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German Pages 329 [167] Year 1987
Table of contents :
Vorwort. GianGabriella Buti: The Family and the Tribe. Remarks on lndo-European Social Setting. Enrico Campanile: Indogermanische Dichtersprache. Ivan Duridanov: Die geographische Terminologie indogermanischer Herkunft im Thrakischen und Dakischen. Wolfram Euler: Gab es eine indogermanische Götterfamilie? Michael Job: Semantischer Wandel und lexikalische Rekonstruktion. Johann Knobloch: Die Kleidung der Indogermanen und ihrer Erben: Schuhwerk. Rosemarie Lühr: Reste von indogermanischern Wortschatz im Oberdeutschen. Liam Mac Mathúna: Continuity and Innovation in Early Irish Words for “Water Expanse“. Kim R.L. McCone: Hund, Wolf und Krieger bei den lndogerrnanen. Wolfgang Meid: Zur Vorstellungswelt der Indogermanen anhand des Wortschatzes. Erich Neu: Zum Wortschatz des Hethitischen aus synchroner und diachroner Sicht. Norbert Oettinger: Anatolische Wortbildung und indogermanische Chronologie. Oswald Panagl: Der indogermanische Wortschatz des Griechischen (Abstractum). Cicerone Poghirc: Kulturelle Aspekte des thrako-dakischen Wortschatzes. Edgar C. Polomé: Der indogermanische Wortschatz auf dem Gebiete der Religion. Piergiuseppe Scardlgli: Der germanische Anteil am indogermanischen Wortschatz und anderes. Herbert Schelesniker: Die Schichten des urslavischen Wortschatzes. Herbert Schelesniker: Slavisch nevešta ,,Braut“ und Zugehöriges. Bernfried Schlerath: Können wir die urindogermanische Sozialstruktur rekonstruieren? Methodologische Erwägungen. Karl Horst Schmidt: Handwerk und Handwerker im Keltischen und Germanischen. Beiträge zu einem historischen Vergleich. Klaus T. Schmidt: Zu einigen Archaismen in Flexion und Wortschatz des Tocharischen. Rüdiger Schimitt: Adalbert Kuhn und Jacob Grimm in ihren Briefen. Eine Mitteilung. Calvert Watkins: ‘In the lnterstices of Procedure’. Indo-European Legal Language and Comparative Law. Stefan Zimmer: Indogermanische Sozialstruktur? Zu zwei Thesen Émile Benvenistes.
STUDIEN ZUM INDOGERMANISCHEN WORTSCHATZ
INNSBRU CKE R BEITRÄGE ZUR SPRACHWISSENSCHAFT herausgegeben von
WOLFGANG MEID Band 52
STUDIEN ZUM INDOGERMANISCHEN WORTSCHATZ Herausgegeben von WOLFGANG MEID
Innsbruck 1987
Die I NNSBRUCKER BEITRÄGE ZUR SPRACHWISSENSC HAFT werden gefördert durch das Bundesministerium rar Wissenschaft und Forschung in Wien und das Amt der liroler Lan• desregierung (Kulturabteilung)
VORWORT
C IP-Kun.titelaurnahme der Deutschen Biblio1hek Sludlea zum ladoaennani.Khff Wortsch•t:i. / (Inst. filr Sprachwiss. d . Univ. Innsbruck). Hrsg. von Wolfgang Meid. - Innsbruck : lns1. für Sprachwiu., 1987. (lnnsbrucker Beitrage zur Sprachwissenschart : Bd. 52) ISBN 3-85 124-59 1-1 NE : lns1itut ro r Sprachwissenschaft (Innsbruck): Meid, Wolrgang (Hrsg.): GT
Mit dem vorliegenden Band und der ihm zugrundeliegenden Tagung, d ie vom 28. bis 30. Juni 1985 unter den Auspizien der Indogermanischen Gesellschaft in Innsbruck Slaltfand, sollte ein Versuch unternommen werden , den indogermanischen Wortschatz vor allem nach inhaltlichen Aspekten zu bet rachten. Es sollte vor allem der Aussagewert dieses Wort-, Namen• und Formelschatzes, wie er als indogermanisches Erbe in indoger• manischen Sprachen , oft zusammen mit anderen Traditionen, reflektiert ist, für Fragen der materiellen und geisligen Kultur, des Weltbildes und der Sozialslruktur der Indogermanen untersucht werden. Der Verlauf der Tagung und die zum Teil mit deutlicher Skepsis oder Zurückhaltung geführte Diskussion der einschl ägigen Referate hat gezeigt , daß das In teresse und Verständnis für derartige Fragestellungen in einer in unseren Breiten vornehmlich auf die formalen Aspekte der Laut-, Formen- und Wortrekonst ruktion und auf die historischen Abläure dieser formalen Mechanismen konzentrierlen lndogermanislik noch ziemlich gering isl und dringend der Förderung bedarf, wobei die Überwindung der Skepsis und des Agnostizismus durch Erarbeitung erkenntnissichernder Methoden das Hauptproblem sein wird . Einen anderen Schwerpunkt der Tagung bildeten Referate über die indogermanische Komponente im Wortschatz bestimmter wichtiger indogermanischer Sprachen, die Trans• fo rmalion dieses Wortschatzes. besondere verwandtschaftliche Beziehungen zu anderen Sprachen und daran anknüpfende sprachhistorische Feststell ungen . Von vornherein war geplant, den Sammelband , der die Tagungsreferate vereinen sollte, durch einschlägige Beiträge zu ergänzen, die nicht bei der Tagung vorge1ragen wurden. Andererseits haben nicht alle Referenten der Tagung ihr Referal zum Druck gegeben , so daß der Inhalt des vorliegenden Bandes sich nicht Im gani.en, wenngleich zum größeren Teil, mit dem der Tagung deckt. Der Titel des Bandes , . .Studien zum indo• germanischen Wortschatz", stellt klarerweise eine Vereinfachung dar; es war nicht mög• lieh, die Hauptanliegen und Inhalte dieses Bandes in einem beschreibenden Tilel unterzubringe n. der zugleich zitierfäh ig gewesen wäre.
Innsbruck, im Oktober 1986 1987 INNSBRUCKER BEITRÄGE ZUR SPRACHWISSENSC HAFT Herausgeber: Pror. Dr. Wolfga ng Meid Institut ro r Sprachwissenschart der Universitllt Innsbruck A-6020 Innsbruck, l nnrai n 52 Druck : G. Gras!, A-2540 Bad VGslau Bestell- und Auslieferungsadresse : A-6020 Innsbruck, Eli~bcthstraßc 11
Wolfgang Meid
INHALT Seite Vorwort
BUTI , GianGabriella: The Family and the Tribe. Remarks on lndo-Eu ropean Social Setting . CAMPANILE, Enrico : Indogermanische Dichtersprache . . DURlDANOV, Ivan : Die geographische Terminologie indogermanischer Herkunft im Thrakischen und Dakischen . EULER, Wolfram: Gab es eine indogermanische Götterfamilie?
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JOB , Michael: Semantischer Wandel und lexikalische Rekonstruktion.
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KNOBLOCH, Johann : Die Kleidung der Indogermanen und ihrer Erben: Schuh-
werk LOHR, Rosemarie : Reste von indogermanischem Wortschatz im Oberdeutschen MAC. MATHÜNA , Liam: Continuity and Innovation in Early lrish Words for "Water Expanse" . McCONE_, Kirn R.: Hund, Wolf und Krieger bei den Indogermanen MEID, Wol fgang: Zur Vorstellungswelt der lndogennanen anhand des Wortschatzes NEU, Erich: Zum Wo rtschatz des Hethitischen aus synchroner und diachrone r Sicht OETTINGER, Norbert : Anatolische Wortbildung und indogermanische Chronologie PANAGL, Oswald: Der indogennanische Wortschatz des Griechischen (Abstractum) POGHIRC, Cicerone : Kult_urelle Aspekte des thrako-dakischen Wortschatzes . POLOME, Edgar C.: Der indogermanische Wortschatz auf dem Gebiete der Religion SCARDIG LI , Piergiuseppe : Der gennanische Anteil am indogennanischen Wort• schatz und anderes SCHELESNIKER , Herbert: Die Schichten des urslavischen Wortschatzes SCH_E LESNIKER, Herbert: Slavisch nevlsta „Braut" und Zugehöriges . SCHLERATH, Bernfried : Können wir die urindogennanische Sozialstruktur rekonstruieren? Methodologische Erwägungen . SCHMIDT , Karl Horst : Handwerk und Handwerker im Keltischen und Germanischen . Beiträge zu einem historischen Vergleich SCHMIDT, Klaus T.: Zu einigen Archaismen in Flexion und Wortschatz des Tocharischen . SCHMITT , Rüdiger : Adalbert Kuhn und Jacob Grimm in ihren Briefen. Eine Mit• teilung . WATKINS, Calvert: 'In the lnterstices of Procedure'. lndo-European Legal Language and Comparative Law . ZlMMER, Stefan: Indogermanische Sozialstruktur? Zu zwei Thesen funile Benvenistes.
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GIANGABRIELLA BUTT
The Family and the Tribe Remarks on lndo-European Social Setting The terminologies concerning legal establishments have almost ever been the fashion for singling out endocentric relationships in the texture of lndo-European society. As is proper, the main concern of scholarship has been to identify etymological meanings; but less attention has been paid to the way in which a given root is used in the different !anguages. Comparative linguistic studies tend to ascertain that the basic organization is twofold : it is built around smaller units as weil as !arger units, the former materializing the family notion and the !alter the one for tribe, by and !arge. This picture is not confirmed by the juridic lore which appears tobe running throughout the best known ancient countries - India, Greece, Rome - nor by the more recent Germanic civilization. All common trends demonstrate that the family is indeed an institution pointing to the Indo-European past ; but not so the tribe. Although there are still semantic problems to surmount, it may not be amiss to seekjustification for the historical evidence, as against the linguistic reconstruction, in the actual terminology of relationships. The relevant sets as sketched below do arouse certain expectations. Two great scholars have worked them out in a systematic manner , with diverging results: Giacomo Devoto and E:mile Benveniste-1 The layout below is more in framing with Devoto's viewpoint. Devoto identifies two different concepts united in t he idea of the family, and a similar duality in the idea of the tribe. The family as an organization is expressed through the root •dem-, the family as a !ineage is expressed through •gen-. Similarly, •weik- depicts the tribe as an organization, and • wen- the t ribe as a repository of traditions. He visualizes the four semantic fields represented by these roots as corresponding both horizontally and vertically across the respective double roles of the family and the tribe. This interpretation is not farfetched. lt matches the words of the legal historian Gustav Radbruch: ,, ... auch die Familie [unterliegt] einer doppelten Auffassung: sie kann individualistisch als eine Beziehung zwischen den einzelnen Familienmitgliedern , sie kann überindividualistisch als ein soziologisches Ganzes über den einzelnen Familienmitgliedern aufgefaßt werden, als Trägerin einer besonderen 'Familientrad ition' und 'Familienehre' ... " 2 If we convert the checkerboard pattem of Devoto's approach into a spiral, it does eventually become compatible with Benveniste's conclusions. Benveniste also sees •demas fixing the institutional aspect of the family; he further considers •weik- to mean "clan", that is, "\'echelon superieur de Ja societe ... l'unite formee de plusieurs fa. milles". 3 The third point on the spiral again comes back to the family line (Radbruch's "iiberindividualistisch") for he gives •gen- the sense of "tribu" proprement "l'ensemble de ceux qui sont de meme naissance". 4 The tenninology he is using is a somewhat un-
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GianGabriellaBu1i
easy representation of the social sca\e, since the only word which testifies to that effect isAv.zantu.s In o rder to compare the positions of Benveniste and of Oevoto, it is necessary to leave Benveniste's spiral schema at this point, rather than following it on to the conce pt of Country . Though he never takes •wen• into account , a little later in his book6 Bcnveniste associates the family tie with the merging of groups togcther, emphasizing the importance of their "'fceling" united (l'aspect sentimental) . He establishes this semantic field through the root •kei-(cf. Lat . ch·is),as I myself did a few years earlier.'1 Where I hesitate indetd to agree with Benveniste is in his desire to project a Sta ndard lndo-European society, expressed in the preceding pages. Oevoto's exposition points in the 1ame direction. l think that both theories ought to be tested against the historica.l evidcnce, by a mcthod "Wöner und Sachen " (bzw. '"Taten "). To my knowledge , the only legal historian to havc dealt with this subjcct is Burkard Wilhelm Leist, at thc end of thc last century.8 By rcconstructing lndo-European household custom Leist detects the origin of law and re\atcd institutions , as to be found in : ancient India; by the Mediterranean , in Hellas and Latium; in the Germanic area. He describcs at length the institutional character of Indo-European (Aryan) family rules and regulations.9 With regard to the identity of the fami ly, in which hc sums up the picture (Koinönia), it is really a fonn of religion which is enacted. In lhis sacral ou1look are rooted the observances 10 Oharma by the Indians, to Themis by the Creeks, to Ritus by the Romans. Leist 's aim from thc beginning is "einer rechtsgeschichtlichcn, nicht rechtsverglcichendcn , Untcrsuchung''. 10 This aim lcads him to undcrcstimate the diversity of establishments varying as widely as do the Indian states; the polei:1 and cil1itates; the clam and Sippen . In his sccond book , Alt-Arisches Jus avi/e, hc comes to take a more critical stand. However, original law rests in a family pattern of jurisdiction. Historical evidencc, thcreforc , dcnies any role bearing on lndo-European tribes. On the othcr band , notwithstanding differences of emphasis, the linguistic comparison postulates that role. In ordcr that the two disciplines and their findings may be reconciled, this paper proposes to dircct linguistic analysis onto füture projcctions as well as onto the pasl. Exploring the evidcnce in terms of semasiology and of onomasiology and coordinating these approaches may yield results beyond the interplay of ctymologies. My gcncral assumption - which still remains tobe argucd - is !hat, whilst sincc Common lndo-Europcan times the family is either an institution or a marked fcature of society, on the other hand the tribc primari!y is an undcrlying clcment of social amalgamation, but neither an institution nor an organization answering a speclfic purpose. Being unmarkcd, its features are likely to be transformed as rcquircd by thc dcmands of changing cnvironmcnts and changing mental attitudes. lt is this nuidity in thc conccpt of !arger extra-familial groupings which would allow them to take a variety of forms in different historical circumstances. lf we Jook at our layout of 1erminologies again , wc can sce that the significations for "tribc" hardly fit as straightforward original meanings, whcreas those for "family'' prove sound beyond a doubt . Thc "tribe" words covcr piecemeal thc lndo-European world, mostly ovetlapping semantically with concepts to do with the family, and certainly not falling into a consistent arrangement. However, any easy inferencc from this is checked
The Famlly and the Tribe
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GianGabliellaBuli
by Devoto's claim that it is probable that the tribal juridical framework suffered mishaps not shared by the family.1 1 Benveniste stresses the point :
"On a pu mesurer, 8 propos de domuset des formes parentes, Ja richesse et Ja specificite d'une dt!nomination qui compte parmi !es plus anciennes du monde indo~uropeen.
Les autres termes relevant de Ja structure politique de la socil!!tC sont moins Jargement attcstl!s,
a mesure qu'ils s'appliquent a des ensembles plus vastes. On dirait que J'ex•
tension dialectale des termes est en raison inverse de Ja generalitC des notions."12 "Selen les langues, le reprl!!sent.ant de l'ancien •weik- entre dans teile ou teile serie spCcifique et chaque fois prend Je sens que sa place dans Ja SCrie lui assigne."t) Further clues to the primitive difference between the two performances may be found in word formation. Ancient root-nouns belong excluslvely to the semantic field "family": under headline "house" cf. •dom > Arm. tun and Gr. OW (along with •dom-m m. accus. sg. > OWµa and •domi loc. > ~v&v adv., neither quoted in layout) and ~nder both " house" and "lineage" er. the two compo unds, from the gen. case, •dems-pot- > Gr. 6eorrdrr/c: and •g~s-pot- > Skr. jäs-pat-ilJ. More could be said on •domo- as against Lat. domu-; and so on . But all the above has been dealt with at length in specific monographs.t 4 Besides, th is method of approach is not germane to my intentions, since I propose to move back and forth between examining defin ite historicaJ Situations and examining the overall trend of cultural development which control them. Just as in linguistic study, we need the utterances in order to determine the rules. In the issue line of •dem- we come across a peculiarily which stimulates anaJysis on onomasiology. Its semantic field " house" is so Standard that the non-appearance of same in the Germanic area (and also, apparently , in the Celtic) is striking and demands an explanatio n. This is a useful semantic field to work on, just because it is a clea r one. Similarly, the gap in the Germanic area has a chance of a clear explanation because the Germanic languages are recently documented; and all the more recent are they in terms of Indo-European relative chronology. lt is well known 1hat the Germanic peoples are latecomers to written history, and in addition, it hardly needs tobe emphasized that they possess a store of conservative lraditions. In consideration of this it is difficult to believe that they would not be acquainted with the abstract notion "household", which is as relevant 10 •dem- as is the concrete idea of "(a) building'" (cf. Gr. OfµEw). Taking account of the two patterns of words, which both have the characteristics of primary significances, Benveniste purports there are in fact two homophonous roots, or better, three 15 - verbal •dema- "to put under with violence > to tarne , 10 master'' ; verbal •dema- "to build"; and nominal •dem- "household". Whatever the solution may be as to the origin of the patterns, Benveniste's arguments go to show that , when Germanic gets into being, there is ccrtainly more than one of them running. lf two of them appear in Germanic (cf., e.g., to tarne quoted above for the first of thcse roots; re the second , see the general layout of terminologies herein), the non-appcarance of the third cannot bc due to dissimilarities in building techniques. lt is obvious in fact that thc third pattern is fully inherent in the social values of Jate lnJo-European civilization. On the principle that if a notion is lost, the corresponding ward is lost too, it must follow that the abstract meaning of •dem- falls out of so-..11 (Harpokr., Demosth ., Ptol., St . Byz. und inschriftlich) • apreuß. FIN Cabulo (st . •Gabula), vgl. engl. quab •Morast'. •[uga(s) 'Pfütze, Sumpf, Morast' im FIN (dak.) AV}'wtX (Arr. Anab.), Nbfl . des lstros im Gebiet der Triballer. Vgl. lit . FIN lüginas und lett . luga 'que bbige Morastmasse an zuwachsenden Seen'. lit. Uiigas 'Pfütze, Lache, Tümpel, Sumpf, Morast. Moor'. •mariska(s) 'Sumpf im ON Tpa-µapio,rn (Ptol.), Donauveste , jetz t Tutrakan . Vgl. ags. merisc 'Sumpr (mlat. marisca, germ. Lehnwort), as. mersc, mndd . mersch, marsch "' 'Marsch', Erweiterung von idg. •mori- 'Meer', auch 'stehendes Wasser'. •marka ' Morast , sumpfiges Gelände' im ON Map/(€>..>..a~ (byzantinisch) in Thrakien aus FIN •~1ve). •pan(1)- 'Moor. Schlamm , Sumpf in FIN TTdvooopOA.01 bzw. Jcumeli9i, auftreten. Noch deutlicher treten die Gemeinsamkeiten dieser Zwillinge in den Literaturen der Einzelsprachen im Zusammenhang mit der Entführung der Sonnentochter zutage." So heißt es in RV 1,117, 13 etwa: y uVOqi cydviinam aivinii jdrantam piinar yüviinat11 cakrathu~ Jdcibhifl yuvO rdthat11 duhit6 sO,yasya saha Jriy6 näsatyiivniita
„Ihr Asvin habt durch eure Künste den greisen Cyävlna wieder jung gemacht. Euren Wagen erkor die Tochter des Siirya, ihr Nlsatyas, samt eurer Schönheit .. (Geldner). Im V. 12 zuvor werden die Asvi ns außerdem noch mit Divo ndptitii angeredet. Auch 11 6, 17 (mit niisatyä) und 11 8,5 sind hier zu erwähnen, die im Wortlaut ei nander sehr stark äh neln . Von Interesse ist weiter 6,63,5ab : Qdhi Jriyi duhit/J sdryasya r/JthafTI tasthau purubhujii JatOtim
„Des Sorya Tochter hat zu r Herrlichkeit euren hunderthelfenden Wagen bestiegen, ihr VielnOtzendc" (Geldner); In V. 6ab ist indes zu lesen : yuvd111 Jribhir darJat6bhir tibhiJ:, Subhe piqfim ühathufr sü,y6ydJ:,
„Mit solchen sehenswürdigen Herrlichkeiten habt ihr (eurem) Glanz den Zuwachs der SOryl zugebracht.. (Gcldner). Hierzu paßt auch 4, 43, 2 cd:
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Gab es eine indogermanische GOucrfamilie?
rdthaqi kam iihur dravddaJva m iiSUt11 ytiqi sflrya.Jya duhit6vrriita
„ Welchen Wagen nennen sie den schnellen mit den raschJaufenden Rossen, den die Tochter des Silrya sich erkor?" (Geldner), ebenso 6cd: tdd ü 1U vam ajirdt11 uti y6na'11 yina f)Oti bhdvathafr sürydyiifl
„Diese eure schnelle Fahn machte fein Aufsehen, durch die ihr die Gatten de r SOryl werdet" (Geldner); hier erscheint Sü,yd ebenfalls variierend und gleichsa m anstelle von SfJryasya duhitQ. Zu vergleichen wlre hiermit außerdem 10,85,6-17, wo die Brautwerbung und Fahn der SOryl mit den Asvins ausführlich beschrieben wird. Dies alles findet vor allem in lett. Volksliedem anschauliche Parallelen. So lesen wir in 33976 : Sau/es meita pirti küra. Dieva dilu gaidtdama; Aljiij divi Dieva deli Nosvidulus kumeli{lus NosvtduJus, nodetotus lelaii zt!lta aplokii.
,,La Fille de Saule chauffait le bain,
Attendant Je Fils de Dieu; Arrivent deux Fils de Dieu Sur des chevaux en sueur. Leurs chevaux en sueu r, lls les font entrer dans Je parc." (Jonval)
In 33732 wi rd zusätzlich das Fahrzeug genannt: Äbellcolca laivu daru, Abi gali paultiti. Dieva dili jfriji9i, Sau/es m eitu vizina.
„Je fais une barque en bois de pommier Les deux bouts en sont dorts. Les Fils de Dieu, les rameurs, EmmCnent se promener Ja Fille de Saule." (Jonval)
Auch in 33766 treten die beiden Dieva dtli als Freier (preciniela) der Sau/es meita auf. - Dürftig erscheint allerdings demgegenüber das lit. Zeugnis bei Rhesa 48, 1- 4.,: PO klevilifl Jaltinditis. Cjstas vandenditis. Kur ateit SQults dukrj,tts, Anksti bUrn(I praiistis.
„ Untenn Ahorn fließt der Quelle
Prii k/evilio Jaltinditio, Ejaii bUrn(l praiistis; Mdn bepraüsiant baltfl bUrn(I, Nupl/Jvjau iiedditj.
Zu dem Ahorn an der Quelle G ing ich, mein Gesicht zu waschen. Und ich wusch mein weißes Antlitz, Da entfiel mein Ringlein.
0 attjo Diivo suniliai Sri Ji/kU tinkliliaU, Ir i vejävo mdno iiedditj II vandeiis gilumös.
