Studien zum Jeremiabuch: Ein Beitrag zur Frage nach der Entstehung des Jeremiabuches 9783666532771, 3525532784, 3525532776, 9783525532775

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Studien zum Jeremiabuch: Ein Beitrag zur Frage nach der Entstehung des Jeremiabuches
 9783666532771, 3525532784, 3525532776, 9783525532775

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Rarl-Friedrich Pohlmann Studien zum Jeremiabuch

KARL-FRIEDRICH

POHLMANN

Studien zum Jeremiabuch Ein Beitrag zur Frage nach der Entstehung des Jeremiabuches

GÖTTINGEN

VANDENHOECR & RUPRECHT

1978

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Ernst Käsemann und Ernst Würthwein 118. Heft der ganzen Reihe

CIP-Kürzt Pohlmann,

itelaujnähme

der Deutschen

Bibliothek

Karl-Friedrich

Studien zum Jeremiabuch : e. Beitr. zur Frage nach d. Entstehung d. Jeremiabuches. — Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1978. (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments ; Bd. 118) ISBN 3-525-53278-4 kart. ISBN 3-525-53277-6 Lw.

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des. Fachbereichs Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg/ Lahn, gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ©Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1978.- Printed in Germany.Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung Hubert & Co., Göttingen

VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1976/77 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg als Habilitationsschrift angenommen. Sie wurde für den Druck leicht überarbeitet. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Herrn Professor Dr. Otto Kaiser für manchen hilfreichen Rat sowie zahlreiche Anregungen und Hinweise. Herrn Professor D. Dr. Ernst Würthwein und Herrn Professor D. Ernst Käsemann sowie dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht danke ich für die Aufnahme meiner Untersuchungen in die Reihe der Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments. Die Deutsche Bibelstiftung Stuttgart hat freundlicherweise eine kostenlose Abdruckgenehmigung der Biblia Hebraica Stuttgartensia 8, Liber Ieremiae, S. 79—93 erteilt und damit die Anfertigung einer gut lesbaren hebräischen Synopse ermöglicht, die dem Leser auf den Seiten 208 bis 224 den Überblick über die Ergebnisse dieser Arbeit erleichtert. Bei Angaben von Bibelstellen bedeutet das Zeichen*, daß ein Vers oder Abschnitt teilweise überarbeitet vorliegt. 3575 Kirchhain-Großseelheim, im November 1977

Karl Friedrich Pohlmann

Inhalt Vorwort

5

I. Einleitung II. Textanalysen A. Jer 24 und Jer 2 1 , 1 - 1 0

11 19 19

1. Jer 24 a) Inhalt b) Analyse c) Ergebnisse und Folgerungen

20 20 21 29

2. J e r 2 1 , 1 - 1 0 a) Inhalt b) Analyse c) Auswertung und Zusammenfassung

31 31 32 39

B. Jer 37 bis 44

48

1. Kurzer Überblick über die bisherige Forschung

48

2. J e r 3 7 , 1 - 1 0 a) Inhalt b) Analyse c) Zusammenfassung und Folgerungen

49 49 50 57

3. J e r 3 7 , 1 1 - 1 6 a) Inhalt b) Analyse c) Ergebnis und Folgerungen

59 59 59 61

4. J e r 3 7 , 1 7 - 2 1 a) Inhalt b) Analyse c) Zusammenfassung und Ergebnisse

64 64 64 69

5. J e r 3 8 , 1 - 6 a) Inhalt b) Analyse c) Ergebnisse und Folgerungen

69 69 70 74

6. Jer 3 8 , 7 - 1 3 a) Inhalt b) Analyse c) Zusammenfassung und Ergebnisse

76 76 77 82

8

Inhalt 7. J e r 3 8 , 1 4 - 2 8 a) Inhalt b) Analyse c) Ergebnisse und Folgerungen

84 84 84 92

8. J e r 3 9 , 1 - 4 0 , 6 a) Aufbau und Inhalt b) Analyse Die Entstehung von J e r 3 9 , 1 - 1 4 Jer 39,15-18/40,1-6 c) Zusammenfassung und Ergebnisse

93 93 95 95 99 105

9. J e r 4 0 , 7 - 4 1 , 1 8 a) Inhalt b) Analysen c) Zusammenfassung und Ergebnisse

108 108 109 121

10. J e r 4 2 , 1 - 2 2 a) Die bisherige Forschung b) Inhalt c) Analyse d) Ergebnisse und Folgerungen e) Zusammenfassung

123 123 123 124 140 144

11. J e r 4 3 , 1 - 7 a) Die bisherige Forschung b) Inhalt c) Analyse d) Zusammenfassung

145 145 145 146 158

12. J e r 4 3 , 8 - 1 3 a) Inhalt b) Analyse Zur Stellung im jetzigen Kontext

159 159 159 160

13. J e r 44 a) Zur Stellung im jetzigen Kontext b) Die Spannungen im Text c) Analyse Zu v. 1 Zu v. 2 - 1 4 Jer 44,15-19 Jer 44,20-23 Jer 44,24-30 d) Ergebnisse

166 166 166 167 167 168 172 175 176 181

III. Zusammenfassung der Ergebnisse und Auswertung A. Die golaorientierte Redaktion des Jeremiabuches 1. Anliegen und Theologie 2. Zum redaktionellen Verfahren

183 183 183 191

Inhalt

Β. Der ursprüngliche Kern der Schlußerzählungen J e r 37-44 1. Anliegen und Theologie

9

198 198

2. Zur Frage vorgegebener Überlieferungen

200

3. Überlieferungsgeschichte von Jer 37,11 bis Jer 42*

201

4. Zur historischen Situation des Verfassers

C. Konsequenzen für die Darstellung der Geschichte Judas um 587 v.Chr Anhang

205 208

A. Synopse zur Textentwicklung von J e r 37—44

208

B. Übersicht über den Textbestand a) der ursprünglichen Schlußerzählung, b) der golaorientierten Redaktion und c) der späteren Zusätze in J e r 37—44

225

Literaturverzeichnis

226

I. EINLEITUNG

Trotz zahlreicher und intensiver Untersuchungen zum Jeremiabuch ist es bisher nicht gelungen, ein befriedigendes Gesamtbild seiner Entstehungsgeschichte zu zeichnen. Unbestritten ist lediglich, daß die jetzigen Fassungen des Prophetenbuches (M und LXX) erst das Ergebnis komplizierter Uberlieferungs- und Bearbeitungsprozesse sind und daß dementsprechend der vorliegende Textbestand des Buches sich einmal aus solchen Texten zusammensetzt, die als vorgegebenes Textmaterial aufgegriffen und verarbeitet werden konnten, daß er zum anderen aber auch Textmaterialien enthält, die erst zum Zweck ihrer Aufnahme in eine wie auch immer geartete vorgegebene Textgrundlage geschaffen worden sind und deswegen als redaktionelle Texte gelten müssen. Die Versuche, die Genese des Jeremiabuches aufzuhellen, scheiterten lange Zeit daran, daß die rechte Unterscheidung zwischen redaktionellen Texten und der Redaktion schon vorgegebenem Textmaterial nicht glückte. Solange man unter dem Einfluß der Thesen Duhms1 und Moivinckels2 davon ausging, daß der Textbestand des Jeremiabuches im wesentlichen aus Quellen zusammengearbeitet war, und solange zugleich mit den postulierten Quellen 3 praktisch der gesamte Text der vorliegenden Fassungen als abgedeckt galt, konnte man für die Redaktion lediglich kleinere Textstücke (Uberleitungen, Einleitungen, Klammern und Verknüpfungen) in Anspruch nehmen. Redaktionelle Tätigkeit war also immer nur sporadisch zu erkennen, 1 Duhm (Komm.Jer.) hatten den Text des Jeremiabuches in drei Gruppen aufgelöst: 1. Gedichte Jeremias; 2. Baruchs Biographie des Propheten Jeremía; 3. Ergänzungen späterer Bearbeiter. 2 Mowinckel (Zur Komposition) ging von vier Quellen aus: A Sprüche und Eigenbericht Jeremias; Β Fremdberichte (Erzählung über den Propheten); C deuteronomistisch beeinflußte Predigten; D Sammlung anonymer Heilsweissagungen in Jer 30 und 31. Das Buch bestand nach Mowinckel ursprünglich nur aus den Kapiteln 1—45. Die folgenden „Kapitel 46—52 sind ein späterer Anhang" (aaO, S. 14). 3 Auf die zahlreichen Variationen der Thesen Duhms und Mowinckels braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Hier sei auf die gängigen Einleitungen in das AT sowie auf Thiels ausführlichen Forschungsbericht in seiner Arbeit über „Die deuteronomistische Redaktion von Jeremía 1—25" (Neukirchen 1972) verwiesen.

12

Einleitung

falls nicht überhaupt in Zweifel gezogen wurde, daß eine planmäßig vorgenommene redaktionelle Gestaltung des Prophetenbuches nachweisbar sei. So lautet z.B. Duhms Urteil über die Entstehung des Jeremiabuches: „Das Buch ist also langsam gewachsen, fast wie ein unbeaufsichtigter Wald wächst und sich ausbreitet, ist geworden, wie eine Literatur wird, nicht gemacht, wie ein Buch gemacht wird; von einer methodischen Komposition, einer einheitlichen Disposition kann keine Rede sein" 4 . Ähnlich skeptisch äußerte sich Weiser, indem er feststellte: „Das Jeremiabuch ist in seiner jetzigen Gestalt . . . das Endergebnis einer nicht mehr klar durchschaubaren Überlieferungsgeschichte, an der mehrere Hände beteiligt waren" 5 . Ebenso ist für Fohrer „die Entstehung des Jeremiabuches . . . ein längerer und verwickelter Vorgang gewesen, der sich nicht bis ins einzelne verfolgen l ä ß t " 6 . Auch nach Eißfeldt läßt sich nicht mehr sicher ausmachen, „wieviel Hände oder Redaktionsetappen anzunehmen sind" 7 . Lediglich Rudolph 8 meint von Mowinckels quellenkritischer Beurteilung ausgehend den Anspruch erheben zu können, die Genese des Jeremiabuches durchschaut zu haben. So glaubt er, in der Textauffassung, wie sie die LXX bietet 9 , eine Komposition nach sachlichen Gesichtspunkten zu erkennen. Der Aufbau dieser Schrift (1. Unheilsweissagungen über Jerusalem und J u d a = 1,1—25,14; 2. Unheilsweissagungen gegen die Völker = 25,15—38 10 und 46—51; 3. Heilsweissagungen für Israel und J u d a = 26—35; 4. „die Erzählung Baruchs von den Leiden Jeremias" = 36—45) könne kein Zufall sein, zumal die Reihenfolge der drei ersten Teile genau der Dreiteilung von Jes 1—35 und von Ez entspreche. Der für diese Konzeption zuständige Redaktor habe auf „Sprüche Jeremias" (Mowinckels Quelle A), auf die „Erzählung über Jeremía" (Mowinckels Quelle B) und auf „Reden Jeremias in deuteronomistischer Bearbeitung" (Mowinckels Quelle C) als vorgegebenes Quellenmaterial zurückgreifen können. Die Quelle C habe dem Redaktor das Hauptgerüst geliefert, in das er möglichst sachentsprechend sein übriges 4

Duhm, Kom. Jer., S. XX. Weiser, Komm. Jer., S. XXXIX; vgl. aber auch S. XLII, ferner Weisers Einleitung, S. 192. « Fohrer, Einleitung, S. 438f. 7 Eißfeldt, Einleitung, S. 479. 8 Rudolph, Komm. Jer. 9 Rudolph hält die masoretische Textanordnung für sekundär. 10 Für Rudolph ist 25,15—38 (die Bechervision) die ursprüngliche Einleitung zu den Völkerorakeln, während diese Verse in der LXX als deren Abschluß auftauchen. s

Einleitung

13

Material eingebaut habe 1 1 . Da Rudolph unter den sogenannten CStücken immerhin einen Text erkennt, der seine Entstehung nur den Erfordernissen seines jetzigen Textzusammenhanges verdankt (21,1—10), also dem Redaktor zugeschrieben werden muß, ist es zwar nach seiner Ansicht nicht ausgeschlossen, „daß der Verfasser der C-Stücke zugleich der Hauptredaktor des Jeremiabuches war" 1 2 . Der Sachverhalt, daß zwischen vorgegebenen C-Stücken und einem auf redaktionelle Tätigkeit zurückzufiihrenden Text enge Verwandtschaft besteht, erklärt sich jedoch nach Rudolph besser, wenn man annimmt, daß hier der Redaktor die C-Stücke nachahme, weil ihm Stil und Wesen der C-Quelle innerlich am meisten lag. Folglich sind für Rudolph Umfang und Häufigkeit redaktioneller Texte gering, zumal eine gewisse Unsicherheit bleibt, ob die „Zusätze im Geist von C " tatsächlich auf den Hauptredaktor zurückgehen oder aber „von einem späteren Geistesverwandten stammen" 1 3 . Da außerdem die sogenannten C-Stücke hauptsächlich im ersten Teil des Buches, in den Unheilsweissagungen für Jerusalem und J u d a (Jer 1—25,14) begegnen, bleibt unklar, ob und wie die Entstehung der folgenden Teile des Buches mit dem im Sinne der Quelle C wirkenden Redaktor genauer in Verbindung zu bringen ist. Für J e r 26ff kann Rudolph nämlich lediglich angegeben, daß der Redaktor hier eine „sachliche Gruppierung" anstrebe 1 4 ; und da in J e r 36—45 nach Rudolphs Auffassung im wesentlichen „ziemlich genau der Bericht Baruchs" enthalten ist, wird die von ihm postulierte für den jetzigen Aufriß des Jeremiabuches verantwortliche Redaktion schließlich immer weniger greifbar, bzw. scheint sie sich darin zu erschöpfen, daß sie vorgegebene Texte lediglich einordnet, gruppiert und unterbringt. Da größere Eigenanteile am Text fehlen, kann es folglich auch keine sicheren Anhaltspunkte geben, die eine Charakterisierung der Intentionen und Tendenzen der Redaktion ermöglichen. Insofern zieht Rietzschel15 nur die Konsequenzen aus den Schwierigkeiten der Rudolphschen Auffassung, wenn er einerseits dessen These, daß dem Jeremiabuch ein sachliches Einteilungsprinzip zugrunde liege, festhält 1 6 , andererseits aber eine durchgehende, die einzelnen Teile übergreifende Redaktion bestreitet. Rietzschel ge» Komm. Jer., S. XIX. Komm. Jer., S. XX. 13 Komm. Jer., S. XXI. 14 Komm. Jer., S. XX. 15 Rietzschel, Urrolle. 16 AaO, S. 94. 12

14

Einleitung

langt zu der Auffassung, daß jeder der vier Teile des Jeremiabuches ursprünglich einmal ein selbständiges überlieferungsgeschichtliches Gebilde war 17 , und daß sich der für die vorliegende Fassung des Jeremiabuches zuständige Redaktor im Grunde darauf beschränkte, „die vier von uns herausgestellten Überlieferungsblöcke aneinanderzureihen, wobei er bei den ersten drei nach dem traditionellen Schema vorging" 18 . Als der bisher überzeugendste Versuch, die Entstehungsgeschichte des Jeremiabuches aufzuhellen 1 9 3 , kann die im Jahre 1970 vorgelegte Dissertation von Winfried Thiel über „Die deuteronomistische Redaktion des Buches Jeremía" gelten19*>. Thiel knüpft an die von Rudolph zwar geäußerte, aber dann aufgegebene Erwägung an, ob der Verfasser der sogenannten C-Stücke (deuteronomistisch beeinflußte Predigten) nicht zugleich als der Hauptredaktor des Buches 17

Der Überlieferungsprozeß habe sich nach dem Gesetz der Konzentration abgespielt, so daß Einzelstücke bzw. Sammlungen im Laufe der Zeit zu größeren Überlieferungskomplexen u n d schließlich zu Überlieferungsblöcken zusammenwuchsen (aaO, S. 94). 18 AaO, S. 127 — An den Schluß des Werkes habe der Redaktor dann die „Biographie über den Unheilspropheten J e r e m i a " gestellt (aaO, S. 127). Rietzschel will nicht ausschließen, daß der Redaktor „noch hier und da redaktionelle Eingriffe vorgenommen h a t " (aaO, S. 127). 19a Alle übrigen wesentlichen neueren Untersuchungen, die sich mit Problemen des Jeremiabuches befassen, gehen lediglich am Rande auf die Frage ein, wie die vorliegende Fassung des Prophetenbuches entstanden ist. Wankes „Untersuchungen zur sogenannten Baruchschrift" (Berlin 1971) enthalten nur eine „im einzelnen nicht überprüfte Vermutung über die Hauptlinien der Entstehungsgeschichte" (vgl. S. 150). Das Schwergewicht dieser Arbeit liegt auf den literarkritischen Analysen der Fremdberichte des Jeremiabuches und dem Versuch, die Uberlieferungsgeschichte dieser Texte zu erhellen. Auch Nicholson (Preaching to the Exiles. A Study of the Prose Tradition in the Book of Jeremiah, Oxford 1970) beschäftigte die Frage der Genese des Jeremiabuches nicht ausführlich. Ihm ging es in erster Linie um den Nachweis, daß sowohl die Erzählungen wie die Prosareden im Jeremiabuch von den Händen deuteronomistischer Verfasser stammen. Helga Weippert dagegen (Die Prosareden des Jeremiabuches, Berlin/ New York 1973) meint gar, zur Frage nach der Komposition des Jeremiabuches nur den „negativen Beitrag" leisten zu können, daß man, um die redigierende Hand des Redaktors zu finden, nicht mehr die Prosareden, sondern lediglich die kleineren Überleitungen zwischen einzelnen Sinnabschnitten, also deutliche Nahtstellen, zu Rate ziehen dürfte. Da nach H. Weippert die „Prosareden eine Tradition vertreten, . . . die sogar so nahe an Jeremia heranzurücken ist, daß man sie als jeremianische Tradition bezeichnen m u ß " (S. 229), sollte man sich ihrer Meinung nach „grundsätzlich . . . wohl den Gesamtumfang der Redaktion viel bescheidener vorstellen, als das bisher geschieht" (S. 234). 19 b Diss, der Theol. Fakultät der Humboldt-Universität Berlin, Maschinenschrift 703 S.; vgl. jetzt WMANT 41, Neukirchen 1973 (siehe dazu das Literaturverzeichnis!).

Einleitung

15

angesehen werden müßte. Da sich gezeigt habe, daß die Quellenkritik zur Erklärung der Textverhältnisse im Jeremiabuch nicht ausreiche, gelangt Thiel unter dem Einfluß Hyatts20, dem das Verdienst gebührt, als erster „die redaktionsgeschichtliche Fragestellung konsequent auf das Buch Jeremia angewandt zu h a b e n " 2 1 , zu der Überzeugung, daß die bisherigen Schwierigkeiten besonders im Blick auf die Einschätzung der sogenannten C-Stücke zu lösen sind, wenn man von einer durchgreifenden deuteronomistisch geprägten Redaktion im Jeremiabuch ausgehe, wie sie schon von Hyatt für das Jeremiabuch veranschlagt worden war. Thiel meint, besonders anhand von sprachlichen und stilistischen Kriterien die Spuren der deuteronomistischen Redaktion in fast jedem Kapitel von J e r 1—45 feststellen zu k ö n n e n 2 2 . Als Ergebnis dieser deuteronomistischen Redaktion, der bereits umfangreiche Korpora vorgelegen h ä t t e n 2 3 , sei ein Jeremiabuch zustande gekommen, das im wesentlichen den vorliegenden Kapiteln 1—45 entsprochen habe. Hauptanliegen der Redaktion sei einmal gewesen, „das 587 über J u d a u n d Jerusalem hereingebrochene Unheil sachgemäß u n d theologisch . . . zu erklären" 2 4 : „Das Ereignis von 587 war das Gericht Jahwes über die Sünde des Volkes" 2 5 . Es lag „an Israel bzw. J u d a selbst, wenn die Katastrophe über sie hereinbrach". J a h w e konnte wegen der Sünde seines Volkes nicht anders verfahren 2 6 . „Für das zweite Anliegen, die Zukunftserwartung, stehen die recht konkreten Heilsverheißungen, die D formuliert hat und die ihre Zuversicht bezeugen, daß die Geschichte Jahwes mit Israel kein endgültiges Ende gefunden hat, sondern auf verbesserter Grundlage neu anhe20

Hyatt, Jeremiah und Deuteronomy, JNES I, 1 9 4 1 , S. 1 5 6 - 1 7 3 ; ferner; The Deuteronomic Edition of Jeremiah, Vanderbilt Studies in the Humanities I, 1951, S. 7 1 - 9 5 . 21 Thiel, WMANT 4 1 , S. 28. 22 Der Umfang dieser redaktionellen Texte sei allerdings in den einzelnen Abschnitten des Buches recht verschieden. „Fast nur kleine Elemente und lediglich eine etwas längere Komposition (3,6—13) fügte D (= deuteronomistische Redaktion) den Kapiteln 2—6 ein. Ähnlich ist der Befund in den Kapiteln 8 — 18 . . . und 37—41 (abgesehen von dem großen Eingriff in K. 39 und 4 0 , I f f . ) . Die fur die Redaktion so charakteristischen Redekompositionen treten von Κ. 11 an häufiger auf" (Thiel, Diss., S. 6 5 3 ) . 23 „wie etwa Spruchsammlungen (z.B. 2 1 , 1 1 - 2 2 , 3 0 . 2 3 , 9 - 3 1 . 3 0 , 4 - 3 1 , 2 6 , wahrscheinlich auch eine Sammlung l i l ' D I 1 Ή 3 Τ , die vor allem in den Kapiteln 2—6 vorliegen dürfte) und der Bericht über das Schicksal Jeremias vor und nach der Einnahme Jerusalems (37ff.)" (Diss., S. 6 5 2 ) . 24 Vgl. Diss., S. 659. 25 Vgl. Diss., S. 6 6 0 . 26 Vgl. Diss., S. 6 6 1 .

16

Einleitung

ben wird" 2 7 . Hier vertrete die deuteronomistische Redaktion die Ansicht, daß „die zukünftige Entwicklung Judas über die zurückgekehrten Deportierten verläuft" 2 8 . Der vorgelegte Entwurf über die Entstehungsgeschichte des Jeremiabuches (Jer 1—45)29 beeindruckt durch seine geschlossene und übergreifende Betrachtungsweise. Im Vergleich zu Rietzschels Arbeit ist Thiel zuzugestehen, daß sein Vorgehen, bei der Aufhellung des Werdegangs dieses Buches auf über das Stadium von „Traditionsblöcken" hinausgreifende literarische Zusammenhänge zu insistieren, das sachgemäßere ist. Die Schwäche des Thielschen Lösungsversuches besteht m.E. darin, daß er das Ergebnis seiner Untersuchungen in wesentlichen Punkten vorgeprägt hat, indem er der Redaktion, die er herausarbeiten möchte, von vornherein das Prädikat „deuteronomistisch" zuweist. a) Weil für Thiel das wichtigste „Kriterium der zu dtr. Redaktion zu rechnenden Texte nach wie vor die Existenz dtn. und dtr. Wendungen darstellt" 30 , kann er im wesentlichen alle von deuteronomistischer Sprache geprägten Texte der Redaktion zuordnen und so zu dem Ergebnis einer einzigen umfassenden deuteronomistischen Redaktion gelangen. Damit hat sich Thiel jedoch zu sehr den Blick dafür verstellt, daß auch spätere in deuteronomistischen Wendungen gehaltene Ergänzungen vorliegen können. Daß die These einer einheitlichen Redaktion, der durchweg fast alle Texte deuteronomistischen Charakters zuzurechnen sind, nicht unproblematisch ist, wird auch daran deutlich, daß Thiel schließlich selbst feststellen muß, die Unterschiedlichkeit in der Dichte der redaktionellen Texte sei „ebenso wie die Intention, die D dazu führte, einen eigenen Text an bestimmter Stelle zu piazieren und anderer wieder nicht, vorgegebene Traditionen in der vorliegenden Form anzuordnen und nicht in anderer, schwer aufzuhellen, in manchen Fällen vielleicht überhaupt nicht mehr rational erklärbar zu machen" 3 1 . b) Kaum einleuchtend ist ferner Thiels These, daß für Texte wie z.B. Jer 24 oder Jer 44, überhaupt für die jetzige Abfolge der Schlußerzählungen Jer 40—44, eine deuteronomistische Redaktion zustän« Vgl. Diss., S. 659. 28 Vgl. Diss., S. 673. 29 Dieses deuteronomistisch redigierte Jeremiabuch ist nach Thiel schließlich noch einmal durch eine sogenannte post-deuteronomistische Redaktion umgestaltet worden. Das Ergebnis sei die Buchfassung, wie sie in der LXX vorliege. 30 WMANT 41, S. 40. 31 WMANT 41, S. 283.

Einleitung

17

dig gewesen sein soll, die um 550 v.Chr. 3 2 in J u d a 3 3 anzusetzen ist. Für diese Entscheidung waren offensichtlich weniger das redaktionelle Textmaterial u n d das darin fixierte Anliegen der Redaktion ausschlaggebend als die mit der Kennzeichnung „deuteronomistisch" vorweggenommene Charakterisierung dieser Texte. So b e k o m m t Thiel nicht in den Blick, daß die besonders in J e r 24 vertretene Auffassung, die Heilslinie werde in der künftigen Geschichte ausschließlich über die babylonische Gola verlaufen, doch schon deutlich in die Nähe chronistischen Denkens rückt 3 4 . Auch die Darstellung der Ereignisse nach der Eroberung Jerusalems, die den Nachweis erbringen will, daß nach einer kurzen Episode u n t e r Gedalja schließlich das Land ganz verlassen und ohne Bewohner war, kann unmöglich schon um 550 v.Chr. entstanden sein. Zwar wird man Thiel zustimmen können, wenn er die Aufhellung der Genese des Jeremiabuches in konsequenter A n w e n d u n g der redaktionskritischen Methode versucht, da sich gezeigt hat, daß die quellenkritische Betrachtungsweise hier nicht weiter führt. Aber es dürfte auch deutlich geworden sein, daß die von Thiel verwendeten Kriterien zur Bestimmung und Bewertung redaktioneller Texte („dtr. Sprache, dtr. Charakter") deswegen problematisch sind, weil damit das Fazit der Analysen schon zu einem großen Teil vorprogrammiert ist 3 5 . Die folgenden Untersuchungen gelangen zu einem von Thiels Lösungen in entscheidenden Punkten abweichenden Ergebnis. Es läßt sich u.E. zeigen, daß an der Entstehung des Jeremiabuches eine Redaktion maßgeblich beteiligt gewesen ist, deren T e x t u m f a n g , Aussagerichtung und historische Situation sich von Thiels „deuteronomistischen R e d a k t i o n " wesentlich unterscheidet. Bei unseren Bemühungen, erneut den verwickelten Textverhältnissen im Jeremiabuch nachzugehen und einer Aufhellung der Genese dieses Buches näher zu kommen, gingen wir zunächst lediglich von der allgemeinen Vor32

Diss. S. 674. Diss. S. 672. 34 So auch Nicholson, Preaching to the Exiles, S. 109; vgl. ferner Ackroyd, Exile and Restoration, S. 55. 35 So verweist Thiel ausdrücklich schon in seinen einleitenden methodischen Überlegungen und Folgerungen darauf, daß „das Palästina der Exilszeit als Herkunftsort dieser Texte von Rudolph, Janssen und Herrmann sehr wahrscheinlich gemacht" worden sei. Er stimme „vor allem mit Entstehungsort und -zeit des Dtr. überein. So ließe sich schon aus dem Verlauf der Forschung die These von der Herkunft jener Texte aus den exilischen dtr. Kreisen rechtfertigen" (WMANT 41, S. 35). 33

2 Pohlmann, Jcremiabuch

18

Einleitung

aussetzung aus, daß das Zustandekommen der vorliegenden Fassungen (M oder LXX) mit redaktioneller Gestaltung zusammenhängen muß und folglich mit Textmaterialien zu rechnen ist, die redaktionell erstellt sind und daher das Anliegen der Redaktion ausdrücken. Unterzieht man sich der Aufgabe, redaktionelles Textgut von vorgegebenen Texten zu unterscheiden, so kann als Kriterium für die Kennzeichnung eines Textes als redaktionell nur gelten, ob sich zeigen läßt, daß seine Entstehung mit literarischen Zielen und Abzweckungen im Blick auf den Kontext zusammenhängt; d.h. es ist nachzuweisen, daß der fragliche Text nur zu dem Zweck geschaffen und in den jetzigen Kontext verankert wurde, die Aussagerichtung der jetzt im Kontext befindlichen vorgegebenen Texte zu verändern, sei es daß sie korrigiert oder abgeschwächt oder verstärkt wird. Sicherlich ist auch damit zu rechnen, daß eine Redaktion zur Durchsetzung ihres Anliegens lediglich vorgegebene Texte umordnet, oder daß sie in eine vorgegebene literarische Größe anderweitig verfügbares Textgut einschaltet. Für die Herausarbeitung und Beurteilung einer Redaktion sind selbstverständlich auch solche Verfahrensweisen mitzuberücksichtigen und auszuwerten. Doch empfiehlt es sich, zunächst nach den Texten Ausschau zu halten, die ihre Entstehung ganz einer redaktionellen Hand verdanken, weil es mit ihrer Hilfe am ehesten gelingen kann, Anliegen und Tendenzen der Redaktion aufzuschlüsseln. Ein solcher Schlüsseltext ist u.E. J e r 24, mit dessen Analyse wir daher einsetzen.

II. TEXT AN ALYSEN

A. Jer 24 und Jer 2 1 , 1 - 1 0 An J e r 24 fällt zunächst auf, daß die Aussagen dieses Kapitels nicht auf die Chronologie des Kontextes abgestimmt sind 1 . Der in J e r 25 anschließende Text verweist in das vierte J a h r Jojakims (= 605/604 v.Chr.). Dieses Kapitel hat in der vorliegenden Fassung ein dreiundzwanzigjähriges Wirken des Propheten Jeremía vor Augen (vom dreizehnten J a h r des Josia bis zum vierten J a h r des Jojakim) und zieht aus der Erfolgslosigkeit seines Auftretens den Schluß, daß nun auf den permanenten Ungehorsam des Volkes die Strafe Jahwes folgen werde. Dagegen blickt Jer 24 schon auf die erste Exililierung unter Jojakin (597 v.Chr.) zurück. Da hier über die Bedeutung der babylonischen Gola im Gegensatz zur Rolle der unter Zedekia im Lande Verbliebenen reflektiert wird, hat damit dieses Kapitel J e r 25 in der jetzigen Fassung schon weit überholt. Das gleiche ist für J e r 21,1 — 10 festzustellen. Auch dieser Text bezieht sich hier schon auf eine bestimmte Situation zur Zeit Zedekias 2 . Aber nicht nur diese zeitliche Ansetzung ist beiden Texten gemeinsam, auch in sachlicher und terminologischer Hinsicht bestehen enge Berührungen 3 . Thematisch spielt jeweils der unausweichliche Untergang Jerusalems und die vollkommene Vernichtung seiner Bewohner eine Rolle. Beide Texte sind auch insofern aufeinander abgestimmt, als die sich von J e r 21,1—10 her dem Leser aufdrängende Frage, 1 Die Mehrzahl der Exegeten hält an der jeremianischen Herkunft von Jer 24 fest und rechnet nur mit einigen geringfügigen Erweiterungen (vgl. die Kommentare von Cornili, Giesebrecht, Volz, Weiser, Rudolph u.a.). Neuerdings scheint sich jedoch immer mehr die Auffassung durchzusetzen, daß Jer 24 nicht auf Jeremía selbst zurückgeführt werden kann (so schon Duhm, Komm. Jer., z.St.; vgl. Hyatt, The Deuteronomic Edition of Jeremiah, S. 84f; Herrmann, Heilserwartungen, S. 165f; Thiel, WMANT 41, S. 253ff). Nicholson (Preaching to the Exiles, S. 110 und S. 138) nimmt an, daß Jer 24 die Weiterentwicklung eines ursprünglich echten Jeremiawortes sei, ohne allerdings dessen Rekonstruktion zu versuchen. 2 In den folgenden Abschnitten (Königssprüche) ist dagegen lediglich von Zedekias Vorgängern (J°ahas in 22,lOff; Jojakim in 22,13ff; Jojachin in 22,20ff) die Rede. 3 So besonders Thiel, WMANT 41, S. 260.

20

Jeremía 24

welche Möglichkeit eines künftigen Heilshandelns Jahwes an seinem Volk dann überhaupt noch bestehe, in J e r 24 mit dem Hinweis auf die Erwählung der babylonischen Gola beantwortet wird 4 . Aber nicht nur diese Beziehungen zwischen J e r 24 und J e r 21,1—10 sind feststellbar; es lassen sich außerdem Verbindungslinien zwischen J e r 24 und den Erzählungen J e r 37—44 aufzeigen 5 , die die Untersuchung des beiderseitigen Verhältnisses nahelegen. All diese Gesichtspunkte sprechen dafür, daß die Stellung von J e r 24 im jetzigen Kontext mit der Tätigkeit eines Redaktors in Verbindung zu bringen ist, der mit der von ihm erstellten Textfolge ein besonderes Anliegen ausdrücken wollte.

1. Jer а)

24

Inhalt

Jeremía (der Name fällt in V. 3) schildert im Ich-Stil, wie Jahwe ihn zwei Feigenkörbe vor dem Tempel sehen läßt (V. la). Nach einem Hinweis auf die zeitgeschichtliche Situation (V. l b ) wird der Inhalt beider Feigenkörbe beschrieben: Der eine enthält gute, eßbare Feigen, die im zweiten Korb sind ungenießbar (V. 2). Auf die an Jeremía gerichtete Frage Jahwes, was er sehe, und die entsprechende Antwort des Propheten (V. 3) folgte eine in V. 4 angekündigte Jahwerede (V. 5—10). Im ersten Teil (V. 5—7) vergleicht Jahwe die guten Feigen mit der ΠΤΙΓΡ riVjJ, die er „zum Guten" ins Land der Chaldäer geschickt hat (V. 5) und die er wieder zurückbringen wird, um sie zu „bauen und nicht einzureißen . . . " (V. б). Diese sollen sein Volk sein und er will ihr Gott sein (V. 7). Der zweite Teil der Jahwerede geht auf die schlechten und ungenießbaren Feigen ein. Ihnen entsprechen König Zedekia, seine Fürsten, der Rest Jerusalems und die, die im Lande Ägypten wohnen. Sie alle sollen zum Fluch, zum Spott usf, werden. Jahwe will sie aus dem Land, das er ihren Vätern gegeben hat, völlig vertilgen. Vgl. Rudolph, K o m m . J e r . , S . 1 5 7 : „ D e m R e d a k t o r lag daran, zu b e t o n e n , daß es trotz des E n d e s Zedekias und seines Reiches (21,1—7.10 = 24,8—10) mit Israel n o c h nicht aus sein s o l l t e " . 5 D a r a u f hat neuerdings b e s o n d e r s Nicholson (Preaching t o the Exiles) hingewiesen: „ A c c o r d i n g l y , as in the case o f chapters X X I V and X X I X , the material in chapters X L . 7 — X L I V asserts the view that the f u t u r e of Israel lay with the B a b y l o n i a n d i a s p o r a a n d like X X I V b u t with even greater intensity it polemizes against the E g y p t i a n d i a s p o r a during the exilic p e r i o d " (S. 1 1 1 ) .

4

Analyse

21

Gliederung J e r 24 gliedert sich in eine: Visionsschilderung

24,1—2

Vergewisserungsfrage u n d A n t w o r t des Propheten

24,3

(unterbrochen durch zeitgeschichtl. Hinweise in l b )

Zweiteilige Jahwerede 24,5—7.8—10 (incl. Einleitung in V.4) b)

Analyse

Der Einsatz des im Ich-Stil 6 gehaltenen Visionsberichtes erinnert an Amos 7,1.4.7; 8,1 7 . Zum Visionsinhalt (Feigenkörbe) ist „sachliche Parallele" Arnos 8 , I f f , die Obstkorbvision. M i t m r r Vdti "JD1?8 wird angedeutet, daß der Prophet diese Vision im Tempelareal hatte. Auffällig ist die in V. l b angegebene Zeitbestimmung; sie scheint zwischen V. l a u n d der daran anknüpfenden Beschreibung des Visionsinhaltes (V. 2) eingeschoben. Trotzdem handelt es sich hier k a u m u m eine nachträgliche Einschaltung; die Zeitbestimmung charakterisiert nämlich das ganze Kapitel dem Inhalt entsprechend als einen Bericht über eine „ n e u e " , bzw. jüngere Offenbarung, die dem Propheten zu Teil wurde, nachdem sich die „ f r ü h e r e n " 9 mit der Exilierung Jojakins erfüllt hatten. Der A u t o r begnügt sich in V. l b mit kurzen Hinweisen 1 0 , setzt also voraus, daß der Leser über die erste Exilierung Bescheid weiß 1 1 . Das in V. l a Geschaute — die zwei Feigenkörbe — wird in V. 2 näher beschrieben. Es handelt sich um gute und schlechte Feigen. Damit sind die für die an die Vision anknüpfenden J a h w e r e d e n (V. 5—7. 8—10) wichtigen Leitworte 31tî, sn eingeführt. Die Vergewisserungsfrage in V. 3 1 2 ist an sich von der Intention des Kapitels her gese6

Vgl. Jer 1,4ff; 3,6ff; l l , 6 f f ; 13,Iff; 17,19ff; 18,3ff; 32,8ff. Vgl. auch Jer 38,21. 8 Für OHSn» ist mit Duhm (Komm. z.St.) O H » » » zu lesen! 9 Vgl. Jer 22,24ff! 10 Vgl. auch V. 5. 11 Die Formulierungen Λ10!3Π"ΠΧ1 ΒΗΠΠΤΧ begegnen sonst nur noch 2. Kön 24,14—16, so daß diese Stelle ausgewertet zu sein scheint (vgl. noch Jer 29,2). 12 Zur Vergewisserungsfrage Jahwes und der Antwort des Propheten ist Jer 1,11,13; Am 7,7f; 8,1 f; Sach 4,2; 5,1 zu vergleichen. Daß sie auch fehlen kann, zeigt Am 7 , 1 - 3 ; 7 , 4 - 6 . 7

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Jeremía 2 4

hen nicht erforderlich; der Aussagegehalt bliebe auch ohne sie der gleiche 13 . „Obwohl der Vf. V. 1.2 alles Nötige über die Feigen gesagt hat, muß er wegen äußerlicher Nachahmung der ihm vorbildlichen Stellen Am 8 , I f f die Feigen noch einmal beschreiben" 1 4 . Der Verfasser scheint so besonders den Offenbarungscharakter der geschilderten Situation hervorheben zu wollen 1 5 . V. 5 : Wie gute Feigen schätzt Jahwe die ΓΠΊΓΓ mVl 1 6 ein, die er „von diesem O r t " ins Land der Chaldäer „zum Guten" geschickt 1 7 hat. V. 5 interpretiert somit die erste Exilierung als ein Gerichtshandeln Jahwes besonderer Art: Jahwe hat gerade mit der Exilierung nach Babel weitergehende Pläne „zum Guten" im Sinn gehabt. V. 6 greift mit „ich richte meine Augen auf sie zum Guten" das naie1? von V. 5 Ende wieder auf und erläutert, was damit gemeint ist. V. 6a erinnert an Amos 9,4 und scheint diese Stelle auszuwerten, was insofern beachtenswert ist, als sich J e r 24 überhaupt an Amostexten zu orientieren scheint 1 8 . Außerdem verweist diese Wendung zurück auf J e r 21,10, wo sie leicht variiert ('IS 'nato Ό . . . run1? ...) gegen das Jerusalem Zedekias gerichtet auftaucht 1 9 . Auf der in V. 6ajS der ersten Gola zugesprochenen Rückkehrverheißung 2 0 , die die folgenden „das Gute" beschreibenden Aussagen einleitet, scheint hier weniger der Hauptton zu liegen als auf den folgenden Zusagen, die die Gola für ihre Rolle und Stellung im Lande erhält; die Ankündigung der Rückkehr war allerdings als logischer Anknüpfungspunkt vorauszuschicken. V. 6b ist fast wörtlich auch J e r 4 2 , 1 0 zu lesen 2 1 , wo eine an die Restbevölkerung im Lande gerichtete bedingte Heilsankündigung ausgesprochen wird, die Jeremía in einer konkreten Situation Die Beschreibung der Feigen einmal als I X a Π12Ϊ3 ΙΤΠΒΠ ΕΠΧΓιΠ und zum andern als S n a mVDNrrX 1 ? ΤΓΧ TX» m i n n i m m will lediglich den enormen .Qualitätsunterschied' hervorheben. 14 Duhm, Komm., z.St. 1 5 Zu V. 4 und V. 5aa vgl. die Überlegungen von Duhm, Komm., z.St.; BHS beseitigt die Spannung, indem sie V. 5aα als späteren Zusatz streicht. 16 m i r r niVl begegnet sonst nur noch J e r 2 8 , 4 ; 2 9 , 2 2 ; (40,1). klingt hier weit weniger negativ als das sonst übliche oder ΓΠ1 ι» Vgl. Am 8,1; 7,Iff; so auch Thiel, WMANT 41, S. 254. 19 Zur Formel ΠΠϋ1? X1?! HSn1? vgl. auch J e r 3 9 , 1 6 ; 4 4 , 2 7 . 2 0 Die Rückkehrverheißung begegnet noch J e r 2 9 , 1 0 (an die erste Gola gerichtet), 30,3 (dem Kontext nach ebenfalls an die erste Gola gerichtet), 3 2 , 3 7 (hier ist von einer Sammlung und Rückkehr aus allen Ländern die Rede!), ist aber sonst in dieser Form nicht sehr gebräuchlich (vgl. noch 1. Kön 8 , 3 4 ; Sach 10, 13

10).

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Dort wird lediglich die Anredeform gewählt!

Analyse

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auf Anfrage des Volkes als Antwort Jahwes ausrichtet. Die enge Berührung zwischen diesen beiden Stellen 2 2 kann nicht zufällig sein. Es stellt sich die Frage, ob sie so zu erklären ist, daß hier jeweils derselbe Autor formuliert oder ob an einer Stelle mit einer bewußten Nachbildung zu rechnen ist 2 3 . Während V. 6 über die äußeren Umstände und Gegebenheiten des künftigen Heils handelt 2 4 , wird in V. 7 das Heilshandeln Jahwes noch weiter dahingehend erläutert, daß es auch das geistige, innere Leben der aus dem Exil Zurückgekehrten regeln wird. Der Vers setzt sich zusammen aus a) der Zusage eines (neuen) Herzens, das b) Erkenntnis Jahwes bewirkt 2 5 ; davon abhängig folgt c) die Selbstvorstellungsformel 26 , anschließend d) die Bundesformel 2 7 und am Versende schließlich die Feststellung der Bekehrung. Eigenartig ist nicht nur, daß die Erkenntnis Jahwes von der Verleihung eines (neuen?) Herzens abhängig gemacht wird, was sonst nirgends im AT der Fall ist 2 8 ; merkwürdig ist ebenso die „Kombination der zwei hauptsächlichen alttestamentlichen Redeweisen von der Erkenntnis Jahwes, die in ihrem Streuungsbereich sonst reinlich geschieden sind. Sie verwendet zunächst die Hosea und Jeremia geläufige Form der Akkusativaussage ,mich zu erkennen'. Dann aber setzt sie in eigenartiger Überfüllung der Aussage noch die im Buch Ezechiel sozusagen ausschließlich verwendete Formulierung des Erkenntnisinhalts als Objektssatz, in der wir das Kennzeichen der hier zur Behandlung stehenden Erkenntnisaussage fanden, in seiner strengen Formulierung ΓΓΙΓΡ Ό hinzu. Wir stoßen dabei zum einzigen Mal im Alten Testament auf die absolute, aus dem . . . Beziehungsgefüge gelöste Verwendung der Erkenntnisaussage" 2 9 , während sonst das voraus be22

Zu tfnï, 0-ΙΠ, »03, Π33 u.a. ist ferner Jer 31,4f; 31,28.38.40; 32,41; 33,7; 45,4 zu vergleichen; Jer 1,10; 12,16 und 18,7.9 sind die Völker Objekt. 23 Vgl. dazu unten S. 144. 24 Merkwürdig ist die ausdrückliche Versicherung, daß Jahwe die Exilierten nach ihrer Rückkehr nicht „niederreißen und ausreißen" werde. Denn damit wird ja lediglich die absurde Annahme abgewiesen, daß Jahwe die Exilierten zu diesem Zweck ins Land zurückbringen könnte. Sollte jedoch ein „niederreißen und ausreißen" für alle Zukunft ausgeschlossen werden, so wäre wenigstens wie in Jer 31,40 oder Am 9,15 (vgl. auch Ps 28,5b; Ez 26,14b) ein IIS? zu erwarten. 25 .Jahwe (oder: „mich" = Jahwe) erkennen" im Jeremiabuch: 4,22; (5,4.5; 8,7) 9,2.5.23; 22,16; vgl. Hos 2,22; 5,4; 6,3; 8,2; 13,4. 26 Im Jeremiabuch nur hier! 27 Im Jeremiabuch: 7,23; 11,4; 30,22; 31,1.33; 32,38; vgl. auch 13,11. 28 Zur Erkenntnisaussage vgl. Zimmerli, Erkenntnis Gottes nach dem Buche Ezechiel, in: ThB 19, S. 4 1 - 1 1 9 . 29 Zimmerli, aaO, S. 73.

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Jeremía 24

richtete Handeln Jahwes, bzw. von Jahwe gewirkte Tatbestände als das Mittel gelten, durch welches die Erkenntnis bewirkt wird 3 0 . Die Vorstellung von einer „Verleihung eines Herzens" (3V fm) spielt besonders in Ez 11,19 eine Rolle 3 1 . Auch der dortige Kontext (Ez l l , 1 4 f f ) ist insofern als Sachparallele zu Jer 24,5—7 zu nennen, als auch hier außer der Zusage, daß die Exilierten ein anderes Herz erhalten sollen, noch die Bundesformel auf sie angewandt 3 2 und außerdem die Sammlung und Rückführung der Exilierten angekündigt wird. Ebenso begegnet dort die Zusage, Jahwe werde ihnen das Land geben 3 3 . Außerdem scheint J e r 24,7 in einer gewissen Nähe zu J e r 31,31—34 („der neue Bund") zu stehen. Dort ist zwar nicht von der Verleihung eines Herzens die Rede; doch die Folge davon, daß Jahwe „die Thora in die Herzen gibt", ist ebenfalls, daß „Jahwe ihnen zum Gott und sie ihm zum Volk werden" (V. 33) und alle schließlich Jahwe erkennen. Wenn sich auch kaum entscheiden Iäßt, ob und wie J e r 24,7 von all diesen Stellen beeinflußt oder abhängig ist 3 4 , so läßt sich im Vergleich dazu doch festhalten, daß dieser Vers im ganzen einen sehr komprimierten und überfüllten Eindruck macht. Die unsachgemäße Übernahme des ΠΙΠ"· "Ί8 Ό ebenso wie die Rede von der „Umkehr mit ganzem Herzen" 3 5 am Schluß des Verses, die in einer gewissen Spannung zu einer Verleihung des Herzens durch J a h w e steht 3 6 , erhellen, daß das Ganze eine nicht besonders geglückte Aneinanderreihung einzelner Theologeme sein muß, die im jetzigen Kontext nur dem Ziel dienen sollen, die religiöse Vorrang30

Vgl. Zimmerli, aaO, S. 45ff; besonders S. 50.52f. Vgl. auch Dtn 29,3. — Ez 11,19 ist das „andere Herz" Voraussetzung und Ermöglichung, in Jahwes Ordnungen und Gesetzen zu wandeln, so daß man .Jahwe zum Volk wird und Jahwe ihnen zum Gott wird" (V. 20); vgl. ähnlich Ez 36,26ff; Jer 32,39 dient nach der Feststellung in V. 38, daß „sie Jahwe zum Volk werden und Jahwe ihnen zum Gott wird", das „andere Herz" („und ich gebe ihnen ein anderes Herz") dazu, ,Jahwe alle Tage zu furchten" (V. 39 und V. 40 scheinen nicht gut aufeinander abgestimmt, da es in V. 40 heißt, Jahwe werde seine Furcht in die Herzen geben!). 32 Ez 11,20; vgl. Jer 24,7a/3. 33 Ez 11,17 ist eventuell erst spätere Erweiterung; vgl. Zimmerli, Ezechiel, BK XIII.l, S. 200:251. 34 Nach Duhm (Komm. S. 199) spricht der Verfasser am Anfang des Verses „die Sprache Hesekiels". 35 Vgl. Volz, Komm. S. 244, der deswegen diese Wendung als „eine erweiternde deuteronomistische Randnote" auffaßt! 36 Vgl. dazu Jer 3,10; Dtn 30,2.10; l.Sam 7,3; l.Kön 8,48; 2.Kön 23,25 Joel 2,12; zur Formulierung „mit ganzem Herzen" überhaupt Jer 29,13; Dtn 4,29; 6,5; 10,12.16; 26,16. 31

Analyse

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Stellung der (ersten) Gola oder ihrer Abkömmlinge herauszuarbeiten. Der betonte Exklusivcharakter dieser Aussagen und Zusagen im Blick auf die Gola ( J e r 2 4 , 5 — 7 ) wird noch einmal besonders durch den zweiten Teil der J a h w e r e d e zum Stichwort sn herausgestellt: „Schlecht oder wie schlechte Feigen" sind alle anderen — „Zedekia, der König von J u d a und seine Fürsten und der Rest J e r u s a l e m s 3 7 , die in diesem Lande zurückgeblieben sind und die, die im Lande Ägypten wohn e n " (V. 8). V. 8 versucht deutlich den Kreis der vom Verwerfungsurteil und Vernichtungshandeln Jahwes Betroffenen so weit wie möglich und umfassend auszuweiten. Die Formulierung „Rest J e r u s a l e m s 3 8 , die übrig geblieben sind im L a n d e " läßt zunächst nicht erkennen, ob damit nur diejenigen gemeint sind, die nach der ersten Exilierung „übrig geblieben" waren oder auch jener „ R e s t " , von dem noch nach der endgültigen Niederwerfung Jerusalems die Rede ist 3 9 . Ersteres würde bedeuten, daß der Verfasser dieser Verse mit dem V. 8 abschließenden Hinweis DOtfTVi dann auch auf eine jüdische Kolonie in Ägypten anspielen wollte, die dort schon zur Zeit Zedekias existierte 4 0 . Ganz abgesehen davon, daß wir über eine Eine ähnliche Zusammenstellung liegt Jer 21,7 („König von Juda und seine Knechte und das Volk, das in der Stadt Übriggeblieben ist") und J e r 34,21 („König von Juda und seine Fürsten"; vgl. 34,19 „die Fürsten Judas und die Fürsten Jerusalems und die Höflinge und die Priester und der Τ"1ΝΠ 0!?") vor. Häufiger ist allerdings die Reihenfolge „König(e) und Fürsten und Priester und Propheten"; so in Jer 2,26; 4,9; 8,1 (c. „Bewohner Jerusalems"); 32,32 (c. ,,ΓΠΊΓΓ und die Bewohner Jerusalems"); 1,18 (ohne Propheten, c. DJ? •pNH); Priester und Propheten fehlen außer 24,8; 21,7; 34,21 (s.a. 34,19!) auch in 17,25 (Könige, Fürsten u n d m i r r ©'Ν und Bewohner Jerusalems) und 44,17.21 (21 c. p X H Di?); vgl. auch Dan 9,8 (ohne Priester und Propheten). 3 8 Die Formulierung „Rest Jerusalems" begegnet sonst nirgends! 39 Vgl. Jer 39,9f; 40,6, überhaupt die Schlußerzählungen J e r 4 0 , 7 - J e r 44. 4 0 Die verschiedentlich geäußerten Vermutungen über jüdische Siedler in Ägypten schon zur Zeit Zedekias sind rein spekulativ. H. Schmidt (Die großen Propheten, SAT 11,2, Göttingen 1915, S. 323), Weiser (Komm. Jer;,S. 158) denken an Flüchtlinge, die sich beim Herannahen Nebukadnezars nach Ägypten in Sicherheit brachten, „weil sie ein allzu schlechtes Gewissen hatten" (Rudolph, Komm. Jer., S. 158). Cornili (Komm. Jer., S. 280) nimmt an, daß „mit Joahas zusammen oder im Anschluß an seine Deportation 2.Kön 23,34 eine größere Anzahl Juden nach Ägypten gekommen sind"; vgl. auch Nötscher, Komm. Jer., S. 186. Rothstein (Das Buch Jeremía, HSAT I, S. 794) verweist auf die Entstehung der jüdischen Kolonie in Elephantine; vgl. dazu aber E. G Kraeling, The Brooklyn Museum Aramaic Papyri. New Documents of the Fifth Century Β. C. from the Jewish. Colony at Elephantine, New Haven und London 1953, S. 42ff. Giesebrecht (Komm. Jer., S. 136) und Volz (Komm. Jer., 37

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Jeremía 24

solche früh entstandene Kolonie in Ägypten keinerlei Nachrichten kennen, ist eine solche Sicht über den Ablauf der Ereignisse während oder nach der Einnahme Jerusalems auch nicht mit der in Jer 4 0 f f 4 1 vorliegenden Schilderung in Einklang zu bringen. Versteht man J e r 24,Iff so, daß hier die völlige Vernichtung 4 2 des nach der Exilierung Jojakins in Jerusalem und im Lande verbliebenen Restes der Bevölkerung und einer damals schon in Ägypten existierenden Kolonie angekündigt wird, so muß sich im Blick auf J e r 40ff, wo eben noch von nach der Katastrophe „im Lande verbliebenen" die Rede ist und erst anschließend über die Entstehung einer jüdischen Exulantenschaft in Ägypten berichtet wird, die Frage stellen, ob es wahrscheinlich ist, daß in einem Prophetenbuch eine Vision über den künftigen Ablauf der Geschichte durch die Darstellung oder „Berichterstattung" anschließend widerlegt wird. Diesen Schwierigkeiten entgeht man, wenn man sich gerade auch auf Grund der oben festgestellten Berührungen zwischen J e r 24,6 und Jer 42,10 dahingehend entscheidet, daß der Hinweis in V. 8 auf die, „die in Ägypten wohnen" 4 3 , ebenso mit den Erzählungen am Schluß des Jeremiabuches in Verbindung zu bringen ist. Die Frage nach Ursache und Bedeutung der Notiz über „die, die in Ägypten wohnen", ist dann so zu beantworten, daß der Verfasser von J e r 24 in den Versen 8—10 bewußt sowohl auf J e r 37—39 (Zedekia, seine Fürsten) als auch auf J e r 40—44 (die Übriggebliebenen im Lande und die, die im Lande Ägypten wohnen) anspielen bzw. vorausweisen will 44 . Im Rahmen der bisher in J e r 24 erkennbaren Konzeption wird deutlich die babylonische Gola in den Mittelpunkt gerückt, und zwar als die Gruppe, der ausschließlich Jahwes Heilshandeln gelten sollte. Folglich mußte für die Restbevölkerung Judas und Jerusalems Jahwes Unheilshandeln angekündigt werden. Wenn der Verfasser anschließend die, „die in Ägypten w o h n e n " einbezieht und somit feststellt, daß auch diese Jahwes Unheilshandeln und Verwerfungsurteil erreicht, so kann der Grund dafür nur der sein, daß er von einer jüdischen S. 244) halten den Hinweis auf die Juden in Ägypten für eine spätere Eintragung. Eine Streichung ist jedoch erst dann angebracht, wenn sich diese Notiz eindeutig gegen den Gesamtduktus des Kapitels sperren würde. 41 Vgl. auch 2.Kön 25. 42 Vgl. besonders die Aussagen in V. 10! 43 Von a n s a p í O t r a t e n ist sonst nur noch Jer 44,1.14.15.26 die Rede! 44 Vgl. ähnlich schon Duhm, Komm. Jer., S. 199; ferner Ackroyd, Exile and Restoration, S. 55f; Nicholson, Preaching to the Exiles, S. llOf; Thiel, aaO, S. 426. (= WMANT 41, S. 257).

Analyse

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Kolonie in Ägypten Kenntnis hatte, bzw. daß in ihm vorliegenden Texten des Jeremiabuches schon Nachrichten über eine Auswanderung nach Ägypten enthalten waren, auf die er seiner Konzeption entsprechend reagieren mußte, weil sonst in diesem Punkt der Ausschließlichkeitscharakter der Erwählung der babylonischen Gola gefährdet erschien. Auf weitere Folgerungen und Einzelheiten wird bei der Gesamtcharakteristik von J e r 24 einzugehen sein. V. 9 ist zusammengesetzt aus den geprägten Wendungen . . . nSîlïVs u n d y, na-inV ΓΓΠ46, wobei das ΓΓΠ wegfiel. J e r 24,9bj3 wird häufig mit der Begründung gestrichen, es handle sich um einen „Zusatz nach Dt 28,37 im Widerspruch zu V. 1 0 " 4 7 . „Da die Jerusalemer vertilgt werden (10), können sie nicht noch .verstoßen' werd e n " 4 8 . Thiel hält zwar diesen Gesichtspunkt für zutreffend, spricht sich j e d o c h „angesichts eines derartig aus geprägten Topoi gestalteten Textes, dem es o f f e n b a r mehr um Summierung als u m logische Folgerichtigkeit geht", mit Recht gegen die Streichung von V. 9b/3 aus 4 9 . Darüberhinaus möchte ich allerdings bezweifeln, daß dieser Passus (V. 9bß) gänzlich o h n e logische Folgerichtigkeit ist, bzw. in absolutem Widerspruch zu V. 10 steht. Vielleicht folgt der Verfasser einer ihm durchaus logisch erscheinenden Konzeption, wenn er in V. 9 den Betroffenen zunächst „Schimpf und Spott . . . an den Ort e n " vorausgesagt sein läßt, „wohin J a h w e sie vertreibt", und ihnen in V. 10 schließlich die endgültige Vernichtung „aus ihrem L a n d e " in Aussicht stellt. Die Formulierung Dtf a m x " l t f x mnparrVDn begegnet nämlich noch einmal ähnlich in J e r 4 0 , 1 2 a a s o , in einem T e x t 5 1 , der darüber berichtet, wie nach der Einnahme Jerusalems die J u d e n in „Moab, A m m o n , Edom und den L ä n d e r n " von einer beginnenden Konsolidierung der Verhältnisse in J u d a Kenntnis erhalten u n d sich in ihre Heimat zurückbegeben (Jer 40,1 l f ) . J e r 45

Vgl. J e r 15,4; 29,18; 34,17; Dtn 28,25 ( . . . b ΓΓΠ) Ez 23,46; Hin 1 ? ist wahrscheinlich nicht ursprünglich (vgl. LXX). 46 Vgl. Dtn 28,37; l . K ö n 9,7; J e r 42,18; 44,8.12.22; 49,13. 47 Rudolph, Komm. Jer., S. 156; vgl. auch Weiser, Komm. Jer., S. 213, Anm. 4; Giesebrecht, Komm. Jer., S. 136, will V. 9 insgesamt tilgen! 48 Volz, Komm. Jer., S. 243, Anm. 1; Volz will V. 9b/3 ganz herausnehmen. 49 Thiel, W M A N T 4 1 , S . 258. 50 „Da kehrten alle J u d e n aus all den Orten zurück, wohin sie zerstreut (Π1) ni.) waren". 51 Da sonst sehr selten von einer „Zerstreuung" (ΓΠΪ) an „alle Orte" (ΠΊ0ρ0Π - 1 ?3) die Rede ist (vgl. nur noch J e r 8,3; 29,14 D ^ r r V a und rnapnn _ 1 ?D; häufiger ist von einer „Zerstreuung" unter die Völker [vgl. J e r 29,14.18; 43,5; 46,28; Dtn 30,1; Ez 4,13] oder in die „Länder" [vgl. J e r 16,15; 23,3.8; 32,37; Dan 9,7] zu lesen.), sind diese terminologischen Berührungen zwischen J e r 24,9b/? und J e r 40,12aa von Bedeutung!

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Jeremía 2 4

40,12aa fehlt zwar in der LXX und ist „durchaus entbehrlich" 5 2 a . Aber gerade der Zusatzcharakter dieses Versteils erhellt, daß ein Interpretament vorliegt, das hier diesen Aufenthalt unter den Nachbarvölkern schon als „Zerstreuung an alle Orte" deklariert. Da die terminologischen Berührungen zwischen J e r 24,9b(3 und J e r 40,12aa kaum zufällig zustande gekommen sein werden, soll mit niapan'^DD Di? DmX'HtfK auf die Nachrichten in J e r 40,1 I f f Bezug genommen werden. Wie J e r 40,12aa den im vorausgehenden Vers erwähnten Aufenthalt unter den Nachbarn als „Zerstreuung" uminterpretiert, so soll J e r 24,9bj3 diesen Aufenthalt als vorangekündigte, von Jahwe in seinem Gerichtsplan vorgesehene „Zerstreuung" kennzeichnen. Über V. 9 („Zerstreuung") hinausgehend ist anschließend in V. 10 davon die Rede, daß J a h w e sie mit „Schwert, Hunger und Pest" S 2 b gänzlich aus ihrem Land vertilgen wird; der Akzent dieser Aussage liegt deutlich auf dem ΠΏΤΧΠ buti Hier kann also nicht an eine restlose Vernichtung durch „Schwert, Hunger und Pest" S 2 c im Lande gedacht 5 3 sein. „Schwert, Hunger und Pest" haben vielmehr das völlige Verschwinden aus dem Lande zur Folge 54 . Eben diese Vorstellung, daß das Land schließlich auch von seiner Restbevölkerung völlig verlassen ist, liegt wiederum der jetzigen Fassung der Erzählung Jer 40ff zu Grunde; denn die Erzählung hat in der vorliegenden Form die Intention, darüber zu informieren, wie es trotz eines zunächst im Lande verbliebenen Restes, der der Katastrophe entronnen war, dazu kam, daß das Land schließlich doch ganz ohne Bewohner leer zurückblieb. Betrachtet man jetzt alle diese gedanklichen Verbindungen und Berührungen von J e r 24,9—10 mit J e r 4 0 f f s s , so kann man, will man sie nicht als zufällig deklarieren, nur zu dem Schluß kommen, daß der Verfasser von J e r 24 den dort dargestellten Ablauf der Geschichte hier schon in einer von Jahwe dem Propheten gewährten Vision als vorausgesehen feststellen will. Die zunächst nicht logisch erscheinende Abfolge der Verse 9 und 10 ist damit zu erklären, daß der Verfasser hier die in J e r 40,1 Iff erwähnte Rückkehr der Versprengten implizit mitberücksichtigt (V. 9) und mit der Aussage 52a Duhm, Komm. Jer., S. 315. Zu . . . a - i n r r n x a n -nnbtíi vgl. j e r 29,17. 52C Vgl. noch Jer 11,22; 14,12; 16,4; 21,9; 27,8.13; 38,2; 4 4 , 1 2 . 1 3 . 1 8 . 2 7 u.ö. 53 Vgl. Jer 4 4 , 2 7 ! Zu ΠΪ37ΧΠ VtfB vgl. Jer 12,14; 16,13; 2 7 , 1 0 ; 52,27; Dtn 2 8 , 3 1 . 6 3 ; 29,27; Jos 23,13.15. ss Vgl. Jer 24,6 mit 4 2 , 1 0 ; 24,8 (Ende) mit Kapitel 4 1 - 4 3 ; 24,9 mit 4 0 , 1 1 12.

Ergebnisse und Folgerungen

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in V. 10 endgültig und abschließend deren Verschwinden aus ihrem Land in den Blick rückt. So kann J e r 4 I f f schließlich als die Erfüllung der prophetischen Schau von Jer 24, besonders der Verse 9—10, verstanden werden. c) Ergebnisse und

Folgerungen

Jer 24 ist ein sich an vorgegebenen Texten 5 6 orientierender Visionsbericht. Daß das Kapitel auf Jeremía zurückgeht oder wenigstens einen jeremianischen Kern enthält, ist deswegen nicht denkbar, weil diese Texteinheit vom Bild der guten und schlechten Feigen abgesehen lediglich aus vorgeprägten Wendungen im Rückgriff auf vorgegebene Texte 5 7 geschaffen worden ist. Die auffällige Stellung von J e r 24, der Kompositionscharakter dieses Kapitels sowie der Umstand, daß sprachliche Berührungen mit anderen Texten des Jeremiabuches nachweisbar sind, J e r 24 also nicht unabhängig von Texten des Jeremiabuches entstanden sein kann, führen zu der Schlußfolgerung, daß in J e r 24 ein Text vorliegt, der zum Zweck seiner Aufnahme in das Jeremiabuch abgefaßt worden ist. Die den Verfasser leitende Absicht ist an der Aussagerichtung des Kapitels zu erkennen: Es geht darum, die Vorrangstellung der babylonischen Gola, wahrscheinlich sogar der ersten Gola unter Jojakin, herauszuarbeiten (Jer 24,5—7), bzw. das endgültige Verwerfungsurteil über die, die im Lande zurückbleiben konnten, aussprechen zu lassen und damit die Ansprüche der Gola in Babel oder derer, die sich von ihr herleiteten, abzusichern. J e r 24 bietet nicht eine Wahl zwischen Heil oder Unheil, ist also nicht „von einer Alternative ähnlich denen in Kap. 12 und 18 bestimmt" 5 8 , sondern verteilt vielmehr beides exklusiv auf zwei deutlich voneinander unterschiedene Gruppen. Nur die babylonische Gola wird mit Jahwes Heilshandeln rechnen dürfen. Alle übrigen, „die im Lande übrig sind und die, die in Ägypten w o h n e n " sind davon ausgeschlossen bzw. werden durch Jahwes Unheilshandeln endgültig aus dem Land verschwinden. Die gleiche Auffassung, wie sie hier in J e r 24 vorliegt, wird auch in J e r 44 vertreten. Denn J e r 44 liegt insofern mit J e r 24 auf einer 56

Vgl. besonders Amos 7,Iff; 8,Iff; vgl. auch Jer 1,1 Iff. Vgl. nur Amos 9,4 mit Jer 24,6aα; zu Jer 24,6b vgl. Jer 42,10; zu Jer 24,7 Ez l l , 1 4 f f (?); zu weiteren Belegen s.o. 58 So Herrmann, Heilserwartungen, S. 166; ebensowenig ist es zutreffend (WMANT 41, S. 255.), wenn Thiel im Anschluß an Herrmann formuliert, daß das Jahwewort „eine Alternative des Handelns Jahwes, ähnlich wie in K. 18 umschreibt". 57

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Jeremía 24

Linie, als dort noch einmal ausdrücklich dargestellt wird, daß auch die, ,,die in Ägypten wohnen" 5 9 , von Jahwes Unheilshandeln sicher getroffen werden. Die Judenschaft Ägyptens hat sich insgesamt disqualifiziert und ist somit verworfen 6 0 . Da die vorausgegangenen Kapitel (besonders J e r 41—42) von einer umfassenden Auswanderung der ganzen Restbevölkerung Judas nach Ägypten berichten, Jerusalem und die Städte Judas also verwüstet und ohne Bewohner sind, wie auch J e r 44,2.6 ausdrücklich feststellt, scheinen diese Kapitel übereinstimmend von der Vorstellung auszugehen, daß nur die babylonische Gola das wahre Israel sein kann, dem Jahwes künftiges Heilshandeln gilt. Die jetzige Fassung der Erzählungen über die Ereignisse nach der Einnahme Jerusalems bis hin zur Auswanderung nach Ägypten am Schluß des Jeremiabuches entspricht demnach genau der in J e r 24 fixierten Theorie. Dieser Sachverhalt bedeutet, daß der für J e r 24 zuständige Verfasser auch für die vorliegende Fassung von J e r 37— 44 verantwortlich ist, sei es, daß er die Erzählungen in diesen Kapiteln im Sinne dieser Theorie selbst abgefaßt hat, sei es, daß er vorgegebenes Erzählgut ausgewertet und redaktionell überarbeitet hat. Verschiedene Anzeichen sprechen dafür, daß das Letztere der Fall sein muß. In J e r 24 wurde programmatisch und apodiktisch für „die, die übrig geblieben waren im Lande und die, die im Lande Ägypten wohnen" Jahwes Unheilshandeln in Aussicht gestellt mit dem ausdrücklichen Ziel, daß das Land schließlich von allen verlassen sein sollte (Jer 24,10). Dann aber können Texte wie J e r 40,11 und ihr näherer Kontext, die über eine mögliche Konsolidierung der Verhältnisse im Lande handeln oder gar wie 42,10, die positive Zusagen über eine mögliche Zukunft im Lande enthalten, kaum von demselben Autor verfaßt worden sein, der die in J e r 24 und 44 erkennbaren Ansichten vertritt. Ebensowenig können solche Texte erst gleichzeitig mit der in J e r 24 und 44 faßbaren Redaktionsarbeit eingedrungen sein. Denn der schriftstellerischen Gestaltung und Ausführung des eigenen Anliegens standen sie ja gerade entgegen. Es ist demnach davon auszugehen, daß diese Texte Bestandteile vorgegebener Erzählungen sind, mit denen sich die Redaktion auseinandersetzen mußte und die sie umzuinterpretieren versuchte 6 1 , weil die darin enthaltenen 59

Vgl. Jer 44,1.13.15.26. Vgl. Jer 44,1 Iff. 61 Wahrscheinlich fand eine solche Bearbeitung nicht nur am Schluß des Jeremiabuches statt. Denn auch die ursprünglich nicht auf die babylonische Gola allein ausgerichteten Heilsankündigungen im Jeremiabuch scheinen jetzt nachträglich durch ihre jetzige Stellung ausschließlich auf sie bezogen worden zu

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Jer 2 1 , 1 - 1 0 - Inhalt

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Aussagen dem Anliegen und den Vorstellungen der Redaktion entgegenstanden. Sind diese Überlegungen richtig, so stehen wir vor einer doppelten Aufgabe. Es gilt einmal, all jene Texte aufzuspüren, die ähnlich wie J e r 24 und J e r 44 (implizit) die Bedeutung der babylonischen Gola besonders und ausschließlich b e t o n e n wollen; zum anderen sind jene Texte herauszuarbeiten, die von einer derartig „golaorientierten" Redaktion uminterpretiert werden, bzw. gegen die sich diese Redaktion richtet. Dazu käme der Versuch, Teile einer der „golaorientierten" Redaktion vorliegenden, also früheren Fassung eines Jeremiabuches zu rekonstruieren. Da an sich schon durch die zahlreichen sprachlichen 6 2 und inhaltlichen Berührungen zwischen J e r 24 und J e r 40ff die Frage nach dem beiderseitigen Verhältnis gestellt ist, empfiehlt es sich, durch eine genauere Untersuchung der Schlußerzählungen J e r 37—44 insgesamt deren ursprüngliche Bestandteile und Intentionen herauszuarbeiten bzw. die eventuell späteren Erweiterungen und Zusätze als solche zu isolieren und auf ihre jeweiliges Verhältnis zu J e r 24 zu befragen. Im Blick auf die oben schon kurz angedeuteten Beziehungen, die zwischen J e r 24 und J e r 21,1 — 10 bestehen müssen, liegt es jedoch nahe, zuvor noch genauer auf J e r 21,1 — 10 einzugehen.

2. Jer

21,1-10

a) Inhalt V. 1 Es handelt sich um ein J a h w e w o r t , das Jeremía erhielt, als König Zedekia den Paschur ben Malkia und den Zephanja ben Maaseja, den Priester, zum Propheten sendet, (V. 2) damit dieser bei J a h w e ein Orakel einhole. Der König von Babel k ä m p f e wider Jerusalem; vielleicht werde J a h w e ein Wunder geschehen lassen, so daß der Feind abziehe. V. 3 Jeremía läßt dem König ausrichten, (V. 4) J a h w e werde ihre eigenen Waffen, mit denen sie die Chaldäer abwehsein. Da in Jer 29 im wesentlichen die gleiche Auffassung wie in Jer 24 und Jer 44 zu Grunde liegt, können die folgenden Heilsweissagungen in Jer 30ff jetzt nur noch mit der babylonischen Gola in Verbindung gebracht werden. Vgl. dazu auch unten S. 46. « Vgl. Jer 24,6 und 42,10! - Ferner Jer 24,8 Ende und Jer 44,1.13.15.26; 24,9 und 40,12a.

