet ansonsten keinen Anhalt in der bibli-

15

F ü r e i n e A u s s c h e i d u n g von Am 5,22aaL25f s p r a c h e n sich folgende Exegeten aus: E. W ü r t h w e i n , Amos 5,21-27, 150f : W. H. Schmidt. Redaktion. 188-191 (bes. 189. Anm. 60); H. W. Wolff, Amos. 304¡ J. Vollmer. R ü c k b l i c k e . 37-43; L. M a r k e r ! . S t r u k t u r . 158-160: G. Fleischer. M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 150. Anm. 258: H. Reimer. Recht. 131 f; evtl. J. A Soggin, Amos. 98f. — K e i n e r l e i Bedenken gegen die A u t h e n tizität von Am 5.25Γ hat dagegen H. M. Barstad, Polemics. 118ΓΓ.

16

In diesem S i n n e ä u ß e r t e n sich etwa E. W ü r t h w e i n , Amos 5,21-27, 151: H. W. Wolff, Amos. 305: Κ. Α Tangberg. Mahnrede, 47.

17

Vgl. L. M a r k e r t . S t r u k t u r . 161. evt. A G. Auld. Amos, 65Γ; J. A Soggin. Amos. 101. — V. Maag, Text, 35 u. I. Willi-Plein, Vorformen, 39 halten Am 527 dagegen f ü r ein e c h t e s Amoswort, das allerdings erst r e d a k t i o n e l l angeschlossen w u r d e .

18

Vgl. G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 152.

19

Z u r G a t t u n g s b e s t i m m u n g vgl. J. Begrich, Die p r i e s t e r l i c h e Tora, in: - d e r s . Ges a m m e l t e Studien zum Alten Testament, ThB 21 (1964), 232-260, bes. 243: E. W ü r t h w e i n , Kultpolemik oder Kultbescheid? Beobachtungen zu dem T h e m a "Prop h é t i e und Kult", in: Tradition und Situation, FS A Weiser, 1963, 115-131; J. Jeremias. K u l t p r o p h e t i e und G e r i c h t s v e r k ü n d i g u n g in der späten Königszeit Israels. W M AN Τ 35. 1970. 156-161; H. W. Woirf. Amos. 305 und H. J. Boecker, Überleg u n g e n z u r Kultpolemik der vorexilischen P r o p h e t e n , in: Die Botschaft u n d die Boten. FS H. W. Wolff, 1981, 169-180.

20

Vgl. etwa A Winter. Analyse. 347; E. Balla, Botschaft. 85f.- L. Köhler. Amos, 78: P. Torge, P r o p h e t e n , 14. So auch noch R. Fey, Amos, 27f u. H. S c h ü n g e l - S t r a u m a n n , Gottesbild. 32f.

Die Parodie eines Kultbescheids in Am 521-27

189

21

sehen Uberlieferung. Da mit Am 5,25 zudem ein Wechsel des literarischen Stils (Am 5,21-24: Poesie; Am 5,25f: Prosa) und des Aussage-Subjekts (Am 5,21-22(.24): Gott in 1. Sg.; Am 5,25f: Israel in 2. PI.) stattfindet, ist Am 5,25 vom vorangehenden "Kultbescheid" abzutrennen. Ist Am 5,25 — inhaltlicher und formaler Argumente wegen — als redaktionell an Am 5,21-24 angeschlossen erkannt, muB natürlich weiter gefragt werden, ob und - wenn ja - wie Am 5,25 an Am 5,26 anschließt. Läßt sich die Frage nach dem Ob der Zusammengehörigkeit von Am 5,25 und Am 5,26 angesichts des beiden Versen gemeinsamen Prosastils und des in der 2. Pers. PI. angesprochenen Aussage-Subjekts relativ eindeutig bejahen, bereitet die Frage nach dem Wie erhebliche Probleme: Wird mit Am225,26 etwa die rhetorische Frage des vorhergehenden Verses fortgesetzt? Oder handelt es 23 sich bei Am 5,26 um einen zur Beschreibung vergangener bzw. zur Straf24

androhung zukünftiger Ereignisse dienenden Aussagesatz? DaB jede der drei Verstehensmöglichkeiten mit Schwierigkeiten behaftet ist, läBt schon ein flüchtiger Blick in die einschlägige Literatur zur Stelle erkennen. So ist gegen das Verständnis von Am 5,26 als Fortsetzung des vorangehenden Fragesatzes einzuwenden, eine derartige Doppel frage hätte gar nicht eindeutig beantwortet werden können. Bezieht man die Rede vom vierzigjährigen Wüstenaufenthalt nämlich auf die Frühzeit Israels zwischen Exodus und Landnahme, müßte Am 5,25 bejaht und Am 5,26 verneint werden. Ver21

Selbst nicht in Jer 7,22. wo keineswegs davon die Rede ist. die Wüstenzeit sei eine oprerlose Zeit gewesen, sondern lediglich davon, die Oprerdarbringung könne sich nicht auf eine an die Wüstengeneration ergangene Anordnung Gottes berufen (vgl. P. Volz. Prophetengestalten, 151).

22

So D. Guthe, Amos. 40; Κ. Marti, Dodekapropheton. 197; E. Sellin. Zwölfprophetenbuch. 233 (= 2./3. Aufl.): H. Junker, Arnos und die "opferlose Mosezeit". Ein Beitrag zur Erklärung von Am 5.25-26, ThGl 27 (1935), 686-695, bes. 692; V. Maag. Text, 35; E. Würthwein, Kultpolemik, 117; J. Scharbert, Propheten, 123-125; J. Theis, Amos. 127f; M. Schumpp. Propheten. 123; S. Erlandsson. Amos 5:25-27. ett crux interpretum. SEA 33 (1968). 76-82; H. W. Wolff. Amos. 303f u. 310; L. Markert. Struktur. 158; I. Willi-Plein, Vorrormen, 39; J. Vollmer. Rückblicke 41Γ (Lit!) und wenn auch mit einer recht eigenwilligen inhaltlichen Interpretation von Am 5,25 - A. S. van der Woude. Bemerkungen zu einigen umstrittenen Stellen im Zwölfprophetenbuch, in: Melanges bibliques et orienteaux en l'honneur de M. Henri Cazelles. AOAT 212 (1981), 485-490; evt. auch J. A. Soggin. Amos, 98.

23

So E. ReuB. Amos. 77; L. Köhler. Amos, 79; H. W. Hertzberg, Kritik. 222; P. Riessler. Propheten. 81f; T. Brandt. Zeugnis. 24; H. Greßmann, Geschichtsschreibung. 348; O. Loretz. Die babylonischen Gottesnamen Sukkut und Kajjamanu in Am 5.26. Ein Beitrag zur jüdischen Astrologie. ZAW 101 (1989). 288. - Vgl. auch H. Kruse. "Dialektische Negation" als semitisches Idiom. VT 4 (1954), 393 und W. Rudolph. Amos. 207.

24

So H. Ewald, Propheten. 149; D. W. Nowack. Propheten. 143; C. von Orelli, Propheten, 78; E. Sellin. Zwölfprophetenbuch, 194-197 (= 2J3. Aufl.); A. Jepsen. Zwölfprophetenbuch, 88; A. B. Ehrlich. Randglossen. 243; P. Volz. Prophetengestalten. 150, Anm. I; H. McKeating. Amos. 45; W. Rudolph. Amos. 207; F. Nötscher, Zwölfprophetenbuch, 729; A. Deissler, Amos. 117f; M. D. Carroll. Contexts. 251; F. I. Andersen / D. N. Freedman, Amos. 529.

190

D i e i n n e r e Schale der S p r u c h k o m p o s i t i o n

steht man sie gemäß den in § 3.2. zu Am 2,10ba gemachten Ausführungen dagegen als eine von DtrH oder einem ihm nahestehenden Redaktor stammende Chiffre für das babylonische Exil, müBte umgekehrt Am 5,25 negativ und Am 5,26 positiv beantwortet werden. Stehen dem Verständnis von Am 5,25f als einer Doppelfrage somit unausräumbare inhaltliche und syntak25

tische Schwierigkeiten im Weg, muß es sich bei Am 5,26 notgedrungen um einen von Am 5,25 syntaktisch unabhängigen Aussagesatz handelnd Wie aber ist dieser, die exilisch-dtr Verfasserschaft von Am 5,25(f) vorausgesetzt, zu verstehen: präterial, präsentisch oder futurisch? Übersetzt man Am 5,26 präterial und versteht die auf den exilischen Re27

daktor DtrH zurückgehende Rede vom Wüstenaufenthalt Israels in Am 5,25 ausschließlich als eine Reminiszenz an längst vergangene Ereignisse der Frühzeit Israels, müßte man bereits für die zwischen dem Exodus und dem Untergang des Staates Juda gelegene Zeitspanne mit einer Verehrung der babylonischen Astralgottheiten 28 ΓΙΌΟ und "p"^ rechnen. Eine solche kann zwar für die späte Königszeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden; sie aber 29

aus 2. Kön 17,29-31 abzuleiten, sollte man besser unterlassen. Denn bei diesem Bericht über den in Samaria nach dem Fall des Nordreichs etablierten Götzenkult handelt es sich wohl um ein gänzlich unhistorisches, aus nachexilischer Zeit stammendes "Stück Polemik, das dazu bestimmt war, 25

Z u den s y n t a k t i s c h e n S c h w i e r i g k e i t e n vgl. G. F l e i s c h e r . M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 151 u n d Γ. I. A n d e r s e n / D. N. F r e e d m a n , Amos. 535.

26

B e r e i t s die M a s o r e t e n s c h e i n e n Am 5.26 n i c h t als F o r t s e t z u n g der F r a g e in Am 5.25 v e r s t a n d e n zu h a b e n , da "V. 26 _ d u r c h den A k z e n t silluq u n d d e n n a c h f o l g e n d e n sof pasuq von d e r Frage in V. 25 g e t r e n n t " wird. "Hätten d i e M a s o r e t e n V. 26 a l s F o r t s e t z u n g d e r F r a g e in V. 25 v e r s t a n d e n , w ä r e n d i e b e i d e n Aussagen a l l e n f a l l s d u r c h ein a t n a h g e t r e n n t worden, d e n n u n t e r den t r e n n e n d e n A k z e n t e n hat der silluq das g r ö ß t e G e w i c h t " (V. K r e c h , K u l t k r i t i k . 135).

27

Z u r Z u w e i s u n g von Am 5,25f an D t r H vgl. die in § 3.2. zu Am 2,10 g e m a c h t e n A u s f ü h r u n g e n . F ü r d e u t e r o n o m i s t i s c h wird Am 5.25f a u c h von f o l g e n d e n Kxegeten g e h a l t e n : W. H. S c h m i d t . Redaktion. 188-191; H. W. W o l f f , Amos. 304; J. Verm c y l c n , Isaie II, 555-558; A. S. van der Woude, B e m e r k u n g e n . 489; J. Vollmer, RUckblickc. 37 43; L. M a r k c r t . S t r u k t u r . 158-160; P. W e i m a r . Schluß. 98; G. Fleis c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 150, Anm. 258; H. R e i m e r , Recht, 132, Anra. 447; vgl. P. Ricssler, P r o p h e t e n , 85.

28

Z w a r w i r d der a s t r a l e C h a r a k t e r i n s b e s o n d e r e der sich h i n t e r dem N a m e n Π Ό Ο v e r b e r g e n d e n b a b y l o n i s c h e n Gottheit in n e u e r e r Zeit v e r e i n z e l t a n g e z w e i f e l t , vgl. R. Borger. Amos 5,26. Apostelgeschichte 7.43 u n d Surpu 11.180. Z A W 100 (1988). 70-81, bes. 77 u n d O. Loretz, G o t t e s n a m e n . 289. Da sich h i e r d u r c h a b e r n i c h t s a n d e r r e d a k t i o n s g e s c h i c h t l i c h e n E i n o r d n u n g von Am 5,26 ä n d e r t , ist e i n e E r ö r t e r u n g der e n t s p r e c h e n d e n , von R. Borger und O. Loretz a n g e f ü h r t e n A r g u m e n t e hier nicht notwendig.

29

So b e s o n d e r s n a c h d r ü c k l i c h K. M a r t i . D o d e k a p r o p h e t o n . 197 u n d W. H. Schmidt, R e d a k t i o n , 190: "Dann sind aber Am 5,26 und II Reg 17.29Γ n i c h t n u r d i e Ausd r u c k s w e i s e . s o n d e r n a u c h der p o l e m i s c h e H i n w e i s a u f die g l e i c h e oder j e d e n f a l l s s e h r ä h n l i c h e ( S a t u r n - ) G o t t h e i t g e m e i n s a m . K a n n m a n d a r u m Am 5,26 als e i n e j u d ä i s c h e Glosse _ g e g e n die s a m a r i t a n i s c h e M i s c h b e v ö l k e r u n g u n d i h r e Götter ansehen?".

D i e P a r o d i e e i n e s K u l t b e s c h e i d s in Am 521-27

191

den Versuch der einheimischen Israeliten zu einem ZusammenschluB mit den aus dem Exil zurückgekehrten Judäern (= Gola) zu vereiteln". 3 0 Sämtliche sich im Zusammenhang der präterialen Auffassung von Am 5,26 stellenden Probleme werden hinfällig, sobald man die Rede vom 40jährigen Wiistenaufenthalt in Am 5,25 nicht ausschließlich als in die Frühzeit Israels zurückprojizierte historische Reminiszenz, sondern überdies als Chiffre für das Exilsgeschick versteht. Denn dannbräuchte man die Aussage bezüglich der Verehrung babylonischer Astralgottheiten nicht mehr auf die vorstaatliche ("in der Wüste") oder vorexilische (vgl. 2. Kon 17,29-31) Zeit beziehen. Vielmehr könnte man in ihr eine Anklage zeitgenössischer Zustände sehen, die auffällige Berührungspunkte mit der zeitnahen Götzenpolemik Deuterojesajas aufweist (vgl. Jes 42,17; 44,9ff; 46,Iff (bes. V. 7!)). Obwohl schon jetzt vieles dafür spricht, Am 5,25f als ein die Zustände während der Exilszeit verschlüsselt beschreibendes Scheltwort zu v e r s t e hen, sind abschließend doch noch ein paar Worte über das Für und Wider des futurischen Verständnisses von Am 5,26 zu verlieren. Rudolph, der wohl exponierteste Vertreter dieser Auffassung, merkte hierzu an: "Mit V. 26 beginnt e i n e S t r a f a n d r o h u n g , die s i c h in V. 27 f o r t s e t z t . D a m i t s c h e i n t f r e i l i c h z u n ä c h s t n i c h t viel g e w o n n e n z u sein. D e n n ob m a n M beläßt: »ihr w e r det e u r e S t e r n g ö t t e r f o r t t r a g e n m ü s s e n « oder das Nif. •HKBJ'l p u n k t i e r t u n d ü b e r setzt: »ihr werdet f o r t g e s c h a f f t w e r d e n m i t s a m t _« (so Sellin. W e i s e r _ u.a.) - imm e r w ä r e dabei v o r a u s g e s e t z t , daß ein s o l c h e r S t e r n k u l t d a m a l s (sc. z u r Zeit des Amos') in Israel im S c h w a n g e w a r , w a s sich u n s doch als n i c h t n a c h w e i s b a r h e r a u s g e s t e l l t hat. _ Sobald m a n e r k e n n t , daß Amos hier e i n e Situation im lixil selbst im Auge hat, lösen sich die S c h w i e r i g k e i t e n " 3 1 und die R ä t s e l h a f t i g k e i t des z u n ä c h s t v e r b l ü f f e n d e n Satzes: "»Ihr w e r d e t a s s y r i s c h e G ö t t e r h e r u m t r a g e n « _ f i n d e t _ in V. 27 s e i n e Lösung _: Ihr m ü ß t n ä m l i c h n a c h Assyrien ins Exil, w o ihr a n den heidnischen Kultprozessionen teilnehmen müßt".32

Ohne hier detailliert auf a l l e von Rudolph zugunsten des futurischen V e r ständnisses von Am 5,26(.27) beigebrachten Argumente einzugehen, wird man diesen Textpassus kaum als ein vom Propheten Amos selbst stammendes Drohwort retten können. So gesteht zwar auch Rudolph zu, eine kultische Verehrung der Am 5,26 genannten Astralgottheiten ließe sich zur Zeit des Amos nicht beweisen. Er umgeht das Problem jedoch dadurch, daß er deren künftige Verehrung dem dem Historiker gänzlich entzogenen, prophetischen Wissen des Amos zuschreibt. Fragt man, wie Rudolph zu dieser, für einen historisch-kritisch arbeitenden Exegeten exotisch anmutenden, Interpretation von Am 5,26 kam, fällt auf, daß er sie nicht allein oder in erster Linie aus Am 5,26 heraus gewann, sondern aus der Deportationsankündigung in Am 5,27. Das ergibt sich besonders deutlich aus dem Umstand, daß der Am 5,27 angekündigte Deportationsvorgang von ihm als eine Weissagung der 722/21

30

E. W ü r t h w e i n . Könige II. 403.

31

W. Rudolph. Amos. 207.

32

Αλ.Ο, 213.