Und es kamen Gottes Söhne Mit den seidenen Netzlein, Fischten mir den Ring, den lieben, Aus des Stromes Tiefe.
J; atj6jo j/Juns Mrnftis Aiit blro iirg/Jitio; 0 tds berdsis i irgditis Aukso padkavdittms.
Reitend kam ein zarter Jüngling Her auf braunem Rosse : Und dies braune Rößlein hatte Goldne Hufbcschllge .. (Kurschat).
Reines klares Wasser, Wo die Sonnentöchter frilhe Kommen ihr Antlitz zu waschen.
Wolfram Euler
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Anschließend wirbt der Jüngling um das Mädchen (die Sllngerin des Liedes), aber diese lehnt ab. Auch in Rhcsa Nr. 62 wird die S6ules duk,j,ti besungen, von den Got• tessöhnen hOrt man don aber nichts. - Hier steuert die altgr. Dichtung kaum etwas bei . Wohl werden in Eur. Hel. 1500 die Tyndariden vom Chor als otfl~ i:4';'El.tvw; „Retter der Helena" angefleht, die ja ihrerseits im Epos (Od. 4,227) als Tochter des Zeus gilt, und am Ende des Dramas greifen diese helfend ein und geleiten Hclena in ihre Heimat zurück; der Inhalt ist jedoch deutlich spezifischer als im Ai. und Leu., wo die Zwillinge lediglich als Freier der Sonnentochter eine Rolle spielen, nicht aber als Retter. Auch der Raub der Töchter des Lcukippos wurde zu m Vergleich herangezogen, s. dazu Theok. 22, 137sq. : TUl µtv llvaprui;aVtt 600) (pf:ptTJlV .6.l~ ulE
"Als Reuer werden wir, deine beiden Zwillingsbrüder, (dich), Ober das Meer hinüberreitend, in die Heimat gelciten." 11 Und wie die Asvins den Bhujyu, den Sohn des Tugra, und die Dioskuren Helena Ober das Meer geleiten, so nehmen die Dieva dtli die Sonnentochter im Boot mit (33732, s. o.): doch kOnnen auch die J>ferde der Gottessohne das Meer durchqueren, wie in 33771 und 33772: Divi sinni kumelir,1i no jürir,1as izpeldtja „Deux chevaux gris sortirent en nageant de la mer.. (Jonval). Das Motiv der Rettung bleibt freilich zu vermissen im Lettischen. Darüber hinaus wird durch das Rettungsmotiv nicht nur die etym. Deutung von Ndsatyä als „Retter" (vgl. got. nasjands „Heiland", s. Anm. 58) gestützt, sondern auch von Alcis im Genn. (lt. Tac. Germ. 43 mit Kastor und Pollux zu vergleichende Gottheiten) als „Schützer" (vgl. ags. ealgia n).11 Weiterhin bliebe zu bemerken, daß sowohl in RV 1, 181, 4 nur ein Zwillingsbruder der Mvins als Divds putrd-, der andere als SUmakhasya (putrd-) genannt wird als auch in den Kyprien frg . 6 Allen bloß Polydeukes als unsterblich, Kastor aber als sterblich bezeichnet wird.n Diese Textbeispiele mögen geniigen, um zu veranschaulichen, welche überraschende Gemeinsamkeiten die Asvins, Dioskuren und ball. GottessOhne miteinander teilen : Alle Zwillingsbrüder sind im Besitz von J>ferden, sie spielen eine Rolle als Freier ursprünglich um die Sonnentochter und als Geleiter auf dem Meere, wie insbesondere die RV-Hymnen I, 116 und 117, der hom. Hymnus Nr. 33 und die Daina
Gab es eine indogermanische GOtterfamilic?
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Nr. 33732 lehren . Was uns das sprachliche Material der Texte hier nicht recht hergibt, das bietet uns dafür deren Inhalt. Bedenkt man noch die Gemeinsamkeiten zwischen dem Ai. und den balt. Liedern, Liedern aus zwei vOllig verschiedenen, zeitlich (bis rd. 3000 Jahre!) und rlumlich weit auseinanderliegenden Kulturkreisen innerhalb der lndogermania, findet die allgemeine Annahme, daß diesen BrOderpaarcn letztlich ein idg. BrOderpaar (als Freier der Sonnentochter vor allem) zugrundeliege, eine eindrucksvolle BestAligung. Damit verlangt auch die Frage nach der Benennung dieses BrOderpaars in idg. Zeit eine Antwort : Der idg. GN kann •Diw/Js süml (vgl. Eur. und Theok. im Gr. m. E. und Rhesa 48 im Lit.), 'Diw6s putl6 (RV I, 181,4, ital. lnschr.), Diw/Js kun, (gr. GN, skyth. Zeugnis bei Lukian) oder auch Diw6s nipote(altidg. Yb., aber nur mit ai. Belegen), also „HimmelssOhneH oder allgemein ,.-abkömmlinge'", gelautet haben, wobei eben das unter den Yb. morphologisch abweichende •sünUs, also in der Dichtersprache, gleichfa lls in der Verwendung hinter •dhugattr klar zurückbleibt. - Alle anderen Benennungen der Zwillingsbrüder, ASVfnä „Rossebesitzer", Nllsatyä „Retter" und Tuvöapl6cn, sind nachidg. Datums, wenn auch die ai. GN auf althergebrachten Glaubensvorstellungen beruhen.
III. Schll{ß: Auswertung der Ergebnisse
Gab es nun eine GOtterfamilie in der Glaubenswelt der Indogermanen ? Diese Frage ist so zu verneinen ; vielmehr können aufgrund der dichtersprachlichen Formeln mit den Yb. die Rekonstrukte •Dytus rttr "Vater Himmel" und •Diw/Js dhug,ttr „Himmelstochter" (die Morgenröte, im Llt. die mit der Morgenröte aufgehende Sonne) als gesichert betrachtet werden, die •DiWOs sünh oder put/6 freilich in erster Linie aufgrund der Übereinstimmungen in der ai., gr. und ball. Mythologie (wie auch die idg. Herkunft der Diivo dukryte), - ohne daß wir selbst folgern können, daß etwa die Himmelstochter und die Himmelssohne in idg. Zeit als Geschwister angesehen worden seien. Vergleicht man nun die sprachlichen Befunde zu diesen Gottheiten mit den zu den Erdgottheiten in den idg. Einzelsprachen, so erscheint eines unerläßlich : entweder jeweils ein GN mit einer gesicherten Etymologie + einem Vn., der möglichst ebenfalls etym. gesichert sein soll (Dydus pild u. a.), oder andernfalls zumindest auffällige mythologische Motive, die für die zu vergleichenden Gottheiten in den Einzelsprachen miteinander genauer Obereinstimmen (Himmelssöhne als Rossebesitzer usw.), auch archäologisch-historische Fakten können wichtige Aufschlüsse bieten (.6.tl1t6:tu~). All dies ist im Fall der Erdgottheiten nur in ganz unzureichendem Maße gegeben ; formal und mythologisch am einleuchtendsten erschiene die ai.~ags. Gleichung, doch mangelt es selbst hier an vOllig ßberzeugenden Übereinstimmungen. Die Annahme einer idg. Erdgottheit wird somit lediglich durch das Etymon 'dhth6m- mit fe rn . Genus, ursprünglich wohl aber ein Neutrum aufgrund des archaischen Heth., wie das Kultwort •p/twl gestützt ; mit dem Himmelsgott stand diese ErdgOttin jedoch in keinerlei Beziehung, geschweige denn mit den Himmelsabkömmlingen. Somit haben wir in idg. Zeit nicht das genealogisch so klar aufgebaute Pantheon Hesiods und Homers im antiken Griechenland vor uns, sondern bestenfalls Gottheiten
Wolfram Euler
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der natürlichen Umwelt, vor allem der Leuchterscheinungen am Himmel, die nur in Ansatzen in verwandtschaftliche Beziehung zueinander gesetzt sind, die jedoch zusätzlich eines gemeinsam haben: Es sind die •deiwbs ,:imftös, Götter, die himmlischen unsterblichen Götter gegenüber den irdischen sterblichen Menschen1 4, die ein getreues Abbild einer vornehmen Welt des Heroenadels am strahlenden Himmel dar-
Gab es eine indogermanische Götterfamilie?
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Anmerkungen:
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1 Hier sei kurz aur cinschl!lgige Werke verwiesen wie C. D. Buck, A Dictionary of Selected Synonyms in the Principal I E Languages, Chicago 1949, 79-134 (Mankind: Sex, Age, Family, Relationship); E. Benvenis1e, Le vocabulaire des institutions ie. 1, Paris 1969, 203 - 276 (Buch 2: le vocabulaire de !a parente) und in jilngs1er Zeit 0. SzemerCnyi, Studies in the Kinship Terminology of the IE languages, with special reference 10 Indian, Irani an, Greek and Latin, Acta lranica 16, 1977, 1- 240 und ders., Das gr. Verwandtschaftsnamensystem vor dem Hintergrund des idg. Systems, Hermes \OS, 1977, 38S- 40S. - Zur e1ym. Grundlage von idg. •sünUs in •sü-(ai. süti „gebiert''. seit RV) s. außer den o. g. Werken bes. Mayrhofer III 494. 2 Osk. puklu- in der Fluchtafel Nr. 19 Buck / 6 Vetter mehrfach belegt, einmal auch unvollständig als pukele... auf einem Kalksteinblock Nr. 20 Poccetti (vgl. dazu Untermann, Glotta57, 1979, Nr.8). 3 Nr. 4S und 114 bei W. Krause, Die Sprache der um. Runeninschriften, Heidelberg 197 1. Zu maguR vgl. an. mpgr „Sohn, Kind", got. magus „Kind, Junge", im Kelt. ai r. mug ,.Diener, Sklave" (aus •magus), s. Pokomy 696, de Vries 400; Pokomy und Szemereßyi, Studies 19 ziehen auch air. macc, kymr. mab „Sohn" heran und erklaren das anzusetzende urkelt. •makwo.s aus einer „expressive re inforcemcnt~ von thematischem •maghwos. 4 Hierzu bes. Frisk II 959ff. m. Literatur; E. Risch, Wortbildung d. hom. Sprache, Berlin 21974, 76: Beekes, Glotta 51, 1973, 239f., der ein Paradigma •siuyius, suywtis, suyiw,ri ansetzt; zuletzt SzemerCnyi, Studies 11 f.; speziell zu myk. i-ju (auch i-jo, dissim. aus •huju-) Heubeck, SMEA 13, 1971, 147-15S. Zum Toch. s. außer SzemerCnyi bes. v. Windekens, le tokharien, Louvain 1976, 424f. und zuletzt J. Hilmarsson, Toch. Ase, B soy „son" - Gk. ulik; ,.son", IF89, 1984, 29 - 38 (m. Parallelen für u- o im Toch.), der auch •soyu.r als vortoch. Grundlage erwägt. 5 FUr •suktir etwa noch Pokomy 9 14: Atatyan, Hayeren arma1akan bataran (Arm. Wurzelwörte rbuch) III 611 f.: G. B. Dfahukyan, Oürki po istorii dopis'mennogo perioda arm. jazyka, Erevan 1967, 165 und 212. Für •unu.rtrSzemerCnyi, Studies 19, der yisun aus •(ngisun, penk"'iikrµr „fünfzig" als Parallelfall mit Nasalschwund heranzieht. 6 Hierzu Salta, Die Stellung des Arm. im Kreise d. idg. Sprachen, Wien 1960, 324f.; Atatyan, (Anm. 5) S76; semantisch abwegig Pokomy 327. 7 Siehe futir in der lnschr. Nr. 123, Jutre(is) (Gen. wie in maatreis ~matrisH) Nr. 175 und /u(u)trei Nr. 147 Vetter; sowohl bei Vetter, Hdb. d. ital. Dialekte, Heidelberg 1953 wie Bottig!ioni, Man uale dei dialeui italici, Bologna 1954 wird futir mit „filia" übersetzt. Die Herkunft aus idg. •dhuktir ist in den Etymologika heute allgemein anerkannt, s. Lejeune, ., Fils" et ~fille" dans les langues de l'halie ancienne, BSL62, 1967, 73f.; weniger Ubeneugend Hamp, ,,Fils" et „fille"' en italique, BSL66, 1972, 215-2 19 ; allgemein SzemerCnyi, Studies 20.
7 a Die neugefundene große Inschrift von Larzac (Edition: lejcune u. a., EC 22, 1985, sowie als
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Sonderdruck: Le plomb magique du larzac et les sorcieres gauloises, Paris 1985) biete! nun in Namenformeln die Nominative matir und du;ttir. Filr Anschluß an •dhi-, filäre „saugen" noch leumann, lat. Grammatik, München 1 1977, 36; dagegen auch der etym. Anschluß an •bhwi- erwogen von lejeune, (Anm. 7) 76-86, bes. 83ff.; eindeutig für •bhwilio.r SzemerCnyi, Studies 19. Zu den Belegen d. ital. Parallelen und von FILIA lejeune, (Anm. 7) 70f., eindeutig ders., Manuel de Ja langue vCntte, Heidelberg 1974, 169: aus •bhwüyd. Doch kann venet. FILIA infolge des röm. Einnusses ambivalent als lat. und venet. aufzufassen sein, vgl. Untermann, Veneti, RE Suppl. XV, 1978, 873f. Belege für bilia jetzt zusammengestellt bei Lejeune, (Anm. 7) 80f.: im Gegensatz zu bijii bleibt aber bir •• Sohn" (zu •bher- ,,tragen") fern, s. lejeune, ebda. 82, Hamp, (Anm . 7) 220- 225 und Cabej, Studime etim. ni! fushe te shqipi!s, Tirana 1976, 230f. und 490. Allerdings können nate, nata in den gallorom. Texten ambivalent sein, s. W. Meid, Gallisch oder late inisch? Innsbruck 1980, 13 und 18. Vgl. Stokes/ Bezzenberger, Wortschatz d. kelt. Spracheinheit 211; vermutlich aus •merpkd., nicht recht glaubhaft Pokomy 739; ferner Fraenkel, Lit. etym. Wörterbuch 440, Frisk II 196. Siehe Pokomy 242 und Lejeune, (Anm. 7) 79. Bes. lett. tauta$ meita „Mädchen einer fremden Sippe" mit dem Männernamen Teutmeiti.r, etwa „6f)µoWJ..ri\;" (CIL III 12812, Dalmatien) und Meita (III 10794, Pannonien) von H. Krahe, Die Sprache d. Illyrer I, Wiesbaden 1955, 61 verglichen, semantisch aber nicht überzeugend. Dagegen Ztvers, Sprachl.-kulturhist. Untersuchungen vornehmlich über den deut• sehen Einfluß im Leu., VOJEB 4, 1953, 78: meita aus mnd. meit „Maid". Siehe hierzu vor allem in neuerer Zeit R. Schmitt, Dichtung und Dichtersprache in idg. Zeit, Wiesbaden 1967, 149-154 und K. Strunk, .. Vater Himmel" - Tradition und Wandel einer sakralsprachlichen Formel, in Fs. G. Neumann, ed. J. Tischler, Innsbruck 1982, 427-438; zu Junkturen m. •DylusW. Euler, lndoiran.-gr. Gemeinsamkeiten d. Nominalbildung und deren idg. Grundlagen, Innsbruck 1979, 164 f. - Zu •Dylu.ralsgöttlichem Himmel und dessen Fortsetzern s. etwa M. Eliade, Geschichte d. religiösen Ideen 1, Freiburg/Br. 1978, 179 und E. Po!ome, Der idg. Wonschatz auf dem Gebiete der Religion, in diesem Sammelband, S. 204 f. Vgl. J. Go nda, The Dual Deities in the Religion of the Veda, Amsterdam/ U:mdon 1974, 93ff. (m. Literatur). Bereits im Staatsvertrag zwischen Suppiluliuma und Mattivaza (um 1380 v. Chr.) erscheinen die GN Mi-it-ra-aI-ii-il, A•nl•l'a•na-ai-Ii-il. [n-da -ra, Na-ia-at-ti-ja•an-na, vgl. dazu bes. RV 10,125, 1 mit den ON mitrd vdrn~d ... indrdgnt ... QSvind., s. P. Thieme, The „Aryan" Gods of the Mitanni Treaties, JAOS 80. 1960, 301-3 17, dazu A. Kammenhuber, Die Arier im Vorderen Orient, Heidelberg 1968, 143-1S0, außerdem Mayrhofer, Die Indoarier im Alten Vorderasien, Wiesbaden 1966, 14f. und 18. RV- und AV-Stellen hierzu s. bei Schmitt, (Anm. lS) \49f. Dazu Strunk, (Anm. 15) 429f. m. Belegen. Dazu Schmitt, (Anm. 15) l 52f. und Euler, (Anm. 15) 205f. Zum Gr. Schmitt, (Anm. 15) 150f. und Strunk, (Anm. 15) 429ff. Zu den ital. Parallelen Schmitt, (Anm.15) !SI und Strunk (Anm.15) 43lff. (lat.) und 429 (umbr.). Siehe vor allem Krahe, (Anm. 14) 54; A. Mayer, Die Sprache d. alten Illyrier II, Wien 1959, 39 und C. de Simone, Messapic Damatira / Damatura - Balkanic ( .. lllyrian") 61:mO.tu~, JIES 4, 4, 1976, 355-366, bes. 361 f., der -natot s. auch RE, 2. Reihe, Bd. XIV, 1948, 175S (unter Tymphe); erwähnt werden die Iroµq,atol u. a. bei Arrian in der Anabasis 1, 7, 5. Schmitt, (Anm. 15) 151. Hierzu anschaulich Hoffmann/ Debrunner, Geschichte d. gr. Sprache 1, Berlin 19S3, 48: ,,Der ehrwürdige Ze~ 11anJp mußte es sich gefallen lassen, daß ihn seine neuen Nachbarn, die Tymphäer, hinfon auf Illyrisch mit tu:mätupoc; (Hesych) anriefen."
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Wolfram Euler
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Zitate nach Svabc / Straubergs / Hauzcnbcrgs / Stunna, Latvidu tautas dzicsmas (Leu. Volkslieder), Kopenh agen 1956: Übersetzung von M. Jonval, Lcs chansons myt hologiqucs lettonnes, Paris 1929. Übersetzung von Jon val mehrdeutig: eindeutig fOr cxplicativus aber V. V. lvanov / V. N. Toporov, Balt. mifologija v svctc sravnitel'no-istoril:eslr:ich rckonstrukcij indoevropcjskich drcvnostcj, ZSI 19, 1974, 150. Siehe hierzu die Nachricht des Kardinals Valcnti 1604 über die Leuen : ff Credono un Dio Suprema ehe chiamano Tebo Deves": vgl. H . Biczais, Balt. Religion, in C. M. Schröder, Die Religionen der Menschheit 19, 1, Stuttgart 197S, 323, der Tebo IH~s als Debess Dicvs liest, ebenso denkbar ist aber auch die Lesung Ti vs Diel's „ Va1er Gott" vo m t•Anlau1 her. Zur Herkunfi des Diel's Bie:zais, cbda. 322 und M. Gimbütas, Thc Ancicnl Religion of thc Balts, Lituanus 8, 1962, 107 ; zu dessen Wesen und Funktion Biezais, ebda. 323-329. Hierzu s. J. de Vrics, Altgcrm. Religionsgeschichte 1, Berlin 11956, 22 f. (zu Ziu und Tj r als Kriegsgott) und 2Sf. (zu deren Herkunft). Übe r das Ablautverhat tnis vo n •dyhts und •deiwOs zueinander s. im Einzelnen A. Senn, Z u lit. diivas „Gott" und finn . taivas „ Himmel", Sprache 1, 1949, 1- 10, bes. 1 f. - Ober die ctym. Bedeutung vo n •deiwlJs W. Meid, Zur Etymologie des Worics für „Mensch" im Ir., in Fs. Palmer, Innsbruck 1976, 17S. Vgl. Schradcr / Nchring, Reallex. d. idg. Altertumskunde II , 1929, 244; Nc hring. Die Problematik d. lndogermancnforschung, 1954, in A. Scherer, Die Urheimat d. Indogermanen, Darmstadt 1968, 400. Zur Funktion des •Dyhts 1ml, ferner Schmitt, (Anm. IS) 149. Positiv hierzu e1wa E. Meyer, Die l ndogc rmancnfrage, 1946, in A. Scherer, Die Urheimat der Indogermanen, Darmstadt 1968, 262; in jüngster Zeil auch G. Neumann, Frühe Indogerma nen und benachba rte Sprachgruppen, in G. Narr, Hdb. d. Urgeschichte II, 1975, 678: ., Diesem ,Vater Himmel' zur Seite stand die ,Mutter Erde' (aind . f'rthivf mcitd, ags.folde, vielleicht auch gall. lita„is)." Sogar idg. Formeln wu rden für „ Mutter Erde" von Schneider und Herzenberg angesetzt, s. dazu Anm. 49. - Zur Bedeutung des {tpö(; yl:tµ~ in den Religionen allgemein s. Reallex. r. Antike u. C hristentum II, 1954, S32 f. Vgl. W. Schmidt, Die Hcrkunfi d. Indogermanen, 1949, in Scherer, (Anm. 31) 319f. : .,bczic• hungslos"; J. Pokorny, Die idg. Spracheinheit, 1954, in Scherer, cbda. 376 : .. passiv". Kritisch-ablehnend zum idg. Ansatz ei ner Formel filr „Mutter Erde" im ldg. außerdem Strunk, (Anm. 15) 428. Für Herkunfl der Mutter Erde aus dem östlichen Mittelmeerraum oder Kaukasus A. Ne hring, Die Problematik d. lndogermanenforschung, 1954, in Schercr,(Anm. 3 1) 401 f.; für Herkunfl aus e iner voridg. agra rischen Kultur in Mittel• und Nordeuropa Schmidt, (Anm. 32) cbda., nur für das Ge rm. unabhängig vo n den anderen idg. Stämmen glaubhaft. Zu diesem idg. Elymon mi1 den Fonsetzern s. Poko rny, ldg. e1ym. Wb. 414f., ausführlich J. Schindler, Das idg. Wort für „Erde" und die denialcn Spiranten, Sprache 13, 1967, 191-205, bes. 200ff. und Euler, (Anm. IS) 167. Zu diesen Junkturen Schmitt, (Anm. IS) 18 1r. und Euler, (Anm . IS) 148 und ISS. Dazu W. Meid, Dichter und Dichtkunst in idg. Zeit, Innsbruck 1978, 9f. Dazu allgemein Schmitt, (A nm . IS) 181 ff. und Euler, (Anm. IS) ISS f.: zum Gr. W. Burkcrt, Gr. Religion d. a rchaischen u. kl ass. Epoche, Stullgart 1977, 44, ferner Frisk II SS4 und E. Risch, Wortbildung d. hom. Sprache, Berlin 2 1974, 74: zum Gall. Holder, Alt-Cclt. Sprachschatz II 243fT. (zu leta via und litavis, m. Belegen), in neuerer Zeit K. H. Schmidt, Die Komposition in gall. PN, ZCPh 26, 1957, 232 sowie D. E. Evans, Gaulish Personal Names, Oxford 1967, 2 17 (m. Literatur): ferner s. zum Germ. H. Gil ntert, Zur Sprache d. Götter u. Geister, Halle 1921 , 140 (zum An.) und Schneider, (Anm. 40, zum Ags.). Zur Etymologie dieses ar. Wo rtes s. Mayrhofcr II S13. Zur Etymologie dieses urg. Etymo ns vgl. am ehesten ahd. ero m. .,Erde", an. }?rfi m. „Sand(h0gel)", außerdem kymr. erw f. .,Feld~, gr. fpa~ "zu Boden" (cp., poet.) und vielleicht arm. erkir "Erde", s. de Vries, An. etym. Wb. 29S, Pokorny 332, Frisk I S46f. und C hantraine 363 sowie G. R. Salta, Die Stellung des Arm. im Kreise d. idg. Sprachen, Wien 1960, ISl.