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Jeremía 2 1 , 1 - 1 0

ren, gegen sie selbst richten. V. 5 Er selbst werde mit „ausgestrecktem Arm" gegen sie kämpfen und (V. 6) die Bewohner Jerusalems, Menschen und Vieh, schlagen; durch eine große Pest sollen sie sterben. V. 7 Danach werde Jahwe den König, seine Knechte und die, die von der Pest, vom Schwert und vom Hunger übriggeblieben seien, dem Feind übergeben, der sie mit dem Schwert ohne Erbarmen erschlagen werde. V. 8 Das Volk selbst könne wählen: (V. 9) Wer in der Stadt bleibe, müsse umkommen, wer zum Feind herausgehe, solle am Leben bleiben. V. 10 Denn Jahwe habe Böses mit der Stadt im Sinn; sie werde in die Hand der Chaldäer fallen und verbrannt werden. b)

Analyse

Eine Anknüpfung an den vorausgehenden Kontext ist nicht erkennbar. Das Stück setzt abrupt mit der Einleitungsformel oder Überschrift . . . rrn—ltfK ~imn ein 63 . Da in Jer 2 0 , 1 4 - 1 8 der Prophet selbst spricht, hat die Formel „Das Wort, das an Jeremia von Jahwe erging" hier in jedem Fall die Funktion, an dieser Stelle, den Einsatz einer Jahwerede zu markieren 64 . V. l b erinnert deutlich an Jer 37,3. Auch hier wird ein Zephanja ben Maaseja erwähnt 65 , den der König Zedekia zum Propheten sendet 6 6 . Paschur ben Malkia wird in Jer 38,1 ( > LXX!) genannt 6 7 . Diese Gesandten des Königs gelten als hochstehende Persönlichkeiten: Zephanja war nach Jer 29,25 Stellvertreter des Hohenpriesters, Paschur gehört offensichtlich einer bekannten Priesterfamilie an. Der ganze Vorgang, daß der König den 63

Zu dieser Einleitungsformel in V. 1 ist Jer 7,1; 11,1; 18,1; 32,1; 34,1.8; 35,1; 40,1 und 44,1 zu vergleichen. - In Jer 7,1; 11,1; 18,1 und 30,1 fehlen Datierungen oder sonstige Situationsangaben. Dagegen enthalten Jer 32,1 ( „ . . . im zehnten Jahre Zedekias, das ist das achtzehnte Jahr des Nebukadnezar (V. 1). Damals belagerte das Heer des Königs von Babel Jerusalem, und Jeremia war gefangen im Wachthof (V. 2) . . . " ) , Jer 34,1 ( und Nebukadnezar . . . und sein ganzes Heer . . . kämpften gegen Jerusalem . . . " ) , Jer 34,8 ( nachdem König Zedekia einen Bund mit dem ganzen Volk . . . geschlossen hatte . . . " ) , Jer 35,1 ( „ . . . in den Tagen Jojakims . . . " ) , Jer 40,1 ( „ . . . nachdem Nebusaradan . . . ihn von Rama aus enüassen hatte . . . " ) sowie Jer 44,1 ( für alle Juden, die im Lande Ägypten wohnen, in Migdol . . . " ) wie Jer 2 1 , l f Informationen über die jeweilige Situation, in der „das Jahwewort erging". begegnet hier zum ersten Mal im Jeremiabuch (vgl. sonst noch Jer 32,29, - in V. 28 die Übereignungsformel! - ; J e r 34,2; 34,22; 38,38 - jeweils mit Übereignungsformel - ; vgl. sonst J e r 37,8.10; 38,17.23; 39,8). 120 Vgl. oben S. 36, Anm. 105. 121 Dtn 13,16 3ΊΠ "Ό1? ΓΟΠ; V. 17 W O 122 J o s 8,1.7.18 Übereignungsformel; V. 24 31Π "Ό1? ΓΟΗ; V. 28 EN3 f p É . 123 Vgl. auch J o s 6 (V. 16 Übereignungsformel; V. 21 3ΊΠ "Ό1? Π3Π; V. 24 ITSD r p i f ) ; J o s 1 1 , 6 - 1 1 ; Ri 20 (V. 28 Übereignungsformel; V. 48 "Ö1? Π3Π

m n undtöxa η-ito). 124 Vgl. hierzu besonders F. Stolz, Jahwes und Israels Kriege. Kriegstheorien und Rriegserfahrungen im Glauben des alten Israel, AThANT 60, Zürich 1972.

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Jeremía 2 1 , 1 - 1 0

V. 4—6 J a h w e selbst ist der eigentlich Handelnde. Das Heilsorakel oder Ermutigungsorakel 1 2 5 und die Zusage, daß Jahwe selbst den Kampf bestreiten wird 1 2 6 , ist in eine gegen Jerusalem gerichtete Aussage umgewandelt: „Ich (Jahwe) k ä m p f e gegen e u c h " (V. 5). Der Krieg gegen Jerusalem ist ein Krieg Jahwes gegen Jerusalem. Jerusalem ist Jahwes Feind und als solcher entsprechend so zu behandeln, wie in einem Jahwekrieg mit dem Feind verfahren wird (V. 7 — 10). Die Rolle Nebukadnezars und seiner Truppen (V. 7 ff) entspricht der Vorstellung, daß in einem Jahwekrieg der eigentliche Sieg von J a h w e selbst errungen wird 1 2 7 , das Heer also nur noch den Rest, d.h. den Bannvollzug zu besorgen hat. So folgen dementsprechend die Übereignungsformel T S "jna (V. 7), die Wendung m n "OV Π3Π (V. 7), das Thema „ B e u t e " in V. 9 und schließlich toN3 η-ito V. 10. Die Aneinanderreihung dieser Wendungen in J e r 21,7ff entspricht genau ihrer Abfolge z.B. in Jos 8 und Dtn 13,13ff 1 2 8 . Gerade im Blick auf Dtn 13,13ff wird verständlich, warum eine Begründung des angekündigten Unheilsgeschehens fehlen kann: Wenn nach Meinung des Verfassers Jerusalem unter Zedekia Ziel eines Jahwekrieges und damit dem Bann verfallen war, so impliziert diese Interpretation der Katastrophe von 587/6 die Anwendung von Dtn 13,13ff auf Jerusalem. Anlaß und Ursache der — nach Auffassung und Vorstellung des Verfassers von J e r 21,1 — 10 — radikalen Vernichtung Jerusalems und seiner Bewohner 1 2 9 war der Abfall zu den fremden Göttern (vgl. Dtn 13,14ff). Die aus einem Guß konzipierte Einheit J e r 21,1 — 10 weist mehrere Verbindungslinien zu anderen T e x t e n 1 3 0 des Jermiabuches auf : 125 Vgl z.B. Jos 10,8: „Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich habe sie in deine Hand gegeben. Niemand unter ihnen wird vor dir bestehen können" (Jos 10,14 folgt: „denn Jahwe kämpft für Israel"); Dtn 20,4; vgl. auch Ex 14,14; Dtn 1,30; 3,22. 126 Vgl. z.B. 2.Sam 5,24. Vgl. z.B. Jos 10,10; 2.Chr 20. 128 Jos 8,18 Übereignungsformel, V. 24 21Π 'S1? Π3Π; V. 27/28 V?to; V. 28 Dtn 13,16 31Π ,Dl7 ΓΟΠ ; V. 17 VVto + η*1&; vgl. ferner Jos 11,6.8 Übereignungsformel; V. 10 3ΊΠ Π3Π + toSD η-lto; V. 14 V i t . 129 V. 9 berücksichtigt lediglich die Nachrichten in Jer 38,19 über die Überläufer, also diejenigen, die nach der Meinung des Verfassers allein dem Verderben entgehen konnten. 130 Die Schilderung der Situation in Jer 2 1 , l f , die Beauftragung der Gesandten des Königs mit dem Hinweis auf einen eventuell durch ein Wunder bewirkten Abzug des babylonischen Heeres sowie die Verwendung der auffälligen Form p a x r i HD (vgl. Jes 37,6.10 = 2.Kön 19,6.10) in Jer 21,3 deuten daraufhin, daß der Verfasser auf Jes 36/37 (= 2.Kön 18/19) anspielen will (vgl. ähnlich

Auswertung und Zusammenfassung

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1. Auf J e r 24 verweisen V. 10 1 3 1 und V. 7 1 3 2 . Außerdem besteht zwischen beiden Kapitel insofern eine enge Verbindung, als Jer 24 die Antwort auf die Frage erteilt, wie es überhaupt eine Fortsetzung der Geschichte des Jahwevolkes geben kann, nachdem in J e r 21,1 — 10 die absolute und uneingeschränkte Verwerfung Jerusalems und seiner Bewohner konstatiert worden war. 2. An J e r 37,3 erinnert die Erwähnung des Zephanja (Jer 21,1) sowie die Nachricht, daß Zedekia ihn zum Propheten sandte 1 3 3 . In beiden Texten spielt ferner die Möglichkeit des Abzugs der Chaldäer eine Rolle 1 3 4 . 3. Die Nennung des Paschur ben Malkia 135 (Jer 21,1) sowie die fast wörtliche Übereinstimmung zwischen J e r 21,9 und J e r 38,2 und die Berührungen dieses Verses mit J e r 38,17 — 19 deuten auf Kenntnis und Berücksichtigung von J e r 38. Zu 1.: Die Stellung von Jer 2 1 , 1 - 1 0 Die Verbindung dieses Abschnitts mit dem jetzigen Kontext ist auffällig. Denn in den Versen J e r 21,1—3 wird auf eine konkrete historische Situation angespielt, die zeitlich sowohl den unmittelbar vorhergehenden Texten wie auch den beiden folgenden Kapiteln weit voraus ist. Damit stellt sich die Frage, warum und mit welcher Absicht der für die jetzige Abfolge verantwortliche Bearbeiter gerade ein solches in viel spätere Zeit gehörendes Stück den Königssprüchen J e r 21,1 Iff als Einleitung vorausschicken wollte. Dem Bearbeiter war durchaus die Möglichkeit gegeben, diesen Abschnitt über König Zedekia (Jer 21,1 — 10) chronologisch sachgemäß hinter J e r 22,29 (Jer 2 2 , 2 2 - 2 9 handeln über Jojakin) unterzubringen. Wenn er sie nicht wahrnahm, so offensichtlich deswegen, weil er J e r 21,1 — 10 für sein Anliegen gerade am jetzigen Ort, also vor den Königssprüchen brauchte. Beachtet man, daß auch J e r 24 sich mit dem Schicksal Zedekias und Jerusalems beschäftigt und die in J e r 21,1 — 10 ausgesprochene Verwerfung wiederholt und bestätigt, zudem aber betont künftiges Heilsschon Duhm, Komm. Jer., S. 169; Rudolph, Komm. Jer., S. 135 u.a.) und diese Erzählungen folglich bei der Gestaltung des äußeren Rahmens von Jer 21,1 — 10 berücksichtigte. 131 Vgl. Jer 21,10 und Jer 24,6 . . . mit) 1 ? Ν1?! nsnV . . . (siehe auch Jer 44,11!). 132 vgl. Jer 21,7 und Jer 24,8. 133 Vgl. aber auch S. 40, Anm. 130. 134 Vgl. Jer 21,2bß und Jer 37,5.6.9(11); ferner Jer 34,21f. 135 Vgl. Jer 38,1.

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handeln Jahwes für die erste Gola in Aussicht stellen kann, so werden die engen Beziehung zwischen beiden Abschnitten deutlich: Jer 21,1—10 versetzt den Leser gleichsam in eine Erwartungshaltung, indem hier implizit die Frage nach der Möglichkeit eines weiteren künftigen Heilshandelns aufgeworfen wird. Jer 24 gibt darauf die Antwort und stellt fest, daß die Heilsgeschichte allein die Gola zum Ziel haben wird. Im Blick auf die jeweilige Stellung von J e r 21,1 — 10 und J e r 24 sowie auf Grund der nachgewiesenen Verbindungslinien zwischen beiden Abschnitten müssen beide Einheiten als absichtlich erstellte Rahmenkomposition beurteilt werden. Bei der Beantwortung der Frage nach der literarischen Funktion von J e r 21,1 — 10 für die folgenden Königssprüche ist folglich auch J e r 24 mitzuberücksichtigen. Indem mit J e r 21,1 — 10 der Gedanke an einen Neuanfang oder eine Weiterführung der Geschichte Jahwes mit seinem Volk in Jerusalem zurückgewiesen und darauf abgestimmt in J e r 24,3—7 allein die Gola für Jahwes Heilsplan in Anspruch genommen wird, erhalten die Aussagen in den so eingerahmten Königssprüchen einen anderen Stellenwert. Den Verfasser, auf den die vorliegende Textfolge J e r 21 bis J e r 24 zurückgeht, interessieren nicht die Unheilsankündigungen über die Könige bis Jojakin an sich; ihn bewegt vielmehr die Frage, welche Bedeutung diese Unheilsankündigungen und die damit angesprochenen Ereignisse unter der von ihm gemachten Voraussetzung haben, daß J a h w e sich die babylonische Gola für seinen Heilsplan erwählt hat. Wie er diese Frage beantwortet, wird in J e r 24,3—7 deutlich. Hier interpretiert er die Ereignisse unter Jojakin (die erste Exilierung) als ein Gerichtshandeln Jahwes, das nach dem Vollzug oder im Vollzug zugleich Beginn seines Heilshandelns 136 sein wird und das dem Gericht an Jerusalem unter Zedekia 1 3 7 parallel läuft. Wenn der Verfasser mit J e r 21,1—10 schon das Ende Jerusalems unter Zedekia vorwegnimmt und klarstellt, daß Jahwe Jerusalem und seine Bewohner endgültig verworfen hat, so folglich deswegen, weil er das in den jetzt folgenden Königssprüchen angesagte Strafhandeln Jahwes, besonders an Jojakin, aus einem neuen Blickwinkel betrachtet haben will, um es im oben dargelegten Sinn interpretieren zu können. Ursache für die in chronologischer Hinsicht auffällige Vorordnung von J e r 21,1—10 ist, daß der für die Rahmenkomposition zuständige Verfasser bei der redaktionellen Gestaltung 136 Vgl. Jer 24,5. 137 Vgl. Jer 24,8ff.

Auswertung und Zusammenfassung

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des jetzigen Komplexes J e r 21—24 davon ausgeht, daß zwischen Jahwes Gerichtshandeln „zum G u t e n " (Exilierung unter J o j a k i n ! — J e r 24,5) und Jahwes Gerichtshandeln „zum Bösen" (die Katastrophe von 587/6) unterschieden werden müsse. Die naheliegende Möglichkeit, die Gerichtsankündigungen für Jerusalem u n t e r Zedekia chronologisch sachgemäß an die Aussagen über J a h w e s Gerichtshandeln zur Zeit Jojakins anzuschließen, k o m m t für ihn deswegen nicht in Frage, weil in diesem Fall die Katastrophe von 5 8 7 / 6 als die Fortsetzung oder Vollendung des Gerichts von 597 erscheinen könnte. Weil nach der Auffassung des Verfassers von J e r 21,1 — 10, bzw. des für die Rahmenkomposition J e r 21,1 —10/Jer 24 verantwortlichen Redaktors, die Exilierung unter J o j a k i n als Gerichtshandeln Jahwes zugleich Beginn seines Heilshandelns ist, für das J a h w e sich die erste Gola erwählt hat (Jer 24,3—7), h ä t t e die Einschaltung von J e r 21,1—10 hinter J e r 22,29, also die Reihenfolge „Gericht an J o jakin (597) — Gericht an Zedekia ( 5 8 7 / 6 ) " jene Zäsur unkenntlich gemacht, die der Verfasser in der ersten Exilierung für die Geschichte seines Volkes als bedeutsam erkennt und hervorheben möchte. Zu 2. und 3.: J e r 2 1 , 1 - 1 0 und J e r 37/38 Die Berührungen mit J e r 37/38 werfen die Frage nach dem Verhältnis beider Texte zueinander auf. In ihrer kürzlich erschienenen Dissertation „Die Prosareden des J e r e m i a b u c h e s " 1 3 8 hat sich Helga Weippert bei der Untersuchung von J e r 21,1—7 dahingehend entschieden, daß die bekannten und zugestandenen Berührungen dieses Abschnitts mit J e r 37 nicht mit literarischer Abhängigkeit zu erklären sind 1 3 9 . Da sich auf Grund der zum Teil unterschiedlichen Nachrichten über Personen und Situationen die in J e r 21 und J e r 37 erwähnten Gesandtschaften „in eine relative zeitliche Beziehung zueinander" setzen lassen, gebe es „keinen Grund, J e r 21,1—7 als Doppelbericht zu J e r 37,3 — 10 zu b e t r a c h t e n " 1 4 0 . Gegen die Zurückführung von J e r 21,1—7 auf J e r e m í a selbst könne man also nur noch stilistisch sprachliche Argumente geltend machen. H. Weippert meint zeigen zu können, daß auch in dieser Hinsicht jegliche Bedenken auszuräumen sind. 138 BZAW 132, B e r l i n - N e w York 1973. 139 So mit Giesebrecht, Komm. Jer., z.St.; Volz, Komm. Jer., z.St.; Weiser, Komm. Jer., z.St.; gegen Duhm, Komm. Jer., S. 1 6 8 f f ; Rudolph, Komm. Jer., S. 124; Hyatt, The Deuteronomic Edition of Jeremiah, S. 83f; Thiel, WMANT 41, S. 237, die diesen Abschnitt als eine unter Verwendung von Jer 3 7 , 3 f f zustande g e k o m m e n e freie Komposition einstufen. 140 AaO, S. 72.

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Jeremía 2 1 , 1 - 1 0

Abgesehen davon, daß lediglich J e r 21,1—7 untersucht werden, also weder J e r 21,1—10 als kompositorische Einheit noch die Verbindung auch zu J e r 38 in den Blick rücken, ist an der von H. Weippert vorgelegten Beurteilung dieser Verse besonders zu kritisieren, daß weder der auffälligen Stellung noch der F u n k t i o n dieses Abschnitts im weiteren K o n t e x t Rechnung getragen wird. Aus den deutlichen Berührungen mit J e r 2 4 1 4 1 , sowie der Tatsache, daß diese beiden Abschnitte nicht nur in einer engen Verbindung zueinander stehen, sondern auch gleichsam als Rahmenkomposition einzustufen sind, war zu folgern, daß die vorliegende Form von J e r 21, 1—10 auf den gleichen A u t o r zurückzuführen ist, dem wir J e r 24 verdanken. Die in J e r 21,1 — 10 vorliegenden Anklänge an J e r 3 7 / 3 8 1 4 2 sind demzufolge ähnlich zu bewerten wie die für J e r 24 nachgewiesenen sprachlichen und inhaltlichen Berührungen mit J e r 37—44. Der Verfasser von J e r 21,1 — 10 bestreitet generell die Möglichkeit eines Auswegs zur R e t t u n g der Stadt, des Königs und des Königshauses, wie sie andererseits in J e r 38,14ff vom Propheten König Zedekia zugestanden werden kann: J a h w e hat den Untergang Jerusalems und seiner Bewohner längst beschlossen; er selbst wird ihn herbeiführen; der König von Babel ist sein Werkzeug, das nur noch den Rest zu besorgen hat (Jer 21,4—7) 1 4 3 . J e r 2 1 , 1 - 1 0 „korrigiert" demnach vorweg die Erzählung in J e r 38,14ff über die König Zedekia angebotene letzte Möglichkeit zur Rettung. Die in J e r 21,1—10 erkannten Berührungen mit J e r 37/38 haben ihre Ursache folglich darin, daß der Verfasser auf Einzelheiten und Nachrichten aus J e r 37/38 Bezug nehmen m u ß t e , wollte er mit seinem Anliegen zum Zuge k o m m e n , in diesem Abschnitt die seiner Auffassung entgegenstehenden Aussagen der später folgenden Erzählungen vorweg abzuschwächen. Nach allem m u ß der Versuch, die jeremianische H e r k u n f t des Abschnitts J e r 21,1 — 10 oder auch nur der Verse 4—7 nachzuweisen, als gescheitert betrachtet werden. Es handelt sich hier um eine kompositorische Einheit, deren Entstehung auf Grund gerade der inhaltlichen Aussagen sowie der deutlichen Verbindungslinien zu J e r 24 u n d J e r 37/38 nicht mit der geschilderten historischen Situation zusammenhängt. J e r 21,1 — 10 samt gerade seinen in den V. 1—3 ent141

Vgl. oben S. 41 unter 1.! 1« y g i . oben S. 41 unter 2. und 3.! Jer 21,8—10 will diesen Beschluß der radikalen Vernichtung nicht einschränken; diese Verse berücksichtigen und verarbeiten lediglich die in Jer 38,17ff (vgl. besonders V. 19) und Jer 39,9aß enthaltenen Nachrichten über diejenigen, die sich als Überläufer zu den Chaldäern retten konnten. 143

Auswertung und Zusammenfassung

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h a l t e n e n S i t u a t i o n s a n g a b e n v e r d a n k t s e i n e n Ursprung v i e l m e h r e i n e m b e s t i m m t e n literarischen A n l i e g e n 1 4 4 . D e n n es l ä ß t sich z e i g e n , d a ß die c h r o n o l o g i s c h e V o r o r d n u n g der A u s s a g e n über d i e u n e i n g e s c h r ä n k t e u n d p a u s c h a l e V e r w e r f u n g J e r u s a l e m s u n d seines l e t z t e n K ö n i g s 1 4 5 in J e r 2 1 , 1 — 10 i m B l i c k u n d i m V o r g r i f f auf s p ä t e r e A u s s a g e n (in d e n m i t J e r 3 7 e i n s e t z e n d e n E r z ä h l u n g e n ) w o h l ü b e r l e g t e A b s i c h t d e s Verfassers ist. D i e z e i t l i c h e V o r o r d n u n g v o n J e r 2 1 , 1 — 1 0 v o r J e r 3 7 , 3 f f k o r r e s p o n d i e r t darin m i t der a u f f ä l l i g e n S t e l l u n g i m K o n t e x t , daß b e i d e s 1 4 6 d a z u d i e n t , d e n A b l a u f der Ereignisse in d e n E r z ä h l u n g e n als v o m P r o p h e t e n vorausverkündigt s i c h e r z u s t e l l e n . J e r 3 7 f f s o l l e n f o l g l i c h v o n J e r 2 1 , 1 — 10 u n d J e r 2 4 her als die d i e s e n P r o p h e z e i u n g e n e n t s p r e c h e n d e n B e r i c h t e v o n ihrer Erfüllung v e r s t a n d e n w e r d e n . D i e Klärung der s c h w i e r i g e n Frage, w i e die T e x t v o r l a g e a u s g e s e h e n h a b e n m a g , die v o n der in J e r 2 1 , 1 — 10 u n d J e r 2 4 e r k e n n b a r e n Red a k t i o n b e a r b e i t e t w u r d e , s e t z t e i n e A n a l y s e n i c h t nur d e r v o n J e r 2 1 , 1 — 10 u n d J e r 2 4 e i n g e r a h m t e n S p r ü c h e 1 4 7 , s o n d e r n a u c h der J e r 2 1 v o r a u s g e h e n d e n u n d auf J e r 2 4 f o l g e n d e n T e x t e voraus. A u f eine s o l c h e A n a l y s e m u ß j e d o c h i m R a h m e n dieser A r b e i t v e r z i c h t e t w e r d e n . I m m e r h i n sind f o l g e n d e F e s t s t e l l u n g e n m ö g l i c h : Es ist d e u t l i c h , d a ß d e r K o m p l e x J e r 2 1 — 2 4 i m B l i c k a u f die v o r a u s g e h e n d e n T e x t e 144 Daß die Situationsangaben in J e r 21,1—3 die Möglichkeit eröffnen, das folgende Jahwewort zeitlich vor J e r 37,3ff anzusetzen (vgl. H. Weippert, Prosareden, S. 7 l f ) , ist zwar durchaus zuzugestehen; auch die daraus resultierende Zurückweisung der Annahme einer Doppelüberlieferung, mit der man die Beziehungen und Gemeinsamkeiten zwischen Jer 2 1 , I f f und Jer 37,3ff zu erklären sucht, ist zulässig. Beides legt jedoch keineswegs schon nahe, J e r 21,1—10 von Jeremía selbst herzuleiten. Wie sich anhand der unten vorgelegten Analyse von J e r 37,3ff zeigen läßt, sind die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Abschnitten damit zu erklären, daß hier jeweils ein und derselbe Verfasser, bzw. Bearbeiter am Werk ist (siehe unten S. 58). — Daß sich in sprachlicher und inhaltlicher Hinsicht keine Bedenken erheben lassen, ist die Voraussetzung für einen Versuch, diesen Abschnitt von Jeremia herzuleiten, darf also nicht als ein Argument gewertet werden, das schon für jeremianische Herkunft spricht. 145 Wenn man die in J e r 21,1 — 10 und J e r 38,14ff verschieden vorliegenden Auffassungen von der Unmöglichkeit bzw. Möglichkeit einer Rettung Jerusalems gegenüberstellt, stehen diejenigen, die J e r 21,1 — 10 für jeremianisch halten, vor der Schwierigkeit, erklären zu müssen, daß der Prophet einerseits zu Anfang der Belagerung die Ausweglosigkeit der Situation so darstellen kann, daß keine Rettung mehr möglich ist, andererseits aber derselbe Prophet in den Erzählungen in einem noch späteren Stadium der Belagerung dem König Zedekia eine echte Möglichkeit zu seiner und der Stadt Rettung aufzeigt. 146 Das gilt auch für J e r 24! 147 Im allgemeinen geht man davon aus, daß in J e r 2 1 , l l f f ältere Sammlungen (über die Könige 21,1 I f f ; über die Propheten 23,9ff) enthalten sind, die mit späteren Zusätzen aufgefüllt wurden.

46

Jeremía 2 1 , 1 - 1 0

eine Abschlußfunktion einnimmt 1 4 8 . Damit erhalten die in J e r 21/ 24 fixierten Aussagen eine besondere Aussagekraft. In dieser Rahmenkoniposition steht das besondere Interesse an der babylonischen Gola und ihrer Bedeutung für den weiteren Gang der Heilsgeschichte im Vordergrund 1 4 9 . Die in Jer 21/24 ausgesprochene These, daß die Gola durch das Gericht zum Heil gelangt, die Jerusalemer aber von Jahwe endgültig abgeschrieben sind (vgl. Jer 24,8—10), bewirkt insofern eine Uminterpretation aller vorausgehenden Texte, als die darin enthaltenen Gerichtsankündigungen jetzt in einer bestimmten Richtung eingeschränkt sind. Während sie für Jerusalem und die, ,,die Übriggeblieben sind im Lande", voll gültig bleiben, darf für die Gola nach dem Gericht Jahwes Heilshandeln erwartet werden. Zum anderen dürfte es kein Zufall sein, daß die jetzt an J e r 21/24 anschließende Textfolge J e r (25) 26—44 dem Aufbau von J e r 24 entsprechend zunächst in einem ersten Teil Schicksal und Bedeutung der Gola in den Mittelpunkt rückt 1 5 0 und im Anschluß daran in den Erzählungen (im wesentlichen J e r 37—44) darstellt, wie sich die in Jer 24,8—10 vorliegende Ankündigung der Verwerfung „Zedekias, seiner Fürsten, des Restes Jerusalems, derer, die im Lande übriggeblieben sind und die im Lande Ägypten wohnen", erfüllt. Die Frage nach der Entstehung der Kapitelfolge J e r (26) 27—33 (34f) kann ebenfalls im Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlich behandelt werden. Mit Rücksicht auf die erforderlichen umfangreicheren Untersuchungen zu J e r 37—44 müssen wir uns hier auf einige Anmerkungen beschränken. Es ist deutlich, daß durch die jetzige Textanordnung J e r 27—29/ J e r 30ff und die Überschrift J e r 3 0 , 1 - 3 (vgl. besonders V. 3) alle Heilsweissagungen in J e r 30,4ff für die Gola vereinnahmt werden sollen. Ähnlich verhält es sich mit J e r 32. Der Kern dieses Kapitels bestand aus 32,6—15 l s l . Diese Verse enthielten ursprünglich die Heilszusage, daß trotz der bevorstehenden Katastrophe das normale Leben im Lande weitergehen werde 1 5 2 . Die Erweiterung J e r 32,16—44 1 5 3 vertritt dagegen die Auffassung, daß sich erst nach 148

Jer 2 5 , 1 - 1 3 im Grundbestand (vgl. dazu Thiel, WMANT 41, S. 262ff, besonders S.272) hat lediglich zusammenfassenden, bzw. überleitenden Charakter. 149 In den Königssprüchen spielt die Gola und ihr künftiges Schicksal im Sinne der Redaktion ursprünglich keine Rolle (vgl. Jer 22,24ff). Aussagen wie Jer 22, 8—9 oder 23,7—8 gehören mit Sicherheit nicht zum ältesten Bestand. 150 vgl. jer 2 7 - 3 3 und Jer 2 4 , 4 - 7 . So mit Duhm, Komm. Jer., S. 260ff; Thiel, Diss., S. 507ff. i«2 Vgl. Duhm, Komm. Jer., S. 265f; Thiel, Diss., S. 512.658. 153 Zur Frage, ob es sich um eine einheitliche Erweiterung handelt vgl. Thiel, Diss., S. 51 If.

Auswertung und Zusammenfassung

47

der Exilswende, der Rückkehr der Gola ( s o j e r 32,37ff 1 5 4 ) die Situation im Lande wieder normalisieren wird. Bis dahin ist das Land „eine Wüste, ohne Menschen und Vieh" (Jer 32,43). Der für J e r 32,16—44 zuständige Bearbeiter hat offensichtlich die gleiche Vorstellung vom Ablauf der Geschichte Jahwes mit seinem Volk nach der Katastrophe, wie sie in J e r 24 vorliegt: Die Heilslinie verläuft ausschließlich über die Gola. Somit ist J e r 32 in der vorliegenden Fassung und am jetzigen Ort das Ergebnis literarischer Bemühungen aus tendenziöser Absicht, nämlich nachzuweisen, daß Jer 32,6—15 dieser Auffassung von der Bedeutung der Gola nicht entgegensteht. Daß sich der Bearbeiter mit einem seiner Theorie entgegenstehenden Text abmüht und eine Korrektur der darin enthaltenen Aussagen bewerkstelligt, deutet m.E. daraufhin, daß er J e r 32,6—15 in der ihm zur Verfügung stehenden Fassung eines Jeremiabuches, jedenfalls in dem ihm vorgegebenen literarischen Zusammenhang jeremianischer Traditionen schon vorfand und folglich nicht unberücksichtigt und unbearbeitet lassen konnte 1 5 5 Die chronologischen und sachlichen Verbindungen zwischen Jer 32, 6—15 und den in J e r 37—38 vorliegenden Erzählungen legen die Vermutung nahe, daß J e r 32,6—15 ursprünglich diesen Erzählungen zugeordnet war 1 5 6 . Die Ausklammerung der Heilszusage in Jer 32, 6—15 aus dem ursprünglichen Textzusammenhang 1 5 7 wurde erforderlich, als die Redaktion die erzählenden Partien in J e r 37ff überarbeitete, um auch dort den Nachweis zu erbringen, daß die nach der Eroberung Jerusalems noch im Lande Verbliebenen wie angekündigt in Jahwes Heilsplan (vgl. Jer 24) endgültig nicht mehr berücksichtigt werden. Die folgenden Untersuchungen, in denen den oben nachgewiesenen Verbindungen und Berührungen zwischen J e r 21/24 und J e r 37ff (Schlußerzählungen) nachzugehen ist, werden darlegen, daß diese Erzählungen und Berichte ursprünglich allerdings ein anderes Anliegen hatten, als die jetzt vorliegende Textfassung erkennen läßt. 154

Vgl. zu Jer 3 2 , 3 7 f f auch Jer 24,6.7! Die Annahme, daß der Redaktor auch ids Sammler anderweitig verbreiteter oder verstreuter jeremianischer Traditionsstücke tätig war und Jer 32,6—15 in sein von ihm redigiertes Jeremiabuch aufnehmen wollte, um alles über und von Jeremía zusammen zu haben, scheint mir nicht wahrscheinlich. 156 Vgl. Duhm, Komm. Jer., S. XVI und S. 260. 157 Genauere Angaben darüber, w o und wie Jer 32,6—15 in diesem Textzusammenhang verankert war, setzen eine Analyse dieses Abschnitts voraus. lss

48

Jeremía 37 bis 44

Β. Jer 3 7 - 4 4 1

1. Kurzer

Überblick

über die bisherige

Forschung2

Es besteht im wesentlichen darin Einigkeit, daß in den Kapiteln 37— 4 4 (45) ein zusammenhängender Erzählungskomplex vorliegen muß 3 . Weit weniger einhellig wird allerdings die Frage beantwortet, ob und an welchen Stellen mit späteren Eingriffen in den Text, also mit Erweiterungen und Überarbeitungen oder Umstellungen zu rechnen ist. Während auf der einen Seite z.B. Volz4, Nötscher5, Rudolph6 und Weiser7 im wesentlichen am jetzigen Textbestand von Jer 37—44 festhalten und nur geringe redaktionelle Spuren erkennen 8 , setzen andererseits Duhm, Kremers, Rietzschel und Wanke den Anteil redaktioneller Bearbeitung, der zur vorliegenden Fassung führte, sehr hoch an. Ähnlich wie für Duhm9 ist für Kremers10 die ursprüngliche Form der von ihm innerhalb von Jer 37—44 postulierten „Leidensgeschichte" nicht nur „während ihrer Tradierung in ihren einzelnen Erzählungen überarbeitet worden, sondern man hat auch ganze 1

Zu J e r 37—44 vgl. auch die Synopse im Anhang! Vgl. auch Wanke, Baruchschrift, S. 1—5. 3 Während nach Duhm (Komm. Jer. S. XlVf), Mowinckel (Zur Komposition des Buches Jeremía, S. 24ff), Eißfeldt (Einleitung, S. 4 6 6 - 4 9 2 ; besonders S. 477f), Fohrer (Einleitung, S. 436) u n d Rudolph (Komm. J e r . S. 15f) J e r 3 7 44 und die übrigen Fremdberichte im Jeremiabuch von der Hand eines Verfassers (Von Mowinckel abgesehen, rechnet man im allgemeinen mit der Verfasserschaft Baruchs.) stammen sollen und ursprünglich ein einheitliches Werk darstellen {Volz, Komm. Jer., S. XLIVff und Weiser, Einleitung, 5. Aufl., S. 190, erkennen zwar die Verfasserschaft Baruchs auch für die übrigen Fremdberichte im Jeremiabuch an, bestreiten jedoch, daß J e r 37—44 mit diesen Fremdberichten in einer chronologisch geordneten Baruchschrift vereinigt waren.), fassen Kremers (Leidensgemeinschaft, EvTH 1953, S. 122f), υ. Rad, (Theologie des AT, Bd. II, 1964, 4. Aufl., S. 214), Rietzschel (Urrolle, S. 95ff) und Wanke (Baruchschrift, S. 144ff) die Fremdberichte als Einzelerzählungen oder kleinere eigenständige Überlieferungskomplexe auf, für die nicht der Verfasser 2

von J e r 37—44 zuständig ist (vgl. ähnlich Kessler, Jeremiah Chapters 26—45 Reconsidered, J N E S 1968, S. 8 1 - 8 8 ) . 4 Komm. Jer., zu J e r 37ff. 5 Komm. Jer., zu J e r 37ff. 6 Komm. Jer., zu J e r 37ff. 7 Komm. Jer., zu J e r 37ff. 8 So in J e r 39/40. — Volz und Rudolph nehmen außerdem einige Umstellungen vor. 9 Komm. Jer., S. XIVf. 10 AaO, S. 132.

Jer 3 7 , 1 - 1 0 - Inhalt

49

Legenden anderer Herkunft in sie hineingeschoben" 1 1 . Kremers rechnet zu diesen Zusätzen J e r 3 7 , 1 - 1 0 ; 3 9 , 1 5 - 1 7 ; 3 9 , 1 . 2 . 4 - 1 0 ; 3 9 , 1 1 * - 1 2 ; 4 0 , 1 - 5 ; 4 3 , 8 - 1 3 und 4 4 . J e r 4 5 gehöre eigentlich hinter den Bericht von Baruchs Verleumdung und Verschleppung (Jer 4 3 , 3 u. 6). Nach Rietzschel hat die Annahme viel für sich, daß von demselben Redaktor, der J e r 4 4 am jetzigen Ort verankert, auch die „Einzelerzählung" J e r 36 dem Erzählungszyklus vorgeschaltet wurde. Es bleibe aber „dahingestellt, ob auch die übrigen Einschübe im Erzählungszyklus von der Hand desselben Redaktors stammen. Immerhin wäre es durchaus denkbar, daß sich auch hier die Auffüllung in einer längeren Uberlieferungsgeschichte vollzogen h a t " 1 2 . Auch Wanke rechnet mit einem sehr komplizierten Entstehen der gegenwärtigen Textanordnung J e r 37—44, besonders J e r 41,16—Jer 4 4 , dessen Aufhellung er unter Vorbehalt versucht 1 3 . Andererseits führt neuerdings Thiel14 die jetzige Fassung von J e r 37— 4 4 auf die einheitliche Bearbeitung einer deuteronomistischen Redaktion 1 5 zurück, die auch in den übrigen Teilen des Jeremiabuches nachzuweisen sei. Dieser kurze Überblick mag genügen. Es ist deutlich, daß die Beurteilungen über Umfang und Verfahren der Redaktion, bzw. der verschiedenen Redaktionsstufen auseinander gehen.

2. Jeremía

37,1-10

a) Inhalt 37,1.2

Einleitung oder Überleitung

Zedekia wird von Nebukadnezar anstelle des J o j a k i n als König eingesetzt. Aber er und „seine Knechte und der flNn DJ?" hören nicht auf die Worte Jahwes, die von J e r e m í a vermittelt werden. EvTh 1953, S. 132. Urrolle, S. 110. 13 Baruchschrift, &. 130ff. 14 Thiel, Deuteronomistische Redaktion (Diss.), S. 554ff. 15 Redaktionelle Bestandteile sind J e r 3 7 , 1 . 2 . 1 9 ; 3 8 , 2 . 2 3 ; 3 9 / 4 0 passim; 4 2 , 6 . 9 b - 1 6 . 1 7 * . 1 8 - 2 2 ; 4 3 , l a ß . 4 * . 7 * . - Nach Thiel war dieser deuteronomistischen Redaktion „offenbar schon eine relativ geschlossene Darstellung der Schicksale Jeremias in der Zeit vor, um und nach der Eroberung Jerusalems, die sog. Leidensgeschichte Jeremias, vorgegeben." (S. 620f.). 11

12

4 Pohlmann, Jeremiabuch

50

Jeremía 3 7 , 1 - 1 0

37,3—10 Zedekias (erste) Anfrage bei Jeremía Zedekia schickt mehrere bedeutende Persönlichkeiten zum Propheten mit dem Auftrag, bei J a h w e Fürbitte zu leisten (3). Jeremía aber war noch nicht gefangen (4), die Babylonier hatten sich gerade von Jerusalem zurückgezogen, weil sich ein ägyptisches Heer im Anmarsch befand (5). J e r e m í a erhält ein J a h w e w o r t (6) für den König: Das ägyptische Heer kehrt um (7) und die Babylonier werden Jerusalem wieder bekämpfen, die Stadt einnehmen und verbrennen (8). Man soll sich nicht mit der H o f f n u n g täuschen, daß die Babylonier abziehen (9); selbst wenn man ihr Heer schlage, würden sie mit wenigen doch die Stadt verbrennen (10). b)

Analyse

V. l a b ß „ u n d es wurde König . . . " erinnert an die deuteronomistischen Rahmenstücke der Königsbücher (2.Kön 20,21; 21,18; 21,26; 24,6 u.ö.). Dort geht dieser Feststellung jedoch jeweils der Hinweis auf den Tod eines Königs voraus („und X legt sich zu seinen Vätern . . . " ) . Der den Angaben über Alter und H e r k u n f t (Name der Mutter des Königs) dort in der Regel folgenden Beurteilung: „ U n d er tat Böses in den Augen J a h w e s . . . " , entspricht in gewisser Weise J e r 37,2. V. lbß scheint sich direkt auf 2.Kön 24,17 („da machte der König von Babel Mathanja, seinen Onkel, zum König an seiner (Jojakins) Stelle . . . " ) 1 6 zu beziehen. Da Formulierungen „und es wurde König . . . " (V. la) und „ u n d sie (er) machte(n) zum König" (V. lbß) jeweils zwei verschiedene Tatbestände ausdrücken, ist ihre Kombination wie in 37,1 auffällig. Möglicherweise ist sie erst durch eine nachträgliche Ergänzung von 3 7 , l a b a durch V. l b ß nach 2.Kön 24,17 entstanden 1 7 . V. 2 Zur Abfolge „der König (NW), seine Knechte und der p a n ist J e r 21,7; 22,2.4; 37,18 (vgl. auch J e r 36,24.31; 2.Kön 24,12) vergleichen 1 9 . Häufiger und gebräuchlicher ist die Erwähnung der sten" anstelle der „ K n e c h t e " des Königs 2 0 . Abweichend von den menstücken der Königsbücher wird hier also nicht nur die Person 16

Vgl. auch Ez 17,16! So Wanke, Baruchschrift, S. 97 - ΓΠΙΠ1 am Schluß des Verses ist auffällig. 18 f l X Π DS? kann hier und Jer 44,21 nicht die Bedeutung „Vollbürger" (so 1,18; 34,19; 52,6.25) haben; vgl. Rudolph, Komm. Jer., z.St. 19 Vgl. zu ähnlichen Abfolgen auch zu Jer 24,8 (s.o. S. 25, Anm. 37). 20 Vgl. Jer 1,18 „Könige, Fürsten, Priester und der p S H Π57"; 2,26; 4,9 „König(e), Fürsten, Priester und Propheten"; 8,1 „ . . . und die Bewohner Jerusalems"; 17,25; 24,(1).8; 25,18; 26,21; 34,21; 36,21; 44,17.21. 17

as? 1 8 " zu „FürRahdes

Analyse

51

Königs, der im folgenden eine Rolle spielt, vorweg beurteilt. In das Urteil einbezogen ist das ganze Volk. Es ist im Auge zu behalten, daß die „Knechte des Königs" wieder in J e r 37,18 erwähnt werden („du, deine Knechte und dieses Volk"), während in 37,14.15 von onif „Fürsten" die Rede ist. Die Wendung Visti ist selten 2 1 ; wenn es um die Konstatierung des Ungehorsams geht, heißt es üblicherweise mrr VlpD visti Ν1?22. „Die Worte Jahwes, die er geredet hat . . . " scheinen auf J e r 36,2.4. (6.8. I I ) 2 3 zurückzuweisen, um auf diese Weise Zedekia mit Jojakim auf eine Stufe zu stellen. Gemeint sind offensichtlich die „Worte Jahwes", die der Prophet überhaupt bisher ausgerichtet hat, also nicht nur diejenigen, mit denen sich der Prophet an Zedekia direkt wendet 2 4 . Wegen der vorausgehenden Kapitel, in denen Zedekia schon eine Rolle gespielt hat 2 5 , kann 37,1.2 nicht die Funktion einer ersten Einführung dieses Königs haben. Ebensowenig handelt es sich um die genuine Einführung bzw. Einleitung zu den folgenden Erzählungen als einem eigenständigen Erzählungskomplex. Da 37,1.2 die ähnlich aufgebauten Rahmenstücke in den Königsbüchern zum Vorbild nimmt, zum anderen in V. 2 an 36,31 („nicht hören") und 36,2.4 („die Worte Jahwes, die . . . " ) anknüpft, dienen sie der Überleitung von Kapitel 36 nach Kapitel 3 7 26 . Sie sind als redaktionelles Bindeglied einzustufen. Fällt aber 37,1.2 als originale Einleitung der folgenden Erzählungen aus, so stellt sich im Blick auf den abrupten Einsatz in 37,3 das Problem, ob und welche anderen Texte den Berichten 37,3ff (oder 37,11 ff) ursprünglich vorausgingen und aus welchen Gründen sie evtl. wegfallen mußten oder zu versetzen bzw. durch J e r 36 zu ersetzen waren 2 7 . V. 3 setzt unvermittelt mit der Bemerkung ein, daß Zedekia zwei Gesandte 2 8 zum Propheten Jeremía schickt 2 9 mit der Bitte, Jeremia mö21 22 23 25

Vgl. sonst nur 2 9 , 1 9 ; 35,13. Vgl. a u c h . . . ΠΚ VISti 11,10; 13,10; 19,15; 2 5 . 8 ; 3 6 , 2 4 ; 22,5. Sonst nur 19,2; 2 5 , 1 3 ; 30,2. 24 irrpTS >7N fehlt am Versende! Kapitel 2 1 . 2 4 . 2 7 - 2 9 . 3 2 . 3 4 . 26 So auch Wanke, Baruchschrift, S. 9 6 f f ; Thiel, Die deuteronomistische Redaktion, S. 5 5 4 f f ; Rietzschel, Urrolle, S. 105. 27 Vgl. dazu unten S. 6 I f f . 28 V o n den in V. 3 erwähnten Personen ist der Priester Zephanja ben Maaseja schon bekannt (vgl. Jer 21,1; 2 9 , 1 5 . 2 9 ; s.a. Jer 5 2 , 1 4 (= 2.Kön 25,18). Jehuchal (bzw. Juchai) ben Schelemja taucht nur noch Jer 38,1 auf; der Name seines Vaters begegnet noch Jer 3 7 , 1 3 (Schelemja ben Hananja) und Jer 3 6 , 2 6 (Schelemja ben Abdel). 29 Zu . . . n V c n vgl. Jer 3 7 , 1 7 ; 3 8 , 1 4 ; Vgl. auch Jer 21,1.

52

Jeremía 37,1 — 10

ge bei J a h w e Fürbitte leisten. Warum und in welcher Situation der König mit dem Propheten Kontakt aufnehmen zu müssen meint, bleibt vorerst unklar 3 0 , bzw. der Verfasser scheint vorauszusetzen, daß der Leser Bescheid weiß. Denn V. 4 geht zunächst nur auf die persönliche Lage Jeremias ein und stellt fest, daß der Prophet sich noch frei bewegen k o n n t e 3 1 und noch nicht im Gefängnis saß 3 2 . Daß der Anlaß für die Frage Zedekias die Belagerung Jerusalems durch die Chaldäer ist, wird in V. 5 nur beiläufig erwähnt (vgl. LXX, wo . . . ΟΉΧΠ fehlt!) bzw. auch jetzt als bekannt vorausgesetzt. Während V. 4 für den Abschnitt 3—10 keine erkennbare Funktion hat, also wohl mit einem über diesen Abschnitt hinausgreifenden redaktionellen Anliegen des Verfassers in Verbindung gebracht werden muß 3 3 , sind die in V. 5 enthaltenen Informationen über das Unternehmen des Pharao 3 4 für das Verständnis des folgenden Jahwewortes wichtig. Ferner ist jetzt der Leser auf die sonst unvermittelte Notiz über das Erscheinen eines ägyptischen Heeres in V. 11 vorbereitet. 37,5-8 V. 5 spezifiziert die vom Verfasser als bekannt vorausgesetzte Situation der Belagerung Jerusalems durch die Babylonier insofern, als der Leser jetzt von einer (zeitweiligen) Unterbrechung dieser Belagerung und deren Ursachen (Anmarsch eines ägyptischen Heeres 35 ) erfährt. V. 6 knüpft mit der Einführung des folgenden Jahwewortes an V. 3 an und führt die eigentliche Handlung weiter. V. 7 setzt mit der Botenformel ein 3 6 . Während jedoch M mit der Beauftragung 30 Anders J er 21,1 f. 31 Zur Formel KS1! X3 vgl. ähnlich Jos 6,1; l.Sam 18,16; Dtn 31,2; l.Kön 15,17; Ps 121,8; 2.Kön 19,27; 2.Chr 15,5; 23,7 ΚΧ"Ί ÍO. 32 Zu N^DH ΓΡ3 . . . n s in: vgl. Jer 37,15 (18) KVSH Π^; möglich ist auch die Formulierung . . . D'tP (l.Kön 22,27); Jeremias Gefangenschaft spielt ferner in Jer 32,2 eine Rolle (vgl. noch Jer 20,2 . . . ]Π3). 33 Vgl. dazu unten S. 56f. 34 Zu „der Pharao und sein Heer" vgl. Jer 37,5.7.11 ; 46,2.13.25f; ferner 47,1; in einer ähnlichen Situation 2.Kön 19,8ff; Jes 30,2.3; Ez 17,15ff; Jes 31,1

(mn?1?).

35

Die Formulierung 57»tt? ΪΏϋ» erinnert an Jes 37,7ff (vgl. 2.Kön 7,6). Auf die „Wortereignisformel" (Zimmerli, Komm. Ez., S. 88f) oder „Wortempfangsformel" {Koch, Formgeschichte, S. 247) folgt in der Regel die Botenbeauftragung (etwa: „Geh und sage") und anschließend die Botenformel, so Jer 28,12; 29,30; 36,27ff; 43,8; vgl.auch 2,1; ferner l.Kön 21,17; 2.Sam 7,4; 2.Chr 11,2; Jes 38,4; Ez 12,8; 24,Iff; Sach 6,9; anders (wie Jer 37,6f) Jer 35,12f; 13,8; 24,4. 36

Analyse

53

an die Gesandten des Königs fortfährt, wird in der LXX Jeremía selbst angesprochen (M ·ΠΒΧΓ ΓΙΟ; LXX Ί»ΚΓ) HD; vgl. auch T*?« nVtfn) und aufgefordert, sich direkt und nicht über die Boten des Königs 3 7 an den König zu wenden 3 8 . Beide Fassungen beinhalten Schwierigkeiten: In M vermißt man hinter der Wortempfangsformel die Botenbeauftragung 3 9 , in der LXX die Botenformal vor dem eigentlichen für den König bestimmten J a h w e w o r t 4 0 . Eine Fortsetzung der Botenformel mit der an den Propheten gerichteten Botenbeauftragung "laxn Π3 (LXX) ist so nicht üblich 4 1 . J e r 37,6/7 M vergleichbar ist J e r 27,1—4 (vgl. besonders V. 4! . . . n » s n HD . . . mn- 1ΒΚ-Π3). Die umgekehrte Reihenfolge . . . ΠΊΠ- m s - M . . . n a x n HD findet sich z.B. 2.Kön 19,6 (vgl. 2.Kön 18,19; J e r 21,3; 2.Kön 22,18). Das J a h w e w o r t zerfällt in zwei Teile und entspricht so dem Aufbau der Notiz in V. 5: V. 7b handelt über den weiteren Verlauf des ägyptischen Unternehmens (vgl. V. 5a), V. 8 über die weiteren Aktionen der Chaldäer (vgl. V. 5b). Aus V. 7b geht zunächst deutlicher als in V. 5 hervor, daß das ägyptische Heer zur Unterstützung Jerusalems im Anmarsch ist 4 2 . Es handelt sich hier folglich um eine mit einer Erweiterung versehene Wiederaufnahme von V. 5a. Wenn V. 8 jetzt die Rückkehr der Chaldäer sowie die erneute und erfolgreiche Belagerung Jerusalems ankündigt, so wird hier die in V. 5b enthaltene Nachricht über den Abzug der Chaldäer vorausgesetzt. V. 8 ist ohne V. 5 nicht denkbar. V. 8 erinnert außerdem sprachlich und sachlich deutlich an J e r 34, (21) 22 4 3 . Beide Stellen betonen angesichts einer durch den Abzug der Chaldäer bedingten 37

Vgl. 2.Kön 22,15 und 2.Kön 19,6ff, wo die Boten jeweils als Übermittler fungieren. Diese, eine vergleichbare Situation einer Prophetenbefragung darstellenden Texte zeigen ferner, daß in der Regel vor Beginn der an den König auszurichtenden Worte (Jer 37,7: . . . Π2ΓΙ) noch einmal die Botenformel verwendet wird. 38 Duhm hält die Lesart der LXX für ursprünglicher (Komm. Jer., z.St.); Rudolph läßt die Entscheidung offen. Zu beachten ist, daß . . . 03ΠΧ Π^ϋΠ die Möglichkeit eines Mißverständnisses enthält, weil diese Wendung im Blick auf V. 3 auch auf Jeremía bezogen werden könnte. Die abweichende Lesart der LXX ließe sich also auch erklären als das Ergebnis von Bemühungen, ein solches MißVerständnis auszuschließen. 39 Vgl. Anm. 36! "0 Vgl. Anm. 37! 41 Vgl. jedoch Jer 35,12.13 (V. 12 Wortempfangsformel, V. 13a Botenformel und Botenbeauftragung ΓΠΒΧ1 "J1?Π mit Adresse; auch hier fehlt zwischen Adresse und Mitteilung der Jahwerede die Botenformel. 42 Zu m t » 1 ? vgl. Thr 4,17; Jes 3 1 , 1 - 3 (Jes 20,Iff). 43 Zu V. 8 ist ferner Jer 21,2.10; 32,3.24.28; 34,2; 38,3.17.23 zu vergleichen.

54

Jeremía 3 7 , 1 - 1 0

Unterbrechung der Belagerung Jerusalems, daß der Untergang der Stadt trotzdem eintreffen wird. Die V. 9—10 heben sich nicht nur formal durch die einleitende Botenformel 4 4 , sondern auch inhaltlich von den vorausgehenden Versen 5—8 ab: V. 9 warnt vor der falschen Hoffnung 4 5 , die Chaldäer würden abziehen 4 6 und stellt fest, daß das nicht geschehen wird (la*?'' Ν1?). V. 10 behandelt den hypothetischen Fall, daß man die Babylonier vernichtend schlagen könne (V. 10a), und kommt zu dem Ergebnis, daß auch damit der Untergang Jerusalems nicht abzuwenden wäre (V. 10b): Jerusalem wird in jedem Fall von den Babyloniern verbrannt (Vgl. V. 8 Ende). Der Verfasser dieser Verse denkt offensichtlich nicht an einen durch den Aufmarsch eines ägyptischen Heeres bewirkten Abzug der Chaldäer 4 7 , sondern an eine direkte, kriegerische Auseinandersetzung der Jerusalemer mit dem babylonischen Heer, hat also in V. 9—10 deutlich eine andere Situation im Blick, als sie in V. 5—8 beschrieben wird. Sind nach V. 5—8 die Chaldäer abgezogen (V. 5 : iVsn B^ehT Vsa), so wird andererseits in V. 9 — 10 vor der Selbsttäuschung gewarnt, die Chaldäer würden bestimmt noch (ID*?'' "jVn) abrücken. Bei dem Versuch, diese merkwürdige Abfolge zu erklären 4 8 , kommt Wanke neuerdings zu dem Schluß, daß V. 9 f entweder der Ungeschicklichkeit des Verfassers zuzuschreiben sei, „oder aber noch später in den Zusammenhang eingeschoben wurde" 4 9 ; er meint jedoch, die Entscheidung zwischen beiden Möglichkeiten offen lassen zu müssen. Zunächst läßt sich m.E. Λ 9 keineswegs so verstehen, als denke der Verfasser hier an einen Zeitpunkt noch vor dem Abzug der Chaldäer, also daran, daß die „Chaldäer die Stadt (noch) belagern" 5 0 , woraufhin dann zu erwägen wäre, ob V. 9 f sich nicht besser in die J e r L X X liest 1ΏΝ HD Ό. 45 Zu IXtfn- 1 ?« vgl. Jer 29,8; vgl. auch die Jesajaerzählungen Jes 36,14; 37,10. 4 6 13,l7S?Q IS1?1 "Ι^Π v — Die Aufhebung der Belagerung einer Stadt und der Abzug des Feindes wird durch . . . nbs? ausgedrückt (vgl. 2.Kön 15,19; Jer 21,2; 37,5.11; 34,21); insofern ist die Formulierung ir 1 ?»» ID1?'' -|"?Π in V. 9 auffällig; nach Giesebrecht (Komm. Jer., z.St.) drückt iVn „die Hoffnung auf dauernden Abzug der Ch. aus"; vgl. Jes 37,37 ( . . . 3EH "J^l VCT). 4 7 So Duhm (Komm. Jer., S. 299), der DnOn in DJ ändert: „Wenn auch das ganze Heer der Chaldäer . . . geschlagen ist, nämlich von den Ägyptern". 48 Volz, Weiser, Rudolph (Komm. Jer., z.St.) sehen hier offensichtlich kein Problem. « Wanke, Baruchschrift, S. lOlf. » Wanke, Baruchschrift S. 100. 44

Analyse

55

21,1—7 angegebene Situation einfügt 5 1 . Das J a h w e w o r t V . 9b „ d e n n sie werden nicht a b z i e h e n " (TD1?1 x V ) wäre bei dieser Auffassung schon durch die vorausgehenden Verse überholt und widerlegt oder würde umgekehrt die Richtigkeit der Aussage v o n V . 5 über den A b zug des Feindes bestreiten. Das gilt ebenso für die Fortsetzung mit V . 11. Daher kann den V . 9 — 10, ob sie nun ursprüngliche Fortsetzung v o n V . 5—8 sind oder erst spätere Einschaltung, nur die V o r stellung zugrunde liegen, daß nach der Rückkehr der Chaldäer vor die Mauern Jerusalems ( V . 8 ) nicht noch einmal im letzten Augenblick mit einer A u f g a b e der Belagerung, w i e auch immer bewirkt, zu rechnen ist. Es bleibt noch Wankes berechtigte Frage, „ w a s hinter der Ankündigung, die Chaldäer werden wieder zurückkehren und Jerusalem vernichten, der Hinweis auf die unberechtigten H o f f n u n g e n der Jerusalemer b e z w e c k e n soll. Er stünde besser vor V . 7 b " 5 2 . Sie läßt sich mit einem Vergleich unseres T e x t e s mit Jes 37 ( 2 . K ö n 19) beantworten. Die j e t z i g e Fassung von Jes 37 kombiniert zwei Berichte über die Belagerung Jerusalems durch Sanherib 5 3 . Der so entstandene Erzählungsablauf informiert j e t z t über ein zweimaliges Scheitern der Eroberungsversuche des Assyrerkönigs : Zunächst wird Sanherib durch ein Gerücht (vgl. Jes 37,7.9) zum A b z u g genötigt (vgl. Jer 37,5—8), schließlich muß er unverrichteter Dinge in sein Land zurückkehren, weil der mrP "JN^D „ i m Lager Assurs 1 8 5 0 0 0 schlug, und als sie am Morgen aufstanden, siehe, da waren sie alle tote L e i c h n a m e " (Jes 3 7 , 3 6 f ) . Daß die Ereignisabfolge von Jes 37 und der A u f b a u der J a h w e w o r t e Jer 3 7 , ( 5 ) 6—10 einander entsprechen, ist deutlich 5 4 . Die vorliegende Fassung von Jer 37,3—10 beruht also offensichtlich auf Berücksichtigung und Auswertung von Jes 37 ( o d e r dessen V o r l a g e ) , einem T e x t , der über eine vergleichbare Situation (Bedrohung und Belagerung Jerusalems) handelt und von einem Rettungswunder im letzten M o m e n t berichtet. Das aber spricht für die Einheit des T e x t e s Jer 37,3—10 5 5 . Der verantwortliche Versi Wanke, ebd. S. 100. Wanke, ebd. S. 100. Vgl. die Kommentare, Duhm, Komm. Jes., z.St., Kaiser, Komm. Jes., z.St. s4 Zu sonstigen Berührungen mit Jes 37 vgl. Jer 37,5 mit Jes 37,7 (9). — Vgl. auch den Hinweis Ackroyds, Historians and Prophets, SEÂ X X I I I , 1968, S. 44, Anm. 32. 55 Für eine spätere Erweiterung oder Ergänzung von Jer 37,5—8 durch V. 9 — 10 wäre als Motiv wiederum nur der Wunsch oder die Absicht einer Angleichung an Jes 37 denkbar; denn die Aussage über das Schicksal Jerusalems bleibt die gleiche wie in V. 8! 52

53

56

Jeremía 3 7 , 1 - 1 0

fasser will offensichtlich zu Beginn der Erzählungen über die Ereignisse kurz vor der Eroberung Jerusalems von vornherein klarstellen, daß der Untergang der Stadt unvermeidbar war (vgl. schon J e r 21, 1 — 10) und keinesfalls bis zuletzt wie während der früheren Belagerung durch die Assyrer noch die Möglichkeit bestand, dem Verderben zu entgehen. Die Ereignisse werden sich ähnlich wie damals 701 (Jes 37) abspielen, nur mit einem negativen Ausgang. Ein durch ein Wunder im letzten Augenblick bewirktes Abrücken des Feindes wird nicht stattfinden 5 6 . Aufbau und Tendenz des ganzen Abschnitts deuten daraufhin, daß der Verfasser mit diesen Versen den Leser für die Lektüre der folgenden Berichte in einer bestimmten Richtung zu beeinflussen sucht 5 7 . Daß besonders betont wird, der Untergang Jerusalems stehe unvermeidbar fest, legt die Vermutung nahe, daß der Verfasser hier die in den vorgegebenen Erzählungen erkennbare Auffassung (vgl. J e r 38,17ff, siehe auch J e r 34,3ff), daß Jerusalem unter bestimmten Voraussetzungen zu retten gewesen wäre, von vornherein zurückweisen möchte. V. 4 war bisher unberücksichtigt geblieben, da diese Bemerkung über die Situation Jeremias innerhalb des Abschnittes J e r 37,3—10 keinerlei Funktion innehat und für sein Verständnis ohne weiteres entbehrlich ist. Es ist zu fragen, welchen Anlaß der Verfasser hatte, hier festzustellen, daß Jeremia noch nicht im Gefängnis war und sich frei bewegen konnte. Im allgemeinen faßt man V. 4 so auf, als sollte die in V. 3—10 vorauszusetzende Situation des Propheten hiermit im Vorblick von der im folgenden Abschnitt abgegrenzt werden 5 8 . Festzuhalten ist, daß V. 4 einem Text vorausgeschickt wird, der über die Gefangennahme Jeremias erzählt (Jer 37,1 I f f ) . Daraus wird 56 Daß für dieses hypothetische Wunder nicht der „Engel Jahwes" aus Jes 37 in Anspruch genommen werden kann, ist natürlich vom Aufbau und den Tendenzen dieses Abschnitts her verständlich; daher V. 10a: „selbst wenn ihr (das Wunder vollbringt und) das ganze Heer schlagt . . . " 57 Wanke (Baruchschrift, S. 101) stellt fest: „Es sollten erstens die die Verkündigung Jeremias zur Zeit der Belagerung Jerusalems charakterisierenden Jahweworte an die Spitze des folgenden Erzählungskomplexes gestellt werden und darum zweitens Stil und Situation der folgenden Erzählungen berücksichtigt werden". Die Frage, warum das geschieht, stellt sich Wanke allerdings nicht. 58 Vgl. Duhm, Komm. Jer., z.St.: Die Bemerkung verrate „die Abhängigkeit des Verf.s von der folgenden Erzählung V. 12ff. Die Bemerkung war ja gar nicht nötig, wäre das nur dann gewesen, wenn Cap. 37 unmittelbar auf Cap. 32.33 folgte"; ähnlich Wanke (Baruchschrift S. 99). Rudolph (Komm. Jer., z.St.) meint, eine „solche (an sich unnötige Bemerkung) muß einem Erzähler verstattet sein".

Zusammenfassung und Folgerungen

57

man folgern dürfen, daß V. 4 in der Tat hier wegen des Berichts in J e r 37,1 Iff für sinnvoll und erforderlich gehalten wurde. Aber damit ist immer noch nicht die Frage nach der eigentlichen Absicht von V. 4 beantwortet. Denn an sich lag im Blick auf die Abfolge J e r 37, 3—10 und 11 ff kein Grund vor, den ersten Abschnitt (V. 3—10) von der folgenden Erzählung „hinsichtlich der Situation des Propheten a b z u h e b e n " 5 9 . Berichten jetzt die Verse 3 — 10 über die Befragung des Propheten anläßlich einer Unterbrechung der Belagerung Jerusalems infolge des Aufmarsches der Ägypter und erzählen die Verse 11 — 16, wie es dazu kam, daß man während dieser Unterbrechung der Belagerung den Propheten im Benjamintor ergriff und schließlich gefangensetzte, so war die Situation des Propheten in den Versen 3— 10 von der in den Versen 11 — 16 durch die Textabfolge selbst hinreichend genug abgegrenzt. Der Verfasser m u ß folglich für diese Notiz in Vers 4 einen anderen Grund gehabt haben. Ich halte es daher für wahrscheinlich, daß er hier der Bekanntschaft des Lesers mit den vorausgehenden Texten J e r 32f Rechnung tragen will, um ihn auf diese Weise darauf vorzubereiten, daß im folgenden (V. 11 ff) der Bericht über die Gefangennahme Jeremias noch nachgeliefert wird, obwohl die Tatsache dieser Gefangenschaft längst mitgeteilt war 6 0 . Wankes Argumentation 6 1 leuchtet mir daher nicht ein. Die Möglichkeit, daß V. 4 auch im Blick auf J e r 32f hier untergebracht wurde, da dort eben schon von einer Gefangensetzung des Propheten die Rede war, läßt sich nicht einfach damit von der Hand weisen, daß man feststellt, Kap. 37 folge ja nicht unmittelbar auf Kap. 32 6 2 . c) Zusammenfassung

und

Folgerung

Die Verse 1—2 sind eine redaktionelle Überleitung, die zwischen dem j e t z t vorausgehenden Kap. 36 und den folgenden Berichten eine Verbindung herstellt. «9 Wanke, aaO, S. 99. 60 In Jer 34, einem Text, der gleichfalls wie Jer 37,3ff die zeitliche Situation der Unterbrechung der Belagerung Jerusalems voraussetzt, konnte auf eine Jer 37,4 entsprechende Bemerkung verzichtet werden (vgl. die Situationsangaben in Jer 34,Iff), obwohl Jer 32 (Jer 32 enthält genaue Situationsangaben sowie die Nachricht, daß der Prophet im Wachthof gefangen war.) unmittelbar vorausgeht. 61 Ein solcher Hinweis sei nur sinnvoll, „wenn ihm eine Erzählung unmittelbar vorausginge, die von einer Gefangensetzung Jeremias berichtete, etwa Kap. 32f."; da das nicht der Fall gewesen sein könne, habe V. 4 die Aufgabe, einen den folgenden Erzählungen vorzuschaltenden Bericht von diesen hinsichtlich der Situation des Propheten abzuheben (Baruchschrift, S. 99). 62 Wanke, ebd., S. 99.

58

Jeremia 3 7 , 1 - 1 0

Die Verse 3—10 müssen als eine durchdachte, komponierte Einheit aufgefaßt werden. Sie setzen eine Einleitung, d.h. die als Überleitung erkannten Verse 1—2 voraus 63 . Dem Verfasser lag offensichtlich die in V. 1 Iff vorliegende Erzählung schon vor, da er die darin enthaltenen Informationen aufgreift und auswertet (vgl. V. 4 6 4 mit V. 12 und V. 15b; V. 5 mit V. 11) und somit wiederum zugleich den Abschnitt J e r 3 7 , ( l l ) 1 2 f f vorbereitet 6 5 . Das Hauptanliegen des Verfassers ist die Mitteilung von Jahweworten, die (V. 7ff) den unausweichlichen Untergang Jerusalems zum Inhalt haben. Zu diesem Zweck wird mittels aus der folgenden Erzählung entnommener Situationsangaben das erforderliche Gerüst aufgebaut (V. 4—5; V. 3 erinnert an J e r 2 1 , l f ) . Aus Rücksicht auf die folgende Erzählung (Jer 37,1 I f f ) mußte der Erzählstil angewendet werden. Die merkwürdige Abfolge der Jahweworte (V. 7—8 und V. 9—10) beruht darauf, daß der Verfasser hier von dem in Jes 36f geschilderten Ablauf der Belagerung Jerusalems durch Sahherib ausgeht 6 6 . Die Feststellung der mit absoluter Sicherheit zu erwartenden Vernichtung Jerusalems (Jer 37,7—10) steht im Widerspruch zu in Jer 38, 17ff folgenden Aussagen. Anders als dort ist für den Verfasser von J e r 37,1 — 10 der Untergang eine längst von Jahwe beschlossene Sache. Da sich J e r 37,1—10 in diesem Punkt sehr eng mit Jer 21,1—10 berührt 6 7 und zudem bei der Abfassung beider Texte Jes 36f (oder 2.Kön 18f) berücksichtigt und ausgewertet wurde 6 8 , ist davon auszugehen, daß in J e r 21,1—10 und J e r 37,1—10 ein und derselbe Autor am Werke war 6 9 . Der ganze Abschnitt J e r 37,1—10 ist als eine programmatische Einleitung zu den folgenden Erzählungen zu werten, mit der der zuständige Verfasser die Aussagerichtung der in diesen Erzählungen enthaltenen vorgegebenen Prophetenworte umzudeuten versucht. 63

Vgl. Duhm, Komm. Jer., S. 297. - Jer 3 7 , 1 - 2 und 3 - 1 0 stammen vom gleichen Autor. 64 Vgl. dazu oben S. 56f. 65 Auffällig ist, daß auf genauere Angaben zur vorausgesetzten Situation verzichtet wird. Die in unserem Abschnitt enthaltenen Informationen lediglich über das ägyptische Heer und das Abrücken der Chaldäer unterstellen dem Leser, daß er über den weiteren Zusammenhang schon Bescheid weiß. Umfassendere Nachrichten sind in der Tat schon Jer 34,1 — 7 (vgl. besonders V. 6f) zu entnehmen. 66 Siehe oben S. 55. 67 Siehe oben S. 45. 68 Siehe oben S. 40, Anm. 130. 69 Vgl. dazu oben S. 45, Anm. 144.

Analyse

3. Jer

59

37,11-16

a) Inhalt Jeremias (erste) Gefangennahme Als die Babylonier wegen der ägyptischen Streitmacht die Belagerung aufgegeben hatten (V. 11), wollte J e r e m i a die Stadt verlassen, um ins Land Benjamin zu gehen (V. 12). Im Benjamintor wird der Prophet festgehalten und besdiuldigt, zum Feind überlaufen zu wollen (V. 13). Trotz gegenteiliger Versicherung schleppt man den Propheten vor die Fürsten (V. 14). Er wird geschlagen und gefangengesetzt (V. 15) und m u ß „viele Tage" im Gefängnis bleiben (V. 16). b)

Analyse

Betrachtet man diesen Abschnitt für sich, so m u ß man postulieren, daß ursprünglich umfassendere Situationsangaben vorausgingen. In den Versen J e r 37,1—10 sind sie nicht enthalten. Der Hinweis lediglich darauf, daß die Chaldäer wegen des Heeres des Pharao die Belagerung Jerusalems aufgehoben hatten (Jer 37,11), ist trotz J e r 37,5 allzu unvermittelt 7 0 . Von J e r 37,5 her ist j e t z t zwar deutlich, worauf J e r 37,1 l 7 1 a anspielt. Aber es fehlen allgemeinere Angaben über die Ursachen oder Umstände der Belagerungssituation Jerusalems 7113 . Mit V. Person lich an der ist 70

12 beginnt die eigentliche Erzählung 7 2 , die im folgenden die des Jeremia in den Mittelpunkt stellt und zunächst ausschließseinem persönlichen Ergehen interessiert zu sein scheint. Leiaus V. 12b nicht eindeutig zu entnehmen, mit welcher Absicht

Da Jer 37,3—10 als eine mit einem bestimmten Anliegen komponierte Texteinheit aufzufassen ist, deren Verfasser schon die Erzählung in Jer 37,1 Iff vorlag (siehe oben S. 58), führt die Beobachtung, daß der Einsatz mit Jer 37,11 ohne den vorausgehenden Vers Jer 37,5 völlig abrupt und unverständlich wäre, zu dem Schluß, daß der Verfasser von Jer 37,3 — 10 in Vers 5 entweder ältere, vor Jer 37,1 Iff zu lesende Textmaterialien verarbeitet hat oder aber hier auf Grund eigener Kombinationen den Leser auf Jer 37,11 vorbereiten möchte. Vgl. zu Jer 37.11 auch die Anm. 90b. 7ia Zu . . . n-m vgl. Jer 38,28; 3,9; ferner l.Sam 10,9 (!); 17,48 (l.Sam 13,22; 25,20; 2.Sam 6,16; 2.Kön 3,15; Amos 7,2; siehe dazu Kautzsch, § 112uu). Zu Π1?» ni c. VS» vgl. Jer 37,5 und 34,21; nVs? kal c. *7VÏ3 vgl. l.Kön 15,19; 2.Kön 12,19; Jer 21,2; 34,21 u.ö.; Tibv im ni sonst mit ηΠΧΟ vgl. 2.Sam 2,27; Nu 16,24.27. - ΒΗ&3Π TVl Jer 35,11; DHtD ^Vl Jer 37,10; 39,5; vgl. 2.Kön 25,5.10. 7ib Vgl. z.B. Jer 3 4 , 1 - 7 ! 72 Zu Ν2Γ mit folgendem ΓΟ1?1? vgl. z.B. Gen 11,31; 12,5.