192

D i e i n n e r e Schale der S p r u c h k o m p o s i t i o n 33

erfolgten Deportation nach Assyrien und die Am 5,26 genannten Götter als "assyrisch-babylonische Astralgötter" 3 4 verstanden werden. Doch besitzt das futurische Textverständnis von Am 5,26f einen kaum erklärbaren Schönheitsfehler, einerlei, ob man den Passus mit Rudolph auf die nicht sehr um35

fangreichen assyrischen Deportationen des Jahres 722/21 oder auf die wesentlich umfangreicheren babylonischen der Jahre 597 und 587 bezieht: Versteht man Am 5,26f als zwei aufeinanderfolgende Ereignisse, müßte, rein chronologisch gesehen, die Rede von der Deportation der von der Verehrung heidnischer Astralgottheiten eigentlich vorangehen — und nicht umgekehrt. Damit sind wir auf ein weiteres Problem der Texteinheit Am 5,21-27 gestoßen: der Frage, ob Am 5,27 als Fortsetzung des dtr Textzusatzes Am 5,(25.)26 37 oder des ursprünglichen "Kultbescheids" Am 5,21-23(.24) x zu beurteilen ist. 38 Ihr sei im folgenden nachgegangen.

8.2.2.: Die Deportationsankündigung

in Am 5,27

Einen ersten Hinweis, welcher "Textschicht" Am 5,27 innerhalb von Am 5,21ff zuzuweisen ist, liefert der Vers selbst. Denn in ihm wird, wie in Am 5,21-23(24), Gott in 1. Pers. als Aussage-Subjekt genannt. Überdies besteht zwischen Am 5,26 und Am 5,27 ein inhaltlicher Bruch: Faßt man Am 5,26(.27) als futurisches Drohwort auf, müßte Am 5,27 aus chronologischen Gründen Am 5,26 vorangehen (s.o.); versteht man Am 5,26 dagegen als eine präsentische Beschreibung gewisser Zustände während der Exilszeit, würde Am 5,27 den zuvor (Am 5,26f) beschriebenen Ereignissen ebenfalls hinterherhinken, da die als Strafe angekündigte (?) Deportation (Π*?}) ja bereits eingetreten ist. Wie man die Sache also dreht und wendet: "V. 27 will inhaltlich nicht recht an 26 anschliessen « . 4 0 Einzig die den Astralkult aus der Zeit zwischen Exodus und Landnahme (vgl. Am 5,25) bzw. dem angeblichen samaritanischen Götzendienst nach 722/21 (vgl. 2. Kön 17,29-31) verstehende, präteriale Auffassung von Am

33

Vgl. a.a.O., 213.

34

Aji.O, 207.

35

Vgl. E. W ü r t h w e i n . Könige II, 394 u. 402.

36

So g a n z r i c h t i g G. F l e i s c h e r . M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 150Γ. Anm. 258.

37

So J. M. Berridge, I n t e n t i o n , 338; A. S. van der Woude, B e m e r k u n g e n . 489; J. Verm e y l e n . Isaie II. 558Γ. - Vgl. a u c h O. Loretz. G o t t e s n a m e n . 288Γ. der Am 5.25 a l s e i n e n s e k u n d ä r e n (Commentar zu Am 5.21Γ b e u r t e i l t , der in n a c h e x i l i s c h e r Z e i t d a n n n o c h e i n m a l u m Am 5.26Γ e r g ä n z t w o r d e n sei.

38

Vgl. Anm. 16.

39

Vgl. G. F l e i s c h e r . M e n s c h e n V e r k ä u f e r . 151.

40

V. Maag. Text. 35.

193

D i e Parodie e i n e s K u l t b e s c h e i d s in Am 521-27

5,26 ließe sich einigermaßen problemlos mit Am 5,27 in Einklang bringen, insofern man Am 5,26f als Schuldaufweis mit folgender Strafankündigung in 41

terpretiert. Nun wurde eine derart verstandene, präteriale Auffassung von Am 5,26 bereits als historisch unhaltbar abgewiesen. Unter der Prämisse allerdings, daß man den Am 5,26 erhobenen Vorwurf des Astralkults als eine unhistorische Riick-Projektion von Gegebenheiten während der Exilszeit in die vorexilische Zeit und die sich in Am 5,27 anschließende Deportationsankündigung als ein vaticinium ex eventu versteht, erscheint eine Z u s a m mengehörigkeit von Am 5,26 mit Am 5,27 durchaus möglich. Damit ist f r e i lich nicht gesagt, Am 5,27 stamme von derselben redaktionellen Hand wie Am 5,25f. Vielmehr dürfte der diesen Schuld-Strafe-Zusammenhang schaffende Redaktor sich in Am 5,(25.)26 eigener, und in Am 5,27 vorgegebener Worte bedient haben, indem er ein ursprünglich mit Am 5,27 verbundenes Scheltwort (etwa Am 5,21-24) durch Am 5,(25.)26 e r s e t z t e 4 2 bzw. unterbrach. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, daß durch Am 5,25f ein vor-dtr Textzusammenhang auseinandergerissen wird, in dem Am 5,27 unmittelbar an Am 5,21-24 anschloß. 4 3 Doch selbst wenn Am 5,27 einmal direkt an Am 5,21-24 angeschlossen haben sollte, kann dieser Zusammenhang unmöglich genuin gewesen sein, da "V 27 ... als Unheilsansage mit V 24 (konkurriert), der statt Opfer und Gesang das Fließen von ΐΟΏΙΰΏ und Ü p l X fordert".44 45

Handelt es sich bei Am 5,27 folglich um ein Spruchfragment, läßt es sich dennoch redaktionsgeschichtlich relativ sicher einordnen. Wenn der R e daktor von Am 5,25f (= D t r H ) in Am 5,27 nämlich auf ihm bereits vorliegendes Spruchgut zurückgreifen konnte, muß dieses zumindest vor-dtr sein. 4 6 Es deshalb aber gleich als Fragment einer von Amos selbst stam47

menden Rede zu beurteilen, verbietet dessen inhaltliche Aussage. Denn analog Am 4,3aa (vgl. § 6.3.) und Am 6,7 beinhaltet auch Am 5,27 eine "Deportationsankündigung". 4 8 Da sie sich bisher aber stets als sekundäre.

41

So z u l e t z t O. Loretz. G o t t e s n a m e n . 288Γ.

42

Vgl. D. W. Nowack, P r o p h e t e n . 143: Hst _ V. 26 als s p ä t e r e r E i n s c h u b r i c h t i g e r k a n n t . d a n n folgt f r e i l i c h , dass d i e s e r V. e i n e a n d e r e D r o h u n g des Amos v e r d r ä n g t h a b e n muss, da der e i n e Satz V. 27 u n m ö g l i c h a l l e i n d i e s e l b e e n t h a l t e n h a b e n kann". - Ä h n l i c h ä u ß e r t e s i c h a u c h J. W e l l h a u s e n . P r o p h e t e n , 84 u. I. W i l l i - P l e i n . V o r f o r m e n . 39.

43

So E. W i i r t h w e i n . Amos 521-27. T h L Z 72 (1947). 143-152. bes. 151f u n d H. W. W o l f f , Amos. 305; Κ. Α. Tangberg. M a h n r e d e . 47.

44

G. F l e i s c h e r . M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 150. Anm. 258.

45

Vgl. K. M a r t i . D o d e k a p r o p h e t o n . 197f; I. Willi-Plein. V o r f o r m e n , 39; G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 150f, Anm. 258.

46

A n d e r s J. V e r m e y l e n . Isaie II, 558f : J. M. Berridge. I n t e n t i o n . 338.

47

Vgl. Anm. 17.

48

Vgl. P. Ri essler. P r o p h e t e n . 85.

194

D i e i n n e r e Schale der S p r u c h k o m p o s i t i o n

den 722/1 erfolgten Fall des Nordreichs voraussetzende Hinzufügungen zu 49 erkennen gaben, ist für Am 5,27 gleiches anzunehmen.

8.2.3.: Am

5,21-24

Von Fleischer50 abgesehen (s.u.), stimmen die Exegeten darin überein, Am 5,21-24 sei ein in sich geschlossener Spruch, der lediglich bezüglich des ersten Stichos von Am 5,22 die Frage aufwerfe, ob der ohne Parallelglied stehende Halbvers Am 5,22aoc zu streichen 51 bzw. um ein entsprechendes Glied zu ergänzen sei. Eher für erstgenannte Möglichkeit spricht: a) Während sämtliche Nomen in Am 5,21.22aß.b über ein Suffix der 2. Pers. masc. PI. verfügen, fehlt ein solches an in Am 5,22aa; b) zwischen Am 5,21.22aß.b ["ich hasse ...") und Am 5,22aa ["ihr laßt aufsteigen") findet ein Subjektwechsel statt. Da letztgenannte Beobachtung sich in ähnlicher Weise beim Übergang zu Am 5,25f beobachten läßt, schreibt man Am 5,22aa meist derselben Hand wie Am 5,25f zu. Bei genauerer Betrachtung der beiden Textzusätze sieht es allerdings so aus, als läge ihnen eine gänzlich unterschiedliche Einstellung zum Opferkult zugrunde. Denn während Am 5,25 den Eindruck erweckt, Opfer seien Gott grundsätzlich unerwünscht, besagt Am 5,22aa das genaue Gegenteil. 5 3 Stehen einer Zurückfiihrung von Am 5,22aa und Am 5,25f auf denselben Redaktor (DtrH) somit inhaltliche Schwierigkei-

49

Vgl. D. W. Nowack, P r o p h e t e n . 143: "Nur d i e Assyrer d e p o r t i e r t e n n a c h Nordosten" u n d V. K r e c h , K u l t k r i t i k , 139: "Mit dieser S t r a f a n d r o h u n g (sc. Am 5,27) ist a l s Ret r o s p e k t i v e im R a h m e n des k a n o n i s c h e n H o r i z o n t s die a s s y r i s c h e D e p o r t a t i o n von T e i l e n der n o r d i s r a e l i t i s c h e n B e v ö l k e r u n g in den J a h r e n 722/21 v.u.Z. gemeint".

50

Vgl. G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 151.

51

So B. D u h m . A n m e r k u n g e n . 10; D. G u t h e . Amos. 40; Κ. M a r t i . D o d e k a p r o p h e t o n . 195; G. H ö l s c h e r , P r o f e t e n . 203; E. Balla, B o t s c h a f t . 86; P. Torge. P r o p h e t e n , 14; H. G r e ß m a n n . G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g . 347; L. K ö h l e r . Amos. 78; E. W ü r t h w e i n . Amos 521-27. 150; W. H. Schmidt. Redaktion. 189. Anm. 60; - d e r s . Z u k u n f t s g e w i ß h e i t . 75; H. S c h ü n g e l - S t r a u m a n n . Gottesbild. 32; H. W. W o l f f , Amos, 303; I. W i l l i - P l e i n . Vorf o r m e n , 37; R. Smcnd, Nein. 414; R. Fey. Amos. 27; J. Vollmer. R ü c k b l i c k e . 37-43; L. M a r k e r t , S t r u k t u r . 158-160; G. F o h r e r , P r o p h e t e n , 36; G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 150. Anm. 258; H. Reimer. Recht. 131f; O. Loretz, Exodus. 229.

52

So D. W. N o w a c k . P r o p h e t e n . 142; J. W e l l h a u s e n . P r o p h e t e n . 83; K. Budde. Text I. 115; M. Lohr, U n t e r s u c h u n g e n . 16 u. 19; J. M o r g e n s t e r n . Studies. 302 u. 319; J. T h e i s . Amos, 127: E. W ü r t h w e i n . K u l t p o l e m i k . 117; H. W. H e r t z b e r g , K r i t i k . 222, Anm. 2; W. Rudolph. Amos, 205f; J. A. Soggin. Amos. 96; vgl. A. Jepsen. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 88. der e i n f a c h Am 5.25 vor Am 5.22aoc u m s t e l l t .

53

D i e s e n S c h l u ß hat m a n z w a r h ä u f i g zu u m g e h e n v e r s u c h t , i n d e m m a n das Am 5,22 e i n l e i t e n d e DK Ό mit "auch w e n n " statt "es s e i n d e n n , daß" oder "außer w e n n " ü b e r s e t z t e (vgl. z.B. V. K r e c h . K u l t k r i t i k . 122). D a s a b e r ist ein i l l e g i t i m e r , weil s y n t a k t i s c h p r o b l e m a t i s c h e r V e r s u c h (vgl. W. H. Schmidt. R e d a k t i o n . 189, Anm. 60 u. H. W. W o l f f . Amos. 304), Am 5.22act a l s g e n u i n e n B e s t a n d t e i l von Am 5,21f z u r e t t e n .

Die Parodie eines Kultbescheids in Am 5,21-27

195

ten im Weg, muB der redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Am 5,22aot erneut nachgegangen werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Vermutung von Fleischer, "V 22acc könnte eine priesterliche G l o s s e aus chronistischer Zeit sein, insofern im C h r G W besonders die Brandopfer als Aufgabenbereich der Leviten herausgestellt werden (vgl. 1 Chr 23,31; 2 Chr .