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Gab es eine indogcnnanischc Göucrfamilic? 40
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Abgedruckt in The Anglo-Saxon Mino r Poems, ed. E. v. Kirk Dobbie, Columbia 2 1958, 11 8 bzw. 11 7f. (.,Metrical Charms" l,69sqq. bzw. SI sqq.); s. dazu K. Schneider, Die genn. Ru nennamen. Versuch einer Gesamtdeutung, Meisenheim 1956, 243- 257 (auch zur ai.-ags. Gleichung, vgl. Anm. 49, und zum~ yltµ- lr. Uon. C. Watkin s has since derived Olr . dUan "a poern" from •dap-nö. appcallng 10 the same phonological treatmcnt (Celtko xi (1 976} 276), but furthcr , more ce,tain examplu are necdcd bc fo re th e process un beconfirmed .
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KIM R. McCONE
Hund. Wolf und Krieger bei den Indogermanen Dieser Aufsatz befaßt sich mit gewissen Vorstellungen und Bezeichnungen des Kriegers, die in der Literatur bzw. Mythologie verschiedener indogermanischer Völker vorkommen. Daraus ergibt sich für die Urindogermanen, deren Krieger auffallende Beziehungen zu Wölfen und Hunden aufweisen, ein auf Wortschatz, Gesellschaft und Weltan schauung einwirkender Gegensatz zwischen Männerbund und Stamm. Anhand zahlreicher, der älteren Literatur und dem späteren Volksbrauch entnommener Belege ist es Weiser (1927) und Höfler (1934) gelungen, die überaus bedeutende Rolle , die der Männe rbund bei den Germanen gespielt hat , endgültig zu beweisen. Daher darf ich mich kurz fassen und auf das Wesentliche beschränken. Laut Tacitus bestand das Heer bei den Germanen einerseits aus Schild und Speer tragenden Reitern und andererseits aus nackten oder mit leichtem Mantel bekleideten Fußsoldaten , die auch Wurfgeschosse benutzten und eine schnelle jugendliche Kerntruppe bildeten : er eques quidem scuto [rameaque contencus est, pedites et missilia spargunt .. nudi out sagulo le~·es . .. apta et congruente ad equestrem pugnam velocitate peditum, quos ex omni iuventute delectos ante aciem locant (Germania, § 6), König und Heerführer werden unterschieden : reges ex nobi/itate, duces ex vtrtute sumunt (§ 7). Nachdem die Mannesreife durch Waffenverleihung auf Beschluß der Volksversammlung erlangt worden ist, schließt sich der junge Krieger der Gefolgschaft eines Heerführers an: sed arma sumere non ante cuiquam moris quam civitas suffecturum proba~-erit. Turn in ipso concilio vel principum aliquis vel pater vel propinqui scuto frameaque iuvenem omant; haec apud illos roga, hie primus iuventae honos; ante hoc domus pars videmur mox rei publicae. lnsignis nobilitas aut magna patrom merita principis dignationem etiam adulescentulis adsignant: ceteris robustioribus ac iam pridem probacis adgregamur, nec rubor inter comices adspici. Gradus quin etiam ipse comitatus habet iudicio eius quem sectantur; magnaque et comitum aemulatio , quibus primus apud principem suum locus. et principum, cui plurimi et acerrimi comites. Haec dignitas, hae vires, magno semper et electorum iuvenum globo circumdari. in pace decus, in bello praesidium .. . Cum venrum in aciem, turpe principi virtute vinci, turpe comitatui virtutem principis non adaequare. /am vero infame in omnem vitam ac probrosum superstitem principi suo ex acie recessisse .... Si civitas, in qua orti sunt, longa pace et orio torpear, plerique nobilium adulescentium perunt ultro eas nationes, quae turn be/lum aliquod gerunt (§§ 13-4), Während dieser Jugendzeit also wird die Kriegslust der Stammeszugehörigkeit vorgezogen , und man bei• ratet ziemlich spät: sera iuvenum venus, eoque inexhausca pubertas (§ 20). Bei den Chatten waren junge Männer gewohnt , Haar und Bart wachsen zu lassen und manchmal auch einen eisernen Ring zu tragen, bis es ihnen gelang, einen Feind zu erlegen. Viele davon beharrten bei diesem Tapferkeitszeichen und dem dazu gehörigen Leben als furchtbare, besitz- und ehelose Krieger, bis sie zu alt für solche Anstrengungen wurden: apud
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K im R. McCone
Clwttos in consensum vertit. ut primum adoleverint, crinem borbamque submittere nec nisi hoste caew exuere votivum obligaturnque virtuti oris habitum .... Fortissimus quis• que [e"eum insuper anulum ... velut vinculum gestat, donec se caede hoslis absolvat. Plurimis Chattorum hie p/acet habitus, iamque canent insignes et hostibus simul suisque mons1rati. Omnium penes hos initia pugnarum, haec prima acies ... Nulli domus out ager out aliqua cura; prout ad quemque venere, aluntur, prodigi alieni, contempto res sui, donec exsanguis senectus tarn durae virtuti imparesfaciat (§ 31). Eine ähnliche Mannbar• keitsprobe, das Erschlagen eines starken Tieres (siqui iam adultus aprum exceperit solus ve/ interemerit ursum immunem), wird von Ammianus Marcellinus (31,9,S) erwähnt. Die von Tacitus (Germ. § 43) als außerordentlich tapfere und schreckliche Krieger geschilderten Harii sind wahrscheinlich kein richtiger Stamm gewesen , sondern ein jugendlicher, den oben angeführten Beispielen ähnlicher Männerbund (Weise r 1927,40; DumC• zil 1939, 79- 81; Benveniste 1969, I, 112-3) Kriegerische Junggesellenve rbände dieser Art haben viele Spuren im späteren germanischen Volksbrauch hinterlassen. Höfler (1934, 36) unterscheide! ,,zwei Hauptformen. das Wilde Heer , eine Schar von Kriegern, oft schwarze Gestalten zu Pferde , und die Wilde Jagd , den gespenstischen Jäger und seine Hunde, mit oder ohne menschliche Begleitung". Die allnordische Überlieferung scheint besondere Beachtung zu verdienen, und Weiser (1927, 44-5) faßt die Sagen berichte über die Berserkir folgendermaßen zusammen: „ Die altnordischen Berse rker sind gewaltige Kämpen. Berserkr bedeutet 'ein in Bärenfell gekleideter Krieger'. Sie trugen aber auch Röcke aus Wolfspelz anstelle von Brünnen und hießen deshalb auch Ulf}1ef,Tlilr (berserkir er Ulfhef,nar airu kal/af,ir, f, eir hqf/Ju vargstakka fyrir brynjur: Vatnsdrelasaga 9/1 ... ). Auße rdem haben sie die Fähigkcil, in Ekstase zu geraten, in der sie dann übermenschlich stark und unverwundbar sind. Sie werden gewöhnlich als unverhe iratete, gefährliche Haudegen dargestellt. Sie lrcten meist in Gruppen auf, zu zweit , zu fünf. Sehr häufig sind ihre r zwölf. Gewöhnlich stehen sie im Dienste eines Königs ... und bilden seine Kerntruppen. Sie sind die ersten im Kampfe ... Doch treten sie auch als Räube r und Verbrecher auf eigene Hand auf ... Schließlich gibt es aber auch Berserke r, die nur in ihrer Jugendzeit das Berscrkertum ausüben. später aber gute Staatsbürger werden .. . Der eigentliche Anfall der Berserkerwut heißt altnordisch berserksgangr und wird ziemlich übereinst immend geschildert, z. 8 . in der YngHngasaga 6: 'Seine Mannen kämpften ohne Brünne, und waren rasend wie Hunde oder Wölfe. Sie bissen in ihre Schilde, und waren stark wie Bären oder Stiere. Sie mordeten die Männe r, aber weder Feuer noch Eisen ko nnte ihnen etwas anhaben. Das nennt man Berserkergang' ... Die Überliefe rung zeigt deutlich, daß dieser Wu tanfall mit Tierbesessenhei t verbunden war. Die Tierbesessenheit . . überfäll t den Berserker o ft unvermutet . . Sie wi rd abe r auch durch das Anlegen von Tie rfe llen willkürlich hervorgerufen". ferner „werden die Berserker in de r Überlieferung als Heiden dargestellt . . . Sehr bedeutend ist die erwähnte Gesetzstelle. Das Verbot des Berserkerganges steht in einer Reihe verpönter heidnischer Kultakte ... Daß wirklich einmal Berserke r verbannt wurden, erfah ren wir aus Norwegen: Erik Jarl (1014) verbannte alle Räuber und Berserker (Grettissaga 19) . . Für gewöhnlich daue rt die Wikingerfahrt drei Jahre . dann heiratet der junge Mann und wird meh r ode r minder seßhaft. Es zeigt sich, daß das Wikingertum mit dem alten Berserkertum sehr viel nahe Beziehungspunkte hat . Sehr häufig wird zwischen vikingr und berserkr nicht genau un1ersch icden", aber gute Wikinger werden auch öfters
Hund, Wolf und Kr ieger beiden Indogerman en
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bösen Berserkern entgegengestellt (Weiser 1927, 60- 2). Wie mehrere Gelehrte betont haben (Weiser 1927, 47; Höfler 1934,possim und 323 41; Davidson 1964, 48-72; Benveniste 1969, I, 11 1-3), stehen solche jugendlichen Kriegergruppen und d ie dazu gehörigen Gebräuche im engen Zusammenhang mit dem Kult des speerwerfenden germanischen Kriegs- und Todesgones •wödanaz {an. Ödinn, ae . Woden , ahd. l+uotan), dessen Name 'Herr der Wut bzw. der Wütenden' (mhd. wuot 'Wut'; got. wo/,s, an. ödr,ae. wöd, ahd. wuot 'wütend') bedeutet und der als Führer eines wilden Heeres im Kampf gefallener Krieger dargestellt wird. Snorri Storlusons euhemeristische Erzählung (Ynglingasaga 6, zitiert oben) nennt Od.ins rasende Gefolgschaft Berserkir, aber in den früheren Eddagedichten heißen sie eher seine Ein-herjar, die sowohl sprachlich als auch sachlich mit Tacitus' Harii verwandt sind . Da Oiwds , urnord. f>ewaR, ae. f>eD (w), ahd . deo) und got. f>iuf> 'das Gute', ursp r. etwa 'Geschütztes' w ie lat. riiws , vorkommt. Demnach wäre *tewtä ursprünglich e in Ko llektivnomen, etwa 'D ienerschart• des Kö nigs, de r als •reks, eine Ableitung von •reg- (IE W 854-7; Benveniste 1969, II , 11 - 5 ; Binchy 1970 , 3- 4), ihr 'Lenker' war. *Koryos 'Männerbund, Hee r' ist nur im Kelt ischen , Germanischen und Balt ischen (lit. kiirias 'Heer') direkt belegt . Im Litauischen tritt käras 'Krieg· ( < *koros) neben kiirias 'Hee r' aur, und apers. kora- 'Heer, Vo lk' läßt sich ohne besonde re Schwie rigkeit vom gle ichen *koros herleiten : ldg. thematische Aktionsnomina mit o-stufige r Wurzel (Typ gr. 'lff"°l,ICU, ll'dr.«) sind teilweise im Indoiranischen durch dehnstufige Formen ersetzt worden (Burrow 1955, 124), und ein Nomen, das eine Tätigkeit bezeichnet, kann auf Ve rrichter übenragen we rden wie im Falle von air .f[aith , diberg usw. Daraus ergäbe sich
Hund, Wolf und Kr ieger bei den Indogerm ane n
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ein idg. *köros 'Krieg', vielleicht e twa im Sinne 'Töten , Hauen, Abschneide n' von •(s)ker'(ab-)schneiden' (gr. KT/p 'Tod ' hierher zu stellen?) abgeleitet, und möglicherweise auch ein agentives *kor6s ' Krieger' (Typ gr. 11fµ11w, 1top1t..u«au"cw luropoüo, 1'-riM.toµtv,w, K.ai 6poo,c0Mfl'1T1V mid Jra,pfiV..dTTOll'TU. voµ{tmu 6° j\pec.x iEpd rd tc;,a. Es sieh! daher aus, als ob auswandernde Junggesellen dieser Art vor allem unter dem Schutz des Kriegsgottes standen (vgl. weiter die Mamertini 'Marsleute', die aus Samnium aufgrund eines ver socrum auswanderten: Festus, S. 150 von Lindsays Ausgabe) und von seinen Tieren in der Wildnis unterstützt wurden . In der Mythologie können solche Austreibung und Hilfe auch am Lebensanfang stehen, wie im Falle von Romulus und Remus, aber der Zusam• menhang mit dem kriegerischen und sogar wölfischen Junggesellenverband ist immer noch erkennbar. Das 11er soerum ist insofern mit Altersklassen verbunden, als diejenigen, die in einem bestimmten Jahr auf die Welt kamen, ausgeschickt werden (vgl . die gleichaltrigen Maruts). Das Schicksal von Romu'lus und Remus wird ebenfalls durch ihre Geburt bestim mt. Laut Strabo (5,4 , 12) gab es eine Parallele zum ver sacrum auch bei den Griechen, wie Dionys oben behauptet, aber kein eindeutiges Beispiel davon steht uns zur Verfügung. Gewisse vorher besprochene mythische Auswanderungen der Kuretes stünden vielleicht im Einklang mil diesen Berichten . Wie dem auch sei, Dionys hat sicher recht, wenn er eine ähnliche Sitte anderen Nachbarvölkern zuschreibt. Livius (5 , 34, 1-4) gibt die folgende, offensichtlich einheimische Ursprungssage der gallischen Besiedlung Norditaliens wieder: de transitu in ltaliam Gallorum haee accepimus. Prisco Tarquin io Romae reg,1ante Celtarum . quae par, Ga/liae tertia est, penes Bituriges summa imperii fuit. ii regem Celtico dabant. Ambigatus is fuit , virtute forrunaque cum sua rum publica pratpollenr, quod in imperio tius Gallia odto frugum hominumque fertilis fuil, ut abundam multitudo vix regi videretur posse. hie magno ttatu ipse iam exonerare praegravante turba regnum cupie,u Bel/011esum ae Sego~-esum sororir [ilios, impigros iu11enes, missurum se erse in quas dii dedissent auguriir sedes ostendit: quantum i{Jsi 11e/lent numerum hominum exeirent. ne qua gens arcere ad11enientes passet. rum Sego11eso sortibus dati Hereynei sollus, Belloveso haud pau/o laetiorem in /taliam viam di dabant. Ein ganz ähnlicher Vorgang bei den Germanen wird von Paulus Diaconus (Historia l.Angobardorum 1, 2- 3 & 7) folgendermaßen enählt : populi dum in tantam multitudinem pullulasrent, ut iam simul habitare no,1 va• lerent ... igitur ea pars. cui sors dederat solum excedere genitale exteraque arva seetarl, ordinatis super se duobus ducibus, lbor scilicet et Aione, qui et germani erant et iuvenili aetate floridi et ceteriJ praeslantiores, ad exquirendas quas possint incolere terras ... iter allipiunt. Horum erat dueum mater nomine Gambara ... de cuius in rebus dub iis pru. dentia non minimum confidebant. lgitur egressi de Scanditta via ... erant siquidem tune Winnili (später Langobardi wegen ihrer langen Bärte genannt) universi iuvenill aetate florentes sed numero perexigui ... . Mortuis interea lbor et Aione dueibus, qui Langobardos ex Sctmdinavia eduxerunt ... , nolentes iam ultra Langobardi esse sub dueibus, regem ribi ad ceterarum instar gentium statuerunt. Diese zwei Erzählungen stimmen nicht nur miteinander, sondern auch mil der Legende von Roms Gründung auffalligerwtise überein, denn es geht in allen drei Fällen um die Ausscheidung eines Junggesellenverbandes unter der Fiitrung zweier Brikier, deren Mutter die wesentliche vermittelnde Rolle spielt , während der (menschliche) Vater entweder ohne Belang oder gar nicht vorhanden ist. Da
K irn R . McCone
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Verwandte des Kö nigs mütterlich erseits keinen Anspruch auf das Königtum und illegitime Söhne im allgemeinen fast keine Aussicht auf väterlichen Erbbesitz hatte n, mußten sie auswandern, um den Gegenstand ihres Ehrgeizes ande rswo zu suchen (vgl. Anm . 27), und es fragt sich, ob das Doppelkönigtum Spartas vielleicht in einer zweiteiligen Führerschaft
der dorischen Einwanderer wurzelt. Wie dem auch sei, diese genauen Entsprechungen zwischen Römern, Galliern und Langobarden deuten auf eine west• oder vielleicht sogar gemeinindogennanische Ideologie und Praxis in bezug auf Auswanderungen hin, die den kriegerischen Junggesellen eine außerordentlich wichtige Rolle zuteilte.
Romulus befest igt und bevölkert Rom nach dem berühmten Mord se ines Bruders und wird zum König ernannt. Da aber die Bürger der Nachbarstädte nicht bereit sind, ihre Töchter mit den unanständigen Mitgl iedern dieser Junggesellensiedlung zu verheiraten , werden Romulus und seine Gefolgschaft dazu gezwungen, die Jungfrauen der Sabiner be· trügerisch zu entführen (signoque dato iuventus Romana ad rapiendas virgines discufTil : Livius 1, 9, 10). Im laufe des dadurch entstandenen Krieges erlegt Romulus selbst den König von Caeninum in einer Schlacht und weiht die spolia opima als Fußsoldat ein (Livius l , 10, 4- 7 und Plut. Rom. 16). Von einer wilden jugendlichen Kerntruppe umgeben, greift er in einer anderen Schlacht seinen berittenen Gegner Mettius Curtius an: in eum haec gloriantem cum globo ferocissimorum iuvenum Romulus impe tum facit. ex equo 1um /orte Mettius pugnabal ; eo pelli f acilius fuit (Livius 1, 12, 9). Im Grunde genommen wird Romulus sein ganzes Leben hindurch von einem Junggesellenverband begleitet , und Llvius (1, 15, 8) faßt se ine Regierungszeit folgendermaßen zusammen : muftitudini tarnen gratior fuit quam patribus, lo nge ante alios acceptissimus militum animis: trecentosque a,matos ad custodiam corporis, quos Celeres appellovit, non in bello so fum sed etiam in pace habuit. Dionys (2 , 13) betont die Jugend dieser speertragenden Celeres , stellt sie dem Senatus gegenüber (W TWII "f€pOVTw11 owt6pwv iK TWII iKaTÖIJ cw6pW11, tJpW11 &rep Eix.bt; ön Kai 11e(m110..iou 1 air. oaic) solche Leute als Altersstufe im engeren Sinne (/EW 5 10). Es ist, wie schon bemerkt, möglich, aber kaum wahrscheinlich, daß gr. K00f)Ot von einem auf Mitglieder des • Jcoryos bezogenen •Jiorwös, etwa 'Wurfspeerträger', herzuleiten ist . Die geläufigste Bezeichnung der Männerbundsmitglieder im Indoiranischen , •maryäs(as), wird herkömmlich mit gr. µei',oot 'Mädchen' verglichen und auf idg. •meryös ( Jt ' W 738- 9) zurückgeführt, z. 8 .: "Je suffixe *-ko• est Ja forme thematique de • .ek-: skr. marya-kd.JJ 'petit homme' est A rapprocher de gr. µei'pat" (Meillet 1964, 269). Das weiter suffigierte Maskulinum µetpale.wv 'Knabe' wä re semantisch angebracht , da das Wort im Grunde genommen einen bartlosen Jüngling zwischen etwa 14 und 2 1 Jahren zu bezeichnen scheint (vgl. Liddell-Scon, Greek-English Lexicon . 8. Ausgabe, wo die Defini tion von Hippokrates angeführt ist: äXPl -yE11Eioo Mx11WoeEw Kai. ..O1t;\17TO(' 01taXMta, nk hrw11uµia.t ; Hdt. 5, 66), und ein skythischer Mythos, den Herodot (4 , 5-6) wiedergibt, erzählt von einem Targitaus, dessen drei Söhne Lipoxais, Arpoxais und der Jüngste, Kol axais, Ahnen der drei Haupt stämme (resp. Auchatae, Katiari bzw. Thraspies, und ParaJat ae) waren, wobei aber nur Kolaxais die Königswürde erlangte. Diese Geschichte steht der frühirischen Sage Echtra mac Echach MuigmedOin (Rev. Cell. 24, 1904, 190- 203), wo es um vie r Brüder geht, auffällig nahe, da auch dort der Jüngste, Niall Noiglallach, das Königtum Irlands erlangt und die Entscheidung aufgrund gewisser Werkzeuge getroffen wird . Dum6zil (1 973, 9- 20) behandelt weitere indische (Yäyäti und seine fünf Söhne) und Iranische (Frcton und seine drei Söhne) Geschichten dieser Art und zieht (op. cit. 133, n. 18) eine bekannte Stelle aus Tacitus' Germania (§ 2: celebrant carminibus antiquis . ... Tuistonem deum terra editum et /ilium Mannum originem gentis, conditoresque Man na tres [ilios ads(gnant e quorum nominibus proximi Oceano Jngaerones, medii Herminones, cereri /stae110nes vocentur) heran. Wir haben es offensichtlich mit Reflexen eines indoge rman ischen Schemas zu tun , das sowohl in der Mythologie und Kosmologie als auch in der menschlichen Gesellschaft selbst immer wieder auftaucht . Es sieht dahe r aus, als ob eine indogermanische und manchmal auch nachindogermanische • tewtä im Durchschnitt aus drei oder vier tribus-artigen Unterabteilungen bestand, und Homers (Od. 19, 177) .1.wl)(iK TE TPtXducet 'dreistämmige Dorier' auf Kreta, das bekanntlich einen erstarrten
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Kirn R.Mc ou sind sowohl im Festland- als auch im l nselkeltischen belegt oder zu erschließen, aber es gibt eine kleine Anzahl von Beispielen eines beibehaltenen eu, die gegen einen gemeinke]tische n Lautwandel sprechell. falls sie nicht auf germanischem Einfluß beruhen . Meyers (1910, v- vi) Einwände gegen die Ursprünglichkeit des nn sind belanglos, denn seine metrischen Beispiele eines n• (statt nn•) Reims scheitern an der Tatsache, daß sie zu früh sind, um den stre ngen Regeln vom klassischen ddn d/reach unterworfen zu sein. Außerdem wird selbst in ddn direach zwischen n und nn nach einem langen Vokal nicht unt e rschiede n (vgl. Knott 1974, 5). Schriftliche Schwankung -zwischen n und nn deutet immer auf [nn] hin, während In] stets n geschrieben wird.