60

J e r e m í a 37,11—16

Jeremía Jerusalem verlassen will 73 . Wie aus dem folgenden zu ersehen ist, scheint allerdings auch nur wichtig und für das Verstehen ausreichend, daß der Prophet überhaupt aus der Stadt herausgehen möchte. Dieser Versuch führt am Benjamintor zu seiner Festnahme durch die Torwache (V. 13) 7 4 . Aus der die Festnahme Jeremias begründenden Behauptung (V. 13b) ist hier nicht mehr zu entnehmen, als daß die Chaldäer offensichtlich noch eine Bedrohung darstellen 75 . In V. 14aa weist Jeremia lediglich den gegen ihn erhobenen Vorwurf zurück; mehr über sein Vorhaben wird nicht mitgeteilt. Entweder war also der Leser schon vorher informiert worden, oder aus den Angaben von V. 12b ging ursprünglich klar hervor, welches Anliegen der Prophet im Lande Benjamin hatte. Diese Haltung des Propheten führt zur Einschaltung der nächst höheren Instanz (V. 14aßb) 7 6 : „Die Fürsten" - nnfen! Von den ana? war zuletzt in J e r 36 (V. 12.14. 19.2Iff; vgl. 35,4; 26,21) die Rede, allerdings positiv. Außerdem kann es sich nicht um den gleichen Personenkreis handeln (Zeit Jojakims). Die einfache Formulierung ΟΉίΡΠ (vgl. J e r 26,10 zur Einführung ΓΠ1ΓΓ nto, weiterhin nur noch ΟΉίΡΠ) könnte darauf hindeuten, daß dieser Personenkreis als bekannt vorausgesetzt werden darf 7 7 , also schon vorher eingeführt wurde. Ohne auf weitere Einzelheiten des Verfahrens (Namen, Argumentation usw.) einzugehen, berichtet V. 15 lediglich über die Reaktion der Fürsten (V. 15afl . . . "iBSp·"!). V. 15aßba mit . . . w m 7 8 ist so

7 3 I m allgemeinen bringt m a n V. 12b mit J e r 3 2 , 6 f f in V e r b i n d u n g (vgl. Rudolph, K o m m . J e r . , z.St. Volz, K o m m . J e r . , z . S t . ) ; vgl. auch die L X X ; die Wurzel p V n mit f o l g e n d e m T i m N u 1 8 , 2 0 ; J o s 1 5 , 1 3 ; S p r 17,2 (vgl. auch J o s 1 8 , 1 0 ) . Hölscher (Die Profeten, S . 2 9 1 , A n m . 1) p u n k t i e r t p ^ í j 1 ? u n d schlägt als Übersetzung v o r : u m daselbst m i t t e n u n t e r d e n V o l k s g e n o s s e n sein Erbteil zu g e n i e ß e n " (mit Verweis a u f S p r 1 7 , 2 ) . — J O ^ a in V e r b i n d u n g mit J e r e m i a nur noch J e r 1,1. 7 4 Das B e n j a m i n t o r wird noch erwähnt J e r 3 8 , 7 ( 2 0 , 2 ) u n d E z 4 8 , 3 2 ; S a c h 14, 10. — E i n m p s begegnet nur an dieser Stelle (vgl. die A b w e i c h u n g der L X X , die entweder m i t M nicht zurecht k o m m t oder in ihrer Vorlage etwas anderes las). Σαρουΐα für n ^ m 1 (M) k ö n n t e aus i V m 1 · fesm (V. 14) entstanden sein. 75 V . 1 3 b liest V « *?B3 (vgl. J e r 3 8 , 1 9 ; 2 . K ö n 7 , 4 ; J e r 5 2 , 1 5 ) , V . 14 Vi? VbJ (vgl. J e r 2 1 , 9 ; 3 9 , 9 ; 2 . K ö n 2 5 , 1 1 ; l . C h r 1 2 , 2 0 . 2 1 ; 2.Chr. 1 5 , 9 ) . 7 6 V . 14b ίΡΒΠ c. 3 b e d e u t e t wohl so viel wie „ a n f a s s e n " (vgl. Dtn 9 , 1 7 ; 2 1 , 2 9 ; l . K ö n 1 1 , 3 0 ; E z 2 9 , 7 ; 3 0 , 2 1 ; J e s 3 , 6 ; ) , ίΡΒΓΐ c. ΠΝ in V . 13 (vgl. l . S a m 1 5 , 8 ; l . K ö n 1 8 , 4 0 ; 2 . K ö n 1 4 , 1 3 ; J e r 2 6 , 8 ; ) dagegen wohl „ f e s t h a l t e n " oder „ergreifen". 7 7 Vgl. anders V . 13 die Einführung des J i r i j j a ! 7 8 Über eine G e f a n g e n s e t z u n g sowie eine körperliche Züchtigung berichtet a u c h J e r 20,2.

Ergebnis und Folgerungen

61

kaum in Ordnung 7 9 . Zu erwarten wäre . . . allerdings bliebe zu klären, wie man sich die Entstehung der vorliegenden Lesart vorstellen soll 8 0 . ΎΙΟΧΠ ΓΡ3 (fehlt in der LXX!) begegnet nur hier 8 1 . Wahrscheinlich handelt es sich um eine ungeschickte u n d überflüssige Glossierung zu ]nJ1íP rra; denn was es mit J o n a t h a n s Haus 8 2 auf sich hatte, erläutert j a passender das Versende 8 3 . V. 16 liefert eine genauere Beschreibung der Situation des Propheten: Der Prophet sitzt im . . . ΤΠΠ ΓΡ384. Der Verseingang ist anstößig. Auch hier stellt sich die Frage, wie die merkwürdige Lesart entstanden ist 8 5 . c) Ergebnis und

Folgerungen

Der Text J e r 37,11 — 16 ist ein in sich abgeschlossener Bericht über Anlaß und Umstände einer Gefangensetzung Jeremias. Gleichwohl kann dieser Abschnitt nie unabhängig für sich existiert haben. Diese Erzählung von einer Gefangennahme Jeremias ist ohne vorausgehende I n f o r m a t i o n e n 8 6 nicht denkbar und verlangt außerdem nach einer Fortsetzung (V. 16 D'ai D,X>''. . . Dtf~3iri), ist also von vornherein als Teil eines größeren Ganzen konzipiert worden. Da J e r 37,1 — 10 erst sekundär mit J e r 37,1 Iff in Verbindung gebracht worden ist, wäre nach Möglichkeiten zu fragen, wie über Art oder Umfang des ursprünglich J e r 37,11 ff vorausgehenden Textmaterials Aufschluß zu erhalten ist. 79

Vgl. Gen 40,2. Rudolph (Komm. Jer., S. 238) hält "ΙΓΪΙΧ 11Γ11 ΊΓΙΝ Ί3Π1 für einen Aramaismus. Vielleicht war aber V. Ibaßba (IDS OHf bis "Ι00ΓΓ) ursprünglich als direkte Rede der Fürsten konzipiert (^Sp mit folgenden und direkter Rede z.B. in Lev 10,16!), so daß der Vers zunächst lautete: „Da ergrimmten die Fürsten über Jeremía: .Schlagt ihn und gebt ihn ins Gefängnis ...'. 1ΓΠΧ Unii wäre dann aus ΊΓΠΧ ]Π3Ί (inf. abs.) entstanden (imper. mit folgendem inf. z.B. Amos 4,4.5; Ez 23,46). 81 Vgl. DniDSn rra Ri 16,21.25; Coh 4,14. 82 Vgl. Jer 37,20; 38,26. 83 Zu kVdH ΓΓ3 vgl. l.Kön 22,27 (!); Jer 37,4; 37,18; »Va ΓΓ3 2.Kön 17,4; 25,27 ; Jes 42,7. 84 Zu "lian iva vgl. Ex 12,29; Gen 40,15 (113); zur Zisterne als Gefängnis vgl. Gen 37,22.24.28.29; Sach 9,11 (c. 13 D ^ - p X ; vgl. Jer 38,6!); ΓΤΊΠΠ nur hier, pl. von nun „Gewölbe". 85 Die meisten Kommentatoren ändern in S3 , 1 (so mit LXX); vgl. zu 37,16 unten die Synopse S. 209. 86 Daß Jer 37,1 — 10 diese Aufgabe nicht erfüllt, ergab nicht nur die Analyse dieses Abschnitts, sondern auch die Untersuchung von 37,11 — 16 (s. S. 59f) 80

62

Jeremía 37,11—16

Hier wird man allerdings den Textgegebenheiten entsprechend über Vermutungen nicht hinauskommen. Immerhin sind folgende Überlegungen möglich: Die in J e r 37,11—16 vorgestellte Situation, daß das babylonische Heer die Belagerung Jerusalems unterbricht, hat in jedem Fall zur Voraussetzung, daß vorher allgemeiner über Ursachen oder Umstände dieser Belagerung berichtet wurde 8 7 . Anstelle eines solchen Berichtes, über dessen Umfang oder genaueren Inhalt zunächst nichts bekannt ist, finden wir jetzt die sekundär mit dem Abschnitt J e r 37,11—16 verknüpfte Textkomposition J e r 37,1 — 10 vor. An dieser als programmatische Einleitung für die jetzt folgenden Texte gedachten Texteinheit fällt besonders auf, daß hier Jahwe (anders als z.B. in J e r 38,17ff) Jerusalems Untergang fest und unausweichlich beschlossen hat und eine Möglichkeit zur Rettung nicht mehr angeboten wird. Dem für J e r 37,1—10 zuständigen Autor sind diese Aussagen (V. 7—10) ein besonderes Anliegen 88 . Dieses Anliegen war der Grund für die Abfassung von J e r 37,1—10 und die Verklammerung dieses Abschnitts im jetzigen Kontext. Wenn wir die m.E. unwahrscheinliche Möglichkeit außer Betracht lassen, daß der Verfasser von J e r 37,1—10 mit diesem Text lediglich eine in dem ihm vorgegebenen Textmaterial erkannte Lücke schließen wollte, wenn wir also vielmehr davon ausgehen, daß er den ursprünglich J e r 37,11—16 vorausgehenden Kontext noch vor sich hatte, so ist aus der Entfernung dieses ursprünglichen Kontextes zu folgern, daß hierin seinen Vorstellungen widersprochen wurde. Offensichtlich waren die Widersprüche derart, daß sie mit einer Überarbeitung des Textes nicht zu bewältigen waren. Es läßt sich nun mit guten Gründen vermuten, daß der Verfasser von J e r 37,1 — 10 sich mit den Aussagen des J e r 37,11 — 16 ursprünglich vorausgehenden Textes deswegen nicht abfinden wollte, weil hier nicht wie jetzt in J e r 37,1 — 10 der von Jahwe gewollte unausweichliche Untergang Jerusalems konstatiert wurde, sondern wie später noch einmal (vgl. Jer 38,17ff) von einer Chance zur Rettung die Rede war. So ist m.E. zu erwägen, ob nicht die ursprünglich Fassung von J e r 34,1—7 89 als die jetzt fehlende Ein87

Siehe oben S. 59. Siehe dazu oben S. 58. 89 Eine genauere Untersuchung von Jer 34,1—7 kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Es darf jedoch davon ausgegangen werden, daß die vorliegende Einheit das Ergebnis der Bearbeitung eines älteren Textes ist (vgl. hierzu besonders Rudolph, Komm. Jer., S. 220; Thiel, Diss., S. 527f.). In Jer 3 4 , 1 - 7 * hat Jeremía König Zedekia aufgefordert, sich dem König von Babel zu ergeben und für diesen Fall die Rettung des Königs und implizit auch die Verschonung Jerusalems 88

Ergebnis und Folgerungen

63

leitung oder zumindest als ein Teilstück der Texte in Frage kommt, an die Jer 37,11—16 ursprünglich anschloß, da in dieser Texteinheit (Jer 34,1—7) nicht nur umfassendere Angaben über die Belagerung Jerusalems enthalten sind, sondern auch König Zedekia noch während der Belagerung durch den Propheten Jeremía eine Chance zu seiner Rettung angeboten bekommt und zudem die jetzige Stellung dieses Abschnitts auffällig ist. Der für Jer 37,1 — 10 (sowie für Jer 24 und Jer 21,1—10) zuständige Autor, der der Ansicht ist, daß Jahwe König Zedekia und die Jerusalemer von vornherein verworfen und der Vernichtung preisgegeben hat, weil er sich längst für die babylonische Gola (unter Jojakin) entschieden hat 9 0 a , konnte in diesem Fall bei der Durchführung seines Vorhabens, die ihm vorgegebene Fassung eines Jeremiabuches nach den eigenen Vorstellungen zu korrigieren, Jer 34,1—7 nicht am ursprünglichen Ort belassen. Diese Überlegungen beinhalten immerhin eine Erklärung für den oben festgestellten Textausfall vor Jer 37,11 —16 90b . Außerdem wäre vor der Zerstörung in Aussicht gestellt (so mit Rudolph Komm. Jer., S. 220f; dort weitere Einzelheiten). 9a Vgl. oben zu J e r 24 und J e r 2 1 , 1 - 1 0 . 9°b Der jetzt unvermittelt auftauchenden Feststellung in J e r 37,11, daß die Chaldäer wegen eines ägyptischen Entsatzheeres (Π5Πδ bTI "UDÖ') von Jerusalem abgerückt waren, müßten allerdings noch, von Jer 34,1—7 (in der ursprünglichen Fassung) abgesehen, erläuternde Anmerkungen über dieses ägyptische Heer vorausgegangen sein. Ein Indiz dafür, daß nach der Beschreibung der bedrohlichen Lage Jerusalems (Jer 34,7) ursprünglich über eine Unterbrechung der Belagerung und ihre Ursachen berichtet wurde (vor J e r 37,11), scheint mir in J e r 34,2 l f vorzuliegen. Dort ist nach den vorausgehenden Drohworten ganz unerwartet davon die Rede, daß die in J e r 34,7 erwähnte Belagerung Jerusalems inzwischen zwar aufgehoben worden ist (Jer 34,21b), weil das Heer des babylonischen Königs (ohne Angaben von Gründen) abgerückt ist. Anschließend wird jedoch sogleich berichtet, wie Jeremía von J a h w e erfahrt, daß Jahwe selbst die Rückkehr des feindlichen Heeres vor die Mauern der Stadt bewirken wird (Jer 34,22; vgl. dazu auch Jer 37,8!). Diese hier (34,21b) unmotivierte Bemerkung, daß das babylonische Heer abgerückt sei, läßt sich m.E. nur so erklären, daß hier ein Bearbeiter vorgegebenen Nachrichten Rechnung tragen wollte oder mußte. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß er sich die Unterbrechnung der Belagerung selbst ausgedacht hat. Dagegen spricht auch die merkwürdige Textanordnung von J e r 34, daß man nämlich erst, nachdem J e r 34,7 die Gefahrdung Jerusalems dargestellt, durch die Schlußbemerkungen am Ende von J e r 34 erfährt, daß die Jahwerede an den Propheten in einer Belagerungspause ergangen ist. M.E. deutet das daraufhin, daß der für J e r 34,21f (wie auch für Jer 34,8ff) zuständige Redaktor ursprünglich im Anschluß an J e r 34,1—7* von einer Aufhebung der in J e r 34,7 erwähnten Belagerung las (vor J e r 37,1 I f f ) und sich durch diese Notiz verlaßt sah, sich nun direkt im Anschluß an J e r 34,7 Gedanken über die Gründe dieser Belagerungspause zu machen (Jer 34,8—10) und zugleich die Ursachen für die von Jahwe bewirkte Rückkehr der Belagerer darzulegen (Jer 34,11—22).

64

Jèremia 3 7 , 1 7 - 2 1

dem merkwürdigen Umstand Rechnung getragen, daß trotz der chronologischen wie sachlichen Berührungspunkte, die zwischen J e r 34, 1—7 und J e r 37 bestehen, die Einheit J e r 34,1—7 jetzt an einer ganz anderen Stelle untergebracht und zudem nicht mehr original, sondern als bearbeitete Fassung vorliegt. Im Blick auf die j e t z t vorliegende Weiterführung von J e r 37,11 — 16 durch J e r 37,17ff stellt sich n u n die Frage, ob wir hier die von J e r 37,11—16 her zu postulierende ursprüngliche Fortsetzung vor uns haben.

4. Jer 3

7,17-21

a) Inhalt Zedekias (zweite) Befragung Jeremias V. 17 Da schickt Zedekia zum Propheten und läßt ihn zu sich holen, um ihn unter vier Augen nach einem J a h w e w o r t zu befragen. Jeremias A u s k u n f t lautet, daß der König in die Hand des Königs von Babel gegeben wird. V. 18 J e r e m í a weist daraufhin, daß er unschuldig und zu Unrecht im Gefängnis sitzt. V. 19 Nachdem er an die Propheten erinnert, die mit ihren Verheißungen Unrecht behalten hätten, V. 20 b i t t e t er den König, nicht wieder ins Gefängnis zurückkehren zu müssen. V. 21a Zedekia läßt ihn im Wachthof unterbringen und mit Lebensmitteln versorgen, so lange solche zur Verfügung standen. Der Abschnitt schließt mit der Feststellung, daß sich der Prophet im Wachthof aufhält. b)

Analyse

V. 17 setzt ähnlich wie J e r 3 8 , 1 4 9 1 ein. Es fällt auf, daß der konkrete Anlaß für eine zweite Befragung des Propheten nicht mitgeteilt wird 9 2 . Im Blick auf J e r 37,3—10 fragt sich der Leser, warum «ι Vgl. noch Jer 37,3 (21,1). 92 Die Kommentatoren überbrücken diese Schwierigkeit -mit Vermutungen und Spekulationen. Volz (Komm. Jer., S. 334) meint: „Inzwischen waren wohl die Kaldäer zurückgekehrt . . . Sedekia befragt Jeremía wie ein Orakel; er hofft immer aufs neue, daß Jahwe seinen Beschluß zugunsten der Stadt und seiner Person ändern werde". Duhm (Komm. Jer., S. 300) interpretiert: „ . . . der schwächliche König (nimmt) an, es sei möglich, daß Jahwe inzwischen anderen Sinnes geworden sei . . . " . Für Weiser (Komm. Jer., S. 335) liegt zwischen den Begebenheiten in Jer 37,11—16 und 37,17ff ein längerer Zeitraum (Verweis auf V. 16 .viele Tage'), „während dessen das babylonische Heer die unterbrochene Belagerung Jerusalems wiederaufgenommen zu haben scheint. Die da-

Analyse

65

sich der König noch einmal mit dem Propheten in Verbindung setzen muß. Man vermißt hier zumindest eine Notiz darüber, daß sich die Situation inzwischen verändert hat, also z.B. daß die Belagerung Jerusalems inzwischen wieder aufgenommen ist 9 3 . Vers 17 berichtet lediglich über ein von Zedekia gewünschtes Zusammentreffen mit dem Propheten J e r e m í a mit dem Ziel, ein J a h wewort zu erhalten, sowie über die Antwort des Propheten 9 4 . Zugleich ist dieser Vers Einleitung bzw. Überleitung zur folgenden Rede Jeremias (V. 1 8 — 2 0 ) , in der er den König um Hafterleichterung bittet. Der ganze Abschnitt endet mit der Feststellung, daß der König sie gewährt (V. 2 1 ) . Insofern besteht J e r 3 7 , 1 7 — 2 1 aus zwei Teilen ( 3 7 , 1 7 Prophetenbefragung; 3 7 , 1 8 — 2 1 handelt über Jeremias persönliche Situation und die Verbesserung seiner Lage). Der Schwerpunkt des Ganzen liegt deutlich auf der zweiten Hälfte; V. 17 dient eigentlich nur dazu, eine Situation herbeizuführen oder darzustellen, in der der Prophet ein Gespräch mit dem König führen kann, in dem es hauptsächlich um seine persönliche Angelegenheit geht. Der Übergang von V. 17 zu V. 18 ist durch einen plötzlichen Wechsel der Gesprächsthemen gekennzeichnet und auffällig abrupt 9 5 . Jeredurch bedingte erneute akute Bedrohung war wohl auch die Veranlassung für den König, den Jeremía zu sich kommen zu lassen und ihn angesichts der veränderten Lage . . . zu befragen. Nachdem sich ihm die Hoffnung auf Ägyptens Hilfe zerschlagen hatte, rechnete er wohl — wie schon einmal (21,2) — auf ein Gotteswunder als letzten Ausweg aus der verzweifelten Lage. Aus seiner aufgeregten Frage: „Ist ein Wort von Jahwe da?" spricht zugleich zitternde Angst und Hoffnung, Gott könnte inzwischen vielleicht seinen Entschluß geändert haben." Nach Rudolph (Komm. Jer., S. 237) beweist die neue Anfrage „wohl die Rückkehr der Chaldäer . . . Der König hofft immer wieder, daß Jahwe seinen Beschluß ändern werde." 93 An Situationsangaben lesen wir zunächst nur 1ΓΡ33 (fehlt LXX!) und -inoa (vgl. Jer 38,14). - Zu ΙΠ^ΝΕΠ vgl. Jer 38,14 ("JX bìtà); vgl. dazu 2.Sam 14,18. - ΠΙΓΡ UND * m erinnert an das ΠΙΓΓ ΠΝ» . . . in der Einleitungsformel Jer 7,1; 11,1; 18,1; 21,1 u.ö. 9 4 Die Botenformel fehlt! - In Jer 34,3 und 32,4 geht der Feststellung, daß „Zedekia in die Hand des Königs von Babel gegeben wird", voraus, daß „diese Stadt in die Hand des Königs von Babel gegeben wird" (32,3; 34,2) yund er sie einnimmt (32,3) bzw. verbrennt (34,2; vgl. 21,7.10; 38,17.18; siehe auch 37,8!). Wie hier in V. 17 ist also nur noch in 44,30 allein von einer Übergabe Zedekias in die Hand Nebukadnezars des Königs von Babel die Rede. 95 Vgl. die gelungenere Kombination beider Themen in 38,14ff! — Auch hier versuchen die Kommentatoren wieder auszugleichen: , J e r hat in mildem Ton gesprochen, nicht polternd, wie ihn die Ergänzer über Zedekia reden lassen, daher kann er den König um Milderung der Haft angehen" Duhm (Komm. Jer., S. 300f) ; „Der hilflose, bittende Prophet und der hilflose, bittende Kö5

Pohlmann, Jeremiabuch

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Jeremía 3 7 , 1 7 - 2 1

mia beklagt sich über seine Gefangensetzung und fragt nach den Gründen. Sein Vorwurf richtet sich an die Allgemeinheit (an den König, seine Knechte und „dieses V o l k " ) . Diese Aufzählung entspricht und bestätigt Jer 37,2 96 . Im Blick auf die Erzählung 37, 11 — 16 ist eine solche Verallgemeinerung auffällig; außerdem fragt man sich, warum hier nicht die D'Ito97 aus 37,14.15 genannt sind, sondern die ΟΉ357 des Königs 98 . Für TUN " o n n r O (pl.) liest die L X X ort συ δίδως με . . . ; welche Leseart die ursprünglichere war, läßt sich zwar kaum noch feststellen; in jedem Fall überrascht jedoch, daß auch der König mitbeschuldigt wird, an der ungerechten Gefangensetzung Jeremias mitbeteiligt zu sein100. Während nach Jer 37,15 allein die ΟΉίΡ die Verantwortung tragen, versucht also 37,18 daraus auch ein den König und „dieses V o l k " belastendes Vorgehen zu konstruieren. Folglich ist auch hier die Anknüpfung an 37,11—16, bzw. die Weiterführung dieser Verse nicht ohne Spannungen. V. 19 wäre nach Duhm,101 „von der Hand des Ergänzers eingeschaltet . . . " . Damit ist allerdings übersehen, daß auch dieser Vers im jetzigen Kontext eine wichtige Funktion innehat. V. 19 deutet mit der Frage 102 „und wo sind nun eure Propheten, die euch weissagten: ,der König von Babel wird nicht über euch und dieses Land kommen'?" implizit an, daß nach Meinung des Verfassers inzwischen die in 37,8 angekündigte Rückkehr der Chaldäer eingetreten ist. Ohne V. 19 wäre für V. 17—21 die gleiche Situation vorauszusetzen, wie nig — die Szene hat eine erschütternde G r ö ß e " Volz (Komm. Jer., S. 335); „Die Tatsache, daß der König Jeremía zu sich gerufen hat, zeugt von einer gewissen Achtung dem Propheten gegenüber. U n d so ist es verständlich, wenn Jeremía vor dem König auch seine eigene Angelegenheit zur Sprache bringt" Weiser (Komm. Jer., S. 336); „er (Jeremía ergreift) die Gelegenheit, um auch sein persönliches Schicksal dem König ans Herz zu legen" Rudolph (Komm. Jer., S. 237). 96 Vgl. dort; s.a. Jer 21,7(!); 22,2.4; 1,18; (25,19; 27,13; 29,16; 34,10); 44,

20.21. Zu „der König und seine Fürsten (die Fürsten)" vgl. Jer 4,9 (König, Fürsten, Priester und Propheten); 24,1.8; 26,21; 34,21; 36,21. 98 Vgl. zu den „Knechten des Königs" Jer 21,7; 22,2.4; 36,24.31. 9 9 Zu . . . j n i (= gefangen setzen) vgl. Jer 20,2; 37,4.15; 29,26; (32,2.3); Gen 39,20. 100 Vgl. so auch Jer 32,2.3; (hier soll die Gefangensetzung Jeremias, für die an dieser Stelle Zedekia verantwortlich gemacht wird, mit Jeremias Prophezeiungen zusammenhängen. Ein Teil der dortigen Aussagen ( V . 4ba) begegnet fast wörtlich Jer 37,17bß wieder.); vgl. auch Jer 37,4. 97

Komm. Jer., S. 301; so auch Erbt, aaO, S. 46f; Kremers, EvTh 1953, S. 124; Thiel, Diss., S. 557 („mit Wahrscheinlichkeit"). κ « Z u den „falschen Propheten" vgl. Jer 2 3 , 1 6 - 1 7 , bes. V . 17; 27,9f; 27,14. 101

Analyse

67

sie für den vorausgehenden K o n t e x t (Jer 37,11; vgl. 37,5) gilt. Der Verfasser b e n u t z t folglich diesen Vers, um den Anlaß anzudeuten, warum überhaupt eine Begegnung zwischen König und Prophet stattfand. Daß der König der Bitte Jeremias um Hafterleichterung nachgibt (V. 21), erscheint zudem einleuchtender, wenn er, der er ja für die Gefangensetzung des Propheten mitverantwortlich ist (vgl. V. 18; gegen J e r 37,15!), aufgrund der inzwischen veränderten Situation (Rückkehr der Chaldäer) handelt. V. 20 entspricht fast wörtlich J e r 38,26; man fragt sich, in welchem Verhältnis beide Verse bzw. Abschnitte zueinander stehen. Während Volz 103 und im Anschluß daran Nötscher104 und Rudolph10s dafür plädieren, daß der Abschnitt J e r 38,24—28 ursprünglich hinter 37,21 zu lesen war 1 0 6 und erst durch ein Mißverständnis mit 38,14—23 verbunden wurde, meint man andererseits, auch an der vorliegenden Anordnung festhalten zu k ö n n e n 1 0 7 a . Gegen die Versetzungsthese ist jedoch einzuwenden, daß 38,24—28 zunächst im Blick auf 38,14ff am jetzigen Ort sehr wohl angebracht ist und die vorausgegangene Gesprächssituation 3 8 , 1 7 f 1 0 7 b deutlich berücksichtigt und weiterführt. . . . S?T"Vx B^N paßt besser zu 38, 17ff als zu 37,17b/3. Außerdem h ä t t e eine Versetzung zwischen 37,21 und 3 8 , I f f zur Folge, daß der Prophet jetzt einerseits über den Inhalt des Gesprächs mit Zedekia, wie vom König befohlen, schweigt, andererseits jedoch alsbald ähnliche Aussagen in aller Offenheit (38,1.4 nvn Vs Vx) vorträgt und sich dann doch seinen Feinden ausliefert. Ferner ist nach Abschluß des Gesprächs (37,21) eine Weiterführung mit 38,24ff auch deswegen schwierig, weil 38,24ff dann nur als recht ungeschickte Rückblende verstanden werden kann. Wir halten daher vorerst fest 1 0 8 , daß 38,24—28 hervorragend an 38,14— 23 anschließt und zunächst keinerlei Veranlassung besteht, bei dieser Abfolge an einen späteren Nachtrag von J e r 38,24—28 zu denken 1 0 9 . Von J e r 37,17—21 aus betrachtet deutet nichts daraufhin, 104 »03 Komm. Jer., S. 333. Komm. Jer., z.St. »OS Komm. Jer., z.St. 106 Eine Bitte Jeremias, „nicht mehr in das Haus Jonatans zurückzukommen, (habe) hinter 38,1—22 lediglich keinen Sinn mehr, während sie bei und nach 3 7 , 1 1 - 2 1 völlig am Platz ist;" (so Volz, Komm. Jer., S. 333; vgl. auch Rudolph, Komm. Jer., S. 243). 107aWeiser, Komm. Jer., S. 343 explizit, Wanke, Baruchschrift, und Thiel, Diss., implizit. 10713 Zu Jer 38,15f vgl. unten S. 85f. 108 Vgl. ferner unten zu Jer 3 8 , 2 4 - 2 8 . 109 γ 28 („Und Jeremía blieb im Wachthof bis zu dem Tag, da Jerusalem eingenommen wurde".) bestätigt die vorliegenden Anordnung; wenn Rudolph be-

68

Jeremía 3 7 , 1 7 - 2 1

daß ein ursprünglich diesen Abschnitt weiterführender Text (nach Jer 37,21) weggefallen ist 110 . V. 21 enthält außer der Feststellung, daß der König Jeremias Bitte nachgibt und ihn im Wachthof unterbringen läßt 1 1 1 , weitere Einzelheiten über Jeremias neue Situation: Man teilt dem Propheten täglich eine Ration Brot zu, die er aus der Bäckergasse erhält, „bis alles Brot in der Stadt zu Ende war". Abgesehen davon, daß eine Einzelheit wie die über die Herkunft des Brotes hier gerade im Blick auf die vorherberichtete Gesprächssituation besonders auffällig ist, da andererseits die an sich erforderlichen wichtigeren Informationen über die genaueren Umstände und den Anlaß des Zusammentreffens zwischen König und Prophet fehlen, fragt man sich nach dem Sinn und der Funktion der Bemerkung TS?n~]ö Dn^irVs a r r i » gerade an dieser Stelle 112 . In J e r 52,6 bedeutet . . . 0Π1? ìtti-nVi (vgl. 2.Kön 25,3), daß die Stadt unmittelbar vor ihrer Einnahme steht (vgl. den folgenden Text!). Eine solche Bemerkung wäre also passender vor J e r 39,Iff (oder 38,14). Außerdem scheint sie am jetzigen Ort nicht gut auf die Berichte Jer 38,lff.7ff abgestimmt zu sein. Es sei denn, daß die folgenden Ereignisse sich nach der Vorstellung des Verfassers schon abspielen, als ,,es kein Brot mehr in der Stadt gab" (vgl. Jer 38,9). Daß Jeremía während seines Aufenthaltes in der Zisterne (vgl. 38,6) mit Brot versorgt worden sei, dürfte diese Notiz kaum ausdrücken wollen 113 . Zu all diesen Auffälligkeiten und Spannungen kommt hinzu, daß auch der Anschluß nach vorn (Jer 3 8 , I f f ) keineswegs überzeugt 114 . Denn die in 38,1 enthaltene Feststellung Dyn-VD-1?« 131» läßt sich kaum mit Jeremias Situation im Wachthof in Einklang bringen 1 1 5 . hauptet, dieser V. 28 sei der Anlaß gewesen, den ganzen Abschnitt aus seiner ursprünglichen Stellung hinter Jer 37,21 zu entfernen, so setzt er eben voraus, daß diese Anordnung die ursprüngliche war. Eine Bestätigung der Versetzungsthese ist dieser Hinweis nicht. 110 Zur Erklärung der thematischen und z.T. wörtlichen Berührungen zwischen Jer 37,20 und 38,26 vgl. unten S. 76. 111 . . . ΠρΒ'Ί (hi) mit einer Person als Objekt ist selten (vgl. l.Sam 29,4) und hat meistens eine andere (vgl. Jer 40,7 und 41,10) Bedeutung (vgl. dagegen ï p S kal c. ΠΝ Jer 23,2; Gen 21,1; 50,24.25; 2.Kön 9,34). 112 Zwischen Jer 37.21 ( Ο Π ^ Π - ^ EHI-Τ») und der Notiz IIS ΠΠ^Π "3 . . . V5J3 in Jer 38,9 scheint ein Zusammenhang zu bestehen. Vgl. zu Jer 37,21 unten S. 81f! 114 Daß durch die Versetzung von Jer 3 8 , 2 4 - 2 8 zwischen Jer 37,21 und 38,Iff das Problem nicht zu lösen ist, wurde oben schon angemerkt. 115 Anders Weiser (Komm. Jer., S. 338): „Wir hören aus 38,Iff, daß er auch als Gefangener im Wachthof Gelegenheit hatte, ,zu allem Volk' zu reden". Rudolph (Komm. Jer., S. 239): „Besonders die Soldaten, mit denen er im

Jer 3 8 , 1 - 6 - Inhalt

c) Zusammenfassung

und

69

Ergebnisse

Die Weiterführung des Abschnitts J e r 37,11—16 durch J e r 37,17—21 ist problematisch. Einmal fehlen die erforderlichen Angaben darüber, warum sich der König veranlaßt sieht, mit dem Propheten zusammenzutreffen und um ein J a h w e w o r t nachzusuchen. Die Andeutungen in V. 19 k o m m e n verspätet. Zudem bestehen zwischen J e r 37, 17—21 und dem vorausgehenden Abschnitt inhaltliche Widersprüche: Nach J e r 37,13—16 sind für die ungerechtfertigte Gefangensetzung des Propheten allein die „ F ü r s t e n " verantwortlich. J e r 37,18 dagegen verallgemeinert und erklärt auch den König für mitschuldig. J e r 37, 17—21 kann daher nicht als die ursprüngliche Fortsetzung von J e r 37,11—16 eingestuft werden. Der ganze Abschnitt wirkt zudem sehr konstruiert. Der Schwerpunkt liegt deutlich auf den Versen 18—21 (Jeremias Ersuchen um Hafterleichterung; die Erfüllung seiner Bitte durch den König). V. 17 dient im G r u n d e nur dazu, die Voraussetzungen zu schaffen, daß Jeremía seine Bitte vortragen kann. Im Blick auf den u n k o n k r e t e n Einsatz mit V. 17 sind ferner die detaillierten, aber funktionslosen Einzelangaben über die Versorgung des Propheten mit Brot aus der Bäckergasse usf. am Schluß (V. 21) anstößig. Außerdem sind diese Bemerkungen hier nicht auf die folgenden Berichte abgestimmt. Eine abschließende Beurteilung ist erst sinnvoll, wenn die Ergebnisse der Untersuchungen zum folgenden Abschnitt J e r 38,1—6 vorliegen und berücksichtigt werden k ö n n e n 1 1 6 .

5. Jer

38,1-6

a) Inhalt Jeremias (zweite) Gefangensetzung V. 1 Mehrere namentlich genannte Personen hören die Worte, die Jeremía an das ganze Volk richtet, nämlich V. 2, daß nur derjenige sein Leben behalten wird, der zum Feind überläuft. V. 3 J a h w e werde die Stadt in die Hand des Königs von Babel geben. V. 4 Sie wenden sich an den König und fordern den T o d des Propheten mit der Begründung, er schwäche mit seinen Reden die Kampfmoral und Wachthof zusammen war, werden sich mit ihm o f t über die Lage unterhalten haben". Vgl. auch Duhm, Komm. Jer., S. 302. 116 Vgl. dazu unten S. 7 4 f f .

70

J e r e m í a 38,1—6

habe nicht Heil, sondern Unheil für die Stadt im Sinn. V. 5 Der König überläßt den Propheten diesen Männern, V. 6 die ihn in einen Brunnen im Wachthof werfen lassen. b) Analyse Die in J e r 3 8 , I f f vorliegende Fortsetzung von J e r 37 ist zunächst insofern auffällig, als man sich fragen muß, wie der Prophet als Gefangener im Wachthof (Jer 37,21) sich an das „ganze V o l k " wenden kann (Jer 38,1b). Aber auch wenn man hier keine Schwierigkeiten sehen will 1 1 7 , so gibt doch immerhin der Umstand zu denken, daß J e r ernia erst jetzt als Gefangener von den „ F ü r s t e n " auf den T o d verklagt wird, und zwar mit Gründen, die früher schon genau so gegeben waren (vgl. J e r 37,8 mit 38,3). Nach J e r 37,3 hatte der im 38,1 genannte Juchai ben Schelemja Jeremias Botschaft bereits schon einmal zur Kenntnis genommen und sie offensichtlich hingenommen, ohne daß man es für unumgänglich hielt, den Propheten daraufhin unschädlich zu machen. Nach J e r 37,1 I f f war erst der Versuch Jeremias, die Stadt zu verlassen, der ausreichende Grund, den Propheten zu verhaften und einzusperren. J e r 38,1 knüpft außerdem mit . . . nicht an direkt vorher Berichtetes an, um es weiterzufuhren 1 1 8 ; dieser Vers dient vielmehr lediglich als EinleiΠ7 Vgl. A n m . 1 1 5 . — A n d e r s Skinner (Prophecy a n d Religion. S t u d i e s in the L i f e of J e r e m i a h , C a m b r i d g e 1 9 2 6 , 2. A u f l . , S . 2 5 8 f ) , d e r eine A b f o l g e J e r 3 7 / 3 8 nur d a n n für a k z e p t a b e l und ursprünglich beabsichtigt hält, „ i f w e can s u p p o s e that the o f f e n c e with which he (Jeremía) is charged in X X X V I I I . I f f . c o u l d have b e e n c o m m i t t e d while he was a prisoner in the court of the guard. T h a t a p p e a r s t o m e hardly credible; and since the h y p o t h e s i s that he has regained his f r e e d o m a f t e r his first i m p r i s o n m e n t is e x c l u d e d b y X X X V I I . 2 1 , w e seem shut up to the c o n c l u s i o n that the opening o f ch. X X X V I I I . takes us b a c k to the t i m e when J e r e m i a h was still at liberty ( X X X V I I . 4 ) , and gives an indep e n d e n t report of the circumstances of his arrest . . . " ; vgl. auch S . 2 5 9 : „ A p a r t f r o m the general p r o b a b i l i t y that t w o such interviews should have t a k e n p l a c e in similar circumstances within s o short a time, the close parallelism o f the narratives strongly suggests that they are b u t d i f f e r e n t versions of the s a m e event . . . " — Vgl. ähnlich s c h o n Steuernagel, L e h r b u c h der Einleitung in d a s A l t e T e s t a m e n t , Tübingen 1 9 1 2 , S. 5 5 7 ; H. G. May, T h e C h r o n o l o g y o f J e r e miah's Oracles, J N E S I V , 4 , 1 9 4 5 , S . 2 1 7 - 2 2 7 , b e s o n d e r s S . 2 2 0 . S o w e i t ich sehe, setzt sich in d e n neueren Arbeiten z u m J e r e m i a b u c h nur Rudolph (Komm. J e r . , S . 2 3 9 ) mit diesen T h e s e n zu J e r 38 auseinander; ihre Zurückweisung ist allerdings nicht begründet. 118 Vgl. dagegen J e r 2 0 , 1 u n d 2 6 , 7 ; an diesen Stellen ist direktes H ö r e n gemeint in d e m Sinn, daß ein Hörer bei einem Ereignis zugegen ist u n d persönlich davon K e n n t n i s n i m m t . In l . K ö n 1 6 , 1 6 u n d 2 . K ö n 19,9 (= J e s 3 7 , 9 ) wird (wie in J e r 3 8 , 1 ) ÏÎSttTT mit f o l g e n d e m i ö x 1 ? verwendet, u m auszudrücken, d a ß es hier u m K e n n t n i s n a h m e eines zurückliegenden Ereignisses geht.

Analyse

71

tung u n d soll die für das Verständnis des ganzen Abschnitts unbedingt erforderlichen 1 1 9 J a h w e w o r t e in 38,2ff vorbereiten. J e r 38,1 ist also im Blick auf die anschließende Mitteilung der J a h w e w o r t e konzipiert worden und nicht als Überleitungs- oder Verbindungsvers einzustufen. Wenn es daher J e r 38,1 heißt, daß die genannt e n 1 2 0 Personen „die Worte Jeremias hörten, die er an das ganze Volk sprach" 1 2 1 , also hier gar nichts auf eine im Wachthof gehaltene Rede Jeremias hindeutet bzw. ein explizierter Hinweis auf eine solche Rede fehlt oder vermieden wird, so ist daraus nichts anderes zu entnehmen, als daß der Verfasser hier gar nicht auf eine Rede des Propheten im Wachthof anspielen will. Die verbreitete Auffassung, daß mit QSn"1?^"1?« 131» Jeremias A u f t r e t e n im Wachthof gemeint sein müsse, geht von der unbewiesenen Voraussetzung aus, daß J e r 37,17—21 und J e r 38,1—6 vom gleichen A u t o r stammen, J e r 38, 1—6 somit als direkte Fortsetzung zu verstehen ist. „Die Worte", die Schephatja usw. hörten, werden in V. 2 und 3, jeweils durch die Botenformel eingeleitet 1 2 2 , zitiert. V. 2 entspricht von geringfügigen Abweichungen abgesehen 1 2 3 wörtlich J e r 21,9. Das J a h w e w o r t in V. 3 begegnet mehr oder weniger ähnlich schon in J e r 21,10; 32,3 (24.25).28(36); 34,2; 38,18 1 2 4 . Nach Duhm*25, Erbt™, Cornili121, Rudolph128, Thiel129 u.a. wäre V. 2 hier sekundär aus J e r 21,9 eingedrungen, während Volz 130 und Weiser1*1 keinen Anlaß sehen, V. 2 als nicht ursprünglich zu tilgen. 119

Vgl. Jer 38,4 Π*?Νη D n m S ! Während Schephatja ben Mathan und Gedalja ben Paschur sonst nicht erwähnt werden, sind Juchai ben Schelemja und Paschur ben Malkia (fehlt LXX) aus Jer 21,1 (Paschur ben Malkia) und Jer 37,3 (Jehuchal ben Schelemja) bekannt; vgl. Duhm, Komm. Jer., S. 302, der darauf hinweist, daß diese Personen nach Jer 21,1 und 37,3 „längst seine Weissagungen gekannt (hätten), sich also nicht mehr über sie (hätten) aufregen können". ι « Zu D5?n-I?D vgl. Jer 19,14; 26,7.8; 28,1; 29,1.16; 34,8.10; 36,9.10, wo jeweils die Gesamtbewohnerschaft gemeint ist. 122 LXX liest . . . TDK Π3 O ; ein versehentlicher Wegfall des '3 in M wäre gut möglich (so Giesebrecht, Komm. Jer., S. 204; Volz, Komm. Jer., S. 337); andererseits könnte das ebensogut mit dem Vesuch zusammenhängen, beide Jahweworte besser miteinander zu verknüpfen; vgl. ähnlich Jer 21,9 (s. LXX). 123 VbJI hinter NSTII fehlt, ebenso die Erläuterung . .. DnSH' zu DniTDn; 38,2 hat zusätzlich TP am Schluß. 124 Der jeweilige Kontext von Jer 32,3 (28) und 38,18 setzt die Gefangennahme des Propheten voraus. Nur 21,9.10 ist direkt an „dieses Volk" gerichtet. In 34,2 wird Zedekia angesprochen. 126 125 Komm. Jer., S. 302. Jeremía und seine Zeit, S. 49. !27 Komm. Jer., S. 400. Komm. Jer., S. 220. 129 Diss. S. 558. 1 30 Komm. Jer., S. 337. 131 Komm. Jer., S. 338. 120

72

Jeremía 38,1—6

Im Blick darauf, daß man Jeremía vorwirft, die „Hände der Kriegsleute . . . schlaff zu machen", ist gegen V. 2 nichts einzuwenden, ja, man könnte diese Aussage dem folgenden Vers eher noch vorziehen. Zu erklären wäre ferner, welchen besonderen Anlaß ein Interpolator haben konnte, V. 2 hier noch einzuschalten, bzw. auf J e r 21,9 zurückzugreifen. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß dieser Vers in offensichtlich beabsichtigter Nähe zu J e r 38,17 steht 1 3 2 . V. 3 ließe sich andererseits insofern gut als Erläuterung zu V. 2 auffassen, als hier begründet wird, warum deqenige, der in der Stadt bleibt, sterben wird (vgl. J e r 21,9.10). Somit könnte allein noch das zweimalige Auftauchen der Botenformel auf einen späteren Eingriff hindeuten. Im Blick jedoch auf Texte wie J e r 37,7.9 oder J e r 35,17ff (vgl. auch J e r 42,15.18) ist ein solches Argument nicht ausreichend für die Annahme einer sekundären Einschaltung von Vers 2 oder Vers 3. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß beide Verse als Zitate verstanden sein wollen, so daß die Botenformel zur Kennzeichnung dieser Zitate als Jahweworte gedacht sein könnte. V. 4 führt die in 38,1 einsetzende Handlung weiter. Die in V. 1 namentlich genannten Personen werden jetzt als die D'I© (nicht in der LXX!) qualifiziert 1 3 3 . Die Einschaltung des Königs überrascht an dieser Stelle insofern, als die Fürsten nach J e r 37,14ff über Jeremias Schicksal den sachlich gleichen Beschluß fassen konnten, wie hier nach dem Gespräch mit Zedekia, ohne erst einen königlichen Bescheid abzuwarten. Außerdem fragt man sich, warum der König überhaupt mit der ganzen Angelegenheit konfrontiert werden muß, wenn deren Entscheidung gar nicht mehr innerhalb des Bereichs seiner Machtmöglichkeiten steht (so 38,5b). Die an den König herangetragene Forderung der Fürsten, Jeremía zu töten 1 3 4 , wird doppelt begründet: XSin-Xin p - ^ S - O , d.h. der Prophet lähme mit seinen Rede 1 3 5 die Kampfmoral der Kriegsleute 136 und des Volkes, und . . . OlVt!?1? UTK Π1Π tf'sn Ό (V. 4b), d.h. er suche nicht das Wohl „dieses Volkes". Diese zweifache Begründung korrespondiert den beiden Jahweworten in V. 2 und 3. Mit . . . XS-ID137 -Ν1Π p - v s — s dürfte inhaltlich das Wort in V. 2 gemeint sein; mit . . . DI1?»1? tfn u r x ΠΤΠ BP Ν Π "O wird auf die generelle Aussage in V. 3 angespielt. 132 Vgl. schon oben zu Jer 21,9! Zu D'Iti vgl. Jer 37,14.15. 134 . . . nX NJ n a v ist schwierig; vgl. Kautzsch § 121a; vgl. auch zu 35,14. »5 . . . DrrVx Ί m V bezieht sich auf Jer 38,2(3). 136 Zu oniWJn vgl. Jer 21,7. 137 Vgl. Esr 4,4; s. auch schon Lachisch-Ostrakon, Nr. 6, Zeile 6. 133

Analyse

73

Die Formel DlW? Eh"T begegnet sonst nur noch ähnlich 1 3 8 J e r 2 9 , 7 . An dieser Stelle bedeutet . . . DI1?©' ΓΐΧ 1ΤΠ zugleich . . . ΤϊΠ V?ann, bzw. . . . 15?3 y?Bm impliziert . . . DlVtf 2ΊΧ 2 h l . Somit könnte der Vorwurf . . . Ol1?®1? iff'n u r x ΠΤΠ t^xn Ό auch auf Jer 37,3ff anspielen und jene Auskünfte des Propheten so interpretieren wollen, daß Jeremia vor Jahwe nicht für das Heil, sondern für das Unheil des Volkes eingetreten sei. J e r 38,5 berichtet über die Reaktion des Königs (V. 5a) 1 3 9 . Seine Aussage . . . 0DT3 Χ1ΠΤΙ3Π140 widerspricht dem im folgenden (Jer 38,14—28) geschilderten Verhalten des Königs. Es ist nicht einzusehen, daß der König zunächst keinerlei Möglichkeiten haben soll, Jeremia vor dem Anschlag der Fürsten zu schützen, wenig später jedoch durchaus in der Lage ist, die Befreiung des Propheten aus der Zisterne anzuordnen, sich mit ihm zu treffen, wovon auch die Fürsten erfahren (Jer 38,25ff), und Jeremia Garantien für seine Sicherheit zu geben (Jer 38,24), die den Propheten dem Zugriff der Fürsten entziehen. Über das Ergebnis bzw. die Folgen der Aktion der Fürsten informiert den Abschnitt abschließend Jer 38,6. Dieser Vers macht einen reichlich überfüllten Eindruck. Nach . . . Ό1?©·1! ist das . . . "inVïH überflüssig. Außerdem klingt . . . Π Κ in1?©"·! recht ungeschickt formuliert (vgl. Jos 2,15!). Die Formulierung könnte (sekundär?) unter dem Einfluß von J e r 38,11b entstanden sein und diese Stelle berücksichtigen 141 . Zu V. 6b ist Gen 37,24 zu vergleichen 142 . Auffällig ist die genaue Ortsbezeichnung „Zisterne 1 4 3 Malkias, des Königssohns, im Wachthof"; denn für die folgenden Texte hat diese 138

Vgl. auch Dtn 23,7 und Esr 9,12. Die Begründung für die Entscheidung des Königs enthält einige Unklarheiten; vgl. auch die LXX, die ΟΠΧ für (= D3nX) liest und somit V. 5b als Bemerkung des Verfassers aufgefaßt haben will. Ferner ist |'X mit folgendem imperf. (VSV) nicht gut möglich. Ehrlich (Randglossen, z.St.) schlägt eine Änderung in vor. Allerdings ist ein Partizip von sonst nicht belegt. V. 5b könnte Jer 38,22b vor Augen haben und darauf anspielen. 140 Vgl. sonst ähnlirh J e r 26.24 DDT'3 ""IM 'INI. 141 LXX liest και έχάλασαν (für Π1?© pi so nur hier in LXX!) αυτόν εις τον λάκκον, και év τω λάκκω ουκ ήν ϋδωρ; der Text scheint hier geglättet; für » a m liest L x x v n . Vgl. auch V. 6a . . . rix ΊΠρ"! ( . . . 1Πρ"Ί fehlt LXX!) und Gen 37,24 D"·» Ό f X pn -Π3ΓΡ m n n 1ΓΙΧ Ό , ?©·'ΤΪΠΠρ"Ί; auch die „Grube in der kein Wasser ist" begegnet Gen 37,24; ferner Sach 9,11 ; Thr 3,53ff; zu Ί13 sind noch Stellen wie l.Sam 13,6 und 2.Sam 17,18 interessant; zu Ö'Oa S?3m vgl. Ps 40,3; 69,3.15. 143 Man muß entweder den Artikel streichen oder den Eigennamen als nachgetragen auffassen. 139

74

Jeremía 38,1—6

Angabe keinerlei erkennbare Funktion. Ein Hinweis, daß man Jeremía in einer Zisterne gefangen hielt, wäre ausreichend gewesen. Folglich dient diese Notiz jetzt lediglich der Klarstellung, daß der neue Aufenthaltsort nicht mit dem in J e r 37,15.16, wo ja auch von einer Zisterne die Rede ist, gleichzusetzen ist. Es wird also auf diese Weise sichergestellt, daß es sich hier um eine zweite, weitere Gefangensetzung des Propheten in einer Zisterne handelt. Merkwürdigerweise bezieht sich jedoch später J e r 38,24ff nur auf den ersten Aufenthalt Jeremias im Brunnen im Haus Jonathans (37,15.16). Die 38,Iff dargestellte Situation spielt keine Rolle, obwohl nach der jetzigen Darstellung Jeremias Situation hier viel gefährdeter war (vgl. 38,6!). c) Ergebnisse und

Folgerungen

J e r 38,1—3 ist deutlich ohne überzeugenden Anschluß an die vorausgehenden Texteinheiten (sowohl Jer 37,17—21 als auch J e r 37,11 — 16) als Einleitung zu J e r 38,4—6 konzipiert worden. Hält man sich vor Augen, daß der Verfasser nichts über einen Auftritt Jeremias im Wachthof verbunden mit einer an das ganze Volk oder einzelne Gruppen gerichteten Rede berichtet, obwohl er das ja gekonnt hätte, so kann man die vorliegende Textfassung nur so verstehen, daß er sich das Einschreiten des Schephatja usf. eben nicht durch eine solche konkrete Aktion Jeremias (Rede im Wachthof) verursacht vorstellte, sondern ihre Gegnerschaft ganz allgemein mit der Botschaft des Propheten, wie bekannt (Jer 38,2—3), in Verbindung brachte. J e r 38, 1—6 will also nicht in erster Linie erzählen, daß Jeremia noch einmal in eine Zisterne geworfen wurde. Wie aus dem Aufbau der Verse I—4 zu ersehen ist, geht es hier vielmehr um eine ausführlichere Darstellung der Gründe überhaupt, die zu einer Einkerkerung Jeremias führten. Die Art und Weise, wie hier mit der Botschaft und Einstellung des Propheten dem König gegenüber argumentiert wird, ist auf den vorausgehenden Kontext insofern schlecht abgestimmt, als nach J e r 37, II—16 für die Gefangensetzung des Propheten allein dessen Absicht, Jerusalem zu verlassen, bzw. die Unterstellung, zum Feind überlaufen zu wollen, ausschlaggebend war und die zuvor (Jer 37,7—10) geäußerte, J e r 38,2—3 durchaus vergleichbare Botschaft hier keine Rolle spielt. Jer 38,1—6 kann demzufolge nicht demselben Verfasser zugeschrieben werden, auf den J e r 37,11 — 16 zurückgeht, muß also als nachträgliche Einschaltung oder Erweiterung aufgefaßt werden mit dem Ziel, die nach Meinung des Interpolators eigentlichen Motive der ΠΉίΡ deutlicher zu machen.

Ergebnisse und Folgerungen

75

Zudem sind auch im Blick auf die jetzt anschließenden Abschnitte in J e r 38,7—28 Spannungen feststellbar. Nach J e r 38,5 sind dem König den ΒΉΡ gegenüber die Hände gebunden, in J e r 38,24ff wiederum sieht sich Zedekia in der Lage, dem Propheten Schutzgarantien zu geben, indem er Jeremia so instruiert, daß die Β Ή fr ihm nichts anhaben können. J e r 38,24—28 wirft zudem die Frage auf, warum hier auf die „erste" Gefangenschaft Jeremias im „Hause Jonathans", also auf J e r 37,16 angespielt wird, obgleich ein Hinweis auf J e r 38,1—6 naheliegender gewesen wäre. Wir hatten oben auf jene Forscher hingewiesen, die in J e r 38,1—6 einen Doppelbericht zu J e r 37,11 — 16 sehen wollten 1 4 4 . Die Lösung der Spannungen und Merkwürdigkeiten, mit denen die jetzige Stellung von J e r 38,1—6 verbunden ist, scheint mir in der Tat nur auf diesem Wege sinnvoll. J e r 38,1—6 ist offensichtlich ein, wenn auch in einigen Punkten abweichender Doppelbericht zu J e r 37,11—16 (Gefangennahme und Unterbringung Jeremias in der Zisterne im Hause Jonathans). Skinners These 1 4 5 ist allerdings dahingehend zu modifizieren, daß J e r 38,1—6 schon J e r 37,11 — 16 voraussetzt; es handelt sich m.E. nicht um einen „independent report . . . " , sondern um das Produkt eines Verfassers, dem J e r 37,11 — 16 schon vorliegt, und der sich mit den hierin enthaltenen nüchternen und knappen Angaben nicht zufrieden geben wollte. Nach seiner Ansicht war der Grund für die Inhaftierung Jeremias nicht lediglich sein Versuch, Jerusalems zu verlassen (Jer 37,13f). Es ging den o n f r auch nicht nur um eine Gefangensetzung des Propheten. Mit dem Verweis auf die gefährliche Botschaft und Einstellung Jeremias (Jer 38,2—3) betrieben sie seine Liquidierung. Die ganze Angelegenheit ist nach Meinung des Verfassers auch nicht allein von den ΒΉ® über den Kopf des Königs hinweg oder ohne dessen Wissen ( s o j e r 37,15f) entschieden worden. Zedekia m u ß t e selbstverständlich mitbeteiligt und mitschuldig sein. Der für J e r 38,1—6 zuständige Verfasser brachte diese als Korrektur oder Klarstellung gedachten Ausführungen direkt im Anschluß an J e r 37,16 unter. Daß dieses Verfahren, kurz und knapp gehaltene Informationen durch einen Nachtrag zu interpretieren bzw. auszumalen, kein Einzelfall im Jeremiabuch ist, belegt z.B. auch J e r 40, 1 - 6 im Blick auf J e r 39,2.14* 146 . Außerdem wird bei dieser Sicht verständlich, warum sich J e r 38,24—28 auf die Unterbringung Jere144 145 146

Vgl. dazu oben S. 70, Anm. 117. Prophecy and Religion, S. 258. Vgl. dazu unten S. 99ff.

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Jeremía 3 8 , 7 - 1 3

mias in Jonathans Zisterne (Jer 37,15—16) zurückbezieht und von der in der jetzigen Textanordnung dargestellten zweiten, viel bedrohlicheren Situation keine Kenntnis zu nehmen scheint. Dieser merkwürdige Sachverhalt ist darauf zurückzuführen, daß Jer 38,2428 tatsächlich ursprünglich nur Jer 37,15—16 vor Augen hatte und hier noch gar nicht die jetzt folgenden Texteinheiten (37,17ff und 38,1—6) berücksichtigen konnte 147 . Die durch nachträgliche Verknüpfung von Jer 38,1—6 mit Jer 37, 11 — 16 entstandene Textfolge gab als solche zugleich die Veranlassung für die Abfassung und Einschaltung von Jer 37,17—21 1 4 8 : Ein späterer Bearbeiter verstand nämlich die ihm vorliegende Textfassung (Jer 37,11—16; 38,1—6) dahingehend, daß hier zunächst über einen ersten Aufenthalt des Propheten in der Zisterne im Hause Jonathans (Jer 37,16) und anschließend über eine weitere, zweite Gefangensetzung (Jer 38,1—6) berichtet wurde. Dieses naheliegende Mißverständnis war der Grund, den Bericht über eine dem Propheten gewährte Hafterleichterung (Befreiung aus der Haft im Hause Jonathans, Jer 37,17—21) zu erstellen und am jetzigen Ort unterzubringen149. Jer 37,17—21 ist reine Konstruktion 150 mit dem Ziel, nachträglich vermeintliche Ungereimtheiten der Abfolge Jer 37,11 — 16/38,1—6 auszuräumen. Der merkwürdige Aufbau und Charakter dieses Abschnitts sowie die oben aufgezeichneten Spannungen im Blick auf den jetzigen Kontext finden bei dieser Beurteilung eine m.E. einleuchtende und begründete Erklärung.

6. Jer

38,7-13

a) Inhalt Die Befreiung Jeremias Als der Pidastbedienstete Ebed Melech von der Lage des Propheten erfährt (V. 7), begibt er sich zum König, der sich am Benjamintor 147 Vgl. die Synopse im Anhang zur Stelle! 1 4 8 Siehe dazu oben S. 69. 1 4 9 Derselbe Bearbeiter ist zugleich für die jetzige Fassung des auffälligen Verses J e r 3 8 , 6 (vgl. dazu oben S. 73) verantwortlich. Dieser Vers lautet ursprüng-

lich: . . . t r a - p * -roai -nan-Vx mx l a ^ i ιπρη. Mit dem Zusatz m-oVa'

0 , ι ?3ΓΠ . . . wollte der Bearbeiter verdeutlichen, daß hier entsprechend seiner Auffassung eine andere Zisterne als in J e r 3 7 , 1 5 . 1 6 gemeint war. iso Der Verfasser dieser Verse konnte J e r 38,24—28 (vgl. besonders 3 7 , 2 0 und 3 8 , 2 6 ) auswerten.

Analyse

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aufhält (V. 8) und schildert ihm Jeremias lebensgefährliche Situation (V. 9). Vom König erhält er den Auftrag, zusammen mit drei weiteren Männern Jeremia aus der Zisterne zu befreien (V. 10). Ebed Melech besorgt sich im Palast die erforderlichen Stricke und läßt diese in die Zisterne zu Jeremia hinab (V. 11). Nachdem Jeremia den Anweisungen Ebed Melechs entsprechend (V. 12a) die Stricke an seinem Körper befestigt hat (V. 12b), kann man ihn aus der Zisterne herausziehen (V. 13a). Der Abschnitt endet mit der Bemerkung, daß sich Jeremia im Wachthof aufhält (V. 13b). b) Analyse V. 7 ist deutlich als Einleitung eines neuen Abschnitts gekennzeichnet. Denn es wird eine bisher unbekannte Person eingeführt ("j'iö'Tas? 1 5 1 und näher vorgestellt 152 . Außerdem folgt eine Information über den König ">5?P3 3tfV "J^Dm), aus der hervorgeht, daß sich die Situation inzwischen geändert hat 1 S 3 . Aus UPI154 "Ό . . . 5?»EH . . . nun- 1 ?« geht hervor, daß der Abschnitt 3 8 , 7 - 1 3 einen Bericht über Jeremias Einkerkerung in einer Zisterne ("1133") voraussetzt, bzw. an einen solchen Bericht anknüpfen will. Mit V. 8 beginnt die eigentliche Erzählung 155 . V. 9 als an den König gerichtete Rede des Ebed Melech ist durch V. 8b vorbereitet und die direkte Fortsetzung dieses Verses. L X X weicht in der Wiedergabe dieser Rede stark von M ab: Während nach M „diese Männer" vor dem König verklagt und beschuldigt werden, den Propheten ungerecht behandelt zu haben, trifft nach L X X dieser Vorwurf den König selbst. 151 Zu i V a - T S V vgl. KAI, Bd. I, S. 8, Nr. 3 5 , 3 ; S. 49, Nr. 2 5 3 , 2 ; im AT als Name sonst nicht belegt; s. aber "jVan "7357 2.Sam 18,29; 2.Kön 2 2 , 1 2 ; 25,8. 135? als Bestandteil eines Namens Dan 1,7 153 135? (verschrieben aus 133 . . . (?), vgl. Plöger, Komm. Dan., z.St.) u.ö. nur Dan! 152 o n t ) fehlt L X X ; zu 0 Ή 0 vgl. l.Kön 2 2 , 9 ; 2.Kön 8,6 u.ö. Die Notiz, daß Ebed Melech zum Palastpersonal gehört ( . . . P ' 3 3 Nim), ist für die folgenden Verse wichtig. V. 7 ( . . . Ν1Π1) bereitet V. 11 vor. Ferner findet so die Beauftragung durch den König das Verständnis des Lesers (V. 10). 153 Q¡ e inhaltliche Bedeutung dieser Notiz für die folgende Geschichte ist unklar (zum „Sitzen des Königs im T o r " vgl. 2.Sam 1 8 , 4 . 2 4 ; 19,9; l.Kön 2 2 , 1 0 ) ; jedenfalls hält der Verfasser eine Information über die Gründe des Aufenthalts des Königs im Benjamintor für unnötig. Immerhin fällt auf, daß hier der gleiche Ort eine Rolle spielt, an dem Jeremia früher einmal verhaftet worden war (Jer 37,1 Iff). I«4 Zu - r a n - 1 ? « ]P3 vgl. Gen 3 7 , 2 2 . 2 8 . 2 9 ; 4 0 , 1 5 ; 4 1 , 1 4 ; J e r 3 7 , 4 . 1 6 . 1 8 ; 20,2. 155 entspricht der Notiz in V. 7b. Ob mit oder ohne l ^ a n r·· 3Ώ kann nur bedeuten, daß die Unterredung mit dem König nicht im Palast stattfand (vgl. auch V. 11); L X X hat wahrscheinlich gekürzt.

78

Jeremia 38,7-13

Diese Darstellung der L X X ist jedoch deswegen wenig überzeugend, weil im folgenden die Antwort des Königs (auch nach L X X ) nirgends den Eindruck erweckt, als reagiere er auf eine gegen ihn gerichtete Beschuldigung156. Außerdem mag es wohl angehen, daß man einen Palastangehörigen, in welcher Position auch immer, den König über ein an Jeremia begangenes Unrecht informieren lassen kann; den König selbst jedoch in dieser Weise anzugreifen, (nach L X X ) steht vielleicht einem Propheten an oder sonst einer auch vom Leser schon akzeptierten Autorität, kaum jedoch einem bisher unbekannten Kuschiten. Die abweichende Lesart der L X X läßt sich so erklären, daß ein Bearbeiter (der hebräischen Vorlage oder der griechischen Übersetzung) einen Hinweis auf die Mitschuld und Verantwortlichkeit des Königs im Blick auf Jer 38,1—6 vermißte und dementsprechend umänderte. Folgerichtig mußte auch "D^wn'-HPX ns, das sich auf nVxn η·ΊΓ1ΝΠ bezieht, wegfallen. Aber auch die masoretische Fassung von V. 9 bereitet Schwierigkeiten 157 . Im Blick auf Jer 38,1—6 ist der Wortlaut dieses Verses so aufzufassen, daß Ebed Melech in Kenntnis der Situation Jeremias (V. 7) jene Männer einer ungerechten Handlung beschuldigt, denen der König den Propheten ausgeliefert hatte, obwohl er genau wußte, daß das Jeremias Liquidierung zur Folge haben mußte. Was Ebed Melech also dem König vorträgt, wäre demnach implizit zugleich Kritik am Verhalten des Königs und Feststellung seiner Mitschuld. Man steht folglich auch hier wieder (vgl. oben zur LXX-Fassung!) vor der Schwierigkeit, daß der Verfasser wider alle historische WahrVgl. Duhm, Komm. Jer., S. 303! Am wenigsten verdächtigt erscheint die Anrede "[bäH (fehlt L X X ) , so auch Giesebrecht, Komm. Jer., s. 205; nVxn D^JSn bezieht sich jetzt (vgl. Jer 38,16) offensichtlich auf Jer 38,1-6; la^tfn—ltfX ΠΝ (vgl. 38,6) erläuert . . . 1ÌPS7 ΠΝ. In der vorliegenden Fassung setzt V. 9 den Abschnitt 38,1—6 voraus. — . . . ΠΠ^Π Ό am Schluß des Verses ist ganz unangebracht; denn diese Bemerkung trifft gar nicht die besondere Situation des Propheten. Droht dem Propheten hier der Tod, weil es „kein Brot mehr in der Stadt gab", so konnte ihn davor auch nicht die Befreiung aus der Zisterne bewahren, da die Gefahr des Verhungerns für alle in der Stadt bestand. Ό . . . Onbn ist daher nachträglich, nachdem Jer 37,21 zu berücksichtigen war, in V. 9 eingedrungen und als unzutreffende Erläuterung zu streichen. Ob a s n n ' i s a (vgl. Gen 47,13) hinter νΠΠΓ f i a i ursprünglich ist oder nicht, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit entscheiden (vgl. Weiser, Komm. Jer., S. 337, Anm. 3; Rudolph, Komm. Jer., S. 240). Im folgenden wird jedenfalls nicht auf den „Hunger" Bezug genommen. Es sei denn, man versteht die Schilderung der vorsichtigen und behutsamen Befreiung Jeremias so, daß hier gezeigt werden soll, wie man die Folgen des Hungers beim Propheten zu berücksichtigen hatte, als man ihn aus der Zisterne herausholen wollte. 156

157

Analyse

79

scheinlichkeit und erzähltypische Darstellungsweise einen bisher nicht genannten Palastbediensteten überraschend gegen den König auftreten läßt, der im Benjamintor, also öffentlich auf eine ungerechte und gemeine Tat aufmerksam machen soll, an der der König selbst beteiligt und somit mitschuldig gewesen sein soll. Dazu kommt, daß im folgenden die Handlungsweise des Königs keineswegs so geschildert wird, als sei er mit einem Vorwurf dieser Art konfrontiert worden, da der Verfasser von V. 10 an den König durchaus nicht dem Bericht Jer 38,1—6 und der darauf bezugnehmenden Aussage in V. 9 entsprechend darstellt 158 . Mit interpretierenden und ausgleichenden Erklärungen, wie sie in den meisten Kommentaren üblich sind, lassen sich zwar die erkannten Spannungen beseitigen, aber ihre Entstehung nicht erklären. Wenn man sich darüber äußert, warum Ebed Melech gerade so handelt und spricht, wenn man außerdem zu wissen glaubt, was der König sich so alles gedacht habe, so muß man sich allerdings bewußt bleiben, daß es für all diese vorgebrachten Erwägungen keinerlei Anhaltspunkte im Text selbst gibt. Daß der Verfasser eben das ausdrücken, bzw. anklingen lassen wollte, was die historische Phantasie im Text 158

Die Ausführungen der Kommentare zu V. 9 zeigen, daß hier ähnliche Spannungen gesehen werden: Nach Duhm (Komm. Jer., S. 303f) hat Baruch folgende. Darstellung beabsichtigt: Es habe „sich Ebedmelek und wohl der ganze Harem die Sache so zurecht gelegt: es ist kein Brot mehr da, darum haben die Leute im Wachthof den Gefangenen, den sie ohnehin hassten, in die tiefe Grube geworfen, um ihm nichts mehr geben zu müssen. Der Harem weiß natürlich nichts von der Verhandlung zwischen Zedekia und den Beamten und deutet sich den beobachteten Vorgang in kindlicher Weise aus. Die köstliche Naivität der ursprünglichen Darstellung ist im MT wie in der LXX ganz verlorengegangen . . . " Zu V. 10: „Zedekia ordnet ohne weiteres an, den J e r aus seiner gefährlichen Lage zu befreien . . . So viel Autorität traut er sich noch zu, daß sich die Fürsten dem nicht widersetzen werden." — Volz Komm. Jer., S. 339): „Die Geschichte ist ein Beispiel, wie Sedekia sich von äußeren Einflüssen leiten ließ; er folgte den schlechten Menschen wie den guten, jenen mit Widerstreben, diesen mit froher Teilnahme. Eine solche niederträchtige Behandlung des alten Propheten griff ihm doch an das Herz." — Weiser (Komm. Jer., S. 339): „Ebedmelek meldet dem König das Geschehene und hält mit seinem freimütigen Urteil über die Schandtat nicht zurück. Offenbar kennt er seinen königlichen Herrn nach seinen guten und schlechten Seiten. Dieser ist denn auch sofort bereit, ein zweites Mal den Propheten aus seiner gefährlichen Lage zu befreien, an der er diesmal doch selbst indirekt mitschuldig geworden ist." — Rudolph (Komm. Jer., S. 240f): „Zedekia weiß offenbar von dem Vorgefallenen noch nichts . . . und es ist bezeichnend für seine leichte Beeinflußbarkeit und seine Abhängigkeit von äußeren Willensanstößen, daß er sofort bereit ist, Abhilfe zu schaffen und wiedergutzumachen, was er letztlich selbst angerichtet hat." Vgl. auch Kremers, EvTh, S. 134.

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Jeremía 3 8 , 7 - 1 3

wiederfinden will, läßt sich jedenfalls am Text selbst nicht verifizieren oder festmachen. Die oben aufgezeigten Brüche im Erzählungszusammenhang von J e r 38,1—13 sind keineswegs die Folge der literarischen Unfähigkeit eines Verfassers, der sich nicht in der Lage fühlte, all jenes zu fixieren, was der Leser oder Kommentator mittels historischer Phantasie sich zurecht legen muß, sondern das Ergebnis erst einer redaktionellen Bearbeitung einer vorgegebenen Erzählung. Denn kombiniert man die beiden Feststellungen, daß a) die Darstellung der Reaktion des Königs (in J e r 38,10) auch nicht die geringste Andeutung enthält, Zedekia habe in irgend einem Widerspruch zu seinem früheren Verhalten entschieden, und daß b) eine Geschichte, in der ein König von einem sonst unbekannten Palastbediensteten auf eine verabscheuungswürdige Tat, an der der König selbst beteiligt war, hingewiesen wird, in jeder Beziehung unwahrscheinlich und unglaubwürdig wirkt, so führt das zu dem Schluß, daß die jetzige Abfolge J e r 38,1—6/7—13 nicht ursprünglich sein kann. Die ganze Darstellung der Situation am Benjamintor ist nur verständlich und überzeugend, wenn sie ohne Kenntnis von J e r 38,1—6 zustande gekommen ist, bzw. bis dahin eine Verwicklung des Königs in die Machenschaften der ΟΉίΡ nicht zu berücksichtigen war. Der Verfasser von J e r 38,7—13 hat ursprünglich darstellen wollen, wie der König hier zum ersten Mal von der ungerechten Behandlung Jeremias Kenntnis erhielt. Dem entspricht das Auftreten Ebed Melechs vor dem König und die in V. 10 geschilderte Reaktion Zedekias. Zweifellos ist J e r 38,7—13 zu entnehmen, daß diesem Abschnitt eine Erzählung vorausgehen mußte, die darüber berichtete, wie es dazu kam, daß Jeremía in einer Zisterne untergebracht wurde. Es mag hier vorerst der Hinweis auf J e r 37,11 — 16 genügen, wo eine solche Darstellung vorliegt. Hier wird die (erste) Gefangensetzung Jeremias geschildert, die auf Anordnung lediglich der D'Ito, also ohne Wissen des Königs zustande kam 1 5 9 . Eine genaue Rekonstruktion des kritischen Verses 9 in seiner ursprünglichen Fassung dürfte kaum mehr möglich sein. Aufgrund der vorgetragenen Überlegungen sind wir nur zu der Annahme berechtigt, daß Ebed Melech hier lediglich den König über die gefährliche Situation des Propheten informiert. Da in den folgenden Versen vorausgesetzt ist, daß man sich Jeremia in einer Zisterne gefangen vorzustellen hat (vgl. J e r 38,10ff) und daß er in Todesgefahr schwebt, dürfte V. 9 Hinweise darauf enthalten haben. 159

Zu weiteren Einzelheiten vgl. unten S. 82f.