54

23,18; 35,14 ...} . In dieselbe Richtung scheint bereits Wolff gedacht zu h a ben, wenn er anmerkt: • τ η 1 ? » r f ? i > n findet sich sehr oft im chronistischen Geschichtswerk (l Ch 16,2.40; 21,24.26; 23,31; 29,21; 2 Ch 1,6; 8,12; 23,18; 24,14; 29,7.27; 35,14.16; E s r a 3,3.6)". 5 5 Nun ließen sich Spuren einer möglichen Überarbeitung des Amosbuchs im Schatten des chronistischen G e schichtswerks bereits im Zusammenhang von Am 6,5b erkennen (vgl. § 7.1. u. 7.1.4.). Auffällig ist dabei der unmittelbare Kontext beider Glossen, in dem von Harfenmusik und Gesang die Rede ist (vgl. Am 5,23 u. 6,5). Wie das zu e r k l ä r e n ist, läBt sich jedoch wohl erst nach einer Untersuchung des verbleibenden Wortlauts des Spruchs sagen. Bezüglich des verbleibenden Textbestands (Am 5,21.22aß.b.23f) ist zu fragen, ob es sich bei ihm um einen in sich geschlossenen Spruch oder ein redaktionell gewachsenes Gebilde handelt. Ging man bis vor wenigen Jahren χ

von der literarischen Einheitlichkeit von Am 5,21-24 aus, ist sie jüngst von Fleischer in Zweifel gezogen worden. Dabei machte er folgende Argumente geltend: a) Am 5,21 f und Am 5,23f "repräsentieren unterschiedliche G a t 6 tungen", 5 „57 insofern "Formelemente des Kultbescheids und der lehrhaften Mahnung miteinander verbunden werden; b ) A m 5,21f x finden Suffixe der 2. Pers. Pl., Am 5,23 Suffixe der 2. Pers. 58 Sg. Verwendung; c ) das Am 5,23 einleitende ~10Π, das "als Inf. abs. in der Bedeutung eines Imperativs" 5 9 zu verstehen ist, f a l l e aus der Reihe der Am 5,21 f x g e brauchten finiten Verbformen heraus; d) A m 5,24 stehe "syntaktisch in enger Verbindung nur mit V 23, insofern der Inf. abs. (= Imp.) und der Jussiv antithetisch einander entsprechen". "Alle diese Beobachtungen fuhren" Fleischer schließlich "zu der Ü b e r 61 x legung: W 21-22 sind von W 23-24 zu trennen".

54

G. Fleischer. Menschenverkäufer, 152. Anm. 258.

55

H. W. Wolff. Amos. 304.

56

G. Fleischer. Menschenverkäufer. 151.

57

H. W. Wolff. Amos. 306.

58

Gemäß Κ. Α. Tangberg. Mahnrede. 48 läßt "der Wechsel _ nicht auf die uneinheitliche H e r k u n f t der Abschnitte schlieAen".

59

G. Fleischer. Menschenverkäufer, 151.

60

Ebd.

61

Ebd.

196

D i e i n n e r e Schale der S p r u c h k o m p o s i t i o n

Einem Teil der von Fleischer gemachten Erkenntnisse wird man zweifelsohne zustimmen müssen. Fraglich ist aber, ob Am 5,24 tatsächlich derart eng mit A m 5,23 zu verkoppeln ist, wie er meint. Denn sieht man genau hin, fallt insbesondere das unterschiedliche Metrum beider Verse auf: Während Am 5,24 Doppeldreier Verwendung finden, zeichnet sich Am 5,23 durch Doppelvierer aus. 6 2 Damit steht Am 5,24 aber Am 5,21.22aß.b, wo ebenfalls Doppeldreier benutzt werden, wesentlich näher als Am 5,23, der metrisch gesehen vorzüglich zu Am 5,22aoc paßt. Läßt bereits das Zweifel an der Z u sammengehörigkeit von Am 5,23 mit Am 5,24 aufkommen, erhärtet sich dieser Verdacht, sobald man erkennt, dafi der Am 5,24 einleitende Jussiv im Endtext zwar als Antithese des Imperativisch gemeinten Inf. abs. von Am 5,23 dient, er in einem früheren Textstadium diese Funktion aber auch einχ

mal im Gegenüber zu Am 5,21f übernommen haben kann. Das übersah Fleischer, als er Am 5,23f von Am 5,21f abtrennte und Am 5,27 als genuine χ 63 Fortsetzung von Am 5,21f verstand. Sprechen somit einige Indizien dafür, Am 5,24 könnte durch Hinzufügung von Am 5,23 von Am 5,21 f abgetrennt worden sein, bleibt zu fragen, ob es sich bei A m 5,24 um die genuine oder eiene ihrerseits ebenfalls erst redaktionell zu Am 5,21f hinzugewachsene Fortsetzung handelt. Wiirthwein, der u.W. als bisher einziger Exeget diese Frage überhaupt erörterte, schrieb diesbezüglich: "Von d e m so g e w o n n e n e n Verständnis der z e n t r a l e n Verse 21-23 (sc. a l s e i n e s n e g a t i v e n K u l t b e s c h e i d s ) a u s m u t die F o r t s e t z u n g b e u r t e i l t w e r d e n . An s i c h e r f o r d e r n d i e Verse bei u n s e r e m Verständnis Iceine W e i t e r f ü h r u n g . J e d e r m a n n w u ß t e , w a s es b e d e u t e t , w e n n " Gott "sich dem g o t t e s d i e n s t l i c h e n H a n d e l n v e r s c h l o ß . W e n n e i n s p e z i e l l e r e s Wort a n g e f ü g t wurde, so k o n n t e es n u r ein v e r d e u t l i c h e n d e s U n h e i l s w o r t sein". 6 4 ·

Aus dieser theoretischen Vorüberlegung heraus kam er zu dem Schluß, der Zusammenhang erfordere es "nach dem b i s h e r A u s g e f ü h r t e n , in Vers 2 4 n i c h t e i n e positive F o r d e r u n g zu seh e n , s o n d e r n ( e i n e ) A n k ü n d i g u n g des g ö t t l i c h e n G e r i c h t s : »Und es w i r d s i c h e i n h e r w ä l z e n w i e W a s s e r das G e r i c h t u n d G e r e c h t i g k e i t w i e ein i m m e r f l i e ß e n d e r Bach«".65

Problematisch an diesem Verständnis von Am 5,24 als einer Gerichtsdrohung ist allerdings, daß das Binom ΏΏΐϋΏ und in diesem Fall auf Gottes 66 Handeln bezogen werden muß, "was bei Amos sonst nie geschieht". Zwar 62

Vgl. H. W. W o l f f . Amos, 306.

63

Vgl. G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 151: Am 5,27 stellt "nicht n u r s y n t a k t i s c h (selbes Subjekt, s e l b e r Adressat) die g e e i g n e t e F o r t s e t z u n g z u VV 21-22 dar, sond e r n a u c h i n h a l t l i c h : die F e s t e und O p f e r des Volkes r i c h t e n n i c h t s a u s g e g e n " G o t t e s "festen W i l l e n , U n h e i l Uber das Volk z u b r i n g e n (vgl. Jer 14J2)".

64

E. W ü r t h w e i n , Amos 5,21-27. 149f.

65

A a . O , 150.

66

H. W. W o l f f , Amos, 309.

Die Parodie eines Kultbescheids in Am 521-27

197

wird es innerhalb des Amosbuchs nie näher beschrieben, in A m 5 aber w e r den die Auswirkungen seiner Verkehrung genannt: " D e r Mißstand, daß die Angesprochenen die Hilflosen ... unterdrücken (5,11), ist eine Folge der V e r kehrung ... von mispat und sedaqa; ebenso der rechtliche Mißstand, nämlich Rechtsbeugung in Form von Bestechungsgeldern (5,12) und Haß ... gegen die Wahrheit vor Gericht (5,10). Dieser Verwendungszusammenhang zeigt deutlich, daß mispat und sedaqa mit menschlichem Handeln und V e r h a l t e n zu tun haben". 6 7 Noch deutlicher wird dieser Sachverhalt, sobald man die engen inχ 68 haltlichen P a r a l l e l e n zwischen Am 5,21f .24 und Spr 21,3 erkennt. Denn auch Spr 21,3 wird die Forderung, IDQ2?D und i l p l X zu tun, antithetisch der Darbringung von Opfern entgegengestellt. Folglich ist Am 5,24 nicht als Gerichtsankündigung, sondern als Aufforderung zu gemeinschaftsgemäßem Handeln zu verstehen. Dann aber kann im Anschluß an Würthwein gefragt werden, ob Am 5,24 tatsächlich seit jeher als Fortsetzung von Am 5,21f diente. Zugunsten der ursprünglichen Zusammengehörigkeit von Am 5,21 Γ mit Am 5,24 spricht die den Versen gemeinsame metrische Struktur von Doppeldreiern sowie der Umstand, daß der inhaltlich mit Am 5,24 konkurrierende Vers Am 5,27 mit hoher Wahrscheinlichkeit einem kurz nach 722/1 wirkenden Redaktor zuzuschreiben ist (vgl. § 8.2.2.). Während gemäß Am 5,27 die einzig mögliche Konsequenz für die Israeliten nun darin besteht, auf Grund ihrer f r e v e l h a f t e n Taten ins Exil geführt zu werden, läßt Am 5,24 immerhin noch die Möglichkeit offen, den aus den Fugen g e r a t e n e n sozialen 69

Frieden wiederherzustellen. Das aber ist nur möglich, solange das N o r d reich noch besteht, was für Am 5,24 eine Abfassung vor 722/1 nahelegt. Andererseits erwogen wir bereits in § 7.2.3.2., bei Am 6,12, wo das Binom Ο Ώ 0 Ώ und np~TS ebenfalls Anwendung findet, könnte es sich um eine von /jRK geschaffene Sentenz handeln. Daher läge es durchaus im Bereich des Möglichen, für A m 5,24 selbiges anzunehmen. Doch während sich für Am 6,12 eine Abfassung durch R**- aus kompositionstechnischen Gründen mühelos plausibel machen läßt, lassen sich analoge Gründe für Am 5,24 u.E. nicht finden. 70 Daher dürfte Am 5,24 trotz des Gattungswechsels gegenüber dem 67

V. Krech. Kultkritik. 129.

68

Zu Spr 213 vgl. auch die von G. Fleischer, Menschenverkäufer. 139 gemachten Ausführungen.

69

Wir widersprechen damit der in der Forschung weit verbreiteten Ansicht. Am 5,24 sei eigentlich nicht als ernst gemeinte Aufforderung zu verstehen, sondern lediglich als ein verdeckter Schuldaufweis. So schreibt H. W. Wolff. Amos. 306: "Die Mahnrede (sc. Am 5,24) dient, da sie nicht befolgt wird, dem Schuldaufweis". Ähnlich äußerte sich auch G. Wahrmuth, Mahnwort. 36: "Alle Mahnworte haben bei Amos also keine im eigentlichen Sinne m a h n e n d e Funktion mehr, sondern sie sind der generellen Unheilsansage untergeordnet". Κ. A Tangberg, Mahnrede. 198 ist demgegenüber der Ansicht, "daB die M a h n u n g unmöglich als nur äußere Form und Einkleidung der Gerichtsbotschaft a u f z u f a s s e n sei", worin ihm H. Reimer, Recht, 134 zustimmt.

70

H. Reimer weist in diesem Z u s a m m e n h a n g allerdings darauf hin. "daB bei einer richtigen Einschätzung der Funktion von Am 5 2 4 _ auf den gesamten Textblock 5.7-6.12 zu achten ist. Denn es ist bemerkenswert, daB das Wortpaar mispat und

198

D i e i n n e r e Schale der S p r u c h k o m p o s i t i o n

Vorhergehenden und der formal in sich eigentlich geschlossenen Parodie des Kultbescheids (Am 5,21f ) als dessen genuine Fortsetzung zu verstehen sein.

8.2.4.: Abschließende

Zusammenfassung

Gemäß u n s e r e r Analyse hat man es Am 5,21-27 mit einem mehrstufig g e wachsenen Textgebilde zu tun. Dessen Grundlage war ein ursprünglich l e diglich aus Am 5,21.22aß.b.24 bestehendes W o r t . Dieses s e t z t e mit einem negativen Kultbescheid ein und schloß mit der Aufforderung, tOQiüQ und zu tun. Angesichts der inhaltlichen Verwandtschaft mit Am 4,4f dürften beide Sprüche auf denselben V e r f a s s e r zurückzuführen sein. Weimar, der Am 4,4f einem in der Spätzeit Manasses wirkenden Redaktor zuschrieb (s.o.), tat daher konsequenterweise dasselbe mit 5,21-24 . Da wir diese redaktionsgeschichtliche Einordnung bereits in § 8.1. als unsachgemäß zurückwiesen, legt sich folglich auch für Am 5,21.22aß.b.24 eine Z u r ü c k f ü h 72

rung auf Amos nahe. Ein kurz nach 722/1 wirkender erster Redaktor schloß an diesen Spruch Am 5,27 an und gab ihm damit eine völlig andere Aussageintention. Z i e l t e er ursprünglich darauf ab, die mit einem negativen Kultbescheid belegten Personen zu einer Änderung ihres gemeinschaftsschädlichen Lebenswandels zu bewegen, und Recht und Gerechtigkeit wieder walten zu lassen (Am 5,24), sieht Am 5,27 eine derartige Möglichkeit als bereits verspielt an. Für ihn besteht die einzig angemessene Reaktion auf das Verhalten, das die Beklagten in ihrem heuchlerischen Kulthandeln erkennen lassen, in einer F o r t führung ins Exil. Dieser Gedanke inspirierte gut eineinhalb Jahrhunderte später einen wohl im Exil wirkenden, DtrH nahestehenden Redaktor, dem Spruch Am 5,25f hinzuzufügen, wodurch sich die Aussageintention abermals verschob. Denn während sich A m 5,21.22aß.b.24 nicht gegen den Kult an sich richtete, sondern die Verkehrung von ÜQttfD und Plj?"!^ anprangerte, kann Am 5,25f nur als ein kultkritisches Wort im eigentlichen Sinn verstanden werden. Angeprangert werden in ihm jedoch nicht Vergehen der vorexilischen, sondern der exilischen Zeit: der Abfall vom Gott Israels zu babylonischen A s t r a l göttern. Ein im U m f e l d des chronistischen Geschichtswerks zu lokalisierender Redaktor fügte schließlich Am 5,22aa hinzu, um so die Zurückweisung der Am 5,21.22aß.b angeprangerten Kulthandlungen zu entschärfen. Ob er ü b e r dies für Am 5,23 verantwortlich gemacht werden kann, läßt sich dagegen sedaqah a m A n f a n g u n d a m Ende dieses Blockes s t e h e n . Am 5.24 m a r k i e r t dabei in etwa die M i t t e d e s Komplexes und k a n n um so s t ä r k e r a l s p r o g r a m m a t i s c h e r Satz h e r v o r s t e c h e n " ( R e c h t . 133). 71

Vgl. P. W e i m a r . S c h l u ß . 98.

72

So z u l e t z t a u c h G. F l e i s c h e r . M e n s c h e n v e r k ä u f e r . 151.

D a s K e h r v e r s g e d i c h t von der v e r w e i g e r t e n U m k e h r (Am 4 . 6 f f )

199

nicht mit letzter Sicherheit sagen. Für diese Annahme spräche das Am 5,22aa und Am 5,23 analoge Metrum; gegen sie der stattfindende Wechsel des angesprochenen Subjekts (Am 5,22aa: "ihr"; Am 5,23: "deine") sowie der Übergang von einer positiven (Am 5,22aa) zu einer negativen Aussage (Am 5,23).