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Oder sogar noch früher. Weitere Angaben bei de Vrie s (1961, 104 - 5).
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Der air. but 'Eingeborener, Rechtsi"lihiger' steht dem ambue 'Fremder, Rechtsunfähiger, Besitzloser' gegenüber. Die zugrundeliegende Bedeutung is! wohl 'Rinder besitzend' < •bowyos resp. 'rinde rlos' < •am-bowyo s (privatives •an. < idg. • n-): vgl. gr. 6uw6~1O (-den1}, -sora, -dina, •storum usw. Man kennt auch vier thrakische Wohnungsbenennungen : 1r6Arov 'Holzburg' , odp1roc: 'Holzhaus· (Bithynicn), µdov11 • (vAiv,w olxiav und o(e)IPO( • O ,cani-yEux OOl:oc:, 'granarium '. de ren etymologische Beziehungen noch nicht genügend geklärt sind . Nenne n wir nun noch wei tere thrakische Wörter aus dem Be reich der Z iv i I i s a • t io
n.
Zuerst Benennungen von Geträn ken, ein Gebiet , auf welchem die Thraker sehr berühmt warcn l0 : /JpV'roc: • 0 ,cp{~woc; olllOC: (Hes.} 'Gerstengetränk'; te,M· 0 olll..tc;, maked. Kd.Au,oc: •ol11oc; (Hes.) ; Kijµoc; • 1rOO nc; .. . 1rap.,µ11 ' Messer , Schwert' (cf. aisl. skalm 'id.'); f)oµ ,paia., rumpia, romfea 'Wurfspieß, Wu rfspeer·, später aUch 'Schwert ' (wie im Neugriechischen) , lebt im bulg. rofeja , rufla , aJb . rru[i , rrifi 'Geschoß , Blitzstrllhl ' , rum. rlmf 'Osterluzei' fort. Ein kurzes Schwert der Daker, daca, bezieht seinen Namen von dem des Volkes, nicht umgekehrt , wie C. Daicoviciu es vorschlug. Man muß noch beobachten, daß gewisse Waffen so spezifisch thra• ldsch waren . daß die griechischen Lexikographen ihre Namen als lhrakisch ansahen, t rotz
198 der klaren griechischen Zugehörigkeit dieser Wörter:
Ci«rone Poghirc
rr{>.rrr:: e benso wie 1rdpµ11 werden
von Hesychius als 8J>9,1(1011 6,r)uw erklärt. Clemens Alexandrinus (Strom. l , 16, 75,5) ver• sichert uns, daß es die Thraker gewesen seien , die die Waffe dpim . von ihm als µdxau>a ,ca.1.nrV>..11 erklärt , erfunden haben , usw.ll Wir haben absichtlich das wichtige Kapitel über die Ku n s t , in welchem die Thraker mit Recht berühmt waren , für das Ende aufgespart . Es handelt sich zuerst um die m e d i z i n i s c h e Ku n s t , die in Thrakien durch das Vo rhandensein (und vielleicht auch den thrakischen Ursprung) des Arztgottes Askle• pios bescheinigt ist. Man muß das hohe Ansehen , das Sokrates der so 'modernen' psycho• somatischen thralcischen Medizin (Plato, Charm. 1S6d , immer in Beziehung mit Zalmo-
xis) beimißt , hinzufügen.22 Als linguistisches Argument kann man einige Dutzende von dakischen medizinischen Pflanzennamen anführen, die von Dioskurides und Pseudo-Apuleius erwähnt werden (s. Detschew 54 1- 565) . Was die s c h ö n e n K il n s t e anbelangt, weiß man sehr gut, daß die Griechen die thrak.ischen Dichter wie Musaios, Lynos, Thamyris und insbesondere Orpheus geschätzt haben, daß sie sie als Vorgänger und Lehrer Homers angesehen haben.ll Aristoteles zeigt (Prob/. 19,28), daß die Agathyrser ihre Gesetze in Verse umsetzten . Aelianos (De nal. an im. XIV, 2S) sp richt über epische Volksballade n bei den Mösie rn . Jordanes nimmt diese Informationen (Get. 69) wieder auf und bezeichnet diese juridischen Gedichte als belagine1, doch wegen seiner Vermischung von Geten und Goten ist der Ursprung dieses Wortes schwer zu beweisen. Innerhalb der thrakischen künstlerischen Tenninologie kennt man eine ganze Serie von Wörtern : tfpvvxtX' heißt eine Art thrakischer Gitarre , die mit dem slaw. brekati, breknqti ' kl irren , widerhallen' und mit dem griech. ~µl-yf zusammengestellt wird. 8. P. Hasdeu2 4 hat dieses Wort zur Bezeichnung eines volkstümlichen rumänischen Kontrabasses, broonC"ä, in Beziehung gesetzt. und wir sind de r Oberzeugung, daß er recht hat. µd")'a.&~ bezeichnet ein dre ieckiges harfenähnliches Saiteninstrument (von Athenaios 14, 634c auch den Lydiern zugeschrieben). 1ope'J,.),,ij ist ein th rakischer Trauergesang, auf der Flöte begleite t. C. Mastre\li hat dieses Wort mit dem griech. 'verwunden, töten'> 'Blutbad, Sch lachtfeld und die Leichen daraur (Pokorny 1959: 1144-1145) mit der idg. Wune! •wel- 'reißen' (z. 8 . lat. vel/ere 'rupfe n, raufen , ausreißen') verbunden. Hienu gehören sowohl lit. Wies 'geisterhafte Gestalten der Verstorbenen', kl.-russ. va/java 'mit Gefallenen bedecktes Schlachtfeld' usw. als auch gr. OU>.,i, lat. ~ulnus 'Wunde' (Emout - Meillet 1979: 749-750), wozu weiter noch kymr. gweli 'Wunde', heth. ualh- 'bekämpfen' usw. gestellt werden (die Grundform wäre also: •we/-H-, was auch lat.~ ./;,. statt -//- mit Rücksicht auf den „unterliegenden" •we/anos erklärt). Ob die Auffassung der Welt der Toten als ein grünes Weideland dazu genügt, um wegen des Hinweises auf heth. uellu• 'Weide' in dem hethitischen königlichen Begräbnisritual mit Gamkrelidze und lv~ov (1984: 823- 824) anzunehmen, daß die Nebenbedeutung 'Totenland ' für die Wurzel •wel- primär ist, läßt sich wohl bezweife ln : Wie Jaan Puhvel (1969: 66) anregend vorgeschlagen hat , ist heth. l;!ellu• vermutlich als •wel-nu- mit an. vqllr 'Weide', kymr. gwe/Jt 'Gras' aus •wo/-tu - zu vergleichen, woneben noch aus •wo l-su- der Name des altslavischen Rindviehgottes aruss. Vo/0.1"1,, eigentlich die vergöttlichte Weide , zu ste llen ist. Hiermit verbindet Puhvel (ibid. , 68) noch gr. 'HMou:iv rrel>iov 'das elysische Gefilde' < "'Fa).vt.iour < •wJ-nu-tiyo- 'wiesenartig'. Die mythologische Beziehung zur Totenwelt beruht als~ nicht ;uf dem Name n, sondern auf religiösen Vorstellungen, die keineswegs mit der Etymologie ve rbunden sind (vgl. zu dieser Wurzel •wel- 'Gras' (eigentlich •Hwel- 'Wolle, Haar', cf. heth. hulana• 'wool'] Pokorny
1959, 11 39- 1140).
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Der indogermanische Wortschatz auf dem Gebiete der Religion
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Die Oberführung der Verstorbenen in die ande re Welt wird gewöhnlich als ihr Obersetz.en in einem Fährboot über die Grenzgewässer des Totenreiches verstanden . Dies veranlaßt Gamkrelidze und lvanov (1984: 825) dazu, das indogermanische Wort für 'Boot', •näus (aind. nOul!, gr. [hom.] "'IIK usw.), mit dem für 'Tod , Leiche', •,riiu-/ nau-/nü(got. naus 'Leiche' (ga -nawi.str6n 'begraben'], an. ntir, ae. ne [o }-, aruss. 1,a111, 'Le iche', al:ech. ndv 'Grab, Jenseits', Jett . ndwe 'Tod'), gleichzustellen. Die Homonymie der beiden Wurzeln genügt aber nicht, um auf ihre urspriingliche Identität zu schließen, und die Semantik bietet ebenfalls keine Gewähr dafür; die eigentliche Bedeutung von idg. •näus schimmert noch in solchen Wörte rn wie kymr. noe 'flaches Gefäß, Backtrog' oder norw. n6 'Trog aus einem ausgehöhlten Baumstamm' durch (Pokorny 1959 : 755) - es handelt sich offenbar ursprünglich um den ausgehöhlten Einbaum! Im Falle der Wune! •miufür 'Tod' scheint der Begriff des Sterbens mit Erschöpfung, völliger Ermattung verbunden zu sein, wie aus verwandten Wörtern wie aksl. unaviti 'ermüden', unyti 'schlaff sein. erschlaffen ', tech . nj,li 'dahinschmachten', sowie den Wörtern für 'Not' (got. 11aut,s, an. naubr, ahd. nöt, ae. niad , nied 'Bedrängnis, Zwang, Drangsal'; apr. 11autin 'Not'; abg. nqditi 'nötigen' usw.) erhellt (Pokorny 1959: 756). Die idg. Wörter für 'altern' und 'sterben' sind mit Begriffen wie 'wegschleifen, zerb röckeln, zerfallen ' verbunden: idg. •jer(Pokorny 1959: 390- 391) und •mer- (Pokorny 1959: 735-737) bedeuten eigentlich 'aufge riebe n werden ', von Krankheit oder Alter, und diese Auffassung stimmt mit den indogermanischen Vorstellungen über Tod und Schicksal des Leichnams bestens überein, wie Brucc Lincoln in seiner kosmischen Erklärung der Sterbens- und Wiedergeburts• prozesse eindeutig gezeigt hat ( 1986: 119- 140). Der Tod ist auch das unabwendbare Sch.icksaJ des Menschen : Das verhängnisvolle Geschick wird durch idg. •Henf-/Hnef. ausgedrückt, das im Hethitischen a1s henkan 'Seuche, Pest , Tod , Todesfall ' erscheint und im Griechischen du rch IWQ.-y,c71 •NOtwendigke it , Zwang' und im Keltischen durch air . ecen, kymr. angen 'Not, Notwendigkeit (air. auch 'Gewalttat')' vertreten ist; hiermit zu verbinden sind dann aind . ruifyati ·verschwindet, vergeht', avest. rws- 'Not, Unglück', nasu-, gr. vf,c[.,(; 'Leichnam', lat . nex 1"od, Mord', necäre 'töten', toch. A niik- 'vergehen', B näk- , nek- 'vernichten'. Die Verknüpfung des hethitischen Wortes mit dieser Sippe macht aber Schwierigkeiten , da henkan als 'das Schicksalhafte' vermutlich ein Verbalabstraktum zu henk- 'zuteilen' is'i, etwa wie gr. µ.otpa 'Schicksal' zu µ.e{poµ.a.t 'als Anteil erhalten' (Tischier 1983: 249). Eine eingehende Untersuchung der indogermanischen Bestattungsgebräuche würde eine gründliche Untersuchung der Quellen erfordern, die weit über den Rahmen dieses Aufsatzes hinausreicht . Gamkrelidze und lvanov (1984: 826 - 830) weisen zusammenfassend darauf hin , daß die beiden Methoden der Beerdigung und der Leichenverbrennung von alters her nebeneinander bestanden, daß die Feuerbestatt ung aber eine besondere symbolische Bedeutung hatte und deshalb von gewissen sozialen Umständen abhängen konnte. Anfänglich soll die Einäscherung jedoch eine Sanierungsmaßnahme gegen die Ausbreitung epidemischer Krankheiten wie die 'Seuche' (= heth. henkan !) gewesen sein. Im religiösen Sinne beförderte die reinigende Wirkung des Feuers die Befreiung der Seele von ihrer körperlichen Fesselung. Daß dies aber nicht die ursprüngliche Auffassung war, hat Lincoln (1986 : 11 9 - 137) m. E. deutlich gemacht, indem er gezeigt hat , daß der Körper des Verstorbenen zur Erde gehört, wo seine Bestandteile sich allmählich auflösen und
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EdgarC. PolornC
zu den kosmischen Elementen zurückkehren, aus denen sie anfänglich entstanden sind! Deshalb auch wird die Asche nach der Leichenverbrennung sorgfältig begraben .. Der innerliche Zusammenhang zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos erklärt ebenfalls Heilungsverfahren, insbesondere durch sympathische magische Behandlung der übereinstimmenden Körperteile von Opfertieren, in Hinblick auf die von Lincoln (1986) ausgebaute Theorie der Homologie zwischen dem Menschenkörper und dem Kosmos. Davon zeugen die zahlreichen Zauberformeln, die in der Literatur der indogermanischen Völker erhalten sind (Gamkrelidze-Ivanov 1984: 818-819). Knochen und Steine, Fleisch und Erde, Blut und Wasser usw. werden in Wechselbeziehung miteinander gebracht, und die höchste Fonn der Heilung besteht darin, mittels magischer Worte den Kranken wieder ,,heil", d. h. ,,vollständig" (engl. whole), zu machen . Es ist kein Zufall, daß das germanische Wort für 'heilig' hiermit verbunden ist : Es bezieht sich auf „das Heil, das von der Gottheit ausgeht, die in die Welt hineinwirkende Segenskraft, aus der alles Wachsen, Gedeihen und Gelingen kommt" (Baetke 1942: 215) - ein Heil, das Mikrokosmos und Makrokosmos völlig in Einklang bringt! Der Heilende verfügt über die Kenntnisse und die Gewalt, um in einem durch Krankheit zerstörten Körper die „richtige Ordnung" wieder herzustellen : Das ist die eigentliche Bedeutung der idg. Wurzel *med- im Kontext des Heilungsverfahrens in avest . vi-mad- 'Heilkundiger', lat. mediri 'heilen' usw. (Benveniste 1969, 2. 124- 130).
Versuche, die technische Terminologie der Weissagung ins lndogennanische zu projizieren (Gamkrelidze- lvanov 1984: 805), dürfen als gescheitert betrachtet werden: idg. *SOg- wegen heth. fagai- 'Vorzeichen, Omen' und lat. stigus 'wahrsagend , prophetisch' angeblich 'durch Zeichen erkennen, {die Götter) befragen ' ist vielmehr ein ursprüngliches Jägerwort (Emout-Meillet 1979: 589) ; die Bedeutungsentwicklung wird durch lat. stigire 'acute sentire, spüren, ahnen' angedeutet: man hat wahrscheinlich von einer Grundbedeutung 'aufspüren lassen' (genn. *siikjan : got. siikjan, an. siikja, ahd. suohhan, ae. scican 'suchen'), mit Rücksicht auf den Spürhund, auszugehen (Kluge 1975: 762). Was das angebliche idg. *Ho- 'als wahr betrachten , einem Vorzeichen Glauben schenken' betrifft, so erfordert die Verbindung des isolie rten heth. ha- 'vertrauen, glauben' mit lat. Omen die Ablehnung der von Varro angeführten altlateinischen Form osmen als rein spekulativ (Tischler 1983: 120- 12 1). Nach Jaan Puhvel {persönliche Mitteilung) ist die älteste Form des Wortes im Hethitischen hai-, was er mit germ. *aif>a- (got. ai/Js, an . eior, ae. iib, ahd. eid 'Eid' usw.) und kelt. *oif;. (air. oeth 'Eid') unter idg. *H 3 ey- verbinden möchte . Diese kurze Übersicht wird hoffentlich gezeigt haben , wie komplex die zu behandelnden Fragen sind und wie oft die Etymologie den Religionswissenschaftler im Stich läßt. Man darf nicht zuviel aus den Einzelreligionen ohne sprachliche Gewähr ins Indogennanische projizieren, aber man muß auch mit Benveniste und anderen annehmen, daß die Kulturen der Einzelvölker noch manches Altertümliche enthalten, das man aufspüren kann , wenn man die Dokumente sorgfältig im lichte der vergleichenden Religionsgeschichte und der verwandten Disziplinen untersucht, ohne dabei die streng kritische Haltung des Sprachwissenschaftlers aufzugeben .
Der indogermanische Wortschatz auf dem Gebiete der Religion
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Korrekturnachtng : Anläßlich der Behandl ung d er indogermanische n religiösen Erbschaf! in der ana tolischen Well so llte auf de n wichtigen Bei trag von Carol F . Justu s: ,,lndo-Europea niution of Myth and Syntax in Anato lian Hillite: Dating of Texts as an Index", in: The Joumal of lndo-European Studies, Bd. 11, S. 59 - 103, hingewiese n werden. Hie rin werden die Beziehungen zwischen den ererbten indogermanischen Göttem • säweJ., •dylw. und der hattische n Sonnengöttin E!1an neu untersucht. C. Just us betrachtet den indogermanischen HiJnmel~ott •dyJw- als einen Weu ergott, der im heth itische n Anatol ien mit dem Sonnengott • sä-f• zusammengefallen ist und so unter dem Na men der hattischen Sonnengöttin t?tan als ßtanu• oder dlJTU we iterlebt . Den Sturmgon des alt en Reichs betrachte! sie abe r ohne weite res als den hattischen S1unngoll Taru. Für die ältesten Verhältnisse kann ich diesen Auffassu ngen leider nicht beistimmen, weil sie teilweise auf der unannehmbaren Vorausset zung be• ru hen, daß idg. •dyJw- ein Sturmgotl sei, und in diesem Zusammenhang de n 11epi'f1if dJSKURaf im An itta-Tex t nicht berücksichtigen. Weiteres übe r id1. Religion und den religiösen Wortschatz enthält auch mein dem n•chu erscheinender Aufsatz : .,lndo-Eu ropean Religious Vocab ulary and Indo-European Religion" (in: Prooeedings of the Third Biennial Symposium on Linguist ics and Semiotics - Rioe Universi1y, March 17 - 22, 1986, hng. von Sydney M. Lamb u.a. [Housto n 1987 1).