Analyse

81

In V. 10 ist wahrscheinlich dV?» nicht ursprünglich und in ntrVty zu ändern 16°. Daß diese Feststellung, der König habe jetzt sofort und entschlossen eine klare Entscheidung zugunsten Jeremias gefällt, sich nicht mit seiner in J e r 38,1—6 beschriebenen Verhaltensweise in Einklang bringen läßt, wurde oben schon angemerkt. Die Verse 11 —13a berichten über die Durchführung des königlichen Befehls. Daß Ebed Melech den Auftrag erhält, ist durch die Angaben zu seiner Person in V. 7 vorbereitet. Uber die Notiz in V. 10 hinausgehend, daß der Kuschit sich drei Männer „von hier" aussuchen soll, erfährt der Leser genaue Einzelheiten der Rettungsaktion. LXX hat besonders in V. 12 stark gekürzt, wahrscheinlich, um im Blick auf V. 11 die Wiederholung der technischen Ausdrücke zu vermeiden 1 6 1 . Die detaillierte Beschreibung des ganzen Vorgangs ist durchaus gelungen 162 . Man fragt sich allerdings, warum der Verfasser derartige Einzelhinweise für wichtig hält. Wollte er auf diese Weise dem Leser vor Augen malen, wie geschwächt und folglich dem Tode nahe (vgl. J e r 38,9 und 10) der Prophet gewesen sein muß, wenn man ihn nur mit dieser äußersten Vorsicht und Rücksichtnahme aus seiner Lage befreien konnte? In V. 13b kommt die Bemerkung, daß Jeremía sich im Wachthof aufhielt (vgl. J e r 37,21 und 38,28) nach der genauen Beschreibung, wie Ebed Melech vorgeht (V. 11 —13a), recht unvermittelt. Es fällt auf, daß hier plötzlich die genaue Schilderung der Rettungsmaßnahmen, mit denen man dem lebensgefährlichen Zustand des Propheten Rechnung trägt, abbricht. Denn da der Verfasser all die Details in den Versen 10—13a für offensichtlich wichtig hält, leuchtet es jetzt gar nicht ein, daß er auf weitere Angaben darüber verzichtet, wie man sich nach der Befreiung des Propheten auch um die weitere Verbesserung seiner gesundheitlichen Verfassung bemüht. War nämlich Jeremia in der Zisterne schon dem Tode nahe (Jer 38,9*. 10), so mußte man auch nach seiner Befreiung noch um sein Leben bangen. In diesem Zusammenhang ist auf J e r 37,21 zurückzuverweisen. 160 Vgl. schon Ewald, Die Propheten des Alten Bundes, Bd. 2, 1841, z.St. In der LXX fehlt ' P l a n und .Jeremía der Prophet"; zu Π1?» hi c. "113 vgl. Ps 4 0 , 3 ; Gen 37,28. 161 Außerdem ist eine gewisse Unsicherheit in der Wiedergabe der hebräischen Äquivalente (Hap.leg.) erkennbar, wenn neben παλαιά ράκη für ΓΠ3Π0Π ""iVs von παλαιά σχοινιά (fur QTlVa 'lVs) die Rede ist, da a\ou>iou sonst in der Regel nur zur Wiedergabe von V3H dient, „alte Stricke" sind zudem lebensgefährlich. 162 Vielleicht ist . . . m V s X ΠΠΠ Zusatz; vgl. Duhms Erwägungen (Komm. Jer., S. 304).

6 Pohlmann, Jeremiabuch

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Jeremia 3 8 , 7 - 1 3

Die Analyse von J e r 3 7 , 1 7 - 2 1 hat gezeigt, daß V. 21 als Abschluß dieses Abschnitts auffällig ist. Die hier gebotenen konkreten Einzelangaben, daß Jeremia täglich mit Brot versorgt wurde, und zwar aus der Bäckergasse, so lange es überhaupt noch Brot in der Stadt gab, haben am jetzigen Ort keinerlei F u n k t i o n ; um so merkwürdiger, daß solche Details in einem Abschnitt auftauchen, wo der Verfasser sonst viel wichtigere Informationen, wie z.B. den Gesprächsanlaß, verschweigt 163 . Im Blick auf diesen Sachverhalt bietet sich für die Entstehung des auffälligen Ubergangs von J e r 38,13a („Dann zogen sie Jeremia an den Stricken hoch und holten ihn aus der Zisterne heraus") und J e r 38,13b ( „ u n d Jeremia blieb im Wachthof") folgende Erklärung an: Die in J e r 37,21 wenig sinnvollen Einzelangaben waren ursprünglich hinter J e r 38,13a zu lesen. J e r 38,13 lautete also ursprünglich: „Dann zogen sie Jeremia an den Stricken hoch und holten ihn aus der Zisterne heraus. Und König Zedekia gab die Anweisung, daß man Jeremia im Wachthof unterbrachte, und ihm pro Tag einen Laib Brot aus der Bäckergasse zu geben, bis alles Brot aus der Stadt aufgezehrt war. So blieb Jeremia im Wachthof." Als der für J e r 37,17—21 verantwortliche Verfasser diese Verse über die von Zedekia dem Propheten zugestandene Hafterleichterung zusammenstellte, tilgte er aus der ihm vorliegenden Erzählung über Jeremias Befreiung aus der Zisterne (Jer 38,7 — 13) die abschließende Notiz (außer: . . . at^l), um sie in den Schlußvers seines Berichtes (V. 21) einzuarbeiten. Bei diesem Verfahren mag auch eine Rolle gespielt haben, daß der Verfasser und Interpolator von J e r 37,17—21 an diesen Bemerkungen über die fürsorglichen Anweisungen des Königs (vgl. J e r 38,10 . . . 7Π2Π) in J e r 38,13 Anstoß nahm, da hier das Vorgehen Zedekias im Blick auf seine in J e r 38,1—6 geschilderte Verhaltensweise als besonders widersprüchlich e m p f u n d e n werden konnte. c) Zusammenfassung

und

Ergebnisse

J e r 38,7 — 13 knüpft an Nachrichten über eine Gefangensetzung Jeremias in einer Zisterne an. Solche Nachrichten enthält nicht nur die vorausgehende Texteinheit J e r 38,1—6; auch J e r 37,11 — 16 berichtet schon einmal über eine Gefangennahme des Propheten u n d seine Unterbringung in einer Zisterne. 163

Zu weiteren Einzelheiten vgl. auch oben S. 68.

Zusammenfassung und Ergebnisse

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Die Analyse von J e r 38,7—13 ergibt, daß dieser Abschnitt nicht die Darstellung in Jer 38,1—6 voraussetzt oder weiterführt. Für die jetzige Abfolge Jer 38,1—6/7—13 kann von Jer 38,7—13 her betrachtet deswegen nicht ein und derselbe Verfasser in Anspruch genommen werden, weil deutlich die Beschreibung der Situation am Benjamintor, das Auftreten des Ebed Melech dem König gegenüber und das positive Verhalten Zedekias, dem direkt vorausgehenden Kontext (Verwicklung des Königs in die Machenschaften der •nip) in keinerlei Weise Rechnung trägt. Aus Aufbau und Darstellungsweise von Jer 38,7 — 13 ist zu entnehmen, daß der Verfasser hier darüber berichten will, wie der König zum ersten Mal von Jeremias lebensgefährlicher Lage in der Zisterne Kenntnis erhält und daraufhin spontan seine Freilassung anordnet 1 6 4 . Dieses Ergebnis bestätigt die oben vorgelegte Beurteilung der vorausgehenden Texteinheit Jer 38,1—6. Der Verfasser von J e r 38,7— 13 hat J e r 38,1—6 noch nicht vor Augen. Da die Abfassung von Jer 38,7—13 nur sinnvoll war, wenn zuvor eine Gefangensetzung des Propheten in einer Zisterne erwähnt worden ist, von einer solchen Zisterne als Gefängnis des Propheten auch in J e r 37,11 — 16 die Rede ist, zudem Jer 37,11—16 nach einer Fortsetzung verlangt und J e r 37,17—21 dafür nicht infrage kommt, liegt es nahe, Jer 37, 11 — 16 mit J e r 38,7 — 13 in Verbindung zu bringen. Diese Textfolge ist in der Tat überzeugend und als das Werk eines Verfassers ver- . ständlich: Jeremía wird bei dem Versuch, Jerusalem zu verlassen 165 , verhaftet. Auf Betreiben der DniP setzt man den Propheten im Hause Jonathans in einer Zisterne gefangen, wo er längere Zeit (D^T D,a·') aushalten muß (Jer 37,16). Da erfährt Ebed Melech, ein ausländischer Palastbediensteter, von der Situation Jeremias. Er begibt sich ans Benjamintor, wo sich der König aufhält, und informiert diesen, daß hier ein großes Unrecht geschieht und sich der Prophet in Lebensgefahr befindet. Der König ordnet daraufhin an, Jeremía sofort aus der Zisterne zu holen und ihn aus seiner gefährlichen Situation zu befreien, was auch geschieht. Einer weiteren Anweisung des Königs entsprechend wird Jeremía im Wachthof untergebracht und dort so gut wie möglich mit Lebensmitteln versorgt 166 .

164 Siehe oben S. 80f. 165 Mit einiger Wahrscheinlichkeit war zuvor von einem Gespräch zwischen Zedekia und dem Propheten berichtet worden. Textmaterial darüber dürfte noch in Jer 34,1—7 enthalten sein. Vgl. zu dieser These oben S. 62ff. 166 Jer 38,13 nach der oben rekonstruierten Fassung.

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Jeremía 3 8 , 1 4 - 2 8

7. Jer

38,14-28

a) Inhalt Zedekias (dritte) Befragung Jeremias V. 14 König Zedekia läßt den Propheten holen, um ihn zu befragen. Der Prophet möge ihm nichts verheimlichen. V. 15 Jeremias Befürchtung, daß der König ihn töten lassen werde, wenn er A u s k u n f t gebe, bzw. doch nicht auf seinen Rat hören werde, V. 16 entkräftet Zedekia, indem er bei J a h w e schwört, daß er Jeremía nicht umbringen lassen werde. V. 17 Daraufhin teilt der Prophet dem König ein Jahwewort mit: Wenn er die Stadt dem Feind übergebe, werde er sein Leben behalten, und die Stadt werde nicht verbrannt werden. V. 18 Im anderen Fall k ö n n e er weder die Stadt noch sich selbst retten. V. 19 Auf den Einwand des Königs, er befürchte Schlimmes von seinen Landsleuten, die schon zum Feind übergelaufen seien, V. 20 entgegnet der Prophet, daß er in dieser Hinsicht keine Angst zu haben brauche, falls er nur auf J a h w e s Stimme höre. V. 21 Sollte er sich jedoch weigern, werde das eintreffen, was Jeremia in einer von J a h w e gewährten Vision gesehen habe, V. 22 daß nämlich alle Frauen aus dem Königspalast zu den Fürsten des Königs von Babel herausgebracht wurden und ein Klagelied auf König Zedekia sangen, V. 23 und daß ebenso seine Frauen und Kinder zu den Chaldäern heraustransportiert wurden. Er aber, der König, werde sich nicht retten können, und die Stadt werde verbrannt werden. V. 24 Zedekia verlangt anschließend vom Propheten, daß er niemandem vom Inhalt dieser Unterhaltung Kenntnis gibt. V. 25 Wenn die Fürsten von diesem Gespräch erfahren sollten und ihn mit dem Versprechen, ihn nicht zu töten, zur Preisgabe des Inhalts der Unterredung zu bewegen versuchten, V. 26 möge er ihnen gegenüber die Ausrede anbringen, er, Jeremia, habe den König lediglich darum gebeten, nicht wieder im Hause J o n a t h a n s gefangen gehalten zu werden. V. 27 Als die Fürsten in der Tat auftauchen, handelt der Prophet entsprechend den Anweisungen des Königs. Niemand erfährt etwas. V. 28a Abschließend wird festgestellt, daß sich J e r e m i a bis zur Eroberung Jerusalems im Wachthof aufhält. b)

Analyse

Jer 38,14-23 Der durch die Angaben in V. 14a angedeutete Szenenwechsel (Ortsangaben) weist V. 14 als Einsatz oder Einleitung einer neuen Erzähl-

Analyse

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einheit aus 1 6 7 . Verknüpfungselemente im Blick auf den vorausgehenden Abschnitt sind in diesem V. 14 insofern erkennbar, als die in V. 14 genannten Personen (außer Ebed Melech) auch in J e r 38,7—13 eine Rolle spielten. Der jetzige Übergang von der Situation in V. 13 zu der in V. 14 ist jedoch nicht ohne Fugen. Jedenfalls ist die Herleitung der Gesprächssituation zwischen König und Prophet aus dem Bericht über die Rettung Jeremias und seinen Aufenthalt im Wachthof nicht klar 1 6 8 . Man erwartet Angaben darüber, welchen Anlaß der König hatte, ein Zusammentreffen mit dem Propheten zu suchen. Da allerdings Jer 38,13 ursprünglich 169 umfassender formuliert war und hier die inzwischen aussichtslose Lage Jerusalems mit der Notiz . . . anVri'bo an—is? . . . hervorgehoben wurde, sind diese Fugen erst auf die als später erkannten Eingriffe in J e r 38,13 zurückzuführen (Versetzung von T s n - p . . . - ^ a n rrum nach Jer 37,21!). Die ursprüngliche Fassung von J e r 38,13 enthielt also den Hinweis, daß die Stadt ohne Nahrungsmittel war. In dieser Situation wendet sich der König an den Propheten (Jer 38,14). V. 14b als an Jeremía gerichtete direkte Rede informiert über das Anliegen des Königs 170 . V. 15 kommt die Reaktion Jeremias („Wirst du micht nicht töten?") auf die Worte Zedekias überraschend. Man fragt sich, warum der Verfasser durch diese Äußerung Jeremias den König so darstellt, daß der Prophet von ihm das Schlimmste befürchten muß, obgleich nach J e r 38,7 — 13 derselbe Zedekia Jeremias Rettung vor dem sicheren Tode angeordnet hatte. Daß Jere167 Zum Text: Für . . . Πρ·Ί liest LXX και enäkeoev (vgl. so schon Jer 37,17 = LXX 44,17). Die Folge Hp-1! . . . nVttH ist ebenso gut möglich (vgl. Gen 20,2; 2.Sam 9,5; l.Kön 7,13) wie ΝΊρη . . . Π1?®-! (vgl. Gen 31,4; 41,8.14; Ex 9,27; Nu 16,12; Jos 24,9; l.Sam 22,11). Ferner fehlt in der LXX der Name des Königs und ,Jeremía der Prophet". Schwierig ist die genaue Angabe über den Ort des Zusammentreffens . .. N130 (LXX βίς οίκίαν ασελισηλ) ; zu Einzelheiten vgl. die Kommentare; Giesebrecht (Komm. Jer., S. 206f) und Duhm (Komm. Jer., S. 305) lesen Β ^ ϊ ί Π SUD „Eingang der Schalischim", d.h. „der Adjudanten" o.a.), Rudolph (Komm. Jer., S. 242), Volz (Komm. Jer., S. 339) und Weiser (Komm. Jer., S. 339) halten an M fest. Gemeint ist jedenfalls ein besonderer Treffpunkt. 168 Rudolph (Komm. Jer., S. 241): „Der König kommt innerlich von Jer und dem von ihm verkündeten Gotteswort nicht los und läßt ihn deshalb noch einmal zu einer geheimen Unterredung holen. Vielleicht hofft er wieder (vgl. bei Jer 37,17ff) auf ein günstiges Jahweorakel aufgrund der von ihm veranlaßten Rettung des Propheten ...". 169 S. dazu oben S. 82. 170 Zu vgl. 2.Sam 14,18 (2.Sam 3,13); l.Kön 2,14; vgl. auch Jer 37, 17. — "ΓΓΟΓΓ^Ν wird jeweils gebraucht, wenn unangenehme Auskünfte erwartet werden können (vgl. Jos 7,19; l.Sam 3,17.18 (!); 2.Sam 14,18.

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mia wie in V. 15 antwortet, könnte darauf hindeuten, daß hier auf J e r 38,1—6 angespielt werden soll, wo der König eine Garantie für Jeremias Leben nicht geben konnte oder wollte (vgl. J e r 38,1—6). Auch V. 16 die Antwort des Königs wird eine Anspielung auf diesen Abschnitt beabsichtigen; denn mit „diesen Männern" sind (wie in 38,9) offensichtlich Schephatja und Genossen gemeint. Die Verse 15—16 würden also 38,1—6 berücksichtigen uiid klarstellen, warum der König jetzt plötzlich Jeremias Auskünfte hinnimmt. An sich ist eine solche Äußerung Jeremias (V. 15) auch deswegen auffällig, weil aus der Formulierung . . . "ΤΠ3η--ι?Χ schon hervorgeht, daß der Fragende durchaus mit einer unangenehmen Auskunft rechnet ι η ι . Ferner ist zu beachten, daß die beiden Versteile in dieser Reihenfolge nicht gut zueinander passen 172 . Da sich die Verse 15 — 16 auf J e r 38,1—6 beziehen, ist hier mit einem späteren Nachtrag zu rechnen (nach Vorschaltung von 38,1—6!). Diese Entscheidung fußt nicht nur auf den Ergebnissen der Analyse von J e r 38,1—6.7—13, also darauf, daß eine Anspielung auf einen nachgetragenen Text (Jer 38,1—6) selbst ein Nachtrag sein muß. Innerhalb der Erzählung von 38,14—28 fallen diese Verse 15—16 schon deswegen auf, weil sie im Blick auf die folgende Unterredung (vgl. besonders V. 19ff) eine Rollenverschiebung vornehmen. Nach V. 19ff ist der König derjenige, der resignierend keinen Ausweg mehr sieht und für sich Schlimmes befürchtet, und der deswegen von Jeremía ermutigende Zusicherungen erhält ( . . . 1JIV Χ1? V. 19.20). Nach V. 15.16 sind die beiden Hauptpersonen in diesem Abschnitt jedoch genau umgekehrt charakterisiert. Am wenigsten verständlich erscheint der Stimmungsumschwung bei Jeremía, wenn er in V. 1 5 b 1 7 3 feststellt, daß der König doch nicht auf seinen Rat hören Vgl. Anm. 170! Das scheint auch Rudolph zu merken, wenn er im Kommentarteil (S. 2 4 1 ) den Text in der umgekehrten Reihenfolge paraphrasiert: „ . . . es ist zwecklos, daß sie miteinander reden, der König hört ja doch nicht auf seinen Rat, und wenn er ihm die Wahrheit sagt, gibt er ihn dem Tode preis". 1 7 3 Auch aus der Abfolge des V. 15 (a. . . . η1? T J X Ό und b. I S » 1 « O l ) ist ersichtlich, daß hier ein Bearbeiter am Werk ist. Die erste Vershälfte berücksichtigt 38,1—6. Sie wird in V. 16 vorausgesetzt und aufgenommen. Die Fortsetzung (b.) geht hinter die Aussagen von a. einen Schritt zurück (vgl. die Umstellung bei Rudolph; s. die vorige Anm.), ist also an sich an dieser Stelle nicht mehr nötig! Weis der Bearbeiter mit dieser Feststellung im Munde des Propheten beabsichtigt, ist deutlich: Der Prophet weiß nach seiner Vorstellung natürlich von vornherein, daß dem König nicht zu raten ist. Eine solche Vorwegnahme des Ausgangs der Erzählung stößt sich jedoch mit der weiteren Darstellung insofern, als die ausführliche Argumentation Jeremias dem König gegenüber nur verständlich ist, wenn nach Meinung des Verfassers dieser Verse eine positive Entscheidung Zedekias noch möglich war. 171

172

Analyse

87

wird, dann aber seine Redeweise im folgenden durch ihren drängenden Charakter ausgezeichnet ist, mit dem Ziel, den König zuüberzeugen. Alle diese aufgezeigten Spannungen werden erklärlich, wenn man davon ausgeht, daß V. 1 5 . 1 6 erst später eingeschaltet wurden, um den Abschnitt 3 8 , 1 4 — 2 8 auf 38,1—6 abzustimmen 1 7 4 . Die Verse 1 7 . 1 8 enthalten die eigentliche Auskunft Jeremias auf die Frage des Königs (V. 1 4 ) 1 7 5 . Die Antwort Jeremias in V. 17 ist durch die Botenformel als Jahwewort gekennzeichnet. Es handelt sich um eine an eine Bedingung geknüpfte Heilszusage 176 . Die Erfüllung der Bedingung 1 7 7 ist allein Sache des Königs. Entsprechend gilt zunächst die anschließende Heilszusage dem König, dann aber auch „dieser S t a d t " (η-itfíi Κ1? ηχτπ TS?m) 1 7 8 und abschließend wieder dem König und „seinem Hause". Auffällig ist besonders die Wiederholung in V. 1 7 b 1 7 9 . Da in V. 2 0 die Zusage an den König noch einmal auftaucht, hier jedoch nur das Schicksal Zedekias wichtig erscheint, dürfte eine solche dem König geltende Aussage in V. 17 in jedem Fall zum Originalbestand gehören. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Beantwortung der Frage, ob beide den König betreffende Bestandteile dieses Verses als ursprünglich festzuhalten sind, oder ob eine nachträgliche Erweiterung vorliegt und aus welchen Gründen dann eine solche vorgenommen wurde. Auf V. 1 7 b 1 8 0 wird man deswegen nicht allzu vorschnell verzichten, weil sich hiermit in V. 22 die Erwähnung „der Frauen, die übrig geblieben sind im Hause des Königs" zu berühren scheint 1 8 1 . V. 18 knüpft direkt an V. 17 an, indem j e t z t auf die Folgen verwiesen wird, die die Nichterfüllung der Bedingung für die Stadt (V. 18a) und den König haben wird 1 8 2 . An sich sind diese Aussagen implizit schon in V. 17 enthalten. Zum anderen fällt auf: Während V. 18 im Blick auf die folgende Darstellung hier lediglich als eine theore1 7 4 Daß durch V. 15.16 das Außerordentliche der Auskunft des Propheten vorbereitet werden soll (V. 17!), ist nicht anzunehmen. 1 7 5 L X X hat den kürzeren Text! 1 7 6 Vgl. J e r 4 2 , 1 0 ! S. dazu unten S. 129ff. 177 Zu Ν2Γ vgl. 2.Kön 2 4 , 1 2 ; 1 8 , 3 1 ; 7,4; l.Sam 11,3.10; zu V a a - ^ D nfc J e r 3 8 , 1 7 . 1 8 . 2 2 ; 39,3. 1 7 8 Zu . . . !ÍK3 η-lty vgl. J e r 2 1 , 1 0 ; 3 2 , 2 9 ; 3 4 , 2 . 2 2 ; 3 7 , 8 . 1 0 (39,8); 3 8 , 1 8 / 2 3 ; (52,13 = 2.Kön 2 5 , 9 ) ; der jeweilige Kontext all dieser Stellen gehört einer späteren Bearbeitungsschicht an. 179 Duhm hält V. 17b für einen Zusatz (Komm. Jer., S. 3 0 5 ) . 1 8 0 Zu „du und dein Haus" vgl. Gen 45,11 und Dtn 14,26! 181 Auch die Nähe der Formulierungen . . . Ή©' NS'' in V. 17 und . . . n f c r V x m x x w in V. 22 dürfte beabsichtigt sein. '82 Zu üVün-xVvgl. Jer 3 8 , 2 3 a (Ende); 3 2 , 4 ; 34,3.

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tische Erwägung aufzufassen ist, für die es noch gar keinen konkreten Grund gibt, wird in V. 21 noch einmal, und diesmal aufgrund der Reaktion des Königs (V. 19) aus einem konkreten Anlaß, die Frage behandelt, welche Folgen die Weigerung des Königs haben wird, die gestellte Bedingung zu erfüllen. Diese zweifache Erörterung der Folgen einer möglichen Weigerung Zedekias kann nicht ursprünglich sein. Da die Verse 20ff fest im Text verankert sind, ist V. 18 als ein V. 17 erweiternder Einschub einzustufen 183 . Das Verfahren erinnert an J e r 4 2 , 1 0 f f 1 8 4 . V. 19 berichtet über die Reaktion des Königs. Zedekia trägt seine Bedenken vor, die ihn hindern, die ihm gestellte Bedingung zu akzeptieren 185 . Der Hinweis auf „die Juden, die zu den Chaldäern übergelaufen sind" erinnert an den Vorwurf, dem sich Jeremía ausgesetzt sieht, als er Jerusalem durch das Benjamintor zu verlassen sucht ( t n f r a n Vn Vd: J e r 37,13.14). Die primären Gründe der Furcht vor diesen Überläufern 186 bleiben ungenannt. Das 11Π 187 "ΊΚ erfährt am Schluß des Verses eine inhaltliche Ergänzung (lWsrtfll V. 19 hat kompositions- und erzähltechnisch eine retardierende Aufgabe und ist für die folgenden Ausführungen des Propheten wichtig. V. 20a knüpft an das u n ]B von V. 19 an: Zedekias Bedenken werden zurückgewiesen ( . . . um Ν1?). V. 20b bezieht sich auf V. 17 und wiederholt die Heilszusage 189 . Die mit dieser bedingten Heilszusage implizit ausgesprochene Aufforderung an den König, sich den babylonischen Fürsten zu ergeben, wird in V. 21 insofern verstärkt, als jetzt dem König die Folgen einer 183 Vgl. Wanke, Baruchschrift, S. 130, Anm. 39, der, ohne auf Einzelheiten eingehen zu können, für V. 17f den Verdacht deuteronomistischer Bearbeitung äußert. Kremers, EvTh, S. 125, Anm. 8, streicht V. 17aßb.l8 (zusammen mit V. 23). Thiel, Diss., S. 559f, Anm. 1 wagt keine Entscheidung. 184 Vgl. dazu unten S. 129ff. iss Vgl. Jer 42,13f. 186 Die Bezeichnung D'TITT taucht auf Jer 32,12; 40,11.12; 41,3; 44,1 (43,9; 52,28.30). 187 Zu IXT siehe Jer 42,16; im Jeremiabuch nur an diesen beiden Stellen. 188 Zu hithp. vgl. besonders l.Sam 31,4(!); Ri 19,25 (Ex 10,2; l.Sam 6,6).

189 Zu T i n "iV nti"! Vgl. Gen 12,13! - V. 20b ist eine persönliche Heilszusage. Wenn das Schicksal Jerusalems hier nicht mitbedacht ist, so könnte das Ursache dafür sein, daß dieser Versteil nur auf die in V. 19 vorgebrachten Einwände reagiert und diese zerstreuen soll. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß Jerusalem sonst lediglich in dem m.E. nachgetragenen V. 18 und dem sicher sekundären V. 23 mit einbezogen wird. In V. 17 erschien immerhin die Stellung von . . . ΓΙΝΪΠ "PS?Π auffällig.

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Analyse

möglichen negativen Entscheidung ausgemalt werden. Daß der Prophet von Jahwe vorbereitet ist, auch die Auswirkungen einer Ablehnung des Angebots darzustellen (ΠΊΓΓ "ΊΝΊΠ Ί ϋ Ν ) 1 9 0 , erinnert gleichfalls an Jer 42,10ff (vgl. besonders V. 13!) 1 9 1 . V . 22a knüpft mit " ^ a rraa m w u n d ... Vaa ί ^ ώ 'Ito'Vx sicher absichtlich an V . 17 an. Eine Weigerung des Königs, auf die Bedingung der Heilszusage ( V . 17) einzugehen und sich freiwillig zu ergeben, wird ihn und „sein Haus" 1 9 2 gerade nicht retten, sondern vielmehr erst endgültig sein Schicksal besiegeln 193 . Während die Verse 2 0 - 2 2 (in jedem Fall V . 20; aber auch V. 21 schließt gut an!) nach V . 19 unbedingt erforderlich sind, ist V . 23 längst als eine wiederholende und explizierende Erweiterung von V . 22 erkannt 194 . Ein späterer Bearbeiter 195 vermißte hier die Erwähnung der Söhne des Königs 1 9 6 , ferner eine noch einmal verdeutlichende Feststellung, daß Zedekia sich nicht retten werde 1 9 7 , besonders aber die ausdrückliche Einbeziehung der vollkommenen Zerstörung Jerusalems 198 . Jer 3 8 , 2 4 - 2 8 Die Verse 24—28 behandeln ein anderes Thema als V . 14ff, sind also als eine eigene, wenn auch mit dem vorher Erzähltem verknüpfte Einheit anzusehen. Zur Frage, ob die jetzige Stellung dieses Abschnitts ursprünglich ist 199 , ist zunächst festzuhalten: a. 38,24—28 enthält zahlreiche zurückweisende Verknüpfungselemente 2 0 0 , aus denen hervorgeht, daß diese Verse ohne einen vorausgehenden Bericht nicht vorstellbar sind. Vorausgesetzt werden Nachrichten über eine Zusammenkunft zwischen Prophet und König und eine Wiedergabe 190 Z u

mrr

,

3 N i n c. T a i

Vgl. N u 2 3 , 3 ; E z . 1 1 , 2 5 ; J e r

24,1.

Hier durch eine Audiovision, Jer 42,1 Off Wiedergabe einer Audition. 192 Was mit der Bemerkung über die Frauen, „die übrig geblieben sind im Haus des Königs von Juda" gemeint ist, bleibt unklar. Vielleicht sollte damit an Jojakins Schicksal erinnert werden (vgl. 2.Kön 24,15), also daran, daß schon einmal eine ähnliche Situation gegeben war?! 193 Zu V. 22b und die verschiedenen möglichen Interpretationen dieser im Qina-Metrum abgefaßten Strophe vgl. die Kommentare. Wahrscheinlich ist für ly^üH doch hi zu lesen. 191

Vgl. die Kommentare! Jer 38,18 und 23 gehen m.E. auf ein und denselben Bearbeiter zurück. 196 Vgl. 2.Kön 25,7. 197 Vgl. Jer 34,3; 38,18; 52,9. 198 Vgl. dazu oben zu V. 17 und 18. 199 Vgl. Volz und Rudolph (jeweils Komm. Jer., zu 37,21). 200 Vgl. v . 2 4 n V s n - D " H a i a ; in V . 25 wird auf ein vorausgegangenes Gespräch zwischen Prophet und König angespielt. 194

195

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des Inhalts ihrer Unterredung (V. 24—25). V. 26 spielt an auf frühere Informationen über eine Gefangensetzung des Propheten im „Hause Jonathans" (vgl. 37,15.16). b. In J e r 3 8 , 1 4 - 2 2 sind zwar keinerlei direkt vorausweisenden Merkmale erkennbar, die eine Fortsetzung zwingend erwarten lassen. Nach V. 22 (23) könnte man lediglich Hinweise darüber vermissen, wie sich der König denn nun entschieden hat. Andererseits könnte der Autor das weitere Schicksal und Ergehen Zedekias als bekannt voraussetzen, so daß er sich durchaus Informationen darüber sparen konnte. Man muß sich jedoch fragen, ob im Blick auf das beim Leser durch die bisherige Schilderung geweckte Interesse am Schicksal des Propheten hinter J e r 3 8 , 2 2 ( 2 3 ) Mitteilungen darüber fehlen durften, was mit Jeremía nach Beendigung des Gesprächs geschah. Außerdem hat jetzt 38,24ff deutlich auch die Funktion, zu weiteren Berichten überzuleiten. Die direkte Fortsetzung mit J e r 3 9 , l * f f , wo schließlich über Jeremias Befreiung aus dem Wachthof informiert wird (V. 14), ist zumindest ohne 38,28a kaum denkbar. V. 28a allein wäre jedoch als Überleitung zwischen 3 8 , 2 2 ( 2 3 ) und J e r 39 allzu abrupt. Nimmt man all diese Gesichtspunkte zusammen, so besteht keinerlei Grund, die jetzige Abfolge 3 8 , 1 4 - 2 2 * ( 2 3 ) . 2 4 - 2 8 und 3 9 , l * f f in Frage zu stellen 2 0 1 . V. 24 bezieht sich mit . . . » T - V x E^K deutlich zurück auf 3 8 , 1 4 2 2 202 Zugleich werden die Verse 25ff vorbereitet. Da mit man xVi an die frühere Gefährdung Jeremias, wie sie in 38,7ff geschildert wird 2 0 3 , erinnert wird, warnt Zedekia den Propheten vor einer ähnlichen ihm jetzt erneut drohenden Gefahr. V. 25 spezifiziert das J7T_l7N und behandelt die offensichtliche Hauptschwierigkeit, den Gesprächsinhalt geheimzuhalten 204 . Zugleich wird die mit dem In der Tat sehen sich Volz und Rudolph (vgl. jeweils Komm.Jer., zu J e r 37,17—21) auch nicht durch die vorliegende Abfolge von J e r 38,7ff bis J e r 39, sondern allein mit Rücksicht auf J e r 37,17—21 (vgl. dazu oben S. 67) veranlaßt, eine Versetzung vorzunehmen. 2 0 2 Hinter Jer 37,21 wäre damit völlig unpassend auch die Bitte Jeremias mit einbezogen. Daß der wahre Gesprächsinhalt nicht nach außen dringen darf, leuchtet hier (Jer 38,24ff hinter J e r 38,14—23) ein, weil in diesem Gespräch (anders J e r 37,17ff) die Möglichkeit der Kapitulation erwogen worden ist (Jer 38,17ff). Bei Bekanntwerden der Position Jeremias hätte der König keine Möglichkeit mehr gehabt, den Propheten, der schon längst als Überläufer verdächtig war (vgl. J e r 3 7 , 1 5 ) , ein zweites Mal vor dem Zugriff der zu schlitzen, ja, Zedekia hätte sich selber dem Verdacht eines beabsichtigten Hochverrats ausgesetzt. 203 vgl. J e r 3 8 , 8 f . l 0 . 2 0 4 Zum Text vgl. BHS App. und die Kommentare. 201

Analyse

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man χ1?! angedeutete Gefahr für den Propheten konkretisiert. Sie geht, wie schon einmal, von den Ctir aus 2 0 5 . V. 26 enthält im Munde des Königs die Lösung des Problems. Die Antwort, die J e remía den D,"iffi erteilen soll, setzt einen Bericht über eine Inhaftierung Jeremias im „Hause Jonathans" sowie über seine dortige lebensgefährliche Situation (oti m»1?; vgl. J e r 38,7—13!) voraus. Während das D2> m»V hier nach J e r 38,7 — 13 am Platz ist, wird in 37,20 nicht deutlich, worauf sich das . . . DU? max «Vi konkret bezieht. Denn aus 3 7 , 1 5 f ist zunächst noch nicht ersichtlich, daß Jeremía in Lebensgefahr schwebt. Darüber informiert erst J e r 38, 7ff ( 3 8 , 1 - 6 ) . Daß in 38,26 das „Haus Jonathans" als der Ort erwähnt wird, vor dem dem Propheten am meisten graut, ist deswegen verwunderlich 2 0 6 , weil nach der Darstellung von J e r 38,7 — 13 für den Propheten gerade mit dem .zweiten' Aufenthalt in einer Zisterne eine besondere Gefahr für sein Leben verbunden war. Die Frage, warum hiermit auf die erste Gefangensetzung Jeremias — so die jetzige Textanordnung — angespielt und nicht auf J e r 38,7—13 Bezug genommen wird, was an sich viel näher gelegen hätte, erledigt sich jedoch, wenn sich, wie oben schon angedeutet, die Zisterne von J e r 38,7—13 eben im Haus Jonathans befindet, also der Aufenthaltsort des Propheten in J e r 38,7ff dem in J e r 3 7 , 1 5 f entspricht. Abgesehen davon, daß in den bisherigen Analysen von J e r 37,17—21 und 38,1—6 der Nachtragscharakter dieser Abschnitte nachgewiesen werden konnte, also 38,1—6 als nachträglich erläuternder Zusatzbericht zu 37,12—16, und 37,17—21 als noch späterer Einschub erkennbar wurden, spricht für diese Gleichsetzung auch schon J e r 37,16, wo das „Haus Jonathans" als das Gefängnis Jeremias außerdem durch . . . man ma spezifiziert worden ist. Die ΠΉίΡ von 3 8 , 2 5 f f (besonders V. 27) sind ursprünglich dieselben, die in 3 7 , 1 5 f Jeremias Unterbringung in der Zisterne im Hause Jonathans veranlaßt hatten. Ihnen gegenüber leuchtet die Auskunft Jeremias ein, er habe den König darum gebeten, nicht wieder an diesem Ort zurückgebracht zu werden. V. 27 setzt einen Szenenwechsel voraus. Die sind nach Meinung des Verfassers kaum im Beisein des Königs, also noch während des Zusammentreffens zwischen Prophet und König in Erschei205 Vgl. J e r 3 7 , 1 4 . 1 5 f (und 3 8 , 1 - 6 als spätere .Erläuterung' zu 3 7 , 1 1 - 1 6 ! ) . Während Zedekia Jeremía als Propheten befragte (38,14), geht es den ΠΉ® — so die Darstellung des Verfassers — lediglich darum, von Jeremía über den Wortlaut des zwischen König und Prophet stattgefundenen Gesprächs informiert zu werden. 206

S. dazu oben S. 75f.

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Jeremía 3 8 , 1 4 - 2 8

nung getreten. Aus V. 28 geht hervor, daß man sich die Szene im Wachthof vorstellen soll, wo Jeremia sich weiterhin aufhält, nachdem der Rat des Königs zum erwünschten Erfolg geführt hat (im Blick auf VT-bx V. 24) und die von den Dñfr drohende Gefahr abgewendet ist. Das MUÍAN "ISNN ITST ATFT in V. 28a deutet darauf hin, daß noch weitere Nachrichten über Jeremia zu erwarten sind. Die Verknüpfung mit dem folgenden ist zudem durch 39,14 (Ί^ΠΏ w a T T i N ΐπρη! m u a n ) sichergestellt. Dennoch ist zwischen J e r 38,28a und 2 8 b . 3 9 , I f f eine deutliche Schnittstelle. Während bis 38,28a Situationen vor der Einnahme Jerusalems behandelt wurden, informieren die in J e r 39—41 enthaltenen Berichte über die Lage nach der Eroberung Jerusalems 207 . c) Ergebnisse und

Folgerungen

J e r 3 8 , 1 4 - 2 8 besteht aus zwei Abschnitten ( 3 8 , 1 4 - 2 3 und 3 8 , 2 4 28), die eng miteinander verknüpft sind. Die Abtrennung von J e r 38,24—28 und Versetzung hinter J e r 37,21, wie sie von Volz und Rudolph vorgeschlagen wird, ist nicht gerechtfertigt. J e r 38,14ff ist direkte Fortsetzung von J e r 38,7—13. Die jetzt fehlenden Hinweise, aus welchem Anlaß der König auf ein Gespräch mit dem Propheten Wert legt, waren in einer früheren Fassung in J e r 38,13 enthalten. Aus 38,13 ging ursprünglich208 hervor, daß Jerusalem nicht mehr lange gehalten werden konnte, da die Versorgung der Stadt zusammengebrochen war. Das Gespräch zwischen König und Prophet ist nachträglich durch mehrere Zusätze erweitert worden. J e r 38,15—16 wurde im Blick auf J e r 38,1—6 eingeschaltet; J e r 38,18 ist ein Nachtrag zu 38,17, V. 23 zu 38,22. Der Verfasser von 38,14.17.19—22 will offensichtlich betonen, daß Jahwe bis zuletzt durch seinen Propheten die Möglichkeit angeboten hatte, der drohenden Katastrophe zu entgehen. Die an eine Bedingung geknüpfte Heilszusage (Jer 38,17) sowie die anschließende Erörterung der Folgen für den Fall, daß die Bedingung nicht eingehalten wird, erinnert an J e r 42,10.13. Festzuhalten ist ferner, daß an beiden Stellen (Jer 38,17ff und J e r 42,10ff) ein vorgegebener Zur Abgrenzung J e r 39,1—41,18 vgl. die Ausführungen zu 41,16—18! J e r 38,13 läßt sich mit Hilfe von Jer 37,21 rekonstruieren; vgl. dazu oben S. 8 1 f und S. 83.

207

208

Jer 3 9 , 1 - 4 0 , 6 - Aufbau und Inhalt

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Text in ähnlicher Weise erweitert worden ist (Jer 38,18 und 23; Jer 42,15.17f)209. J e r 38,24—28 lenkt den Blick wieder auf die besondere Situation des Propheten und dient zugleich als Verbindungsstück zum Folgenden (vgl. J e r 38,28a und J e r 39,14). Aus J e r 38,26 geht deutlich hervor, daß der Verfasser hier eine andere Abfolge als die jetzige (Jer 3 7 , 1 1 - 1 6 ; 3 7 , 1 7 - 2 1 ; 3 8 , 1 - 6 ; 38,7ff) voraussetzt. Daß er hier nicht auf J e r 3.8,1—6 (Jeremias zweite Gefangensetzung in einer Zisterne) eingeht, sondern auf die Gefangenschaft des Propheten im Hause J o n a t h a n s (Jer 37,15.16) anspielt und die damalige Situation als besonders gefährlich kennzeichnet (V. 26bß), leuchtet nur dann ein, wenn er die jetzige Darstellung J e r 38,1—6 (incl. J e r 37, 17—21) noch nicht vor Augen hatte, also nur die Textfolge J e r 37, 1 1 - 1 6 ; 3 8 , 7 - 1 3 ; 38,14ff kennt.

8. Jer 39,1-40, a) Aufbau

6

und Inhalt

J e r 39 ist längst als ein Produkt verschiedener Be- und Überarbeitungen b e k a n n t 2 1 0 . Die an J e r 38,28 anknüpfende Einleitung (V. 1) berichtet an dieser Stelle viel zu spät über Zeit und Umstände der Belagerung Jerusalems. V. 2 erwähnt den Zeitpunkt, zu dem die Belagerung zum Erfolg führte. Beide Verse entsprechen zum größten Teil J e r 52,4ff und 2.Kön 2 5 , I f f . Die Feststellung in V. 3, daß ,,alle Fürsten des Königs von Babel" auftraten und sich im ~|1ΓιΠ niederließen, taucht jetzt völlig zusammenhanglos auf, da die anschließenden Verse (V. 4f) darüber berichten, wie König Zedekia und sein Gefolge sich zur Flucht entschließen, und wie sie nach deren Mißlingen vor Nebukadnezar nach Ribla gebracht werden, damit sie dort abgeurteilt werden. Der Leser erfährt, daß die Söhne des Königs (vgl. J e r 38,23!) sowie die obersten Führer hingerichtet werden (V. 6), und daß Zedekia selbst geblendet und in Fesseln nach Babel verschleppt wird. Diese Verse wie auch die folgenden V. 8— 10 (Bericht über die Zerstörungen in Jerusalem V. 8, über die Verschleppungen V. 9, sowie über die Behandlung des Restbestandes der Bevölkerung durch den Babylonier Nebusaradan V. 10) haben wiederum ihre Parallelen in J e r 52 und 2.Kön 25. 209 210

Zu Jer 42,10ff vgl. unten S. 129ff. Vgl. schon Hitzig, Komm. Jer., S. 305ff.

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Jeremía 3 9 , 1 - 4 0 , 6

Erst in den Versen 11—14 steht Jeremía wiederum im Mittelpunkt: Nebukadnezar selbst ordnet an, daß der schon erwähnte Nebusaradan sich um den Propheten kümmern und sich nach dessen Anweisungen richten soll (V. l l f ) . V. 13 bringt nun den als ΟΤΠΒ'ΠΊ titulierten Nebusaradan und die in V. 3 zusammenhanglos erwähnten Q'IW zusammen. Diese lassen Jeremía aus dem Wachthof holen und geben ihm die Freiheit, „und er blieb unter dem Volk". J e r 39,1—14 zerfällt demnach in folgende Bestandteile: 39,1—2.4— 10 (Diese Verse entsprechen, wenn auch gekürzt, im wesentlichen J e r 5 2 , 4 - 1 6 und 2.Kön 2 5 , 1 - 1 2 ) und 39,3.14 (Notiz über die babylonischen in Jerusalem und die durch sie veranlaßte Befreiung Jeremias aus dem Wachthof) sowie 39,13 (als Verklammerung- und Überleitungsvers) 2 n . J e r 39,15—18 blendet zurück: Jeremía ist noch im Wachthof und erhält hier von Jahwe den Auftrag, dem Ebed Melech ein persönliches Heilswort auszurichten. Dieses Stück muß in irgendeinem primären oder sekundären Zusammenhang zu Jer 38,1—13, bzw. 38, 7 — 13, stehen, Es könnte im Blick auf den Fortgang der Erzählung an dieser Stelle ohne weiteres fehlen. J e r 4 0 , I f f enthält einen weiteren Bericht über eine Befreiung Jeremias. Diesmal ist es Nebusaradan allein, der den Propheten unter den für die Verbannung bestimmten Juden (in Rama) erkennt und ihn freiläßt. Der Babylonier stellt den Propheten nach einleitenden und belehrenden Worten vor die Wahl, entweder mit ihm nach Babel zu ziehen, wo für seine Zukunft gesorgt sein wird, oder aber im Lande zu bleiben, „wo immer es ihm gut dünkt". Jeremia entscheidet sich für die letzte Möglichkeit und gelangt zu Gedalja (V. 6). Zur Frage nach der Entstehungsgeschichte dieser äußerst verwickelten Textgestalt ist zunächst festzuhalten, daß J e r 39,1—14; 39,15—18 und 41,1—6 jetzt jeweils eine abgeschlossene Einheit darstellen. Die Hauptschwierigkeit, auf die mein stößt, ist die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Erzählungen, in denen über eine Freilassung Jeremias berichtet wird (Jer 3 9 , 1 - 1 4 , bzw. V. 3.14, und J e r 4 0 , 1 - 6 ) , zueinander stehen 2 1 2 . 211

Interessanterweise fehlen in der LXX die Verse 4—13. Im allgemeinen rechnet man mit einem Ausfall durch Homoioteleuton (vgl. Rudolph, Komm. Jer., S. 243). 212 Die Ansichten der bisherigen Forschung gehen in der Beurteilung dieses Sachverhalts weit auseinander. Vgl. hierzu die Kommentare sowie die ausführliche Darstellung der verschiedenen Thesen bei Wanke, Baruchschrift, S. 106, Anm. 10.

Analyse b)

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Analyse

Die Entstehung von J e r 3 9 , 1 — 14 Der den Abschnitt abschließende V. 14 knüpft mit der Feststellung der Befreiung J e r e m i a s aus dem W a c h t h o f an J e r 3 8 , 2 8 a an. Als handelndes S u b j e k t (PI.) können im jetzigen Zusammenhang nur die in V. 13 erwähnten Personen gemeint sein. Die gleichen Namen sind schon (außer Nebusaradan!) in V. 3 genannt. D a in V. 3 die Bemerkung über das Auftreten der babylonischen ΟΉΦ in der jetzigen Abfolge völlig unmotiviert ist, wenn nicht an eine spätere Fortsetzung gedacht war, eine solche andererseits mit dem gleichen S u b j e k t in V. 14 vorliegt, beziehen sich beide Verse aufeinander: d.h. V. 14 muß die ursprüngliche Fortsetzung von V. 3 s e i n 2 1 3 . Beide Verse berichten in knapper F o r m , wie nach der E i n n a h m e Jerusalems ( J e r 3 8 , 2 8 b ) mehrere namentlich genannte babylonische in Jerusalem eintreffen, sich im "ΙΊΓΙΠ Ί57Ρ niederlassen 2 1 4 und schließlich J e remía aus dem W a c h t h o f holen lassen, um den Propheten freizugeben215. Für J e r 3 9 , 1 4 stellt sich nicht nur die Frage nach dem Verhältnis zu J e r 4 0 , 6 , auch der T e x t ist, so wie er vorliegt, schwierig. Unklar ist, was mit rrarrVN mxsin 1 ? gemeint sein soll. Rudolph216, Weiser211 und Wanke218 berücksichtigen bei der R e k o n s t r u k t i o n dieses Versteils voreilig den folgenden Abschnitt J e r 4 0 , 1 - 6 und streichen im Blick darauf zunächst . . . " p irrVTl'Vx als unpassenden Z u s a t z 2 1 9 , um dann aus Ivan - 1 ?« mxsinV ein w a n ^ l "ΙΠΧ^ΙΠ1? zu k o n j i z i e r e n 2 2 0 . Die Behauptung, daß die Nennung Gedaljas hier ein Zusatz sei, ist j e d o c h nur möglich, wenn sich sicherstellen läßt, daß der zusetzende Bearbeiter J e r 4 0 , I f f im Auge hatte. D a die vorliegende Konstruktion . . . "13 'irr17"n"17X 1ΠΝ u m durchaus korrekt ist und zudem durchaus verständlich und sinnvoll erscheint, solange man den folgenden Abschnitt J e r 4 0 , I f f unberücksichtigt läßt, besteht also zunächst gar Zu den babylonischen Namen in V. 3 vgl. Rudolph, Komm. Jer., S. 244f. Duhm, Komm. Jer., S. 309: „nämlich zum Gericht und zur Ordnung der Dinge". 2 1 5 Bei dieser Darstellung mag durchaus eine Rolle gespielt haben, daß im Blick auf die Freilassung des Propheten durch die babylonischen ü'Hii'das Verhalten der jerusalemer ΠΉ1!? umso verwerflicher erscheinen mußte. Komm. Jer., S. 245. 217 Komm. Jer., S. 345. 218 Baruchschrift, S. 109f. 2 1 9 Siehe dazu auch unten S. 102. 2 2 0 So schon Rothstein, HSAT, z.St. — Siehe aber zu N13 und NX"1 (hi) in ähnlicher Konstruktion 2.Sam 5,2 (l.Chr 11,2); Nu 27,17. 213 214

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Jeremía 3 9 , 1 - 4 0 , 6

kein Anlaß, hier einen Zusatz nach J e r 40,5.6 zu postulieren. Somit bleibt irmm 1 ? abhängig von . . . "inx u m . Duhm hält an diesem Text fest und nimmt einen terminus technicus an: „jemanden ,herausführen ins Haus' bedeutet: ihm Freiheit und Bürgerrecht zurückgeben" 2 2 1 . Mir scheint es jedoch wahrscheinlicher, daß das schwierige ΓΡ2Π"1?« durch die Verschreibung eines ursprünglichen W31? innsinV 2 2 2 entstanden ist: Der Prophet kam zu Gadalja, damit jener ihn nach Hause herausbringen konnte. Dazu paßt das abs c h l i e ß e n d e DS?n " p m 3ΒΓΙ.

Auf die Frage, wo und ob nach der ursprünglichen Weiterführung von J e r 39,14 zu suchen ist 2 2 3 , ist später einzugehen 2 2 4 . Die beiden V. 3 und 14 wurde durch die nachträgliche Einschaltung von J e r 39,4—12 22s auseinandergerissen. V. 13 dient jetzt mit der Wiederaufnahme der Namen aus V. 3 und der Erwähnung des Nebusaradan (V. 9ff) dazu, eine Verbindung zwischen dem Auftreten Nebusaradans und dem der D"1"^ herzustellen. Im Blick auf J e r 39,4—12 ist zu fragen, ob diese Einschaltung in einem Zuge vorgenommen wurde, oder ob verschiedene Hände daran beteiligt waren 2 2 6 . Die Interpolation der Verse 4—10 auch ohne die jetzt folgenden Verse 11.12 wäre durchaus vorstellbar. Die Aufnahme von V. l l f , ohne daß die Verse 4—10 schon vorausgesetzt werden konnten, ist nicht denkbar. Zunächst wird man klären müssen, zu welchem Zweck hier die aus Jer 52/2.Kön 25 stammenden Nachrichten aufgenommen wurden. Sicherlich sollte auf diese Weise auch der geschichtliche Hintergrund des knappen Berichts über die Freilassung Jeremias nach der Einnahme der Stadt (Jer 38,28b.39.3.14) aufgezeigt werden 2 2 7 . Doch 221

Duhm, Komm. Jer., S. 312; Giesebrecht, Komm. Jer., S. 210, übersetzt: „ . . . ihn nach Hause herauszuführen". 222 Gemeint ist Jeremias Haus. ΙΓΡΠ1? ist eventuell später mit Gedalja in Verbindung gebracht worden; jedenfalls hat der Verfasser von 40,5.6 die Vorstellung, daß Jeremía bei Gedalja wohne (V. 5 WN 3ITI und V. 6 ΪΠΝ 3ttH). 223 Die Nennung Gedaljas fuhrt auf Jer 40,7ff (Jer 40,6 entspricht 39,14); die Schlußnotiz DVH "]1ΓΙ3 2ÜH könnte auf Jer 42 vorausverweisen, wo Jeremía nach langer Unterbrechung (Jer 40,7—41,16 spielt der Prophet überhaupt keine Rolle!) wieder auftaucht. 224 Jer 39,15—18 behandeln ein ganz anderes Thema; vgl. dazu unten S. 99ff. 225 Wahrscheinlich wurden im gleichen Arbeitsvorgang auch die Verse 39,1—2 mitaufgenommen. 226 Wje oben schon angemerkt, entsprechen Jer 39,4—10 sowie V. 1.2 im wesentlichen, wenn auch stark gekürzt Jer 52,4—11.13—16 (= 2.Kön 25,1—7*. 9-12). 227 So Wanke, Baruchschrift, S. 107.

Analyse

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erklärt dieses Anliegen nicht, daß die Verklammerung der aus J e r 52/2.Kön 25 entnommenen Verse 2 2 8 gerade so und nicht anders vorgenommen werden mußte. An sich wäre nämlich eine Einschaltung zwischen J e r 39,2 und 3 viel geschickter gewesen, also die Abfolge 39,2.4*—8, anschließend 39,3.14, sodann 3 9 , 9 - 1 0 . 2 2 9 ( 1 1 12 usf.). Da in diesem Fall jedoch Nebusaradan nicht mit der Aktion zur Befreiung Jeremias (39,14) in Verbindung zu bringen war, ist die Textfassung, wie sie jetzt vorliegt, daruf zurückzuführen, daß es dem Bearbeiter hier gerade um den Nachweis ging, daß auch Nebusaradan an der Befreiungsaktion beteiligt war. Einen vorgegebenen Bericht (Jer 38,28b; 39,3.14) über die Befreiung Jeremias derart zu erweitern, daß in dem darin genannten Kreis der ante jetzt auch der aus Jer 52/2.Kön bekannte Nebusaradan aufgenommen, also an der geschilderten Aktion beteiligt wird, erscheint wiederum nur dann sinnvoll und erforderlich, wenn dem Bearbeiter die Einbeziehung Nebusaradans gerade hier wichtig war, bzw. wenn es sonst gar keine andere Möglichkeit gab, ihn ins Spiel zu bringen. Daraus ist zu folgern, daß der Bearbeiter keinerlei Kenntnis von .Nachrichten" oder anderweitig überlieferten Erzählungen gehabt haben kann, in denen Nebusaradan Jeremias Freilassung veranlaßt. Die öfter vertretene These 2 3 0 , daß ein zweiter, unabhängig existierender Bericht über Jeremias Befreiung in Rama durch Nebusaradan (Jer 4 0 , I f f ) den für den jetzigen Text von Jer 39 verantwortlichen Bearbeiter veranlaßt habe, das Kapitel 39 in die vorliegende Fassung zu bringen, leuchtet daher nicht ein. Wenn aber ein unabhängig existierender Bericht (wie etwa Jer 40, I f f ) 2 3 1 nicht die Ursache gewesen sein kann, neben den in V. 3 genannten ante auch den Nebusaradan noch anzuführen, so hat man zu fragen, welches Ziel der Bearbeiter überhaupt mit seiner Kompilation verfolgen wollte. Denn daß es ihm nur darum ging, die Namen der ante um einen weiteren zu vermehren, ist unwahrscheinlich. Sein Vorgehen ist nur sinnvoll, wenn er die Person gerade des Nebusaradan benutzen wollte, noch weitere Bemerkungen mit dem Thema 228

Daß 2.Kön 25/Jer 52 von Jer 39 abhängig sind, ist nicht denkbar. In diesem Fall wäre es nicht einmal nötig gewesen, die chronologischen Angaben aus 2.Kön 25/Jer 52 zu unterschlagen, weil diese Textfolge ohne chronologische Differenzen ausgekommen wäre (gegen Wanke, ebd. S. 107). 230 Vgl. Thiel, Diss., S. 5 6 6 f f ; Wanke, ebd., S. 108f, der Jer 39,1 l f und 4 0 , 1 - 6 für eine „Legendenbildung der exilischen Zeit (hält), vielleicht aus deuteronomistischen Kreisen . . w o b e i nicht ausgeschlossen ist, daß diese an historisches Geschehen anknüpfte" (S. 109). 231 Vgl. dazu unten S. lOOff. 229

7 Pohlmann, Jeremiabuch

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Jeremía 3 9 , 1 - 4 0 , 6

„Befreiung Jeremias" zu verknüpfen, und zu zeigen, wie wichtig die Gestalt des Jeremia selbst dem babylonischen König war. In J e r 39,11.12 schildert er nämlich, daß sich Nebukadnezar persönlich mit dem Schicksal des Propheten befaßt, und im direkten Anschluß an die aus 2.Kön 25/Jer 52 stammende Erwähnung Nebusaradans läßt er diesem den königlichen Auftrag erteilen (V. 11), sich um Jeremia zu kümmern 2 3 2 . Während nun einerseits aus der in 39,13.14 konstruierten Beteiligung Nebusaradans zu folgern war, daß eine solch mühsam erreichte Verknüpfung nicht einsichtig wäre, wenn an anderer Stelle (z.B. J e r 4 0 , I f f ) oder auch sonst anderweitig existierend ein Bericht über Nebusaradans rettendes Handeln an Jeremia vorausgesetzt werden konnte oder bekannt war, daß also J e r 39,13—14 keinesfalls im Blick auf J e r 40, Iff abgefaßt worden sein kann, so ist andererseits nicht zu übersehen, daß die Verse 39,11—12 deutlich auf J e r 40, 2—6 vorausweisen. Es liegen nicht nur unübersehbare Verknüpfungselemente zwischen 39,12 ("O233 . . . I1? i r s r r h w vVv D ^ y r s i unp . . . - d t -itttes ox) und 40,4 ( . . . Τ*757 T s r n « ctoni) vor; auch die Verse 39,11.12 selbst lassen im folgenden eine ausführlichere Beschreibung erwarten, als sie zunächst in 39,13f enthalten ist, nämlich wie Nebusaradan dem von Nebukadnezar ihm erteilten Befehl nachkommt. Da also J e r 4 0 , I f f als Bericht über eine zweite Freilassung des Propheten durch Nebusaradan allein, diesmal in Rama, nicht die Voraussetzung für das literarische Vorgehen des für J e r 39,3—14 verantwortlichen Bearbeiters gewesen sein kann, zugleich jedoch die Verse 39,11.12 auf J e r 40,2—6 vorausweisen, bzw. Teile aus Jer 40,2ff an J e r 39,11.12 anknüpfen, liegt die Vermutung nahe, daß J e r 4 0 , I f f in einer früheren Fassung gar keine Notiz über eine erneute Freilassung Jeremias in Rama enthielt, sondern ursprünglich als die von J e r 39,11.12 zu erwartende Fortsetzung konzipiert worden war. Allgemein anerkannt ist, daß der jetzige Einleitungsvers (Jer 40,1), der das folgende als Befreiungsaktion in Rama vorprägt, nicht mehr in seiner ursprünglichen Fassung erhalten sein kann, sondern vielmehr auf redaktionelle Gestaltung zurückgehen muß 2 3 4 . 232

Überlegungen, ob eine solche Anordnung durch Nebukadnezar historisch sein kann oder nicht, bleiben rein spekulativ (vgl. Wanke, Baruchschrift, S. 109; Thiel, Diss., S. 566). 233 Dem . . . ~Ι3Τ "ItPND DK Ό scheint in Jer 40,5f zu entsprechen, daß Nebusaradan dem Propheten anbietet, sich zwischen zwei Möglichkeiten zu entscheiden. 234 vgl. Wanke, Baruchschrift, S. 110; Thiel, Diss., S. 566f.

Analyse

99

Jer 39,15-18/40,1-6 Die Schwierigkeit, daß Jer 40,1—6 durch den jetzigen Einleitungsvers „den Anstrich einer selbständigen Einheit" erhält 2 3 5 , läßt sich m.E. nur im Zusammenhang mit der Beurteilung von Jer 39,15—18 lösen. Dieses Heilswort 2 3 6 an Ebed Melech zerstört jetzt deutlich aufgrund seiner Stellung die durch die in Jer 40,2ff enthaltenen Verknüpfungselemente erkennbare und belegte Verbindung zwischen 4 0 , 1 - 6 und 39,1 I f f . Daß der den vorliegenden Text 3 9 , 1 - 1 4 mit seinen Verbindungslinien zu 40,2ff konstruierende Bearbeiter dieses Stück (Jer 3 9 , 1 5 - 1 8 ) in seiner Vorlage (also Jer 38,28b; 39,3.14; 39,15—18) schon zu berücksichtigen hatte, ist deswegen weniger wahrscheinlich als die Annahme einer noch späteren Interpolation zwischen 39,1 — 14 und 4 0 , I f f , weil dann wiederum gar nicht einzusehen ist, warum in diesem Fall der Bearbeiter zu einer derart konfusen Kompilation gezwungen war, wie sie vorliegt. Für eine spätere Einschaltung von 39,15—18 in die schon vorgegebene Komposition 39,1—14; 4 0 , I f f spricht ferner, daß diese Verse (besonders V. 17) hier nach einer genaueren Schilderung der Gefahren für die Bewohnerschaft Jerusalems und Judas (vgl. 39,8—10) verständlicher sind, ills nach einem lediglich knappen Bericht über Jeremias Befreiung durch die babylonischen nnc? (39,3.14) 237 . Daß Jer 39,15—18 von dem für 39,1 — 14; 4 0 , I f f verantwortlichen Bearbeiter selbst hier eingeschaltet wurde, halte ich für ganz abwegig 238 . Geht man folglich davon aus, daß durch die nachträgliche Interpolation von Jer 39,15 — 18 die ursprüngliche Weiterführung von 39,1—14 durch 4 0 , I f f unterbrochen worden ist, so wird man die Entstehung der auffälligen Textfassung von J e r 40,1 mit diesem Interpolationsvorgang in Verbindung zu bringen haben. Hier stellt sich die Frage, ob der Interpolator bei der Abfassung von 40,1 auf einen vorgegebenen Text zurückgreifen konnte, oder ob er diesen Vers selbst formuliert hat, so daß es sich erübrigt, nach der Originalfassung zu suchen. 235

Thiel, Diss., S. 569. Sofern man in 39,15—18 einen älteren Kern zu erkennen meint (Thiel, Diss., S. 565) oder diese Verse überhaupt für echt hält (Rudolph, Komm. Jer., S. 249; unsicher Giesebrecht, Komm. Jer., S. 211), erwägt man als ursprünglichen Kontext Jer 38 (Thiel hinter 38,13; ebenso Rudolph; Giesebrecht hinter 38,28a). Duhm hält dieses Stück für ein „Produkt des Ergänzers" (Komm. Jer., S. 312); für Wanke (Baruchschrift, S. 112) handelt es sich „kaum" um ein originales Jeremiawort. Ähnlich Wanke, Baruchschrift, S. 112, Anm. 19. 238 Gegen Thiel, Diss., S. 561.563ff. 236

100

Jeremía 3 9 , 1 - 4 0 , 6

Die Formel . . . Vx ΓΓΠ"Ι1ΡΧ -imn 2 3 9 in 40,1 berücksichtigt nicht, daß im folgenden gar kein an Jeremia ergangenes Jahwewort mitgeteilt wird. Daß dieser Versteil ( . . . "ltPN " m n ) jetzt als generelle Überschrift zu Jer 40—45 (oder Jer 40—43) zu werten sei 240 , leuchtet nicht ein; denn erst in Jer 42,10 ist von der Mitteilung eines Jahwewortes durch Jeremia die Rede. Jeremia selbst spielt im größten Teil der folgenden Berichte überhaupt keine Rolle 241 . Somit gestaltet der Interpolator von 39,15—18 mit . . . Γ Γ Π - ΐ ϋ Χ 1 3 1 Π die erforderlich gewordene neue Einleitung zu den folgenden Versen 40,2—6, da eine direkte Fortsetzung im Erzählstil nicht gut möglich war. Die Weiterführung der Formel . . . ΓΡΠ""Ι1Ρ°Ν n a m mit ... nVtf "inΝ ist allerdings auf die folgende Darstellung insofern nicht abgestimmt, als diese eben gar nichts mehr an Bemerkungen über die Zeit „nach" der Entlassung (n1?®) bzw. „Wegschickung" aus Rama enthält 242 . Außerdem greifen diese Worte dem . . . inripa voraus. . . . ΙΠΠρα wiederum nimmt V. 2a vorweg 243 . Mehr als dieser verworrene Aufbau ist vorerst nicht zu erkennen. Versucht man von der folgenden Erzählung aus auf eine mögliche Originalfassung von Jer 40,1 zurückzuschließen, so stößt man hier zunächst auf die Schwierigkeit, daß auch die Verse 2—6 stark überarbeitet sind. A m wenigsten problematisch ist noch die Rede des Nebusaradan in V. 2—3244. ΠΚΤΠ Π1ΠΠ setzt konkrete Bemerkungen über das, was „diesem O r t " widerfahren ist, voraus, bezieht sich also auf die Darstellung der jetzt auf 39,3 folgenden Verse 39,4— 10. Diese Worte (V. 2b.3) im Munde des Babyloniers haben die Funktion, die Handlungsweise Nebusaradans verständlich zu machen. Der für sie zuständige Verfasser bemüht sich, — wohl auch im Blick auf 39,11.12 — die Fürsorge der Babylonier für den Propheten damit zu erklären, daß Nebukadnezar und Nebusaradan die jeremianische Verkündigung kannten und von ihrer Richtigkeit überzeugt waren. Die Hauptprobleme beginnen mit V. 4 2 4 5 . Nach M konstatiert NeVgl. Jer 7,1; 18,1; 21,1; (25,1) 30,1; 32,1; 34,1; 34,8; 44,1 (46,13). Vgl. z.B. Giesebrecht, Komm. Jer., S. 212; Weiser, Komm. Jer., S. 350; Rudolph, Komm. Jer., S. 227; Wanke, Baruchschrift, S. 108, Anm. 12. So mit Thiel, Diss., S. 569ff. 2 4 2 In Jer 34,8 ist das . . . ΉΓΙΝ sachgemäß. 243 Z u D,pTX vgl. 40,4.-40,lb/3 scheint an 39,9 anzuknüpfen. 2 4 4 L X X hat den kürzeren Text. — Z u Einzelheiten vgl. die Kommentare; ferner Wanke, Baruchschrift, S. 105. ms Die L X X liest lediglich -ρ 1 ?» "^»"ΤΙΚ D W I . . . "primiD Π3Π (ohne DVn hinter ΤΤίΠΠΒ). 239

240

Analyse

101

busaradan die Befreiung Jeremias von seinen Fesseln 2 4 6 , um ihm anschließend freizustellen, mit ihm und unter seiner Obhut nach Babel zu ziehen oder (V. 4a/3) auch nicht; das ganze Land stehe ihm offen (V. 4 b ) ; er könne auch zu Gedalja zurückkehren (31®) und bei diesem bleiben oder überallhin ziehen, wohin es ihm gut dünke (V. 5a). Deutlich nimmt V. 4bß die zweite Hälfte von V. 5 a vorweg. Es liegt also eine nachträgliche Erweiterung vor, d i e 2 4 7 zugleich auch die Ursache für den völlig verderbten, jedenfalls jetzt unverständlichen Versanfang von V. 5 . . . 1Π1Ϊ1 2 4 8 gewe1 sen sein dürfte. War aitf"·-« ? i m » ! originaler Bestandteil der Rede Nebusaradans 2 4 9 , so ist davon auszugehen, daß diese Worte sich entweder auf J e r e m í a bezogen, also die 2. Person enthielten, oder aber eine Selbstaussage Nebusaradans in der 1. Person darstellten. Unter Berücksichtigung des vorliegenden Konsonantenbestandes scheint mir letzteres wahrscheinlicher. Im Blick auf den K o n t e x t (vgl. V. 4 -pnnriB und . . . D,iPKl) liegt dann folgende Rekonstruktion nahe: 3WX X 1 ? 2 5 0 r u r r n s n " 1 („aber hierher werde ich nicht zurückkehren!"). Diese Feststellung im Munde Nebusaradans paßt m.E. nach V. 4 a hervorragend, nachdem hier der Verfasser den Babylonier dem Propheten die Zusage geben läßt, für ihn zu sorgen, wenn er mit nach Babel zieht. Falls J e r e m í a jedoch bleiben Im Blick auf den jetzigen Einleitungsvers (40,1) liegt hier der Koinzidenzfall vor, d.h. Ί Τ Π Γ δ drückt hier zugleich mit dem Aussprechen die gleichzeitig vorgenommene Freilassung Jeremias aus (vgl. auch DVn). Da jedoch ΠΤΤΙ nicht ursprünglich sein muß (vgl. LXX!), ist andererseits, wenn man den schwierigen und strittigen V. 1 unberücksichtigt läßt, auch die Übersetzung möglich: „Und nun, siehe, ich habe dich von deinen Fesseln (damals) befreit; wenn . . . " . In diesem Fall kann "ρηΠΓΐΒ auf Jer 39,13.14 (Freilassung Jeremias durch die babylonischen ΠΉΦ, von denen Nebusaradan in V. 13 an erster Stelle genannt wird!) zurückverweisen. Π3Π mit folgendem Perf. im Sinne eines Rückverweises begegnet z.B. Jos 22,11; l.Sam 12,1; 2.Sam 3,24; 14,32; 18,10. 247 V. 4ba erinnert an Gen 13,9; 21,5! - Die Textfassung der LXX wirkt geschlossener, könnte demnach den älteren Text bewahrt haben. Eine mögliche Kürzung läßt sich jedoch nicht mit Sicherheit ausschließen. 248 Rudolph (Komm. Jer., S. 246) und Wanke (Baruchschrift, S. 105) schließen sich der Textkonstruktion von Volz (Komm. Jer., S. 346) an, der in V. 4 . . . *1ΒΓΠ-1?ί). - Das jetzige . . . 13T15J1 dürfte nach der Auffüllung von V. 4b (s. dazu unten Anm. 253!) zustande gekommen sein; vielleicht hängt diese Leseart auch mit der Kenntnis und Anwendung ähnlicher Aussagen wie Jer 22,10.11.27; 44,14 zusammen. 246

102

Jeremía 3 9 , 1 - 4 0 , 6

möchte, ist für Nebusaradan der Befehl seines Königs (vgl. Jer 39, l l f ) gegenstandslos geworden (daher: . . . :312>'x nV mn - 't»V).

Daran anschließend konnte der Verfasser dieser Verse Nebusaradan den Propheten auffordern lassen, sich zurück zu Gedalja zu begeben, oder wohin sonst es ihm beliebe. Da kein Anlaß besteht, 31tP mit „kehre um und geh" zu übersetzen 252 , da auch die Abfolge der Aufforderung, als erstes und betont den Aufenthalt bei Gedalja in den Blick zu rücken und anschließend erst auf andere Möglichkeiten zu verweisen, bestätigt, daß mit . . . 31® an eine Rückkehr wieder zu Gedalja und nicht an eine erste Kontaktaufnahme zwischen Jeremía und diesem gedacht ist 253 , setzt V. 5 einen früheren Aufenthalt Jeremias bei Gedalja voraus. Davon war in der Tat schon in Jer 39,14 die Rede! So wird auch klar, warum sich V. 6 die Notiz, wie Jeremia zu Gedalja nach Mizpa gelangt, sehr eng mit Jer 39,14 (zweite Hälfte) 2 5 4 berührt und wie eine Wiederholung bzw. Wiederaufnahme wirkt. Jer 39,14 1Π,Ι?"τ:τ1?Ν ist kein nachträglich eingedrungener Zusatz 255 , der Jer 40,1—6 schon voraussetzt. Da 40,5 im Blick auf 39,14 an eine Rückkehr wieder zu Gedalja denkt 256 , kann der Verfasser in V. 6 die vorgegebenen Formulierungen aus 39,14 wieder aufnehmen und ergänzen, um die ältere Verknüpfung zum Folgenden, den Berichten über Gedalja in Mizpa, wiederherzustellen.

252

Gegen Rudolph,

Komm. Jer., S. 246. - Vgl. zu 310 c. Vx z.B. Nu 23,5.

16! 253

Diesen Eindruck, als handle es sich hier um eine erste Kontaktaufnahme, versucht die Einschaltung von V. 4b jetzt zu erwecken, die ja im wesentlichen V. 5aß entspricht. Die jetzige Textfassung von V. 4 hängt damit zusammen, daß nach der Meinung des hier zuständigen Bearbeiters Nebusaradan den Propheten nicht zur Rückkehr wieder zu Gedalja aufgefordert haben kann, berücksichtigt also Jer 40,1. Wahrscheinlich ist sogar in 40,1 und V. 4b dieselbe bearbeitende Hand am Werk gewesen (vgl. dazu unten die Zusammenfassung!). Durch 40,4b soll das vorgegebene eindeutige Vx 31t!? als nur eine von mehreren Möglichkeiten umgedeutet werden. 254 Duhm (Komm. Jer., S. 312) hält „V. 14b für eine Vorwegnahme von 40,6, der wahren Forsetzung von 39,14a"; zu Rudolph und Wanke siehe oben S. 95. 255 Die These, hier liege eine Vorwegnahme (Duhm) von 40,6 oder ein Zusatz (Rudolph „wegen 40,6") vor, ist eine reine Verlegenheitsauskunft, solange sich nicht aufdecken läßt, was sich der für eine solche nachträgliche Einschaltung aus J e r 40,5f verantwortliche Bearbeiter dabei gedacht hat, oder welches Motiv ihn dazu veranlaßt. 256 Der Aufbau von V. 5 deutet daraufhin, daß der Verfasser für Jeremia eine Entscheidungssituation konstruiert, wiewohl seine Darstellung nur mit der Notiz enden konnte, daß sich Jeremia schließlich bei Gedalja aufhielt!