8.3.: Das Kehrversgedicht

von der verweigerten

Umkehr (Am 4 , 6 f f ) 73

Ausgehend von der Beobachtung, daß die im Jeremíaund Ezechielbuch 7 4 belegte Plagentrias "Hunger, Schwert und Pest" in einer inhaltlich stark ausgefüllten Form scheinbar auch Am 4,6ff und Lev 26 zugrunde liegt, zog Reventlow (1962) den SchluB, diese ginge auf ein allgemein bekanntes Fluchformular mit Sitz im Leben in der "Institution der Bundesfestverkündigung" zurück. 7 5 Wolff (1969) nahm diesen Ansatz positiv-modifizierend auf, dergestalt, daß er Am 4,6-12 auf Grund des auf die "Zerstörung des Bethel76 Altars durch Josia" zu beziehenden !~D in Am 4,12 Amos ab- und einem Liturgen der Josijazeit zusprach, der in Anlehnung an die ihm zu seiner Zeit bekannten Texte Lev 26; 1. Kön 8,33ff und Dtn 28 Gottes "Gerichtstaten als 77 Reizung zur Umkehr aufgezählt habe. Diesem Versuch, Am 4,6ff aus der 78

Zeit Josijas verständlich zu machen, widersprach aufs heftigste Rudolph (1970/71), dessen Kritik sich Weippert79 (1973) und Markert80 (1977) anschlossen. Neben Köhler** (1917), Maag2 (1951 ) und Auerbach83 (1953), die bereits vor Wolff Zweifel an der amosischen Verfasserschaft von Am 4,6l l ( l 2 ) hegten, beginnen sich zwischenzeitlich die für eine Spätdaticrung eintretenden Stimmen zu mehren. Als erster Schloß sich Schmidt (1971 )8 4in einer Rezension von Wolffs Kommentar der Meinung seines Lehrers an. So73

Vgl. J e r 14.12= (152: 18.21;) 21,7.9: 24.10: 27.8.13: 29.17Γ: 32.24.36; 34,17: 38,2; 42.17.22 u n d 44.13. Vgl. dazu H. Weippert, P r o s a r e d e n . 158-172 u. 180-191.

74

Vgl. n e b e n E z (5.12:) 6.11Γ u n d 1421 a u c h d i e Z u s a m m e n s t e l l u n g bei R. Liwak, P r o b l e m e , 82Γ u. H. Weippert. P r o s a r e d e n , 172-178.

75

Vgl. H. R e v e n t l o w . Amt. 75-90. bes. 82-87.

76

H. W. W o l f f . Amos. 257.

77

Ebd.

78

Vgl. W. R u d o l p h . Amos 4,6-13, 29-31; ders„ Amos. 173-175.

79

Vgl. H. W e i p p e r t . P r o s a r e d e n . 155.

80

Vgl. L. M a r k e r t . S t r u k t u r . 124.

81

Vgl. L. K ö h l e r . Amos. 156: Bei Am 4.6-12 "habe ich die s t ä r k s t e n B e d e n k e n . Es m u t e t m i c h a u s g e s p r o c h e n d e u t e r o n o m i s c h an".

82

Vgl. V. M a a g . Text, 23f: "Gegen die E c h t h e i t e r h e b e n s i c h B e d e n k e n " (23).

83

Vgl. E. A u e r b a c h . D i e grofte Ü b e r a r b e i t u n g d e r b i b l i s c h e n B ü c h e r . SVT 1 (1953). 9.

84

Vgl. W. H. S c h m i d t . ( R e z e n s i o n von) W o l f f . H a n s Walter: D o d e k a p r o p h e t o n Amos _ T h L Z 96 (1971). 185. Anm. 1.

2.

200

D i e innere Schale der Spruchkomposition

dann vertrat Melugin85 (1978) die Ansicht, Am 4,6-12 sei weder von Amos noch der Amos-Schule (so Wolff), sondern gehöre einer noch späteren, nicht genau fixierbaren Textstufe an. Coote (1981) wies — unter Kenntnis der r e daktionsgeschichtlichen These von Wolff — den Passus seiner im 7. Jh. in Bet-El vorgenommenen "Stage Β" Redaktion zu. Spieckermann (1982) dagegen äußerte die Vermutung, Am 4,6ff könnte unter Umständen das Werk dtr Redaktoren sein. 87 In eine ähnliche Richtung scheint Jeremias (1988 u. 1995) zu denken, wenn er schreibt, er sei "der Überzeugung, ... daß die Doxologien und die mit ihnen zusammenhängende Bußliturgie in Am 4,6-12 den „88 ,, Fall Jerusalems voraussetzen' und "am ehesten aus der Exilszeit oder aber aus der friihnachexilischen Zeit" 8 9 stammen. Kreuzer,0 (1989) wie91

derum weist den Passus einer vorexilischen Redaktion zu; ebenso Waschke (1994), der im Gefolge von Wolff wieder für eine Abfassung in der JosijaZeit plädiert. Vor der Erörterung der redaktionsgeschichtlichen Einordnung des Textes sei jedoch der Frage nach dessen Grundbestand nachgegangen. Denn daß Am 4,6-12 "in seiner vorliegenden Form ungefüge und sicher von Zusätzen über92

laden" ist, kann grundsätzlich als unzweifelhaft gelten. Welche Worte und Versteile allerdings als spätere Glossen anzusprechen sind, ist umstritten. Einigkeit besteht nur bezüglich der ersten Strophe (Am 4,6), die, von der gelegentlichen Streichung der Anfangsworte DD einmal abgesehen, allgemein als literarisch einheitlich beurteilt wird. Insbesondere hat jedoch die zweite Strophe (Am 4,7f) im Laufe der Forschungsgeschichte zu unterschiedlichsten Erklärungsversuchen Anlaß gegeben. Ursache hierfür ist einerseits, daß Am 4,7f, im Gegensatz zu allen anderen, offenbar als Vierzeiler strukturierten Strophen, über einen wesentlich umfangreicheren Textbestand verfügt; andererseits scheinen zwei verschiedene Motivkomplexe miteinander vermischt worden zu sein.hier Von / \ 94 ihnen hat einer den Wassermangel in der Landwirtschaft (Am 4,7aß.b), der andere den Durst von Men85

Vgl. R. F. Melugin. Formation, 385 u. 387.

86

Vgl. R. B. Coote. Arnos. 56f. 75 u. 77f.

87

Vgl. H. Spieckermann. Juda unter Assur in der Sargonidenzeit, FRLANT 129. 1982. 112Γ, Anm. 180.

88

J. Jeremias. Amos 3-6, 128.

89

J. Jeremias. Amos. 48 (vgl. a.a.O.. 31: "eine wohl e x i l i s c h e BuAliturgie").

90

Vgl. S. Kreuzer. Frühgeschichte. 215.

91

Vgl. E.-J. Waschke, Vision. 435, Anm. 2.

92

H. Weippert, Prosareden. 155.

93

So z.B. H. Rcvcntlow. Amt. 85.

94

Am 4.7bß ist T D O n in T O O K zu konjizieren. vgl. D. W. Nowack. Propheten. 135; IC. Marti. Dodekapropheton. 183; P . Riessler. Propheten. 79, Anm. 7; B. Duhm. Anmerkungen. 6; Α. B. Ehrlich. Randglossen. 238; K. Budde. Text I, 98: L. Köhler. Amos, 73; T. H. Robinson. Amos. 86; G. Fohrer, Propheten, 33, Anm. 20; H. W. Wolff. Amos. 248; H. Weippert. Prosareden. 155. Anm. 205-, F. Nötscher. Zwölfpro-

Das Kehrversgedicht von der verweigerten Umkehr (Am 4,6ff)

201

sehen (Am 4,7ay8.8a) zum Thema. Einen besonders originellen Vorschlag zur Lösung dieser Problematik unterbreitete Lohr (1901 ). Seiner Ansicht nach verdankt sich der jetzige Wortlaut der zweiten Strophe der Kompilation zweier ursprünglich selbständiger Strophen, deren erste Am 4,7aaß.b.8b umfaßte, während die um den AbschluBrefrain zu ergänzende zweite aus Am 4,7aYS.8a bestand. 9 5 Schon Baumann (1903) aber beurteilte "die Zerlegung 96

in zwei parallele Strophen ... als missglückt" und versuchte den ganzen Komplex als "Nachdichtung" zu verstehen. Im weiteren Verlauf der Forschungsgeschichte sind diese beiden Extrempositionen allerdings zunehmend einem "sanfteren", mit der redaktionellen Glossierung einer dem Grundbestand des Kehrversgedichts angehörigen Strophe rechnenden, Lösungsmodell gewichen. So strichen Marti97 (1904), Duhm (1911), Weiser" (1929), Jepse/i 1 0 0 (1937), Vollmer101 (l97l) und Markert102 (1977) Am 4,7aßY8.b, Greßmann (1910), Balla10* (1926) und Fohrer105 (1974) Am 4,7aocß, Winter106 (1910) Am 4,7aYS.b.8, Willi-Plein 01 (1971) Am 4,7aYS.b.8a, Procksch109 109 110 111 (1910) Am 4,7b.8a, Riessler (1911), Budde (1924) und Sellin (1929) Am 4,7aTS.b, Weiser112 und Reventlow113 (1962) Am 4,7aß.b, Wolff114 (1969) und Rudolph1,5 (1970/71) Am 4,7b. All diesen, den Grundbestand von Am 4,7f rekonstruierenden Versuchen ist gemeinsam, daß sie den im Text stattphetenbuch. 724. 95

Vgl. M. Lohr, Untersuchungen, 24.

96

E. Baumann. Aufbau. 41.

97

Vgl. K. Marti. Dodekapropheton. 182f.

98

Vgl. B. Duhm. Anmerkungen. 6.

99

Vgl. A. Weiser. Profetie. 168 u. 174. der in Am 4_8ar zudem die Worte Ι ϋ ϋ ί Γ Κ*7 streicht.

100

Vgl. A. Jepsen, Zwölfprophetenbuch. 93.

101

Vgl. J. Vollmer. Rückblicke. 9f.

102

L. Markert. Struktur. M2f.

103

Vgl. H. Greßmann, Geschichtsschreibung. 342f.

104 Vgl. E. Balla. Scheltworte. 18. 105 Vgl. G. Fohrer. Propheten. 33, Anm. 18. 106

Vgl. A. Winter. Analyse. 342.

107 Vgl. I. Willi-Plein. Vorformen. 27f. 108

Vgl. O. Procksch, Amos. 75.

109 Vgl. P. Riessler. Propheten. 77. 110

Vgl. K. Budde. Text I. 97.

111

Vgl. E. Sellin, Zwölfprophetenbuch. 219 u. 233 (= 273. Aufl.).

112

Vgl. A. Weiser. Amos 4.6-13. 53f.

113

Vgl. H. Reventlow. Amt. 85.

114

Vgl. H. W. Wolff. Amos, 260f.

115

Vgl. W. Rudolph. Amos 4.6-13. 29. Anm. 5; ders„ Amos. 170.

202

Die i n n e r e Schale der Spruchkomposition

findenden Motivwechsel entweder gar nicht berücksichtigen, sondern sich allein von metrischen Gesichtspunkten leiten lassen, oder aber genau umgekehrt verfahren. Ursache hierfür dürfte die unausgesprochene Annahme sein, der Grundbestand von Am 4,7f sei nur ein einziges Mal glossiert worden. 116 Gibt man diese Prämisse auf und fragt, ob das Motiv des Wassermangels in der Landwirtschaft (Am 4,7aß.b) oder das des Durstes von Menschen (Am als das ursprünglichere zu gelten hat, so scheint mehr für letztgenannte Möglichkeit zu sprechen, da Am 4,6 vom Hunger des Menschen die Rede ist. Folglich dürfte Am 4,7aß.b auszuscheiden sein; innerhalb des verbleibenden Textbestands sieht Am 4,8a wie eine Nachinterpretation von Am 4,78γδ aus, die die Auswirkungen des gottgewirkten Wassermangels (Am 4,7ayS) und der Nicht-Umkehr zu Gott (Am 4,8b) verdeutlichen will. Daher sind einzig Am 4,7aayS.8b dem Grundbestand der zweiten Strophe zuzurechnen, die somit, wie die übrigen, über eine vierzeilige Struktur verfügt. Die dritte Strophe wiederum befindet sich in einem textlich relativ guten Zustand, auch wenn einzelnen Exegeten die Verwendung von vier suffigier117

ten Begriffen des landwirtschaftlichen Bereichs überladen erscheint. Einzig das ΓΠ3*ΊΠνοη Am 4,9aß dürfte aus Gründen der chiastischen Symme118 trie zu Am 4,9ay entweder, im Anschluß an Welthausen, in "'ΓΟ'ΊΠ.Π oder, 119 120 mit Rudolph, in "'ΓΐΙΓΊΠζυ konjizieren sein. Neben der zweiten mußte insbesondere auch die vierte Strophe (Am 4,10) allerlei literarkritische Eingriffe über sich ergehen lassen. So nahm eine 121 Reihe von Exegeten an, bei der Näherbestimmung " f i Ό handle 116

E i n z i g L. M a r k e r t . S t r u k t u r , 113 s c h e i n t d a m i t z u r e c h n c n . Am 4,7 k ö n n t e d u r c h m e h r e r e Hände glossiert worden sein.

117

H. R e v e n t l o w , A m t , 85 a l l e r d i n g s p l ä d i e r t f ü r die S t r e i c h u n g von Am 4,9ay a u c h d i e e n t s p r e c h e n d e A n m e r k u n g im Apparat d e r BHS).

118

Vgl. J. W e l l h a u s e n . P r o p h e t e n , 80. So a u c h : D. W. N o w a c k . P r o p h e t e n . 136; M. Lohr, U n t e r s u c h u n g e n . 25: E. B a u m a n n . A u f b a u . 4 0 u. 43; K. M a r t i . D o d e k a p r o p h e t o n . 183; B. D u h m , A n m e r k u n g e n . 7; P. R i e s s l e r , P r o p h e t e n . 79, A n m . 9: K. B u d d e , Text I, 98; D. G u t h e , Amos. 37; E. Balla, S c h e l t w o r t e . 18, A n m . 6: A. J c p s e n , Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 93; L. K ö h l e r . Amos, 73; V. M a a g , Text, 21f; Α. W e i s e r , A m o s 4,6 13, 55; T. H. R o b i n s o n . Amos, 86; H. G r a f R e v e n t l o w , A m t . 85; J. V o l l m e r . R ü c k b l i c k e . 11; G . F o h r e r , P r o p h e t e n , 34; H. W. W o i r f , Amos. 249; L. M a r k e r t . S t r u k t u r . 112 u. 114; F. N ö t s c h e r . Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 725; A. D e i s s l e r , Amos, 109; H. B a r stad. P o l e m i c s , 58.

(vgl.

119

Vgl. W . R u d o l p h . Amos, 170.

120

Α. Β. E h r l i c h , R a n d g l o s s e n . 238 s c h l ä g t d a g e g e n vor, im S i n n e von " E r t r a g " z u lesen, w o g e g e n a b e r die chiastische S y m m e t r i e und der U m s t a n d s p r e c h e n , d a ß " d i e s e B e d e u t u n g v o n Π n i c h t b e l e g t " (W. R u d o l p h , Amos, 170) ist. — H. W e i p p e r t . P r o s a r e d e n , 155, A n m . 206 p l ä d i e r t f ü r d i e B e i b e h a l t u n g d e s M - T e x t e s .

121

Vgl. K. M a r t i , D o d e k a p r o p h e t o n . 183; A. W i n t e r . A n a l y s e . 367; P. R i e s s l e r . P r o p h e t e n , 77; Η. G r e ß m a n n , G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g , 343; E. Balla, S c h e l t w o r t e , 19, A n m . 1; H. R e v e n t l o w , Amt, 85; J. V o l l m e r . R ü c k b l i c k e . 11; I. W i l l i - P l e i n . V o r f o r m e n . 28; G . F o h r e r . P r o p h e t e n . 3 4 . A n m . 22; L. M a r k e r t . S t r u k t u r . 112 u. 114. - A. W e i s e r , A m o s 4,6-13. 55; - d e r s , P r o f e t i e , 169 b e g n ü g t s i c h m i t d e r S t r e i c h u n g des B e g r i f f s

-p-n.