PIERGIUSEPPE SCARDIGU
Der germanische Anleil am indogermanischen Wortschatz und anderes 0. Die Koordinaten ,,2.eit" und „ Raum" bringen miteinander kombiniert Mischung und Aufspaltung, Entwicklung und Erneuerung in die Sprachaggregate, besonders wenn sie nur auf mündlicher Grundlage beruhen. Wie Wolfgang Meid ausführt, besteht der Wortschatz des Germanischen aus l. indoger-
manischen Erbwörtern, 2. eigenständigen Neubildungen aus ererbten {und neuentwickelten] Mitteln, 3. integrierten Fremdelementen. Prozentuell ist die erste Gruppe nicht d ie
stärkste. Wenn man versuchen will , eine Größenordnung festzulegen , so kann man diese Komponente als etwa ein fünftel des Gesamtwortschatzes veranschlagen. 1. Die indogermanischen Erbwörter Das indogermanische Erbe im Ge rmanischen steht fest: Die Zugehörigkeit oder besser die Vertretung vieler Wurzeln indogermanischer Herkunft ist bedenken- und mühelos zu ermilteln. Meid wählt diese Reihe von Beispielen aus der deutschen Sprache: Sonne, Mond, Sterne; Wasser, Feuer ; Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn, Tochter; Auge, Ohr, Nase, Fuß, Herz.; kommen, gehen, stehen, sitzen, liegen. In Ausnahmefällen sind die Obereinstimmungen dermaßen frappant, daß man versucht wäre , überspannte Hypothesen aufzustellen. Hier drei Beispiele : 1. die Bildung von altindisch priyatva- n . .,das Liebsein oder -haben" ist identisch mit der von gotisch frijat,wa f. .,Liebe" (man beachte jedoch die 1. Lautverschiebung beim Gotischen) ; 2. dasselbe gilt fUr altindisch ir6mata- n. ,,guter Ruf" und deutsch Leumund (ahd . h/iumunt); 3. das Indoiranische und das Germanische haben, unter Ausschluß der anderen indogermanischen Gruppen , ein gemeinsames Wort für ,,Huf", ahd. huof m. usw., altind. SOphti- m . .,Huf, Klaue", avest. safa- m. ,,Huf des Pferdes", das einiges über Pferdehaltung vermuten läßt. Schwierig ist es dagegen, die Lücken, d. h. die indogermanischen Wurzeln und Wörter, die wir im Germanischen „vermissen", zu entdecken und zu bewerten. Wer gebraucht heute Wörter wie Aufkunft „Genesung", beiten „warten", Brast „Gram, Sorgen",Eidam ,.Schwiegersohn", glum „trübe, schwammig", Hinde ,,Hirschkuh", Mage „Verwandter", Plotz ,,KnaJI" (daraus plötzlich), Qua"e ,,Schreihals, Plagegeist", Quehle „Tuch",Schnur „Schwiegertochter", Schwäher ,,SChwiegervater·', Schwiege, .,Schwiegermutter", Uchse ,.Achselhöhle", zwogen „waschen, baden"? Sie sind aus verschiedenen Gründen und zu verschiedenen Zeitpunkten aus der deutschen Sprache weggefallen, ohne daß jemand hätte voraussehen können , daß sie verbleichen und ausscheiden würden. Tausend und ein Grund sind denkbar, um die Ablösung mancher indogermanischer Wörter und Wurzeln durch germanische Neuerungen zu rechtfertigen. Der feuchte Winter hat vielleicht die idg. Wurzel GHEI- für den ,,(trockenen) Winter" vertrieben. Neue Ge-
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Piergiuseppe Scardigli
treidesorten haben möglicherweise das idg. Wort JEWQ . .,Getreide", vor allem „Gerste", im Germanischen verdrängt. Für „Hand" kennt man zwei ähnliche indogermanische S1ämme GHESOR-/ GHESTO-, von denen im Germanischen keine Spur zu finden ist: man vermutet eine Art religiöses Tabu. Der ,,Bär", eigentlich „das braune Tier", hat ei ne lautlich komplizierte indogermanische Bezeichnung ~POS , die im Germanischen nicht vertreten ist (auch Tabu1), ersetzt. Die „Lunge"', eigentlich „die Leichte·',nimmt wohJdie Stelle von idg. PLEU-MON-, PLEU-TJO- .,die Schwimmende" (die Lunge schwimmt bekanntlich auf dem Wasser) ein. Untergang einer entbehrlichen Variante? Der verbreitete Name des „Feuers" , idg. EGNIS/OGNIS, ist im Germanischen nicht vorhanden: wurde EGNIS als „dämonisch" empfunden 1 Verblüffend ist auch der Verlust der sonst sehr verbreiteten und verzweigten indogermanischen Wurzel DÖ- .,geben " im Germanischen , wofür eigentlich kein eindeutiger Grund vorliegt. Man kann sowohl in bezug auf den fortgeführten als auch in bezug auf den verlorenen Wortschatz Theorien aufstellen und von Fall zu Fall eine befriedigende Erklärung für das eine oder andere Schicksal finden . Nehmen wir als negatives Exempel das Fehlen des indogermanischen Wortes für „König", REGS, im Germanischen . Di e Sache wurde dahingedeutet , daß sich die Germanen in nachindogermanischer Zeit von der st raffen Gewalt eines Einzelnen, eben des „Königs", befreit hätten , um eine demokratische Verfassung einzufüh ren. Doch hatten in historischer Zeit etliche germanische Stämme eine n König und das passende Wort dazu, um ihn als solchen sprachlich zu erfassen . Nicht zu vergessen ist ferner, daß bis zum heutigen Tage die Wörter reich und Reich existieren , die von der alten Übernahme der keltischen Form RiKS „König„ zeugen. Nun hätten germanisch REKS und das keltische Lehnwort RiKS kaum koexistieren können, ohne eine Vermengung auszulösen. Daß nur die keltisierende Form fortgefüh rt wurde, hat eine spezifische kulturelle Bedeutung im Rahmen des keltischen Einflusses auf das Germanische. Wir müßten uns auch fragen, was für eine Bedeutungsentwicklung etwa got. reiks „Herrscher" gegenüber got. /)iudans „König" durchgemacht haben mag. Dies belehrt uns eines anderen: daß wir nämlich mit indogermanischen Dubletten (Synonyma) zu rechnen haben. Man vergleiche indogermanisch (eigentlich nur keltischg~rmanisch-baltisch-slavisch) KAILO- ,,ganz", ,.unversehrt", ,,heil" mit indogermanisch (eigentlich indoiranisch-tocharisch-armenisch-griechisch-albanisch-lateinisch-italisch) SOLO- ,,ganz", ,,unversehrt", ,,heil". Die Sprachen, die das eine Wort haben , haben das andere nicht . Darüber hinaus ist die Verbreitung von KAILO- wesentlich geringer. Wir wollen nun diese unsicherheitsbeladenen Erörterungen beiseite lassen und uns mit dem erfolgten Hinweis auf solche Lücken und ihre Probleme begnügen . 2. Eigenständige Neubildungen aus ererbten Mitteln Häufig ist die Erscheinung, daß eine gewisse indogermanische Form im Germanischen zwar vertreten, aber unter einer abweichenden Bedeutung anzutreffen ist. Annähernd zwei Fünftel des germanischen Wortschatzes lassen sich auf diese Gruppe zurückfuhren. Besonders bekannt sind zwei Fälle , die im heutigen Deutschen fortgeführt sind : der Fall sehen und der Fall leihen, got. saihvan und feihvan. Die idg. Wurzel SEKW-, wahrscheinlich Bestandteil der Jägerterminologie, encheint in einer Reihe von Sprachen in der Bedeutung ,,folgen", ,,spüren". Die germanische Bedeutung „sehen" ist überraschend,
Der germanische Anteil am indogermanischen Wortschatz und anderes
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trotz des Versuches, ,,sehen" dem ,,Mit-den-Augen-Folgen" gleichzusetzen. Die idg. Wurzel LEJKW. drückt den Begriff „lassen", .,übriglassen" aus. Die germanische Bedeutung „leihen " kontrastiert mit der indogermani schen, obwohl auch diesbezüglich eine Entwicklungstheorie der Wirtschaft aufgestellt werden kann. Auf diesem Wege kommen wir zu Neubildungen und allgemein zum Thema der Neuerungen im Germanischen. So auffallend treu die germanischen Dialekte viele Eigentümlichkeite n der indogermanischen Ursprache bewahrt haben, um so freier und erfinderi scher scheinen sie in der Mehrheit der Fälle mit den ererbten Sprachstoffen umzugehen . Es lohnt sich, ein paar Beispiele anzuführen . Indogerman isch GEMBH- und seine Sippe lassen auf die Hauptbedeutung „beißen", ,,Zahn" schließen. Doch daraus leitet sich das deutsche Wort Kamm ab. Jedermann wird sofort einsehen, daß ein Kamm etwas Gezähntes ist, das allerdings nicht beißt. Ferner weist ein Kamm viele Zähne auf, weshalb bei dieser Bezeichnung ein Wort mit der ursprünglichen Bedeutung „Zahn" kaum im Singular auftreten sollte. Kamm konnte als Werbeform für einen neuen Typ von Gerät im Germanischen aufgenommen werden, da ein anderes Wort für ,.(menschlichen) Zahn" bereits vorhanden war. Wo, wann und wie hat die Bedeutungsverschiebung stattgefunden 1 Die „indogermanische" Wurzel K.AN- ,,singen" ist im Germanischen nur durch die Sippe Hahn , Huhn usw. vertreten. Kein Zweifel daran, daß der Hahn einigermaßen „singt" (eigentlich „kräht" er), vor allem bei Tagesanbruch . Doch stehen wir hier vor einem Fall von extremer Spezialisierung im Gebrauch des vorhandenen Sprachstoffes, wenn man dazu bedenkt, daß im laufe der Zeit Wörter wie Henne und Huhn entstehen konnten, die jeden Bezug auf das nur für den Hahn gültige „Singen" aufgaben. Noch entfernter liegen Übertragungen auf andere, männliche Vögel in Verbindungen wie z.B. Truthahn Konsequenter scheint die De rivation Schwan von der idg. Wurzel SWEN- ,,töne n", ,.schallen", die offensichtlich den uralten Glauben bezeugt, daß der sterbe nde Schwan wunderbar singe . Immerh in sind ein Verb swinsian „singen" und ein Substantiv swinn ,,Musik", ,,Gesang" im Altenglischen vorhanden. Aber keine andere indogermanische Sprache verwendet eine Ableitung von der Wurzel SWEN- in diesem Sinne. Aus der idg. Wurzel KE~- ,,wachsen", .,wachsen lassen ", ,.nähren" entstammt , mit einer s- Erweiterung, das deutsche Wort Hirse. Es fragt sich, ob und in welcher Zeit und aus welchem Grund die Hirse vorzugsweise als Grundlage der Ernährung bei den Germanen galt. Eine bekannte keltisch-germanische Isoglosse, also in diesem Fall eine gemeinsame Neuerung, ist der Übergang von indogermanisch ORBHO- ,,verwaist", ,.Waise" auf germanisch „Erbe". Man wollte darin eine Besserung der Lage des verwaisten Kindes in der Urgesellschaft sehen , die sich in diese r Bedeutungsentwicklung widerspiegele. WeM aber die Etymologie von Arbeit mit derselben Wurzel zu e rklären ist, so hätten wir einen Rückfall in den grausamen Mißbrauch des verwaisten Kindes vor uns. Denn in Arbeit läge als Abstraktum ein verlorengegangenes Verb vor, das die Lage eines verwaisten, zur harten Arbeit verdingten Kindes schildern würde. Das Beispiel will die Staffelung der Deutungen veranschaulichen , die ein kontrastiver Vergleich des Gennanischen mit dem sog. lndogennanischen mit sich bringt. Wenn idg. PET- die Bedeutung „ausbreiten", vor allem von den Armen gemeint, zum Ausdruck bringt , so ist die germanische Ableitung im Deu tschen , Faden, nicht eindeutig
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Piergiui,c ppe Scardigli
auf diese Ausgangsbasis zurückzuführen, obwohl hinzuzufügen ist, daß mit Faden ur• spriinglich ein Klafte r Faden gemeint ist. Der techni sche Bedeutungswandel des Wortes, das ehemals eine freundliche Bewegung der Arme, die Umarmung, einbezog, ist verständlich, aber nichl selbstverständlich. Als eine s-Bildung (die für einige germanische Tie rbezeichnungen typisch ist) der indogermanischen Wurzel PEUK - ,.dicht behaart", .,buschig" isl deutsch Fuchs, nach dem buschigen Schwanz so genannt, entstanden. In den ande ren in Frage kommenden indogermanischen Sprachen ko mmt die Wurzel PEUK- höchstens bis zur Bedeutung ,,Schwanz", zugegeben ein Kennzeichen des Fuchses. Jedoch blieb die Wahl der pars pro toto, des Teils ftir das Ganze , um das geläufige Tier zu benennen, dem German ischen vorbehalten. Wie im Falle des Bären (§ 1) könnte es sich auch hier um ein Tabuwort hande ln, das eine idg. Ablei mng von der Wu rzel WI_.P- ,.Raubtier, insbeso ndere Fuchs" verdrängt hätte. ldg. TEK- .,zeugen", ,,gebären" in seine r n-Ableitung TEK-NO- ,.Ge borenes", .,Kind" lebt in deutsch Degen „Held", ,,Gefolgsmann eines Fürsten" we ite r. In keine r, se lbst mittelalterlichen germ anischen Sprache ist die Bedeutung etwa „Sprößling", .,Kind" bezeugt. Man kann ohne weiteres den „Jungen" im übertragenen Sinne als „Krieger" auffassen, nur geht dabei die leibliche Zuordnung verloren , wie sie die Wu rze l bloßge legt haue. Bemerkenswert ist das Beispiel von idg. WERT- ,.d rehen", ,.wenden", dessen ge rmanische Ablei tungen zur Bedeutung von deutsch „werden" führen . Denkt man an den Spinnwirtel, den Schwungring auf der Handspindel , so spürt man noc.h die alte, konkrete Bedeutung. Die neue nimmt das ,,Drehen" nur im übertragenen Sinn als Bild de r ständigen Bewegung des Seins. Die natürliche Neigung des Ge nnanischen. sich nach und nach vom Indogermanischen zu verselbständigen, wird laufend bestätigt. wo auch imme r man hinschaut. Wenn wir die idg. Wu rzel SEK- ,,schneiden"' nehmen, so haben wir in den verschiedenen indogermanischen Sprachen neben Verben auch Ableitungen, die zu Wörtern für „Karst'", ,,Messer", ,,Axt'' u.ä . führen . Im Germanischen haben wir Bildungen, wie im heutigen Deut sch Säge, Sense (ahd. Stga nsa), vie lleicht Segel (als „Tuchabsch nitt' ') und andere Namen von Schneidege räte n, die frei nach der idg. Grundlage SEK- geschaffen worden sind und keine Entsprechungen in den anderen indogermanischen Sprachen haben.
3. Wörter a ußerhalb des Indogermanischen Die Wörte r, e twa zwei Fünfte l des Ganzen, deren Ursprung außerhalb des indoge rmanischen Sprachbund es zu suchen sind, sind nicht organisch auf einen Nen ner zu bringen. Eine gewisse Anzahl von ihne n ist auf fremd e Einnüsse zurückzufüh ren, Eln fi ilsse. die nich t immer näher bestim mba r sind . Vorindogerman ische, nebenindogermanische und nachindoge rmanische Splitter sind gut anzunehmen, schlecht festzustellen. Die Voraussetzung, um Fre mdwörter zu ermitteln , ist , daß die Sprache , von der sie stammen, urkundlich bezeugt isl. Ist dies nicht der Fall , so tappen wir im Dunkeln . Als Indiz, aber nur als Ind iz, kann das Fehlen irgendeiner etymologischen Anknüpfung für ein Wort gelten, abe r damil komm t man nicht sehr weit. Deshalb geht es relativ leicht mit den Kehismen im Frilhgcrmanischen, weil wir über das Keltische genügend unterrichtet sind. Vennutlich vorindogermanisch ist deutsch Gau , be reits in go1.gaw/ ,,l.a.nd", .,Gegend" beleg1. Alle Versuche, das Wort mit indogermanischen Mitteln zu erklären , sind geschei-
Der germanische Ante il am indogermanischen Wo rtschau und anderes
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tert . Als bodens1ändiges Wort der Flureinteilung kann Gau von irgendeine r vorindoge rma• nischen Urbevölkeru ng Mittele uropas übemommen worden sein. Zum selben semantischen Feld gehört auch deutsch land , got. land , in den romanischen Sprachen als ,.Heideland" ebenso vertreten, der Form und der Verbre itung nach kein indogermanisches Wort. Ähnlich steht es mit vennein llich indoge rman isch K.AITO.,Wald ", ,,unbebaute r Landslrifh", in Wirklichkeit nur im Keltischen und im Germani• sehen belegt. Der gravierende Unterschied ist der, daß sich im Kelt ischen die Formen auf ,.WaJd", .,Gehölz", im Germanischen auf eine weniger fruchtbare , von Zwergsträuchern . Gras und Kräutern beherrschte Landschaft , die Heide, beziehen. Das deutsche Wort See, m. und f. , konnte bis jetzt niemand befriedigend aus dem Indogerman ischen herleiten . Wobei unbedingt einzuräumen ist , daß d ie Germanen eine to ta l andere Erfahrung von großen Wasserflächen als die Urindogermanen hatten. Kurzum, es muß und soll eine Reihe von Wörtern geben wie, um ein paar Beispie le zu nennen, deutsch Beere, Distel. Möwe, Regen, Reh, Rohr, Taube, Traube , die im Germanischen verwaist dast ehen . Es ist anzunehmen, daß eine Bevölkerung, die von einer anderen sprachlich assimilierl wird , gewisse, vor allem bodenständige Wö rter noch durchsetzen kann . Manchmal kommen Wort und Sache von weit her. So deut sch Hanf und die entsprechende Pnanze, die aus dem Nahen Osten um das 5. J h. vor Chr. herüberkommt , und zwar nicht so sehr wegen der Vorteile ihrer Fasern , sondern vielmehr wegen der berau• sehenden Eigenschafte n ihres Rauches. Aber die Zahl der echten Fremdwörter im Urgennanischen ist nicht besonders groß zu veranschlagen . Letzten Endes bestanden die vorgeschichtlichen Germanen aus Stämmen, die am Rande der regen Austauschgebiete, vor allem des hoc.hzivilisierten Mittelmee rgebietes weilten . Viel auffällige r und tonangebender beim germanischen Wortschatz ist die Flu t der Schallnachah mungen (zu griechisch: Onomatopöien), auch Lau tmale reien ge• nannt . Ober dieses von den Fo rschern kaum berücksichtigte Thema könnte man sich unendlich ausbreiten . Die meisten behaupten zwar, diese Materie entziehe sich einer wisse nschaftlichen Erfassung und se i deshalb auszuklammern. Doch wer sich mit dem germanischen Wortschatz in se ine r Gesamtheit auseinandersetzt. kann an diese r Tatsache nicht vorb eigehen. Deshalb wird hier der Lautmalerei ein Sonderabschnitt gewidmet. 3. 1 Die Lautmalerei Es ist banal, daraufhinzuweisen , daß jede Sprache Onomatopöien aufweist. Somit wird es zunächst einmal möglich , Naturgeräusche wiederzugeben : so grollen die Donner beispielsweise , die Grillen zirpen. Doch so einfach ist die Sache nicht. Erstens schwankt der Prozent satz dieser Lautmalereien von Sprache zu Sprache und von Sprachgruppe zu Sprachgruppe. Zweitens beschränkt sich die Laut symbolik keine swegs auf richtige Geräusche, sondern erstreckt sich auf vieles anderes, wie Bewegungen, Gefühle und Uchtempfmde n. Drittens kann die Entstehung eines Schallwortes unte rsch iedlichen Alters und deshalb liefer oder oberflächlicher in eine r Sprache integriert sein. Selbstverständlich gibt es bereits im Indogermanischen Ono matopöien : diesen werden gern Begriffe wie „naß .. , •.spritzen", ,,sprengen", .,gleitCn", .,schlupfen". ,,schmie ren .. , ,,schwellen " u. ä. anvert raut .
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Pic rgiuseppcScilrdigli
Man wird aber stu tzig, wenn man mit ganzen Reihen von De rivaten konfro ntie rt wird, die die indogermanische Zeitebene kaum zu erre ichen scheinen, wie z. 8 . bei der von Pokom y angenommenen idg. Wurze l GEN- als Vert re ter der Bedeutung „zusammendrükken", ,,kneifen". Die meisten „Able itungen" aus d ieser Wurzel sind ausschließlich germanisch . Lange Aufzählungen sollen hier vermieden werden; zum Glück kann man eine Vorstellung von 11 der 12 Varianten d ieser „Wurzel" anhand der heutigen deutschen Sprache
vermitteln . Es sind: 1. knabbern , 2. Knecht, 3. kneifen , Kniff, 4. Knicks, 5. Kno"en , 6. Knast, 7. kneten , 8. knüllen , 9. Knopf. Knauf. 10. Knöchel, 11. - . 12. Knödel, Knoten, Knüttel. Die Varianten 2. 4. 5, 6, 11 sind nur im Germanischen vert reten ; die anderen haben spärliche Entsprechungen fast nur im balt ischen Bere ich. Wenn diese Erscheinung wiederholte Male auft ritt und der Verfasser des indogermanischen etymologischen Wörterbuchs sie mit „außerordentlich reich ve rt reten in den germanischen Sprachen" oder „ reich entwickeh im Germanischen" oder sogar „nur germanisch" (!) unterstreichen muß, so müssen wir diese Realität der hohen Häufigkeit der lautmalenden Wö rter im Germanischen wahrnehmen und auf sie einge hen . Schon beim Buchstaben A begegnen wir der „ indoge rmanischen" Lautsymbolik. Von Anfang an wird es allerdings klar, daß Lautgesetze und Lautmalerei nicht gut in Ein klang zu bringen sind . Es ist sogar fraglic h, ob Ve rbindungen von Lauten wie BAMB-/ PAMP- ,.schwellen" als WurLel im normalen Sinn des Wortes aufzufassen sind. Be i deutsch Pamps ode r pampfen wird niemand daran zwe ife ln , daß es sich um Schallwörrer handelt , dagegen jedermann einräume n, daß sie sich nicht unbedingt den Regeln der Lautverschiebungen anpassen. Noch schwerwiegender ist d ie Frage nach dem Wortin hah . Denn die Bedeutung eines Schallwortes steht in jeder Sprache fest : z. B. ist Pamps in erster Linie ein „d icke r Brei". pampfe,i ist in e rste r Linie ,,unmäßig essen", .,sich vollstopfen ' '. Für jedes Schallwort hat sich im laufe de r Zeit eine kl are, eindeutige Bedeutung herausk ristallisiert. Daran kann man wenig rütteln , so ungenau ode r gar willkürlich d ie Wiedergabe der natürlichen Gegebenhe iten von vomeherein auch ist. So staunt man vor der bun ten Re ihe de r Bedeutungen. die unter einer Ru brik zusammengefaßt werden können: so die erwähnte idg. Wu rzel BAMB-/ PAMP- ,.schwellen" , al1 ind. bimbal.1 „Scheibe", .,Kugel", griech . bembi:x .,Kreisel", lit. btimba „Nabel". latein. pampi11us ,,Weinranke'·. armen. p 'amp'utt ,,Harnblase". Offensichtlich sind aus der gleichen oder ähnlichen Laut fo lge unabhängig voneinander verschiedene Bedeutungen herausgeholt worden . All das „indoge rm anisch" zu nennen, de utet auf eine Entartung der vergleichenden Methode hin. Besse r hat Vicente Garcia de Diego getan. indem er die Rohstoffe der Lau tmalereien in einer Gruppe vo n europäischen Sprachen gesammelt hat , ungeachte t dessen , ob sie indogermanisch oder nich tindoge rm anisch waren. Diese Sonderlinge in de n Sprachen sind oft den Lautgesetzen gegenübe r rebellisch. ohne daß man ihre gelegentliche Anpassung ausschließen kan n. Auch zu diesem Punkt ist wissenschaft liche Klarheit kaum zu schaffen. Alles in allem muß auf eine genaue Wesensbestimmung der lautmalenden Wörter verzichte t werd en. Niemand kann - wede r mit historischen noch mit psychologischen Mitteln - nach dem Kausalprinzip erklären, warum knatschen und k11u1scl1en im heutigen deutschen Sprachgebrauch die Bedeut ungen tragen , die ihnen eige n und warum sie trotz der lautlichen und semantischen Ähnl ichkeit doch vollkommen auseinander zu halten sind .
Der germanische Anteil am indogt rman ischen Wortschat:i: und anderes
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Selbst bei engst verwandten Dialekten ist eine gute Vergleichbarkeit de r Schallwörter miteinander nicht gegeben : bekanntlich schreit der deutsche Hahn kikeriki! und der englische cock-o-doodle-doo! (vgl .§ 2). Nehmen wir jetzt zwei Fälle, die sich durch Vergleich auf ältere Sprachstufen zurückführen lassen , unter Betonung der Tatsache , daß sich die Mehrzahl der lautmalenden Wörter in den historischen germanischen Sprachen selten aus dem Indogermanischen , relativ oft aus dem Germanischen herleiten läßt. Das ist ein Zeichen dafür, daß die Lautmalereien als wesentlicher Bestandteil der germanischen Neuerungen auf dem Gebiet des Wortschatzes aufzufassen sind. Die ,,indogermanische" Wurzel BHEL- ,.glänzend", ,,weiß" gehört zu der nicht kleinen Gruppe von Lautsymbolen, die in allen Sprachen leuchtende Sinneseindrücke wiederzugeben versuchen. Die lautmalende Wurzel wäre auch im deutschen Vogelnamen Belche ,.Bleßhuhn " anzutreffe n. Hier könnte eine jahrtausendealte Onomatopöie vorliegen . Der Fall Bauch hat den Anschein, uns auf die germanische Ebene zu führen , zusammen mit altisländ. bükr, altengl. büc. Weiler zurück geht es nicht , denn auf „ indogermanisch" BU- als „Sprenggeräusch der aufgeb lasenen Backen" kann man nichts aufbauen . Diese erhebliche Masse vo n lautsymbolischen Formen verdient a) eine Bestandsaufnahme , b) eine Einteilung nach verschiedenen Gesichtspunkten. Der Eindruck , daß die ger. manische Sprachgruppe bis zum heut igen Tag über einen besonders hohen Prozentsatz (schätzungsweise 30 v. H .) solcher Schallwörter als integrierten Bestand ihres Wort schatzes verfügt , wäre dann angemessen bestätigt .
4. Wortschatz und Gesellschaft Wer sich diese vie lfält ige Zusamme nsetzung des germanischen Wortschatzes vergegenwärtigt , kann nicht umh in , daraus zu fo lgern, daß diese Vielfalt e ine mehrschichtige Gesellschaft widerspiegelt. Nicht etwa so, als wäre das Germanische eine Mischung von drei oder vie r verschiedenen Sprachen: es empfiehlt sich vielmehr anzunehmen , daß das prozentuale Vorkomme n der beschriebenen Bestandteile je nach gesellschaftlicher Schicht variierte und jede Schicht den für sie spezifischeren Ty p von Wortschatz bevorzugte. Sicher gehört das echt Indogermanische dem gehobenen Sprachniveau an . Das bringt mit sich, daß die lndogermanisierung der vorgermanischen Bevölke rung von oben nach un ten vorgenommen wurde . Es wird somit bestätigt, daß die Kriege r und ihre Führer an der Verbreitung der indogermanischen Kultur maßgebend beteiligt waren und als Sieger u. a. sprachliche Erfolge errangen . Es gab allerdings einen Teil der lokalen Bevölkerung, der eine große Selbstä ndigkeit beibehalten hat. Auf diese Weise reagierte die unterworfene Gruppe und behielt sich eine Möglichkeit zur freien Entfaltung vor. Das tragende Element der Gesellschaft blieb nach wie vor der Bauer, mit Viehzucht und Ackerbau beschäftigt , in bester Verbindung mit der Natur und ihren Erscheinungen. Ihm wird man gern die Bereicherung des germanischen Wortschatzes um endlos viele Onomato pöie n einräumen. Es waren keineswegs Wortspielereien, denn die Bauernsprache verlor nie die Realität aus ihrem Blickfeld und führte ein kulturell bescheidenes, abe r zweckmäßiges Dasein . Die Wortbestände einer Sprache. sind ausnahmslos vielschichtig und verzweigt. Hinzu kommt , daß sie nie in ihre r Gesamtheit von dem einzelnen Sprecher beherrscht werden .