Analyse

103

In 4 0 , 5 . 6 ist j e t z t die Formulierung DS?n -jinn 1ΠΝ atfl (bzw. a2H

. . . m s 2 5 7 ) auffällig. Aus 3 9 , 1 4 ging hervor, daß Jeremía freigelassen wurde und sich schließlich, nachdem die babylonischen ihn an Gedalja übergeben hatten 2 5 8 , „unter dem Volk" aufhielt ( . . . D5?n "]ΊΠ3 aiih). Der für 40,5.6 zuständige Verfasser hat demnach 3 9 , 1 4 modifiziert und aus den vorgegebenen Nachrichten einen Aufenthalt Jeremias „bei Gedalja unter dem V o l k " 2 5 9 kombiniert. Ihm war offensichtlich daran gelegen, auf diese Weise die Person des Propheten deutlicher in die Nähe des Gedalja zu rücken, so daß der Leser jetzt davon auszugehen hat, Jeremía sei bei den folgenden, in J e r 40,7—41,18 berichteten Ereignissen immer zugegen gewesen, obwohl der Prophet in den folgenden Abschnitten überhaupt nicht in Erscheinung tritt und an keiner Stelle seine Gegenwart während der geschilderten Begebenheiten vorausgesetzt, bzw. nirgends auf einen Aufenthalt Jeremias in Gedaljas Nähe, also in Mizpa, Bezug genommen wird 2 6 0 . Als Ergebnis der Analyse von J e r 4 0 , ( l ) 2 6 1 (2—6) kann festgehalten werden: Da sich . . . T s r n x QWl in V. 4a auf J e r 39,12 zurückbezieht, soll hier zusammen mit dem vorausgehenden . . . "pnnna 262 (V. 4aa), das auf 39,13.14 zurückverweist, herausgearbeitet werden, daß Nebusaradan dem Befehl seines Königs nachgekommen ist (39,11 — 12) und sich fürsorglich um den Propheten auch nach seiner Freilassung gekümmert hat. Der für J e r 40,2—6 zuständige Verfasser berücksichtigt Nachrichten über eine frühere Begegnung Jeremias mit Gedalja (40,5 . . . msñ! — vgl. 39,14). Von einer leichten Modifikation 2 6 3 abgesehen, stellt er am Schluß seiner Darstellung die in 39,14 vorgegebene Situation wieder her. Es war also nicht seine Absicht, über weitere historische Ereignisse und Begebenheiten zu informieren. Ihm lag lediglich an einer genaueren Beschreibung der dem Propheten gegenüber positiven Einstellung der Babylonier. 257 £ ) a s Fehlen von 1ΠΚ in der L X X ist darauf zurückzuführen, daß diese Formulierung zusammen mit dem folgenden Dl?n "|1ΠΠ in der Tat recht merkwürdig klingt. Vgl. dazu oben S. 95f. Der Hinweis, daß Jeremía „zu Gedalja nach Mizpa k a m " (40,6 Anfang) in Verbindung mit dem folgenden f 1 X 3 . . . 1ΠΧ ΠΕΓΙ spiegelt deutlich die Vorstellung des Verfassers wieder, daß sich „das Volk, das übrig geblieben war im L a n d " insgesamt in Mizpa versammelt hatte. 2 6 0 Das geschieht erst in J e r 4 3 , 6 ! Zu J e r 42 vgl. unten S. 123ff. Vgl. dazu unten S. 104f. 2 6 2 Zu . . . ΤΤΠΓΒ siehe oben S. 101. 263 Vgl. dazu oben! 258

259

104

Jeremía 3 9 , 1 - 4 0 , 6

Im Blick auf J e r 4 0 , 1 ist aus all dem zu folgern: Aus dem oben nachgewiesenen Kompositionszusammenhang J e r 3 8 , 2 8 b ; 39,1—14; 4 0 , 2 f f 264 fällt der jetzige Einleitungsvers zu J e r 4 0 , 2 f f nicht nur formal (vgl. . . . Ί3"ΓΠ), sondern auch inhaltlich 2 6 5 heraus, wenn hier mitgeteilt wird, daß Nebusaradan den Propheten in R a m a 2 6 6 , gefesselt, unter den für die Verbannung nach Babel bestimmten J u däern antrifft. War o b e n 2 6 7 schon festgestellt worden, daß J e r 4 0 , 1 in der vorliegenden Fassung auf den Interpolator zurückgeht, der J e r 39,15—18 zwischen J e r 3 9 , 1 4 und 4 0 , 2 f f eingeschaltet hat, so können wir j e t z t hinzufügen, daß der Interpolator bei der Abfassung des Überleitungsverses 4 0 , 1 keinerlei ältere, in dem ihm vorgegebenen Erzählzusammenhang enthaltene Notizen über Jeremias Situation nach seiner Freilassung durch Nebusaradan und die übrigen babylonischen D'IP ausgewertet haben kann. Bevor die Frage zu klären ist, auf welche Weise der Interpolator zu den jetzt in 4 0 , 1 enthaltenen Aussagen kommt, ist zunächst noch darauf aufmerksam zu machen, daß 4 0 , 1 in seiner jetzigen Textgestalt reichlich überfüllt 2 6 8 erscheint. Der jetzige Aufbau dieses Verses kann so nicht von einer Hand 2 6 9 stammen. Denn die Anmerkung . . . Kim hinkt in der jetzigen Stellung nach und wird von dem vorausgehenden . . . nbtP 1ΠΝ weit überholt 2 7 0 . Muß man daher eine Vorform des jetzigen Textes postulieren, so liegt es nahe, anzunehmen, daß nach dem Einschub von 39,15—18 als Überleitung zu 4 0 , 2 f f in V. 1 lediglich apiari . . . a n o x 2 7 1 «im mrr nu» . . . i m i m n Π*?33 ursprünglich war. Diese Textfassung ist allerdings erst das Ergebnis der Bearbeitung einer älteren Vorlage. 2 6 5 Die Kommentare (vgl. z.B. Weiser und Rudolph, jeweils z.St.) versuchen im Blick auf J e r 4 0 , 1 und die darin enthaltenen Angaben mit Vermutungen weiterzukommen. 2 6 6 Da mit Hin D l p a r r ' í X . . . (V. 2) Jerusalem gemeint ist, diese Formulierung im Munde Nebusaradans aber nur sinnvoll ist, solange man sich vorstellen kann, daß er sich in Jerusalem oder in unmittelbarer Nähe davon aufhält, steht die Ortsangabe „in Rama" in V. 1 hierzu im Widerspruch. 2 6 7 Siehe dazu oben S. 100. 2 « Zu . . . n a m mit folgendem ηΠΧ c. Verb vgl. J e r 3 4 , 8 ; . . . "Ι3ΤΠ mit 3 und folgendem Infinitiv vgl. J e r 2 1 , 1 ; ( 4 5 , 1 ) ; zu . . . "itfX Τ31Π mit folgendem Nominalsatz (durch 1 eingeleitet) vgl. J e r 34,1 (32,1.2). 2 6 9 Man fragt sich, warum in diesem Fall der Bearbeiter nicht besser konstruier264

te: n¡ri p m m i

nVna . . . D'pma -nox-xim mrr ruw . . . i m -ιττπ

. . . VVN - i » m (2) n a n 3 in« . 2 7 0 . . . Π1?^ "ΊΠΝ ist im Blick auf die folgende Darstellung unsachgemäß! Vgl. dazu oben S. 100. 2 7 1 Zu dieser Formulierung vgl. Hiob 36,8.

Zusammenfassung und Ergebnisse

105

Für die Entstehung dieser Vorform des jetzigen Verses 40,1 war ausschlaggebend, daß der Interpolator in 40,2ff von einem Zusammentreffen Jeremias mit dem für die Exilierung zuständigen Beamten Nebusaradan (vgl. J e r 39,9f) las, der den Propheten nach Babel mitzunehmen bereit ist, also nach J e r 40,2ff gerade mit der Durchführung der Exilierung b e f a ß t ist. Da man in späterer Zeit (vgl. die chronistische Auffassung) allgemein der Ansicht war, daß nach der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar im wesentlichen alle Jerusalemer und J u d ä e r exiliert worden sind, scheint der Interpolator die Notiz in J e r 39,14 „und Jeremía blieb unter dem V o l k " mit J e r 40, 2ff kombiniert u n d so aufgefaßt zu haben, als sei damit Jeremias Aufenthalt unter den für die Verbannung bestimmten Volksgenossen gemeint (daher in J e r 40,1 nVri-Vs l'ina). Das . . . ΎΙΟΧ-ΝΙΠΙ beruht auf einem Mißverständnis von J e r 40,4. Der Verfasser von 40,1 legte die in V. 4 vorgegebene Formulierung . . . ^ n n n s , die sich ursprünglich auf J e r 39,13.14 — Jeremias Entlassung aus dem Wachthof — zurückbeziehen will 2 7 2 , so aus, als sei damit gemeint, Nebusaradan habe den Propheten gefesselt unter der ΠΎΐίΓ m1?) vorgefunden und befreit. Gegenüber dieser T e x t f o r m , die als Ort des Geschehens an Jerusalem oder Jerusalems Nähe denken läßt (vgl. 40,2 Ende D1pan_l?N ΠΤΠ), wird durch die noch spätere Einschaltung von . . . ~)ΠΝ die ganze Angelegenheit nach R a m a 2 7 3 verlegt. Der Grund dafür war offensichtlich, daß 40,5 nicht mehr als A u f f o r d e r u n g zur Rückkehr wieder zu Gedalja einleuchtete, bzw. als A u f f o r d e r u n g zur Rückkehr wieder in judäisches Gebiet mißverstanden wurde. c) Zusammenfassung

und

Ergebnisse

Die oben vorgelegten Analysen ergeben zur Entstehungsgeschichte von J e r 3 9 , 1 - 4 0 , 6 : Erkennbar ist ein älterer G r u n d t e x t J e r 38,28b; 39,3.14*, der im Anschluß an J e r 38,7—28* 2 7 4 über die Freilassung Jeremias aus dem Wachthof berichtete, und dessen Fortsetzung in J e r 40,7—Jer 41 oder darin enthaltenen Teilstücken vorliegen muß. Dieser Text wurde unter Verwendung von Nachrichten, die auch in J e r 52 und 2.Kon 25 enthalten sind, derart umgestaltet (Einschal272 273 274

Siehe dazu oben S. 101. Zum Ortsnamen Rama vgl. Jer 31,15. Vgl. zu Jer 3 8 , 7 - 2 8 die Analyse oben S. 77ff.

106

Jeremía 3 9 , 1 - 4 0 , 6

tung von Jer 39,1.2 und 4—10), daß nun darüber zu lesen ist, wie der für die Deportation zuständige Nebusaradan (vgl. 39,9f) sich im Auftrag Nebukadnezars um den Propheten Jeremía kümmern (39,1 lf) soll und daraufhin bei der Befreiung Jeremias eine führende Rolle spielt 275 . Darauf folgte der konstruierte „Bericht" 276 , wie Nebusaradan, bevor er nach Babel zurückkehrte, den Propheten noch einmal zu sich rufen ließ (Jer 40,2 277 ), um ihm mit dem Hinweis auf die von ihm veranlaßte Befreiung (40,4) auch weiteren Schutz zuzusagen, falls er mit ihm nach Babel ziehe (Jer 3 9 , 1 - 1 4 ; 4 0 , 2 - 6 2 7 8 a ) . Im ursprünglichen Text (Jer 38,28b; 39,3.14*) wird lediglich Jerusalems Einnahme sowie die durch babylonische trito (ohne Nebusaradan) veranlaßte Freilassung Jeremias konstatiert. Der Verfasser legt also hier keinerlei Wert auf die Mitteilung weiterer Einzelheiten. Nicht das Schicksal derer, die in die Hände der Babylonier fielen, das Los der für die Verbannung Bestimmten, das Verhalten der Babylonier, die unmittelbaren Folgen für Jerusalem usw., sondern die nach der Einnahme Jerusalems folgenden Ereignisse im Lande scheinen den Verfasser in erster Linie zu interessieren. Denn Jer 38, 28b; 39,3.14 ist in dieser Kürze nur sinnvoll, wenn eine Weiterführung beabsichtigt ist, diese Verse also als notwendiges Zwischenstück im Blick auf die jetzt anschließenden Erzählungen (Jer 40,7ff) oder Teile davon konzipiert wurden, in denen über die weitere Entwicklung im Lande berichtet wird. Dagegen legt der Jer 38,28b; 39,3.14 umgestaltende Bearbeiter großen Wert auf die Nachrichten über die weittragenden Folgen der Eroberung Jerusalems, über das Schicksal des Königshauses und der Stadt (39,4—8) und der judäischen Bevölkerung (39,9f). Die mit diesen Informationen verknüpfte Darstellung auch des Ergehens des Propheten Jeremía, d.h. seiner Behandlung durch die Babylonier, hat schließlich zur Folge, daß der Leser den Eindruck haben muß, die judäische Bevölkerung sei bis auf den geringen Rest unter Gedalja in Mizpa (Jer 40,6), wo sich auch Jeremía aufhält, im wesentlichen exiliert worden (vgl. 39,9f). Im Blick auf diesen Sachverhalt liegt es nahe, den für die Erstellung der Textfolge Jer 39,1—14; 275

Jer 39,13 nennt jetzt Nebusaradan an erster Stelle der babylonischen ΟΉΒ. Kremers (EvTh, S. 132) spricht hier von einer ,jüngere(n) Prophetenlegende" (39,11.12; 40,1—6), rechnet also dementsprechend nicht damit, daß der Interpolator dieser Verse auch deren Verfasser war. 277 In Jer 40,2 könnte ein Π171Γ'Ί (nach der Vorschaltung von 40,1; vgl. dazu oben S. 104f) weggefallen sein (siehe Jer 38,14 Π ¡TV . . . n^ttn). 278a j n (j er oben rekonstruierten Textfassung! 276

Zusammenfassung und Ergebnisse

107

40,2—6 verantwortlichen Bearbeiter mit jener golaorientierten Redaktion in Verbindung zu bringen, der, wie wir an J e r 24 zeigen konnten, die Vorrangstellung der babylonischen Gola ein besonderes Anliegen w a r 2 7 8 b . Daß der Verfasser besonders die zuvorkommende Behandlung des Propheten durch die Babylonier herausstellt (39,1 l f ; 40,2ff) und eine Situation konstruiert, in der der Prophet vor der Wahl stand, mit nach Babel zu ziehen oder im Lande zu bleiben, hängt wohl damit zusammen, daß jetzt das Verhalten der judäischen Beamten um so verwerflicher erscheint (vgl. J e r 37—38) — die Babylonier sind besser als die eigenen Volksgenossen in J u d a —, zum anderen deutet die Aufforderung an Jeremía, mit nach Babel zu ziehen, d.h. die Tatsache, daß der Verfasser von 40,2ff eine solche Möglichkeit für Jeremía in Erwägung zieht, daraufhin, daß ihn die Frage bewegte, warum der Prophet überhaupt im Lande zurückgeblieben war. Die uns jetzt vorliegende Textfassung (Jer 39,1—14.15—18; 40,1—6) kam zustande, als Jer 39,15—18 nachträglich zwischen J e r 39,1—14 und J e r 40,2—6 eingeschaltet wurden und dabei J e r 40,2—6 als nun selbständige Einheit mit einer Einleitung (= J e r 40,1) versehen werden mußte. Dabei mißverstand der Interpolator von J e r 39,15—18 (zugleich der Verfasser von J e r 40,1) die ihm vorgegebene Textfolge J e r 39,1—14; 40,2—6. Die Notiz, daß sich Jeremía nach seiner Freilassung (39,14a) unter dem Volk aufhielt (39,14b), ferner die Erwähnung des für die Deportation zuständigen Beamten (vgl. 39,9f a v n o - a - i ) Nebusaradan in 40,2ff (trrnö-a"i), sowie die Worte dieses Nebusaradan (40,4f), in denen von einer Freilassung Jeremias die Rede ist, ließen den Interpolator kombinieren, der Prophet habe sich nach seiner Befreiung aus dem Wachthof (14a) unter dem Volk aufgehalten (14b), das von dem in 40,2ff erwähnten Nebusaradan in die Verbannung geführt werden sollte, und 40,2ff berichte nun darüber, wie Jeremía ein zweites Mal seine Freiheit erhielt. Die Textgestalt von 4 0 , l 2 7 9 enthält also keinerlei historisch wertvolles Material. Sie ist das Ergebnis von Überlegungen, die der Verfasser von 40,1 im Blick auf den vorgegebenen Textzusammenhang (vor der Einschaltung von 39,15—18) anstellte, und denen er bei der Abfassung dieses Verses Rechnung trug. 27g

b Zu Einzelheiten vgl. oben S. 29. jer 40,1 lautete ursprünglich: . . . 3 ΎΙ0Χ-ΝΊΠ1 ΠΙΠ" ΠΚ» . . . UTK -|3ΠΠ' nVaa D^jan. Dieser Text wurde später noch einmal erweitert (Π1?® 1ΠΝ· ΊΠΝ ..).

279

108

Jeremía 4 0 , 7 - 4 1 , 1 8 9. Jer

a)

40,7-41,18

Inhalt

Jer 40,7-12 Im Anschluß an die Bemerkung, daß sich Jeremía bei Gedalja in Mizpa aufhält (Jer 40,6), erfährt der Leser in J e r 40,7—9 im wesentlichen mit den gleichen Worten wie in 2.Kön 25,22—24, daß sich mehrere namentlich genannte judäische Heerführer bei Gedalja in Mizpa einfinden, als sie erfahren haben, daß dieser von den Babyloniern zum Statthalter eingesetzt worden ist. Gedalja fordert sie auf, im Lande zu bleiben und garantiert ihnen, daß sie von den Babyloniern nichts zu befürchten haben, sofern sie sich den neuen Oberherren gegenüber loyal verhalten (V. 9). Über 2.Kön 25,22ff hinausgehend stellt Gedalja in V. 10 fest, daß er in Mizpa seine Aufgaben und Pflichten gegenüber den Babyloniern wahrzunehmen hat; die Heerführer sollen sich um die einzubringende Ernte kümmern und sich in ihren Ortschaften aufhalten. Auch die folgenden Verse haben in 2.Kön 25 keine Parallele: Die unter den Nachbarvölkern zerstreuten Juden, die von der Situation in Mizpa Kenntnis erhalten, kehren nach J u d a zurück und beginnen mit der Erntezeit (Jer 40,12). Jer 40,13-16 Der schon einmal erwähnte Jöchanan ben Koreach (vgl. V. 8) kommt zusammen mit seinen Männern und allen Heerführern nach Mizpa (V. 13). Sie warnen Gedalja vor einem Mordanschlag, den Ismael (V. 8) im Auftrag des ammonitischen Königs Baalis plane (V. 14). Gedalj a schlägt diese Warnung in den Wind und läßt sich auch nicht auf den vertraulichen Vorschlag Jochanans ein, diesen Ismael heimlich zu beseitigen, um auf diese Weise größeres Unheil vom „Rest J u d a s " abzuwenden (V. 15—16). J e r 41,1—3 schildern die Ermordung Gedaljas: Der schon erwähnte Ismael (40,8,14.15.16) erscheint mit seinen Leuten in Mizpa (V. la). Bei oder nach einem gemeinsamen Essen (V. l b ) mit Gedalja wird dieser erschlagen (V. 2), ebenso alle in Mizpa anwesenden Juden und Chaldäer. Jer 41,4-10 Einen Tag nach Gedaljas Ermordung kommen achtzig Pilger aus Sichern, Silo und Samaria, die auf dem Weg nach Jerusalem sind, an Mizpa vorbei. Ismael geht ihnen entgegen und lockt sie mit der

Analyse

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A u f f o r d e r u n g zu einer Z u s a m m e n k u n f t mit Gedalja in die Stadt, um sie d o r t in der Nähe eines Brunnens niederzumetzeln. Zehn von diesen Leuten können sich dadurch retten, daß sie auf von ihnen versteckte Lebensmittelvorräte verweisen (V. 8). V. 9 enthält eine den Handlungsablauf unterbrechende Notiz über den Brunnen, in den Ismael die Leichen der Erschlagenen warf. Nach seiner Untat versucht Ismael mit dem Rest der Bewohner Mizpas sowie den Gedalja anvertrauten Königstöchtern ammonitisches Gebiet zu erreichen. Jer 41,11-18 J e r 41,1 I f f n i m m t einen Szenenwechsel vor. J o c h a n a n ben Koreach erhält von den schlimmen Ereignissen in Mizpa Nachricht und macht sich zusammen mit seinen Leuten zum Kampf gegen Ismael auf. Bei „den großen Wassern zu G i b e o n " stoßen beide G r u p p e n aufeinander. Bevor es zu einer Auseinandersetzung k o m m t , läuft der größte Teil der Leute, die sich bei Ismael befanden, zu J o c h a n a n über (V. 13—14). Ismael selbst kann sich mit nur wenigen Männern absetzen und begibt sich zu den Ammonitern (V. 15). J o c h a n a n und seine Heerführer ziehen mit „dem ganzen Rest der Leute Ismaels . . . " in die Gegend von Bethlehem, von wo aus sie aus Furcht vor den Chaldäern die Auswanderung nach Ägypten planen (Jer 41,16—18).

b)

Analysen

Die vorliegende Textfassung J e r 40,1—41,18 ist nicht aus einem Guß. Das wird zunächst am deutlichsten bei 40,7—41,3. 4 0 , 7 - 9 (vgl. 2.Kön 25,23f) berichten, wie sich ΓΠ&3 ... nür^a, an ihrer Spitze Ismael ben Nethanja und J o c h a n a n ben Koreach, zu Gedalja nach Mizpa begeben, als sie gehört hatten, daß Gedalja dort im A u f t r a g des Königs von Babel residiert. Nach J e r 40,13ff erscheinen wiederum ¡TTÉ3 "HPK . . . vor Gedalja in Mizpa, diesmal unter die Führung des J o c h a n a n ben Koreach. Im Blick auf den vorausgehenden K o n t e x t kann j e t z t 40,13ff nur an eine erneute Kontakta u f n a h m e gedacht sein. Dem widerspricht 2 8 0 jedoch in V. 13 selbst das ΓΠϋ2 "itflí, womit die bisherige Situation der Heerführer und Jochanans charakterisiert werden soll, und die Formulierung . . . 1N3 n n s s a n . Das m i r a (vgl. J e r 40,7) ist als Näherbestimmung zu η ^ Π Π nä?_l7D nur sinnvoll, wenn dadurch ausgedrückt werden soll, 280

Vgl. hier auch Wanke, Baruchschrift, S. 113f.

110

Jeremía 4 0 , 7 - 4 1 , 1 8

daß diese Heerführer bisher noch nicht in der Umgebung von Mizpa oder Gedaljas Nähe aufgetreten sind (so deutlich in J e r 4 0 , 7 ) 2 8 1 . Aus dem ausfuhrlichen . . . Vx 1X2 geht ebenfalls hervor, daß hier das bereits in 4 0 , 7 f f erwähnte Zusammentreffen nicht zu berücksichtigen war, bzw. 4 0 , 1 3 nicht auf 4 0 , 7 f f abgestimmt ist. Auch daß es in 4 0 , 1 3 f f „alle Heerführer" sind, die sich zusammen mit Jochanan nach Mizpa begeben, spricht dafür, daß 4 0 , 1 3 f f die erste Kontaktaúfnahme zwischen Gedalja und Jochanan und den Heerführern schildern will. Denn wäre es dem Verfasser von 4 0 , 1 3 f f nur darum gegangen, hier darzustellen, wie Gedalja vor einem gegen ihn gerichteten Mordanschlag gewarnt wurde, so hätte es durchaus genügt, zu berichten, wie sich lediglich Jochanan allein oder mit wenigen Leuten zu diesem Zweck mit Gedalja in Verbindung setzte. Die Erwähnung „aller Heerführer" ist außerdem insofern jetzt ungeschickt, als man von 4 0 , 7 f f her zunächst annehmen muß, daß sich unter all diesen Heerführern auch Ismael befindet, ehe sich plötzlich in V. 14 herausstellt, daß dieser offensichtlich von all den Heerführern als ein gefährlicher Feind eingestuft wird. Nimmt man all diese Spannungen ernst, so ist die Schlußfolgerung unumgänglich, daß in 40,7 — 16 zwei ineinander verschachtelte, erst sekundär aufeinander abgestimmte Berichte über das Zusammentreffen der Heerführer mit Gedalja in Mizpa vorliegen 282 . Bei der Aufhellung des Entstehungsprozesses, der zur jetzigen Textgestalt geführt hat, ist zu beachten, daß J e r 40,7—9 im wesentlichen wörtlich mit 2.Kön 2 5 , 2 3 - 2 4 (vgl. auch J e r 4 1 , l f * mit 2.Kön 25,25) übereinstimmt, hier also literarische Zusammenhänge bestehen müssen. Es gibt drei Möglichkeiten, wie man sich die Übereinstimmungen zwischen 2.Kön 25 und J e r 4 0 , 7 f f / 4 1 , l f erklären kann: a. 2.Kön 2 5 , 2 3 - 2 5 ist ein Auszug aus J e r 4 0 , 7 - 4 1 , I f f 2 8 3 , b. Die jetzige Verbindung von J e r 4 0 , 7 f f mit J e r 4 0 , 1 3 f f beruht auf einer nachträglichen Berücksichtigung der Nachrichten in 2.Kön 25, d.h. J e r 4 0 , 7 f f ist aus 2.Kön 25 nachgetragen worden, c. Die engen Berührungen zwischen beiden Texten sind auf die Auswertung einer beiden gemeinsamen Quelle zurückzuführen 284 . Duhm (Komm. Jer., S. 3 1 5 ) hält Γ Π ί » "itfX für eine Glosse nach V. 7 (so mit Hitzig, Komm. Jer., z.St.), ohne allerdings die Gründe für einen solchen unverständlichen Zusatz angeben zu können. 282 Vgl. hier auch Wanke, Baruchschrift, S. 113ff. 2 8 3 So Giesebrecht, Komm. Jer., S. 2 1 1 ; Duhm, Komm. Jer., S. 3 1 5 ; Rudolph, Komm. Jer., S. 2 4 9 ; Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, S. 8 6 f u.a. 2 8 4 So Mowinckel, Zur Komposition des Buches Jeremía, S. 29f; Eißfeldt, Einleitung, S. 3 9 8 f ; Kremers, EvTh, S. 1 2 6 ; Wanke, Baruchschrift, S. 115. 281

Analyse

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Im Blick auf die Entstehungsgeschichte von Jer 40,7—41,3 ist daher auf die Frage einzugehen, ob der literarische Charakter von 40,7—10 (und 41,1 f ) darauf hindeutet, daß diese Version über die erste Zusammenkunft der Heerführer in Mizpa aus einem Quellenmaterial stammen muß, das der einarbeitende Redaktor auswerten konnte, oder aber darauf, daß diese Verse lediglich eine aus tendenziöser Absicht ad hoc geschaffene Einheit, also ein „konstruierter Bericht" sind. Stellt sich heraus, daß der Redaktor hier Quellenmaterial verwendet hat, so ist eine Entscheidung für eine der oben erwähnten (vgl. b. und c.) denkbaren literarischen Beziehungen zwischen Jer 40/41 und 2.Kön nur möglich, wenn 2.Kön selbst in die Untersuchung miteinbezogen wird. Ergibt sich, daß Jer 40,7—9(10) als ad hoc konstruierter Bericht zu werten ist, muß 2.Kön 25,23—25 ein Jer 40,7 bis 41,3 auswertender Auszug sein (vgl. oben a.). Jer 40,7—12 ist deutlich zusammengesetzt aus einem Bericht über die Zusammenkunft aller „Heerführer" bei Gedalja in Mizpa (7—10) und Nachrichten über die Rückkehr der unter die Nachbarvölker versprengten Juden ins Land Juda (11 — 12). Jer 40,7—10: Die Verse 7—8 entsprechen aufbaumäßig 40,11—12. Die Folge von ΙΓΗίΗ ist jeweils das 1X3'vi. Während in V . 11 der Objektsatz zu "I5??3E> umfassender vom mirr'? m x t f spricht, der Gedalja anvertraut ist ( . . . DrrVs; VpDn OY), wird die entsprechende Aussage in V . 7a ( . . . τ ρ ο π Ό ) durch das folgende 2 8 5 1ΠΝ T¡?Bn "DI ... in V . 7b im Vergleich zu V . 11 insofern stark eingeschränkt, als der ΠΤΙΓΓ1? rPIKtf hier auf lediglich „Männer, Frauen . . . " usf. 286 reduziert ist. Der Verfasser von 40,7 ist anders als der für Jer 40,11 zuständige A u t o r der Meinung, daß nur eine kleine Gruppe von „Männern, Frauen . . . " nicht nach Babel exiliert wurden (40,7b Ende). Für diese allein ist nach seiner Ansicht Gedalja zuständig. Hier liegt eindeutig jene spätere Auffassung vor, die davon ausgeht, daß nach der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier das ganze Land im wesentlichen ohne Bewohner war. Da 40,1 l f die Situation im Lande weitaus günstiger beurteilt 2 8 7 , können diese Verse nicht noch später an 40,7ff angefügt worden sein 288 . Der Jer 40,11—12 entsprechende Aufbau von 40,7—8 ebenso wie die inhaltlichen Aussagen in V . 7b zwingen zu dem Schluß, daß der Verfasser von 40, 285 LXX hat den kürzeren Text; es fehlt f-ΙΝΠ lV?7Dl ηϋΊ. 286 Zu Jer 40,7b vgl. auch Jer 41,16! 287 Hier ist die Reihenfolge ... )Π3"13 und anschließend . . . "PpDH "Ol zu beachten. 288 Gegen Wanke, Baruchschrift, S. 113.

112

Jeremia 4 0 , 7 - 4 1 , 1 8

7—8 die Verse 40,11—12 schon berücksichtigt und die darin enthaltene Notiz über die Lage im Lande vorweg korrigieren will. Da J e r 40,13ff deutlich darüber berichtet, wie sich O^Tin nfo-ho zum ersten Mal mit Gedalja in Verbindung setzen (vgl. oben!), hat der Verfasser von 40,7ff diesen Abschnitt schon auswerten können 2 8 9 . Während von den in 40,8 namentlich erwähnten Personen die an erster Stelle genannten Ismael ben Nathanja und Jochanan ben Koreach 2 9 0 in 40,13ff und 4 1 , I f f sowie in den folgenden Berichten eine besondere Rolle spielen, da sie hier als Anführer jeweils verschiedener Gruppen charakterisiert sind, ihre bevorzugte Nennung demnach im Blick auf den anschließenden Kontext verständlich ist, fragt man sich, aus welchem Grund der Verfasser noch weitere Namen mitteilt, obwohl im folgenden darauf keinerlei Bezug genommen wird. Die über Ismael und Jochanan hinausgehenden Angaben könnten ohne weiteres fehlen. Wahrscheinlich hängt die Aufzählung weiterer Namen lediglich damit zusammen, daß der Verfasser, nachdem er einmal angefangen hatte, Namen der 0,17,ΠΠ (V. 7) zu nennen, nämlich Ismael und Jochanan (V. 8), nun nicht mit D^Tin fortfahren konnte (also: „Da hörten alle Heerführer . . . , daß . . . ; und sie kamen zu Gedalja . . . ; nämlich Ismael . . . und Jochanan . . . und alle Heerführer"); andererseits war mit der Aufzählung von nur zwei Namen (Ismael und Jochanan) das D'Vrin aus V. 7, das zugleich Subjekt von INSI in V. 8 ist, nicht abgedeckt 2 9 1 . Die Verse 9—10 enthalten eine an „alle Heerführer" 2 9 2 3 gerichtete Rede Gedaljas. Das bereitet hier allerdings nicht die Mitteilung eines den Heerführern geleisteten Eides vor292**; denn die Rede Gedaljas ist eine Art Zuspruch, verknüpft mit der Aufforderung, im 289 Vgl. das m i r a -itfNin V. 7; Π'-'ΤΠΠ n f e r V s begegnet außer J e r 40,7.13; 41,11.13.16; 42,1.8; 43,3.5 nur noch 2.Sam 24,2 (singl.); l . K ö n 15,20; 2.Kön 9,5 (jeweils "ΤΠΓΙ n t o ) ; 2.Kön 25,23 entspricht J e r 40,7; 2.Kön 25,26 ist mit J e r 43,5 zu vergleichen. 290 Ob der folgende Name . J o n a t h a n " eine spätere durch Dittographie entstandene Variante zu . J o c h a n a n " ist — dieser Name fehlt LXX und 2.Kön 25,23 — oder aber zum ursprünglichen Textbestand gehört (vgl. M), läßt sich nicht mehr feststellen. 291 Woher der Verfasser die Namen hat, läßt sich nicht mehr feststellen (zu TBÖJn u n d T D S a n · vgl. 2.Sam 23,28.29.34 und l.Chr l l , 2 0 f f . 3 0 ) . 292a Das n r r t m b l klappt nach. 292b Auf "ΙΏΝ1? . . . 5722?"Ί folgt in der Regel die Mitteilung dessen, was der Schwörende unbedingt t u n bzw. zulassen wird (einleitet mit X1? ON, vgl. J o s 14,9; oder mit . . . Π31 DTl^H 'VniPST HD in l . K ö n 2,23; oder mit ΠΙΠ^'Π in l . K ö n 1,29) oder in keinem Fall t u n bzw. zulassen wird (eingeleitet mit • X , vgl. Nu 32,10f; Dtn l , 3 4 f ; oder mit . . . QN . . . ΠΊΓΓ-'Π in l.Sam 19,6; 28,10; J e r 38,16; oder mit . . . DR . . . Π31 DTl^N ' V n i M r ΓΟ in 2.Sam 3,35).

Analyse

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Lande zu bleiben und dem König von Babel zu dienen (V. 9). In V. 10a stellt Gedalja seine Position in Mizpa dar; V. 10b enthält konkrete Anweisungen an die Heerführer, sich um das Einbringen der Ernte zu kümmern usw. Unklar ist, ob nach n n v r V x mit Μ T1357» DHtíOn zu lesen ist 2 9 3 , oder aber mit LXX und 2.Kön 25,24 2 9 4 ΟΉ&ΟΠ η357Ώ295_ Die Lesart . . . Π TDS?» nach ΊΧΤη-Vx klingt merkwürdig und stößt sich außerdem mit dem folgenden . . . Π35Π. Auch das Fehlen der nota accusativi ist auffällig 296 . Zieht man aus diesem Grund ΠΉϊΟΠ Ή357Ϊ2 (LXX) vor, so fragt man sich allerdings, warum diese ungewöhnliche Formulierung 2 9 7 gewählt wurde. Die „Knechte der Chaldäer" sind sicher nicht die Chaldäer selbst. Duhm denkt zwar an „die babylonischen Beamten samt ihren Schutzmanschaften . . ," 2 9 8 . Aber gerade dann wäre eher „die Knechte des Königs von Babel (oder: Nebukadnezars)" zu erwarten. Die Mahnung, im Lande zu bleiben, erinnert an J e r 42,10ff 2 9 9 . Sie ist insofern merkwürdig, als aus der vorher berichteten Kontaktaufnahme zwischen den Heerführern und Gedalja an sich schon hervorgeht, daß man nicht die Absicht hatte, das Land zu verlassen. V. 9 wirkt daher insgesamt wie eine Aneinanderreihung von nicht aufeinander abgestimmten formelhaften Wendungen. Die Funktion dieses Verses ist immerhin deutlich: Gedalja versichert unter Eid den Heerführern, an erster Stelle Ismael und Jochanan, daß sie nichts zu befürchten haben. Im Blick auf dieses Zusammentreffen und Gedaljas Zusagen muß die im folgenden berichtete Ermordung des Statthalters durch Ismael um so abscheulicher erscheinen. Die aus tendenziöser Absicht vorgenommene Einschaltung dieses konstruierten 3 0 0 Berichtes über das Zusammentreffen aller Heerführer bei Gedalja in Mizpa hatte zu berücksichtigen, daß auch J e r 293

So Giesebrecht, Komm. Jer., z.St.; Rudolph, Komm. Jer., z.St.; Weiser, Komm. Jer., z.St.; Wanke, Baruchschrift, S. 104. 294 So Volz, Komm. Jer., z.St.; Duhm, Komm. Jer., z.St. 29 * Zu . . . ΪΧΤΓΤ^Χ bzw. N T mit folgendem ö + inf. vgl. Gen 46,3; Ex 3,6; 34,30; l.Sam 3,15; zu N T mit folgendem » + Nomen vgl. Dtn 1,29; Jos 10,18 (•HD UnVT 1 ?«); Dtn 7,18.20; 28,10; Ez 2,6. 296 So mit Duhm, Komm. Jer., z.St.; gegen Giesebrecht, Komm. Jer., z.St. 297 Üblich ist „die Knechte des Königs von Babel", bzw. „die Knechte Nebukadnezars"; vgl. 2.Kön 24,10.11; l.Kön 20,23 (die Knechte des Königs von Aram). 298 Komm. Jer., z.St.; so auch Volz, Komm. Jer., S. 345. 299 Für Rudolph (Komm. Jer., z.St.) ist V. 9ba ein Hinweis darauf, „daß unter den Truppenführern jetzt schon die Neigung bestand, nach Ägypten auszuwandern". 300 Siehe oben S. l l l f . 8 Pohlmann, Jcremiabuch

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Jeremía 4 0 , 7 - 4 1 , 1 8

40,13ff (vgl. auch 4 1 , I f f ) von einer solchen Zusammenkunft in Mizpa die Rede war 3 0 1 . Folglich mußte der J e r 40,7ff einarbeitende Redaktor eine Erklärung dafür mitliefern, warum in der folgenden Erzählung die Anwesenheit der Heerführer in Mizpa nicht schon vorausgesetzt werden kann. Diese Aufgabe übernimmt V. 10. Durch die Feststellung, daß Gedalja in Mizpa bleiben will, und die Aufforderung an ,,alle Heerführer", sich um die Ernte zu kümmern und sich in ihren Städten aufzuhalten (V. 10b) 3 0 2 , wird beim Leser jetzt der Eindruck erweckt, als berichte J e r 40,13ff darüber, wie Jochanan und mün -Itfx D'^nn nferbD und schließlich auch Ismael (vgl. J e r 41,1 ff) sich hier zum zweiten Mal, nachdem sie die Aufforderung Gedaljas (V. 10b) befolgt hatten, mit Gedalja in Mizpa in Verbindung setzten. Tendenz und Absicht des den Abschnitt J e r 40,7—10 konstruierenden Redaktors wurden oben schon angedeutet. Es ging ihm um eine Korrektur der in der Vorlage Jer 39,14 und J e r 4 0 , l l f f enthaltenen Angaben über die Situation im Lande und die beginnende Konsolidierung der Verhältnisse 303 . Außerdem lag ihm daran, die Verwerflichkeit von Ismaels Verbrechen an Gedalja, worüber in 4 1 , I f f zu lesen ist, hervorzuheben und zu verdeutlichen. Der dem Redaktor vorgegebene Text bestand folglich aus J e r 40, 11 — 12 (Notizen über die Rückkehr der aus J u d a geflüchteten Bevölkerungsteile) und 40,13 — 16 (Bericht über das erste Auftauchen einer Gruppe von Heerführern unter der Führung des Jochanan bei Gedalja in Mizpa). Dieser Text war die ursprüngliche Fortsetzung von Jer 39,14 3 0 4 . Abgesehen von Eingriffen auch in 40,12 3 0 5 ist ferner Jer 4 1 , I f f leicht überarbeitet worden. 301

Siehe oben S. 110. V. 10b berührt sich eng mit V. 12b. Indem der Verfasser von 40.7—10 unter Berücksichtigung von V. 12 hier auch „alle Heerführer" mit dem Einbringen der Ernte in Verbindung bringt, erreicht er eine Uminterpretatíon des die bisherige Situation der Heerführer beschreibenden ΓΠ&Ο "WNin 40,13; ΓΠίΐΠ "IPX zeigte in V. 13 ursprünglich an, daß es sich hier um nach der Eroberung Jerusalems versprengte Truppen handelt (vgl. Jer 52,8). — V. 10a könnte eine ältere, in der dem Redaktor vorliegenden Fassung enthaltene Notiz abgewandelt haben, die ursprünglich an Jer 39,14 anschließend . . . 32''' 1Π,ι7131 lautete und lediglich in die 1. Person umformuliert wurde. 303 Vgl. oben zu 40,7. 304 Vgl. oben zu 39,14. 305 In LXX fehlt DW... "ΠΕΓΊ . _ n n S S ö n n ^ l J - V x ist eingetragen, um alle in der Vorlage erwähnten Nichtexilierten für Gedaljas .Kolonie' in Mizpa zu verein302

Analyse

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Der in J e r 41,1—3 enthaltene Bericht über die Ermordung Gedaljas ist durch die vorausgehenden Verse 40,14ff vorbereitet; J e r 41,4(11). 18 setzen explizit diese Nachrichten über den Tod Gedaljas voraus. Die LXX hat den kürzeren und weniger anstößigen Text. Es läßt sich allerdings kaum mit letzter Sicherheit entscheiden, ob die LXX noch auf eine ältere Textvorlage zurückblickt oder aber in der ihr vorgegebenen Fassung enthaltene Wiederholungen herausnimmt 3 0 6 und Spannungen beseitigt 3 0 7 . In V. 2 liest LXX lediglich: , , . . . und sie erschlugen den Gedalja, den der König von Babel über das Land eingesetzt hatte". M wirkt hier in der Tat überladen 3 0 8 . Hier klappt der Relativsatz . . . T p D m t f N ungeschickt nach. Man fragt sich, warum der "HPN-Satz nicht direkt an . . . 1Π,ι?Τ3~ηχ O l anschließt, wenn er überhaupt zum ursprünglichen Textbestand gehörte. V. 3 wirkt jetzt „durch den umständlichen Anschluß, die Überladenheit des Satzes wie ein Anhängsel an das Erzählte" 3 0 9 . In der jetzigen Fassung 3 1 0 kann dieser Vers nur ausdrücken wollen, daß alle Juden in Mizpa umgebracht wurden. Dem widerspricht jedoch später V. 10. Gemeint sein können an sich nur die Juden aus der näheren Umgebung Gedaljas. Nach allem wird man besonders für Jer 41,2—3 mit nachträglicher Bearbeitung zu rechnen haben. Deutlich ist, daß 41,1 darüber informieren will 3 1 1 , wie Ismael, dessen Auftreten 40,14ff schon angekünnahmen und so den Eindruck zu erwecken, als wären alle übriggebliebenen Bewohner, von den Heerführern abgesehen, in Mizpa zusammengekommen. 306 Das könnte der Fall sein, wenn jeweils der Vatername des Gedalja in V. 1 und V. 2 und der des Ismael in V. 2 sowie die zweite Erwähnung Mizpas in V. 1 Ende fehlen; vgl. auch in V. 3 das Fehlen von ΙΠ^ΤτηΝ'. 307 Vgl. das merkwürdige "JVan O H in V. 1 M. 308 In V. 3 Ende ΠΏΠ*7ΏΠ ,B?3N ΠΧ auszulassen, bestand allerdings für LXX kein Anlaß; vgl. Jer 41,16 (= LXX 48,16); hier dürfte M später noch erweitert worden sein. 309 Wanke, Baruchschrift, S. 94, Anm. 11. 310 Faßt man HBSttD als erläuternde Glosse zu 0© auf (so Duhm, Komm. Jer., S. 317; Rudolph, Komm. Jer., S. 250, schlägt eine Änderung in ΠΓ1δ>03 vor; so auch Weiser, Komm. Jer., S. 352.), so stellt sich die Frage, ob der Glossator mit dieser an sich überflüssigen Erläuterung (vgl. V. 1 ΠΠΒ^ΏΠ) lediglich unabsichtlich jetzt den Eindruck erweckt, alle Juden in Mizpa seien von Ismael umgebracht worden oder ob sich darin ein bestimmtes Anliegen ausdrückt. 311 Die Zeitangabe „im 7. Monat" ist keineswegs auffällig oder anstößig (gegen Wanke, Baruchschrift, S. 94, Anm. 11 und S. 115), da ein Hinweis auf den Festmonat hier (vgl. die Notizen über die Erntearbeiten in 40,12!) auch ohne die Jahresangabe sinnvoll ist (vgl. Volz, Komm. Jer., S. 350).

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digt hatte, erstmalig 312 jetzt mit Gedalja in Mizpa zusammentrifft. Ob die Verse 2—3 ursprünglich außer über Gedaljas Ermordung auch noch über das gleiche Schicksal weiterer Personen berichten wollten, bleibt unsicher 3 1 3 . Im Blick auf das im folgenden (Jer 41,4—10) geschilderte weitere Vorgehen Ismaels 3 1 4 wird man jedoch annehmen dürfen, daß sich auch J e r 41,1—3 nicht auf die Nachricht lediglich über Gedaljas Ermordung beschränkte. Die in J e r 41,4—9 vorliegenden Nachrichten über weitere Greueltaten Ismaels sind für den weiteren Erzählungszusammenhang ohne eine erkennbare Bedeutung, da im folgenden an keiner Stelle auf die Ermordung der Pilger aus Sichern, Silo und Samaria Bezug genommen wird. Die sich in 4 1 , 1 0 anschließende Darstellung, wie Ismael mit allen, die er in Mizpa in seine Gewalt bringen konnte, von dort aufbricht, um sich zu den Ammonitern zurückzuziehen (V. 10), und wie er. schließlich auf Grund einer Intervention Jochanans allein sich nur mit seinen Leuten absetzen kann (V. 11 — 15), ebenso wie die Schilderung der anschließenden Maßnahmen Jochanans (V. 16f), wäre auch ohne Kenntnis der Verse 4—9 schlüssig. Abgesehen davon, daß die erzähltechnische Funktion von 41,4—9 somit im Blick auf den weiteren Kontext undeutlich bleibt 3 1 5 , ist nicht zu übersehen, daß dieser Abschnitt zahlreiche Unklarheiten und Spannungen enthält. Zunächst ist Ismaels Verhalten und Vorgehen in jeglicher Hinsicht vollkommen rätselhaft 3 1 6 . Zudem gibt besonders V. 8 zu sachlichen Bedenken Anlaß. Ein Hinweis auf verborgene Vorräte an Getreide, ö l und Honig ¡TTÍP3 ist im Munde jener Männer aus Sichern, Silo und Samaria deswegen kaum vorstellbar, weil diese während ihrer Reise, aber ebensowenig vorher weder das Recht noch die Möglichkeit gehabt haben dürften, fern ihrer Wohnsitze Lebensmittellager anzulegen. Hat der Verfasser andererseits geheime Lebensmitteldepots in der Nähe ihrer Heimatstädte vor Augen, so leuchtet die Reaktion Ismaels nicht ein, jene zehn Männer infolge ihres Angebots Vgl. oben zu J e r 40,7ff und 40,13ff. . . . Ο'ΊίΟΠΤΙίΟ in V. 3 könnte eine spätere Erweiterung sein; J e r 4 1 , 1 8 führt immerhin als Erklärung für die Flucht nach Ägypten lediglich die Ermordung Gedaljas an, nicht jedoch die der Chaldäer. 3 1 4 Vgl. dazu unten S. 116f. 315 Vgl. Rudolph, Komm. Jer., S. 3 5 2 : „Nun folgt ein höchst merkwürdiges Zwischenspiel". — Immerhin mag die Darstellung der Ermordung der Männer aus Sichern usw. auch damit zusammenhängen, daß auf diese Weise Ismaels verbrecherischer Charakter noch deutlicher gekennzeichnet werden konnte. 316 Welchen Grund gab es für Ismael überhaupt, die Pilger unter einem Vorwand nach Mizpa und dort in eine Falle zu locken und sie zu liquidieren? — Vgl. hier auch die Fragen und Erwägungen Duhms (Komm. Jer., S. 3 1 8 ) . 312

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Analyse

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zu verschonen. Ismaels Verhalten erscheint nur dann einleuchtend, wenn er annehmen durfte, daß die erwähnten Vorräte erreichbar, also in Mizpas Nähe deponiert waren und jene zehn Männer ihm die Verstecke zeigen konnten (mif3). Dann müßten allerdings die zehn, anders als jetzt aus dem Kontext zu entnehmen ist, selbst aus Mizpa oder der näheren Umgebung stammen. Faßt man V. 8 in der Tat so auf, daß hier ursprünglich nicht die vorher genannten Pilger aus dem ehemaligen Nordreich mit Ismael verhandeln, sondern Bewohner Mizpas oder Anhänger Gedaljas, so wären die oben angedeuteten Schwierigkeiten 317 behoben: V. 8 hätte bei dieser Annahme zunächst darüber informiert, wer von Gedaljas Anhängern aus welchem Grund dem Blutbad (vgl. 41,1—3*) entging, wäre also die ursprüngliche Fortsetzung von 41,1—3*. Die Verse 41,4—7 wären als nachträgliche Interpolation einzustufen. Diese Auffassung von der Entstehung dieses Abschnittes ist schon deswegen nicht abwegig, weil V. 8 ohne die jetzt vorangehenden Verse 4—7 hervorragend an 41,3* anschließt; zum andern ist darauf aufmerksam zu machen, daß der für die Verse 4—7 zuständige Interpolator durch sein Verfahren eine gewisse Abqualifizierung jener später unter Jochanan nach Ägypten abgewanderten Gruppe (Jer 41,16—18) erreicht, da ihr nun auch Personen zuzurechnen waren, die aus der Mischbevölkerung des ehemaligen Nordreiches stammten 3 1 8 , so daß wir damit auch die Frage nach dem Motiv 3 1 9 für die angenommene Interpolation beantwortet haben 3 2 0 . 317 Vgl. Josephus, Ant. X, § 170; Josephus ändert seine Vorlage. Aus den Männern „aus Sichern, Silo und Samaria" werden Leute ànò της χ ώ ρ α ς . Sie sind nicht (so M und LXX) auf dem Wege nach Jerusalem (ΠΙΓΡ D , 3), sondern wollen Gedalja mit Geschenken aufsuchen. 318 Die Hinweise auf die Trauerbruche in V. 5, besonders die Beschreibung als ΠΉ7>ΠΏ, könnten durchaus abwertend gemeint sein (vgl. die Verbote in Dtn 14,1; Lev 19,28; 21,5). Gegen die oben erwogene Textentwicklung spricht durchaus nicht, daß die in V. 4 geschilderte Pilgerreise aus dem ehemaligen Nordreich nach Jerusalem (Die Meinung Giesebrechts, Komm. Jer., z.St., daß nicht der Tempel in Jerusalem, sondern ein Heiligtum in Mizpa das Ziel der Wallfahrer gewesen sei, hat sich mit Recht nicht durchgesetzt!) auf historische Gegebenheiten anspielt. Das Darbringen von Opfergaben, überhaupt die Ausübung des Kultes in Jerusalem durch Bewohner des ehemaligen Nordreiches kann später vom judäischen Standpunkt aus durchaus negativ bewertet worden sein; vgl. hierzu Janssen, Juda in der Exilszeit, 1956, S. 102ff; 118. 3,9 Vielleicht hatte der Interpolator außerdem daran Anstoß genommen, daß hier einige wenige aus dem Kreis um Gedalja sich mit Ismael auf ein ,Geschäft' einließen. 320 Daß die Verse 4—7 im jetzigen Kontext literarisch nicht ungeschickt verklammert sind, ist noch kein Beweis dafür, daß hier ein orginaler Textzusam-

118

Jeremía 4 0 , 7 - 4 1 , 1 8

In J e r 41,10 hat die LXX wiederum den kürzeren Text, scheint allerdings auch hier nur die in M enthaltenen Wiederholungen zu vermeiden. Die Wendung DJ?n mXErVD ist an sich schon auffällig 3 2 1 . Einen „Rest" mit „ganzer Rest" zu umschreiben, ist der Versuch, die Eindeutigkeit der Aussage zu erhöhen, bzw. Zweifel an der Eindeutigkeit erst gar nicht aufkommen zu lassen. Die Entstehung der jetzt vorliegenden Dublette „ganzer Rest . . . " und D'IStón DS?n"VD n s s a a läßt sich nur so erklären, daß sich ein späterer mit _173~nN1 . . . ΰΉΧΚ^Π DS?n nicht begnügen konnte oder wollte, weil nach seiner Auffassung sich eben in Mizpa der ganze Rest des Volkes aufhielt (vgl. oben zu J e r 40,12!). Denn mit . . . DSJrrVs konnte ursprünglich nur die Kolonie um Gedalja in Mizpa, bzw. deren Restbestand nach dem von Ismael angerichteten Blutbad gemeint sein 322 . Eine ähnliche Funktion wie der Zusatz D5?n n n w - V a T i N scheint auch der HPN-Satz zu haben. Die hierin enthaltene Erwähnung des Nebusaradan lenkt den Blick des Lesers zurück auf jene Texte, in denen bisher Nebusaradan eine Rolle spielte (vgl. J e r 39,9ff und 40,1—6; vgl. dazu oben S. 95ff). Der "ittiN-Satz erweckt damit den Eindruck, als habe sich die von Nebusaradan nicht in die Verbannung geführte Restbevölkerung (vgl. J e r 39,10 und 4 0 , I f f ) insgesamt in Gedaljas Nähe aufgehalten. J e r 41,11—15 setzt offensichtlich J e r 40,13 — 16 sowie die anschließenden Nachrichten über Ismaels Schandtat (vgl. nsnn_1?:> n x ) voraus. Von der Frage abgesehen, ob der wiederum kürzere Text der LXX 3 2 3 hier ursprünglicher ist als die M-Fassung, ist dieser Abschnitt für unsere Fragestellung unproblematisch. Er enthält lediglich die für das Verständnis des folgenden Berichtes J e r 41,16—18 wichtigen Angaben, wie nach Bekanntwerden der Mordtaten Ismaels nun die Intervention Jochanans dazu führt, daß die aus Mizpa Verschleppten zu Jochanan überlaufen und Ismael sich mit nur wenigen Männern auf ammonitisches Gebiet retten kann. menhang vorliegen muß. — Zur Frage einer chronologischen Einordnung der Interpolation, bzw. Zuordnung zu einer Bearbeitungsschicht vgl. unten S. 122. 321 Vgl. J e r 8,3 (39,3); 41,10; 41,16; 42,2; 43,5; s.a. Ez 9,8; Hag 1,12.14; 2.Chr 34,9. 322 DS7n-l7D bedeutet hier wie z.B. auch Gen 35,6 eine an einem Ort oder um eine Person konzentrierte Menschengruppe, keinesfalls „das ganze Volk", ist also am besten mit „alle Leute" wiederzugeben. 323 i n V. I i für m n r p V i g n a r nur Ισμαήλ, in v . 12 für n n n i - p b x v a w - Ώ ν nur 173S7; vgl. auch V. 13, wo der Vatername Jochanans sowie das "ΙΠΏίΣΠ am Schluß fehlt; in V. 14 liest LXX nur μΠΤ" 1 ?« Π ί Π ; in V. 15 .Ismael' ohne Vaternamen; in V. 15 fehlt ferner ]3Πν 120Ώ.

Analyse

119

Jer 41,16-18 Die originale Verklammerung dieser Verse mit dem vorausgehenden K o n t e x t steht außer Frage. Die Nachrichten über Gedaljas Ermordung, über die versuchte Verschleppung seiner Anhänger und deren Verhinderung durch J o c h a n a n und die Feststellung, daß Ismael sich dem Zugriff Jochanans durch Flucht entziehen konnte, werden erwartungsgemäß mit Informationen über das weitere Verhalten und Vorgehen nun Jochanans und seiner Leute fortgesetzt. Die vorliegende Textgestalt von J e r 4 1 , 1 6 — 18 hat j e t z t zugleich die Aufgabe, zum in J e r 4 2 folgenden Bericht über eine Versammlung beim Propheten J e r e m í a überzuleiten: J o c h a n a n und die B^Tin Ή to brechen auf, um aus Furcht vor den Chaldäern im Blick auf die Ermordung Gedaljas (V. 18) mit dem ganzen Rest nach Ägypten zu ziehen (V. 17). In der Nähe von Bethlehem macht man zunächst Halt (V. 17 ΠΠ1? rra . . . ΉΒΗ). Die in J e r 42 geschilderte Befragungjeremias soll sich der Leser demnach während dieses Aufenthaltes bei Bethlehem vorstellen. Es läßt sich jedoch zeigen, daß die jetzige Verknüpfung zwischen J e r 4 1 , 1 6 — 1 8 und J e r 4 2 nicht ursprünglich sein kann. Denn J e r 4 1 , 1 6 — 1 8 enthält deutliche Anzeichen späterer Überarbeitung. In V. 16 bereitet besonders der erste "itoN-Satz Schwierigkeiten. "itoN ... rix» a'ton ist im Blick auf n a s a n - p sachlich unrichtig. Man bevorzugt daher im allgemeinen entweder die Lesart der L X X , liest also , , . . . welchen er abgejagt hatte dem Ismael, Männer . . . , welche er von Gibeon gewonnen h a t t e " 3 2 4 oder ändert mit Hitzig*25 . . . rrton ItoX in . . . anx nato "itoN 3 2 6 . Mit einer Streichung des ersten ItoX-Satzes dürfte man jedoch dem ursprünglichen T e x t näher kommen. Die doppelte Näherbestimmung von Β57Π rix durch zwei "ltoX-Sätze ist an sich schon auffällig. V o m Kontext her ist eigentlich deutlich, welcher Personenkreis nur gemeint sein kann. Jedenfalls wäre über die Bemerkung ficaia a'ton Itos hinaus keine weitere Notiz erforderlich gewesen: . . . m x t o - V a , nämlich a n a l . . . ηοΐ Β"ΈύΊ usf. 3 2 7 , das sind die, die J o c h a n a n dem Ismael aus Gibeon wieder abgewinnen konnte. Mit dem ersten Relativsatz scheint daher ein späterer klarstellen zu wollen, daß es sich hier um die ganze, einst in Mizpa konzentrierte Restbevölkerung handelte. So Giesebrecht, Komm. Jer., 2 1 5 f ; vgl. auch Duhm, Komm. Jer., S. 319. Komm. Jer., z.St. 326 So Rudolph, Komm. Jer., S. 2 5 2 ; Volz, Komm. Jer., S. 3 4 9 f ; Weiser, Komm. Jer., S. 3 5 2 . 3 « n a r ò a n 1 Ϊ273Ν ist längst erkannte Glosse zu dem als a i Tia3 verlesenen D'Tai'. 324 325

120

Jeremía 40,7-41,18

Daß sich die nachträgliche Bearbeitung dieses Abschnitts nicht in den bisher genannten Zusätzen erschöpft, wird deutlich, wenn man sich den Aufbau dieser Verse 16—18 genauer ansieht. Die vorliegende T e x t f o l g e a n s » ΚΊ31? nDbb . . . n e r i inb-'l . . . np^ erscheint verdächtig und viel problematischer, als es in den vorliegenden Übersetzungen erkennbar wird 3 2 8 . Denn „sich niederlassen (bleiben, Halt machen - lStf 1 !), um nach Ä g y p t e n zu ziehen" ( a n s » NuV n s W ) , also die Folge 1. npV - 2. "J^n - 3. nur - 4. H131? nn1?1? ist nicht nur in sonstigen Beschreibungen von Aufbruchsituationen ungebräuchlich, sondern auch unsinnig 329 . Eine solche Unsinnigkeit kann nur entstanden sein, weil in einen T e x t , worin ursprünglich lediglich eine N o t i z über die Auswanderung einer Gruppe unter der Führung des Jochanan nach Ägypten enthalten war, ein späterer Bearbeiter die Bemerkung über den Aufenthalt bei Bethlehem nachträglich einfügte 3 3 0 . Es handelt sich um einen recht ungeschickten Eingriff 3 3 1 mit dem Ergebnis allerdings, daß die im Anschlußkapitel Jer 42 geschilderte Prophetenbefragung j e t z t während dieses Aufenthaltes bei Bethlehem stattfindet 3 3 2 .

328 Vgl. Z - b. Rudolph, Komm. Jer., S. 252: „Da nahm Jochanan den ganzen Rest des Volkes . . . , Männer, Frauen und Kinder und Eunuchen . . . , und sie marschierten ab und machen Rast in der bei Bethlehem gelegenen Herberge des Kirnham. Ihre Absicht war, nach Ägypten weiterzuziehen (V. 18) wegen der Chaldäer . . . " ; vgl. auch Wanke, Baruchschrift, S. 116: „Und es nahm Jochanan . .. und sie zogen ab und machten Halt in der Herberge Kimhans bei Bethlehem, mit der Absicht, nach Ägypten weiterzuziehen; wegen der Chaldäer, denn . . . " 329 Vgl dagegen Gen 11,31: „ U n d Terach nahm (Πρ"Ί) seinen Sohn Abram und Lot, den Sohn Harans, seinen Enkel und Saraj seine Schwiegertochter ... und sie zogen (od.: „und er führte sie") mit ihnen ( Ι Ν ί Π ) aus Ur Kasdim, um ins Land Kanaan zu ziehen ( ] » » HSIX ΓΟ1?1?), und sie kamen bis Charan O W I • p n " T S ) und blieben dort (Otf " 1 3 ^ ) " ; ferner: Gen 12,5: r o V a i S S ^ . . . Πρ 1 ! : . . 1N3··! . . ·; vgl. auch Gen 14,11; 24,10; 32,23; 36,6(!); 46,6; Jos 22,9f; l . K ö n Ϊ 1,18; Jer 41,12. 330 Vgl. hier auch die Analyse von Jer 43,5—7 und die Erwägungen zum Verhältnis dieser Verse zu Jer 41,16ff; vgl. unten S. 155f. Der ursprüngliche T e x t lautet wahrscheinlich: „Da nahm Jochanan und all die Heerführer, die bei ihm waren (den ganzen Rest des Volkes) Männer, Frauen, Kinder und Eunuchen, die er aus Gibeon zurückgebracht hatte (V. 16) und sie machten sich auf (oder: gingen los = "¡^Π), um nach Ägypten zu kommen (X131?; oder: und sie kamen nach Ägypten; vgl. Jer 43,7; 2.Kön 25,26); denn sie fürchteten sich vor den Chaldäern . . . " (V. 18). Daß wahrscheinlich auch über die Ankunft in Ägypten informiert oder diese wenigstens konstatiert wurde, ist wegen Jer 24; 42,14 (vgl. auch zu Jer 43,5—7) naheliegend; vgl. ferner 331

S. 164f. Zu den Zielen und Absichten des Bearbeiters vgl. unten S. 142ff.

332

Zusammenfassung und Ergebnisse

c) Zusammenfassung

und

121

Ergebnisse

Der jetzigen Textgestalc J e r 4 0 , 7 — 4 1 , 1 8 geht eine ältere Fassung voraus, die aus J e r 4 0 , ( 1 0 * ) . 1 1 - 1 2 * . 1 3 - 1 6 ; 4 1 , 1 — 3 * . 8 — 1 0 . 1 1 — 1 5 . 1 6 — 1 8 * bestand. Im Anschluß an J e r 3 9 , 3 . 1 4 3 3 3 (Jerusalem ist gefallen, der Prophet wird freigelassen und bleibt anschließend unter dem Volk) berichtete J e r 4 0 , 1 1 — 12 darüber, wie sich die in die Nachbarländer versprengten J u d e n auf die Nachricht, daß Gedalja als Statthalter eingesetzt ist und sich die Lage beruhigt hat, in ihre Heimat zurückbegeben und dort die Erntearbeiten in Angriff nehmen. Nach diesen Notizen über die beginnende Konsolidierung im Lande folgte in 4 0 , 1 3 f f ein bis J e r 4 1 , 1 8 durchlaufender Bericht über Entwicklung und Umstände, die zur Ermordung Gedaljas in Mizpa führten und die anschließenden Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen: In J e r 4 0 , 1 3 — 16 nehmen unter der Führung eines J o c h a n a n ben Koreach bisher noch versprengte Truppenführer mit Gedalja in Mizpa Kontakt auf. J o c h a nan warnt den Statthalter vor einem Mordanschlag eines gewissen Ismael, der im Auftrag des ammonitischen Königs Baalis geplant sei. Gedalja schlägt jedoch diese Warnung in den Wind (Jer 4 0 , 1 6 ) . Während eines gemeinsamen Essens in Mizpa anläßlich des Festmonats (7. Monat) gelingt es Ismael, den Statthalter und seine Leute zu beseitigen (Jer 4 1 , 1 — 3 * ) . Es bleiben lediglich zehn Männer verschont, weil sie Kenntnis von verborgenen Lebensmittelvorräten haben und Ismael davon Mitteilung machen können. Mit all denjenigen, die in seine Hand gefallen sind, bricht Ismael anschließend auf, um sich auf ammonitischen Gebiet zurückzuziehen (Jer 4 1 , 8 — 10). Inzwischen hat J o c h a n a n von Ismaels Schandtat erfahren. Er stellt sich ihm mit seinen Männern entgegen mit dem Erfolg, daß ganze Gruppen von Ismael zu ihm überlaufen. Ismael selbst kann sich nur mit wenigen Anhängern zu den Ammonitern retten (Jer 4 1 , 1 1 — 15). J o chanan wiederum und seine Männern zusammen mit jenen Gruppen, die er Ismael abjagen konnte, machen sich auf den Weg nach Ägypten (Jer 4 1 , 1 6 — 1 7 * 3 3 4 ) , um auf diese Weise dem Zugriff der Chaldäer zu entgehen, deren Einschreiten man wegen der Ermordung des Statthalters durch Ismael befürchtet ( J e r 4 1 , 1 8 * 3 3 4 ). Dieser vorgegebene T e x t wurde an folgenden Stellen nachträglich erweitert:

333 334

Siehe dazu oben S. 95ff. Zum Text vgl. auch die Synopse im Anhang!

122

Jeremía 4 0 , 7 - 4 1 , 1 8

1. In J e r 40,7—10 konstruiert 3 3 5 ein Bearbeiter eine erste 3 3 6 Zusammenkunft zwischen Gedalja und allen Heerführern (Ismael, Jochanan . . . ) : Indem der Bearbeiter hier darüber berichten kann, wie Gedalja allen Heerführern, auch Ismael, besondere Zusagen macht (V. 9), erreicht er, daß die im folgenden erwähnte Ermordung Gedaljas durch Ismael umso verwerflicher erscheint. Zudem ist es dem für J e r 40,7—9 verantwortlichen Autor und Interpolator ein Anliegen, die ihm vorliegende Darstellung der Situation im Lande (Jer 40,11— 12) dahingehend zu korrigieren, daß dem Statthalter Gedalja lediglich „Männer, Frauen (usf.) . . . , von denen, die nicht nach Babel abgeführt wurden", anvertraut waren (anders die Darstellung von 40,11!), also nach der Eroberung Jerusalems sich im Lande nur noch kleinere Gruppen aufhielten, die sich dazu ausschließlich in Mizpa angesiedelt hatten 3 3 7 . J e r 40,7—10 ist folglich der gleichen bearbeitenden Hand zuzuweisen, auf die auch Jer 40,2—6 zurückgeht 3 3 8 . 2. Während man in J e r 41,1—3 lediglich mit kleineren Eingriffen 3 3 9 in den Text zu rechnen hat, dürften die jetzt folgenden Verse 4—7 m.E. insgesamt als später nachgetragen zu bewerten sein 340 . Der Interpolator bewirkt durch diese Einschaltung eine gewisse Abqualifizierung jener später unter Jochanan nach Ägypten abwandernden Gruppe (Jer 41,16ff; bzw. 43,5—7), weil darunter nun auch Personen aus der Mischbevölkerung des ehemaligen Nordreiches gewesen sein müssen. Dieses Motiv deutet daraufhin, daß für diesen Eintrag dieselbe Hand zuständig ist, auf die auch J e r 40,7ff zurückgeht. 3. In J e r 41,16—18 hat ein Bearbeiter die Vorlage zunächst dahingehend verändert, daß er durch einen Zusatz in V. 16 den Eindruck erweckt, als sei hier von der ganzen, einst in Mizpa unter Gedalja sich konzentrierenden Restbevölkerung die Rede. Die ursprüngliche Feststellung, daß Jochanan mit seiner Gruppe nach Ägypten aufbricht (V. 17), arbeitet er ferner durch Einfügung weniger Worte derart um, daß hier jetzt von einem Aufenthalt des ganzen Restvolkes (vgl. V. 16) in der Nähe von Bethlehem zu lesen ist. Die Folge dieser Eingriffe ist, daß man sich die in Jer 42 geschilderte Prophetenbefragung jetzt während dieses Aufenthaltes bei Bethlehem vorzustellen hat. 335

336 337 33» 339 340

Gegen Wanke, Baruchschrift, S. 115; vgl. oben S. llOff. Vgl. j e r 40,13ff. Vgl. auch oben Anm. 305! Vgl. oben S. 106f. Vgl. oben S. 115f. Vgl. oben S. 116f.

Jer 4 2 , 1 - 2 2 - Inhalt

10. Jer a) Die bisherige

123

42,1-22

Forschung

Während Duhm in diesem Kapitel mit zahlreichen Zusätzen rechnet 3 4 1 , halten Volz342, Nötscher343 (Ceiser344, Rudolph345 und andere im wesentlichen am vorliegenden Text fest. Man nimmt lediglich eine Versetzung oder Umsetzung von Jer 43,1—3 zwischen 42,18 und 19 vor, um einen besseren Zusammenhang zu gewinnen. Thiel346 will Jer 42,1—5.7—9a.l7* als ursprünglichen Kern des Kapitels auffassen; den Rest schreibt er einer deuteronomistischen Bearbeitung zu. Ähnlich bleiben für Wanke nach Abzug der Textbestandteile, die von wahrscheinlich mehreren von deuteronomistischer Theologie beeinflußten Überarbeitungen 3 4 7 herrühren sollen, nur J e r 42, 2—5.7.8a.9aa.l9*.22* übrig 348 . Thiel und Wanke kommen im wesentlichen deswegen zu ihrem Ergebnis, weil sie methodisch davon ausgehen, daß nicht eine Predigt oder längere Ausführungen, sondern nur ein kurzer Spruch als Antwort auf die in J e r 42,2—5 geschilderte Anfrage des Volkes, bzw. der Heerführer zu erwarten sei 3 4 9 .

b) Inhalt V. 1 berichtet von einer Zusammenkunft aller Heerführer, von denen zwei auch namentlich genannt sind, sowie des ganzen Volkes bei Jeremía. Man bittet ihn, sich für sie bei Jahwe einzusetzen, damit sie Auskunft darüber erhalten, wie sie sich weiterhin verhalten sollen (V. 2—3). Jeremía geht auf diese Bitte ein und verspricht, ihnen Jahwes Willen mitzuteilen und ihnen nichts zu verheimlichen (V. 4). Sie wiederum rufen Jahwe zum Zeugen auf, daß sie entsprechend den Anweisungen, die sie erhalten werden, handeln wollen (V. 5). In jedem Fall, wie der Bescheid auch ausfällt, wollen sie auf Jahwes 341

Komm. Jer., S. 3 2 1 ; 4 2 , 1 5 - 1 8 sei Zusatz, 4 2 , 9 - 1 4 stark überarbeitet, für 42,19—22 sei die Textfassung der LXX der von M vorzuziehen. 342 Komm. Jer., S. 283. 343 Komm. Jer., S. 2 8 9 f . 344 Komm. Jer., S. 3 6 1 . 3 6 3 . Komm. Jer., S. 236. 346 Die deuteronomistische Redaktion des Buches Jeremía, S. 5 7 9 f . 347 Mindestens zwei! Vgl. „Untersuchungen zur sogenannten Baruchschrift". S. 129, Anm. 32. W Wanke, aaO, S. 130. 349 Thiel, aaO, S. 5 7 2 ; Wanke, aaO, S. 120.