D a s K e h r v e r s g e d i c h t von der v e r w e i g e r t e n U m k e h r (Am 4.6ΓΓ)

203

es sich um eine nachträgliche Interpretation des vorangehenden Begriffs Sofern überhaupt Gründe für diese literarkritische Operation angegeben werden, weist man darauf hin, der Ausdruck ü b e r f ü l l e das M e t r u m 1 2 2 und sei "sonst nur noch zweimal in Jes 10,24-27a, einem eschatologischen, »123

aus der nachexilischen Zeit stammenden Text belegt. Beide Argumente vermögen freilich nicht recht zu überzeugen. Denn vom G e s a m t a u f b a u des Kehrversgedichts her bilden die Einleitungsverse in Am 4 , 6 a a und Am 4 , 7 a a ein Paar. Das legt für Am 4,10aa die Annahme nahe, ihn mit Am 4 , 9 a a (und nicht mit Am 4,llacc.') zusammenzuordnen. Vergleicht man Am 4,10aa und Am 4 , 9 a a jedoch unter metrischen Gesichtspunkten, kann bei Am 4,10aa von einer U b e r l ä n g e keine Rede sein; unter kolometrischen Gesichtspunkten b e t r a c h t e t ist A m 4,10aoc sogar geringfügig kürzer als Am 4,9aoc (20:22 Konsonanten). Lassen sich (kolo)metrische Gründe für eine Streichung der W o r t e •"''"ÜSD " p ^ Ú somit nicht anfuhren, gilt ähnliches für das Argument, sie seien nur noch in dem späten Text Jes 10,24.26 belegt. Denn dies setz.t implizit zwei Prämissen voraus: a ) Besagte W o r t e in Am 4,10aa seien von Jes 10,24.26 abhängig; 1 2 4 b ) bei Am 4,6ff* handele es sich um einen von Amos selbst stammenden, zumindest aber um einen erheblich ä l t e r als Jcs 10,2426(27) seienden Text. Da auch diese beiden Prämissen sich nicht verifizieren lassen, liegt kein Grund vor, in Am 4,10aa literarkritisch einzugreifen. — Anders v e r h ä l t es sich mit dem seit jeher eine crux darstellenden Halbvers Am 4,10aY, weil die in ihm angekündigte Tötung der "Gefangenschaft (Ό2?) der P f e r d e " inhaltlich unverständlich ist. Daher konjizierte man O ß ? g e l e gentlich in das ähnlich klingende " O ^ 1 2 5 ("mit der Pracht eurer Pferde") oder "OD ("mit euren tüchtigen Reitern"). Diese Konjekturvorschläge v e r mögen freilich nicht recht zu befriedigen, zumal Am 4,10βγ in seiner vorliegenden Form metrisch überschießt. Das Gros der E x e g e t e n beurteilt diesen 127

Halbvers daher als redaktionelle Hinzufügung, womit aber nicht viel gewonnen sein dürfte. Denn es bleibt ein in ähnlicher Form bereits Am 4,7f 122

Vgl. L. M a r k e r t . S t r u k t u r . 114.

123

L. M a r k e r t . S t r u k t u r . 114.

124

G e m ä ß O. Kaiser. Jesaja I. 232 h i n g e g e n k ö n n t e der " R ü c k v e r w e i s a u f die ägypt i s c h e K n e c h t s c h a f t (sc. in Jes 10,24) Am 4,10 e n t n o m m e n " s e i n .

125

Vgl. G. R i c h t e r . E r l ä u t e r u n g e n . 351; K. Budde. Text I. 99; E. Sellin, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 220 ( 2./3. Aud.); V. Maag. Text. 21f : Τ. H. Robinson. Amos. 86; R. Fey, Amos, 93. Anm. I; H. W. W o l f f . Amos. 249; F. N ö t s c h e r . Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 725.

126

Vgl. A. B. E h r l i c h . Randglossen. 239.

127

So a u c h E. B a u m a n n , A u f b a u . 4 0 u. 43; A. W i n t e r . Analyse, 367; A. Jepsen. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 93; O. P r o c k s c h , S c h r i f t e n , 75; E. Balla. S c h e l t w o r t e , 19, Anm. 1; L. K ö h l e r . Amos. 73; H. R e v e n t l o w . Amt. 85; H. Weippert. P r o s a r e d e n , 155. Anm. 208; J. Vollmer, R ü c k b l i c k e , l l f ; G. F o h r e r . P r o p h e t e n , 34. Anm. 23; W. Rudolph. Amos 4.6-13. 28. Anm. 3; - d e r s , Amos. 171; I. Willi-Plein. V o r f o r m e n , 28f; L. M a r k e r t . S t r u k t u r . 112 u. 114.— K. M a r t i . D o d e k a p r o p h e t o n . 183 u n d D. G u t h e . Amos. 37. Anm. g h a l t e n dagegen Am 4,10a-r f ü r u r s p r ü n g l i c h u n d s t r e i c h e n Am 4,10aß als r e d a k t i o n e l l . — G e g e n jede S t r e i c h u n g sprach sich z u l e t z t S. M. P a u l . Amos. 148. Anm. 82 a u s .

204

D i e i n n e r e Schale der S p r u c h k o m p o s i t i o n

beobachtetes Problem bestehen, das im Zusammenhang mit Am 4,10a jedoch auffällig selten thematisiert wurde: 128 die Vermischung der Motive Pest und 129

Krieg. Von ihnen dürfte, wie Budde zu Recht betonte, nur eins ursprünglich sein. Dabei ist von Am 4,10aa.bat her dem Pestmotiv der Vorzug vor dem nur Am 4,10aß durch den Begriff Ι3""ΙΓΌ genannten Kriegsmotiv zu geben, und 3 Ί Π Π ist "als Dittographie des folgenden Π ^ η Γ Ό zu streichen". 1 3 0 Sollte Am 4,10ay nun redaktionell sein, w ä r e Am 4,10aß* metrisch zu kurz. Besonders deutlich wird das bei einem Vergleich von Am 4,10aß mit Am 4,9aß. Denn dort folgen auf das zu Beginn des Halbverses zu konjizierende Verb zwei mit einem Suffix der 2. Pers. PI. masc. versehene Nomen. Daher dürfte in Am 4,10aßy mit einem ähnlichen Aufbau zu rechnen sein, der wohl einmal aus dem Verb Τ Ι 3 1 Π und den beiden suffigierten, mit "l-copulativum verbundenen Nomen D ^ T i r Q und DD^DID gebildet wurde. Daß diese durch einen Strukturvergleich mit Am 4,9aß gewonnene Einsicht keineswegs abwegig ist, zeigt die ebenfalls zwischen Am 4,10ba und Am 4,9βγ bestehende Parallelität: An beiden Stellen besteht der Halbvers aus vier Worten, von denen zwei mit Suffixen der 2. Pers. PI. versehene Nomen • j 131 sind. Zieht man an dieser Stelle eine Zwischenbilanz, ist zweierlei festzuhalten: a ) Die jüngst von Andersen/Freedman massiv vertretene Behauptung, 132

Am 4,6ff sei kein poetischer, sondern ein prosaischer Text, trifft nur für den Endtext zu, nicht aber für dessen noch eruierbare Grundgestalt; b ) strukturelle und inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden ersten sowie der dritten und vierten Strophe legen die Vermutung eines paarigen Aufbaus nahe. "Wie das erste Strophenpaar sachlich 133 und formell durch Schilderung von Hunger und Durst zusammengehört", so entsprechen die dritte und vierte Strophe einander im Tempusgebrauch (auf j e zwei A K - F o r men folgt eine PK-Form) und durch die Zusammenstellung der Vernichtung von Pflanzen einerseits (Am 4,9) sowie Mensch und Tier (Am 4,10) andererseits.

128

Vgl. K. Budde. Text I. 98f : W. Rudolph. Amos 4,6-13, 28, Anm. 3 und - d e r s , Arnos. 170f.

129

Vgl. K. Budde, Text I, 98f: " U n e r t r ä g l i c h ist h i e r die V e r m e n g u n g d e r Plage der Pest mit d e r des K r i e g e s : n u r e i n e k a n n u r s p r ü n g l i c h sein, u n d das ist n a c h Anf a n g u n d SchluA die Pest". — Dagegen: A. Weiser, Amos 4,6-13, 55: "Von e i n e m »une r t r ä g l i c h e n N e b e n e i n a n d e r « von Pest und K r i e g s u n g l ü c k ( k a n n ) n i c h t g e r e d e t werden".

130

K. Budde, Text I, 99. E b e n s o W. Rudolph, Amos 4.6-13, 28. Anm. 3 und - d e r s , Amos, 170f.

131

D a s 1 - c o p u l a t i v u m vor C 0 9 K H ist zu s t r e i c h e n (vgl. J. Vollmer. R ü c k b l i c k e , 12).

132

Vgl. F. I. A n d e r s e n / D. N. Freedman, Amos, 438f.

133

A. W e i s e r , Amos 4,6-13. 54: vgl. - d e r s , P r o f e t i e , 168f.

Das Kehrversgedicht von der verweigerten U m k e h r (Am 4.6ΓΓ)

2. Strophe (Am 4,7f*) • B f a r r n a d d ö T i s n a " a a a Dai ΠΠΚ I T 1 ? » Τ ΐ Ί ϋ Ο Π -PDDK Vi1? η π κ - r i r b s n ^"DÍO ΟηΠΕΓΚ 1 ?! 4. Strophe (Am D^-isd τ π η i m a OVOIDI D ^ m cnaan o^ann ^-•aa n »

4,10*) m Tin 1 ?© ra τιηπ rï?ï)Ki annerai

205

1. Strophe (Am 4,6) •D 1 ? T i n a ^ t f - D a i •^Ίϊ) a^ìW c D ^ n m p n ^ran nrf? n o m •'•'-•Ka ΉΪ> a n n e r a i 3. Strophe (Am 4,9) γιρΊΌΐ iiaitön Dana Τ Ό Π • D T T D I Drrniaa T n n n ( n ) • r a n *?:3Κ·> c a r m e n a r r a a m • ^ • a a ΉΪ> a n n e r a i

Auf diese, zu zwei Paaren anordbaren Strophen folgt Am 4,11 eine fünfte und letzte Strophe, deren Wortlaut seit jeher viel Rätselraten ausgelöst hat. Ursache hierfür ist die Am 4,llaß gebrauchte Aussage, Gott habe die Israeliten wie Sodom und Gomora verkehrt. Denn in dieser ist 1.) von Gott in der dritten statt der ersten Person die Rede und wird 2.) Gott • T l ' p X statt, wie im Amosbuch sonst üblich, genannt; außerdem begegnet sie 3.) wörtlich in Jes 13,19 und Jer 50,40 sowie ohne CPn^K und ηΚ in Jer 49,18 und Dtn 29,22. Diese Schwierigkeiten versuchten einzelne Exegeten durch eine Streichung von DTI1?**,13' von Am 4,llaß oder aber des gesamten Ver136

ses zu umgehen, da eine derartige Ausdrucksweise im Mund des Amos unvorstellbar sei. Sollte Am 4,11 dagegen in der vorliegenden Form seit jeher Bestandteil des Kehrversgedichts gewesen sein, ließen sich an Hand des Am 4,llaß gebrauchten Ausdrucks und seiner Parallelbelege erste Hinweise auf die Datierung des Gesamtgedichts ziehen. Denn alle anderen, wie Am 4,llaß von einer Verkehrung Sodom und Gomoras 137 redenden Stellen stammen nach einhelliger Auffassung aus exilischer Zeit. Daher dürfte die früher gelegentlich geäußerte Ansicht obsolet ,138 sein, Am 4,llaß läge "eine alte und nicht specifisch israelitische Redensart" vor. Betrachtet man die genannten Parallelbelege genauer, springt der unterschiedliche Adressatenkreis ins 139 Auge: Gemäß Jes 13,19 und dem von ihm abhängigen Text Jer 50,40 soll 134

Vgl. K. Marti. Dodekapropheton. 184.

135

Vgl. B. Duhm. Anmerkungen. 7.

136

Vgl. A. B. Ehrlich. Randglossen. 239.

137

Zu Dtn 29.22 vgl. N. LohTink. Studien zum Deuteronomium und zur deuteronomistischen Literatur L SB AB 8. 1990. 64 u. 66 und H. D. PreuA. Deuteronomium. EdF 164. 1982. 159f. — Zu Jes 13.19 vgl. H. Wildberger. Jesaja Kapitel 13-27. BK X2. 1989, 2. A u f l , 511 und O. Kaiser. Jesaja II. 14. — Zu Jer 49J8 vgl. W. Rudolph. Jeremía. 250f (= nachexilischi). — Zu Jer 50,40 vgl. W. Rudolph. Jeremía. 257.

138

J. Wellhausen, Propheten, 80. So auch: O. Procksch. Geschichtsbetrachtung. 104109.

139

Zu den zwischen Jes 13,2-22 und Jer 50,1-5158 bestehenden Abhängigkeitsverhältnissen vgl. W. Rudolph. Jeremia, 256 und O. Kaiser. Jesaja Π, 12, Anm. 22.

206

D i e i n n e r e Schale der S p r u c h k o m p o s i t i o n

Babel verkehrt werden, während Jer 49,18, der Bestandteil einer von Jer 50,40 abhängigen Hinzufügung ist,' 4 0 Edom im Blick hat. Einzig Dtn 29,22 handelt es sich wie Am 4,11 um ein an Israel gerichtetes Wort. Doch nicht nur hierin, sondern auch bezüglich des Inhalts des engeren Umfelds (Dtn 141 \

29,21-27 ), in dem Dtn 29,22 steht, bestehen auffällige Gemeinsamkeiten mit Am 4,6-11: So ist in beiden Texten von der Sendung von Krankheiten und Plagen, vom Verlassen Gottes durch die Israeliten und der "Verkehrung wie Sodom und Gomora" die Rede; bezieht man überdies den Dtn 29,21-27 vorausgehenden Kontext mit ein, kommt noch der Rekurs auf Ägypten (bes. Dtn 29,1 f) hinzu. Intention von Dtn 29 aber ist, in wohl frühexilischer Zeit die im Bruch des Gottesverhältnisses bestehende Schuld Israels herauszustellen, 142 auf Grund derer sich Gottes Straffluch verwirklichen mußte. Dieselbe Intention dürfte auch der zeitnahen Grundschicht des Abschlußkapitels des Heiligkeitsgesetzes (Lev 26) zugrunde liegen, das über mannigfache Parallelen zu Am 4,6-11 verfugt. 1 4 3 Denn in Lev 26,30-33 sind "dermaßen konkrete Geschehnisse ins Auge gefaßt, daß man daraus nur den Schluß ziehen kann, daß hier das Ende des Staates Juda vorausgesetzt ist „ , 144 und es „sich offenbar um eine theologische Interpretation, um eine „145

Bewältigung der andringenden Gegenwart handelt. Bedenkt man fernerhin die von Wolff hervorgehobene Auffälligkeit, "daß alles, was in Lv 26 für den Fall des Ungehorsams konditional angedroht wird, in Am 4,6-11 als , 146 Gottes geschehene Tat konstatiert wird , hat das für die redaktionsgeschichtliche Einordnung des Textes weitreichende Konsequenzen. Zwar hat man sich der stereotyp wiederkehrenden Unbußfertigkeitsanklage sowie der in ähnlicher Form auch dem ursprünglichen Völker- und Visionszyklus zugrundeliegenden Fünfgliedrigkeit wegen meist dazu genötigt gesehen. Am 4,6-11 von Amos herzuleiten. Nimmt man die zu Lev 26 bestehenden Beziehungen aber ernst, wird man Am 4,6-11 doch wohl im Umfeld solcher Texte ansiedeln müssen, die wie Dtn 29 und Lev 26 der Bewältigung des Exilsgeschicks dienen. Dieser eigentlich zwingende Schluß wurde aber selbst von Wolff, der Am 4,6-11 nicht in erst (früh)exilischer Zeit, sondern bereits in der Zeit kurz nach der Zerstörung des Heiligtums zu Bet-El durch Josija verortete, so nicht gezogen. Sieht man jedoch genau hin, wie er zu dieser Ansetzung gelangte, unterscheidet sich seine Art der redaktionsgeschichtlichen Einordnung des Textes kaum von der unsrigen. Denn gleich uns hält er Lev 26 für 140

Vgl. h i e r z u W. Rudolph. J e r e m í a . 251 u. 265.