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PiergiuseppeScardigli
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HERBERT SCHELESNIK.ER
Die Schichten des urslavischen Wortschatzes Die indogermanischen Sprachen werden je nach Bewahrung oder Veränderung der Pa!atove\are in zwei Gruppen eingeteilt: in die sogenannten Kentum- und Satemsprachen. Die ältere Forschung sah in dieser Teilung das älteste und wichtigste Dialektmerkmal der indogermanischen Sprachfamilie. Aufgrund des Umstandes, daß die meisten Kentumspracheil in Europa angesiedelt sind, sprach man unter schlechthinniger Gleichsetzung der Begriffe auch von westindogermanischen Sprachen und sah in den Satemsprachen in entsprechender Weise die ostindogermanische Sprachgruppe. Die solcherart getroffene Einteilung war für eine Betrachtung in zeitlicher und räumlicher Erstreckung gänzlich ungeeignet. Sie gewährte keinerlei Einblick in das sprachliche Entwicklungsgeschehen und war rein statisch und achron. Ober die Verwandtschaftsverhältnisse der Sprachen waren aus dieser Sicht nur ungenaue Aussagen möglich . Die Einführung morphologischer Kriterien lieferte ein bei weitem plastischeres Bild. Das Mediopassivum auf -r, Typ lat. fertur, findet sich zwar in den meisten Kentumsprachen, doch hat das Griechische an dieser Bildungsweise keinen Anteil, sondern gleicht mit l/)€p€Tat dem ai. bharate, also einer Satemsprache, während das zur Satemgruppe gezählte Phrygische sich mit ßeperop zum lat. (kentumsprachlichen) fertur stellt. So hält sich also die Verteilung des r-Passivums nicht an das feste Kentum-SatemSchema, und auch der Dat. lnstr.Pl . auf -m, wie er im Baltischen, Slavischen und Germanischen vorkommt (vgl. Dat. PI. lit. vilkti-ms , raiiko-ms, nakti-ms, slav. vh,ko-m1>, rqka-m1>, no!tb-mb, got. wulfa-m , nahti-m; Instr. Pi. lit. ra,iko-mis, nakti-mis, slav. rqka-mi, no!tbmi : Dat. PI. ai. vrke-bhya~, lat. nocti-bus), erstreckt sich von zwei Satem- oder ostindogermanischen Sprachen auf eine Kentum- oder westindogermanische Sprache im herkömmlichen Sinne. Auch in der Derivation lassen sich Gemeinsamkeiten unter Kentum- und Satemsprachen bei sonstigem Fehlen solcher Erscheinungen innerhalb der jeweilig eigenen Sprachgruppe feststellen. Man vgl. z.B . lat. emptivus „käuflich" und slav. (pri-)jt;tiVh „aufnahmefähig" oder lat. östium und slav. ustbje „Flußmündung", worauf seinerzeit schon die ältere Forschung aufmerksam gemacht hat. Die aufgezeigten Tatsachen lassen a priori die Frage aufkommen , ob nicht so manche der in engeren Teilgebieten des Indogermanischen erfolgten Neuerungen , z. B. die Herausbildung der m-Kasus, welche das Baltische, Slavische und Germanische morphologisch aneinanderrückt, oder der t-Einschub in die Konsonantengruppe sr, der das Thrakische, Germanische, Slavische und teilweise das Baltische (vgl. GN thrak. l:rpUl-lwv, ahd. stroum, slav. struja, lit. srove neben strove „Strömung'') phonetisch heraushebt, zeitlich vor der Teilung in Kentum und Satem liegt. Die Kentum-Satem-Norm und die damit verknüpfte geographische Teilung in westund in ostindogermanische Sprachen verlor zunehmend an Bedeutung, als mit dem Hethi-
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tischen und Tocharischen Kentumsprachen im Osten des indogermanischen Sprachgebietes gefunden wurden. Heute wird in der Sprachwissenschaft vielfach stark bezweifelt, daß die sogenannte Satemislerung, d. h. die phonetische T,ansformierung der Palatovelare zu Spiranten, eine einschneidende Dialektgruppierung zur Folge hatte. In Anlehnung an die seinerzeitigen Ausführungen A. Senns 1 hat H. D. Poh12 aufgrund der Lautgestalt der ältesten baltischen Lehnwörter im Finnischen nachzuweisen versucht, daß dem Prozeß der Satemisierung keineswegs jenes hohe Alter zukommt, das man ihm früher zugestanden hat, und daß das Baltische und das Slavische, genauer ihre sprachlichen Vorläufer, diesen Prozeß unabhängig voneinander durchlaufen haben müssen. In den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts begann die Sprachwissenschaft in verstärk• tem Maße, sich der Erforschung des indogermanischen Wortschatzes zuzuwenden, um aus ihm Aufschlüsse über die dialektische Gliederung und den Verwandtschaftsgrad der Sprachen untereinander zu erlangen. Die Methode, neben phonetischen und morphologischen auch lexikalische Gemeinsamkeiten der Sprachen zum Zwecke ihrer Klassifizierung und Typologisienmg zu erfassen und heranzuziehen, war indessen nicht neu. Bereits im Jahre 1872 hatte J. Schmidt in seinem Buch „Die Verwandtschaftsverhältnisse der indogermanischen Sprachen" die Feststellung gemacht, daß es Wörter gibt, 61 an der Zahl, die nur im Baltischen, Slavischen und Indoiranischen vorkommen, unter ihnen wieder solche, die nur das Baltische, Slavische und Iranische, nicht aber das Altindische kennt, und solche , die im Slavischen und Indoiranischen bezeugt sind, dem Baltischen aber fehlen. Aufgrund der lexikalischen Verteilung zog Schmidt den Schluß, daß das Slavische und das Iranische in ältester Zeit geographisch eng benachbart gewesen sein milisen, denn daß Sprachen, die miteinander in Berührung stehen, in ihrer lautlichen Struktur, in Syntax, Semantik, Wortschatz und Phraseologie sich gegenseitig beeinflussen, war schon J. Schmidt bekannt, wenn er auch über die damit verbundene Mechanik nichts Genaues wußte, doch ist diese auch heute noch nicht klar erforscht. Das Slavische, als wohl eindeutige Satemsprache, wurde nach den angestellten Beobachtungen den ostindogermanischen Sprachen zugeordnet. Im Jahre 1908 veröffentlichte A. M eil Jet sein Werk „Les dialectes indo.europeens", worin er unter anderem eine Reihe lexikalischer Übereinstimmungen zwischen dem Italischen , Keltischen, Germanischen, Baltischen und Slavischen besprach, die er als „vocabulaire du nord-ouest" bezeichnete. Darunter verstand Meillet Wörter, die in bestimmten Gebieten des indogermanischen Sprachraumes auftreten, in anderen hingegen ungebräuchlich sind . Höchst aufschlußreich dabei war, daß auch das Baltische und das Slavische in unterschiedlicher Weise an diesem „vocabulaire du nord-ouest" teilhaben. · Nach dem vielversprechenden Anfang, den Meillet mit dieser und weiteren Arbeiten gesetzt hatte , die allerdings nicht unwidersprochen blieben:\ brauchte es mehr als drei Jahrzehnte , ehe die vergleichende Wortforschung wieder in Gang kam . Es sind hier vor allem die Arbeiten W. Porzigs 4 und E. Ben ve niste ss in den fünfziger und sechziger Jahren zu nennen , die schwerpunktmäßig indogermanistisch ausgerichtet sind, während die slavistischen Belange systematisch erst vom Ausgang der fünfziger und Beginn der sechziger Jahre an vor allem in den Arbeiten von V. N. Toporov 6 , 0. N. Truba ~e v7 , V. V. Martynov8, J . Safarewicz9, z. Gol~b 10 u.a. Behandlung fanden. In zahlreichen Untersuchungen wurden einzelne Wörter, Wortfelder, Verwandtschaftsbezeichnungen, Tier- und Pflanzennamen, die Handwerks- und Ackerbauterminologie herange-
DieSchichtendesurs]avischenWortschatzes
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zogen und die Beziehungen des Slav:ischen zu anderen indogermanischen Sprachen auf dem Gebiete des Wortschatzes aufgezeigt.! 1 Dabei bestätigte sich im wesentlichen das, was schon Meillet dargestellt hatte : Das Slavische hat wortschatzmäßig an der nordwestlichen Dialektgruppe teil, berührt sich dabei näher mit dem Germanischen und dem Baltischen und weist Beziehungen zum Iranischen auf. Die Frage war und ist nur, in welcher zeitlichen und räumlichen Folge diese Gegebenheiten zu sehen sind. Denn von der Klärung dieser Frage ist weitgehend abhängig, wo die sprachlichen Wurzeln des S!avischen zu suchen sind. Die Stratigraphie des Wortschatzes einer Sprache ist daher von außerordentlicher Wichtigkeit für die Lokalisierung des ursprünglichen Sprachgebietes und die Herkunft der Sprachträger. Dabei geht es nicht um die Analyse irgendwelcher Wörte r, sondern um die Untersuchung des sogenannten Primärvokabulars, das in einer Sprache erfahrungsgemäß die längste Lebensdauer hat (Adverbia, Präverbia, Numeralia, Pronomina, Bezeichnungen für Körperteile, Naturerscheinungen, primitive Tätigkeiten usw.}. Mit der nordwestlichen Dialektgruppe, insbesondere mit dem Italischen, verbinden das Slavische einige Bezeichnungen für einfache handwerkliche Tätigkeiten, zuweilen unter Einschluß der entsprechenden Nomina. In den meisten Fällen finden sich auch Entsprechungen im Baltischen und Germanischen: lat.fodere ,,stechen, bohren", s\av. bosti, bodq, lit. besri, bedU, in anderen Sprachen meist nur nominal, so kymr. bedd „Grab", got. ba(ji „Bett"; lat. cUdere ,,schlagen ", {ohne d-Erweiterung) slav. kovati, lit. ktiuti, mit etlichen Nominalbildungen in beiden Sprachen, ahd. houwan „hauen", fraglich mir. cuad ,,schlagen, kämpfen"; lat. seCOre „schneiden", slav. se!ti, slkq , besonders auffällig sind die Nominalbildungen lat. secüris, secivum. übereinstimmend mit slav. sekyra, sltivo „Beil, Axt", im Baltischen nur alit. jsekti „eingraben", im Germanischen nur nominal, z.B . in ahd. seh ,,Pflugmesser", u. a.; lat.plectere „ineinande rfügen" , slav. plesti, pfetq, ahd. f[ehtan „flechten", (gr. 11AfKw ohne t-Formans) ; lat. triidere „stoßen, drängen", got. ust,riutan „beschwerlich fallen", nur nominal slav. trud1, ,,Mühe"; lat .ftgere ,,heften, stechen", lit. diegti, slav. d1,gna „Kerbe", ags. die, nd . dik, nhd. Deich (eig. ,,Ausstich"); lat. scabere „kratzen", got. skaban, lit. sköbti, slav. skobfj& ,,Schabeisen"; Jat. urgire „drängen", slav. vrlsti, vr&ZQ, lit. veitti, ahd. wu,;ren; fraglich in der Zugehörigkeit av. varaz- ,,absperren", gr. ei.p"(w < *e-Fep"(w „schließe ein"; lat. emere „nehmen" (in dieser Bedeutung noch in den Komposita, so z. 8. in eximere ,,herausnehmen", ansonsten im Lateinischen mit Bedeutungsentwicklung zu „kaufen"), slav.}ftf, im9, lit . itrlti; lat. valire ,,stark sein", (mit d-Erweiterung, umgekehrt wie im Beispiel cUdere) slav. vlasti, vfadq, lit. veldeti, vafdjti, got. waldan „walten". Besonders aufschlußreich sind einige Wörter, die dergestalt nur im Lateinischen und im Slavischen begegnen, wobei außerdem die zum Teil gleiche oder ähnliche Bildungsweise auffällt;
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lat.gfü"tus „Schlund" - slav. gh,!1, lat. cäseus „ Käse " - slav. ha.n, .,Sauerteig" lat. mortuus „tot.. - slav. mn.tv,, lat. östium „Flußmündung" ~ slav. usll,je lat . dormire ,,schlafen" - slav. drlmati ,,.schJummem" (beide mit m-Erweiterung gegenüber ai . dräti,drQyate ,,schläft") lat. qulilum < •kuaslcm ,,Korb", dem . quasil/us - aksl. lcolb, 1-Erweitung in ukr. lcolil', ru~ . kofeli k , slov. koIUlja , poln. koszalka lat. su üris, secivum ,.Beil, Axt" - slav. sekyra, sltivo (die Annahme einiger Forscher, daß slav. iUivo Entlehnung aus dem Lateinischen sei, ist aus dreierlei G ründen unhaltbar : 1. räumliche und zeitliche Unmöglichkeit einer direkten Entlehnung; 2. -ivo ist ein geläufiges Suffi x im Slavischen [vgl . kladivo ,.Hammer", pn;divo „Garn, Zwirn", usw.] ; 3. das Substantiv zeigt im Slavischen dieselbe Dehnstufe wie das Verbum sliti, sekq ). lat. hospes „Gastwirt " .. slav . gospodb „Hausherr" (die landläufige Ansicht , daß da s slavische Wort von einem, im übrigen unbelegten got . •gasti-[at,s stamme, ist indiskutabel. Die lateinische und die slavische Form ersche inen beide aus ei ne m ursprünglichen Konsonantenstamm heraus gebildet). lat./ornus „ Herd" .. slav. gn,m, lat. lüna < •touk-s-na „Mond" .. slav. luna (gleicherweise gebilde1e Wo rtfo rmen finden sich auch in den anderen idg. Sprachen, doch ist die alleinige Bedeutung ,,Mond " nur im Lateinischen und im Siavischen anzutreffen . Vgl . av. raoxina• ,,glänzend .. , apr. lauxnos „Gestirne .. ; arm. lusin ,.Mond" ist direkt aus der Wu rzel gebildet und deckt sich s1rukturell nicht mit der lateinischen und de r slavischen Form). lat . columnia < •kaluomnia „ Verleumdung"(Verbum ca/vor. -i „betö ren") - slav. k/je llt':la. Hi~sichtlich der Bildung sind beide vom Prinzip her gleich, im Lateinischen mediales Partizip des T ypsfemina, im Slavischen Verbaladjektiv mit •to. Die verbreitete Ansicht, die slavisch e Bildung käme von einem Verbum klj bvati ,,hacken , picken" ist angesichts des Vorkomme ns von gr . K71Alw ,.be töre", got. hölön, ags. hölian „verleumden", ahd. huo/e11 „betrügen " , usw. unhaltbar. Wen ngleich der Wo rtstamm auch im Griechischen und im Ge rmanischen vorkommt, ist die v-Erweiterung eine lateinisch-slavische Eigentümlichkeit. Die vorliegende Aufstellung ist zwar klein , ich habe aus einer größeren Anzahl auch nur die mir sicher scheinenden Beispiele in sie aufgenommen , sie ist aber immerhin repräsentativ . Sie gibt m. E. zu erken nen, daß aufgrund gleicher Wo rt fo rmen, gleicher Wortbede utungen und gleicher Wortbildu ngsmittel die voritalischen un d d ie vorslavischen Volksstämme durch länge re Zeit in einem engeren Gebiet innerhalb des indogermani schen Dialektkontinuums ansässig und benachbart gewesen sein müssen . Zeitlich gesehen bedeu tet d ies , daß wir es bei den ita lo-slavischen lexikalisch-seman1ischen Parallelen , zumindest aus der Sich! des uns hier im Vordergrund interessierenden Slavischen , bei Berücksichti• gung, d . h. Abzug de r gesamt• ode r gemeinindogermanischen Wörter, mit einer de r ältesten ch ronologisch erfaßbaren Wortschichten des Slavischen zu tun haben , die mindestens
Die Schichten dtS urslavischcn Wo rt schatzes
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ins dritte vorchrislliche Jahr!ause nd und weiter zurückreicht , in eine Zeit also, in der die Vo rfahren de r Italiker d ie Alpen noch nicht in Richtung Süden überschritten hauen. Selbstredend war zu dieser Zeit auch der das Italische später kennzeichnende Lautwandel von •r,.h , •bh , •dh > f , von •gh > h, u. a. m. noch nicht eingetreten . Auch das Slavische wies noch keine seiner späte ren Spracheigentümlichkeiten auf. Räumlich gesehen bedeutet dies , daß die in Nachbarschaft mit den Voritalikem lebenden sprachlichen Vorfahren der Slaven in einem Territorium siedelten,daszum „alteuropäischen Ko mplex " im Sinne H. Kr ahes zuzählenisl . De r lexikalische Fundus de r nordwestlichen Dialektgruppe, wie sie A . Meillet verstanden h at, erstreckt sich, wie be re its gezeigt , au ch auf das Germanische , Baltische und Slavische bzw. Teile davon. Die nur dem Germanischen, Baltischen und Slavischen ge mein• samen Wö rter hat vor rund anderthal b Jahrzehnten Ch r. Stang in eine r Studiell behandelt , in der er zur Feststellung gelangte , daß die lexikalischen Bez iehungen der drei Sprachen untereinander bei weitem zahlreicher als die zu anderen indogermanischen Sprachen oder Sprachgruppen sind . Stang kommt nach genauer Sichtung des Wortmaterials auf 188 Wö rter, die als solche innerhalb des indogermanische n Sprachgebietes nur den d rei Sprachen eigen sind . Von diesen 188 Wörtern finden sich - nach Stang - 68 in allen drei Sprachen , 66 nur im Baltischen und Germanischen , 54 nur im Slavischen und Germanischen . Es versteht sich von selbst , daß diese Zahlenangaben relativ zu sehen sind und von sich aus wenig aussagen . Sie gewinnen jedoch an Wert und Tran sparenz, wenn man die Zahl der Wörler mit den Sachgeb ieten , denen sie angehören , in Beziehung bringt. So zeigt sich beispielsweise auf dem Gebiete der Weberei und übe rhaupt der Textilver• arbei1ung ein deutliches Oberwiegen der slavo-germanischen Übereinstimmungen , dagegen für allgemein technische Begriffe ein Überwiegen der hallo-germanischen Obereinstim • mungenll, woraus man kulturhistorisch bestimmte Schlußfolgerungen zu ziehen versucht hat . Hinsichtlich de r Verbreitungssphäre der Wörter ist die Tatsache aufschlußreich , daß einige Wörter e in größeres Gebiet des einen und auch ein Teilgebiel eines anderen Sprachzweiges umfassen können. wie einige germanisch-westbaltische Bild ungen zeigen , z. B. ano . vqrr „ Uppe" - ap r. warsus, got. naut,s ,,Nol " - apr. nautin {Akk.). Es gibt auch Fälle von slavisch-wes1baltischen Übe reinstimmungen , z. B. in der Bildung des Possessivpronomens slav. mojt, , tVOjt, , svojt, -. apr. mais, twais, swais gegenüber lit. (mänas). tän1s, sävas, Je . (mans), ravs, .sa11s, der Präte ritalform slav. be {Imperfektum zu byti „we rden, sein") .. apr. bti, be oder in der semantischen Gleichheit einiger Wö rter, wie slav. noga .,Fuß" - apr. nage gegenüber lit. nagd „Hur• oder slav . zrDnO „Korn" .. apr. syrne gegenüber lit. tlrnis, te. zih1is „Erbse'·, u.a. Die Gründe de rartiger Erscheinungen sind m . E. weniger in der kulturhistorisch en Se ite, obgleich diese zwei fellos mitbestimme nd war, als vielmehr da rin zu sehen , daß die Dialektgebie le keine unverrückbaren, stabilen Einheiten bildeten , sondern aufgrund de r Ausdehnung und Verschiebung der Bevölke rung, der sogenannten Popul ationsdynamik. Änderungen unterworfen waren, sodaß jederzeit die Möglichkei t bestand , daß sprachliche Bildungen bei zuweilen unvoll,tändiger Erfassung und Abdeckung des eigenen Gebietes auf andere Gebiete übe rgriffen . Überblickend und zusammenfassend kann zu den baltisch-slavisch-germanischen Wortgleichungen gesagt we rde n , daß sie sich auf eine primitive technische Kultur mit einfachen , meist aus Holz gefertigten Geriiten und Gegenständen , auf ein ige Bezeichnungen
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für Pnanzen , Tiere , Bodenbearbeitung, Körperteile, aber auch allgemein menschliche Beziehungen und soziale Verhältnisse beziehen. Vgl. nachstehend e Beispiele in Auswahl nach Chr. Stang, Lexikalische Sonde rü bereinstimmungen , 1. c. 68 ff.:
slav. drqp „Stange", lit. draiigas, ano . drengr s\av. blazillfl „Balken'', lit. baltiena , le. bälzitns, ahd . balko lit. püodas, le. puöds, ahd./az „Behälter" slav. a/di(/1), ladi(jl) .,Boot", lit. aldijä, no rw. dial. olda „Trog" slav. osa „Espe" , lit. äpu!J, ahd. aspa slav. bon, ,,Nadelwald", ags. bearu „Wald" Jit. Iarmuö , Iermu6 „Hermelin ", le. satmulis, ahd. harmo slav. star1, ,.alt", lit. störas „dick", ano. st6" ,,groß" slav. cefb „heil", apr. kailüstiskan „Gesundheit", got.-hails slav. spon, .,reichlich", ano. spall ,,sparsam" s\av.jesem, .,Herbst" , apr. assanis, got. asans „Erntezeit" slav. PfStb „ Faust'", ahd./üsr s\av. drug,. ,.Freund ", lit. draügas, got. driugan „Kriegsdienste leisten", u. a. m.
DieSchichtendesu rslavischcn Wortsch;;tzes
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nach 2000 zu rechnen. - Verwerten wir vor allem die chronologischen Angaben , die uns d ie vor• und frühgeschichtliche Forschung liefert, so ergibt sich mit dem J ahr 2000 v. Chr. eine Zeit, in der die vorbaltischen , vorsla• vischen und vorgennanischen Stämme noch eine engere Dialekt- und Verkehrsgemeinschaft gebildet haben müssen, die sich nach dem Bekanntwerden des Roggens und seiner Bezeichnung allmählich auflöste . slav. IYSftti, tysqfti „tausend", lit. 1Ukstantis, le. tukstuöts, apr. Jüsimtons (Akk. PI.), got. t,üsundi, mit untereinander unklaren l.autverhältni ssen, die m. E. daher rühren , daß dieses Wort so ziemlich unter die letzten Bildungen der losen Oialektgemeinschaft fällt. Etymologisch sind die Formen Wei terbildungen der Wurzel •te11~- ,,stark sein" (vgl. ai. taviti ,Jst stark, hat Macht ", gr. od.cK, oCx ,,heil , unversehrt", lit. tükti, slav. tyti „fett werden" , usw.). Als morphologische Übereinstimmungen innerhalb des baltisch-slavisch-germanischen Areals ragen die m-Kasus als gemeinsame Entwicklung sowie einige alte Konjugationstypen thematischer Verba hervor, z. B.