124

Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

Stimme hören (V. 6). Damit ist die von V. 2 bis V. 6 verlaufende Wechselrede zwischen Jeremía und seinen Gesprächspartner beendet. Nach zehn Tagen empfängt der Prophet ein J a h w e w o r t (V. 7). Er r u f t alle Heerführer, von denen jetzt nur einer namentlich genannt wird, sowie das ganze Volk zusammen (V. 8), u m ihnen Jahwes Antwort mitzuteilen (V. 9 Botenformel). Die A n t w o r t lautet: Wenn die Betroffenen im Lande bleiben, wird J a h w e sie aufbauen und pflanzen und nicht mehr herausreißen, denn er bereut das Böse, das er ihnen angetan hat (V. 10). Sie sollen sich nicht vor dem König von Babel fürchten, denn J a h w e will mit ihnen sein (V. 11) und ihnen Barmherzigkeit erweisen (V. 12). Falls man sich jedoch weigert, im Lande zu bleiben und meint, man müsse nach Ägypten ziehen, u m Krieg und Hunger zu entgehen (V. 13 und V. 14), falls man die Absicht habe, sich in Ägypten anzusiedeln (V. 15), so werde man gerade in Ägypten Hunger und Krieg nicht entgehen können (V. 16). Alle diejenigen, die diese Absicht haben, werden ohne Ausnahme u m k o m m e n , weil J a h w e selbst Unheil über sie bringt (V. 17). Denn J a h w e wird seinen Zorn über diejenigen, die nach Ägypten ziehen genauso ausgießen wie vorher über Jerusalem (V. 18). In den Versen 19—22 spricht der Prophet selbst (sicher ab V. 20) und weist daraufhin, daß man sich großen Schaden zufüge, wenn man Jahwes A u f f o r d e r u n g nicht n a c h k o m m e u n d Jahwes Stimme nicht gehorche. c)

Analyse

Die für das einleitende l t ì l 3 5 0 erforderliche Ergänzung oder Weiterführung erfolgt in V. 2 mit . . . nölCi. Durch die Erwähnung der Heerführer und die namentliche Nennung Jochanans ben Koreach erscheint J e r 42 als Fortsetzung der vorausgehenden Berichte. Es fällt allerdings auf, daß die Formulierung „alle Heerführer und Jochanan . . , " 3 5 1 in dieser Reihenfolge nicht üblich ist 3 5 2 . Vom „ganzen Volk, klein und g r o ß " 3 5 3 war in den vorausgehenden Berichten über Gedalja und die Ereignisse nach seiner Ermordung bisher nicht 350

Mit HPn („da traten hinzu . . . " ) kann, wie Jos 14,6; 21,1 zeigen, durchaus eine neue Einheit einzusetzen; von daher ist es nicht zwingend, „41,16—18 als einleitende Angabe der Situation zu 42,1—43,7 zu rechnen" (gegen Wanke, aaO, S. 119); zu "tön in Verbindung mit nS7n_17D vgl. J o s 8 , 1 1 ; l . K ö n 18,30. 351 Zur Erwähnung des Jesanja vgl. die L X X und unten zu Jer 4 3 , 2 ! 3 52 Vgl. Jer 4 0 , 1 3 ; 4 1 , 1 1 . 1 6 ; 4 2 , 8 ; siehe auch 4 3 , 5 = 4 1 , 1 6 (jeweils: Jochanan b. K. und alle Heerführer!). SS3 Zu V n j n s n Jüpa o.ä. vgl. 2.Kön 2 3 , 2 ; 2 5 , 2 6 ; Esth 1,5; Jona 3,5; Jer 6 , 1 3 ; 8 , 1 0 ; 16,6; 31,34.

Analyse

125

die Rede 3 5 4 , ebensowenig von Jeremia, der zum letzten Mal in Jer 40,6 erwähnt worden war 3 5 5 . In V. 2 liest LXX vor Π » i n ein irro-r"1?« und läßt auf n » m ein vVx folgen. Welche Fassung die ursprünglichere ist, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden 3 5 6 . Die wörtliche Rede setzt ein mit dem Hinweis, daß man sich dem Propheten als Bittsteller naht 3 5 7 . Darauf folgt die Bitte selbst (V. 2aj3) 358 . Wenn das Ersuchen um Fürbitte mit dem Hinweis „denn wir sind wenige von vielen übrig geblieben, wie deine Augen uns sehen" 3 5 9 begründet wird, so charakterisiert der Autor die Sprecher damit deutlich als die Repräsentanten der ganzen Restbewohnerschaft Judas 3 6 0 ; denn es kann sich ja nur um einen Vergleich zwischen Juda einst (viele) und jetzt (wenige) handeln. Somit geht auch dieser Vers wie V. 1 und V. 8 deutlich von der Vorstellung einer Versammlung des ganzen Volkes aus 3 6 1 .

354

Vgl. aber J e r 4 2 , 8 u n d 4 4 , 1 2 . „ . . . u n d er blieb u n t e r d e m Volk, das übrig war im L a n d e " (vgl. auch 39, 14). . 356 BN 3 c. ist bei f o l g e n d e m "1»X allerdings fast die Regel; vgl. G e n 4 3 , 1 9 , 4 4 , 1 8 ; N u 3 2 , 1 6 ; J o s 14,6; 2 1 , 1 ; 1 - K ö n 18,21; 2 0 , 2 2 ; 2 . K ö n 2 , 5 ; Esr 4 , 2 ; Ausn a h m e n lediglich G e n 1 8 , 2 3 ; l . K ö n 18,36 ( 2 0 , 2 8 ; s. A p p . BHS). 357 Zu u r u n n w - ^ s r i v g l . J e r 3 7 , 2 0 ; 3 8 , 2 6 . 358 L X X liest nur ΓΙΧΤΠ mNB>rr*7D "7573 u n d übergeht somit 1Π173, w ä h r e n d © nur "ΙΠ573 zu k e n n e n scheint. Eine Ü b e r p r ü f u n g des Sprachgebrauchs von V V s n n in V e r b i n d u n g mit 11?3 ergibt, d a ß in der Regel . . . "1573 direkt folgen m u ß u n d nicht d u r c h A n g a b e n darüber, an w e n sich die Bitte r i c h t e t , von ^ V s n n g e t r e n n t wird (vgl. l . S a m 7,5; 1 2 , 1 9 ; . J e r 2 9 , 7 ; 3 7 , 3 ; 4 2 , 2 0 ) . V o n d a h e r ist das n a c h k l a p p e n d e ΠΚΤΠ m i W I T ^ D "71?3 verdächtig. D a z u k o m m t , daß d u r c h die F o r m u l i e r u n g „ f ü r diesen ganzen R e s t " zwischen d e n Bittstellern u n d d e n e n , für die Fürbitte geleistet w e r d e n soll, u n t e r s c h i e d e n würde, diese Differenzierung j e d o c h in d e r f o l g e n d e n Begründung d e r Bitte wieder aufgehob e n wird, r i s r n r r n w n " 1 ? » "T173 ist daher hier nicht ursprünglich, s o n d e r n int e r p r e t i e r e n d e r Zusatz! Die LXX-Lesart g e h t auf d e n Versuch zurück, stilistische S p a n n u n g e n zu vermeiden. „Dieser ganze R e s t " ist z u d e m i n s o f e r n eine r e c h t merkwürdige F o r m u l i e r u n g , als sie d e n G e d a n k e n an einen weiteren (wahren?) Rest b e i n h a l t e t ! 359 Zu "IK©: . . . vgl. 2 . K ö n 19,30 (= J e s 3 7 , 3 1 ) ; Z e p h 2,7; 3 , 1 2 ; 2.Chr 34,21. 360 Vgl. ähnlich J e s 37,4. 361 Das übersieht Wanke, w e n n er m e i n t (S. 120, A n m . 7), in V. 1 u n d V. 8 usf. liege eine nachträgliche Verallgemeinerung des Sachverhalts vor, die Hinweise auf das ganze V o l k seinen s e k u n d ä r (vgl. auch zu J e r 4 3 ; aaO, S. 126, A n m . 2 6 ; S. 129, A n m . 3 6 ) . S c h o n im G r u n d b e s t a n d dieses Kapitels, w o z u V. 2 in j e d e m Fall zählt, ging es also u m eine V e r s a m m l u n g des „ g a n z e n Volkes".

355

126

Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

V. 3 gibt das Ziel der Fürbitte des Propheten bei J a h w e an 3 6 2 . Erbeten wird eine A u s k u n f t J a h w e s 3 6 3 darüber, w i e man sich j e t z t generell verhalten soll, über „ d e n Weg, auf dem wir gehen . . ," 3 6 4 . Ober die Reaktion des Propheten berichten die V. 2 und 3. Jeremía läßt sich auf die B i t t e 3 6 5 so, wie sie umschrieben und begründet wurde ( D D n a i S ) , e i n 3 6 6 und versichert ausdrücklich, daß er J a h w e s A u s k u n f t , o h n e etwas zu übergehen 3 6 7 , übermitteln wird. In den V. 5—6 melden sich die Bittsteller n o c h einmal zu Wort 3 6 8 . Daß man gemäß der A u s k u n f t J a h w e s handeln werde, war an sich mit der in V. 2 enthaltenen Bitte implizit s c h o n angedeutet; d e n n o c h ist V. 5 hier sinnvoll, da er mit der ausdrücklichen Versicherung 3 6 9 des Volkes d e m vorausgegangenen Vers und der darin enthaltenen Zusage des Propheten korrespondiert: Der Prophet will alles genau mitteilen (V. 4 ) , die Bittsteller w o l l e n alles genau tun (V. 5 ) 3 7 0 . V. 6 enthält mehrere Merkwürdigkeiten, erscheint z u d e m als inhaltliche Wiederholung v o n V. 5. Das ,,ob gut oder ob s c h l e c h t " 3 7 1 am 362 Vgl. Jer 37,3, wo das Ziel der Fürbitte fehlt. 363 TJ3 hi. mit Jahwe als Subjekt Jer 33,3; l.Sam 23,11; Dtn 30,18; Jes 43,12; 48,3 (2.Sam 7,11). 364 Vg] l.Sam 9,6; hier ist „der Gottesmann" nach einem konkreten „Weg" gefragt; daher heißt es Π ^ Β UD^H"UTK UDTl-riN ΐ Λ Τ Γ ^ I X (Hamet Β zur Bezeichnung des Futurum, wenn nicht die Dauer einer Handlung gemeint ist!), während es in Jer 42,3 ( m " ^ UtfX -|-ΠΠ"ηΝ ΓΠΓΓ ΐ Λ ' Ι Π = Mare' Β) um ein duratives bzw. grundsätzliches Handeln geht (Zu den Funktionen der hebräischen .Tempora', bzw. zu den Funktionen des Hamet und des Mare' vgl. besonders H. Bobzin, Die .Tempora' im Hiobbuch, Diss. Marburg, 1974, S. 30ff.). — Daß Jer 42,3 nicht an einen konkreten Weg, sondern an eine Verhaltensweise gedacht ist, belegen Jer 7,23; Dtn 5,33(!); l.Sam 12,23; zu i m mit folgendem Π»» (1. Pers. pi. comm.) vgl. Ex 24,3.7; 19,8; Dtn 5,17. 3 « Vgl. l.Sam 12,19.23; Nu 21,7. ** Zu Tiyaty vgl. l.Sam 12,1. Jer 37,3.6. wird auf die Bitte direkt folgend (V. 4—5 sind eingeschobene Situationsangaben) das Jahwewort an Jeremía mitgeteilt. 367 Vgl. Jer 38,14. 368 V. 5 benutzt einleitend das Stilmittel der Inversion (vgl. l.Kön 22,23, wo Π0Ν Π0Π eine Handlung innerhalb der Haupthandlung bezeichnet). Hier (Jer 42,5) hat die Inversion betonenden Charakter. Zur Inversion vgl. Richter, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Richterbuch, Bonn 1963, S. 355f. 369 Zur Benennung Jahwes als „Zeugen" vgl. Gen 31,50; l.Sam 12,5; Mi 1,2; Mal 3,5; s.a. Ri 11,10; „wahre Zeugen" begegnen Jes 8,2. 370 Die besondere Bereitschaft, „auf Jahwes Stimme zu hören" oder „alles zu tun . . . " wird ähnlich betont in Dtn 5,27; Ex 19,8; 24,3,7; Jos 24,24, jeweils also, wo ein Prophet als Mittler zwischen Jahwe und dem Volk auftritt; vgl. ferner Ri 11,10; (2.Kön 10,5 als Ergebenheitsformel an Jehu gerichtet; Jer 35,10 gegenüber Jonadab) ; in Verbindung mit S7HWJ begegnet ΠίΡ»2 Dtn 30, 12.13; Jer 35,10; Dtn 5,27(!); Jos l,16f; Ex 24,7. 371 Zu ergänzen ist nach Jer 40,4 UT5?3.

Analyse

127

Anfang stößt sich nicht nur mit dem folgenden „damit es uns gut gehe"; diese Erwägung ist auch im Blick auf die bisherigen Versicherungen verdächtig 372 . Wenn hier überhaupt die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, der Bescheid Jahwes könnte so aussehen, daß man nicht Gefallen daran findet, so ist das hier ein zusätzlicher Gesichtspunkt, der nach Jer 42,1—4.5 — besonders V. 3 -- überraschen muß, da die Bitte um eine Auskunft Jahwes über „den Weg, den wir gehen und die Sache, die wir tun" (V. 3) eine solche „Vorerwägung" nachträglich ausschließt. Diese zusätzliche Selbstverpflichtung, in jedem Fall „auf Jahwes Stimme zu hören" 3 7 3 muß zudem im folgenden mit den Textstellen in einem Zusammenhang gesehen wer-' den, in denen das „Hören auf Jahwes Stimme" eine besondere Rolle spielt. Der hier (Jer 4 2 , 1 3 ; 42,21; besonders in 43,4.7) konstatierte Ungehorsam erscheint nach Jer 42,6 um so verwerflicher. V. 6 ist somit deutlich im Blick auf diese Stellen verfaßt, was sich für Jer 42,1—5 nicht feststellen ließ 3 7 4 . V. 6 setzt sich ferner im wesentlichen aus vorgeprägten Wendungen zusammen, die nicht aufeinander abgestimmt sind 3 7 5 . In V. 8 3 7 6 lesen wir, daß Jeremía „Jochanan . . . und alle Heerführer . . . und das ganze Volk, klein und groß" zu sich ruft. Merkwürdig Vgl. . . . i m n - V D : in v. 5. 373

Diese Formulierung begegnet auffallenderweise gleich zweimal. Thiel (aaO, S. 575; vgl. auch Wanke, aaO, S. 126) führt V. 6 auf deuteronomistische Redaktionsarbeit zurück. Der Hinweis, daß V. 6 zahlreiche Wendungen enthalte, die diese deuteronomistische Redaktion auch sonst verwende, ist jedoch als Argument für den Nachtragscharakter deswegen nicht allein ausreichend, weil sich auch in J e r 42,1—5 solche deuteronomistischen Formeln und Sprachelemente nachweisen lassen; vgl. besonders V. 3 ~1~Π3 Ι ^ Π und Dtn 5,33; l.Sam 12,23; J e r 7,23; ähnlich V. 5 und Dtn 5,27; 30,12.13; J o s 1,16. Wichtiger sind die Spannungen, die zwischen V. 6 und V. 1—5 erkannt wurden. Vgl. . . . und T ^ - a O " IPN ^O 1 ?; daß ΓΠΓΓ Vipa 5?ÖS? durch eine Einschaltung (.jemanden zu Jahwe senden" begegnet nur noch J e r 42,9.20) auseinandergerissen wird, ist sonst (außer J e r 43,4 und Hag 1,12) nicht zu belegen; . . . 3Ü"'1 ]57Ql7 oder . . . 3Ü,V1 (o.a.) wird sonst lediglich verwendet, wenn zui Einhaltung der Gebote oder zum Hören auf Jahwes Stimme aufgefordert wird (vgl. Dtn 4,40; 5,16.26; 6,3.18; 12,25.28; 22,7; J e r 7,23; 38,20; 2.Kön 25,24/Jer 40,9 in der Aufforderung, dem König von Babel zu dienen.), taucht aber niemals als Begründung im Zusammenhang einer Selbstverpflichtung auf (vgl. J o s 24,24; Dtn 26,14 Bekenntnis). 376 Zur Weiterführung von ΠΙΓΓ—ΠΪ Τ Π (V. 7) mit . . . Sip 11 ! (V. 8) ist l . K ö n 13,20 zu vergleichen. Daß nicht sofort der Inhalt des Jahwewortes folgen muß, belegen auch J e r 28,12; 33,1; 36,27. — Über die Bedeutung und Funktion des Zeitraums von „zehn Tagen" lassen sich nur Vermutungen anstellen (vgl. dazu J e r 28,12!). 374

128

Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

ist, daß NTp hier einmal mit und dann anschließend mit V konstruiert wird. Nach Rudolph311, der sich auf König378 beruft, wäre Weiterführung von Vx 379 . Untersucht man den Sprachgebrauch von t o p c. 1? 380 , so stellt sich allerdings heraus, daß in der Regel damit ein „Herbeirufen" im Sinne von „zu sich rufen, holen lassen, versammeln" ausgedrückt wird 381 , und daß diese Konstruktion jeweils dann verwendet wird, wenn zwischen dem, der „ r u f t " und dem, der „gerufen wird", eine gewisse räumliche Trennung besteht, die unter Umständen die Einschaltung einer weiteren Person erforderlich macht. Nlp c. dagegen ist hauptsächlich im Sinne von „anrufen, ansprechen, aufrufen, berufen" gebräuchlich, und zwar jeweils dann, wenn man sich in Rufnähe oder Sichtweite aufhält und direkter Kontakt möglich ist 382 . Da nach der Darstellung von V. 7 zwischen dem Zeitpunkt der Prophetenbeauftragung und dem Ergehen des Jahwewortes ein Zeitraum von zehn Tagen liegt, ist anzunehmen, daß der Autor in V. 8 eine Neueinberufung der Versammlung vor Augen hat. Es ist kaum denkbar, daß er sich den ganzen Vorgang so vorstellte, als hätten sich Jochanan und alle übrigen Beteiligten während der zehn Tage in unmittelbarer Nähe Jeremias aufgehalten, so daß der Prophet sie lediglich „aufzurufen" oder „anzurufen" brauchte, wie V. 8a zu übersetzen wäre. Wenn nun die zweite Vershälfte in der sonst immer üblichen Formulierung auf die vom Kontext her zu erwartende Einberufung der Versammlung eingeht, so liegt es nahe, die Abweichungen im Sprachgebrauch zwischen der ersten und zweiten Vershälfte damit zu erklären, daß , Jochanan . . . und alle Heerführer . . . " in V. 8a oberflächlich und 377

Komm. Jer., z.St. Lehrgebäude der hebräischen Sprache, II, 2, § 319 o. 379 So auch Wanke, aaO, S. 118, der außerdem V. 8b (zusammen mit V. lb) als nachträgliche Erweiterung auffassen will (S. 131); Ehrlich, Randglossen, 4. Bd., S. 347, ändert in . . . „Die Korruption entstand durch Mißverständnis von V in ] ü p n V ' (ebd.). 380 Nach Abzug aller Stellen, wo Ñ i p e . „benennen" (z.B. 2.Sam 11,13 u.ö.) bedeutet. 381 Vgl. Gen 12,18; 20,8.9; 24,57.58; 26,9; 31,4; 39,14; Ex 7,11; 8,4.21 (s. BHS App.); 9,27; 10,16 (vgl. 10,11); 12,21.31; 19,7.20; Lev 9,1; Nu 16,12; 22,5.37; Dtn 3 1 , 7 ; J o s 9,22; 23,2(!); 24,1.9; Ri 4,6; 12,1; 16,18.25; l.Sam 3,5ff; 19,7; 2.Sam 1,15; 9,2; 21,2; l.Kön 1,32; 2,36.42; 12,3; 20,7; 2.Kön 4,12.15.36 (s. BHS App.); 9,1; 12,8; Jer 1,15 u.ö. 382 Vgl. Gen 19,5; Ex 34,31; 36,2; Lev 10,4; Dtn 5,1 (vgl. 1 , 1 - 5 ) ; 29,1; Jos 6,6; 10,24; Ri 9,54; 18,23; l.Sam 9,26; 16,8(!); 17,8(!); 26,14; 29,6; 2.Sam 1,7(!); 15,2; l.Kön 13,21; 17,10.11; 18,3; 22,9; 2.Kön 4,22; 6,11; 7 , 1 0 ( 0 u.ö. An einigen Stellen liegt Dittographie vor (VfSlNIp''), z.B. 2.Kön 4,36; 2.Sam 14,33(0, so daß auch hier ursprünglich der Bedeutung entsprechend NTp c. V zu lesen war. 378

Analyse

129

nicht auf die zweite Vershälfte abgestimmt nachgetragen w u r d e n 3 8 3 . Da auch sonst J e r 4 2 keinerlei Anzeichen enthält, die für eine feste Verankerung der in 4 2 , 1 und 8 erwähnten Personen in diesem Kapitel sprechen, sie sich vielmehr, ohne das Gesamtgefälle des T e x t e s zu ändern, ausklammern lassen, an 4 2 , 1 außerdem noch die oben erwähnte sonst nicht übliche Reihenfolge der Personen auffällt, enthielt demnach J e r 4 2 ursprünglich lediglich Nachrichten über eine Versammlung des Restvolkes o h n e die Heerführer. In V. 9 ist die zweite Vershälfte nach der B o t e n f o r m e l sicherlich nicht ursprünglich (einschließlich b t n i r T i V x ? ) 3 8 4 . Denn zwischen B o t e n f o r m e l 3 8 5 und dem eigentlichen J a h w e w o r t ist der eingeschaltete Relativsatz nicht nur formal auffällig, da normalerweise auf die B o t e n f o r m e l das J a h w e w o r t direkt folgt, sondern auch inhaltlich überflüssig 3 8 6 . Die Verse 10—18 enthalten die mit der B o t e n f o r m e l in V . 9 angekündigte J a h w e r e d e ; daran anschließend spricht in V . 19—22 der Prophet selbst. Jer 42,10-18 Die J a h w e r e d e in V . 10 setzt ein mit einer bedingten Heilszusage, die abschließend begründet wird. Die Bedingung 3 8 7 , an die die Heilszusage geknüpft ist, scheint aus einer Situation heraus formuliert zu sein, in der der Verbleib im Lande zum Problem geworden war, bzw. größere Auswanderungsbewegungen eine Rolle spielten. Die Heilszusage selbst verwendet Formulierungen, die wörtlich schon in J e r 2 4 , 6 b e g e g n e n 3 8 8 , dort allerdings ausschließlich für die G o l a in Bab y l o n in Anspruch g e n o m m e n sind.

Das geschah durch einfache Übernahme der Reihenfolge von Jer 41,16 einschließlich des 1ΓΙΝ TBK, das Jer 42,8 vollkommen überflüssig ist (fehlt in der LXX, ebenso „ben Koreach"; die L X X kürzt teilweise bewußt; vgl. Jer 40,13 und 40,15.16! 41,11 und 14.16; zu den absichtlichen Kürzungen der L X X vgl. Giesebrecht, Komm. Jer., S. XXXIIff!). 3 8 4 Fehlen in der L X X könnte auf absichtliches Übergehen der bloß wiederholenden Floskeln zurückgehen. Vgl. Jer 37,7.9; 38,2.3; 39,16; 44,2.7.11.25; 45,2 u.ö. mit Vinir Vi"?**. 386 Duhm, Komm. Jer., z.St. rechnet mit Zusätzen; vgl. auch Thiel, aaO, S. 575, der zudem auf leichte sprachliche Differenzen zwischen V. 9b und V. 2 und V. 5 hinweist. 387 Zur Aufforderung, im Lande zu bleiben, vgl. auch Jer 40,9 (und 2.Kön 25,24). 3 8 8 ,,Ich baue sie und reiße sie nicht ein, ich pflanze sie und reiße sie nicht aus . . . " 383

9 Pohlmann, Jeremiabuch

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Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

Mit Recht nimmt man im allgemeinen an, daß die terminologischen Übereinstimmungen an diesen beiden Stellen wie auch sonst 3 8 9 nicht zufällig sein können 3 9 0 . Wenn man allerdings konstatiert, „daß die programmatische Begriffsreihe aus 1,10 in unter sich sprachlich, inhaltlich und strukturell verwandten Zusammenhängen steht, die bis zur terminologischen Ubereinstimmung reichen und deuteronomischdeuteronomistisches Gepräge auch in der Durchführung aller wesentlichen Gedanken zeigen" 3 9 1 , so ist dem nur eingeschränkt zuzustimmen. Gerade eine Gegenüberstellung von J e r 42,10 und J e r 24,6, wo die „programmatische Begriffs reihe" fast wörtlich übereinstimmt, deckt Diskrepanzen und Spannungen zwischen den jeweiligen Kontexten auf, die daraufhindeuten, daß sich hier verschiedene Konzeptionen ausdrücken. Ist es denkbar, daß ein und derselbe Redaktor bzw. eine und dieselbe theologische Schule einerseits in J e r 42 den im Lande Verbliebenen die, wenn auch an Bedingungen geknüpfte, Möglichkeit einer von Jahwe gestalteten heilvollen Zukunft anbietet, andererseits jedoch schon in Jer 24 diese heilvolle Zukunft lediglich den Exilierten in Babylon vorbehält und die im Lande Zurückgebliebenen ausdrücklich davon ausnimmt? Oder kann umgekehrt ein und dieselbe Hand in J e r 24 programmatisch das Heil auf die babylonische Gola beschränken, später aber an anderer Stelle (Jer 42) dem „Rest" im Lande doch noch eine Chance zugestehen? Die offensichtlichen terminologischen Berührungen zwischen beiden Texten dürfen uns nicht den Blick dafür verstellen, daß sich in J e r 24 und J e r 42 jeweils ganz verschiedene Vorstellungen über den Gang der Heilsgeschichte ausdrücken, die sich gegenseitig ausschließen. J e r 42,10 bietet eine heilvolle Zukunft an unter der Bedingung 392 , daß man im Lande bleibt. Jahwe wird sich dem Rest im Lande wieder zuwenden; denn sein Gerichtshandeln ist abgeschlossen 393 . Das Land selbst, das Festhalten am Land gewährleistet, daß Jahwe seinem Volk wieder aufhilft.

389 Vgl. Jer 1,10; 12,14ff; 18,7ff; 31,28ff.38ff; u.ö. 390 Vgl Herrmann, Die prophetischen Heilserwartungen, S. 162ff; im Anschluß an Herrmann ferner Wanke, aaO, S. 125f; Thiel, aaO, S. 118.120 und jeweils zu den fraglichen Stellen. 391 So Herrmann, aaO, S. 169. 392 Das Nichteinhalten dieser Bedingung, also das Verlassen des Landes, hat nicht eigentlich neues Unheil zur Folge, es bewirkt aber eine Fortdauer der Unheilssituation in Ägypten (V. 16). 393 Vgl. 42,10b „denn es reut mich das Unheil, das ich euch angetan habe".

Analyse

131

J e r 24 hat von vornherein und unzweideutig festgelegt, daß gerade die, die im Lande bleiben konnten, bis hin zu denen, „die in Ägypten wohnen", verworfen sind und vertilgt werden, so daß sie schließlich ganz aus dem Land verschwinden. Jahwe stellt sich ausschließlich auf die Seite der babylonischen Gola; nur ihr gelten die Zusagen, daß J a h w e ,aufbauen werde . . . " Die von Wanke im Anschluß an Herrmann vollzogen Feststellung, daß J e r 42,10 einer deuteronomistischen Bearbeitung des Jeremiabuches zuzurechnen sei 394 , die in „besonders enger Beziehung zu den genannten Abschnitten steht" 3 9 5 , läßt sich demnach so nicht aufrecht erhalten. Der deuteronomistische Sprachcharakter einzelner Stellen oder Abschnitte allein kann noch kein ausreichender Grund sein, von einer einheitlichen deuteronomistischen Bearbeitung des Jeremiabuches auszugehen, wie die Gegenüberstellung von J e r 42,10 und J e r 24,6 beweist. Die Problemlage erscheint um einiges komplizierter 3 9 6 . Die Begründung der Heilszusage (V. 10b) 3 9 7 hat deutlich das ganze Volk vor Augen 3 9 8 . Denn die Formulierung „das Böse, das ich euch getan habe" kann sich nur auf die Katastrophe beziehen, die das ganze Volk mit der Unterjochung unter die Babylonier getroffen hatte. V. 11 Wenn hier auf die mit der Bedingung in V. 10 implizit ausgesprochene Aufforderung „im Lande zu bleiben" die Mahnung folgt „fürchtet euch nicht vor dem König von Babel" 3 9 9 , so erinnert das an J e r 40,9 4 0 0 . Dort liegt allerdings die umgekehrte Reihenfolge (1. „Fürchtet euch nicht . . . " ; 2. „Bleibt im Lande . . . " ) vor 4 0 1 . Selbst wenn man diese Parallelität als Argument dafür anführt, daß 39i

Vgl. auch Thiel, aaO, S. 575. Wanke, Baruchschrift, S. 126. 396 Auch Wanke merkt schließlich an, daß möglicherweise mit mehreren Bearbeitungen zu rechnen sei (S. 129, Anm. 32). Vgl. Jer 18,18; 26,3.13.19; 2.Sam 24,16; Joel 2,13; Ex 32,12.14. 398 Vgl. schon oben zu Jer 42,2 (sowie V. 1 und V. 8). 399 Durch das dreimalige N T wirkt der Vers stark überladen (vgl. Duhm, Komm. Jer., S. 322). 400 Jer 40,9: „Fürchtet euch nicht vor den Knechten der Chaldäer" (so LXX und 2.Kön 25,24); die Aufforderung ist hier lediglich an die Heerführer und ihre Leute gerichtet. "Ol Wie Nu 14,9; Dtn 1,21; 20,Iff; 31,6; Jes 51,7; Joel 2,22; Hag 2,5; Sach 8,13.15(!); Neh 4,8; 2.Chr 20,17 und andere Stellen zeigen, kann die Beistandszusage auch eine bestätigende Funktion warhnehmen, und ein vorausgehendes Wort abschließen, so daß auch die in Jer 42,10.11 vorliegende Abfolge möglich ist. 395

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Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

somit der Anschluß von V. 11 an V. 10 gut möglich ist, so läßt sich andererseits doch nicht übersehen, daß V. 11 zusammen mit V. 12 die beiden in V. 10 und V. 13 enthaltenen Teile der Alternative auseinanderdrängen 4 0 2 . Aber auch die Fortsetzung von V. 11 mit V. 12 ist nicht unproblematisch. Die beiden Verse können in der Fassung von M kaum von ein und derselben Hand stammen; denn es ist höchst merkwürdig, daß nach der Beistandszusage gegen den König von Babel in V. 11 anschließend noch versichert wird, derselbe König (aus dessen Hand Jahwe erretten will, wie V. 11 formuliert!) werde „sich erbarmen . . . " . Die LXX liest V. 12 ganz in der 1. Person Jahwes 4 0 3 , wäre also in diesem Punkt besser mit V. 11 in Einklang zu bringen 4 0 4 . Außerdem wäre mit J a h w e als Subjekt in V. 12 auch die Aussage „euch in euer Land zurückkehren lassen" besser auf das „euch aus seiner Hand (des Königs von Babel) retten" in V. 11 abgestimmt 4 0 5 . Auf diese Weise ließen sich zwar die Spannungen zwischen V. 11 und V. 12 beheben. Um so größer allerdings wäre jetzt der Widerspruch zu V. 10. Während dieser Vers mit seinen Aussagen der für J e r 42 vorausgesetzten Situation genau Rechnung trägt, würden V. 11 und V. 12 ein dieser Situation vollkommen unangemessenes Thema unangemessen zur Sprache bringen: Hier wäre von der Errettung aus der Hand des Königs von Babel und einer Rückkehrermöglichung durch J a h w e die Rede, obwohl mein sich nach V. 10 4 0 6 402 Vgl. die Alternativen χ1? η Kl - DN in Jer 38,17.18; 12,16.17; 17,24ff; 22, 4.5. 403 Zu D ' B m D3V JUKI mit folgendem D m bei gleichem Subjekt und Objekt vgl. Dtn 13,18; für M kann man auf l.Kön 8,50 (vgl. auch Ps 106,46) verweisen. 404 Unklar ist in V. 12, ob es in der zweiten Vershälfte Π^ΠΙ (M! — So auch Wanke, Baruchschrift, S. 118; Thiel, aaO, S. 576; ferner die Kommentare zu Jeremia von Rudolph und Weiser, jeweils z.St.) oder S'tpni (so a ' © $ ; femer die Kommentare von Duhm, Giesebrecht, Volz z.St.) heißen muß. Eine Uberprüfung des Sprachgebrauchs ergibt, daß „wohnen lassen" mit folgender Ortsangabe c. Präposition nie mit oder *?5? (Einzige Ausnahme wäre Hos 11,11! — Vgl. aber BHS App.!), sondern mit 3 konstruiert wird (vgl. Gen 47,6; l.Sam 12,8; 30,21; 2.Kön 17,6.24.26; Hos 12,11 u.ö.). Demnach muß in V. 12 3"'©ΠΙ gelesen werden. 311? hi kennt in der Regel nur Jahwe als Subjekt (vgl. z.B. i.Kön 8,34; Gen 28,15; Jer 16,15 (24,6), wenn es in einer Verbindung mit QDnmX" 1 ?« o.a. auftaucht; das bestätigt die Lesart der LXX (= T n i ^ m ) , so daß anstelle der 3. Person (M) hier die 1. Person ursprünglich gewesen sein könnte. tos Daß γ . 12 D2DK T l U ^ m (LXX) zu DSD« (M) verlesen wurde, ist gut vorstellbar. 406 Dort heißt es ja nicht: „Kehrt um und bleibt . . . ! " Vgl. auch Jer 42,13!

Analyse

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noch im Lande selbst aufhält. Selbst unter Berücksichtigung von J e r 41,17 in der jetzigen Form 4 0 7 wären die Formulierungen „aus der Hand des Königs von Babel retten" bzw. „euch in euer Land zurückkehren lassen" (V. 12) recht übertrieben, falls man sie als „eine auf den speziellen Fall bezogene Aussage" 4 0 8 verstehen will, in dem Sinne, als sei damit gemeint, die Judäer dürften von der Grenze wieder in ihr Land zurückkehren. Wählt man also für V. 12 die LXX-Lesart, so kann dieser Vers zusammen mit V. 11 nur als späterer Zusatz zu V. 10 eingestuft werden 4 0 9 . Zieht man die andere, weniger wahrscheinliche Möglichkeit in Betracht, mit M in V. 12 den König von Babel als Subjekt anzusehen — jedenfalls von V. 12aß an —, so kann man die dann zwischen V. 11 und V. 12 bestehenden Spannungen damit erklären, daß, wie oben schon angedeutet, V. 12 auf einen anderen Verfasser zurückzuführen ist als V. 11, also späterer uminterpretierender Zusatz ist. V. 12 versucht dann eindeutig den in V. 11 erwähnten König von Babel nachträglich positiver zu charakterisieren und ihn gleichsam als Mitarbeiter Jahwes herauszustellen, während er nach V. 11 eher als zu überwindender Gegenspieler, dem man etwas entreißen muß, aufzufassen wäre. Im übrigen gilt auch hier das oben Gesagte 410 . V. 12 ist also in keinem Fall ursprünglich. Es handelt sich hier entweder (LXX-Lesart) zusammen mit V. 11 um einen akzentverschiebenden Zusatz zu V. 10 oder (M-Lesart) um eine uminterpretierende Erweiterung zu V. 11. Die Entscheidung darüber, ob V. 11 als originale Fortsetzung von V. 10 bewertet werden darf oder aber erst später (allerdings früher als V. 12!) nachgetragen wurde, mag offen bleiben 4 1 1 . Eine ursprüngliche Weiterführung von V. 10 mit V. 11 ist immerhin nicht unmöglich 4 1 2 . Dagegen spricht zwar, daß V. 11 die beiden in V. 10 und V. 13 enthaltenen Teile der Alternative auseinanderreißt. Andererseits spielt das Motiv R"V in V. 16 eine Rolle, so daß V. 10 407

Von einem Verlassen kann auch hier keine Rede sein, da man sich noch im Raum von Bethlehem aufhält; vgl. außerdem zu Jer 41,16ff oben S. 119ff. 408 Thiel, aaO, S. 576. 409 Dieser Zusatz hätte die Funktion, die Versammlung des ganzen Volkes (V. 1 und V. 8) als eine Zusammenkunft derer zu kennzeichnen, die das Land schon verlassen haben, also (gegen Jer 42,10 und 13) schon auf dem Weg nach Ägypten sind. 41 Vgl. oben Anm. 409! 411 V. 11 wird daher im folgenden (vgl. die zusammenfassenden Partien!) mit (11) gekennzeichnet. 412 Vgl. oben Anm. 401!

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Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

mit folgendem V. 11 und V. 13.14.16 4 1 3 in gewisser Hinsicht aufeinander abgestimmt erschëinen. Wir kommen auf die oben erwähnte 4 1 4 Parallelität zwischen J e r 42,10f und J e r 40,9 zurück. Zwischen beiden Textstellen müssen Beziehungen bestehen. Da gezeigt werden konnte, daß J e r 40,7ff eine spätere Einschaltung ist, in V. 9 zudem die Aufforderung, im Lande zu bleiben, an dieser Stelle merkwürdig klingt 4 1 5 , ist davon auszugehen, daß der für J e r 40,7ff zuständige Verfasser bei der Gestaltung dieses Abschnitts J e r 42,10f ausgewertet hat. Die hier somit vorausgesetzte Verbindung zwischen J e r 42,10 und V. 11 muß deswegen allerdings noch nicht ursprünglich sein. V. 13 knüpft deutlich an V. 10 an und enthält zusammen mit V. 14 die negative Seite der Alternative 4 1 6 . Die syntaktische und inhaltliche Weiterführung erfolgt in V. 16 (Drohwort). V. 15, auffällig mit der Botenformel versehen, wiederholt lediglich mit anderen Worten, was in V. 13 und V. 14 schon zu lesen war, ist also Dublette. Dieser merkwürdigen Doppelung entspricht, daß nicht nur V. 16, sondern auch in V. 17 ein Drohwort mitgeteilt wird 4 1 7 . Als eine einfache Weiterführung von V. 16 kann V. 17 schon deswegen nicht verstanden werden, weil die Anrede in der 2. Person (V. 16) nicht durchgehalten wird. Zudem bezieht sich V. 17 deutlich auf den als Dublette zu V. 13f erkannten V. 15, indem die gleichen Formulierungen wie dort verwendet werden 4 1 8 . V. 18, mit Ό und Botenformel eingeleitet, will offensichtlich die vorausgegangenen Drohworte begründen, enthält jedoch merkwürdigerweise weder Anklagen noch Vorwürfe, sondern lediglich eine weitere Drohung, die durch einen Hinweis auf Jahwes Zornesgericht über Jerusalem erläutert wird. Der in den Versen 10.(11).13.14. und 16 vorliegende Argumentationsgang erübrigt eine solche Begründung: Da in V. 10 Jahwes Heilshandeln an Bedingungen geknüpft war, impliziert das Nichteinhalten dieser Bedingungen das Ausbleiben des Heilshandelns, bzw. Unheil. 413

V. 16 ist V. 13 und V. 14 zuzuordnen (Vgl. dazu unten!). Siehe dazu oben S. 131f. 41 * Siehe oben S. 113. 416 DSTiVn ΠΊΓΓ ^Ipa •'TlVa1? in V. 13 berücksichtigt nicht, daß Jahwe selbst spricht, ist also Zusatz, der mit V. 6, wahrscheinlich auch mit V. 21 sowie Jer 43,4.7 (vgl. dazu unten!) in Verbindung steht. 4 " Vgl. nur V. 16 (Ende) ΊΓ0Π Dtfl und V. 17 ΐ η Ί 0 \ 414

418 vgl. atf -mV a n s » xiaV a n s n-to! v g i. dazu 42,14 a n s a p s κι η ohne Btf TUV, dafür mit

DW1 !

Analyse

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Die Zweistrangigkeit im Aufbau dieses Abschnitts (Jer 42,10—18) ist somit unübersehbar 4 1 9 . Einander zuzuordnen sind 42,10(11)13. 14.16 einerseits und (12)15.17.18 andererseits. Da die jetzige Textfolge nur das Ergebnis einer sekundären Verschachtelung sein kann, ist zu fragen, welcher Versgruppe die Priorität zuzuerkennen ist. Wanke420 vermutet, daß 42,15.17f zusammen mit V. l l f ursprünglicher ist 4 2 1 . „Das Wort V. 10.13f. 16, das sich aufgrund seiner grundsätzlicheren und reflektierteren theologischen Position als jünger" erweise 4 2 2 , könne „sich dagegen gut an die durch Heilswort (V. l l f ) und bedingtes Drohwort (V. 17 — 18) angedeutete Heils — Unheilsalternative angeschlossen haben, und . . . diese explizit" ausgestalten 4 2 3 . An dieser Auffassung ist jedoch nicht nur problematisch, daß V. 11 keineswegs so eindeutig mit V. 15.17f in Verbindung gebracht werden kann 4 2 4 . V. 15 aber (zusammen mit V. 17f) allein wäre sowohl für die Betroffenen wie für den Leser eine unbefriedigende und uneinsichtige Antwort, die der in J e r 4 2 , I f f dargestellten Situation nicht gerecht wird. Denn daß es ein Fehler war und blieb, nach Ägypten zu ziehen, kann ja nur dann überzeugen, wenn die Möglichkeit, im Lande zu bleiben, überhaupt erst einmal durch Hinweise auf gewisse Zukunftsaussichten in den Blick gerückt worden war 4 2 5 . Entscheidend ist, daß V. 17 als Fortsetzung von V. 15 in der dritten Person formuliert ist und somit aus der direkten Anrede 4 2 6 herausfällt 4 2 7 . Das bedeutet, daß V. 17 auf diese Weise eine an die Versammelten ergangene Warnung vor der Auswanderung nach Ägypten ge41

» So auch Wanke, aaO, S. 122; Thiel (aaO, S. 579f) will die Verse 1 0 - 1 8 ganz (außer V. 17) als Produkt einer deuteronomistischen Redaktion auffassen, wird damit allerdings den Spannungen und Doppelungen sowie den stilistischen Unterschieden im Text nicht gerecht. 420 Wanke, aaO, S. 130. 421 Diese Verse gehörten nach Wanke allerdings auch schon nicht mehr zum ursprünglichen Bestand von Jer 42; s.o. S. 123. 422 Siehe dazu aber oben zu V. 10; dort auch die kritischen Einwände. 423 Wanke, aaO, S. 130. 424 Vgl. dazu oben! V. 12 fällt aufgrund der oben vorgelegten Analyse ohnehin aus. « s Vgl. ähnlich Jer 40,9 im Blick auf Jer 40,1 lf. 426 Vgl. den gesamten Kontext! 427 Das wird von Wanke übersehen! — Thiel will gerade diesen Vers für einen „authentische(n) Gottesspruch" halten. Merkwürdig ist seine Begründung, wenn er feststellt, daß der in V. 17 vorliegende Personenwechsel erfahrungsgemäß auf eine Naht verweise, „also auf einen älteren aufgenommen Text" (vgl. aaO, S. 573). — Nähte sind mitunter auch Folgen jüngerer Einschübe!

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neralisiert. Der Vers will dem möglichen „MißVerständnis" wehren, diese Warnung sei lediglich damals in einer konkreten Situation, an ganz bestimmte Leute gerichtet gewesen. Alle, die gegenwärtig oder künftig nach Ägypten abwandern wollen, sind hier gemeint. Muß man daher V. 17 als interpretierenden, die bisherigen Aussagen ausweitenden Zusatz einordnen, dann auch die sprachlich mit diesem Vers verwandte Dublette zu V. 13f, nämlich V. 15 und folglich auch V. 18 428 . Außer der sprachlichen Verwandtschaft untereinander 4 2 9 lassen sich auch enge sprachliche und gedankliche Berührungen zu J e r 44 feststellen, so besonders zwischen J e r 42,17 und 44,14 4 3 0 ; die gleiche Argumentation wie in J e r 42,18 ("itfND) begegnet in 44,13 (vgl. auch 44,12), ist dort allerdings anders als in J e r 42,18 einleuchtend, da die J u d e n in Ägypten durch den Kontext 4 3 1 ähnlich charakterisiert werden wie die Einwohner Jerusalems, die von Jahwe abgefallen sind. Nach J e r 44,13 trifft die J u d e n in Ägypten Jahwes Zorn wie einst Jerusalem, weil sie die gleiche Schuld auf sich laden. Folglich nimmt J e r 42,18 die im Kontext von J e r 44 durchaus sachgemäße Aussage, mit der dort Jahwes Strafhandeln begründet werden soll, vorweg, ohne zu beachten, daß die für diese Aussage gegebenen Voraussetzungen (Fremdgötterkulte in Ägypten) für die Situation in J e r 42 noch gar nicht zutreffen. V. 18 ist daher deutlich im Vorgriff auf J e r 44 in J e r 42 sekundär eingeschaltet worden. Die in diesem Vers enthaltenen Drohungen mit Jahwes Zorn, mit Fluch, Schande usw. (vgl. auch V. 17) sind zudem sehr gut als erweiternde Aussagen zu den in V. 16 vorliegenden Warnungen denkbar, weil sie deutlich darüber hinaus gehen wollen. Damit dürfte die Priorität von J e r 42,10 (11)13.14.16 gegenüber J e r 42,(12)15.17.18 sicher gestellt sein. Jer 42,19-22 Daß sich jetzt die das Kapitel abschließenden Verse durch V. 19 (Anfang) und zumal durch die in V. 20 einsetzende Prophetenrede von den vorausgehenden Versen (Jahwerede V. 10—18) abheben, ist deutlich. Der Abschnitt enthält eine Fülle von Problemen. Volz, Weiser, Nötscher, Rudolph432 u.a. bestreiten daß diese Verse überhaupt noch ihre ihnen ursprünglich zugedachte Stellung inne« 8 γ . 18 Ende erinnert an Jer 2 2 , l l f ; vgl. auch 22,27. 429 Siehe oben Anm. 418. Vgl. hier auch Wanke, aaO, S. 127f. «» Vgl. Jer 44,2.3.9.17. 432 Vgl. die Kommentare z.St.

Analyse

137

haben. Sie verstehen diese Verse so, als sei „inzwischen eine Widerrede der Zuhörer erfolgt" 4 3 3 und meinen daher, sie hinter J e r 43, 1—3 versetzen zu müssen. Den Worten Jeremias fehle die Begründung; „umgekehrt hinkt 43,1—3 nach 42,19—22 nach . . . ; motiviert werden die Verse erst dann, wenn man 43,1—3 vor 42,19 stellt" 4 3 4 . Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß sich dann J e r 43,2 nicht mehr auf das Jahwewort 42,19 beziehen kann, wie das in der vorliegenden Textfolge der Fall ist, dieses vielmehr erst auf 43,2 folgen würde 4 3 5 . Ferner ist nicht einzusehen, daß hier „eine inzwischen erfolgte Auflehnung gegen die Worte des Propheten voraus(ge)setzt" ist 4 3 6 . Der ganze Abschnitt hat vielmehr prospektiven, warnenden Charakter 4 3 7 . Das belegt der Gebrauch der Formel 1S"rn S T 4 3 8 ; ebenso findet DI'TI DD3 ΤΐΤ57Π~Ό439 in der deuteronomistischen Predigt als abschließende Warnung Verwendung, die künftige Verhaltensweisen im Auge hat. Selbst wenn man diese Formel mit der LXX streicht 4 4 0 , belegt ihre Einschaltung, daß dieser Abschnitt als eine Rede des Propheten verstanden wurde, die vor einer noch ausstehenden, möglicherweise falschen Entscheidung warnen will, aber noch nicht auf eine bereits getroffene Entscheidung reagiert. Damit ist die Stellung dieser Verse vor J e r 4 3 , I f f sichergestellt. Bevor jedoch das Verhältnis von J e r 42,19—22 zum näheren und weiteren Kontext, besonders zu J e r 42,5—6; 4 3 , I f f und 42,10ff erläutert werden kann, sind noch folgende Detailfragen zu klären: Daß das lsnn ST in V. 19ba noch einmal in V. 22 aufgenommen wird, ist auffällig 4 4 1 . Aussage und Wortgebrauch dieses Verses (V. 433

So Rudolph, Komm. Jer., S. 256. So Volz, Komm. Jer., S. 354. 435 Vgl. Wanke, aaO, S. 118, Anm. 3 im Anschluß an Kremers, Der leidende Prophet, Diss. Göttingen 1952. 43 « Weiser, Komm., S. 363. 437 Gegen Wanke, der V. 19bßff als eine Vorwegnahme der Entscheidung der Flüchtenden auffaßt und daher mit einer jüngeren Einschaltung zwischen 42,19ba und 22abß rechnen möchte (aaO, S. 123). 438 Oder Singl.; vgl. Gen 15,13; Jos 23,12; (l.Sam 28,1; l.Kön 2,37; Jer 26,15; 42,22). * » Vgl. Dtn 4,26; 8,19; 30,19; 31,28; 32,46; l.Sam 8,9; (vgl. auch 2.Kön 17, 13.15). 440 Der Einsatz mit Ό ist in der Tat merkwürdig (sonst nur Jer 11,7 als selbständiger Satz, der in der LXX fehlt.); ebenso die Abhängigkeit von 1S7Í1 ST 1 , falls man . . . YITSïT nicht als Parenthese einordnen will. 441 Volz will aus diesem Grunde „die Sätze 19bß (von Ό an) 20f als Parenthese . . . betrachten" (Komm. Jer., S. 354); Duhm führt V. 22 auf einen späteren Bearbeiter zurück, der ihn an die auf Baruch zurückgehenden Verse 19—21 (nach LXX) anhängte (Komm. Jer., z.St.); Wanke hält an V. 19aba und V. 22aßb „als 434

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Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

22) stehen in großer Nähe zu J e r 4 2 , 1 7 4 4 2 . Fragt man, warum hier anstelle von „Ägypten" (V. 17) von einem D1pb die Rede ist, wohin man „kommt, um zu siedeln" (Dtf "luV)443, so wird die Funktion dieses Verses deutlich: V. 22 will die im vorausgehenden Kontext enthaltene Warnung vor einer Auswanderung nach Ägypten (vgl. besonders V. 17) ausweiten zu einer generellen Warnung vor einem Verlassen des Landes überhaupt, mit welchem Zielort auch immer. Nur so erklärt sich, daß hier in V. 22 schließlich zum dritten Mal im gleichen Kapitel die Drohung auftaucht, daß man „sterben" werde 4 4 4 . Somit ist V. 22 ein Zusatz, der die Aussagen von V. 17 voraussetzt und erweitert. V. 19 Der Versanfang ist offensichtlich gestört. Die L X X liest à ¿λάλησε κύριος, was einem m r r ~ " m "itfx oder vielleicht noch eher einem ΠΙΠ"1 "13"τ "IPX Ί3ΤΠ entsprechen dürfte 445 . Als ursprünglicher Text von V. 19 wäre dann Π1ΓΓ Ί3Τ ItfN 131Π ΠΤ anzunehmen 446 . Das ΠΤ könnte alsbald durch Haplographie (V. 18 Ende!) ausgefallen sein; das Fehlen von "imn wäre ebenfalls leicht auf ein Schreiberversehen zurückzuführen. Möglich wäre allerdings auch lediglich ein einfacher Ausfall von ΠΤ447, so daß V. 19 (Anfang) eventuell mit ΠΤ ΠΊΓΡ—im einsetzte 448 . Mir scheint jedoch das mit Hilfe der L X X ursprüngliches Jahwewort der Erzählung" (aaO, S. 125) fest und erklärt den Rest für eine jüngere Einschaltung (aaO, S. 123; vgl. schon oben Anm. 437!). 4 4 2 v . 22 iman . . . m n n ; v . 1 7 . . . m m i m » 1 . v . 22 otí mi1? Nía1? . . . o i p a a ; V. 17 Da? "mS a n s a t m b . Lediglich für QMS ET2> c. inf. wird in V. 22 verwendet. 443 Wanke übersieht, daß wegen . . . D1pD3 in V. 22 die beiden Teile des von ihm als „ursprünglich" postulierten Jahwewortes (V. 19a „Geht nicht nach Ägypten" V. 19ba.22aßb „wisset wohl, daß ihr durch Schwert, Hunger und Pest sterben werdet an dem Ort, zu dem ihr gerne gehen wollt, um euch dort anzusiedeln") gar nicht auf einander abgestimmt sind. "•»Jer 42,16.17.22. ^ s So übersetzt die L X X (26,13) J e r 46,13 m i r Ί 3 Τ "IB7X 131Π mit ô έλάλησε κύριχκ (Jer 46,13 ist eine Überschrift und leitet einen neuen Abschnitt ein!); vgl. allerdings auch J e r 50,1 und L X X 27,1. 4 4 6 So auch Gtesebrecht, Komm. Jer., z.St.; vgl. zu dieser Formel 2.Kön 19,21 (= Jes 37,22); Jes 16,13; ferner ähnlich J e r 38,21. 4 4 7 Ebenso von Gtesebrecht (Komm. Jer., z.St.) erwogen; vgl. auch Duhm, Komm. Jer., z.St. u.a. 4 4 8 Allerdings wird diese Lesart, so nahe sie liegt, nicht durch die L X X bestätigt, kann auch die Entstehung der LXX-Übersetzung nicht so gut erklären. Π1ΐΤ~"137 ΠΤ ist ferner nur Sach 4,6 belegt. — I S " ! ΠΪ — so Wankes Vorschlag — ist ohne jegliche Einleitungsfloskel sonst nicht üblich.

139

Analyse

rekonstruierte m r r I D I nächsten zu kommen.

IPX

Ί3*ΤΠ ΠΤ

dem Ursprünglichen am

Die Übersetzung von J e r 42,19—21 muß jetzt lauten: „(Dies ist das Wort, das) Jahwe über euch redet 4 4 9 , Rest Judas: Geht nicht nach Ägypten! Wisset genau — denn ich habe euch heute gewarnt 4 5 0 — daß ihr euch selbst betrügen würdet 4 5 1 , wenn ihr mich (zu Jahwe eurem Gott) 4 5 2 schickt und sagt: Bitte für uns zu Jahwe (unserem Gott) 4 5 2 und alles, was Jahwe (unser Gott) 4 5 2 dir sagt, (verkünde uns, daß wir es tun) 4 S 2 das wollen wir t u n ! " (und ich es euch heute verkünde) 4 5 2 , und ihr nicht auf Jahwes (eures Gottes) 4 5 2 Stimme hören würdet in allem 4 5 3 , womit er mich zu euch sendet." Der auffällig eingeleitete Abschnitt 4 5 4 enthält ein Jahwewort 4 5 5 in V. 19a und eine direkt anschließende Warnrede des Propheten. Das Jahwewort, das in J e r 43,2 zitiert wird, faßt J e r 42,10—18 zusammen, die Prophetenrede bezieht sich auf J e r 42,1—5.(6) 456 . Der ganze Abschnitt ist ein Gemisch aus Zitatformeln (aus 42,1—5) und Formulierungen, die schon in den als Zusatz erkannten Versen J e r 42,6 und 9b üblich waren 4 5 7 . Der Schwerpunkt liegt deutlich auf den warnenden Aussagen 4 5 8 . Auf diese Weise soll in den Blick gerückt werden, daß entgegen der Darstellung von J e r 42,1—5 auch eine ablehnende Reaktion der Angesprochenen möglich ist. Die Funktion von J e r 42,19—21 besteht also darin, einen besseren Übergang von J e r 42,1—5 und den folgenden Jahweworten zu dem in J e r 43,1 ff vorliegenden Bericht über 449

Oder: „Das ist Jahwes Wort über euch . . . " Vielleicht späterer Zusatz? 451 Oder mit Duhm „schädigen würdet" (Kom. Jer., z.St.). 452 Ob die LXX hier absichtlich kürzt oder den älteren Text hat, läßt sich kaum entscheiden. 453 Siehe BHS, App. 454 Bei allen oben erwähnten Parallelstellen zu . . . Ί3"ΤΠ ΠΤ handelt es sich um Einführungen späterer Nachträge! 455 . . . "Itî'X "Ι3Τι ΠΤ kann sich allerdings auch (vgl. Lev 8,5; 9,6) auf vorausgehende Jahweworte beziehen, so daß die Aufforderung „Geht nicht nach Ägypten" als eine zusammenfassende Interpretation vorausgegangener Jahweworte im Munde des Propheten aufgefaßt werden könnte; vgl. Thiel (aaO, S. 579), der V. 19aj3 als „Zusammenfassung der Gottesbotschaft" bezeichnet. 456 V. 20aß mn , _ 1 ?N τικ Dnnbtó = v . 6.9; v . 20a? . . . m i n W a n n = V. 2aß; V. 20b irfeSI . . . V331 = V. 5b; n W bip!! tauchte bisher in Jer 42 nur in Versteilen auf, die jüngeren Ursprungs waren. 450

mrr-Vx . . . rix nVtf; mrr Vip a vntr. 458 Nach Jer 42,10ff, die außer der Verheißung deutlich schon Warnung und Drohung enthalten, ist an sich eine Weiterfuhrung, wie sie in 42,19—21 vorliegt, überflüssig.

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Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

den Ungehorsam und die Abwanderung nach Ägypten herzustellen. Denn nach der positiven Darstellung der Gesprächspartner Jeremias in J e r 4 2 , I f f würde der Leser ohne die in J e r 42,19—21 enthaltenen Warnungen an die Betroffenen in J e r 4 3 , l f f völlig unvorbereitet und überrascht von deren negativen Verhaltensweisen erfahren. Der Vorbereitung dieses Abschnitts J e r 4 3 , I f f dient auch das im Blick auf J e r 4 2 , 1 0 f f zusammenfassende „geht nicht nach Ägypten" in V. 19. d) Ergebnisse und

Folgerungen

J e r 42 ist keineswegs aus einem Guß. Mehrere Versgruppen heben sich deutlich durch Wiederholungen und unterschiedlichen Sprachgebrauch voneinander ab: a) b) c) d)

4 2 , l * - 5 . 7 - 9 * . 10.(11) 13.14.16 42,(12)15.17.18 42,6.19.20.21 42,22.

Außerdem waren in einigen Versen kleinere Einschaltungen feststellbar 4 5 9 , die mit der Verschachtelung dieser Versgruppen zusammenhängen. Die älteste Fassung des Kapitels bestand aus den Versen 42,1*—5. 7—9.10.(11)13.14.16; diese bilden die Vorlage für die später eingearbeiteten Versgruppen b—d. Die Kemfassung von J e r 42 war als prophetische Abschlußrede Jeremias an das durchs Gericht gegangene Restvolk im Lande gestaltet, vergleichbar einer Abschlußrede verheißenden und mahnenden Inhalts, wie sie z.B. l.Sam 12 Samuel in den Mund gelegt wird 4 6 0 . Die in J e r 42,1*—5.7—9 dargestellte Szenerie ist geradezu ideal. Das ganze Volk findet sich von sich aus beim Propheten Jeremía ein. Es betrachtet sich selbst als übriggebliebenen Rest einer früheren Größe und bittet in dieser Situation den Propheten, für sie Fürbitte einzulegen. Jahwe soll bestimmen, wie sie sich jetzt verhalten sollen und was zu tun ist. Sie verpflichten sich, in allem auf Jahwe zu hören. Ihrem demütigen und ehrerbietigen Verhalten entspricht die positive Reaktion des Propheten. Daß Jahwe sich ihnen zuwenden will, stellt die bedingte Heilszusage in V. 10 fest: Im Lande selbst will Jahwe an ihnen heilvoll handeln. Es besteht kein Anlaß, das In Jer 42,2 ΠΚΤΠ Γ Ρ Ί Ν Ρ Π - ^ vgl. oben zu 42,9; 42,13. Die Erwähnung der „Heerführer und Jochanans . . . " in V. 1 und V. 8 gehörte nicht zum ältesten Textstadium dieser Verse. 4 6 0 Vgl. besonders die Verse 19—25 und den Ausklang in V. 25!

Ergebnisse und Folgerungen

141

Land zu verlassen. Das würde vielmehr bedeuten, Jahwes Angebot nicht ernst zu nehmen und somit die Chance einer hoffnungsvollen Zukunft zu verspielen; denn Jahwes Gerichtshandeln ist abgeschlossen (V. 10b!). Das Verlassen des Landes hätte zur Folge, daß man genau mit dem Unheil weiterhin konfrontiert würde, dem man durch eine Auswanderung zu entgehen hoffte. Dem Verfasser dieser Verse liegt deutlich daran, zum Verbleib im Lande aufzufordern und vor einer Abwanderung nach Ägypten zu warnen. Der Grund dafür ist offensichtlich, daß infolge allgemeiner Unruhen und Unsicherheiten (vgl. besonders V. 14!) bedeutende Absetzbewegungen nach Ägypten im Gange waren 4 6 1 , und sich allgemein die Frage nach der Zukunft im Lande aufdrängte 4 6 2 . Die in den Versen 10.(11).13.14.16 enthaltene Antwort spiegelt die Einstellung derer wieder, die Jahwes künftiges Heilshandeln mit dem Lande selbst und denen, die sich im Lande befanden, in Verbindung bringen 4 6 3 . Ähnliche, direkt auf das Land bezogene Zukunftshoffnungen, die nicht erst mit dem Anbruch einer Heilszeit nach der Rückführung der babylonischen Gola rechnen, scheinen auch noch in J e r 3 2 4 6 4 erkennbar. Daß sich hier jeweils eine Art Alleinvertretungsanspruch gegenüber den Exilierten ausdrückt, wird man noch nicht sagen können. Das Problem ist nicht, welche Volksteile Jahwe näher sind oder sich als den wahren Rest bezeichnen dürfen 4 6 5 ; es scheint sich eher um den Versuch zu handeln, die Identitätskrise zu bewältigen, die eintrat, als man sich nach dem Verlust der Eigenstaatlichkeit, des Königtums, des Tempels und des gewohnten Kultlebens die Frage stellen mußte, wodurch und worin man sich noch als Jahwevolk verstehen konnte. Die schon in der Tradition vorgegebene Verbindung zwischen J a h w e und dem Land b o t eine Möglichkeit, die theologische Krise zu bewältigen. Die mit der Heilszusage verknüpfte konkrete Wa,rnung vor der Auswanderung nach Ägypten impliziert, daß im vorausgegangenen Kontext das Thema „Ägypten" schon einmal angeklungen war. Das ist in der Tat in J e r 41,16ff der Falk Diese Stelle wird somit vorausgesetzt, allerdings nicht in der Form, wie sie jetzt vorliegt 466 . 461

Vgl. die Notiz in Jer 41,16ff; siehe dazu oben S. 119ff. Ob die im Text dargestellte historische Situation auch die des Autors ist, kann zunächst offen bleiben. 463 Vgl. hierzu auch Ackroyd, Exile und Restoration, S. 57. 464 Vgl. besonders V. 15! 465 Vgl. dazu Ez 11, besonders die Verse 14ff; siehe auch Ez 33,23ff! 466 Vgl. dazu oben S. 119ff. 462

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Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

Wenn in der vorliegenden Fassung von J e r 41,17 festgestellt wird, man habe sich bis in die Gegend von Bethlehem zurückgezogen, um „nach Ägypten zu ziehen", andererseits in J e r 42,3 der gleiche Personenkreis den Propheten jetzt erst um eine Auskunft angeht, was man überhaupt tun solle, so erscheint das Verhalten der Beteiligten recht merkwürdig. Der Leser muß den Eindruck haben, man habe den Propheten um eine Jahweorakel gebeten, obwohl die Vorentscheidung schon gefallen war. Die in J e r 42 berichtete Befragung des Propheten k o m m t im Blick auf J e r 41,16ff zu spät, da man sich fragen muß, warum der Prophet nicht bereits eingeschaltet wurde, bevor der Entschluß zur Auswanderung nach Ägypten gefaßt und auch schon teilweise in die Tat umgesetzt worden war. Diese Schwierigkeit empfinden auch die meisten Kommentatoren, wenn sie zur Erklärung für dieses merkwürdige Verhalten der Gesprächspartner Jeremias auf eine gewisse Unentschlossenheit und schwankende Unsicherheit der Beteiligten verweisen 467 . Solange man davon ausgeht, daß die Jer 41,16ff beteiligten Personen mit denen in Jer 42 identisch sind, wird man sich in der Tat mit solchen psychologisierenden Vermutungen weiterhelfen müssen. Es ließ sich jedoch nachweisen, daß diese Gleichsetzung erst sekundär zustande gekommen ist und als das Ergebnis einer aus einer bestimmten Absicht heraus vorgenommenen Überarbeitung verstanden werden muß. Ursprünglich wurde zwischen beiden Personenkreisen unterschieden. Wie in der Analyse von Jer 42 gezeigt werden konnte, sind in 42,1 und 8 „die Heerführer und Jochanan ben Koreach" erst später eingefügt worden 4 6 8 . Ursprünglich war lediglich von einer Versammlung des ganzen Volkes ( V n j n s ? ! ]tjp!3 DSrrVD) die Rede (vgl. oben zu V. 1 und 7). Ebenso ließ sich für die vorliegende Fassung von J e r 41,16ff feststellen, daß auch hier der Text nachträglich bearbeitet worden sein muß. Wenn es jetzt heißt: „Und es nahm Jochanan, der Sohn des 467

„Als es galt, sich endgültig wegen des Verlassens der Heimat zu entscheiden, wurden offenbar nicht wenige bedenklich, und es wird nicht an Stimmen gefehlt haben, die den Entschluß, nach Ägypten auszuwandern und damit die Heimat für immer preiszugeben, für voreilig erklärten . . . " (so Rudolph, Komm. Jer., S. 255); vgl. auch Weiser, Komm. Jer., S. 360: „Gegen den in Eile und Angst gefaßten Plan zur Flucht nach Ägypten . . . hatten sich wahrscheinlich Bedenken erhoben, so daß man sich entschloß, . . . ein göttliches Orakel einzuholen, was jetzt zu tun sei"; vgl. auch Duhm, Komm. Jer., S. 320. « β siehe dazu oben S. 129.

Ergebnisse und Folgerungen

143

Koreach, und alle Heerführer, die bei ihm waren, den ganzen Rest des Volkes . . . , Männer, Frauen, Kinder und Eunuchen . . . (V. 17) und sie zogen los und machten Halt in der Herberge Kirnhams bei Bethlehem, mit der Absicht, nach Ägypten zu ziehen; (V. 18) wegen der Chaldäer, denn . . ." 4 6 9 , so muß der Leser in der Tat annehmen, daß J e r 42 jetzt die direkte Fortsetzung ist und die in diesem Kapitel berichtete Zusammenkunft beim Propheten Jeremía während dieses Aufenthalts bei Bethlehem stattfand. Die Analyse von Jer 41,16—18 hat jedoch ergeben 4 7 0 , daß in diesen Versen ursprünglich lediglich davon zu lesen war, wie die Gruppen um Jochanan nach Ägypten abzogen. Die jetzige Darstellung ist erst die Folge späterer Eingriffe, die mit der Absicht vorgenommen wurden, die in J e r 42* geschilderte Zusammenkunft des Volkes JüpO 1ST (Jer 42,1) beim Propheten Jeremía nun bei Bethlehem stattfinden zu lassen, so daß der in J e r 42 erwähnte Rest des Volkes im Lande mit denen identisch erscheinen mußte, die sich nach J e r 41,16ff auf der Flucht nach Ägypten befanden. Der Bearbeiter konnte auf diese Weise die gesamte Restbewohnerschaft im Lande, von der in seiner Vorlage die Rede war, anschließend nach Ägypten verschwinden lassen 471 . Das Ziel dieses Bearbeiters ist deutlich: Er wollte den Nachweis von der restlosen Verlassenheit des Landes erbringen. Mit der Durchführung dieses Anliegens — es korrespondiert mit den in J e r 24 erkannten Vorstellungen — hängen auch die zahlreichen Wiederholungen und Spannungen zusammen, die wir bei der Analyse von J e r 42 feststellen mußten. So wurden J e r 42,19.20.21 4 7 2 nachträglich am Schluß des Kapitels angefügt, um einen besseren Übergang von J e r 42,1*—5.7—9*.10(11) 13.14.16 zu dem in J e r 4 3 , I f f vorliegenden „Bericht" 4 7 3 über die unerwartet ablehnende Reaktion gegenüber Jeremia und die Abwanderung nach Ägypten herzustellen 4 7 4 . Wahrscheinlich während des gleichen Bearbeitungsvorganges kam es auch zur Einschaltung von J e r 42,(12)15.17.18. Diese Verse berühren sich sehr eng mit Gedanken und Formulierungen in J e r 44, mit dem Kapitel also, mit dem die jetzige Fassung der Erzählungen endet. Wie dort den J u d e n in Ägyp469

Vgl. die Ubersetzung Wankes, Baruchschrift, S. 116. ° Siehe oben S. 119ff. 471 Daher die Wiederaufnahme von Jer 41,16ff in Jer 43,5—7! — Vgl. dazu unten S. 153ff. 472 Jer 42,22 ist ein noch späterer Zusatz (vgl. dazu oben S. 137f). 473 Zu Jer 43,Iff vgl. unten S. 145ff. 474 Vgl. oben S. 139f. 47

144

Jeremía 4 2 , 1 - 2 2

ten generell eine Rückkehrmöglichkeit bestritten wird und der Verfasser dieses Kapitel deutlich keinerlei Gemeinsamkeiten mehr zwischen ihnen und der von ihm vertretenen Richtung sieht oder sehen will, so warnen Jer 42,15.17.18 generell vor einer Abwanderung nach Ägypten 475 . Im Unterschied zu Jer 42,16 ist diese Warnung nicht damit begründet, daß man gerade in Ägypten weiterhin mit Krieg und Hungersnot rechnen müsse. Jer 42,17.18 argumentieren, daß diejenigen, die nach Ägypten auswandern, den ehemaligen Jerusalemern vergleichbar sind, über die Jahwes Zorn und Gericht ergangen war. Das erinnert an die in Jer 24 vorliegende Konzeption (vgl. besonders 24,8ff). Der Standpunkt des Verfassers ist deutlich erkennbar: Die Heilslinie verläuft ausschließlich über die babylonische Gola. e)

Zusammenfassung

Der jetzige Text von J e r 42 enthält zahlreiche Spannungen und Wiederholungen. Diese waren die Folgen der Bearbeitung einer vorgegebenen Fassung, die über eine Zusammenkunft des Restvolkes im Lande beim Propheten Jeremia berichtete und eine durch den Propheten vermittelte bedingte Heilszusage für eine besser Zukunft im Lande enthielt. Die Redaktion 4763 , deren Spuren auch in Jer 41,16ff nachweisbar waren476*3, nimmt eine tendenziöse Uminterpretation im Sinne der Theorie vor, die sie schon Jer 24 programmatisch fixiert hatte, — Die Heilslinie läuft ausschließlich über die babylonische Gola. Das Land selbst war bis zur Rückführung der Exilierten ohne Bewohner! — weil sich dieser vorgegebene Text ( 4 2 , 1 * . 2 - 5 . 7 . 8 * . 9 — 1 0 . (11) 13a. 14.16) gegen den Älleinvertretungsanspruch der Gola oder derer, die sich von ihr herleiteten, sperrte, und Aussagen enthielt, die ihrer Auffassung entgegenstanden. So erklären sich auch die auffällig engen sprachlichen Berührungen zwischen Jer 42,10 und 24,6. Sie sind darauf zurückzuführen, daß hier die wesentliche, der eigenen Theorie widersprechende Aussage, die dem Rest, d.h. den im Lande übrig gebliebenen galt, wörtlich aufgegriffen und ausschließlich für die Gola in Anspruch genommen wurde. Wie wir oben sahen, blickte die älteste Fassung von Jer 42 auf Nachrichten über eine Abwanderung nach Ägypten zurück (Jer 475 Vgl. besonders 42,17; siehe dazu oben S. 136. 476a E s handelt sich um Jer 42,1*.6.8*.(12)15.17.18.19.20.21. 476b Zu Jer 43,Iff vgl. unten S. 145ff.

Jer 4 3 , 1 - 7 -

Inhalt

145

4 1 , 1 6 f f ) . Weitere Ausführungen zum T h e m a „Auswanderung nach Ä g y p t e n " enthält j e t z t der an J e r 42 direkt anschließende Bericht J e r 43,1—7, wobei auffällt, daß die Verse 5—7 fast wörtlich J e r 41,16ff entsprechen. Von der in J e r 24 vorliegenden Konzeption aus betrachtet war es in der Tat unumgänglich, einen vorliegenden Bericht über eine solche Abwanderung erst hinter J e r 42 einzuordnen, da nur auf diesem Wege dem Leser verdeutlicht werden konnte, daß J u d a und Jerusalem tatsächlich von seinen Bewohnern verlassen waren. Nimmt man die Kernfassung von J e r 42 für sich, so deutet hier das Textgefälle an keiner Stelle daraufhin, daß später noch Nachrichten über eine Auswanderung informierten. Daraus folgt, daß J e r 43,1—7 von der gleichen Redaktion, der wir J e r 24 und die Überarbeitung von J e r 42 verdanken, bearbeitet, wenn nicht ganz gestaltet wurde. Wenn der Verfasser von J e r 24 schon Nachrichten über eine vollzogene Auswanderung nach Ägypten (V. 8 D'HSa f i x a D'airn) voraussetzt bzw. in seiner Vorlage des Jeremiabuches vorgefunden haben muß, so liegt es nahe, daß es die J e r 42 vorausgehenden Bemerkungen in J e r 41,16ff in ihrer ursprünglichen Fassung waren.