141

Z u r i n h a l t l i c h e n A b g r e n z u g des T e x t k o m p l e x e s vgl. N. L o h f i n k . S t u d i e n , 63Γ u n d H. D. Preuß, D e u t e r o n o m i u m , 159f.

142

Vgl. H. D. P r e u ß . D e u t e r o n o m i u m . 159f.

143

Vgl. die e n t s p r e c h e n d e Ü b e r s i c h t bei H. W. W o l f f . Amos, 252.

144

W. T h i e l . E r w ä g u n g e n . 66.

145

Ebd_

146

H. W. Woirr, Amos. 252.

Das Kehrversgedicht von der verweigerten Umkehr (Am 4,6ff)

207

älter als Λιη 4,6-11, datiert das AbschluBkapitel des Heiligkeitsgesetzes j e doch nicht wie Thiel (s.o.J^in die frühexiüsche Zeit, sondern im Anschluß an dessen Vorgänger Noth und Elliger in die letzte Periode des vorexilischen Kultus. Elliger begründet diese Ansetzung des Grundbestands von Lev 26, zu dem er wie Thiel einen Großteil von Lev 26,30-33 rechnet, mit Verweis auf Lev 26,31, der "noch nicht einmal die deuteronomistische Kultzen„149

tralisation kenne. Dagegen spricht jedoch der Umstand, daß die pluralische Lesart "Heiligtümer" in Lev 26,31, auf die Elliger seine gesamte A r gumentation stützt, textkritisch kaum haltbar sein dürfte, und die Beschreibungen von Lev 26,30-33 die Gegenwart des Exils offensichtlich bereits voraussetzen. Damit aber wird das erste Argument von Wolff für eine vorexilische Ansetzung zugunsten einer Ansetzung in mindestens frühexilischer Zeit hinfällig. Selbiges gilt für sein zweites Argument, den Abfassungszeitpunkt von Am 4,6ff innerhalb der letzten Periode der vorexilischen Zeit genauer zu bestimmen. Seiner Ansicht nach ist das beziehungslos stehende ΓΌ von Am 4,12 mit einem Fingerzeig auf den durch Josija zerstörten Altar von Bet-El zu verstehen, weshalb "auch der Übergang in b (sc. Am 4,12b) ungezwungen verständlich" 1 5 0 werde: "Nun wird diese Handlung zum aktuellen Grund, die versammelte Israelgemeinde aufzufordern, sich ihrem Gott zu stellen". 1 5 1 Problematisch an diesem, auf die vermeintliche Zerstörung Bet-Els hinweisend gedachten Verständnis ist allerdings der archäologische Befund. Ihm gemäß wurde Bet-El nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht durch Josija, sondern erst wesentlich später zerstört, weshalb es sich bei 2. Kön 23,15(-20), auf den Wolff seine Argumentation aufbaut, um einen historisch nicht auswertbaren Text handelt. Damit ist auch dem zweiten von Wolff für eine Ansetzung in josijanischer Zeit vorgebrachten Argument die Basis entzogen. Ist Am 4,6-11 mindestens aus frühexilischer Zeit herzuleiten, dürfte unter der Am 4,llaß begegnenden Rede von der "Verkehrung wie , 153 Sodom und Gomora entgegen der geläufigen Auffassung kein Erdbeben, sondern, in Analogie zu Dtn 29,22, Jes 13,19, Jer 49,18 und 50,40, eine Verödung des Landes zu verstehen sein. Deren Ursache ist entweder eine Naturkata147 Vgl. M. Noth. Das dritte Buch Mose. Leviticus. ATD 6. 1985, 5. A u f L 109f. 148 Vgl. K. Elliger. Leviticus, 371. 149 Ebd.. 150

H. W. Wolff. Amos. 262f.

151

A^.O, 263.

152

Vgl. hierzu unsere bereits im Zusammenhang von § 622. gemachten a u s f ü h r lichen Darlegungen bezüglich des Zeitpunkts der Zerstörung von Bet-El.

153 Vgl. F. Hitzig. Propheten. Ill; J. Wellhausen. Propheten. 80; D. W. Nowack. Propheten. 136; C. von Orelli. Propheten. 70; B. Duhm. Anmerkungen, 7; P. Riessler, Propheten, 79; E. Sellin. Zwölfprophetenbuch. 223 (= 273. Aufl.); H. GreAmann, Geschichtsschreibung. 343f; K. Budde. Text I. 99. O. Procksch, Schriften, 77f; M. Schumpp. Propheten. 121; G. Fohrer. Propheten. 35; W. Rudolph, Amos 4.6-13, 34; F. Nötscher, Zwölfprophetenbuch, 724; A. Deissler, Amos, 110.

208

D i e i n n e r e Schale der S p r u c h k o m p o s i t i o n

strophe (so Dtn 29,22) oder die Tötung bzw. Deportation der den Ackerboden bewirtschaftenden Menschen (so Jes 13,19-22; Jer 49,18; 50,40). Fragt man, welche der beiden Möglichkeiten Am 4,llaß zugrunde liegt, spricht vieles für die Vorstellung von der Verödung des Landes durch Deportation der Bevölkerung. Das sollte man jedoch nicht wie Wolff damit begründen, bereits Am 4,10 sei "von den Naturkatastrophen zu den Eingriffen" Gottes "in die politische Geschichte übergegangen": zum einen, da Am 4,6-9 keineswegs von nur die Natur betreffenden Katastrophen die Rede ist; zum anderen, weil der von ihm behauptete Ubergang zu politischen Ereignissen in Am 4,10 sich nur an dem, als dittographische Glosse zu streichenden, Begriff festmachen Iäßt. Relativ eindeutig zugunsten einer Interpretation von Am 4,llaß im Sinne einer Verödung des Landes durch Deportation seiner Bevölkerung spricht der in Am 4,1 lay folgende Halbvers, der die ins Exil verschleppten Israeliten mit einem dem Feuer entrissenen Holzscheit vergleicht. Da aber auch der sämtlichen Katastrophen entronnene Rest halsstarrig blieb und nicht zu Gott umkehrte, scheint Am 4,12 ein mit "p 1 ? eingeleitetes Gerichtswort zu folgen, das ein endgültiges Handeln Gottes androht. Worin dieses allerdings genau besteht, läBt sich nicht mit letzter Bestimmtheit sagen. Ursache hierfür sind die (scheinbar) beziehungslos stehenden Demonstrativpronomen und ΓΊΚΤ sowie die unklare inhaltliche Funktion von Am 4,12bß. Überblickt man die Literatur, lassen sich bezüglich Am 4,12bß im wesentlichen drei Ansätze unterscheiden: 1.) Gemäß Ramsey156 ist Am 4,12bß als eine (polemische) Aufforderung an die Israeliten zu verstehen, sich auch weiterhin jenen Abgöttern zuzuwenden, denen sie bisher nachliefen, und daher mit "Prepare to call your „157

'gods', O Israel!" zu übersetzen. Zur Begründung dieses Verständnisses von Am 4,12bß führt er drei Punkte an: a ) Am 4,6-12 sei als ein in die Nähe der prophetischen D"1*"!-Gattung gehöriger Text zu beurteilen. Denn wie in ihr das Hauptanklagemotiv in der Abkehr von Gott und einer polemischen Aufforderung der weiteren Zuwendung zu Abgöttern bestehe (vgl. Dtn 32,15-18.37f; Ri 10,14; Jer 2,26-28), so auch Am 4,6-11, 158 b) die Übersetzung des Begriffs ""pn'?i< mit "your 'gods"' statt "your God" trage dem Um154

H. W. W o l f f . Amos. 261.

155

S. M. Paul, Amos. 150 ä u ß e r t e die V e r m u t u n g , h i n t e r Am 4,12aac k ö n n t e sich ein S c h w u r f o r m u l a r v e r b e r g e n (ΠΤΐ'ΡΚ - HBU" 1 HD. vgl. 1. Kön 2.23), wobei s i c h das HD a u f e i n e "empirical d e m o n s t r a t i o n " b e z i e h e .

156

G. W. R a m s e y . Amos 4.12 A new Perspective. JBL 89 (1970). 187-191. — Ä h n l i c h ä u ß e r t e s i c h e i n i g e J a h r z e h n t e zuvor b e r e i t s E. Sellin, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 224f (- 2./3. Aufl.).

157

G. W. Ramsey. Amos. 190.

158

Ein b e d e u t e n d e r U n t e r s c h i e d besteht a l l e r d i n g s d a r i n , dafi Am 4,6-11 im G e g e n s a t z z u den d e r - G a t t u n g z u g e h ö r i g e n T e x t e n k e i n e W o h l t a t e n (vgl. Dtn 32.7-14; Ri 10J1-12; J e s 12; Jer 2,6f; M i c h a 6.4f), s o n d e r n S t r a f h a n d l u n g e n Gottes genannt werden.

D a s K e h r v e r s g e d i c h t von der v e r w e i g e r t e n U m k e h r (Am 4 , 6 r f )

209

stand Rechnung, daß Amos den Gott Israels sonst stets ^ nenne; c ) es sei nicht klar, ob die Rede von der Verkehrung Sodom und Gomoras in Am 4,11 von Amos tatsächlich als eine Tat von "1'1 verstanden worden sei. . 159 2.) Laut Brueggemann ist Am 4,12bß auf dem Hintergrund der Ex 19 und Ex 34 enthaltenen BundesschluBtradition als eine Aufforderung zur Bundeserneuerung zu verstehen. Für diese Interpretation sprächen das Am 4,12bß wie Ex 19,11.15; 34,2 gleichermaßen gebrauchte Verb " | Ό sowie die Auffälligkeit, daß Am 4,12bß wie Ex 19,17 in direkter Umgebung zum Verb " | Ό der Begriff gebraucht werde. 3.) Bei Am 4,12bß handelt es sich um eine als Überleitung zur Am 4,13 folgenden Doxologie zu verstehende Glosse. 1 6 0 Von diesen drei Interpretationsvorschlägen zu Am 4,12bß hat ein jeder etwas für sich. Bedenkt man freilich, daß Am 4,6ff (frühestens) in frühexilischer Zeit verfaßt wurde, wird zumindest das zweite, möglicherweise auch das dritte von Ramsey zugunsten seiner Interpretation vorgetragene Argument hinfällig. Deshalb aber sogleich das Verständnis von Am 4,12bß als einer (polemischen) Aufforderung zur Fortsetzung des Götzendienstes als hinfällig zu erklären, ist verfrüht. Jene Textpassagen des Amosbuchs nämlich, in denen ebenfalls von statt die Rede ist und die Ramsey gewisse Schwierigkeiten bereiteten (Am 2,8bß; 5,26; 8,14), können möglicherweise zur Stützung seines Verständnisses von Am 4,12bß dienen. Denn da sie sich alle einer ebenfalls nach Eintritt des Exils wirkenden Hand verdanken und Am 5,26 zudem eine Beziehung zu Abgöttern überaus deutlich ist, kann ein analoges Verständnis des Begriffs in Am 4,12bß zumindest nicht ausgeschlossen werden. Dennoch ist die von Ramsey vorgeschlagene Ü b e r s e t zung von Am 4,12bß nicht unproblematisch, bedeutet m O j ? 1 ? doch sonst nie "to call". 1 6 1 Dieses Problem läßt sich freilich umgehen, indem man mit Youngblood ΠΚΊρ1? einfach in ΠΚ ^"Ij? 1 ? konjiziert, wofür auch die Lesart der LXX (του έπικαλειοθαι) spricht. 1 6 3 Ist das Verständnis von Am 4,(6-)l2 als einer (polemischen) Aufforderung zur Fortsetzung der Abgötterei richtig, hat das Konsequenzen für die literarische Beurteilung des Am 4,13 folgenden Hymnus. Denn da er mit einem Vgl. wohl 159 W. als B r u e Begründungspartikel g g e m a n n . Amos IV.4-13. zu 1-6. verstehenden Ό einsetzt. Am 4,13 160

Vgl. D. W. Nowack, P r o p h e t e n . 136f : K. M a r t i . D o d e k a p r o p h e t o n . 185f : B. D u h m . A n m e r k u n g e n . 7; D. G u t h e . Amos. 37; V. Maag, Text, 25; H. Reventlow, Amt, 77, Anm. 1.

161

Vgl. R. Youngblood. Π Κ Ί ρ ^ in Amos 4:12. JBL 90 (1971). 98.

162

Vgl. ebd. — E n t s c h i e d e n g e g e n diese K o n j e k t u r s p r a c h s i c h S. B e r g l e r . Passagen, 24 aus: "Da _ die a n d e r e n V e r s i o n e n den m a s o r e t i s c h e n Text b e z e u g e n (z.B. V: in o c c u r s u m , A: x a t t v o v u ) , a u ß e r d e m die I n f i n i t i v f o r m der W u r z e l X~lp I n u r e i n m a l im AT belegt ist (Ri 8,1: n i K l p ''FÙ3 1 ?), darf w o h l M T als z u v e r l ä s s i g g e l t e n , u n d e s ist k e i n e s w e g s g e r e c h t f e r t i g t , 12bß e t w a z u ü b e r s e t z e n : »Prepare to call y o u r gods. O Israel«".

163

Vgl. H. W. W o l f f , Amos. 249.