Dagegen sind Wörter für religiöse Begriffe und Wörter abstrakten Charakters, die einer höheren Gedankenwelt angehören, nicht vorhanden. Bemerkenswe rt ist, daß sich unter den Obereinstimmungen die Bezeichnungen zweier Edelmetalle, eine r Kulturpflanze und der Zahlbegriff „ 1000" fi nden :
slav. de/iti „teilen", lit. dailjti, got. dai/jan slav. gnesti, gnetq „drücken ' ', ahd. knetan slav. klasti, kladq „legen", ahd. hladan, ohne d-Erweiterung lit . klöti s\av. brlfti, bregq „bewahren" , got. bairgan usw.,
slav. zlato „Gold", le. ztlts (lit. teitas ,,golden"), got. gul/J, die verschiedene Ablautstufen, aber einheitliche to•Ableitung aufweisen. In diesem Zusammenhang erscheint auch thrak . t11XTa „Goldsachen" von einigem Interesse. Die Wort• wurzel, deren Grundbedeutung ,,gelb" ist , finde t sich auch im Indoiranischen, als Metallbezeichnung jedoch mit anderer Suffixableitung: ai. hiratJya- .,Gold", av. zaranya-. Das Litauische stellt mit duksos, das Altpreußische mit ausis „Gold" die Verbindung mit dem italischen Bereich her, wo wir lat. aurum, sab. ausom vorfinden. slav. st.rebro „Silber", lit. sidäbras, le . sidrabs, apr. siraplis, got. silubr. Das Wort ist eine gemeinsame Entlehnung aus einer un bekannten Sprache . Ober die der germanischen, baltischen und slavischen Bezeichnung des Silbers ähnlichen Wo rtformen des Keltiberischen und des Baskischen sowie die Anfänge des Silbergebrauchs vgl. A. Tovar, Die lndoeuropäisierung Westeuropas, Innsbruck 1982, 17 ("' IBS, Vorträge und Kleinere Schriften 28). s\av. l"b!b „ Roggen ", lit. rugiai, Je. rudzi, apr. rugi, ano. rugr, ahd . rocke. Der vor- und frühgeschicht\ichen Fo rschung zufolgel 4 läßt sich Rogge n als jüngste europäische Getreideart in der mittleren Periode der sogenan nten TripoljeKultur , die etwa zwischen 3000 und 2500 vor unse rer Zeitrechnung beginnt , am Pon tus nachweisen , wo er unter dem Weizen als Unkraut wuchs. Seine Kultivierung ist einem Zufall zu verdanken . Man versuchte Weizen in nördlicheren Gebieten anzubauen , doch ging' dieser wegen des zu harten Bodens und der Witterungseinflüsse nicht auf, wohl aber der Roggen , der mit dem Weizensamen vermischt in den Boden gelangt war. In Nord• deutschland und Südskandinavien ist mit einem Anbau des Roggens erst
ungefähr 25 bis 30 an der Zahl , die allerdings nicht immer das gesamte Areal abdecken.1s Die baltisch-slavisch-gennanischen Wortgleichungen sind also Teil ei nes größeren Komplexes und zeugen von einer besonders nahen und dauerhaften Verbindung de r Sprachträger innerhalb einer breiteren lexikalischen Zone, die bis zum Italischen und Keltischen reicht. Was das chronologische Ve rhältnis der baltisch-slavisch-germanischen Wortglei• chungen zu jenen des nordwestlichen Vokabulars betrifft. ist auf formaler Grundlage ein Unterschied nicht fest stellbar. Die Wörte r haben hinsichtlich ihrer Lautgestalt dasselbe Aussehen . Dennoch ist unwah rscheinlich, daß alle Wörter gleich alt sind . Es ist augenscheinlich , daß bei den baltisch-s\avisch-gennanischen Wörtern von de r Sache und der Wortbildung her etliche Neuerungen vorliegen , so etwa bei slav. pqlO „Fesse l", apr.ponto, mit to -Ableitung, die in diesem konkreten Fall regional begrenz;t ist, gegenüber lat. pendere „hangen ", pondus, -eris „Gewicht" (vgl. jedoch slav. p~b „Spanne") oder slav. voskb „Wachs", lit . väikas, Je. vasks, ahd . wahs gegenüber lat. vilum < •uegslom „Segeltuch", dem. vexi/lum „Fähnlein" , alle aus einer Wurzel •!!eg- mit der Grundbedeutung ,,weben" (Wachs"' eig. ,,Bienengewebe"). So repräsentieren die baltisch-slavisch-germanischen Wörter unter Verwendung ererbter Wortbildungsmitte! in mehreren Fällen eine, man kö nnte sagen, Verdichtung und Fortführung des nordwestlichen Vokabulars. Für das Baltische und Slavische sind nun einige Tatsachen von außerordentlicher Wichtigkeit: 1. Die beiden Sprachen bzw. ihre Vorläufer gehörten jener Gruppe von Dialekten an , welche die Bedeutungsentwicklung de r gemeinindogermanischen Wurzel •se(O- von „werfen" z:u „Saat auswe rfen "'säen" vollzogen hat. Diese Entwicklung findet sich nur in den westindogermanischen Sprachen. Vgl . lat. serö < • si-s-0, Perf. sivi, got. saian., lit. siti,
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slav. sl(ja)ti. Abseits steht das Griechische, das als landwirtschaftlichen Ausdruck des Säens das nur ihm eigene orrfi/,W hat. 2. Die Vorläufe r des Baltischen und S!avischen gehörten jener Oialektgruppe an, welche zur Bezeichnung eine r besti mmten Kernfrucht die Bedeutungsentwicklung der gemeinindogermanischen Wuriel •g'en,-/•g'f· von „reifen" zu ,,Korn " durchgemacht hat. Vgl . lat. gninum, air. grdn, got. kaum, slav. zn.no, apr. syrne, jedoch lit. ti rnis, le . zih1is mit spezieller Weiterentwicklung zu „Erbse". Das Griechische hat die reduplizierte Bildung 'Yi•'YQ/)-TO,., in der speziellen Bedeutung „Weintraubenkern". 3. Die Lautgestalt der baltischen und slavischen Wortfonnen, die einen Spiranten enthalten, dem in den nordwestlichen Dialekten ein Palatovelar entspricht (vgl. lit . veftti, slav. l'rlUi : ahd . wurgen, lat. urgire, usw.), ist sekundär, d . h . ihre Satemisicrung erfolgte nach der Ablösung des Baltischen und des S\avischen von der nordwestlichen Oialekt gruppe bzw. der Auflösung dieser Gruppe insgesamt. Ich betone dies deshalb, weil einige Gelehrte den Standpunkt vertreten, daß die sprachlichen Vorläufer des Baltischen und des Slavischen der Ost- oder Sa1emgruppe angehören und seit Anbeginn in engem Kontakt zu den Vorläufern des Indoiranischen standen, bis sie um das zweite vorchris1\iche Jahrtausend durch eine westwärts.gerichtete Bewegung mit Kentumdialekten in Berührung kamen und in enge kultureUe und sprachliche Beziehungen zu diesen traten. Auf diesem Kontakt beruhten angeblich auch die im Baltischen und im Slavischen enthaltenen Kentumelemente . Wir werden auf dieses Problem noch zurückzukommen haben . Nach der Trennung der vorbaltischen und der vorslavischen Volksstämme von den vorgermanischen, deren historische Hintergründe unbekannt sind, beginnt fur erstere eine Zeit , die in der Sprachwissenschaft als baltoslavische Sprachperiode bekannt ist. Der Streit, ob dieser Zeitabschnitt als Sprachgemeinschaft im Sinne einer grundsprachlichen Einheit oder naheve rwandter Dialekte anzusehen ist, geht in der Sprachwissenschaft unvennindert weiter. 1 6 Sowohl Anhänger wie auch Gegner einer baltoslavischen Einheit manipulieren dabei mit dem Material , um ihre vorgefaßten Meinungen zu bestätigen . Was die lexikalischen Beziehungen zwischen dem Baltischen und dem Slavischen betrifft, möchte man annehmen , in R. Trautmanns Wörterbuch die entsprechende Grundlage hierfür vorzufinden . Dem ist aber nicht so. Denn ungefähr zwei Drittel der bei Trautmann verzeichneten 1690 Stichwö rter haben auch Entsprechungen in anderen Sprachen, kommen also als ausschließlich baltoslavische Wörter nicht in Betracht . Rund ein Drittel der Wörte r ist balt isch und slavisch bzw. das ei ne oder das ande re. Im folgenden einige Wörte r, die in einschlägigen Werken als Standard beispiele für die ursprüngliche Identität des Baltischen und des Slavischen angeführt werden : lit. rankd „Hand", Je . rüolca, apr. rancko, slav. rqka lit. gah'a „Kop r ', le. galva, apr. ga/wo, slav. g/ava lit. rägas „Horn ", le . rags , apr. ragis , slav. rogi, lit. fiepa „Linde", le . /iepa , apr. /ipe, slav. /ipo lit. anglis „Kohle .. , le . üog/e, apr.ang/is, slav. qgfi. (hier bezieht sich die Obereinstimmung nur auf die Wortbildung, die Wortwurzel ist in dieser Bedeutung auch in ande ren Sprachen vertreten. Vgl. ai. angära-. npers . angill „Kohle")
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Neben so manchen lexikalischen Übereinstimmungen gibt es aber auch zahlreiche Abweichungen , so die oft zitierten Standardbeispiele: li t.gi'71ti, le . dzimt ,,zeugen" : slav. roditi lit. köja, le . /cäja „Fuß" slav. noga - apr. nage (lit . ,uzgd "' Huf, lit. 11.igas = Nage l) u. a. Es gibt auch eine Vielzahl von Beispielen, die weniger oft genannt werden (im weiteren in wahlloser Folge): lit. lit. lit. lit. lit.
pienas ,,Milch" : apr. dadan : s1av. mllko kUJUle „Schwein'· : slav. svini(/1) mietiai „Gerste·· : slav. ;,:ti.men i. krösnis „Ofen" : s1av.pdti. (vgl . ai. pakti~. gr. 1u!V,t~) miegöti „schlafen" : slav. n,pari(vgl. ai. m1piti) (vgl. slav. pomidzati ,,blinzeln") ]it. duk.ftas „hoch" : slav. vyso h (vgl. gr. öiJ,t „oben, empor") (vgl. ai. ~-ak~yati „läßt wachsen", loch. A oks, B auks „wachsen", got . wahsjan, lat. au gusllls „erhaben")
Alle diese Übereinstimmungen und Abweichungen in Wortschatz und Wortbildung, wie auch jene in anderen Bereichen de r Sprache, wie etwa weitgehende Obereinstimmung auf dem Gebiete des Akzentes, tiefgreifende Abweichungen im Verbalsystem , lassen darauf schließen, daß für das Baltische und Slavische Perioden gemeinsamen Weges mit solchen getrennter Entwicklung abwechselten. Anhand des Materials läßt sich jedoch nur in wenigen Fällen eine verbindliche Aussage machen, weil sich die sprachlichen Erscheinungen infolge mangelnde r Anhaltspunkte zeitlich nicht erfassen lassen . Ande rs verhält es sich mit Wörtern . die sich zusammen mit den Realien, die sie bezeichnen , chronologisieren lassen . Das sind unter anderem die Bezeichnungen fü r verschiedene Gebrauchsmetalle . So gibt es im Baltischen und im Slavischen gemeinsame Wörter für „Blei"', ,,Zinn", .,Zink" und „Eisen •·: lit. dh-as „Blei", le . aivs, apr. alwis lit.ö./awu „Zinn .., slav. olovo „Blei" lit. lvlnas, Je . svins „Blei , Zink", slav. svim.CJ> ,,Blei" lit.geletis, le . dztlzs, apr.gelso, slav. tellzo ,.Eisen" Ein Umstand, der im Zusammenhang mit den Metallbezeichnungen nun besonders aufschlußreich ist, hat in der Wissenschaft bisher so gut wie keine Beachtung gefunden. Das Baltische und das Slavische haben ein gemeinsames Wort für „Eisen", dessen Herkunft unbekannt ist. Die Kenntnis der Eisenverarbeitung ist bekanntlich nicht sehr alt. Wir verbinden sie in Europa mit dem Begriff der Hallstatt- und der Latenekuhur (etwa 800 vor unserer Zeitrechnung). Die Bronzeverarbeitung hingegen reicht bis ins dritte vorchristliche Jahrtausend zurück . Für „Kupfer" oder „Bronze" haben das Indoiranische (ai. ayaJJ, av. ayö) , das Lateinische (lat . aes) und das Germanische (got. aiz, erhalten in ahd. i rin , nhd . eliern) ein gemeinsames Wort . Nur das Baltoslavische , dem manche Forscher eine jahrhundertelange, gemeinsame und ununterbrochene Entwicklung in Form einer grundsprachlichen Einheit nachsagen , hat für einen Materialbegriff, der eine ganze Epoche, nämlich die Bronzezeit. geprägt ha1, keinen gemeinsamen Ausdruck. Das Litauische verzeichnet für „Kupfer, Bronze" viirias , das Lettische var.f, das Slavische mldb, beide unbe-
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kannter Herkunf1. Aus all dem ergibt sich, daß Baltisch und S lavisch zeitweilig unter verschiedenen iiußeren Einflüssen kultureller und sprachlicher Art gestanden haben müssen. Die gemeinsame Entwicklung des Baltischen und S!avischen ist dadurch gekennzeichnet , daß diese im laufe der Zeit unter den zunehmenden Einfluß von Satemdialekten indoiranischer Provenienz gelangte. Dieser Einfluß zeigt sich einmal in Erscheinungen phonetischer Natur : der Wandel von idg. •s zu (kakuminalem , retroflexen) ! nach i, u, r, k , den das Slavische vollständig durchmachte und in Richtung auf eh (x) weiterentwikkelte , während er im Baltischen, genauer im Litauischen, nur nach r regelmäßig eintrat . Vgl . z. B. lit . virlüs „Gipfel" : blusd „Floh"= s1av. vn.ch1, , b/1,cha. 11 Als zweite phonetische Erscheinung machte sich der Prozeß der Satemisierung geltend, der aber nicht in allen Bereichen gleichmäßig vor sich ging. In der Sprache bildeten sich Kentum-/Satemdubletten heraus, mit denen die Sprachwissenschaft lange Zeit nichl allzuviel anzufange n wußte. Man sprach vom Einfluß unbekannter Kentumsprachen, vom IJlyrischen , Ve netischen u. a. In Wirklichkeit dienen die Doppelformen der Bedeutungsdifferenzierung und der Wortbildung:
lit. akmuö „Stein" : a!muö „Schneide" lit. kaükti „heulen" · Iaükti „schreien" \it.geita.s „gelb " : teftas „golden" lit . gardas „eingezäunter Ort " : ttirdas „Trockengestell" lit. k k noch ein anderes Mittel ein . um dem drohenden Fonnenzu-
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sammenfall zu begtgnen . Dort , wo k nicht differenzierend war, trat eh in der Funktion eines „Satemtilgers" auf. Auf diese Weise finden wir die dem Slavischen arteigenen Wort formen mit der Anlaut reihe s-.(sk-), k- , eh- : slav. sovati „werfen" : ko i'Oti ,,hauen" : ehovati „bewahren" slav. sopati ,.(Flö te) spielen" : lcopati ,,graben" : ehopati ,,ergreifen" slav. saditi ,,setzen " : Jcaditi „ räuchern " : ehoditi/ chatdati ,.gehen, wandern" slav. sljati ,,säen.. &jati (t' < k) ,,erwarten .. : (o-)fajati s~ (l < eh) ,,sich enthalten " slav. sram1, .,Schande " : skrann, .,Fett" : ehrann, ,,Haus·• slav. sin, ,.verwaist " : tif'h (t < k) .,Geschwür" : JU,, (! slav. s, mit dem sie ursächlich zusammenhängen , und waren vor dem Wirksamwerden der ersten Palatalisierung abgeschlossen, was eine Zelt• spanne von etwa 1000 bis 500 vor unserer Datierung ergibt . Andererseits bedeutet dies , daß im ersten Abschnitt dieser Periode auch die Phonematisierung des eh, welches anfang• lieh lediglich ein Allopho n von s in der Stellung nach i, u, r. k wa r, vor sich gegangen sein muß. Was nun die lexikalischen Obereinstimmungen des Baltischen und Slavischen mit dem Indoiranischen betrifft . so heben sich hier vier Richtungen ab (vgl. Diagramm ~): 1. baltisch-slavisch•indoiranische Obereinstimmungen (als Beispiele werden meist ver-
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glichen lit. ovyje „offenbar", slav. ave, ai. OvilJ, av. iiviS; doch sind auch gr. di'w ,,neh• me wahr", aiu1'woµat < *aFw-{}- ,,empfinde, bemerke", lat. audiO „vernehme , höre" hier einzureihen); 2. baltisch-s\avisch-iranische Obereinstimmungen (vgl. lit. kaüpas „Haufen", slav. kupr,, av. kaofa- ,,Bergrücken"; doch sind auch ae. heap, ahd. houfhierhergehörig); 3. slavisch-indoiranische Übereinstimmungen (vgl. slav. c'bst& ,,Verehnmg", ai. cittilJ, av. CistiI; mit präformantischem s lit. skait}'ti „zählen, rechnen·•, le. skäilft); 4. slavisch-iranische Übereinstimmungen (vgl . slav. drbtati ,.ha1ten", av. drataite; doch ist fraglich die Zugehörigkeit von gr. l>pdoooµ.at < */;pax-~wµ.at „fasse, greife").