11. Jer a) Die bisherige

43,1-7

Forschung

Während man bisher den Text von J e r 43,1—7 im allgemeinen unbeanstandet ließ 4 7 7 und nur unwesentliche spätere Eingriffe feststellt e 4 7 8 , will neuerdings Wanke419 lediglich an 43,2.3.5a.6b.7aa.(b)? als Grundbestand festhalten und die jetzige Textfassung als das Ergebnis späterer Bearbeitung ansehen. 4 8 0 b) Inhalt V. 1 konstatiert, daß Jeremía seine Rede beendet und auftragsgemäß alle Worte Jahwes an das ganze Volk ausgerichtet hat. Ein bisher namentlich nicht erwähnter Asaija sowie J o c h a n a n und „alle 477

Volz, Rudolph, Weiser (vgl. die Kommentare z.St.) u.a. nehmen eine Umstellung vor und versetzen Jer 42,19—22 zwischen Jer 43,1—3 und 4—7. 478 Vgl. z.B. Duhm zu V. 1.2.5.6; Duhm zieht in der Regel den Text der LXX vor. 479 AaO, S. 130; vgl. ähnlich schon Kremers, Leidensgemeinschaft mit Gott im Alten Testament, EvTh 1953, S. 128, der Jer 4 3 , 2 - 5 . 6 * für ursprünglich hält („Leidensgeschichte"); Thiel, aaO, S. 581, rechnet mit Einschüben in V. 1, eventuell in V. 4 und V. 7. 480 Vgl. aaO, S. 120.126.129. 10 Pohlmann, Jcremiabuch

146

Jeremía 43,1—7

Männer . . . " bezweifeln jedoch, daß Jeremía die Worte Jahwes richtig wiedergegeben habe. Sie behaupten, Jeremía sei gar nicht von Jahwe beauftragt worden, ihnen die Auswanderung nach Ägypten zu verbieten (V. 2). Baruch ben Nerija habe den Propheten gegen sie aufgehetzt, um sie den Babyloniern auszuliefern. V. 4 kommentiert diese Argumentation mit der Feststellung, daß „Jochanan und alle Heerführer und das ganze Volk" nicht auf „Jahwes Stimme" hörten, „im Land Juda zu bleiben". Die Verse 5—7 informieren über die Konsequenzen des in V. 2ff beschriebenen Verhaltens: Jochanan und die Heerführer machen sich mit dem „Rest Judas" auf nach Ägypten (V. 5—7a). Diese Aktion wird wiederum mit einem Kommentar versehen (vgl. V. 4). V. 7aß interpretiert die Auswanderung nach Ägypten ills Ungehorsam gegenüber Jahwe. Abschließend teilt V. 7b noch den Namen des Ortes mit, den man in Ägypten aufsucht. c) Analyse Jer 43,1-4 V. 1 setzt mit ΤΓΊ und folgendem inf. c. 3 4 8 1 ein und deutet damit den Einsatz eines neuen Abschnitts an. Zugleich dient dieser Vers als Verbindungsstück zwischen J e r 42 und dem Folgenden, indem er inhaltlich auf die vorausgegangene „Prophetenrede" 4 8 2 zurückverweist, syntaktisch aber in V. 2 seine Fortsetzung findet, bzw. zu V. 2 hinführt. •vn-'íD-1?« Ί31 1 ? 4 8 3 hat J e r 42,1.8b vor Augen, wiederholt also eine der Situationsangaben aus dem vorausgehenden Kapitel, obgleich diese auch für J e r 4 3 , I f f noch gelten müßten. Andererseits bereitet diese erneute Erwähnung von DS?n-17D als Adressaten der Worte Jeremias den späteren Hinweis auf den Ungehorsam auch des „ganzen Volkes" in V. 4 vor. Nachdem in V. 2 und V. 3 lediglich die ablehnende Haltung von Einzelpersonen 484 im Mittelpunkt stand und „das ganze Volk" überhaupt nicht berücksichtigt wurde, käme ohne den Hinweis in V. 1 die Notiz in V. 4 unbegründet und unvermittelt. Auffällig ist das doppelte Objekt zu " m V . , -m- 1 ?D-nx 487ΠΠ,ι?Χ 4 8 6 Π1ΓΓ ínVtf "IPX 4 8 S mrr ist nicht in erster Linie ein RückVgl. dazu Richter, Richterbuch, S. 358. 482 vgl. j e r 26,8 (Dtn 3 1 , 2 4 ; l.Kön 8,54). 483 Die L X X übersetzt lediglich D57H Vx. 4 8 4 Zu . . . D ^ X H vgl. unten S. 149. 485 nrrnVx fehlt in der L X X ; es scheint jetzt dem irnVx in V. 2 zu korrespondieren. 486 nrrnVX ist (s. BKS, App.) zu streichen (Dittographie!). 4 8 7 nrrbN bezieht sich auf das vorausgehende D5?_l7D und setzt dieses voraus.

481

Analyse

147

verweis 488 , der sich auf die Prophetenrede in J e r 42 bezieht. Als solcher wäre er überflüssig, da vom Kontext her klar ist, was mit m^DS im"? irpüV gemeint war. Es handelt sich vielmehr um eine kommentierende Klarstellung, die deutlich aus dem Erzählstil herausfällt. Sie hat offensichtlich den Sinn, sicherzustellen, daß Jeremía wirklich von J a h w e beauftragt ist und — darauf scheint der Ton zu liegen — diesen Auftrag ganz im Sinne des Auftraggebers zuverlässig ausgeführt hat. Insofern drückt . . . , "l3T 1 7D-nx lediglich explizit aus, was J e r 42 in der Art seiner Textgestaltung impliziert 4 8 9 . Da in V. 2b eben diese Zuverlässigkeit des Propheten bezweifelt wird (ΠΊΓΡ Ν1?), hat der verdeutlichende, den Leser leitende Hinweis schon die Argumentation an dieser Stelle vor Augen. Zum anderen wird auf diese Weise betont, daß „das ganze Volk" „alle Worte Jahwes" zur Kenntnis genommen hatte. nVxn ΠΧ am Schluß des Verses klappt zwar eindeutig nach, ist jedoch andererseits deswegen sinnvoll, weil so für den Leser klargestellt wird, daß unter „allen Worten Jahwes, die . . . " nur die in J e r 42 von Jeremía vermittelten Jahweworte zu verstehen sind; ΠΙΤΤ allein könnte mißverständlich sein; lediglich nVxn D ^ m n ' V D nx wiederum genügte deswegen nicht, weil es offensichtlich in dem ganzen Vers darauf ankam, im Blick auf das Folgende das auftraggemäße Verhalten des Propheten besonders herauszustellen 4 9 0 . Daß das auffallende doppelte Objekt zu im 1 ? in V. 1 dazu berechtigt, eines von beiden zu streichen 4 9 1 , scheint daher durchaus nicht zwingend 4 9 2 . 488

So am Schluß von V. 1. 489 Vgl auch besonders Jer 42,5! "Κ» Siehe oben. 491 Vgl. Duhm, Komm. Jer., z.St., der ΓιΧ am Schluß für ursprünglicher hält. ,Jeremia hat von Jahwe selbst gar nicht so viel .Worte' mitzuteilen gehabt". Die zweite Hälfte von V. l a gehe auf den Bearbeiter zurück, der Jer 42,7—22 „so ungebührlich vermehrt hat". — Daß es viele Worte waren, soll dieser Vers jedoch gar nicht ausdrücken! — Vgl. ferner Thiel, aaO, S. 580, der im letzteren Ausdruck „mit Wahrscheinlichkeit" das ursprünglichere Objekt wiederfindet. 492 Die komplizierte Aufgabe, die V. 1 erfüllen muß, hat einen komplizierten Aufbau zur Folge. Wenn Wanke diesen Vers ganz herausnimmt, so mit Gründen und Argumenten, die er nicht aus dem Text Jer 43,Iff und seinem Anschluß nach vorn selbst gewonnen hat. Daß Jer 43,1 „als Adressaten der Jahweworte" das ganze Volk genannt sei, entspreche „der Verallgemeinerung des Sachverhalts, wie sie schon im Zusammenhang mit 4 2 , 1 0 . 1 3 f . l 6 begegnet ist" (vgl. aaO, S. 129; ferner S. 126, Anm. 26: „Der deuteronomistischen Bearbeitung entspricht auch gut die Ausdehnung des aktiven Personenkreises auf das ganze Volk (V. 4). Demgegenüber nennen 43,2.5 nur die Heerführer.").

148

Jeremía 43,1—7

N a c h dieser so in V . 1 gestalteten Einleitung (Situationsangaben und K o m m e n t i e r u n g ) setzt in V . 2 die eigentlich weiterführende Erzählung ein, die über die Reaktion auf die vom Propheten vermittelten J a h w e w o r t e berichtet. Es w e r d e n erwähnt ein bisher nicht genannter A s a i j a b e n H o s c h a j a 4 9 3 sowie der aus den vorhergehenden T e x t e n bekannte Jochanan b e n Koreach und Dntn D'tflxn'Va i n - B T - V x Dn»K494

Ihre

in

wörtlicher R e d e in der zweiten Vers-

hälfte enthaltene A r g u m e n t a t i o n endet mit Vers 3 4 9 5 . D i e A u f z ä h lung der Personen überrascht zunächst, weil der gleich zu A n f a n g genannte A s a q a dem Leser bisher völlig unbekannt ist 496 . A u f f ä l l i g

L X X liest Asarja ben Maaseja (50,2), ebenso schon (49,1) für Jazanja ben Hoschaja 42,1 (M). Jazanja begegnet schon Jer 40,8; hier ist er der Sohn des Maachathi. Ob der Vatername ursprünglich Maaseja ( L X X ) oder Hoschaja (M) lautete, ist nicht mehr feststellbar. 494 •ΉΤΠ hat die L X X entweder noch nicht gelesen oder übergangen (zu OHT in Verbindung mit „ungehorsam sein" vgl. Dtn 1,43!); sie übersetzt: „und alle Männer, die mit Jeremía sprachen . . . " (eiπάντες τ φ Ιερεμία λεγοιτες); die Wiedergabe von 0 , "1ΏΧ(Π) mit einavreç ist allerdings sonst nicht üblich; normalerweise übersetzt die L X X das determinierte Partizip von "iaX mit λ έ γ ω ν oder λέγοντες (vgl. Jes 5,19; 5,20; 42,17; 65,5; Jer 21,13; Ez 11,3 u.ö). O n a S ( n ) bereitet im jetzigen Zusammenhang auch deswegen Schwierigkeiten, weil diese Form gar nicht als verdeutlichender Rückbezug auf Jer 42,1 (so das Verständnis der L X X ) verwendet werden kann. Sollte ausgedrückt werden, daß es sich um schon vorher erwähnte Personen handelt, die mit Jeremía gesprochen hatten (Jer 4 2 , I f f ) , so hätte man i m c. 2 oder Vx (vgl. Sach 1,9.13.14; 2,2.7; 4,1.4.5; 5,5.10; 6,4; Gen 16,13) zu erwarten. Zum Gebrauch von ΠΉΰΧΠ vgl. die eben aufgeführten Stellen (Jes 5,19.20 usf.). — Es muß daher mit Textverderbnis gerechnet werden; der alte Vorschlag (Giesebrecht), für 0Ή0Χ daher a n a zu lesen (vgl. Nu 20,10), kommt einer Lösung am nächsten (so auch Rudolph, Komm. Jer., z.St.; Wanke, aaO, S. 118). Zu beachten ist, daß 493

in der Regel immer entweder attributiv (Ex 4,19; Nu 14,22; Jer 44,15; Neh 11,2) oder durch einen folgenden "itfK-Satz (2.Sam 1,11; 17,12; Jer 42,17 [vgl. auch L X X 49,17!]) näher bestimmt wird, also eine solche Näherbestimmung auch hier nicht fehlen darf (gegen Volz, Komm., S. 354). 495 Die L X X fügt vor Beginn der wörtlichen Rede λέγοντες ("lÜXV) ein; ob sie auf Grund der hebräischen Vorlage dazu Anlaß hatte oder hier selbständig vorgeht, läßt sich nicht mehr entscheiden, da "ΙΏΝ1? auch durchaus fehlen kann (vgl. Jer 40,14.16; 44,24). Ebensowenig läßt sich klären, ob das in der L X X fehlende "Ι37Ω ΠΠΧ absichtlich übergangen wurde oder aber erst später in den hebräischen Text eingedrungen ist. Beide Lesarten wären möglich und sinnvoll (vgl. Jer 37,14; zu " i m pi.c. *>ptf vgl. Sach 13,3; Mi 6,12; Jer 9,4). Für "irrÒN las L X X i r 1 ? « ; auch hier muß die Frage nach dem ursprünglichen Text offenbleiben. Das sehr häufig auf rÒttf (mit Jahwe als Subjekt) folgende bit c. Suffix (vgl. Jer 42,5.21; 43,1 u.ö.) kann durchaus auch fehlen (vgl. Jer 28,15). Andererseits ist zu beachten, daß 13 dem a r r V x in V. 1 korrespondiert. 496 Vgl. Jer 42,1 und 8!

Analyse

149

ist zudem, daß er vor Jochanan rangiert, im folgenden jedoch überhaupt keine Rolle mehr spielt (vgl. 4 3 , 5 ! ) 4 9 7 . Dazu kommt, daß die sonst übliche Reihenfolge , Jochanan . . . und alle Heerführer" 4 9 8 nicht eingehalten wird, dafür aber von D,®lxn~t?D die Rede ist 4 9 9 . Ohne die Erwähnung Jochanans ben Koreach wüßte der Leser nicht, wer mit Π'ΊΡΙΝΠ"^ gemeint sein soll. Da jedoch Jochanan sonst immer in Verbindung.mit den Heerführern auftaucht 5 0 0 , besonders aber in J e r 42,1 und 8 (vgl. auch J e r 43,4.5) neben Jochanan die führende Rolle der Heerführer betont ist, so kann sich tTBfaxn-'jS nur auf sie beziehen und keinesfalls auf die Gesamtheit der Versammelten. Der Verfasser hat wahrscheinlich nur deswegen anstelle der sonst üblichen „Heerführer" die abqualifizierende Umschreibung . . . D^lurrVs gewählt, weil der Leser im Folgenden mit einer Argumentation dieser Sprecher konfrontiert wird, die überraschenderweise so gänzlich den in J e r 42,3—5 wiedergegebenen Erklärungen widerspricht. Er mußte hier kommentieren, weil der Leser sonst nicht mit den zwischen J e r 42 und 43,2—3 bestehenden Diskrepanzen in den jeweils geschilderten Einstellungen oder Verhaltensweisen zu recht kommt. Die so vorbereitete direkte Rede richtet sich an den Propheten. Der hierin enthaltene Vorwurf der Lüge 5 0 1 wird explizit durch Zitat von J e r 4 2 , 1 9 5 0 2 auf die vom Propheten ausgesprochene Forderung, nicht nach Ägypten zu ziehen, bezogen 5 0 3 . Für diese in V. 2 ausAuch wenn es nicht gelingt, das Auftauchen dieses Namens an dieser Stelle mit den Motiven und Intentionen eines Autors in Verbindung zu bringen und zu erklären, darf diese Textauffálligkeit noch nicht als ein ausreichender Grund für die Annahme angesehen werden, hier müsse eben ein zuverlässiger Bericht über ein historisches Ereignis vorliegen. 4 9 8 Vgl. J e r 4 0 , 1 3 ; 4 1 , 1 1 . 1 3 . 1 6 ; 4 2 , 8 ; in 42,1 „alle Heerführer und Jochanan". 499 π'ίίικπ - 1 ?^ begegnet schon einmal in J e r 4 2 , 1 7 (sonst nur noch 4 4 , 1 5 ; 4 1 , 1 2 ist zu korrigieren; vgl. L X X ! ) ; auch sonst sind zwischen diesen beiden Versen Berührungen festzustellen; vgl. DIT TD1?, eine Floskel, die ausschließlich zum Sprachgut von J e r 4 4 und den davon abhängigen Versen in J e r 42 (15.17. 22) gehört (außerhalb des Jeremiabuches nur noch Gen 12,10 und Jes 5 2 , 4 ) ! s o ° Vgl. J e r 4 0 , 1 3 ; 4 1 , 1 1 . 1 3 . 1 6 . s°i Zu i p t f vgl. auch J e r 4 0 , 1 6 . 5 0 2 Die Bitte oder Warnung in J e r 4 2 , 1 9 (1X3n _ 1 ?X) wird hier durch ΊΝ3ΓΓΝ1? in eine absolutes Verbot umgewandelt. Der Grund dafür wird der sein, daß die Aufforderung hier als Jahwerede verstanden wird, während sie in 4 2 , 1 9 als Prophetenrede aufzufassen ist (?). 5 0 3 Zu . . . m i r ^nVti vgl. auch J e r 2 8 , 1 5 ; 2 9 , 3 1 , wo es Jeremía ist, der anderen Propheten die Legitimität abspricht; vgl. auch J e r 2 9 , 9 ; ferner J e r 42,5.21. 497

150

Jeremia 43,1—7

gesprochene Zurückweisung 504 des Prophetenwortes als Täuschung folgt in V. 3 die Begründung der Sprecher, eingeleitet mit "'S! Die Behauptung, der Prophet lüge, wird durch eine weitere Behauptung, Baruch sei es gewesen, der ihn dazu veranlaßt habe 505 , gestützt; letztere schließlich fußt auf einer erneuten Unterstellung, nämlich, Baruch wolle 5 0 6 , daß man in die Hände der Babylonier falle 507 . Zunächst überrascht an V. 3 besonders, daß die Person des Baruch hier vollkommen unvermittelt ins Spiel gebracht wird; denn zum letzten Mal war von ihm in Jer 36 die Rede 5 0 8 , also in einem Text, der über Ereignisse aus der Zeit Jojakims (4. Jahr) berichtet. Jer 32 rückt zwar zeitlich näher an Jer 43 heran 509 , liegt aber jetzt für den Leser noch weiter zurück. Ebensowenig vorbereitet ist der Leser auf die dem Baruch hier unterstellte Beeinflussung des Propheten 510 . Die Art der in Jer 43,2—3 504 Vgl. z u r Zurückweisung der Aufforderung „ihr sollt nicht nach Ägypten ziehen" die Feststellung am Schluß in 43,7 ΟΉΪΟ TIN I N m . Auffällig sind die reichlichen geprägten Wendungen ("IpC", m r r inVtf χ1?, OB? ι ι Λ ) . sos Zu n'Olì vri. 2.Chr 32,11(15). 506 . . . ΓΠ ]1?Ö7 soll nach Rudolph eine mögliche Folge als Absicht Baruchs deklarieren (Komm. Jer., S. 257); nach Weiser (Komm. Jer., S. 364) „unterschiebt" man „den beiden (Baruch und Jeremia) die Absicht"; für Giesebrecht (Komm. Jer., S. 218) ist Baruch Subjekt; LXX übersetzt ϊνα δώς ήμάς, versteht also Jeremia als Subjekt! — . . . 7 Ό . . . DD mit Baruch oder Jeremia oder beiden als Subjekt ist eine nicht angemessene Redeweise; denn in der Regel ist allein Jahwe Subjekt, wenn die Formel ^na—J 1 ?» / DHttbn Τ 3 ]Γι1 verwendet wird (vgl. Jer 20,4.5; 21,7; 22,25; 27,6; 29,21; 32,3.28; 34,2.20.21; 44,30; 46,26; pass. 21,10; 32,4.24.25.36.43; 37,17; 38,3.18; 39,17; Ausnahmen sind J e r 26,24; 38,16, wo das Objekt eine Einzelperson ist; vgl. auch 2.Sam 21,9); angemessen wäre z.B. „damit wir in die Hände der Chaldäer fallen" (böl), vgl. 2.Sam 24,14. 507 Angst vor den Chaldäern spielt schon Jer 41,18 eine Rolle; vgl. auch 42,11. so« j e r 36 passim, sonst Jer 32,12.13.16; 43,3.6; 45,1.2ff. 509 „10. Jahr Zedekias" 510 Duhm erklärt sich die Sache, daß Baruch „vermutlich . . . den reichlich sechzigjährigen Propheten gewöhnlich bedient und sich ihm gewissermaßen unentbehrlich gemacht (habe), sodaß man daraus auf einen Einfluß des Baruch auch in wichtigeren Dingen geschlossen hat. Vielleicht war er eifrig für das Dableiben im Lande eingetreten und hatte sich mit den anderen herumgestritten" (Komm. Jer., S. 325); vgl. auch Volz, Komm. Jer., S. 357: „Wie Baruch in diesen ehrenvollen Verdacht kam, sagt er uns nicht; vermutlich hatte er in den zehn Tagen des Wartens, während Jeremia sich zurückgezogen hielt, das Volk im Sinne des Propheten zum Bleiben ermahnt"; ähnlich lauten die Erklärungen Weisers (Komm. Jer., S. 363f). Erklärungsversuche dieser Art setzen jedoch voraus, daß es sich bei Jer 43,1—7 um einen protokollartigen historischen Bericht (So gebraucht auch Weiser den Terminus „Berichterstattung"; vgl. Komm. Jer., S. 364 und S. 365, Anm. 1; Rudolph hält Baruch für einen „Berichterstatter",

Analyse

151

v o r g e t r a g e n e n A r g u m e n t a t i o n der S p r e c h e r d i e n t der B e s t r e i t u n g der L e g i t i m i t ä t des P r o p h e t e n , sie b e s t r e i t e t n i c h t d i e A u t o r i t ä t J a h wes511. D a s I n f r a g e s t e l l e n der L e g i t i m i t ä t d e s P r o p h e t e n s t e h t d e u t l i c h in einer g e w i s s e n S p a n n u n g z u J e r 4 2 , I f f . D a sich d o r t der g l e i c h e Pers o n e n k r e i s vertrauensvoll m i t der B i t t e u m e i n e J a h w e b e f r a g u n g an d e n P r o p h e t e n w e n d e n k o n n t e u n d der P r o p h e t d o r t versichert, d a ß er die A n t w o r t J a h w e s , o h n e e t w a s z u u n t e r s c h l a g e n , v e r m i t t e l n werde, k o m m t das i n J e r 4 3 , I f f g e s c h i l d e r t e M i ß t r a u e n u n v o r b e r e i t e t u n d u n e r w a r t e t ; d e n n in J e r 4 2 , I f f d e u t e t n i c h t s auf e v e n t u e l l e spätere M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n hin. J e r 4 2 , I f f b e r ü c k s i c h t i g t also n o c h n i c h t d e n j e t z i g e n n e g a t i v e n A u s g a n g der Z u s a m m e n k u n f t d e s „ganzen V o l k e s " bei Jeremía. D e r für J e r 4 3 , 1 — 7 z u s t ä n d i g e V e r f a s s e r hat d e n S p r e c h e r n zur Erklärung ihres w i d e r s p r ü c h l i c h e n V e r h a l t e n s d e n H i n w e i s auf die Pers o n d e s B a r u c h in d e n M u n d gelegt. D a s b e d e u t e t i m Blick auf J e r 4 2 , I f f , d a ß die d o r t i g e n S i t u a t i o n s a n g a b e n 5 1 2 , die j a a u c h für J e r 4 3 , I f f gültig sind, n a c h t r ä g l i c h d u r c h d i e I n f o r m a t i o n über e i n e zuvgl. Komm. Jer., S. 257) und nicht um einen zu einem bestimmten Zweck gestalteten Text handelt. Das hat zwar den Vorteil, daß die Zuverlässigkeit des Berichteten von vornherein außer Frage steht und Spannungen und Merkwürdigkeiten im Text leicht damit zu erklären sind, daß eben in manchen Punkten „die Berichterstattung . . . nicht ganz genau" (Weiser, Komm. Jer., S. 365, Anm. 1) oder unvollkommen ist, bedeutet dem Text gegenüber aber eine allzu große, unberechtigte Vorgabe. Der Text ist zunächst nicht mehr als ein literarisches Produkt, in dem sich ein von uns noch nicht erkanntes Anliegen des Verfassers ausdrückt. Aussagen über das Anliegen des Verfassers können erst dann fundiert sein, wenn eine genaue Analyse des Textes uns Einblick in seine literarische Arbeitsweise ermöglicht und wir so in der Lage sind, aus seinem Umgang mit vorgegebenen Texten oder Nachrichten sichere Schlüsse zu ziehen. 511 Insofern „überzeichnet" also die anschließend in V. 4 vorgenommene Interpretation, da sich die Sprecher in ihrer Rede ja nicht gegen J a h w e selbst wenden (vgl. auch V. 7); sie glauben „nicht gegen J a h w e ungehorsam zu sein, sondern mißtrauen dem Jer und Baruch" (Duhm, Komm. Jer., S. 325; zu V. 4: , J e t z t erst sind die Männer, wenn auch nicht nach ihrer eigenen Meinung, gegen Jahwes Willen ungehorsam"; ebd.). Eine Schilderung oder Beschreibung von praktiziertem direkten Ungehorsam gegenüber J a h w e derart, daß man Jahwes Zuständigkeit wie z.B. in J e r 44 überhaupt bestritt oder in Frage stellte, wäre allerdings an dieser Stelle schon deshalb anstößig, weil in J e r 4 2 , I f f durch die dort geschilderte Prophetenbeauftragung und auch durch die Erwähnung der Heerführer ausdrücklich die Autorität Jahwes akzeptiert worden war! Der gleiche Personenkreis konnte unmöglich zunächst Jahwe um ein Orakel angehen und wenig später seine Kompetenz überhaupt in Frage stellen! 512 Zum beteiligten Personenkreis vgl. auch J e r 42,8.

152

Jeremía 43,1—7

sätzlich beteiligte Person erweitert werden. Der Grund dafür kann nur der gewesen sein, daß die in J e r 4 2 , I f f enthaltenen Angaben für die Darstellung in J e r 4 3 , I f f nicht ausreichten, also ein Nachtrag erforderlich wurde. Bei der Darstellung der merkwürdigen Neueinschätzung des Propheten in den Augen der Sprecher mußte nachträglich noch durch weitere Informationen (über J e r 4 2 , I f f hinausgehend) belegt werden, wie sie überhaupt zu ihrer Annahme gelangen konnten, dem Propheten könne man nicht mehr mit demselben Vertrauen begegnen wie zu Beginn der Zusammenkunft, bzw. der Prophet sei ihnen gegenüber inzwischen zu einer negativen Einstellung gelangt. Es war infolge des Textgefälles von 4 2 , I f f auch nicht gut möglich, die gleichen Personen jetzt plötzlich dem Jeremía einen ohne äußeren Einfluß vollzogenen Gesinnungswandel unterstellen zu lassen; deshalb mußte der Autor hier, um einen solchen beabsichtigten Gesinnungswandel überhaupt glaubhaft machen zu können, erst neue Voraussetzungen schaffen. Das gelingt ihm mit einem nachträglichen Hinweis auf Baruch, der die Unterstellung einer negativen Einflußnahme auf den Propheten im Munde der Sprecher ermöglicht 5 1 3 . V. 4 Durch das Stichwort J 7 w i r d der Leser besonders an J e r 42,6 (vgl. auch J e r 42,13.21) erinnert. Somit konstatiert V. 4 zunächst zusammenfassend, daß das hier dargestellte Verhalten den in J e r 42,6 gegebenen Versprechungen widerspricht, also nicht lediglich als ein auf Grund von Mißverständnissen entstandenes berechtigte Mißtrauen gegenüber Jeremía und Baruch aufgefaßt werden darf. Im Blick auf J e r 42,1 — 5 und besonders auf V. 6 hat diese den Erzählgang unterbrechende Kommentierung also eine klarstellende Funktion 5 1 4 . Die Reihenfolge , J o c h a n a n . . . und alle Heerführer und das ganze Volk . . . " verweist zurück auf J e r 42,8 515 und 43,1; da hier die Be513 Daß diese neu eingeführte Person überraschenderweise der seit langem nicht erwähnte Baruch (vgl. Jer 36!) ist, hängt damit zusammen, daß für den beabsichtigten Zweck gar kein anderer Name zur Verfugung stand und Baruchs Gegenwart auf Grund der Annahme einer Versammlung „des ganzen Volkes" nahe lag. — Vielleicht hat hier außerdem das sogenannte Trostwort an Baruch eine Rolle spielt Qer 45). Während es Jer 42,10 heißt: „Wenn ihr . . . , baue ich euch und reiße nicht nieder . . . " usf., .widerspricht' dem Jer 45,4 „Siehe, was ich gebaut habe, das reiße ich ein . . . " usf. Dieser ,Widerspruch' zwischen Jer 42,10 und Jer 45,4 (Auf die Frage nach der ursprünglichen Stellung von Jer 45 kann hier nicht eingegangen werden.) mag hier (Jer 43,3) ,mitbedacht' worden sein. SM z u Wankes Auffassung, daß V. 4 zu streichen sei (aaO, S. 126), vgl. oben S. 146. 515 Vgl. auch Jer 42,1.

Analyse

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teiligung „des ganzen Volkes" an der Versammlung festgestellt war 5 1 6 , lag es nahe, das Volk auch in J e r 43,4 durch eine Bemerkung über die Reaktion auf Jeremias Rede einzubeziehen und die sich aufdrängende Frage nach gerade seinem Verhalten somit zu beantworten. Die Wendung ΓΠ1ΓΓ m # V 5 1 7 spielt auf die Jahweworte in J e r 42,10 und 13 an und setzt diese voraus! Die Feststellung, daß sich alle Beteiligten weigerten, im Lande zu bleiben, bereitet zugleich den folgenden Abschnitt vor, der über die Folgen dieser Entscheidung berichtet; außerdem wird so geklärt, daß nicht nur ein Auswandern nach Ägypten, sondern das Verlassen des Landes überhaupt Ungehorsam bedeutete. J e r 43,5—7 schildern die Konsequenzen der Ablehnung des Prophetenbescheids: J o c h a n a n und seine Heerführer machen sich mit dem „Rest J u d a s " auf nach Ägypten. Diese Verse berühren sich auffällig mit J e r 41,16f. Zum Teil handelt es sich sogar um wörtliche Wiederholungen 5 1 8 . Andererseits sind die Unterschiede deutlich. Beides ist merkwürdigerweise bisher wenig oder gar nicht beachtet worden und verlangt in jedem Fall nach einer Erklärung. Wir hatten oben schon darauf hingewiesen, daß der Obergang von V. 4 zu V. 5 nicht besonders gelungen ist. War eben noch „das ganze Volk" neben Jochanan usf. Subjekt, so ist es in V. 5 („der Rest . . . " ) lediglich Objekt des Handelns Jochanans und der Heerführer 5 1 9 . Selbst wenn man V. 4 als kommentierenden Zusatz streicht 5 2 0 , bleibt die erneute Einführung Jochanans sowie der Hinweis auf die Heerführer auffällig, da sie als handelndes Subjekt von V. 2 her bekannt sind 5 2 1 . 516

Deutlich wird hier auf den Einleitungsvers 43,1 Bezug genommen; denn ohne den Hinweis in V. 1 ( Β Ϊ Π " ^ " ^ "I3T?) wäre in V. 4 die Einbeziehung „des ganzen Volkes" merkwürdig unvermittelt. 517 Auffallig ist in V. 4 ferner die Formulierung ΓΠΙΓΓ f i x , die sonst nur im Jeremiabuch an einigen, der Überarbeitung verdächtigen Stellen (vgl. J e r 31,23; 37,1; 39,10; 40,12; 43,4.5) und in Jer 44,9.14.28 begegnet (außeijeremianisch: Ruth 1,7; Dtn 34,2; 2.Kön 23,24; 25,22; Sach 2,4; Neh 5,14; l.Chr 6,40; 2.Chr 9,11; 15,2.8; besonders häufig l.Macc γη Ιούδα). 518 Vgl. j e r 43,5a und 41,16aa; die syntaktische Abfolge ist in beiden Versen genau die gleiche (1. n p ' l c. Objekt; 2. HPK-Satz; 3. weiteres Objekt (0^131); 4. "WN-Satz). 519 J e r 43,5 liest . J o c h a n a n . . . und alle Heerführer", während es in der Parallelstelle heißt: . J o c h a n a n . . . und alle Heerführer "ΙΠΝ "IBK" (41,16; vgl. auch 41,11). Daß das Fehlen von 1ΠΝ "HPK in 43,5 durchaus nicht zufällig ist, sondern begründet sein kann, wird weiter unten aufgezeigt. Vgl. unten S. 157. 520 Wanke, aaO, S. 126. 521 Vgl. J e r 38,1.4.6; 3 6 , 1 4 - 2 0 . Zur Weiterführung von Πρ"1 in V. 5 mit 11W1 in V. 7 ist zu bemerken, daß eigentlich (vgl. Gen 14,11; 11,31; 12,5; 24,61; 36,6; 2.Kön 25,20; s.a. J e r 41,12) noch Υ?Π als Zwischenglied (od.

154

Jeremía 43,1-7

D e r ganze Rest des V o l k e s besteht nach V . 5f aus a) denen, „ d i e aus allen V ö l k e r n , w o h i n sie zerstreut waren, zurückgekehrt w a r e n " ( V . 5 ) 5 2 2 , s o w i e b ) aus einer Gruppierung v o n Menschen, die „ N e b u saradan . . . b e i G e d a l j a gelassen h a t t e " ( V . 6a) und ferner aus c ) Jeremía und Baruch ( V . 6 b ) 5 2 3 . Diese in Jer 4 3 , 5 f v o r g e n o m m e n e klassifizierende Erfassung des „ R e s t e s " muß um so a u f f a l l e n d e r sein, w e n n unmittelbar vorher in Jer 4 2 5 2 4 ohne weiteres vorausgesetzt wird, daß der Leser o h n e Erläuterungen weiß, was unter ΠΎΙΓΡ ΠΉΧ® S2s zu verstehen ist. Deutlich ist zunächst, daß sich J e r 4 3 , 5 b auf die in Jer 40,1 l f erwähnten , J u d e n " b e z i e h t , die sich in M o a b , A m m o n und E d o m 5 2 6 aufgehalten hatten und nach Juda zurückkehrten, als sie v o n der beginnenden Konsolidierung im L a n d e N a c h r i c h t erhielten. Ihre ausdrückliche Erwähnung an dieser Stelle, ist deswegen so a u f f a l l e n d , weil sie in den vorausgehenden T e x t e n seit Jer 40,12 s 2 7 überhaupt keine KS1 c. Γ131?1?) üblich oder sogar erforderlich ist, wenn Aufbruchs- oder Auszugssituationen geschildert werden. Auch hier (V. 5—7) ist demnach der Erzählcharakter gestört (vgl. V. 4). 522 Nicht mehr feststellbar ist, ob die L X X eine bewußte Kürzung dieser Aussage vornimmt oder ob ihre Vorlage DIP . . . Π,1)Π"ι73Ώ noch nicht enthielt (vgl. auch Jer 40,12). 523 Die gängigen Kommentare und Übersetzungen geben Jer 43,5.6 allerdings so wieder, als ob mit dem „Rest Judas" lediglich die gemeint seien, die „aus den Völkern" zurückgekehrt waren" (vgl. Rudolph, Komm. Jer., z.St.; Volz, Komm. Jer., z.St.; Weiser, Komm. Jer., z.St.; Wanke, aaO, S. 117; anders Duhm, Komm. Jer., z.St.), da sie offensichtlich den auf „den ganzen Rest Judas" folgenden *1E>N-Satz als erläuternden Relativsatz auffassen und nicht als ersten Teil der weiteren den „Rest" klassifizierenden Aufzählung zuweisen. 524 Ygi γ . 2 und V. 15; wahrscheinlich handelt es sich in V. 2 um einen Nachtrag (vgl. das vorausgehende 1Π573), der die Sprecher nicht mehr in D5?n_l7D einbezogen haben will, sondern als Mittler zwischen Volk und Prophet versteht, V. 15 gehört sicher nicht zum ältesten Bestand des Kapitels; vgl. dazu oben S. 134. Durch den Nachtragscharakter dieser Stellen wird jedoch nicht die Tatsache abgewertet, daß hier der Begriff ΠΉΧϋ ohne weitere Explikation verwendet werden kann. 525 Vgl. auch Jer 40,11 und 15! 526 Vgl. Jer 43,5 ¡ r u n - ^ n . 527 Wenn es in Jer 40,12 jetzt heißt: „und sie kamen ins Land Juda zu Gedalja nach Mizpa . . . " , so erscheint die Erwähnung , Judas" hier eigentlich überflüssig, da die Feststellung, daß man zu Gedalja nach Mizpa kam, „Land Juda" mit einschließt. Eine nachträgliche Ergänzung durch „ins Land Juda" ist daher nicht anzunehmen; als solche ist eher „zu Gedalja nach Mizpa" zu verstehen. Dahinter stand offensichtlich die Absicht, die verschiedenen Gruppen in Mizpa zu konzentrieren, um auf diese Weise leichter und überzeugender von der restlosen Abwanderung nach Ägypten berichten zu können (vgl. Jer 41,10!). Dieses Verfahren ist jedoch nicht konsequent durchgehalten (vgl. aber Jer 41,10.

Analyse

155

Rolle spielten. Auch J e r 41,16 können sie nur in den Text hineingelesen werden; da dort die gleiche zeitliche und örtliche Situation wie in J e r 4 3 , I f f gemeint ist, ist ihr plötzliches Auftauchen hier um so erstaunlicher 5 2 8 . J e r 43,6 verweist mit dem Relativsatz „welche Nebusaradan . . . bei Gedalja . . . gelassen h a t t e " 5 2 9 auf die Kolonie Gedaljas in Mizpa s3 °, hat also nicht in erster Linie die Situation von J e r 41,16 vor Augen, sondern meint, noch einmal auf einen zeitlich weiter zurückliegenden Zeitpunkt anspielen zu müssen. Die in J e r 41,16 gewählte Umschreibung „des ganzen Restes des Volkes" als diejenigen, „die er (Jochanan) aus Gibeon zurückbrachte" (41,16b), die an dieser Stelle richtig die vorher berichtete Auseinandersetzung zwischen Ismael und Jochanan bei Gibeon beachtet, wird nicht aufgenommen oder fortgeführt, obwohl vom vorausgehenden Kontext her und durch den Zusatz „aus Mizpa, nachdem . . . " , auch an dieser Stelle deutlich war, daß sich die Gruppe um Jochanan auch aus Leuten zusammensetzte, die zur Kolonie Gedaljas in Mizpa gehört hatten. Außerdem stellt sich die Frage, warum überhaupt hier 5 3 1 eine Gruppe damit charakterisiert wird, Nebusaradan habe sie bei Gedalja gelassen. In J e r 40,5 wird Gedalja erwähnt als der, den der König von Babel in den Städten Judas 5 3 2 eingesetzt hat (bna"! 1 ?» T p s n UTK . . . ""i"), ebenso J e r 40,7a. 40,7b folgt die Feststellung, „daß er (der König von Babel) ihm Männer und Frauen . . . zugewiesen h a t t e " 5 3 3 ; 40,11 heißt es: „ . . . und daß er (der König von Babel) über sie den 13.14.16), da Jer 40,10 auch Städte erwähnt, in die man zurückkehrt, und sogar noch Jer 43,5 von Π-ΠΓΓ f U O η Λ (oder mit LXX: ΉΚ3) spricht, also eventuell noch den von uns postulierten Text Jer 40,12 ohne „zu Gedalja nach Mizpa" wiederspiegelt. s28 Rudolph kann dieser Schwierigkeit nur mit der Annahme entgehen, daß diese aus dem Ausland zurückgekehrten Judäer „beim Abzug Jochanans 41,16 noch nicht dabei (waren) und sich . . . demnach inzwischen bei ihm eingefunden (hatten), offenbar weil sie wegen ihrer verdächtigen Vergangenheit kein gutes Gewissen hatten und mit Grund bei einer neuen babylonischen Strafexpedition für ihr und (6aa) ihrer Familien Leben fürchteten" (Komm. Jer., S. 257). 529 Vgl. Jer 41,10 (39,10). 530 Ob „Männer, Frauen und Kinder" als Erläuterung zu V. 5b gezogen werden darf (so Rudolph, Komm. Jer., S. 257) oder die Kolonie in Mizpa charakterisiert (zusammen mit „und die Prinzessinnen [vgl. 41,10] und ITDJÎtVs"), läßt sich grammatisch nicht entscheiden; es liegt allerdings nahe, besonders im Blick auf 41,10 die Prinzessinnen noch in den "ItTN-Satz miteinzubeziehen. 531 Jer 43,6; vgl. 41,10. 532 Die LXX hat „im Lande Juda". 533 Vgl. 2.Kön 25,23 (= Jer 40,7a; 7b hat keine Entsprechung!).

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Jeremía 43,1 — 7

Gedalja eingesetzt hatte"; 41,2 und 4 1 , 1 8 entsprechen hier (Gedalja, „den der König von Babel eingesetzt hatte . . . " ) 40,5. Wir lesen demnach J e r 4 0 , 5 . 7 . 1 1 ; 4 1 , 2 . 1 8 als Erläuterung zur Person Gedaljas: V33""]Vd τροπ~Ί#Κ. Die ihm vom König von Babel zuerkannten Kompetenzen erstrecken sich somit auf das Land bzw. die Städte Judas 5 3 4 . Daß in J e r 43,6 also Nebusaradan mit Gedalja in Verbindung gebracht wird, ist daher ungewöhnlich. Da der η,Π3ϋ"3"ΐ sonst nur in J e r 39,9ff und J e r 40,1 eine Rolle spielt S 3 S , liegt also auch in diesem Fall in J e r 4 3 , 6 ein weit auseinanderliegende Texte verklammernder Rückverweis vor, indem der Verfasser von 4 3 , 6 die nach J e r 3 9 , 9 f von Nebusaradan im Lande Zurückgelassenen jetzt dem Kompetenzbereich Gedaljas zuweist und so erreicht, daß auch die in J e r 39,9f erwähnten Menschengruppen zu den Auswanderern gezählt werden müssen. J e r 4 3 , 5 f treiben also die Erzählung nicht voran, oder besser: wollen die bisherige Erzählung gar nicht weiterführen. Das geschieht erst in V. 7. Das Verfahren, den durch den Erzählungsablauf erreichten Informationsstand des Lesers über die Auswanderungswilligen, wie er J e r 4 1 , 1 6 f erreicht ist, dadurch anzuheben, daß auf vor J e r 4 1 , 1 6 Berichtetes Bezug genommen wird, hat offensichtlich zunächst die Funktion, die verschiedenen und zerstreuten Angaben über den Kreis derer, die mit Jochanan nach Ägypten ausgewandert sein könnten, aufzunehmen und systematisierend zusammenzustellen. Der Anlaß dazu kann aber nur der gewesen sein, daß die Auskünfte in der Textvorlage darüber nicht eindeutig waren, daß sie also das Interesse desjenigen nicht zufriedenstellten, der in J e r 4 3 , 5 eine Klarstellung versucht. Dieses Interesse bestand nicht einfach darin, lediglich alle Hinweise auf diejenigen, die eventuell zu den Auswanderern zu zählen waren, zu sichten und zwischen diesen und den möglicherweise im Lande Gebliebenen zu unterscheiden, um so eine Informationslücke zu füllen. Beachten wir, daß der Verfasser von J e r 4 3 , 5 f auch Gruppen zu den Auswanderern rechnet (V. 5b), die von J e r 4 1 , 1 6 und der vorausgegangenen Erzählung her gar nicht unter die Auwanderungswilligen bei Bethlehem (Jer 4 1 , 1 7 ) zu subsummieren waren, wie die aus den Nachbarländern zurückströmenden Flüchtlinge (Jer s * Vgl. Jer 40,5.7; 41,2.18; 40,11 auf den „Rest" (vgl. 2.Kön 25,22). S3S Jer 39,9—10 berichten, daß Nebusaradan den Rest ("ΙΓΓ) des Volkes ins Exil führte, von den unteren Volksschichten aber Teile im Lande zurückließ (vgl. 2.Kön 25,1 Iff); in Jer 41,Iff findet Nebusaradan den Jeremia unter denen, die nach Babel exiliert werden sollen.

Analyse

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40,1 I f ) , so wird deutlich, daß seine literarischen Ambitionen von der Voraussetzung geleitet sind, daß idle bisher erwähnten Gruppen das Land verlassen haben mußten. Sein leitendes Vorverständnis war die Vorstellung, daß das ganze Land J u d a nach der Katastrophe von 587 öde und gänzlich ohne Bewohner war. Wenn es aber sein Ziel war, diese Sicht auch ins Jeremiabuch einzutragen und es dementsprechend zu überarbeiten, war folglich dieses ihm vorliegende Jeremiabuch deswegen für ihn anstößig und unbefriedigend, weil die darin enthaltene Darstellung auch andere Schlüsse zuließ, bzw. sogar gegenteilige Angaben über die Verhältnisse im Land enthielt 5 3 6 . Indem der Verfasser in Jer 43,5f auf J e r 41,16 eingeht, bzw. diese Stelle hier wieder aufnimmt und sie zugleich durch zusätzliche Angaben, die im Blick auf vorausgegangene Texte eingefügt werden, modifiziert, erhält also der Leser den Eindruck, schließlich sei niemand mehr im Land J u d a zurückgeblieben. Um diesen Eindruck konsequent zu vermitteln, wird auch in J e r 43,5a der Begriff nnmp'^D ΓΠ1ΓΓ anstelle von DS?n n n i w r V s (Jer 41,16 5 3 7 ) verwendet 5 3 8 . Außerdem wird jetzt verständlich, warum die in J e r 41,16 durch 1ΠΧ "IPX bewirkte Einschränkung, daß nur die Heerführer um Jochanan zugegen und beteiligt waren, in J e r 43,5 ausgefallen ist und hier von allen Heerführern die Rede ist. Auch hier geht es darum, den Kreis der in J e r 41,16 erwähnten Personen möglichst zu erweitern 5 3 9 . 536 Vgl. dazu oben! » 7 Vgl. schon J e r 41,10. 538 m i n ' ' ΓΡΊΝΒ? ist in jedem Fall der umfassendere Begriff; zudem kann 057Π ΠΉΝ® insofern mißverständlich sein, als diese Wendung ebenso die Bedeutung „Rest der Leute" (vgl. Jer 39,3 „alle übrigen Fürsten . . . " ) haben kann (DJ? = Leute, im Sinn einer kleineren Gruppe so in Gen 14,16; 32,8; 33,15; 35,6); außerdem taucht miÎT 1 ? m s i i in J e r 42,15 und 19 auf (vgl. auch 40,11(?).15), dort sachgemäß angewendet als Umschreibung „des ganzen Volkes", der Gesamtbevölkerung J u d a s (so deutlich J e r 40,15), was folglich J e r 43,5f berücksichtigt werden mußte. Die einfache Übernahme und Wiederholung von J e r 41,16 war also auch wegen J e r 42 für einen Bearbeiter mit der oben erwähnten Vorstellung von einem menschenleeren Land gar nicht möglich. 539 Beinhaltet die Formulierung in J e r 41,16 die Möglichkeit, daß der Leser den Text so verstand, als hätten sich eben nur die Heerführer um Jochanan, nicht aber alle Heerführer überhaupt an dem Auswanderungsvorhaben beteiligt, so war sie in dieser Form in J e r 43,5 nicht verwendbar. J e r 43,6 erreicht daher durch das Fehlen von "IHN HPK, daß der Leser sich die Frage nicht mehr zu stellen braucht, wo denn die in J e r 40,7ff (besonders V. 10) erwähnten Heerführer geblieben waren. Vielleicht ist auf ähnliche Motive das unvermittelte u n d sonst unverständliche Auftauchen weiterer Namen in J e r 43,2 (Asarja! Vgl. auch J e r 42,1) zurückzuführen.

158 d) Jer 43,1—7

Jeremía 4 3 , 1 - 7

Zusammenfassung

J e r 43,1—7 gliedert sich deutlich in zwei Abschnitte (V. 1—4; 5—7), von denen keiner ohne den anderen denkbar oder sinnvoll ist. Beiden Abschnitten ist gemeinsam, daß sie jeweils an ihrem Ende kommentiert werden, d.h. V. 4 beurteilt die in den vorausgehenden Versen dargestellte Argumentation, V. 7aß die in den Versen 5—7 geschilderte Aktion. Beides, Argumentation und Aktion wird als Ungehorsam gegenüber J a h w e gewertet. J e r 43,1—4 bereiten die Verse 5—7 vor; sie sollen die Gründe darlegen, warum es zu der in V. 5—7 geschilderten Aktion kam. Andererseits komplettieren die Verse 5—7 den vorausgehenden Abschnitt, indem sie die praktischen Folgen der in J e r 43,1—4 dargestellten Verhaltensweise berichten. Der Schwerpunkt der ganzen Einheit liegt zweifellos auf den Versen 5—7. J e r 43,1—7 ist ein durch und durch komponiertes literarisches Gebilde, in dem der dafür verantwortliche Verfasser seine Vorstellungen über die Weiterentwicklung der Verhältnisse in J u d a nach der Eroberung Jerusalems literarisch fixierte, wobei er zugleich andere vorgegebene Texte mit anderen Informationen berücksichtigte, auswertete und in seinem Sinne korrigierte. Nicht nur die in V. 1 und V. 4 verwendete Sprache ist stark formelhaft geprägt; auch die wörtliche Rede der Verse 2—3 besteht aus vorgegebenen Wendungen, die zum Teil sogar unangemessen aneinander gereiht sind ( . . . T 3 jni mit Baruch als Subjekt!). Der Wortgebrauch von J e r 43,5—7 stimmt teilweise, der syntaktische Aufbau ganz mit J e r 41,16f überein. Die in J e r 43,5f vorausgesetzte Situation entspricht örtlich und im Blick auf den Personenkreis der in J e r 41,16. Wenn man J e r 42,7 berücksichtigen will, so sind seit der Ankunft bei Bethlehem (41,17) lediglich zehn bis elf Tage verstrichen, sonst hat sich an der äußeren Lage nichts geändert. Dennoch enthält J e r 43,5f zahlreiche Angaben, die über die in J e r 41,16f zu lesenden hinausgehen und den Kreis der Auswanderer so erweitern, daß alle Personen und Gruppen, von deren Verbleib im Lande in den vorausgegangenen Texten die Rede war (Jer 39 bis 42 Ende), darunter subsummiert werden konnten und somit nach Ägypten verschwanden 5 4 0 . Der Vergleich von J e r 43,5—7 mit J e r 41,16f erhellt somit deutlich die Absicht des Verfassers. Es geht ihm um den Nachweis, daß nach 540

Die mit Jer 43,5—7 vorgenommene Versetzung des „Restes Judas" nach Ägypten berücksichtigt konsequenterweise Jer 44 (vgl. 44,12.14.(28)).

J e r 4 3 , 8 - 1 3 - Analyse

159

der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier schließlich das ganze Land von seinen Bewohnern verlassen war. Da er „den ganzen Rest J u d a s " 5 4 1 in einem Akt des Ungehorsams nach Ägypten abrücken läßt 5 4 2 , bleibt auf die Frage nach der Zukunft Israels, bzw. nach dem wahren Jahwevolk nur der Hinweis auf die babylonische Gola. Nur sie oder diejenigen, die sich von ihr herleiten konnten, waren das eigentliche Gottesvolk.

12. Jer a)

43,8-13

Inhalt

Jeremía erhält in Tachpanes von Jahwe den Auftrag, vor dem Palast des Pharao im Beisein von Zeugen „große Steine" zu verbergen (V. 8.9) und dort ein Jahwewort mitzuteilen: Jahwe wird Nebukadnezar nach Ägypten schicken, und dieser wird über jenen Steinen seinen Thron aufschlagen (V. 10). Nebukadnezar wird Ägypten vernichten (V. 11), die Tempel zerstören, das unterste zu oberst kehren und seinen Feldzug schließlich erfolgreich beenden (V. 12.13). b)

Analyse

Der Abschnitt enthält ein Unheilsorakel 543 an Ägypten. Eine Begründung für dieses von Jahwe bewirkte Unheil fehlt 5 4 4 . Abgesehen davon, daß sich die geschilderte Zeichenhandlung des Propheten jeglicher Deutung entzieht 5 4 5 , enthält der Text auch sonst zahlreiche, wohl kaum mehr eindeutig lösbare Schwierigkeiten. Die Bezeichnung „ R e s t J u d a s " ist nicht „ c u m grano salis zu verstehen", wie Rudolph meint (Komm. J e r . , S. 257). Für Rudolph besteht hiereine Schwierigkeit, weil er J e r 43,1—7 für einen zuverlässigen Bericht aus der Hand des Baruch hält (vgl. oben Anm. 5 1 0 ! ) , der Bericht aber in diesem Punkt nicht zuverlässig ist, wenn festgestellt wird, daß die gesamte Restbevölkerung ausgewandert sei. 5 4 2 Vgl. zur endgültigen Verwerfung J e r 44. 543 Duhm weist daraufhin, daß das Orakel „einen ähnlichen Eindruck wie 1 3 , I f f . 51,59ff . . . " macht. 5 4 4 Die Beantwortung der Frage, warum Ägypten mit Krieg zu rechnen hat, scheint dem Verfasser unwichtig. 545 Was das Verstecken von ΓΗ1?"!) 0M3N bedeuten soll, läßt sich nicht mehr feststellen (Duhm, Komm. Jer., S. 3 2 6 : „Das Verstecken der großen Steine ist sonderbar genug".). Volz (Komm. J e r . , S. 360) interpretiert: , J e r e m í a weissagt durch eine sinnbildliche Handlung, daß der babylonische Großkönig, vor dem die J u d e n geflüchtet sind, auch nach Ägypten kommen werde . . . Die sinnbildliche Handlung ist sehr geschickt; die eingesenkten Steine erregen Aufsehen, 541

160

Jeremía 4 3 , 8 - 1 3

In V. 9 ist 13*703 üV»3 (απ Xey.) in der Bedeutung völlig unklar (vgl. die Kommentare). Merkwürdig ist ferner die Verbindung von föö „(heimlich) verbergen/verscharren" mit . . . T V 1 ? 5 4 6 . Denn p ü drückt eine Handlung aus, die keine Zeugen kennt oder braucht. Die D'lWK αΠΊΓΓspielen zudem im folgenden keine Rolle 547 . In V. 10 ist WHBtf wieder unsicher (απ. λεγ.), für 1X03 Tiötoi wird wohl . . . ΠΝ Dto zu lesen sein (vgl. LXX!) 5 4 8 . TiMB *WX ist auffällig, denn nach V. 9 erwartet man, daß Jeremía und nicht Jahwe selbst die Steine versteckt. LXX liest entsprechend die 2. Person. Volz549 und Rudolph550 halten an der 1. Person fest. Eventuell ist der in jedem Fall schwierige Text darauf zurückzuführen, daß TilöB "IB?X als Erläuterung zu nVxn D^SN1? VsiBü nachgetragen wurde. V. 12 wechselt, wahrscheinlich durch versehentliche Verlesung verursacht, das Subjekt (Vtxm551 = Jahwe; DBIfen = Nebukadnezar). Außer . . . 3-inV HPN1552 in V. 11 ist der ganze V. 13 zusatzverdächtig, weil hier teilweise eine Wiederholung der Aussagen von V. 12 vorliegt553. Zur Stellung im jetzigen Kontext Berücksichtigt man, daß der vorausgehende Abschnitt Jer 43,1—7 ohne Fortsetzung kaum denkbar ist, als weiterführender Text aber Jer 43,8—13 mit den Aussagen lediglich über das Schicksal Ägyptens 554 gerade im Blick auf vorausgehende Texte wie Jer 42,17ff nicht ursprünglich sein kann, als solcher folglich nur Jer 44 oder Teile daraus in Betracht kommen, so stellt sich die Frage, aus welchen Gründen und von wem diese Verse 43,8—13 gerade hier unwirken als ständige Predigt, dienen als Zeugen der Weissagung". Die Frage nach der Bedeutung der „sinnbildlichen Handlung" ist damit jedoch nicht beantwortet. 546 Vgl. zu p B J e r 13,4ff; ferner J o s 7 , 2 1 . 2 2 ; 2 , 6 ; Gen 3 5 , 4 ; Ex 2 , 1 2 . 547 Das Dn,L?N fehlt in der L X X in V. 10; zu m»i4 Siehe auch Jer 49,13; 51.14. 605 Vgl. Jer 4,2; 5,2; 12,16. 606 Vgl. Duhm, Komm. Jer., S. 333; Rudolph, Komm. Jer., S. 262f; Thiel, Diss., S. 599. 607 Es handelt sich hier um eine Heilszusage, die nach dem Kontext — vgl. besonders die Einleitung zu dem ganzen Komplex der Heilsworte in Jer 30, 1—3 — ausschließlich der Gola in Babel (so im Blick auf das vorausgehende Kapitel Jer 29) gilt. 12

Pohlmann, Jeremiabuch

178

Jeremía 44

V. 27 soll demnach deutlich machen, daß auch ein Heilswort wie J e r 31,28 nicht mehr für die ägyptische Gola in Anspruch genommen werden darf 6 0 8 . V. 28 hebt praktisch die Aussage über die absolute und ausnahmslose Vernichtung aller ägyptischen J u d e n (V. 27) wieder auf, indem j e t z t davon die Rede ist, daß eine geringe Zahl der Katastrophe entgehen und nach J u d a zurückkehren wird (vgl. auch V. 14). Während Duhm609, Volz610 und Rudolph611 die erste Vershälfte (V. 28a) für einen Zusatz derselben Hand halten, die auch in 4 4 , 1 4 das D'üVö'DK Ό anfügte 6 1 2 , will Thiel neuerdings an der Einheitlichkeit des vorliegenden Textes festhalten. Er versucht die Spannungen damit zu erklären, daß hier ein der Redaktion schon vorliegendes Gerichtswort (V. 26.28a) durch V. 27.28b kommentiert und ergänzt wurde 6 1 3 . Daß die Redaktion (D = deuteronomistische Redaktion) überhaupt eine umfassende Vernichtung ankündigt (V. 27), hängt nach Thiel damit zusammen, daß in J e r 42,17 ein originaler Gerichtsspruch reproduziert wird 6 1 4 , an den D „ihre eigenen Gerichtsdrohungen in K. 42 wie in 44,1 — 14 an(lehnt)". Das werde an dem Umstand deutlich, „daß D 4 2 , 1 7 b a in V. 14 zitiert, zugleich aber durch den Passus D,ü1?D"DK Ό entschärft. Dieser Passus berücksichtigt das in 44,26*.28a enthaltene überlieferte Gerichtswort, das im Gegensatz zu 42,17 mit dem Überleben eines Restes rechnet 6 1 5 . D gleicht hier also die Inhalte zweier nicht ganz kongruenter Prophetenworte miteinander aus" 6 1 6 . Diese, wie Thiel selbst feststellt , „komplizierte Erklärung" 6 1 7 überzeugt j e d o c h schon deswegen nicht, weil wir zeigen k o n n t e n , daß «» Zu ruiü 1 ? X1?! nsnV vgl. Jer 21,10; 24,5.6.9; 29,11; 39,16 (vgl. Amos 9,4). «» Komm. Jer., S. 333. 6 >° Komm. Jer., S. 362. 611 Komm. Jer., S. 263; für Rudolph handelt es sich hier um ein vaticinium ex eventu, „das die Weissagung von V. 26f im allgemeinen bestätigt, aber von der Heimkehr einiger weiß". 612 Weiser, Komm. Jer., S. 373f, erkennt in V. 28 lediglich eine „Modifizierung" zu den vorausgehenden Versen. 613 Diss., S. 603. 614 Vgl. aber dazu oben S. 134ff. 615 Daß es überhaupt ,überlieferte' (also doch wohl echte) Prophetenworte gegeben haben kann, die zugleich neben der Gerichtsankündigung die Einschränkung und Entschärfung mitliefern, indem sie mit dem Überleben eines Restes rechnen, halte ich für unwahrscheinlich. 616 AaO, S. 604. 617 AaO, S. 603.

Analyse zu den Versen 24—30

179

J e r 4 2 , 1 7 gar nicht als originales, der R e d a k t i o n schon vorliegendes Gerichtswort einzuordnen i s t 6 1 8 . D a ferner die sprachlichen Berührungen von V. 2 8 b mit 4 4 , 1 2 und 14 (Dtf III 1 ? . . . m i W - V a ; vgl. 4 2 , 1 7 ) und mit 4 2 , 1 9 . 2 2 ( S l 1 ) keineswegs zwingend n a h e l e g e n 6 1 9 , daß dieser Halbvers ( V . 2 8 b ) von D, das heißt vom für J e r 4 4 hauptsächlich zuständigen Verfasser s t a m m t , auf den auch V. 2 7 zurückgeht, ist damit auch Thiels Voraussetzung für seine A n n a h m e hinfällig, daß V. 2 8 a (zusammen mit V. 2 6 ) Bestandteil eines überlieferten Gerichtswortes gewesen sein m u ß 6 2 0 . Denn geht V. 2 8 b nicht auf den gleichen Verfasser wie V . 27 zurück, so kann V . 2 8 b nicht mehr so verstanden werden, als ob hier ein und derselbe Verfasser hiermit die Existenz eines vorgegebenen Gerichtswortes ( V . 2 8 a ) berücksichtigen wollte. Zu J e r 4 4 , 2 8 b ist zunächst festzuhalten: Die Spezifizierung zu ΠΤΙΓΡ m x í r ' j a als a n s a f i x 1 ? t r x a n ist insofern schon verdächtig, als damit merkwürdigerweise der Verfasser von V. 2 8 b Wert darauf legen würde, daß die Errettung eines geringen Restes, der ins L a n d J u d a zurückkehrt, die ausnahmslos und endgültig für den Untergang b e s t i m m t e n J u d e n in Ägypten ( V . 2 7 ) erkennen lassen soll, wie J a h w e und sein Prophet R e c h t behalten. Diese Spannung erklärt sich, wenn man mit Weiser621 und Rudolph622 1 . . . o n s a - p x ? j r s a n als unsachgemäßen Zusatz (nach 4 4 , 1 2 . 1 4 ) eines späteren Glossators a u f f a ß t 6 2 3 und unter dem ΓΠ1ΓΓ m s ® in V. 2 8 b die J u d e n Palästinas versteht, zu denen die 31Π ' ü ^ D zurückkehren (vgl. 2 8 a ) 6 2 4 . Der Einwand Thiels625, gegen diese Ansicht Vgl. oben S. 134ff. Von einem Ausgleich zweier vorgegebener (42,17 und 44,26.28a) nicht kongruenter Prophetenworte kann also nicht die Rede sein. 6 1 9 Sprachliche Berührungen können hier insofern kein Beweis sein, als auch ein späterer Bearbeiter Formulierungen aus den oben genannten Stellen aufgreifen konnte (vgl. oben Anm. 581!). 6 2 0 „Die Möglichkeit eines geringen Restes mußte nach 27 ausdrücklich erwähnt sein, um 28b sinnvoll formulieren zu können, wie er jetzt vorliegt" (Thiel, Diss., S. 601). «» Komm. Jer., S. 369. «2 Komm. Jer., S. 262; vgl. schon Ehrlich, Randglossen IV, S. 351. 6 2 3 Dieser Zusatz könnte dem Umstand Rechnung tragen, daß der Glossator von zu seiner Zeit in Ägypten wohnhaften Juden weiß, die er allerdings nicht mit denen gleichsetzen konnte, deren absolute Vernichtung (V. 27) mit der Ausnahme weniger (V. 28a) in seiner Textvorlage angekündigt war. Der Glossator versucht also den vorgegebenen Text mit den tatsächlichen Verhältnissen seiner Zeit in Einklang zu bringen, indem er die jetzt in Ägypten wohnhaften Juden warnend daraufhinweist, daß Jahwe und sein Prophet bestätigt wurden. ™ Vgl. dazu unten S. 180. « s Diss., S. 601, Anm. 1. 618

180

Jeremía 44

sperre sich der sonstige Sprachgebrauch von ΓΠΊίΓ nmw' in Jer 42 — 44, ist deswegen nicht stichhaltig, weil er auch hier wieder von vornherein von der unbewiesenen Voraussetzung ausgeht, daß V. 28b dem gleichen Verfasser zuzuschreiben ist wie die entsprechenden Verse in Jer 42. Aus den gleichen Gründen ist auch Thiels Argumentation mit dem logischen Zusammenhang hinfällig. Wenn Thiel meint, daß es doch nur sinnvoll sei, „daß die ägyptische Diaspora, mit der nach Meinung von D Jeremía diesen Konflikt hatte, das Eintreffen des Jahwewortes erfährt — und zwar an sich selbst —, während die im Mutterland verbliebenen damit gar nichts zu tun haben" 6 2 6 , so schließt er von vornherein die Möglichkeit aus, daß es für einen späteren Bearbeiter sehr wohl angebracht sein konnte, hier eine Verbindungslinie zwischen den Juden in Ägypten und denen in Palästina 627 herzustellen 628 . Um V. 28 zutreffend zu beurteilen, ist zudem zu beachten, daß in V. 29 noch einmal von einer Möglichkeit die Rede ist, wie sich die ägyptischen Juden von der Zuverlässigkeit der vorausgegangenen Gerichtsankündigungen überzeugen ( . . . 15ΠΓΙ l^öV) können. Diese jetzt vorliegende Doppelung von Aussagen kann nur so entstanden sein, daß V. 28 (ohne den späteren Zusatz . . . f^xV O'xnn) als nachträglicher Einschub zwischen 26f und 29f nachgetragen wurde, weil inzwischen die Tatsache zu berücksichtigen war, daß Juden in Jerusalem und Juda lebten, die offensichtlich aus Ägypten stammten 629 . 626 Diss., S. 601, Anm. 1. 627 Gemeint sein können allerdings nicht die „im Mutterland verbliebenen" (Thiel, aaO, S. 601, Anm. 1); wenn sich der Bearbeiter auf den Standpunkt seiner Vorlage stellt (Jer 42/43), so muß es sich um die inzwischen aus Babylon zurückgekehrte Gola handeln. 628 Vgl. dazu unten! 629 Thiel (Die deuteronomistische Redaktion, S. 601ff) führt gegen diese, wie wir meinen, begründete Auffassung historische Argumente an: Daß V. 14 Ende und V. 28 „Zusätze auf Grund wirklicher Ereignisse darstellen", sei deswegen wenig einleuchtend, weil diese Annahme voraussetze, „daß die Juden in Ägypten das hier vorausgesagte Gericht tatsächlich an sich erfahren haben, nur daß noch einige Flüchtlinge nach Judäa entkommen konnten." Eine solche Annahme sei aber ganz ungewiß. Thiel bedenkt jedoch nicht, daß der Bearbeiter an diesen Stellen lediglich erklären will, wie der den Ankündigungen in Jer 44 widersprechenden Umstand überhaupt eintreten konnte, daß zu seiner Zeit doch aus Ägypten zurückgekehrte Juden in seinem Gesichtskreis auftauchten. Diese Diskrepanz löst sich für ihn mit der Annahme, daß die Existenz aus Ägypten zurückgekehrter Juden in Judäa eben als Zeichen für das in Ägypten geschehene Gericht zu werten ist. Wann und wie dieses Gericht sich abspielte, war für ihn gar nicht das Problem. Insofern ist die Suche nach einem möglichen historisch zutreffenden Ereignis müßig.

Ergebnisse

181

G e r a d e d a r a n a b e r , so die A u f f a s s u n g des für V . 2 8 u n d V . 1 4 b 7 z u s t ä n d i g e n B e a r b e i t e r s , sollen die Z e i t g e n o s s e n e r k e n n e n 6 3 0 , d a ß das J a h w e w o r t e i n g e t r o f f e n ist ( d e n n diese J u d e n seien d e m G e r i c h t entronnen631). E s ist die F u n k t i o n der a b s c h l i e ß e n d e n V e r s e 2 9 — 3 0 6 3 2 , für d e n L e ser das u n a u s w e i c h l i c h e E i n t r e f f e n der v o r a u s g e h e n d e n Unheilsankündigungen in der Z u k u n f t s i c h e r z u s t e l l e n : Wie sich die Weissagung in J e r 4 4 , 2 9 f für d e n L e s e r erfüllt h a t 6 3 3 , s o m u ß a u c h die in 4 4 , 2 6 f in Erfüllung g e h e n .

d)

Ergebnisse

J e r 4 4 in seiner ursprünglichen G e s t a l t h a t t e die a u s n a h m s l o s e V e r n i c h t u n g aller ä g y p t i s c h e n J u d e n angesagt. I h r e d a m i t a u s g e s p r o c h e ne V e r w e r f u n g b e r ü h r t sich d e u t l i c h m i t J e r 2 4 (vgl. b e s o n d e r s V. 8 ; siehe a u c h J e r 4 2 , 1 7 f ) . D e m V e r f a s s e r g e h t es u m d e n N a c h w e i s , d a ß das A u s s c h e i d e n der ä g y p t i s c h e n J u d e n aus J a h w e s Heilsplan, wie es d e r P r o p h e t s c h o n v o r der E r o b e r u n g J e r u s a l e m s angekündigt h a t t e , Wirklichkeit g e w o r d e n ist. Z u d i e s e m Z w e c k b e r i c h t e t er über eine A u s e i n a n d e r s e t z u n g zwis c h e n allen ä g y p t i s c h e n J u d e n und d e m P r o p h e t e n J e r e m í a 6 3 4 , die 630 Wenn der Verfasser von V. 28 herausstellt, daß der ΓΠ1ΓΓ ίΓΊΝΒ, d.h. nach unserer Auffassung die Juden in Palästina, an den aus Ägypten Entronnenen erkennen ( » Τ ) wird, daß Jahwes Wort eintrifft (Olp-1 "Ή 1 3 1 . . . ) , so liegt hier offensichtlich eine die Aussagen im folgenden Vers 29 berücksichtigende Modifizierung vor (vgl. . . . n r iDip" mp -3 isnn p a V ) . Zur Funktion der D'dVd in oder nach einem Gerichtsgeschehen vgl. Gen 14,13; 2.Kön 9 , 1 5 ; J e s 6 6 , 1 9 ; J e r 5 0 , 2 8 ; Ez 1 4 , 2 2 ; 2 4 , 2 6 ; 3 3 , 2 1 . 6 3 2 In V. 29 fehlt in der L X X D3,l?57 . . . ΠΤΠ Οψ 0 3 . Wahrscheinlich sind die Augen des Ubersetzers von dem ersten DD,l7S? gleich auf das zweite übergesprungen. - Zu i p s vgl. J e r 2 1 , 1 4 ; 2 3 , 2 . 3 4 ; 2 5 , 1 2 ; 2 7 , 8 ; 2 9 , 1 0 . 3 2 ; 3 6 , 3 1 ; zu Π17Ί1? vgl. J e r 4 4 , 1 1 . 2 7 ; 2 1 , 1 0 ; 3 9 , 1 6 ; Arnos 9,4. Zur Wendung „in die Hand seiner Feinde und . . . " in V. 30 vgl. J e r 19,7; 2 1 , 7 ; 2 2 , 2 5 ; 3 4 , 2 0 f . 6 3 3 Es handelt sich deutlich um ein vaticinium ex eventu; so Rudolph, Komm. J e r . , S. 2 6 3 ; Thiel, Diss., S. 6 0 5 ; gegen Weiser, Komm. J e r . , S. 3 7 4 . - 4 4 , 3 0 hat wahrscheinlich Ereignisse vor Augen, die um 5 7 0 / 6 9 mit dem Tode des Pharao Hofra endeten (vgl. Herodot, 161 ff) ; für die Abfassungszeit dieser Verse ergibt sich daraus allerdings lediglich der terminus a quo (Thiel, Diss., S. 6 0 6 , datiert diese Verse zusammen mit D nach 5 6 0 ; vgl. dazu unten S. 189ff). 6 3 4 Offensichtlich bewußt antitypisch zur Schilderung der Versammlung des ganzen Volkes vor dem Propheten Jeremía in J e r 4 2 , I f f (ursprüngliche Fassung! — Vgl. dazu oben S. 140ff). Dem in J e r 4 4 , 2 6 — 2 7 . 2 9 f vorliegenden Ergebnis der prophetischen Antwort geht voraus a) eine erste an das Volk gerichtete Rede des Propheten; b) die Abweisung des Propheten durch die Frauen; c) die speziell 631

182

Jeremía 44

dem Leser verdeutlicht, daß das Verhalten der ägyptischen J u d e n mit dem der Bewohner J u d a s und Jerusalems einst gleichzusetzen ist, also auch die gleiche Strafe verdient. Zur Illustration dieses Verhaltens dient besonders die dem Propheten eine A b f u h r erteilende Antwort der an der Versammlung beteiligten Frauen in den Versen 15—19. Bei der Gestaltung dieses Abschnitts konnte der Verfasser schon vorliegende Nachrichten (Jer 7,16ff) über Fremdgötterkulte in Jerusalem auswerten. Die These, daß in J e r 44,15 — 19 älteres vorgegebenes Traditionsgut sich erhalten hat, ist also zu modifizieren. Die jetzigen Spannungen und Brüche im Text von J e r 44 sind die Folge späterer Bearbeitung. Die ursprüngliche Textfassung bestand a u s J e r 4 4 , 1 - 3 . 7 - 1 4 * . 1 5 ( o h n e ΒΤΛΚΠ-'ΤΒ b i s ΒΉΠΚ DV^N1? u n d

V. 15b) bis 19.24 (nur: „Da sprach Jeremia zu allen Frauen").25 (ohne ...flirr -Ι0Κ-μ).26.27.29.30. J e r 4 4 , 4 - 6 sind mit großer Wahrscheinlichkeit erst später nachgetragen, J e r 44,20—23 mit Sicherheit. Mit der Einschaltung letzterer Verse waren Eingriffe in J e r 44,15 und 24 verbunden, die zu den jetzigen Spannungen und Widersprüchen führten. Neben den in der Vorlage allein erwähnten Frauen werden jetzt auch die Männer genannt, so daß eine Ausweitung auf das ganze Volk möglich wurde. Daß beide Nachträge auf ein und dieselbe Hand zurückgehen, ist wenn auch nicht beweisbar so doch wahrscheinlich. Von sonstigen kleineren Eingriffen abgesehen (vgl. die Abweichungen der LXX!) sind ferner noch von besonderer Bedeutung die Zusätze in J e r 44,14 (Ende) und 44,28. Es handelt sich um Korrektur e n ( V . 1 4 t r o V s - B K Ό ; V . 2 8 o h n e B® Hl 1 ? B n s a - p s V

Β-Χ3Π),

die die Tatsache berücksichtigen, daß es in Palästina J u d e n gab, deren H e r k u n f t aus Ägypten bekannt war. Nach Auffassung des für 44,14 (Ende) und 44,28 verantwortlichen Bearbeiters m u ß t e n diese dem Gericht, wie es die Vorlage über die ägyptischen J u d e n angekündigt hatte, entronnen sein. Die letzte uns vorliegende „Bearbeitung" weiß von aus Ägypten stammenden J u d e n in Palästina sowie von J u d e n , die sich in Ägypten aufhalten (vgl. die jetzige Fassung von 44,28). darauf bezogene Reaktion des Propheten. Auch Jer 42 enthält vor der eigentlichen prophetischen Antwort drei Redegänge: a) die an den Propheten gerichtete Rede des ganzen Volkes (42,2—3); b) die Zustimmung des Propheten (42,4); c) die positive Reaktion des Volkes (42,5).

III. ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE UND AUSWERTUNG

A. Die golaorientierte Redaktion des Jeremiabuches 1. Anliegen

und

Theologie

Für die Entstehung der vorliegenden Fassung des Jeremiabuches ist im besonderen Maße ein redaktionelles Programm ausschlaggebend gewesen, dessen Ziel es war, vorgegebene T e x t e 1 dahingehend zu überarbeiten, daß allein und ausschließlich die babylonische Gola (unter Jojakin) als legitime Nachfolgerin des alten „Israel" in Jahwes Heilsplan erscheint. Innerhalb dieses Programms kommen Stellung und Inhalt von J e r 24 eine Schlüsselfunktion zu. Das Kapitel ist ohne Frage 2 erst sekundär mit dem jetzigen Kontext (hinter J e r 21,1 Iff — Worte an die Führenden — und vor Jer 25/26 — Zeit Jojakims —) verklammert worden, also mit einem redaktionellen Anliegen in Verbindung zu bringen. Der in J e r 24 vorliegende Visionsbericht des Propheten Jeremía stammt nicht von Jeremía selbst. Es ist auch nicht denkbar, daß darin ein jeremianischer Kern enthalten ist. Das Kapitel ist vielmehr eine spätere Komposition aus vorgeprägten Wendungen, die im Rückgriff auf andere Texte in tendenziöser Absicht erstellt wurde. J e r 24 soll, den ersten Teil des Jeremiabuches (vorwiegend Worte des Propheten) 3 abschließend, die Vorrangstellung der babylonischen Gola betonen (Jer 24,1—7), bzw. die von Jahwe beschlossene uneingeschränkte Verwerfung derer, die nach der ersten Exilierung in Jerusalem und im Lande verblieben waren, als vorausverkündigt (Jer 2 4 , 8 - 1 0 ) feststellen. Auch J e r 21,1—10 sind sowohl hinsichtlich ihrer Stellung im Kont e x t 4 wie auch ihrer Aussageintention auffällig. Dazu kommt, daß 1

Vgl. dazu unten S. 198ff. Vgl. dazu oben S. 19f. 3 Zur Beurteilung von Jer 25 vgl. oben S. 46, Anm. 148. 4 Jer 21,Iff Zeit Zedekias (Belagerung Jerusalems durch die Babylonier) — Jer 21,1 Iff Königssprüche (Jer 22,11 Schallum; Jer 2 2 , 1 3 - 1 9 Jojakin; 22,24ff Jojakim). 2

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Zusammenfassung — Die golaorient. Redaktion d. Jeremiabuches

diese Verse deutlich auf J e r 24 abgestimmt sind. Die folgenden Königssprüche weit überholend kündigt der Prophet hier schon die unausweichliche und restlose Vernichtung Jerusalems unter Zedekia an. Die damit implizit aufgeworfene Frage, ob die endgültige Verwerfung Jerusalems und der Jerusalemer unter Zedekia das Ende der Geschichte des Jahwevolkes bedeutet, beantwortet J e r 24 (3—7) mit dem Verweis auf die erste Gola in Babylon (Jojakin) und der Feststellung, daß allein diese Gola in Jahwes Heilsplan einen Platz haben wird. Im Blick auf diese Korrespondenz und unter Berücksichtigung der übrigen Verbindungslinien zwischen beiden Abschnitten 5 sind die beiden Einheiten J e r 21,1—10 und J e r 24 als eine aufeinander abgestimmte Rahmenkomposition einzustufen. Das Hauptanliegen der für diese merkwürdige Textfolge zuständigen Redaktion ist nicht in erster Linie, hier „das Gericht mit dem Versagen der Führer des Volkes und wohl auch mit dem blinden Vertrauen des Volkes auf seine Leiter . . . " zu begründen 6 . Auch daß „in der Verwerfung der Zurückgebliebenen und der Ägyptenflüchtlinge implizit die Enttäuschung der dtr. Kreise über die Fehlreaktion dieser Gruppen auf das Gericht Jahwes . . . , besonders . . . über die wieder in den Synkretismus verfallende Bevölkerung des judäischen Territoriums, ihrer eigenen Hörer also, zum Ausdruck" k o m m e 7 , trifft nicht den Kern der Sache. Ausschlaggebend für die Entstehung der Rahmenkomposition (Jer 21,1 —10/Jer 24) war die Absicht des Verfassers, hier den Nachweis zu erbringen, daß sich die zusammen mit Jojakin nach Babylon Verbannten (1. Gola) hinsichtlich ihrer beanspruchten Sonderstellung auf den Propheten Jeremía und die ihm offenbarten Jahweworte berufen können. Der Verfasser konstatiert in J e r 21,1—10 unmißverständlich die absolute Verwerfung Jerusalems und der Jerusalemer (unter Zedekia) und somit ihr unwiderrufliches Ausscheiden aus Jahwes Heilsplan. Die Vorschaltung dieses Abschnitts vor die folgenden Königssprüche und Worte über die Führenden bewirkt, daß jetzt die Äußerungen des Propheten über die Könige, und hier in erster Linie über Jojakin, im Sinne des für die Rahmenkomposition zuständigen Verfassers umgedeutet werden können: Anders als das Gerichtshandeln Jahwes, das für Zedekia und die im Lande Verbliebenen das Ende bedeutet, sind s

Vgl. dazu oben S. 41ff; so auch Thiel, Die dtr. Redaktion, WMANT 41, S. 260. 6 Thiel, aaO, S. 260; vgl. auch S. 301. 7 Thiel, aaO, S. 261.

Anliegen und Theologie

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die Ereignisse unter Jojakin, die erste Exilierung, als ein Gerichtshandeln Jahwes zu werten, das im Vollzug zugleich Beginn eines Heilshandelns Jahwes bedeutet 8 . Dieser in J e r 21,1 —10/Jer 24 fixierten Theorie, daß Jahwes Heilsplan allein die erste Gola berücksichtigt, Jerusalem und J u d a dagegen Jahwes Vernichtungswillen preisgegeben sind, entspricht offensichtlich jetzt auch der weitere Aufbau des Jeremiabuches. Während zunächst in J e r (26)27/28 bis 33(34) im wesentlichen Rolle und Bedeutung der ersten Gola positiv im Mittelpunkt steht (vgl. Jer 24, 3—7) 9 , handeln J e r 37—44 ausschließlich über das Schicksal Judas und Jerusalems während und nach der Belagerung Jerusalems durch die Babylonier (Zeit Zedekias und Gedaljas; vgl. J e r 24,8 — 10). Im Blick auf J e r 2 1 , 1 - 1 0 / J e r 24 enthalten die Kapitel J e r 3 7 - 4 4 zudem den Nachweis, daß sich diese Prophetenworte erfüllt haben. Denn der für die jetzige Textgestalt von J e r 37—44 zuständige Verfasser (oder Redaktor) kommt in seiner Darstellung der Geschichte Judas nach der Eroberung Jerusalems zu dem Ergebnis, daß schließlich das Land gänzlich verlassen und ohne Bewohner war (vgl. J e r 24,10) und der nach Ägypten abgewanderte Rest des Volkes (vgl. Jer 24,8) sich selbst disqualifiziert hat. J e r 21,1 —10/Jer 24 und J e r 37—44 sind folglich nach dem Schema „Weissagung und Erfüllung" aufeinander abgestimmt. Die Rahmenkomposition J e r 21,1 —10/Jer 24 und die vorliegende Textgestalt der Schlußerzählungen J e r 37—44 wie auch deren jetzige Stellung sind auf ein und denselben Redaktionsvorgang zurückzuführen. Die Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte von J e r 37—44 führen zu dem Ergebnis, daß der Anteil redaktioneller Bearbeitung an diesen Kapiteln wesentlich höher zu veranschlagen ist, als die bisherige Forschung annahm. Bevor die redaktionellen Bestandteile im Einzelnen aufzuführen sind, empfiehlt es sich, die vorliegende Fassung in ihrer Geschlossenheit und Aussageintention noch einmal umschreibend zu charakterisieren. Die jetzige Fassung J e r 37—44 behandelt zunächst in einem ersten Teil (Jer 37,1—40,6) die Belagerung Jerusalems bis zur Eroberung 8 Jahwe schickt die ΓΠΊϊν ΠΙ1?! ins Land der Chaldäer „zum Guten" (ΠΠΊϋ1?); vgl. Jer 24,5. 9 Da sich die vorliegende Arbeit in erster Linie die Untersuchung von Jer 37 — 44 zum Ziel gesetzt hat, müssen wir uns im Blick auf die Frage nach der Entstehung von Jer 26—35 mit dem Hinweis begnügen, daß Stellung und Aufbau dieser Kapitelfolge mit der in Jer 21,1 —10/Jer 24 greifbaren Redaktion in einem wie auch immer im einzelnen gewerteten ursächlichen Zusammenhang stehen (vgl. auch oben S. 46f).

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Zusammenfassung — Die golaorient. Redaktion d. Jeremiabuches

der Stadt und deren Auswirkungen. Gleich zu Anfang (Jer 37,1 — 10) stellt der Prophet Jeremía klar, daß die Bedrohung und Belagerung Jerusalems durch die Babylonier den Untergang zur Folge haben wird. Die Jerusalemer unter Zedekia haben keinerlei Chance zur Rettung. Jahwes Entschluß ist eindeutig und unwiderruflich. Die anschließenden Textpartien (Jer 37,11—38,28a), in denen das Schicksal des Propheten im Blick auf seine Botschaft (Bedrohung durch seine Gegner, Gefangenschaft, Auseinandersetzungen mit dem König) im Mittelpunkt stehen, enden mit Nachrichten darüber, wie die Stadt eingenommen wird (Schicksal des Königs, Zerstörungen usf.) und schließlich eine geringe Restbevölkerung, darunter auch Jeremía, unter dem Statthalter Gedalja in Mizpa zurückbleibt (Jer 38,28b—40,6). In einem zweiten Teil (Jer 40,7—Jer 44) wird die Geschichte dieses in Mizpa ansässigen Restes geschildert. Nachdem weitere Gruppen zu Gedalja nach Mizpa gestoßen sind (Jer 40,7—16), k o m m t es zu Auseinandersetzungen und schließlich zur Ermordung des Statthalters (Jer 4 1 , I f f ) . In den folgenden Wirren setzen sich die Mörder Gedaljas in ammonitisches Gebiet ab (Jer 41,15). Die ganze übrige Restbevölkerung unter der Führung ehemaliger Truppenführer plant die Flucht nach Ägypten (Jer 41,16—18), von der man sich auch durch die Warnungen des Propheten Jeremía (Jer 42) nicht abhalten läßt (Jer 43,1—8). Der Prophet muß sich den Auswanderern anschließen. In J e r 44 muß der Prophet anläßlich einer Volksversammlung aller in Ägypten wohnhaften J u d e n deren Verhalten mit dem der Bewohner Judas und Jerusalems vor der Katastrophe gleichsetzen und damit entsprechend ihre ausnahmslose Verwerfung und Vernichtung ankündigen, so daß schließlich hier das Ausscheiden auch der ägyptischen J u d e n aus Jahwes Heilsplan konstatiert wird. Der für J e r 37—44 zuständige Bearbeiter wertet folglich die Geschichte Judas und Jerusalems unter Zedekia wie auch die Geschichte der nach der Eroberung Jerusalems im Lande Verbliebenen als eine durchlaufende Unheilsgeschichte ohne weitere Zukunftsaussichten 1 0 a . Die oben vorgelegten Analysen haben gezeigt, daß diese Textfassung zustande gekommen ist in der Konfrontation mit einem vorgegebenen Textzusammenhang, in dem die Geschichte Judas und Jerusalems während und nach der Eroberung durch die Babylonier aus

10a In Jer 37—44 gehen folgende Texte auf diesen golaorientierten Redaktor zurück: 3 7 , 1 - 1 0 ; 3 8 , 1 - 6 . 1 5 - 1 6 . 1 8 . 2 3 ; 3 9 , 1 - 2 . 4 - 1 3 ; 4 0 , 2 - 6 . 7 - 1 0 * ; 41, 4-7.10*.16*.17*; 42,l*.6.8*.(12.)13b.l5.17-21; 4 3 , 1 - 7 . 8 - 1 3 ; 4 4 , 1 - 3 . 7 14*.15*.16—19.24*.25*.26—27.29—30.

Anliegen und Theologie

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einem ganz anderen Blickwinkel 1 0 b beurteilt wird. Um Intention, Theologie sowie redaktionelle Techniken der für die jetzige Textgestalt J e r 37—44 verantwortlichen Bearbeitung besser konturieren zu können, soll zunächst dieser der Bearbeitung vorgegebene Textzusammenhang vorgestellt werden. Es handelt sich um J e r 37,11 — 16; 3 8 , 7 - 1 4 . 1 7 . 1 9 - 2 2 . 2 4 - 2 8 a . 2 8 b ; 39,3.14; 40,(10.) 1 1 - 4 1 , 3 . 8 . 9 . 10*. 1 1 - 1 5 . 1 6 * . 1 7 * . 1 8 ; 4 2 , l * . 2 - 5 . 7 * . 8 * . 9 - 1 0 . ( l l . ) 1 3 a . 1 4 . 1 6 » . Die Analyse ergab, daß Jer 37,11 — 16 ursprünglich noch weitere Texte vorausgegangen sein müssen 12 . In J e r 37,11 — 16 wird berichtet, wie Jeremía bei dem Versuch, Jerusalem zu verlassen, verhaftet wird. Auf Betreiben der nnfe setzt man den Propheten im Hause Jonathans in einer Zisterne gefangen (37,15), wo er längere Zeit aushalten muß (Jer 37,16). Da erfährt Ebed Melech, ein ausländischer Palastbediensteter, von der Situation Jeremias (Jer 38,7). Er begibt sich ans Benjamintor und informiert dort den König, daß hier ein großes Unrecht geschieht und sich der Prophet in Lebensgefahr befindet (38,8—9). Der König ordnet daraufhin an, Jeremía sofort aus der Zisterne zu holen und ihn aus seiner gefährlichen Situation zu befreien (38,10), was auch geschieht (38,11 —13a). Einer weiteren Anordnung des Königs entsprechend wird Jeremía im Wachthof untergebracht und dort auch, solange es die Versorgungslage der Stadt zuläßt, mit Nahrungsmitteln versorgt 13 . Weil sich die Belagerungssituation Jerusalems immer mehr zuspitzt, setzt sich König Zedekia mit dem Propheten persönlich in Verbindung (Jer 38,14). In dem Gespräch betont Jeremía, daß Jahwe auch jetzt noch die Möglichkeit anbietet, der drohenden Katastrophe zu entgehen (Jer 38,17). Der König erhält eine an eine Bedingung geknüpfte Heilszusage. Nachdem Zedekia seine Bedenken vorgetragen hat (Jer 38,19), erfolgt eine Erörterung der Folgen für den Fall, daß der König auf die Bedingung nicht eingeht (Jer 38, 20ff). Im Anschluß daran weist Zedekia den Propheten darauf hin ; iob Vgl. dazu den Hinweis Ackroyds, „that, underlying the narratives as they are now presented, there is a clear tradition that Jeremiah, at the point at which Judah collapsed, saw the real hope for the future not particularly with the exiles in Babylon, but with the community gathered round Gedaliah. His adherence to that community when the choice was offered suggests this, and his subsequent advice to the avengers of Gedaliah's death to stay in Judah and not to go to Egypt confirms the point."; Exile and Restoration, S. 57. 11 Die Begründung fur diese Abgrenzung ist den jeweiligen Textanalysen zu entnehmen; vgl. auch die Synopse im Anhang. 12 Siehe dazu oben die Analyse zu Jer 37,11 ff, S. 59ff. 13 So V. 13 in der oben rekonstruierten Fassung (vgl. auch die Synopse im Anhang).

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Zusammenfassung — Die golaorient. Redaktion d. Jeremiabuches

daß der Inhalt des Gesprächs nicht bekannt werden darf, wenn Jeremias Leben nicht erneut in Gefahr kommen soll (Jer 38,24— 26). Jeremía verhält sich entsprechend den Anweisungen des Königs und bleibt bis zur Einnahme Jerusalems im Wachthof (Jer 38,27 — 28a). Nachdem die Stadt gefallen ist, sorgen mehrere babylonische 0Ή© dafür, daß der Prophet aus dem Wachthof entlassen wird. Jeremía k o m m t zu Gedalja, der ihn nach Hause entläßt, so daß der Prophet sich unter dem Volk aufhält (Jer 38,28b.39,3.14). Darauf folgt in J e r 40,1 Iff die Schilderung darüber, wie sich die in die Nachbarländer versprengten Juden, als sie von der Einsetzung Gedaljas als Statthalter erfahren, in ihre Heimat zurückbegeben. Nach diesen Notizen über die beginnende Konsolidierung im Lande beschreibt J e r 40,13ff in einem bis Jer 41,18* durchlaufenden Bericht, wie es zur Ermordung Gedaljas in Mizpa kam und schließlich die an der Ermordung Beteiligten sich auf ammonitisches Gebiet zurückziehen müssen, während eine Restgruppe der in Mizpa ansässigen J u d e n im Gefolge ehemaliger Truppenführer aus Furcht vor drohenden Repressalien der Babylonier nach Ägypten auswandert. In dieser Situation k o m m t es zu einer Versammlung der im Lande verbliebenen Restbevölkerung. Das ganze Volk V n j n s i p p » findet sich beim Propheten Jeremía ein (Jer 42,1*) mit dem Anliegen, Jeremía möge für sie bei J a h w e fürbittend eintreten. J a h w e soll bestimmen, wie sie sich jetzt verhalten sollen und was nun zu tun ist. Das Volk verpflichtet sich, in allem auf J a h w e zu hören. Dem demütigen und ehrerbietigen Verhalten des Volkes entspricht die positive Reaktion des Propheten. Die bedingte Heilszusage in J e r 42,10 stellt fest, daß J a h w e sich dem Volk zuwendet und im Lande selbst an ihnen heilvoll handeln wird. Es bestehe daher kein Anlaß, das Land zu verlassen. Das würde vielmehr bedeuten, die von Jahwe angebotene Chance einer hoffnungsvollen Zukunft im Lande zu verspielen, denn Jahwes Gerichtshandeln sei abgeschlossen (Jer 42,10b). Eine eventuell geplante Auswanderung habe zur Folge, daß man gerade mit dem Unheil konfrontiert werde, dem man mit dem Verlassen des Landes zu entgehen hoffe (Jer 42,13.14.16). Es ist deutlich, daß die in diesen Texten enthaltene Darstellung der Situation im Lande nach der Eroberung Jerusalems späteren Vorstellungen widerspricht 1 4 . Es genügt vorerst, die wesentlichsten Punkte hervorzuheben: Das Land ist nicht nur weiterhin bewohnt 1 5 , die 14 15

Vgl. das chronistische Geschichtswerk. Vgl. dagegen 2.Chr 36,17ff.

Anliegen und Theologie

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nach der Einnahme Jerusalems im Lande Verbliebenen erhalten sogar die Zusage, daß gerade im Lande mit Jahwes künftigem Heilshandeln zu rechnen ist. (vgl. J e r 42*). Zudem kann hier der Prophet seinem König in letzter Stunde noch die Rettung der Stadt in Aussicht stellen (Jer 38,17), wenn auch unter der Bedingung, daß er sich zuvor den Babyloniern ergibt. Jerusalem und die Jerusalemer sowie die Bewohner des Landes sind hier folglich nicht von vornherein (vgl. J e r 3 7 , 1 - 1 1 ; J e r 2 1 , 1 - 1 0 ; Jer 2 4 , 8 - 1 0 ) dem Vernichtungswillen Jahwes preisgegeben. Man wird diesen Textzusammenhang als das Produkt von Bemühungen zu bewerten haben, den eigenen Standort in J u d a nach der Katastrophe von 587 theologisch zu reflektieren. Die Gegenüberstellung von Vorlage und jetziger Endfassung Jer 37 — 44 erhellt, daß sich hier Auseinandersetzungen zweier einander widerstreitender Richtungen des nachexilischen Judentums widerspiegeln. Die für die jetzige Fassung von Jer 37—44 verantwortliche Redaktion will offensichtlich die für die Vorlage maßgeblichen Gedanken und Hoffnungen zurückweisen, daß Jahwe J u d a und seine Bewohner auch nach der Katastrophe nicht aufgegeben hat und unabhängig von einer Exilswende sein künftiges Heilshandeln gerade das Land und seine Bewohner zum Ziel haben wird. Nach allem ist klar, daß diese redaktionelle Bearbeitung mit Bestrebungen in Verbindung zu bringen ist, die Rolle und Bedeutung der Exilierten, bzw. derer, die sich von ihnen herleiteten ( π'?υπ~ , :3), besonders herauszustellen. Der Redaktor steht auf Seiten der Golajuden 1 6 . Wie die Redaktion dazu kommt, von einer der Gola von Jahwe gewährten Vorrangstellung auszugehen, bleibt allerdings unklar 1 7 . 16 Wir haben gezeigt, daß die Redaktion in besonderer Weise die Bedeutung der Exilierung unter Jojakin hervorhebt. Hier ist daran zu erinnern, daß auffälligerweise im Ezechielbuch die Zeitangaben mit der Deportation Jojakins in Verbindung gebracht werden (vgl. dazu Zimmerli, Komm., S. 43), also auch hier die erste Exilierung einen besonderen Stellenwert erhält. Nach Garscha (Studien zum Ezechielbuch, vgl. S. 141ff und S. 250) gehen diese Datierungen auf einen sogenannten deuteroezechielischen Bearbeiter zurück, der die Position der Exilierten vertritt (grundsätzliche Unheilsverkündigung gegen das Land Israel und seine Bewohner — Heilsverkündigung fur die Gola; vgl. S. 298.). Ezechiel selbst ist in der vorliegenden Fassung Angehöriger der Gola Jojakins. Daß auch sonst im Ezechielbuch der ersten Gola eine Sonderstellung zukommt, ist zumindest in Ez 11 deutlich. — Vgl. auch Duhm, Komm., S. 198f. 17 Vgl. Thiel, Die deuteronomistische Redaktion, WMANT 41, zu Jer 24: „Hier könnte die Deutung des Exils als einer Läuterung mit Bewährung im Hintergrund stehen, doch läßt der Text dies nicht deutlich erkennen" (S.

261).

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Zusammenfassung — Die golaorient. Redaktion d. Jeremiabuches

Versuchen wir den historischen Anlaß für das Unternehmen der Redaktion aufzuspüren, so ist hier besonders zu berücksichtigen, daß die Redaktion entgegen der Darstellung der Vorlage die Geschichte Judas und Jerusalems während und nach der Katastrophe von 587 als eine von Jahwe bewirkte Unheilsgeschichte ohne jegliche Zukunftsaussichten kennzeichnen kann mit dem Ergebnis, daß das Land schließlich gänzlich ohne Bewohner ist, daß sie dagegen der babylonischen Gola einen besonderen Platz zuweist, indem die Rückkehr der Exilierten mit dem Anbruch der Heilszeit im Lande gleichzusetzen ist (vgl. J e r 24,5—7!). Es mag naheliegend sein, diese Auffassung von der geschichtlichen Entwicklung nach 587 v.Chr. mit den Hoffnungen und Erwartungen der Exilierten in Babylon in Verbindung zu bringen 1 8 . Dennoch ist es abwegig, die Verantwortlichen für die redaktionelle Umgestaltung der oben beschriebenen Vorlage unter den jüdischen Verbannten in Babylon zu suchen. Denn einmal hat die Entstehung jener Theorie, daß Juda nach 587 v.Chr. von seiner gesamten Restbewohnerschaft verlassen war, einen beachtlichen zeitlichen Abstand zu den geschilderten Ereignissen zur Voraussetzung. Da Juda niemals in seiner Geschichte von den nach 587 v.Chr. im Lande Verbliebenen und deren Nachkommen aufgegeben worden ist 1 9 a , war zum anderen eine solche Theorie, ohne anstößig zu sein, erst dann vertretbar, wenn ihre Anhänger die derzeitig in Juda Ansässigen zu einem großen Teil als aus Babylon Zurückgekehrte ansehen konnten und folglich selbst schon in Juda wirkten. Daß sich die golaorientiere Redaktion in der aufgezeigten Art und Weise mit einer Textvorlage auseinandersetzt, die aus der Sicht des Landes geschrieben wurde und die Erwartungen der Judäer nach 587 v.Chr. ausdrückt, ist also schon das Endstadium eines Rivalitäts- oder Konkurrenzverhältnisses, wie es sich nach 587 v.Chr. zwischen Exilierten und im Lande Verbliebenen entwickelte 1 9 b . Der von der Redaktion in der vorliegenden Form für das Golajudentum vertretene Ausschließlichkeitsanspruch, der ähnlich beim Chronisten erhoben wird, kann sich in Juda erst allmählich durchgesetzt haben. Beachten wir die Nähe zur chronistischen Vorstellung sowie den Umstand, daß noch in Neh 1,2 die palästinischen Juden als Zurückgebliebene, der Deportation Entronnene bezeichnet werVgl. Nicholson, Preaching to the Exiles, S. 13Iff. Zur Geschichte des Landes Juda und seiner Bewohner nach 587 v.Chr. vgl. besonders Janssen, Juda in der Exilszeit; ferner Herrmann, Geschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, S. 353ff. 19b Vgl. dazu z.B. Ez 11 und 3 3 ! 18

19a

Zum redaktionellen Verfahren

191

d e n 1 9 c , hier also die Vorstellung vom nach der Katastrophe völlig seiner Einwohner entblößten Land noch nicht vorliegt, so kann man für die zeitliche Ansetzung der Redaktion frühestens das 4. J a h r h u n d e r t (längere Zeit nach Nehemia, vor Entstehung des chronistischen GeschiehtsWerkes) in Anspruch n e h m e n 2 0 . Es ist m.E. keineswegs wahrscheinlich, daß die Redaktion dem Führungsanspruch babylonischer J u d e n erst zum Durchbruch verhelfen wollte. Dem Vorhaben der Redaktion, die Vorrangstellung des babylonischen Golajudentums in J u d a in der Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Texten literarisch herauszuarbeiten, wäre ohne die entsprechende Begünstigung durch die gesellschaftlichen Verhältnisse in J u d a wenig Aussicht auf Erfolg beschieden gewesen. Erst der Rückhalt in einflußreichen, etablierten Kreisen aus Babylon stammender J u d e n k o n n t e bewirken, daß die Darstellung der Redaktion sich durchsetzte und offiziellen Charakter, und das heißt: schließlich kanonische Geltung erhielt. Die geschichtlichen Voraussetzungen der Redaktion müssen Entwicklungen in J u d a gewesen sein, die infolge wachsender Einflußnahme babylonischer Diasporajuden schließlich deren unbestrittene geistige und politische Führungsposition in J u d a zu Folge h a t t e n 2 1 . Da es im R a h m e n dieser Untersuchung nicht möglich war, den Spuren der Redaktion auch in den übrigen Partien des Jeremiabuches ausführlich nachzugehen, ist es hier nicht angebracht, über diese allgemeine Feststellungen und Überlegungen zu den historischen Voraussetzungen der Redaktion hinauszugehen.

2. Zum redaktionellen

Verfahren

Die redaktionelle Umgestaltung der Vorlage (Jer 37,11—Jer 42*) zusammen mit der in J e r 21,1 — 10 und J e r 24 vorgenommenen Bearbeitung vertritt ein doppeltes Anliegen: Mit der Absicht, die hervorragende Rolle der babylonischen Gola (unter Jojakin) und ihrer N a c h k o m m e n ins rechte Licht zu rücken und ihren Alleinvertretungs19c Ygi z u ¡sieh i ( 2 Mowinckel, Studien zu dem Buche Ezra-Nehmia III, S. 106ff. 20 Daß in Jer 44 die Diasporajuden in Ägypten pauschal verworfen werden, ist bei dem Versuch einer genaueren zeitlichen Einordnung keine große Hilfe, da hier ausführlichere Informationen erforderlich wären. 21 Daß wesentliche Impulse für die Entwicklung in Juda aus der babylonischen Gola gekommen sein müssen, ist im Blick auf die Hervorhebung von Persönlichkeit wie Serubbabel, Nehemia und Esra deutlich.

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Zusammenfassung — Die golaorient. Redaktion d. Jeremiabuches

anspruch darzustellen, war offensichtlich zugleich die Aufgabe verknüpft, die diesem Ansatz entgegenstehenden Texte mit den eigenen Theorien in Einklang zu bringen. Daß diese Texte J e r 37,11—Jer 42* nicht zum Zweck ihrer Auswertung aufgegriffen wurden, ist zudem aus der Art und Weise ihrer redaktionellen Bearbeitung ersichtlich. Die Redaktion war offensichtlich gezwungen, sich mit der Vorlage und ihren Aussagen auseinanderzusetzen. Gewicht und Ansehen von J e r 37,11—Jer 42* müssen folglich so bedeutend gewesen sein, daß es bei dem Versuch, die eigenen Theorien literarisch zu fixieren, nicht mehr möglich war, diese Texte 2 2 zu ignorieren oder gar zu eliminieren. Der Redaktion stand nur noch der Ausweg offen, zu korrigieren und zu interpretieren. Daß die Redaktion sich nicht lediglich damit begnügen konnte, im Sinne ihrer These die Geschichte der Eroberung Jerusalems und der weiteren Entwicklung im Lande neu darzustellen, also allein Jer 37,11—Jer 42* zu überarbeiten, ist der von ihr gleichfalls geschaffenen Rahmenkomposition J e r 21,1 —10/Jer 24 zu entnehmen. Die Redaktion geht offensichtlich davon aus, daß ihrer These erst dann wirklich Gewicht und Ansehen zuzubilligen war, wenn die Darstellung dieser Geschichte dem prophetischen Wort korrespondierte, also sich auf J e r 21,1 —10/Jer 24 berufen konnte. Dieses Verfahren, ein Korrespondenzverhältnis zwischen Jer 21,1 — 10/ J e r 24 und J e r 37—44, also zwischen „Prophetenwort" und Geschichtsdarstellung herzustellen, deutet daraufhin, daß die Redaktion von einer bestimmten Vorstellung vom Aufbau eines Prophetenbuches ausgeht und dementsprechend eigene und zur Verfügung stehende Texte anordnet oder dem vorgegebenen Aufbau der Vorlage im Zuge der Überarbeitung Rechnung tragen mußte. Maßgebend für die Redaktion war in jedem Fall die Aufteilung in „Prophetenworte" und „Berichte" über die Verwirklichung des Angekündigten 2 3 . Wollte man die Abfolge „Prophetenworte" — „Berichte" auf die Redaktion in dem Sinne zurückführen, daß sie hier ursprünglich voneinander unabhängig existierende Textmaterialien kompilierte, also selbst für die jetzige Abfolge verantwortlich zeichnet, so hätte sich die Redaktion folglich in einem Arbeitsgang sowohl der Mühe 22

Zur Frage, ob Jer 37,11—Jer 42* unabhängig tradiert worden ist oder aber einem größeren Textzusammenhang zuzuweisen ist, vgl. unten S. 20Iff. 23 Eine solche Aufteilung berücksichtigt das im Deuteronomium (vgl. 18,20— 22) entwickelte Kriterium zur Beurteilung wahrer oder falscher Prophetie: Allein die Verwirklichung des Angekündigten erweist Prophetie als wahre Prophetie.

Zum redaktionellen Verfahren

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der Kompilation wie auch der Überarbeitung der kompilierten Texte zu unterziehen gehabt. Dazu kommt, daß in diesem Fall die Redaktion die den eigenen Ansichten widersprechenden Texte erst hätte sammeln müssen, um sie anschließend mit dem eigenen Anliegen in Einklang zu bringen. Das Motiv wäre die programmatische Absicht gewesen, umfassend die Texte, die dem eigenen Ansatz entgegenstanden, zusammenzutragen und umzuschreiben. Während man hier mit einem für die Redaktion selbst äußerst komplizierten Verfahren (Sammlung vorgegebener Texte, Systematisierung „Prophetenworte — Berichte", Uminterpretation durch Überarbeitung) rechnen müßte, könnte die Annahme, daß in der Vorlage der Redaktion schon die Abfolge „Prophetenworte" — „Berichte" enthalten war, für sich in Anspruch nehmen, daß der Redaktion in diesem Falle im Blick auf die eigenen Theorien eine eindeutige Aufgabe gestellt war, deren Lösung sie sich nicht entziehen konnte. Da das vorgegebene „Prophetenbuch" einer golaorientierten Geschichtsbetrachtung widersprach und mit seiner Darstellung die Sonderrolle der Gola in Frage stellte, gab es als solches selbst Veranlassung, hier zu reagieren und durch redaktionelle Eingriffe den Widerspruch zur eigenen Auffassung auszuräumen. Wir müssen uns hier auf diese Überlegungen beschränken, da zu einer abschließenden Klärung der Frage, ob eine Textvorlage mit der Aufteilung „Prophetenworte" — „Berichte" vorgegeben war oder aber diese Anordnung erst der Arbeit der Redaktion zuzuschreiben ist, weitere Textpartien des Jeremiabuches mit in die Untersuchung einbezogen werden müßten 2 4 . Die verschiedenen redaktionellen Verfahrensweisen dagegen, die die Redaktion in der Auseinandersetzung mit den ihr vorgegebenen Texten — in welcher Gestalt auch immer — anwendet, lassen sich jedoch im Blick auf den Umgang mit J e r 37,11—Jer 42* aufhellen und darstellen. Charakteristisch für das Vorgehen der Redaktion sind einmal Erweiterungen der Vorlage mit dem Ziel, deren Aussagerichtung grundsätzlich zu verändern. Diese Erweiterungen vorwiegend an den Rändern der Vorlage (Jer 3 7 , 1 - 10; J e r 44) sind von der Redaktion selbst geschaffen, also nicht Bestandteil einer anderweitig vorgegebenen Quelle. So ist Jer 37,1 — 10 als programmatische Einleitung zu den folgenden Erzählungen vorgeschaltet worden. Es handelt sich 24

Vgl. hierzu noch unten S. 2 0 I f f , wo wir noch einmal auf diese Frage zurückkommen werden. 13 Pohlmann, Jeremiabuch

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Zusammenfassung — Die golaorient. Redaktion d. Jeremiabuches

um eine durchkomponierte Einheit, die von dem Redaktor unter Berücksichtigung der in J e r 37,1 Iff enthaltenen Informationen und Nachrichten in der Absicht gestaltet wurde, die Bedeutung von nachfolgenden Aussagen der Vorlage (Jer 38,17ff) abzuschwächen. Die Redaktion wendet hier das gleiche Verfahren an, das sie auch schon bei der Konzipierung von Jer 21,1—10 und J e r 24 eingeschlagen hat. In der Vorlage wesentliche und der eigenen Theorie widersprechende Aussagen (Jahweworte) werden durch Vorschaltung von den eigenen Anspruch bestätigenden Jahweworten entschärft. Das geschieht in J e r 21,1 —10; J e r 24 und J e r 37,1 — 10, indem hier Jahweworte mit grundsätzlichen, übergreifenden Aussagen vorausgeschickt werden, so daß den folgenden Jahweworten nur noch relatives Gewicht zukommt (vgl. s o j e r 38,17ff im Blick auf J e r 21,1— 10 und J e r 3 7 , 1 - 1 0 ) . Ähnlich verfährt der Redaktor mit J e r 2 4 , 1 7, wenn er hier die ursprünglich an die Bewohner im Lande gerichtete bedingte Heilszusage aus J e r 42,10 ausschließlich als Heilszusage für die Gola vereinnahmt. Derartiges Vorgehen setzt voraus, daß der Freiheit im Umgang mit der Vorlage Grenzen gesetzt waren, so daß die Aussagen der Vorlage selbst nicht mehr eliminiert oder willkürlich verändert werden konnten. Dem entspricht, daß die Redaktion, als sie J e r 37,1—10 als Neueinsatz zu den folgenden Erzählungen konzipierte, die ursprüngliche Einleitung oder zumindest einen Teil davon nicht einfach wegfallen ließ. Mit großer Wahrscheinlichkeit war J e r 34,1—7* ursprünglich vor J e r 37,11 ff zu lesen 25 . In diesem Text wird Zedekia ähnlich wie später noch einmal in J e r 38,17ff eine Chance zu Rettung angeboten (bedingtes Heilswort). Diesen damit gegebenen Widerspruch zu den eigenen Vorstellungen behob die Redaktion, indem sie J e r 34,1—7* in überarbeiteter Fassung an den jetzigen Ort versetzte. Da Kap. 33 als spätere Einschaltung zwischen J e r 32 und J e r 34 einzustufen ist 2 6 , schloß J e r 34 direkt an das ebenfalls von der Redaktion gestaltete Kap. 32 27 an. Diese Abfolge läßt deutlich die Handschrift der Redaktion erkennen. Denn mit der in J e r 32, 16—44 (bes. 36—44) vorgelegten Interpretation der Geschichte vom Ackerkauf Jeremias vertritt die Redaktion die Auffassung, daß sich erst nach der Exilswende die Situation im Lande zum Guten wendet (vgl. Jer 32,37ff und 32,43). Hier wird also wiederum zunächst die positive Bedeutung des Exils in den Mittelpunkt gerückt. Im An25 Vgl. dazu oben S. 62ff. 26 So mit Thiel, Deuteronomistische Redaktion, S. 525; vgl. auch Komm. Jer., S. 215ff; Duhm, Komm. Jer., S. 270ff. « Zu Jer 32 vgl. oben S. 46ff.

Rudolph,

Zum redaktionellen Verfahren

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schluß daran behandelt J e r 3 4 , 8 - 2 2 (bes. 1 7 - 2 2 ) entsprechend abwertend ausschließlich das Schicksal Judas und Jerusalems. Beide Kapitel sind offensichtlich im Blick auf den Aufbau von J e r 24 ( 2 4 , 1 - 7 Bedeutung der Gola - 2 4 , 8 - 1 0 Schicksal Judas und Jerusalems) konzipiert und entsprechend hintereinandergeschaltet worden. Auf diese Weise gelang es der Redaktion, die vorgegebene Heilsweissagung J e r 32,6—15 für die Gola zu vereinnahmen sowie die bedingte Heilszusage an Zedekia Jer 34,1—7* gleichsam zu entwerten, so daß damit diese beiden Texte auf die eigene Konzeption abgestimmt waren. Die Erweiterungen am Schluß der Erzählungen haben die Aufgabe, abschließend die These zu illustrieren, daß entgegen den Vorstellungen der Vorlage schließlich das Land nach der Eroberung und Zerstörung Jerusalems völlig ohne Bewohner war. Die Redaktion greift die Notizen der Vorlage über die Auswanderung der Gruppen unter Jochanan (Jer 41,16—18*) auf und gestaltet daraus einen Bericht über die Abwanderung aller Restbewohner Judas nach Ägypten (Jer 43,1—7; vgl. besonders die Verse 5—7!). Daß schließlich auch die Existenz einer ägyptischen Judenschaft den Anspruch des babylonischen Golajudentums nicht in Frage stellt, will die Redaktion mit der in J e r 44 geschilderten Auseinandersetzung zwischen Jeremia und den ägyptischen Juden herausarbeiten. Im gleichen Zusammenhang mit diesen Erweiterungen an den Rändern der Vorlage, die dazu dienen, Anliegen und Aussagen des vorgegebenen Textzusammenhanges grundsätzlich umzuorientieren, müssen die Korrekturen gesehen werden, die die Redaktion im vorgegebenen Text selbst anbringt (vgl. Jer 41,16—18 und J e r 42 passim!). Die Vorlage berichtete ursprünglich zunächst über die Auswanderung einiger Gruppen unter der Führung Jochanans nach Ägypten und im Anschluß daran die Zusammenkunft der Restbevölkerung Judas beim Propheten mit dem Ergebnis, daß Jeremia vor ähnlichen Schritten warnt und mittels einer bedingten Heilszusage (Jer 42,10) zum Verbleiben im Lande auffordert. Während dort zwischen Auswanderern und verbleibender Restbevölkerung im Lande unterschieden wird, verändert die Redaktion diese Ereignisabfolge dahingehend, daß die Zusammenkunft vor Jeremia jetzt als eine Zusammenkunft der gesamten Restbevölkerung erscheint, die unter Führung des Jochanan nach Ägypten auswandern will. Hier werden durch die geschickte Einfügung weniger Worte die Voraussetzungen für die folgenden Erweiterungen geschaffen, aus denen schließlich zu entnehmen ist, daß die gesamte Restbevölkerung das Land verlassen hat.

196

Zusammenfassung — Die golaorient. Redaktion d. Jeremiabuches

Außerdem lassen sich innerhalb der Vorlage redaktionelle Zusätze erläuternden Inhalts nachweisen. J e r 38,1—6 interpretiert J e r 37,11 — 16 (Jer 37,17—21 ist noch späterer Einschub!). Dieser Nachtrag soll klarstellen, daß nicht in erster Linie der Versuch Jeremias, Jerusalem zu verlassen, zu seiner Gefangensetzung führte (so J e r 37,11—16). Nach Meinung des Redaktors war vielmehr hier die Botschaft des Propheten (Vgl. J e r 38,2—3) der auslösende Faktor, daß die anfe Jeremía m u n d t o t machen wollten. Außerdem handelten die Gegner Jeremias anders als im vorgegebenen Text (Jer 37,11—16 und J e r 38,7ff) im Einverständnis mit König Zedekia, so daß der König jetzt als Gesinnungsgenosse der erscheinen muß. Ähnlich gibt sich der Redaktor nicht mit der bloßen Feststellung der Einnahme Jerusalems und den knappen Bemerkungen über die Befreiung Jeremias (Jer 38,28b und J e r 39,3.14) zufrieden. Zur Beschreibung des Falls Jerusalems greift die Redaktion auf vorgegebene Texte (vgl. die Paralleltexte J e r 52 und 2.Kön 25,4ff!) zurück. Die Notiz, daß es babylonische ΒΉίΡ waren, denen der Prophet seine Freiheit verdankt (Jer 39,14), verlanlaßt den Redaktor, sich hier genauere Vorstellungen zu machen und ausführlich auszumalen (Jer 40,2—6), wie sich der Babylonier Nebusaradan in besonderer Weise um den Propheten kümmert — auf Anweisung Nebukadnezars! (vgl. Jer 39,1 l f ) — und ihm die Wahl läßt, im Lande zu bleiben oder mit nach Babel zu ziehen. Abgesehen von der so erreichten Aufwertung der Stellung des Propheten kann die Redaktion hier das Verhalten der Babylonier äußerst positiv darstellen und so in Kontrast zur Verhaltensweise der Volksgenossen Jeremias setzen. Dazu kommt, daß der den Abschnitt abschließende Vers 6 deutlich die Funktion hat, die Hinweise der Vorlage zu korrigieren. Wie schon in J e r 43,5ff im Blick auf Jer 41,16—18 wendet die Redaktion hier in Jer 40,6 im Blick auf Jer 39,14 das Prinzip der Wiederaufnahme an 2 8 . Dem gleichen Zweck dient die Einschaltung J e r 40,7—10*. Auch hier geht es um eine Korrektur der in der Vorlage J e r 39,14 und 4 0 , l l f f enthaltenen Angaben über die beginnende Konsolidierung im Lande 2 9 . Die Feststellung, daß Gedalja seinen späteren Mördern eidlich abgesicherte Sicherheitsgarantien gibt (Jer 40,9), bewirkt zudem, daß das Verbrechen am Statthalter um so verwerflicher erscheint. Ähnlich wie in J e r 38,1—6 bemüht sich demnach der Redaktor, bestimmte 28 Vgl. dazu oben S. 102. M Vgl. dazu oben S. 109ff.

Zum redaktionellen Verfahren

197

Situationen und Personen gegen die Darstellung der Vorlage in ein möglichst ungünstiges Licht zu rücken. Mit dieser Tendenz ist wahrscheinlich auch J e r 41,4—7 in Verbindung zu bringen. Diese Verse sind, wie wir meinen, erst nachträglich mit dem jetzigen Kontext verklammert worden 3 0 . Die Redaktion versucht hier die Auswanderer nach Ägypten auch noch dadurch zu diskreditieren, daß ihnen nun Personen aus der Mischbevölkerung des ehemaligen Nordreiches zuzurechnen sind 3 1 . Es kann also festgehalten werden: Der Erzählzusammenhang der Vorlage wird nicht nur durch die Erweiterungen an den Rändern grundsätzlich umgepolt. Die Art und Weise, wie die Redaktion innerhalb der Vorlage mit Zusätzen und Einschaltungen (Jer 38,1—6; 3 9 , 1 - 4 0 , 6 * ; 4 0 , 7 - 1 0 * ; 4 1 , 4 - 7 ; vgl. auch z u j e r 4 2 3 2 ) in den Erzählzusammenhang eingreift, läßt erkennen, daß sie sich darum bemüht, auch im Detail Vorgänge und Personen in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken und damit die generelle Abwertung der Geschichte Judas während und nach der Katastrophe konsequent abzusichern. 30 Siehe oben S. 116f. 31 Siehe oben S. 117. 32 Vgl. dazu die Analyse von Jer 42,1.

198

Zusammenfassung — Der urspriingl. Kern v. Jeremía 37 bis 4 4

B. Der ursprüngliche Kern der Schlußerzählungen Jer 37—44

1. Anliegen und

Theologie

Wir haben oben 3 3 schon den der Redaktion vorgegebenen Textzusammenhang J e r 37,11—Jer 4 2 * vorgestellt 34 und beschrieben. Der hierfür zuständige Verfasser drückt in diesen Texten seine Überzeugung aus, daß Jahwe Juda und seine Bewohner auch nach der Katastrophe von 587/86 nicht aufgegeben hat: Unabhängig von einer Exilswende wird Jahwes Heilshandeln künftig gerade das Land und die in Juda Verbliebenen zum Ziel haben (vgl. J e r 4 2 * ) . Es ist deutlich, daß die Abfassung dieser Texte das Ergebnis von Bemühungen ist, die Situation in Juda nach 587/86, d.h. nach dem Verlust der Eigenstaatlichkeit, des Königtums des Tempels, vom Standpunkt der im Lande Verbliebenen theologisch zu verarbeiten. Es geht offensichtlich darum, eine Identitätskrise zu bewältigen, als sich nach der Katastrophe von 587/86 und den damit verbundenen Folgen für das politische und religiöse Leben im Lande generell die Frage stellte, wodurch und worin man sich noch als Jahwevolk verstehen konnte. Anders als die spätere Überarbeitung legt der zuständige Verfasser besonderen Wert darauf, hervorzuheben, daß Jahwe Juda und Jerusalem bis zuletzt die Möglichkeit zur Rettung angeboten hatte. So erhält König Zedekia noch in letzter Stunde die Chance, die Katastrophe abzuwenden (vgl. J e r 38,17ff), wenn auch unter der Bedingung, daß er sich der babylonischen Oberherrschaft unterwirft. Die Eroberung Jerusalems durch die Babylonier ist demzufolge nicht als endgültiges Strafgericht Jahwes aufzufassen, mit dem das Verwerfungsurteil über die Stadt und Juda ausgesprochen werden sollte. Die gewaltsame Einnahme der Stadt und die damit verbundenen Auswirkungen gehen vielmehr, so die Auffassung des Autors, auf das Konto derer, die sich weigerten, auf Jahwe zu hören, die Stadt der Oberherrschaft der Babylonier auszuliefern. Mit dieser Interpretation der Ereignisse von 587/86 kann der Verfasser die sicher längere Zeit gehegten Befürchtungen 35 zurückwei33 Siehe dazu oben S. 187ff. Vgl. hier auch die Synopse im Anhang, die erste Spalte! 3 5 Vgl. dazu Janssen, Juda in der Exilszeit, S. 57ff. 34

Anliegen und Theologie

199

sen, daß das Verhältnis zwischen J u d a und Jahwe durch die Katastrophe grundsätzlich in Frage gestellt sein könnte. Damit sind zugleich die Voraussetzungen überhaupt für jene Erwartungen geschaffen, die mit Jahwes Eintreten für J u d a und seine Bewohner auch nach 587/86 rechnen möchten. Daß Anlaß zur Hoffnung besteht, versucht der Verfasser mit dem Hinweis auf das Land selbst zu begründen. Indem er besonders herausstellt, daß gerade in „diesem Land" (vgl. J e r 32,15) mit Jahwes hilfreichem Eingreifen gerechnet werden darf (Jer 42,10), wird deutlich, daß er an die in der Tradition vorgegebene enge Verbindung zwischen Jahwe und dem Land 3 6 denkt und aus dieser Verbindung ableitet, daß Jahwe sein Land nicht aufgeben wird. Außerdem ist es dem Verfasser offensichtlich ein Anliegen, auf diese Weise seine Volksgenossen in J u d a zum Verbleiben im Lande zu bewegen, bzw. vor Auswanderungsbestrebungen (vgl. J e r 42,13f!) zu warnen. Die Abfassung des ursprünglichen Kerns von J e r 37—44 fällt demnach in eine Zeit, als sich infolge allgemeiner Unruhen und Unsicherheiten (vgl. J e r 42,14) verstärkt die Frage nach der Zukunft im Lande stellte und offensichtlich schon beachtliche Gruppen nach Ägypten ausgewandert waren. Ohne Zweifel spielt Jeremia auch in der von uns rekonstruierten Fassung des ursprünglichen Kernes von J e r 37—44 eine hervorragende Rolle. Es ist jedoch unübersehbar, daß hier nicht die Darstellung der „prophetischen Existenz" des Jeremia im Mittelpunkt der literarischen Bemühungen des Verfassers steht 3 7 . Das zentrale Anliegen des Verfassers war die Beantwortung der Frage nach dem Selbstverständnis seiner Volksgenossen in J u d a nach 587/6. Bei der Beantwortung dieser Frage beruft sich der Verfasser auf die Autorität des 3« Vgl. dazu z.B. von Rad, Theologie I, 1963, 4. Aufl., S. 312f. 37 Gegen Wanke, der in seinen „Untersuchungen zur sogenannten Baruchschrift" zu dem Ergebnis kommt, daß es „einzige und zentrale Absicht des Erzählzyklus Kap. 37—43* ist, die Wirklichkeit der prophetischen Existenz Jeremias vor Augen zu führen" (Wanke, Baruchschrift, S. 155). Das Thema des ganzen Zyklus kehre abgewandelt in jeder einzelnen Erzählung, in der Jeremia auftritt, wieder (Verweis auf die Formulierung „Variationen über ein Thema" bei Kremers, EvTh 13, S. 131). Wanke rechnet allerdings (vgl. dagegen die oben vorgelegten Analysen; siehe auch oben S. 187) zu diesem, der jetzigen Fassung Jer 37—44 vorgegebenen Erzählungszyklus Jer 3 7 , 1 1 - 1 6 ; 1 7 - 2 1 ; 3 8 , 1 - 6 ; 7 - 1 3 ; 1 4 - 2 8 a ; 38, 28b; 39,3.14a; 40,6; 4 0 , 1 3 - 1 6 ; 4 1 , 1 * - 1 5 ; 4 1 , 1 6 - 1 8 ; 4 2 , l * . 2 - 5 . 7 . 8 a . 9 a a . l 9 * . 22*; 43,2f.5a.6b.7aa(b?) (vgl. Baruchschrift, S. 9 I f f ; S. 130 und passim). Die Person des Verfassers möchte Wanke „am ehesten unter den Angehörigen der Kolonie um Gedalja (zu) suchen" (s. S. 146f.).

200

Zusammenfassung — Der ursprüngl. Kern v. Jeremia 37 bis 4 4

Jeremía, dessen Worte, vielleicht auch schon manche dem Propheten erst nachträglich zugeschriebene Äußerungen, ihm die Möglichkeit anboten, in einer recht hoffnungsarmen und schwierigen Zeit neue Zukunftsperspektiven auszuarbeiten und aufzuzeigen. Hinter allem wird ein Jeremia sichtbar383, von dem man zur Zeit des Verfassers wußte oder annahm, daß er die Katastrophe für vermeidbar gehalten, weil er die Unterwerfung unter Babylons Oberherrschaft empfohlen hatte, daß er an einer hoffnungsvollen Zukunft für Juda auch angesichts der Belagerung festgehalten (Jer 32,6—15) und daß seine Zukunftshoffnungen sich nach der Eroberung Jerusalems auf Juda und das Weiterleben in „diesem Land" (vgl. Jer 42,10 und 32,15!) konzentriert hatten 38b .

2. Zur Frage vorgegebener

Überlieferungen

Der schwierigen Frage, ob bei der Konzipierung des Textzusammenhanges Jer 37,11—Jer 42* schon schriftliches Material (Einzelerzählungen) oder aber im wesentlichen nur mündliche Erzählungen ausgewertet werden konnten, konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgegangen werden. Immerhin spricht einiges dafür, daß der Verfasser in jedem Fall von vorgegebenen Überlieferungen abhängig ist. Es fällt auf, daß der Prophet in Jer 37,11-38,28b*; 39,3.14 eine wesentliche Rolle spielt, während er in den folgenden Berichten über die Ereignisse in Mizpa unter Gedalja (Jer 40,11—Jer 41,18*) nicht einmal erwähnt wird. Lediglich Jer 39,14 stellt eine Verbindung zwischen Jeremia und Gedalja her. Allerdings ist Jer 39,14, daß Gedalja den Propheten schließlich nach Hause entlassen habe, eine für die weiteren Schilderungen völlig überflüssige Notiz. Das spricht dafür, daß der Autor an dieser Stelle vor der Aufgabe stand, eine Überleitung von den Jeremiaerzählungen zu den folgenden Berichten über Gedalja zu konstruieren, um hier überhaupt einen Zusammenhang herzustellen. Es liegt daher die Vermutung nahe, daß der für den gesamten Erzählkomplex verantwortliche Autor hier 38a Siehe auch unten S. 201f. 38b Vgl. hierzu Ackroyd (Historians und Prophets, SEÂ 33, 1968, S. 52, Anm. 44), der, ohne auf Einzelheiten einzugehen, feststellt: „ . . . as so often in Old Testament structures, the original material has been allowed to stand, and that original material shows a Jeremiah for w h o m hope lay in Gedaliah, in continued submission to Babylon, in Palestine. That view has been largely obscured by the restructuring of the narrative".

Zur Überlieferungsgeschichte von Jeremía 37,11 bis Jeremía 42*

201

verschiedenartige Überlieferungen zusammengearbeitet hat. Für J e r 37,11—38,28b*; 39,3 konnte er auf Erzählungen zurückgreifen, in denen sich das Interesse an Jeremias Rolle als Prophet und seinem Ergehen während der Belagerung Jerusalems (Anfeindung der α*1")®, Gefährdung des Propheten, seine Rettung durch den Ausländer Ebed Melech, die dem Propheten gegenüber positive Haltung Zedekias) ausdrückte. Für die Schilderung der weiteren Entwicklung in J u d a (Jer 40,11 — 41,18*) dagegen scheint der Verfasser sich auf eine Darstellung zu beziehen, die den Beginn der Konsolidierung der Verhältnisse unter Gedalja, die Umstände der Ermordung des Statthalters sowie die sich daran anschließenden Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen beschreibt und schließlich erklärt, wie es zur Gründung einer jüdischen Kolonie in Ägypten kam. Das Abschlußkapitel J e r 42* geht im wesentlichen auf das Konto des Verfassers 39 . Die Situation einer Versammlung des ganzen Volkes beim Propheten Jeremía ist durch und durch Fiktion. Es gibt zudem keinerlei Hinweise, daß dem Autor hier historische Nachrichten zur Verfügung standen, an die er anknüpfen konnte 4 0 .

3. Zur Überlieferungsgeschichte

von Jer 37,11 bis Jer 42*

Wichtig für die Erhellung der Entstehungsgeschichte des Jeremiabuches wären Erkenntnisse darüber, ob J e r 37,11—Jer 42* für eine Verklammerung mit einem umfassenderen Textkomplex bestimmt war und wie dieser ausgesehen haben könnte. Wir haben oben schon darauf hingewiesen, daß mit einiger Wahrscheinlichkeit vor J e r 37,1 Iff ursprünglich J e r 34,1—7* zu lesen war. Auch J e r 32,6—15* dürfte auf Grund seiner Aussagetendenz mit J e r 37,11—Jer 42* in einem Zusammenhang gestanden haben. Darüber hinaus sind beim gegenwärtigen Stand der Untersuchung lediglich einige Vermutungen erlaubt: Wir dürfen voraussetzen, daß es schon vor Abfassung unseres Erzählzusammenhanges ein beachtliches Interesse an der Gestillt Jeremias, an seinem Wort und Wirken gegeben haben muß. Denn eine mit der Person Jeremias argumentierende Darstellung der Geschichte Judas während und 39

Jer 42,10 muß in der vorliegenden Fassung zwar dem Verfasser von Jer 37,11—Jer 42* zugeschrieben werden, könnte allerdings im Rückgriff auf vorgegebene Formulierungen entstanden sein. 40 Zu Jer 42 vgl. oben S. 123ff.

202

Zusammenfassung — Der ursprüngl. Kern v. Jeremía 37 bis 44

nach der Katastrophe von 587/6 konnte nur dann die erhoffte und beabsichtigte Wirkung erzielen, wenn Jeremia zur Zeit der Abfassung von J e r 37,11—Jer 42* bekannt und als Prophet anerkannt war. Von eventuell vorgegebenen Einzelerzählungen abgesehen, muß folglich auch schon mündlich tradiertes oder sogar schriftlich fixiertes, von Jeremia stammendes und vielleicht sogar schon ihm nachträglich zugeschriebenes Spruchgut existiert haben, mit dem der Verfasser von J e r 37,11—Jer 42* vertraut gewesen sein wird. Somit stellt sich die Frage, ob unser Verfasser es lediglich bei der Konzipierung von J e r 37,11—Jer 42* bewenden ließ, also diesen Erzählungszusammenhang als eine besondere Schrift geschaffen hat und ihr neben oder unabhängig von einer wie auch immer gearteten jeremianischen Spruch tradition eine eigenständige Rolle zugedacht hat; oder ob er zugleich das erreichbare Überlieferungsgut, wenn es ihm nicht schon in einer Art von Sammlung vorlag, selbst zusammenstellte und mit seiner Darstellung verknüpfte, zumindest, sofern er darin seine Auffassung bestätigt finden konnte. M.E. ist davon auszugehen, daß J e r 37,11—42* niemals unabhängig von anderweitig überlieferten jeremianischen Traditionsstücken existiert hat. Es erscheint mir wahrscheinlicher, daß dieser Textzusammenhang von vornherein als Teil eines Prophetenbuches, das weiteres jeremianisches Gut oder Jeremia jedenfalls zugeschriebene Stücke enthielt, geschaffen worden ist. Im Blick auf das Anliegen des Verfassers, sicherzustellen, daß trotz der Katastrophe von 587/6 gerade J u d a und seine Bewohner künftig mit Jahwes Heilshandeln rechnen dürfen, läßt sich vermuten, daß der Verfasser nicht darauf verzichtet hat, vorgegebene Gerichtsworte oder auch Heilsankündigungen seiner Darstellung vorauszuschicken, sei es, weil er in den Heilsankündigungen eine Bestätigung seiner eigenen Auffassung sah, sei es, weil er durch seine Beschreibung der Ereignisse während und nach der Katastrophe den bedrohlichen Charakter von Gerichtsworten, die das Selbstverständnis Jerusalems und Judas in Frage stellten, mildern konnte. Wir müssen es bei diesen Überlegungen bewenden lassen. Es hängt von weiteren Untersuchungen ab, ob sich unsere Vermutungen bestätigen und ob sich über J e r 3 7 , 1 1 - 4 2 * (incl. Jer 3 2 , 6 - 1 5 * ; 34, 1—7*) hinaus aus der jetzt vorliegenden Gestalt des Jeremiabuches weitere Bestandteile eines der golaorientierten Redaktion vorgegebenen Prophetenbuches herausanalysieren lassen 4 1 3 . 41a

Siehe dazu auch schon oben S. 46f.

Zur historischen Situation des Verfassers

4. Zur historischen

Situation

des

203

Verfassers

Abgesehen von der wenig konkreten Feststellung, daß J e r 37,11—Jer 42* in J u d a in einer Zeit voller Unruhen und Unsicherheiten 4 1 1 1 abgefaßt worden sein m u ß 4 2 , stößt ein Versuch, die Entstehung des Erzählzusammenhanges genauer zu fixieren, auf so große Schwierigkeiten und Unsicherheitsfaktoren, daß ich es vorerst nicht für angebracht halte, hier über einige Anmerkungen hinauszugehen. Die Erzählungen zeichnen sich in einigen Abschnitten durch eine auffällige Detailkenntnis, bzw. Vorliebe für Details aus. So wird in J e r 37,11 — 16 nicht nur der Name des Wachthabenden im Tor, sondern auch der Name seines Vaters und Großvaters erwähnt. In J e r 38,7ff fällt die ausführliche Beschreibung der Maßnahmen auf, die zur Befreiung Jeremias in die Wege geleitet werden (Jer 38,1 l f ) . J e r 37, 2 1 a 4 3 nennt den H e r k u n f t s o r t des Brotes, mit dem J e r e m í a nach seiner Befreiung versorgt wird. J e r 39,3 kennt die Namen der babylonischen Fürsten, die Jeremía aus dem Wachthof holen lassen. In J e r 4 0 , 1 4 taucht der Name des ammonitischen Königs auf. J e r 41,9 liegt eine historische Notiz zu einem Brunnen in Mizpa vor 4 4 . Um so mehr fällt auf, daß der Verfasser sich die Schilderung der Eroberung Jerusalems erspart. Die Beschränkung auf lediglich einen kurzen Hinweis (Jer 38,28b; 39,3) mag auf der A n n a h m e des Verfassers beruhen, daß j e n e Ereignisse den Lesern seiner Zeit durchaus noch gegenwärtig sind 4 5 . Zum anderen scheint der Verfasser allerdings auch deswegen auf eine ausführliche Beschreibung und Darstellung der Einnahme Jerusalems zu verzichten, weil ihm mehr als das Wie der Eroberung die Frage nach der Bedeutung dieses einschneidenden Ereignisses für ihn und seine Volksgenossen in J u d a ein Problem ist 4 6 . Daraus sowie im Blick auf die genannten Detailangaben ist jedoch nicht zu folgern, daß der Verfasser selbst als an den geschilderten Ereignissen Beteiligter schreibt 4 7 . Seine Kenntnisse stammen wahrscheinlich aus vorgegebenen Erzählungen und Berichten 4 8 . « b Vgl. Jer 42,13.14.16. « Siehe oben S. 198. 43 Dieser Vers Schloß ursprünglich den Bericht über Jeremias Befreiung ab, war also hinter Jer 38,13a zu lesen. 44 Vgl. auch die Detailangaben in Jer 3 2 , 6 - 1 5 und Jer 34,7. 4 * Vgl. Wanke, Baruchschrift, S. 132. 46 Vgl. oben S. 198f. 47 So Wankes Vermutung, vgl. Baruchschrift, S. 146f. "« Vgl. oben S. 200f.

204

Zusammenfassung — Der ursprüngl. Kern v. Jeremía 37 bis 44

Als einen Hinweis dafür, daß der Verfasser in einem zeitlich deutlichen Abstand über sein Thema berichtet, wird man seine sein Werk abschließende Darstellung der Volksversammlung vor dem Propheten Jeremía werten können. Die Abfassung dieses fiktiven Berichtes dürfte zumindest voraussetzen, daß es zur Zeit des Verfassers nicht mehr möglich war, den Wahrheitsgehalt von J e r 4 2 * zu überprüfen oder in Frage zu stellen. Die Entstehung des Erzählzusammenhanges J e r 37,11—Jer 4 2 * ist daher m.E. nicht vor der Mitte des 6. Jahrhunderts, sondern eher später anzusetzen.

Konsequenzen f. d. Darstellung d. Geschichte Judas um 587 v.Chr.

205

C. Konsequenzen für die Darstellung der Geschichte Judas um 587 v.Chr. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen zwingen zu einigen Korrekturen nicht unwesentlicher Einzelzüge innerhalb der bisherigen Geschichtsdarstellung der fraglichen Epoche. Jenes Bild des Propheten Jeremía in den Erzählungen, das ihn zwischen unbedingter Gerichtsankündigung (vgl. nur J e r 21,1 ff; 37,1 — 10) und bedingter Heilsankündigung (vgl. J e r 38,17ff; 42,10) hin und her pendeln läßt, ist erst das Produkt redaktioneller Textgestaltung. Ebensowenig können Jeremias erste Freilassung aus der Zisterne durch Zedekia (Jer 37,17—21), seine erneute, durch die Fürsten beim König durchgesetzte Einkerkerung (Jer 38,1—6), seine Befreiung aus dem Wachthof durch Nebusaradan (Jer 39,1 — 14), die Verhinderung seiner drohenden Deportation nach Babel (Jer 40,1—6) sowie schließlich am Schluß der Erzählungen seine und Baruchs Verschleppung nach Ägypten (Jer 43,1—7) 49 und Jeremias dortiges Wirken als historisch angesehen werden. Zugleich verliert die Gestalt Zedekias ihr widersprüchliches, bisher als schwächliches Hin- und Herschwanken interpretiertes Verhalten 5 0 . Der König ist erst in den Augen späterer Bearbeiter jener ratlose Mann, der dreimal das Gespräch mit dem Propheten sucht; erst die Redaktion zeichnet ihn als ein willenloses Werkzeug in den Händen der Fürsten, die ihm die Liquidierung des Propheten diktieren und deren Diktat er sich beugt (Jer 38,1—6). Der oben herausgearbeitete Kern der Schlußerzählungen J e r 37,11 — 42* kennt einen durchaus sympathischen Zedekia, der nichts von der ungerechten Behandlung des Propheten weiß und, sobald er davon erfährt, Jeremía sofort aus seiner mißlichen Lage befreien läßt (Jer 38,7—13), der sich im Gespräch mit dem Propheten dessen Argumentation nicht verschließt und Jeremias Lösungsvorschlag, sich den Babyloniern zu ergeben, nur deswegen nicht akzeptiert, weil er persönlich die Rachegelüste der Volksgenossen fürchten muß, die zu den Babyloniern übergelaufen sind und sich mit ihnen arrangiert zu haben scheinen (vgl. Jer 38,14—23). Der König ist offensichtlich zwischen die Fronten geraten: Auf der einen Seite (Jer 37,12ff; vgl. besonders V. 15; 38,24ff) stehen die Vertreter der 49

Jer 43,1—7 kann künftig nicht mehr als Argument für die These von der besonderen Bedeutung Baruchs innerhalb der Jeremiaiiberlieferung anerkannt werden. Vgl. dazu oben Anm. 510 und Anm. 513. 50 Vgl. dazu oben S. 64 die Anm. 92; s.a. Anm. 158, S. 79.

206

Zusammenfassung

Kriegspartei, die Fürsten, die nichts von einer Kapitulation Jerusalems wissen wollen und jedes Überlaufen zum Feind streng bestrafen (Jer 37,1 I f f ) , die in keinem Fall erfahren dürfen, daß König Zedekia im Gespräch mit dem Propheten auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, sich selbst und die Stadt an die Babylonier zu übergeben (Jer 38,17ff und 38,24ff). Auf der anderen Seite scheinen nicht unbedeutende Gruppen schon Kontakt mit den Belagerern aufgenommen und sich auf ihre Seite geschlagen zu haben, wahrscheinlich doch deswegen, weil sie Zedekias Strategie gegenüber den Babyloniern nicht billigten. Der König sieht nach allem nun für sich keinen Ausweg mehr (Jer 38,19). Immerhin nimmt er noch die Möglichkeit wahr, den Propheten vor den Nachstellungen der Fürsten abzusichern (Jer 38,24—28), so daß Jeremía trotz des Verdachts, ein Überläufer zu sein (vgl. Jer 37,11 ff), mit dem Leben davon kommt. Wie weit diese Darstellung der historischen Wirklichkeit entspricht, läßt sich nicht mit eindeutiger Sicherheit entscheiden. Daß Jeremía der Vorwurf gemacht wird, er wolle zu den Babyloniern überlaufen (Jer 37,1 I f f ) , und daß in J e r 38,19 von den zu den Belagerern übergelaufenen J u d e n die Rede ist, dürften am ehesten historisch zuverlässige Nachrichten sein; denn ein Anlaß, solche Nachrichten zu erfinden, ist nicht erkennbar. Daß sich während der Belagerung Jerusalems zahlreiche J u d e n mit den Babyloniern in Verbindung setzten und sich auf deren Seite schlugen, legt die Vermutung nahe, daß sie die Rettung Jerusalems von einer möglichst schnell zu vollziehenden Kapitulation erhofften. Zedekias Befürchtungen, wie sie in J e r 38,19 dargelegt werden, könnten dann den Hintergrund haben, daß der König in den Augen dieser jüdischen Gruppe der Hauptschuldige an der ausweglosen Situation ist, weil er unter dem Einfluß der Fürsten die Chance einer rechtzeitigen Kapitulation verspielt hat. Galt Jeremía als potentieller Überläufer (Jer 37,13), den man bei der ersten besten Gelegenheit unschädlich zu machen suchte, so ist es nicht abwegig, daraus zu folgern, daß der Prophet selbst bzw. sein Verhalten Anhaltspunkte für eine solche Verdächtigung lieferten, daß also der historische Jeremía in der Tat für die Kapitulation plädiert hat. Kaum eindeutig ist die Frage zu beantworten, ob es als historisch gelten kann, daß Jeremía nach seiner Befreiung aus der Zisterne auch dem König gegenüber im ausführlichen Gespräch diese Auffassung vertrat, noch sei es Zeit, den Willen Jahwes zu t u n und zu

Konsequenzen f. d. Darstellung d. Geschichte Judas um 587 v.Chr.

207

kapitulieren. Für die Historizität eines Zusammentreffens Jeremias mit dem König könnte man am ehesten J e r 38,24—28 als stützendes Argument anführen. Hier ist das Verhalten Zedekias dem Propheten gegenüber wie das Jeremias dem König gegenüber so dargestellt, daß in keiner Weise der Verdacht nahe liegt, es handele sich hier um einen tendenziösen Versuch, den Propheten in einem Gespräch mit dem König auftreten zu lassen, um ihn so in seiner Bedeutung aufzuwerten. Daß Jeremía nicht mehr mit Gedalja und den Ereignissen in Mizpa sowie deren Folgen in Verbindung gebracht werden kann, wurde oben 5 1 schon angedeutet. Die Geschichte über die beginnende Konsolidierung in J u d a und deren Störung durch die Ermordung Gedaljas endete ursprünglich mit einer Notiz darüber, wie durch Abwanderung einer Gruppe unter Jochanan ben Koreach nach Ägypten dort eine jüdische Kolonie entstand. Jeremía spielt hier nirgends eine Rolle 5 2 . Die Darstellung J e r 42*, wo der Prophet vor der versammelten Restbevölkerung Judas auftritt und mit einem Jahwewort (bedingte Heilszusage) zum Bleiben im Lande auffordert, bzw. vor dem Abwandern nach Ägypten warnt, stammt ganz aus den Händen des Verfassers des ursprünglichen Kerns von J e r 37 — 44 (= 37,11—42*). Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, daß der historische Jeremía nach der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier in der Tat sich dafür eingesetzt hat, auch angesichts der nun widrigen Verhältnisse im Land J u d a nicht aufzugeben (vgl. die Aussage in J e r 32,15!). 51

Vgl. S. 200f. Gegen Herrmann, Geschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, München 1973, S. 356f. 52

208

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Synopse zur Textentwicklung von Jeremía 37 bis 44

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Synopse zur Textentwicklung von Jeremía 37 bis 44

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