210

Die innere Schale der Spruchkomposition

aber nur dann als Begründung zum Vorangehenden dienen kann, sofern eine Identität zwischen dem Am 4,12bß genannten und dem IDE? Γ Π ί Ο Χ genannten Schöpfergott des Hymnus besteht, müBte Am 4,13 redaktionell an Am 4,12 angeschlossen worden sein. Nimmt man dagegen wie das Gros der Exegeten an, in Am 4,12bß beziehe sich der Begriff ""pil'pX nicht auf irgendwelche Abgötter, sondern auf den wahren Gott Israels, ist eine Zurückfiihrung von Am 4,12bß und Am 4,13 auf unterschiedliche V e r fasser keineswegs zwingend erforderlich. Man könnte im Gegenteil sogar 164

annehmen, Am 4,12bß und Am 4,13 stammten von derselben Hand, was für Am 4,12bß eine eschatologische Interpretation nahelegen würde. Denn wie sich die Israeliten für ihre erste "Begegnung" mit Gott am Sinai "bereit" (*|O) machen muBten (Ex 19 u. 34), so sollen sie sich gemäß Am 4,12bß für eine l e t z t e "Begegnung" mit dem Schöpfergott (Am 4,13) "vorbereiten". 1 6 ^ Die eschatologische Interpretation von Am 4,12bß bleibt aber selbst dann bestehen, wenn man Am 4,12bß und Am 4,13 nicht einem, sondern zwei v e r schiedenen Verfassern zuschreibt; Am 4,13 wäre in diesem Fall als Nachinterpretation von Am 4,12bß zu verstehen. Dabei kann allerdings gefragt werden, ob Am 4,12bß seit jeher den Abschluß von Am 4,6ff bildete oder einer Am 4,13 vorangehenden Redaktionsstufe angehört. 1 6 6

8.4.: Der Tag des Herrn (Am

5,18-20)

Als Pendanttext zur Umkehrliturgie in Am 4,6ff dient der Spruch über den "Tag des H e r r n " (Am 5,18-20). Vergleicht man beide Texte miteinander, fällt insbesondere der erhebliche Umfangsunterschied zwischen ihnen auf. Zudem will auf den ersten Blick nicht recht einleuchten, was R R K sich bei der Gegenüberstellung inhaltlich derartig unterschiedlicher Texte dachte. Der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage dürfte in Am 4,12bß(.13) liegen: wie dort alles auf eine eschatologische Gottesbegegnung zuläuft, deren Inhalt nur aus einem Strafgericht über die zuvor (Am 4,6-11 ) als unbußfertig angeklagten Israeliten bestehen kann, so ist auch das Ziel von Am 5,18-20 eine eschatologische Gottesbegegnung in Form eines S t r a f g e richts. 1 6 7 164 Vgl. W. Berg, Hymnen fragmente, 242. 165 Vgl. K. Marti. Dodekapropheton. 185. 166 Vgl. ebd. 167 Dieser Z u s a m m e n h a n g wurde in ähnlicher Weise bereits von S. Bergler. Passagen, 226ΓΓ gesehen. Von der Erkenntnis ausgehend, daß dem Amosbuch eine konzentrische Struktur zugrunde liegt, in der den Hymnen in Am 12: 5.8(f) und 95f eine gliedernde Funktion zukommt, stellt er fest. daft "in diesem Schema die Passage 4,13 gar nicht benötigt" (226) wird. Er nimmt daher an, "daft 4,13 an eine Stelle, die mit der Aussage des Hymnus eng zusammenhängt, placiert wurde _ während die anderen Passagen tatsächlich m e h r den äufteren Rahmen des Buches _ bilden sollen" (226f). Bei der Frage, um w e l c h e Aussage es sich dabei handelt, kommt er auf die Vorstellung des DI'1. Nun findet sich das m a r k a n t e

D e r Tag des H e r r n (Am 5J8-20)

211

Uberblickt man die bisherige Forschung zum Vorstellungsbereich des "Tag des Herrn", lassen sich zwei grundsätzliche Feststellungen treffen. Zum einen ist man sich fast ausnahmslos darüber einig, bei Am 5,18-20 handle es sich um den ältesten Text innerhalb der den "Tag des Herrn" the168 matisierenden Prophetensprüche; zum anderen besteht ein erheblicher Dissens über die traditionsgeschichtliche Herkunft der Rede vom "Tag des ,, ·· 169 Herrn . Gemäß den Uberblicksdarstellungen von van Leeuwen und Barilo

stad lassen sich forschungsgeschichtlich vier Antworttypen auf die Frage nach dem (genuinen) "Sitz im Leben" des "Tags des Herrn" nachweisen: a) Gemäß Greßmanni7i (1905) verbirgt sich hinter der Vorstellung vom "Tag des Herrn" ein sehr alter, auf mythologische Konzeptionen der Babylonier zurückgehender, eschatologisch ausgerichteter Erwartungskomplex. Dessen Hintergrund sei die altorientalisch-zyklische Zeitvorstellung g e w e sen, der gemäß auf die Zerstörung einer Welt sogleich die Erschaffung einer neuen folgt. Gegen eine derartige Ableitung spricht aber, daß dem biblischs t ü c k z u d i e s e m T h e m a in Am 5J8-20. Bergler f o l g e r t d a r a u s . daB Am 5,18-20 " h ö c h s t w a h r s c h e i n l i c h hier (sc. im AnschluB a n Am 4.6-12) s e i n e n r i c h t i g e n P l a t z h a t t e . _ u n d 4 J 3 _ n u r e i n e Art E r s a t z f u n k t i o n a u s ( ü b t ) " (227). D e n Lös u n g s s c h l ü s s e l aber, " w a r u m 5,18ff u r s p r ü n g l i c h die E i n h e i t 4.6-12(a?) a b g e s c h l o s sen h a b e n m u ß " (227), sieht er in der k o n z e n t r i s c h e n S t r u k t u r des A m o s b u c h s . D e n n g e m ä ß diesem k ö n n e in Am 4,12 n u r die A n k ü n d i g u n g des "Tag des H e r r n " "von 5.18-20 g e s t a n d e n h a b e n " (231). 168

Massive B e d e n k e n gegen die a m o s i s c h e V e r f a s s e r s c h a f t b r a c h t e A. W i n t e r . Analyse, 346f vor: "Ich b e s t r e i t e . daB die Verse von Amos s t a m m e n . V. 19 ist e i n Sprichwort _ u n d als R a n d b e m e r k u n g e i n e s Lesers in den Text g e d r u n g e n _ denn der Vers s t e h t o h n e jede V e r b i n d u n g u n d ein dem "10X3 e n t s p r e c h e n d e s • p f e h l t , d a z u ist er n i c h t r h y t h m i s c h g e g l i e d e r t w i e V. 20. V. 18bß und 20 s i n d n i c h t n e b e n e i n a n d e r m ö g l i c h , e i n e r ist um V. 19 w i l l e n h i n z u g e t r e t e n . Aber n i c h t weil V. 20 F r a g e s a t z ist. ist e r u r s p r ü n g l i c h _ s o n d e r n weil s i c h s e i n e s p ä t e r e H i n z u f ü g u n g h i n t e r V. 19 n i c h t v e r s t e h e n ließe, w e n n s c h o n 18bß da w a r . u n d s c h o n g a r n i c h t in F r a g e f o r m . D a n n ist 18bß a l s Ü b e r l e i t u n g zu V. 19 e i n g e s c h o ben. V. 20 k a n n n i c h t als Z u s a t z zu V. 18 b e t r a c h t e t w e r d e n , da er diesen Vers zu t r e f f e n d f o r t s e t z t . E r g ä n z u n g e n sind leicht k e n n t l i c h . Aber V. 1820 k ö n n e n von Amos n i c h t g e s p r o c h e n sein, da die e r n s t e Situation die F r a g e in V. 20 n i c h t z u g e l a s s e n h ä t t e . _ D i e Verse sind d e m n a c h E i n s c h u b e i n e s f r o m m e n Lesers in e i n e r Zeit, in d e r m a n a u f den Tag" des H e r r n "große H o f f n u n g e n setzte". G e w i s s e Z w e i f e l an der H e r k u n f t von Amos b r a c h t e e b e n f a l l s O. K a i s e r , Jesaja II. 16 vor: "Nach h e u t e w o h l a l l g e m e i n e r Ansicht läßt sich der G l a u b e a n den Tag" des H e r r n "als a n e i n e n G e r i c h t s t a g im Alten T e s t a m e n t bis in das a c h t e J a h r h u n d e r t z u r ü c k v e r f o l g e n . wo er e r s t m a l s bei Amos 5.18-20 und dann bei Jesaja 2.6-22 belegt ist. Ob b e i d e Stellen in d e r Tat a u f die g e n a n n t e n P r o p h e t e n z u r ü c k g e h e n o d e r d i e g a n z e Vorstellung n i c h t v i e l m e h r erst a u f dem Boden n a c h e x i l i s c h e r E r w a r t u n g e n e r w a c h s e n ist. b e d a r f im Z u s a m m e n h a n g mit der E r h e l l u n g d e r R e d a k t i o n s g e s c h i c h t e der P r o p h e t e n b ü c h e r w e i t e r e r Klärung".

169

Vgl. C. van L e e u w e n . T h e Prophecy of t h e Yom JHWH in Amos V.18-20, OTS 19 (1974), 113-134.

170

Vgl. H. M. Barstad. P o l e m i c s . 89-93.

171

Vgl. H. G r e ß m a n n , D e r U r s p r u n g der i s r a e l i t i s c h - j ü d i s c h e n Eschatologie. FRLANT 6. 1905, bes. 141ff.

212

D i e i n n e r e S c h a l e der S p r u c h k o m p o s i t i o n

hebräischen Denken keine zyklische (Weltvernichtungs-)Vorstellung zu eigen ist, nicht alle vom "Tag des Herrn" sprechenden Texte futurisch ausgerichtet sind (vgl. z.B. Kgld 2,22) und die ältesten von ihnen keine kosmo172 mythologischen Bestandteile enthalten. 173 b) Mowinckel (1922) vermutete den Ursprung der Rede vom "Tag des Herrn" im Kult Israels. Denn wie die Rede von den "Tagen der Bealim" (Hos 2,15) als eine Anspielung auf kultische Feiern zu verstehen sei, so müsse es sich beim "Tag des Herrn" um ein zu Ehren Gottes gefeiertes Fest gehandelt haben. Entsprechend seiner Theorie der Thronbesteigungspsalmen identifizierte er den "Tags des Herrn" mit dem Neujahrstag des Herbstfestes, an dem man Gottes Inthronisation kultisch nachgespielt habe. Problematisch an dieser Herleitung des "Tag des Herrn" von einem herbstlichen Thronbesteigungsfest ist allerdings, daB es für dieses keine biblischcn Belege gibt, es vielmehr aus einem reinen AnalogieschluB zum babylonischen akkidu-Fest und einer hypothetischen Exegese von Ps 47, 93 u. 95-100 re174 konstruiert wurde. 175 c) von jRad (1959) war der Ansicht, die Rede vom "Tag des Herrn" greife auf die vorstaatliche Tradition vom "Heiligen Krieg" zurück und habe Gottes Erhebung, Krieg und Sieg gegen die Feinde Israels zum Inhalt. Schwierig hieran ist, daB die Kriegsvorstellung keineswegs konstitutiv zur Rede vom "Tag des Herrn" gehört und die meisten anderen, von ihm für seine These angeführten Motive sich bei genauerer Untersuchung entweder nicht halten lassen oder vornehmlich aus jungen Texten (z.B. Jes 13 und Joel 2) stammen. 1 7 6 d) Laut Fensham 7 7 (1966) besteht eine besonders starke Beziehung zwischen der Bundestheologie und der Vorstellung vom "Tag des Herrn", der als ein Tag des Kriegs, des Gerichts und der Bestrafung sowohl der Feinde Israels als auch Israels selbst zu verstehen sei. Dieser Doppelcharakter des "Tag des Herrn" resultiere aus einem zwischen Gott und Israel bestehenden 172

W e i t e r e G e g e n a r g u m e n t e bei C. van L e e u w e n . Prophecy, 119Γ u n d H. M. Barstad, P o l e m i c s . 98-102.

173

Vgl. S. M o w i n c k e l , P s a l m s t u d i e n II. D a s T h r o n b e s t e i g u n g s f e s t J a h w ä s u n d der Urs p r u n g der Eschatologie, 1922.

174 W e i t e r e G e g e n a r g u m e n t e bei C. van L e e u w e n . P r o p h e c y , 1201". Z u r neueren D i s k u s s i o n u m die R e k o n s t r u k t i o n e i n e s i s r a e l i t i s c h e n T h r o n b e s t e i g u n g s r e s t e s vgl. e t w a die Arbeiten von J. J e r e m i a s . D a s K ö n i g t u m G o t t e s in d e n P s a l m e n . FRLANT 141. 1987 u n d d i e Rezension von B. J a n o w s k i , D a s K ö n i g t u m Gottes in den P s a l m e n . Z T h K 86 (1989). 389-454. 175

Vgl. G. von Rad. T h e Origin of t h e Concept of t h e Day οΓ Y a h w e h , JSS 4 (1959), 97-108; - d e r s , Theologie das Alten T e s t a m e n t s . Bd. 2. 1987, 9. Aufl., 129-133.

176

Vgl. h i e r z u M. Weiss, T h e Origin of t h e "Day of t h e Lord" R e c o n s i d e r e d . HUCA 37 (1966). 29-60, bes. 30-37(41) und C. van L e e u w e n , Prophecy, 124f.

177

Vgl. F. C. F e n s h a m . A Possible Origin of t h e Concept of t h e Day of t h e Lord, in: Biblical Essays of D i e O u t e s t a m e n t i e s e W e r k g e m e e n s k a p in Suid A f r i k a 9 (1966/7), 90-97.

Der Tag des Herrn (Am 5J8-20)

213

Bundesverhältnis, das sein Vorbild in altorientalischen Vasallenverträgen finde. Er sei daher für die Feinde Israels stets ein "Tag der Bestrafung", für Israel dagegen ein "Tag des Gerichts und/oder der Bestrafung". Problematisch an dieser Herleitung ist jedoch, daß es sich bei der Bundestheologie um eine Vorstellung handelt, die vermutlich erst in der Spätzeit Israels ihre eigentliche Ausprägung erfahren und daher nicht in der Weise traditionsbildend gewirkt haben kann, wie Fensham dies glaubte. Läßt sich über die Herkunft der Vorstellung vom "Tag des H e r r n " folglich nichts Genaues sagen, ist Am 5,18-20 unter Absehung sämtlicher diesbezüglicher Theorien zu untersuchen. Formal betrachtet läßt sich Am 5,18-20 in zwei Bestandteile gliedern: Ein im Zentrum des Textes stehendes Bildwort (Am 5,19) und zwei es umgebende Rahmenverse, die das im Bildwort geschilderte Ereignis als Vergleich für den "Tag des H e r r n " herausstellen (Am 5,18.20). Fragt man, ob sie seit 178

jeher zusammengehören, und wer als ihr Verfasser angesprochen werden kann, erscheint es ratsam, die Analyse von Am 5,19 her zu beginnen. Denn die Art, wie hier das angedrohte Geschick eines Menschen in den Bereich der Tierwelt eingeordnet wird, fordert es geradezu heraus. Am 5,19 mit analogen Texten des Amosbuchs zu vergleichen: Am 3,3-6(8), Am 3,12 und Am 4,1-3 . Von diesen drei Texten verfügt Am 3,12 über die größte inhaltliche Nähe zu Am 5,19. Zum einen, weil beide Worte mit der Erwähnung eines "Löwen" ("'"Ί^Π) einsetzen; zum anderen, da ihnen das Thema der " e r folglosen Flucht" gemeinsam ist. Zu Am 3,3-6(8) und Am 4,1-3 bestehen dagegen insofern Beziehungen, als auch sie der Tierwelt entstammende Motive benutzen und in den Bereich des menschlichen Lebens einordnen. Da sich alle einer dem Tierleben entlehnten Motivik bedienenden Sprüche gemäß unserer Analyse mit hoher Wahrscheinlichkeit als dem Grundbestand des Amosbuchs zugehörig erwiesen (vgl. § 5.2.1., 5.3., 6.2.3. u. 6.3.), dürfte für Am 5,19 selbiges anzunehmen sein. Zusätzlich gestützt wird diese redaktionsgeschichtliche Einordnung von Am 5,19 durch den Umstand, daß das hier angedrohte Unheil sehr verhüllt angesagt wird. Derart dunkle Gerichtsandrohungen fanden sich aber bereits in der Schlußstrophe des wohl ebenfalls zum ältesten Bestand des Amosbuchs gehörigen V ö l k e r - und Visionszyklus. Daß eine derartige Beziehung zwischen Am 5,19 und dem Völker- und Visionszyklus tatsächlich besteht, ergibt sich zudem durch den hier wie dort (vgl. Am 2,16 u. Am 9,1) gleichermaßen gebrauchten Begriff 013. Das dem ältesten Grundbestand des Amosbuchs durchaus zuweisbare Bildwort wird von den Rahmenversen in Am 5,18.20 nun in den Vorstellungs178

Für eine redaktionelle Hinzufügung zu Am 5J8(a.bac)-20 wird Am 5.19 von Vf. Lohr. Untersuchungen. 16 u. 19. B. Duhm. Anmerkungen. 10 und A. Winter, Analyse, 346 gehalten, während H. Oort, Profeet, 122 und P. Riessler. Propheten. 84 Am 520 a l s Glosse zu Am 5J8 strichen. K. Marti. Dodekapropheton, 194. D. Guthe. Amos. 40 und E. Balla. Scheltworte. 13. Anm. 2 sprachen sich dagegen daf ü r aus, Am 5,20 vor Am 5 J 9 umzustellen. A. Weiser. Profetie, 213-217 strich Am 5.18bß und sortierte um: Am 5.18a.bo.l9: 6.9f : 5,20.

214

D i e i n n e r e Schale d e r Spruchlcomposition

bcreich des "Tags des Herrn" eingeordnet. Analog dem Bildwort in Am 5,19, das über diverse Bezüge zu Sprüchen in den beiden vorangehenden Kapiteln (Am 3f) verfugt (bes. Am 3,12), besitzt Am 5,18(.2θ) deutliche Beziehungen zum Folgekapitel (Am 6). Denn das dort gegeißelte "Sicherheitsgefühl" (Am 6,laß) und "Sich-Fernwähnen vom Unheilstag" (Am 6,3a) sind letztlich Am 5,18 thematisch verwandte Aussagen. DaB die direkt mit Am 6,laß(+ ΌΠ) zusammengehörige Aussage in Am 6,3a (vgl. § 7.1.) aber keineswegs zu der 179

von Am 5,18 im Widerspruch steht, wie einige Exegeten behaupten, wurde bereits in § 7.1 gezeigt. Folglich spricht nichts dagegen, Am 5,18 dem auch für Am 6,laß(+ ","in).3a verantwortlichen Verfasser zuzuschreiben. Der Am 6,laß(+ ' , in).3a.4.5a.6aa umfassende Grundbestand von Am 6,1-7 gehört aber zur Gruppe des ältesten im Amosbuch eruierbaren Spruchguts. Da er zudem als Pendanttext zu Am 4,1-3 dient, Am 4,l(-3) wiederum über (wenn auch sehr schmale) Bezüge zu Am 5,19 verfügt (s.o.), schließt sich an dieser Stelle der Kreis. Die oben aufgeworfene Frage nach der genuinen Zusammengehörigkeit von Am 5,19 und Am 5,18.20 ist daher zu bejähen.

179

Vgl. H.-J. K r a u s e , L e i c h e n k l a g e , 26 und G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 232.

Kapitel 9: Das Zentrum der Spruchkomposition (Am 5,1-17) Am 5,1-17 ist redaktionsgeschichtlich in doppelter Hinsicht bedeutsam: zum einen handelt es sich um das kompositorische Zentrum der Am 3-6 bzw. dem Amosbuch als Ganzem zugrundeliegenden Ringstruktur; zum anderen beginnen mit diesem Abschnitt die Worte des Amos Uber das Haus Israel (Am 5f), im Gegensatz zu den vorangehenden Worten Gottes über die Kinder Israels (Am 3f).

9.1.: Die Leichenklage

über die Jungfrau Israel (Am

5,1-3)

Bezüglich der "Leichenklage über die Jungfrau Israel" (Am 5,1-3) ist man sich weithin einig darüber, es mit einem von Amos stammenden Spruch 1 . 2 zu tun zu haben. Diskutiert wird hingegen, ob deren Einleitung ganz oder teilweise 3 als redaktionell zu streichen, und der im jJínn-Metrum störende Begriff ^ Κ Ί Ε ^ Π Ό 1 ? in Am 5,3br analog Am 5,4a hinter die ΊΏΚ HD-Formel (Am 5,3aa) oder das Wort ΠΚΠ (Am 5,3ba) umzustellen bzw. zu tilgen 6 ist; ebenso wird gelegentlich erwogen, die ""IOX HD-Formel in Am 1

Z w e i f e l a n der a m o s i s c h e n V e r f a s s e r s c h a f t von Am 5.1-3 ä u ß e r t e n u.W. n u r H. Oort, P r o f e e t , 117f u n d P. K. D. N e u m a n n . Wort. 229.247f.255, e v e n t u e l l K. Koch, Amos II. 30.

2

Vgl. D. G u t h e , Amos. 38 und J. J e r e m i a s . Tod, 147f ; cvt. K. M a r t i , D o d e k a p r o p h e ton. 186 u. K. K o c h . Amos II. 30.

3

B. D u h m . A n m e r k u n g e n , 8 u n d T. H. Robinson, Amos. 88 s t r e i c h e n den B e g r i f f Π Ρ ρ . R. B. Coote, Amos. 13 die A n r e d e "ρΚΊό"· Π Ό . P. Ricssler. P r o p h e t e n . 80 d e n Gesamtausdruck Γ Ρ 3 r C p . G. F l e i s c h e r , M e n s c h e n v e r k ä u f e r , 96 u. 119 d i e W o r t e ΠΤΠ 1 3 1 u n d "PKie?·" m A. Fitzgerald. Titles. 178, Anm. 30 die Hinl e i t u n g "1DX ΠΤΠ - i z n r r n x IWDB; A. J. Bjorndalen. Rede. 160 hält n u r die W o r t e •ΡΚΊΕΓ Γ Ρ 3 n r p ΠΤΠ 1 3 Τ Π Κ 1BOB f ü r u r s p r ü n g l i c h , V. Maag, Text. 26 lediglich "PK1ÈP n ^ n n r p 1ÜDIZ?; vgl. Κ. Budde, Text I, 103; E. Sellin, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 226 (= 2 7 3 . Aufl.) u. W. H. Schmidt. R e d a k t i o n . 173. Anm. 15.

4

Vgl. M. Lohr. U n t e r s u c h u n g e n . 17; A. W i n t e r , Analyse. 368; P. R i c s s l e r . P r o p h e t e n , 82; A. Jepsen. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 71; L. K ö h l e r . Amos. 74; M. S c h u m p p . P r o p h e t e n . 122. V. Maag. Text. 26; J. Theis. Amos. 124; J. S c h a r b e r t . P r o p h e t e n . 112; J. M. Berridge. I n t e n t i o n . 322. Anm. 10; H. W. W o l f f . Amos. 267 u. 269; G. F o h r e r . Prop h e t e n , 46; F. Nötscher. Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h . 726.

5

Vgl. D. W. N o w a c k . P r o p h e t e n , 138; K. Budde. Text I. 104.

6

Vgl. K. M a r t i . D o d e k a p r o p h e t o n . 186f: A. Weiser. P r o f e t i e . 180; D. G u t h e . Amos. 38; H. G r e f t m a n n . G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g . 344; A. B. E h r l i c h . Randglossen. 240; W. S t a e r k . W e l t r e i c h . 12 u. 183. Anm. 5; E. Balla, S c h e l t w o r t e , 17. Anm. 1; - d e r s , Bots c h a f t , 80; O. P r o c k s c h . S c h r i f t e n . 78; P. Torge. P r o p h e t e n , 15; L. M a r k e r t , S t r u k t u r , 125f; W. Rudolph. Amos. 187; A. D e i s s l e r . Amos, 111.

216

Das Zentrum der Spruchkomposition (Am 5.1-17)

5,3aa als den Spruch unterbrechende Nachbildung von Am 5,4a zu entfer7 nen. Bedeutsamer als diese sich auf die Rahmenformeln beschränkenden Eingriffe ist die Frage, ob Am 5,1-3 ein in sich geschlossener oder ein redaktionell aus Am 5,1 f und Am 5,3 zusammengesetzter Spruch ist. Denn während Am 5,lf das Haus bzw. die Jungfrau Israel im Blick hat, geht es Am 5,3 um eine "Stadt"; überdies scheint Am 5,lf den Fall von ganz Israel zu thematisieren, Am 5,3 dagegen nur den eines kleinen Teils (10%) einer Stadt. GemäB Wolff wiegen die inhaltlichen Diskrepanzen zwischen Am 5,1 f und Am 5,3 allerdings nicht so schwer, wie die für eine genuine Zusammengehörigkeit sprechenden Gegengründe: Das Metrum der Leichenklage aus 2 setzt sich in 3aß fort; das Thema des großen Sterbens verdeutlicht 3; vor allem kennen wir keine (am wenigsten eine derart umfassende) Gerichtsansage des Propheten, die ohne Hinweis auf das ihn legitimierende" Gotteswort "bliebe. So wird man die Aussage über »die Stadt« als exemplarisch für ganz Israel nehmen müssen; ... »die Stadt« bedeutet hier sachlich »jede Stadt«". 10 Neumann betonte demgegenüber neben den inhaltlichen Diskrepanzen, daß a) die Am 5,3 gebrauchte Partikel "häufig der sekundären Verknüpfung ursprünglich selbständiger Sprüche (V. 4; vgl. 5,12; 3,??)" 11 diene; b) das generalisierende Verständnis des Ausdrucks "die Stadt" im Sinne von "jede Stadt" die Spannung zwischen Am 5,1 f und Am 5,3 nicht zu beheben vermöge; 12 c) beim Verständnis von Am 5,1-3 als Einheit das Leichenlied (Am 5,1 f) formgeschichtlich gesehen als Lagehinweis dienen müßte, was "für Amos völlig singulär (wäre)". 13 Beide Versuche, Am 5,1-3 entweder als genuine Einheit oder als redaktionelle Komposition zweier ursprünglich separater Sprüche zu verstehen, leiden unter einem doppelten Manko: zum einen gehen sie nicht (ausreichend) der Frage nach, was den "Fall der Jungfrau Israel" ausgelöst hat; 7

Vgl. E. Baumann. Aufbau. 46 u. 49: K. Marti. Dodekapropheton. 186Γ: D. Guthe. Amos, 38: P. Torge. Schriften. 78: O. Procksch. Schriften. 78.

8

Als selbständiger Spruch wird Am 5.3 von folgenden Exegeten beurteilt: H. Greßmann, Geschichtsschreibung, 344: L. Köhler. Amos, 74: H. McKeating. Amos, 38: T. H. Robinson. Amos. 88: R. H. P f e i f r e r . Introduction. 579 u. 583; P. K. D. Neum a n n , Wort. 227f; R. B. Coote, Amos. 13 u. 88: G. Fleischer. Menschenverkäufer. 119. Nicht ganz sicher, ob Am 53 von Am 5Jf abzutrennen ist. ist sich K. Koch. Amos II. 30f.

9

Ähnlich bereits A. Weiser. Profetie, 179Γ.

10

H. W. Wolff. Amos, 271f.

U

Ρ. Κ. D. Neumann. Wort, 227.

12

Vgl. a.a.O.. 228. Anm. 1.

13

Αλ.Ο. 228. P. Κ. D. Neumann. Wort, 228, Anm. 3 verweist in diesem Zusammenhang auf eine entsprechende Äußerung von H. W. Wolff (Amos. 272): "Es ist ungewöhnlich, daß Amos einem Gerichtswort" Gottes "nicht eine die Strafe begründende Anklage voraufschickt (vgl. 3,2.9-11: 4J-3: 5.12 * 16f; 7.16f). sondern eine das kommende Unheil selbst verdichtende und vergegenwärtigende fiktive Liedform".

D i e Leichenlclage Uber die J u n g f r a u Israel (Am 5.1-3)

217

zum anderen ignorieren sie weithin die kompositorische Einbettung von Am 5,2 in seinen Kontext. Wie bereits Carroll erkannte, schließt das Leichenlied in Am 5,2 kompositorisch und inhaltlich an das in Am 4,6—ll(—13) vorangehende Kehrversgedicht von der verweigerten Umkehr an, in dem verschiedentlich vom Tod die 14

Rede ist. Daß diese Zusammenstellung nicht zufällig ist, wird sofort deutlich, wenn man Am 5,16f, den Pendanttext von Am 5,lf(.3), in die Betrachtung mit einbezieht. Denn wie Am 5,16f eine Theophanie zum Inhalt hat, so fordert der dem Leichenlied (Am 5,lf) in Am 4,12f vorangehende Passus die Israeliten zur Vorbereitung auf eine eschatologische Begegnung mit dem Schöpfergott (Am 4,13) auf (vgl. § 8.3. Ende). Angesichts dieser kompositorischen Einbettung legt sich der Verdacht nahe, auch das Leichenlied in Am 5,2 könnte eschatologisch zu interpretieren sein. Damit ist freilich nicht gesagt, daß ihm (so es nicht erst von R R K geschaffen wurde!) einstmals eine andere Funktion zukam. Ob dem so war, vermag allerdings erst eine genaue Untersuchung seines W o r t - und Bildbestands zu erweisen (vgl. § 9.1.1.). Vom konzentrischen Kompositionsmodell her scheinen nur Am 5,lf und Am 5,16f als Pendanttexte anzusprechen sein, während Am 5,3 etwas in der Luft hängt. Auffällig ist aber, daß in Am 5,15(b) wie Am 5,3 der Restgedanke Verwendung findet: hier in Form des Verbs ""ΡΧϋΓΐ, dort durch das Nomen rP""lí zitiert als: Ezechiel I - ders„ Ezechiel 25-48. BK XIII/2. 1979. 2. A u f l .

zitiert als: Ezechiel II

- ders„ Heiligkeit" nach dem sogenannten Heiligkeitsgesetz. VT 30 (1980), 493-512. Zobel. R - J . Prophet in Israel und Juda. Das Prophetenverständnis des Hosea und Amos, ZThK 82 (1985). 281-299. - ders_ (Artikel) "Π1?!". in: ThWAT. Bd. 1. 1018-1031. Zorell. F , Z u Amos 1,3.6. usw. Bib 6 (1925), 171-173.

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Adolf von Harnack als Zeitgenosse Reden und Schriften aus den Jahren des Kaiserreichs und der Weimarer Republik Teil 1: Der Theologe und Historiker Teil 2: Der Wissenschaftsorganisator und Gelehrtenpolitiker Herausgegeben und eingeleitet von Kurt Nowak 23,0 χ 15,5 cm. Teil 1: XIV, 972 Seiten. Teil 2: X, Seiten 973 - 1.683. 1995. Ganzleinen DM 460,- / öS 3.588,- / sFr 436,- ISBN 3-11-013799-2 Nachdruck der wichtigsten wissenschafts- und kulturpolitischen Schriften Adolf von Harnacks (1851-193o) in Verbindung mit seinen für ein breites Publikum bestimmten Vorträgen und Aufsätzen über Christentum und Geschichte. Wissenschaftskultur und Gelehrtenpolitik im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik stehen im Schnittpunkt des Interesses zahlreicher Disziplinen. Dem Beitrag protestantischer Theologen und Wissenschaftspolitiker kommt dabei besondere Bedeutuung zu. Harnack zählte zu den einflußreichsten Wissenschaftspolitikern seiner Zeit. Der Herausgeber ist Ordinarius für Kirchengeschichte an der Universität Leipzig.

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Klaus Seibt

Die Theologie des Markell von Ankyra 23,0 χ 15,5 cm. XIV, 558 Seiten. 1994. Ganzleinen D M 2 5 8 , - / öS 2.013,- / sFr 246,ISBN 3-11-014027-6 (Arbeiten zur Kirchengeschichte, Band 59) Ein Beitrag zum Verständnis von Theologie und Kirche im vierten Jahrhundert. Aus dem Inhalt: Die Forschung - Die Chronologie - Das Corpus Marcellianum - Das Opus ad Constantinum (336 n.Chr.): Rekonstruktion, Textkritik, Übersetzung, Kommentar (»Markell-Fragmente«) Die Lehre (Gotteslehre / Christologie / Ekklesiologie / Eschatologie) als antiarianische Polemik im Zeitgeist der Konstantinischen Wende.

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