Keltisch Italisch
J
Gennan;sch
NORDWESTLICHE DIALEKTGRUPPE
Baltisch Slavisch
Slavisch
~
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1:
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1 1
(Arisch)
Lexikalische Übereinstimmungen mit der Satemgruppe: l} Baltisch-slavisch-indoiranische 2) Baltisch-slavisch-iranische 3) Slavisch-indoiranische 4) Slavisch-iranische
"
Iranisch
Dle Schichten des urslavischen Wortschatzes
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Ein Blick auf die Kartenskizze zeigt, daß diese vier Richtungen auf verschiede nen zeitlichen und räumlichen Ebenen liegen, welche das sprachliche und ethnische Entwicklungsgeschehen reflektieren. In vielen Fällen handelt es sich um keine ausschließlichen lexikalischen Obereinstimmungen, da auch Teile der Kentumgruppe daran teilhaben, woraus sich wiederum ergibt, daß die Obergänge von einem Dialektgebiet in das andere fließend waren. Ich möchte aus dem Gesamtkomplex hier nur das vielerörterte Prob lem der iranoslavischen lexikalisch-semantischen Isoglossen, die vielfach als Entlehnungen des Slavischen aus dem Iranischen angesehen we rden, kurz aufgreifen. Die Zahl dieser sogenannten Ent lehnungen schwankt je nach Forscher zwischen 1 und etwa 20.2 1 Z. Go l ~ b 22 z. B. versuchte sogar, die meiste n der mit eh- anlautenden Wörter des Slavischen als Entlehnungen aus dem Iran ischen hinzustellen. Nach ihm sind z.B. slav. ch1>teri „wollen", ch(v)on, ,,Begierde", chvatiti „ergreifen", ehyriti „raffen" u.dgl. Lehnwörter. Dabei werden die reguläre Ablautreihe der Formen und die wortbildenden Tendenzen des S]avischen vollkommen übersehen, denn neben den Formen mit eh- stehen svojb „sein", svat1> ,,Schwager", SJl(ltiti Sfi „einheiraten, sich verschwägern", syr,, ,,satt", syriti „sättigen", (po-)seriri „besuchen" mit s-Anlaut, die nicht Lehnwörter sein könne n, sondern wortbildungs- und bedeutungsmäßig wie erstere alte !-Erweiterungen des Reflexivpronomens •s(u)e-, •s(u)omit der Primärbedeutung „angeeignet, eigen" sind . Derartige Formationen k~mmen ;uch in den anderen indogermanischen Sprachen vor. Vgl. av. Xl!{letu- ,,angehörig", gr. €11K ,,Angehöriger", lat. suerus „gewohnt", lit. svelias „Gast". Unzweifelhaft und als solche r erkennbar ist der iranische Einfluß nur im religiös-ethischen und kultischen Bereich. So entspricht z. B. slav. vera „Glaube" bildungsmäßig völlig lat. virus, ahd. war, knüpft aber bedeutungsmäßig an den iranischen Wortbegriff an (vgl . av. varana- ,,Glaube"). So entspricht slav. slovo „Wort" morphologisch ai. Srava-, gr. KA.€0piti „anrufen" (vgl. le. üpit „schreien", 1
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ano. üfr „Bergeule", ahd. Ufo „Uhu") , briti ,,scheren", phsati ,,schreiben" (vgl . lit. piilli ,,mit Kohle Linien ziehen , zeichnen "), gatati „wahrsagen", in.ti „opfern" (vgl . ai. gr,:räti „ruft an", lit.girti, apr.girt..vei ,)oben", lat.grätus „willkommen, erwünscht") wird mehr oder minder berechtigt semantischer Einfluß von seilen des Iranischen erwogen . Direkte Wortentlehnungen sind jedoch nur in wenigen Fällen nachweisbar, und die sind strittig. Jedenfalls ist es nicht angängig, Wörter, die in gleicher oder ähnlicher Bedeutung und entsprechende r Bildungsweise auch in den anderen Sprachen vorkommen , als spezifisch
irano-slav:isch herauszustellen. Vgl. z. 8. av. h4ma- ,,selbst" - slav. sam1, (daneben ai. sama- ,.ein und derselbe", gr. ()µck , got. sama, ir. som) av. x rü- ,,rohes Fleisch" - slav. •kry in apo. kry, slov. kri (aksl. kn.vb = formal Akk. Sg.) „Blut " (daneben ai . kra vii! ,.rohes Fleisch ", gr. Kpiar; .,Fleisch", lat. cruor ,,rohes Blut", cruentus „blutig""" av. xrvant- ,,grausig", lit. kraüjas „Blut", krüvinas „blutig" : s\av. kn.vbm,, ahd. (h)rö „ungekocht, roh"). - Das Wort ist in den meisten Sprachen verbreitet, dem Iranischen und Slavischen ist lediglich der ü-Stamm gemeinsam. av . dr(u)1'nb „Tag•·, vec'en. ,.Abend", vesna „Frühling", llto ,,$ommer", jesenb ,,Herbst"), der Gestirne (slav. sh,n1,ce ,,sonne", luna „Mond", z vltda ,,Stern") sowie der Grundmetalle (slav. zlato „Gold ", Sbrtbro „Silber'', mldb „Kupfer", usw.) unter den beiden Sprachzwe igen keine Übereinstimmung besteht. Außerdem weichen Jranisch und Slavisch in wesentlichen Begriffen, wie groß, klein, alt, jung, hoch, tief, breit, kurz, dick , schwer , fern er tun, machen, sehen, sprechen , schreien, gebären, wachsen, liegen, warten, treiben, senden, werfen, nehmen, kaufen, bauen, waschen, u , a. voneinander ab. Verschieden sind in den beiden Sprachzweigen auch die Bezeichnungen für einige Körperteile, wie Kopf, Augen, Zähne, Arme, Finger, B eine, Knie, Rückgrat, Wangen , u. a.24 Ein Großteil der obgenannten Begriffe und Vorstellungen besteht im Slavischen entweder aus gemeinindogermanischen Wörtern mit teilweise geänderter Bedeutungsentwicklung (vgl. slav. mladb ,jung" gegenüber der Bedeutung von ai. mrdu~. lat. mollis „weich, zart", gr. µ€X6oµat „mache schwach" , arm . melk „weichlich, schlaff", usw.) oder Bildungen, die nur Teilen des indogennanischen Sprachgebietes, vornehmlich den westindogermanischen Sprachen , eigen sind (vgl. slav. mah. ,,klein", gr. ,rr,/1.ov, air, mil „Kleinvieh.. , lat. malus „schlecht , minderwertig", got. sma/s ,,gering, klein "; slav, stan. ,,alt'·, lit. st6ras „dick" , ano. st6 rr ,,groß, gewaltig"); der Rest sind auf slavischem Boden erfolgte (suffixale und/ode r infixale) Neuerungen mit teilweiser eigener Semantik (vgl. slav. glqbo-k'b „tier· zu gr. ")"XU,,,W ,)löhle aus·•, lat . gliibO ,.schäle ab", ags. cliofan, ahd . klioban ,,spalten" ; slav, iryso-k'b ,,hoch" zu gr. OV,71Xck ,,hoch", ir. 6s, uas „oben, über"; ahd . lif ,,aur• ; slav . rasli, rastq „wachsen" zu av. ara6wa-, lat. arduus ,)loch, steil", air. ard ,,hoch , groß", usw.). Auf eine engere , in älteste Zeiten der indogennanischen Sprachgemeinschaft zurtickreichende Verbindung zwischen dem (Vor-)Iranischen und (Vor-)Slavischen in dialektaler oder arealer Hinsicht kann aus diesem Wortbestand nicht geschlossen werden , wohl aber läßt sich daraus eine klare lexikalische Tendenz des (Vor-)Slavischen zu den westindogermanischen Sprachen oder Teilen von ihnen erkennen. Außerdem ist hier nochmals auf die vordem behandelten lexikalischen Beziehungen des Slavischen zur nordwestlichen Dialektgruppe und die spezifisch italo-s\avischen, germano-slavischen und balto-s\avischen Parallelen im Wortschatz hinzuweisen , die zeitlich vor den irano-slavischen Sprachberührungen liegen. Für die slavische Sprachgeschichte ist die Periode der irano-slavischen Berührungen insofern bedeutsam, als die Slaven die letzte Phase ihre r Entwicklung zur eigenen Sprache in der Nachbarschaft iranischsprachiger Volksstämme durchmachten, die zwischen dem siebten vorchristlichen und dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert historisch nachweisbar im nördlichen Schwarzmeergebiet siedelten. In der Zeit der irano-slavischen Kontakte hat das Slavische in sprachlicher Hinsicht jedenfalls jene spezifischen Züge angenommen, die es vom nächstverwandten Baltischen bereits merklich abhoben (erste Palatalisierung der Velare , Tendenz zum größtmöglichen Öffnungsgrad der Vokale , Umgestaltung von Kasusformationen, Bedeutungsentlehnungen, usw.), Der Einfluß des Iranischen auf das Slavische liegt also in weit größerem Maße im phonetischen und morphologischen als im lexikalischen Bereich. In diese Zeit fällt aber auch die Bildung neuer Wortformen , welche das Slavische unter Verwendung des indogermanischen Instrumentariums tätigte und welche die eigenständige Wortschatzschicht bilden: Bezeichnungen
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fUr soziale Begriffe, wie roch, ,.Sippe", plem~ ,,Stamm", bralo. .,Eheschließung", ne~isra .,Braut", otroh „Kind, Diener, Knecht", teQadb „Gesinde", t!lovlh ,,Mensch, Mann"; Bezeichnungen für Tiere , wie konj1> ,,Pferd", byln. ,,Stier", kun. .,Hahn", medvlgija 1973 (19751 , Jfr. V. V. Man yno v, Slavjan0-Jtrma nskoe leksi~skoevz.aimodejstvicdrevnejtej po ry. Minsk 1963. J . Safuewici, Ze zw~zk6w slownik owych slowiallsko--i tdskich . In : Studia linguistica in honorem T. Leh r-Sptawb'uki. Krak6w 1963 , 133 ff.; ders., Przedhistoryune zwiftki j~zykowc italsko, stowiar'lskie. In : RS 23, 1964 , 19 ff. l . Gobb. ,.Kentum" Elements in Slavic. In : LPosn 16, 1972, Slff.; deu., The Initial x- in Com• mon siavic. A Co ntr ibution 10 Prehistorical Slavic-Ira nian Contacu. In : American Contributions to the Sevcnth International Congress of Sbvists. Vo l. 1. Thc Haguc 1973, 129 ff.; de rs., Str1ty• rilutja stownictwa praslowialiskiego a updnienic ctnogenezy Slowian . In: RS 38, 1977. 15 ff. Zur Lilentur im eint.einen vgl. H. Birnbaum, Comrnon Slavic. Progress and Problems in its Recon• struction. Cambridge/Ma n. 1975 , 200ff.; ferner H. D. Pohl, His1orische slavische Sprachwissenschaft seit 1945 . In: Kratylo s 22, 1977/78, 1 ff., sowie die das Sbvbc:hc betreffenden Abschnitte im jeweiligen Informa tionsteil der „S prache", Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Oir. Stang, Lexikalische Sonderilbereinstimmungen iwischcn dem Slavischcn, Baltischen und Germanischen. Oslo- Bcrgen- Troms4 l 97 1. Vgl. 0 . N. Trubat.:ev, Formirovanle drevnejlej rcmeslennoj termlnologil, 1. c:. 14 ff., bes. 33. Die folgenden Angaben wurden von Mitarbeitern des Institutes fiir Ur- und Frühgeschichte der Universität Innsbruck freundlicherweise zur Verfügung gestellt, wofür hier nochmals aufrichtig gedankt sei. Vgl. Chr. Stan,, Lexikalische Sonderübereinstimmungen, 1. c. 77 . Zur Forschungsgeschichte ab 1950 vgl. H. D. Pohl, Baltisch und Slavisch. Die Fiktion von der baltisch•silvischcn Spncheinhcit. Zweiter Teil. In: KBS 7. 1981 , 93 ff. Zur Gesamtfraae im Baltisc hen vgl. Ch r. Stang, Vergleichende Grammatik der baltischen Spnchen. Oslo - Bcrgen - Tromsd, 1966 (Univc:uitetsforlaget), 94 ff., de r in der Unregelmäßia;keit der lautliche n Enlwicklung kein phonet isc hes. sondern ein dialeklgeographisc hes Problem sieht.
or
G. V. Shevelov, A Prehisto ry Sbvic, Heidelberg 1964 , 142 ff.• filht1 flir das Slavlsche 28 Ken• tumfo rmen an, welche durch Goqb, .,Kentum" Elements in Slavic, 1. c. 53 rr„ um w-citcre 33 erginuwerden. Nach V. N. Ceknun, 0 refleksac h indoevropejskich •l, • jv balto-s bvjanskomjazykovom areale. In: Balto-sllYjan*ie issledovanija. Moskv.a 1974 (Institut sla\'janovedenija i ba\kanistiki AN SSSR), 116 rr., stehe n 46 Kentum-/Sate mdublettcn im Baltischen 5 im Slavischen gegenüber.
z.
Val. H. Schelesniker, Zum Problem des anlautenden eh• im S\avischen. In: Studies of Ukrainian Linguisti cs in hono r ofGcorge V. Shevelov. New York 1985, 267 ff. Zum Fragengebiet vgl. A. A. Zaliznjak, Problemy s\avjano-iranskich jaiykovych otnoknij drevnej§cgo perioda . In: VsUa 6, 1962, 28ff.; den„ 0 charakt ere jazykovogo kontakta mefdu slavjan• skimi i skifo•sa rmatskimi plcmenami. In: KSIS 38, 1963, )ff. Z. Go~b. The initial)(• In Common Slavic. 1. c. 129 ff. Im übrigen sind hier noch se hr vie le Einzelfragen zu klären , so etwa, ob slav. zod1> .,Hinte rt eil" nicht eher eine d-Erweitc rung von ta ist . wie pod1. .,unterhalb" von po oder nad1. ,.oberhalb" von 11/l . In diesem Falle wäre ein direkter Vergleich von slav. tadi. mit av. tadah, ..Hintern, Steiß" ausgeschlossen. Stell t man jedoch slav. iad1, mit av. zodah- zugmmen, sind auch die Enuprechun• gen in den iibrij:en Sprachen hcrant.uziehen, so ai. hadati „scheißt", hadanam „Kot", gr. l.:itw, Perf. •Kixo6a, )(66a1>0u, alb. dhiu „scheiße". woraus sich ergibl, du du Wort nicht als U'anos\avische Panllcle gclten kann. Va l. dazu A. A. Zalit.njak, 0 charaktcre jazyk:ovogo kontakta mefdu slavjanskimi i skifo•sarmat• skiml pleme~mi, l.c. 11 rr„ bes. 14 , 16, 19. Nach F. R. Adndos. Die rliumlichc und ieitlichc Differenzierung des Indoeuropäischen im lichte der Vor- und Frühgeschichte. In nsbruck 1982, 16 f. ('= IBS. Vorträge und Kkinert Schriften 27}, sollte man anstelle von wcst• richtiger von no rdindogcrmanischc n Sprachen und anslellc von ost•
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26 27
Herbe rt Schelesnikcr besser von südindogermanischcn Sprachen reden. Spr.achtypologisch und geoguphisch gesehen, wircn in Anlchnuni an die Tcrminok>gie von F. R. Adrados die Bezeichnunge n „Nord\1i/Cstindogcrmanisch" und ,.Sildostindogermanisch„ .....-oh! am genauesten. Nach dieter Gruppierurc geh6rcn das Slavischc und du Baltische den nordwestindogermanischen Spnchcn an, wihrend dH Griechische und das Arische den südostindogermanischen Sprachen iuiuzihlen sind. Val. ai. afQ „Ziege" und a/inam .• (Ziegcn-)Fell". Hinsichtlich des prifor man1 ischen k- lehnt sich sl111. kOtlil an die ge rm aniJchen Bildungen, ano. hqkuU, ags. htcen ,,Zicklein", an. Die manchcucils vertretene Ansicht. daß slav. mllko eine Entlehnuna aus dem Germanisc hen (v1I. got. miluks, ahd. miluh, usw.) sei, ist nicht nur von der lautlichen Seile her unmöglk:h, sondern 1uth in Anbclr.ithl der slav:isthen Ab bulfo rm m/4/uz „Feuch1igkei1, Sumpl"' llUIUthlossen. Sllv. mllko ist nur mit toch. A malkc, B malkwer ,,.Milch" vcrg leichNr. In welchem Vcrhlillnis gr. )J1'.K.a.. 111. mdca „Ge, ich t aus saurer Milch'" dazu und unt erei nande r stehen. in bisher unge• klärt .
Weitere Literatur zum Fragengebiet (in Auswahl) : A. Klimas, Bal tic, Gcrmanic and Slavic. In : Festschrift für Chr. Stang, \ 970, 26) ff. (• Donum Salti• cum) M. Leumann. Balt isc h und Slavisch. In: Festschrift für F. Sommer, 1955, JS4ff. (• Co rolla lingui• stica) V. Pisani, Balt isch, Slavisch, Jr.inisch. In : Baltistica 5, 2.1969. 133ff. (Italienisch in: RSlav 15, 1967. )ff.)
V. Pi1ani, Weiteres zu den iranisch-slavisch•baltischen Bcziehun,cn. In: Baltin i~ 7, 1, 1971 . 17 rr. H. D. Pohl, Siavisch und Lateinisch, Kbgenfun 1977 ("' KBS. Beiheft 3) A. Senn, Thc Rel.at io nships or Bal1ic and Slavic. In : Anc icnt lndo•Europcan Dialccu (ed. H. Bim• Num - J. Puhvel). Bc1keley-Los Angeles 1966, 139fr. A. Senn, SJ.avic and Balt ic LinguistK Relatio ns. In : Fest schrift für Chr . Stana, 1970, 485 rr. F.Stawski. Lexikaliichc Neuerungen im Baltisch•Slavischcn. In ; Fe~lschril"I filr Chr.Stang, 1970.
soo rr.
K. Stcinke, A. Vraciu, Zu den sprachlichen Parallelen zwischen dem Albanischen, dem 8alti,chen und Slavischen. In: Bal!istica 12, 2, 1976. JJOff.
HERBERT SCHELESNIKER
Slavisch nevlsta „Braut" und Zugehöriges
Die indogermanischen Völker kannten in der Zeit ihres Zusammen lebens als Mittel des Frauenerwerbs die Raubehe und die Kaufehe, die nach der Auflösung der Sprachge• meinschaft im Leben der nachfolgenden Sprachträger in den einzelnen Sprachen und Sprachzweigen fo rtgeführt wurden , wie aus der aufgrund geänderter Verhältnisse und Praktiken lexikalisch zwar verschiedenen, semantisch aber auf gemeinsame Vorstellungen zuriickgehenden Terminologie hervorgeht. Für den Begriff „Kaufpreis der Frau" oder später „Mitgift der Braut" hatte das indogermanische Dialektkontinuum mehrere Wörter, die in bestimmten Sprachräumen enger beheimatet waren , jedoch auch in benachbarten Gebieten in allenfalls differenzierter Bedeutung verwendet wurden. Mit ai. l'05'IO · ,.Kaufpreis", denom . rasnayati ,,feilscht" decken sich gr. W"°' , denom. wvloµat ,,kaufen ", lesb. (Akk . Sg.) 6waP , lat. venus (erhalten Dat . Sg. veno und Akk. Sg. i'enum)•. zu denen ein primäres Verb gehört, das in heth. '!'11· ,,kaufen " erhalten ist.1 Zu alit. krienas (belegt Gen. Sg. krierw) ,.Kaufpreis", le. kriens „Brautgabe " stellen sich ai. krif!'lri „ kauft ", kraya- ,.Kaufpreis", gr. (Aar.) rrpiao~, neg. Verbaladjektiv d•rrPl4•TO(; ,.ohne Lösegeld"(= formal ai. krita• ,,gekauft "), PN. 'Arrpuif"Tl, toch. A kuryar, B karyor ,,Kauf, Handel", air. crenim ,,kaufe", crith „Bezahlung, Kaur•, russ.•ksl. krw1uti ,,kaufen". Das Griechische vereinigt beide Wortstämme mit der Bedeutung ,,kaufe n" in einem supplet ivischen System , indem es zum Präsens WVf'oµa,. den Aorist t.,rptd,.µ1w stellt. Zu ags. wedd ,.Pfand , Vertrag", weddian „Vertrag machen , heiraten" stellen sich lat. l'OS, vadis „Bürge", vadimönium „Bilrgschaft ", got. wadi ,.Pfand, Handgeld ", gawadjon .,verloben ", ahd . wet(t)i ,.(Pfand-)Vertrag", mhd . wetten ,.Pfand geben", lit. ~'Ö •ple-tro-: air. /ethar ' Haut, Leder', ky . lledr > germ. •tef,ra -: ahd. le'dar , ae. Jeder , ne . leather. Wenn man für das Vorkelt. die unmittelbare Rekonstruktion •pte-tro- vorziehfl7, bleibt die semantisch einleuchtende Verbindung mit idg. •pel(a)- 'verdecken', gr. -1ffM~ ' HaUt', lat. pellis , ahd. fel usw. (Pokomy 19S9, 803) in der Form unerklärt; eine vorkelt. Metathese •pel-tro- ... > • pte-tro- würde dagegen strukturell das Problem des vorkelt. Ansat• zes Jösen .21 Allerdings fehlen die Parallelen für diesen nicht notwendigerweise lautgesetzlichen Prozeß. Auf der Basis der kelt.-germ. Isoglossen ist die durch Wurzelablaut differenzierte Gleichung (19) Mir. gual m . (o-St .) und f . (ä-St.) 'Kohle' < •geulo- oder •goulo- : an. kol 'Holzkohle', ahd . kolo usw.< •kulo(n)den von W. Schulze ( 1929) 1966, 479 diskutierten anderen Möglichkeiten vorzuziehen. Das Gewicht dieser Gleichung hängt aber außerdem noch ab von der Beurteilung der in ihren Weiterbildungen vorerst unklaren armen. Wörter unter Nr. 20:
(20) Armen . krak ' Feuer, glühende Kohlen', krak-aran "Herd, Feuerbecken , Glut• pfanne ' < •guro- oder •gulo- (mit analog. Übergang zu •guro- durch Einfluß von hur 'Feuer'). Neben dem kelt. Bezeichnungen für Armschmuck enthaltenden Plin .-Zitat „Viriolae celticC dicuntur, viriae celtibCrice" nat . 33, 40 (vgl . Sofe r 1929, 33) bestätigt das zu Grunde liegende Adjektiv
(21) Air. [iar 'krumm, schief, ky . gwpr < •1:.eiro- ; an. virr, ae. wir (.,':,ira-) 'Metall• draht, gewundene r Schmuck', ahd. wiora (•1:.e,ra -) 'Gold- oder Silberdraht', spätan. vira-virki 'Arbeit aus Metalldraht'29 die kelt . Herkunft der germ. Wörter für Draht (Nr. 21) .
(-y) Geräte und Produkte Das wiede rholt diskutierte Materia!30 schließt u. a. Isoglossen ein aus den semantischen Bereichen Bau und Siedlungswesen, Schmuck, Textilien, Waffen, sonstige Gebrauchsgegenstände. Zu Bau und Siedlungrwese,i gehö ren die bekannten Bezeichnungen für Burg, Hafen, gestampfter, später gepflasterter Boden und Dach:
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(22) Air. dün , ky. din , gall. duno- ' Burg': an . tun , ae. tün > ne. town , ahd. zün > nhd. Zaunl l ; • Jwpno- ' Behälter' > 'Hafen': mir. cüan m.: an . h1.1fn f.ll ; •p/äro- 'gestampfter, gepflasterter Fußboden in Haus und Stall', 'Diele ': air. ldr, mky. lfawr 'solum, pavimentum' : an . /lö" 'Diele des Kuhstalls', ae. flör, mhd. 11/u or ll ; •rogo- ' Dach' : ky . korn . to: germ. •t,aka-(an. /Jak , ahd . dah ) : Wurul • (.s) reg-34_ Kell . Prio rität kann man !Ur diese Isoglossen ebensowe nig beweisen wie für die von de n Wu ruln •11eih- und •reidh - abgeleiteten Bezeichnungen für Wagen . Der Untersch ied im Vokalismus zwischen (23) Vorkelt .
•~eih-110- (air. ftn ,
ky. gmiin , gall. co-1•in-nus) : vorgerm .
•"!oih-no-
(an . 1oagn , ahd . wagan) erklärt sich am besten durch analogische Übernahme des o-Vokalismus im Vorgerm ., obwohl das Mu ster für diesen Prozeß im Germ . nicht so klar belegt ist wie etwa im Gr. (vgl . letztlich Panagl 1984) :
(24) Gr. 6x~ n . 'Wagen' mit 0- statt f. nachöx~ m. 'Wagen'. Das Rekonstrukt •11eih-110- ist entweder als Verbalabstrakt 'Fah ren' im Sinne von idg. • s11ep-no- 'Schlaf < *Schla fe n zu interpretieren oder als 'substantiviertes Partizi p ' im Sinne von gr. TfK-vo-v 'Kind' < • Geborenes= an . ae . t,egn, ahd . dega11 'Kna be , Gefolgsmann, Krieger•.Js Unterschiede im Wurzelvokalismus zeigen auch die Ableitungen von idg. •reidh -: vorgerm. •roidhä drückt zunächst ein Verbalabstrakt/Nomen act ionis ausl6 , die ungewöhnliche e-Stufe in keh . •reidho-/reidhä- stellt dagegen e ine Übe rtragung aus dem Verbum dar ; im Air. z . 8 . bildet riad < •reidho- n . das Verbalnomen zu dem e-stufigen Verbum reidid 'er fährt im Wagen'J7 :
(25) Vo rkelt . •reidho-/ä- (air. riad 'im Wagen Fah ren , Reiten' > 'Fahrt , Reise', ai r. dtriad gl. bigae ; galt. reda 'vierrädriger Reisewagen') : vo rgerm. •roidhä (an . reid f. ' Reiten , Reiterschar, Wagen', ahd. reita 'Wagen , Kriegszug') .l8 Aus dem Bereich der Schmuck-Wö rter sind über die Belege von Nr. 21 hinaus die Ableitungen von den Wu rzeln *dhelg- 'stechen , Nadel ' (Pokorny 1959, 247) und •ned- 'wsammendrehen , knüpfen' (Pokomy 1959, 758f.) zu ne nnen. Die erste Gleichung zeigt Übe reinstimmungen in de r Bedeutung, die zweite in Form und Bedeutung:
( 26) Air. de/g n . (s-St.) 'tho rn , pin , brooch' : an . dälkr 'Nadel zum Befestigen des Mantels, Messer' lll ; air. nasc 'a fastening tie, ring' : ahd . 11uska 'Mantelschnalle'; av. naska- ' Bündel' > 'Sammlung heiliger Te xte'. Unter den Textilien werden gallo-lat. bräca 'Hose' 4 0 und camisia 'Hemd' 4 J als Entlehnungen aus dem Ge rm . in das Kelt. diskutiert , während
Handwt'rk und Hand ""-e rker im Ke ll ische n und Germanischen
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man mit ausgebreitete n Armen abm ißt ' (Kluge 1975, 179) :
(28) Kelt . • etami > aky. etem , ky. «lau, PI . edaf«ld ' th read , yarn '; schotl .-gäl. aitheamh : germ . •fat,ma-, ahd. fadum , .am usw. Was d ie Waffen-Namen Speer und Brünne angeht , so bietet gr. xo.ioc: 'Hirten stab' eine semantische Vo rstufe zu kelt .-germ. •ghaiso- 'Wurfspieß , Speer': (29) Cr. xo.ioc; : air. gae , gallo-lat.gaewm , gallo-gr. -yo.i'o011 : ahd. as. gtr. Die kelt .-germ. Isoglosse •ghaiso- ist demnach auf Grund gemeinsamer semantischer Ent• wicklung Sch icht 2 zuzuordnen . Andererstits lassen sich die germ . Wörter fü r den Brustpanzer (30) Got . brunjo f. (n-St.) 'ßWpo.f , an. brynja, ahd. brunia, brunna 'Brustpanzer' m it alti r. bruinne ' Brust' , der ja-Able itung eines inselkelt. belegten n-Stammes. vergleichen : (31) Air. bruim1e f. 'Brust' < *bhru snio-; brti f. , Gen. bronn 'Bauch, Leib' < *bhrus-0. Gen . *bhrus-n-0s, brit. •bhrus-n-i'Brust': ky. mko rn . bron , bret . bronn. 4 l Da die wurzelverwandten germ . Wörter für Brust, (32) Got. brusts f. PI. (kons. Stamm) , altes Dualetantum ; ablau t . as. briost , afr. briast , ae . briost, ne. breast , du rch Dentalsuffixe gebildet sind , während n-Stammbildungen gänzlich fehlen, muß die kelt. Herkun ft der Brünne-Wö rter als sehr wahrscheinlich gelten , ,,auch wenn dort das Wort in der Bedeutung 'Panzer' nicht bezeugt ist" (Birkhan 1970, 156). In Anbetracht de r Tatsache, daß Namen für Kö rpe rteile in der Regel de m konservativen Grundwortschatz einer Sprache angehören und demzufolge nicht h äufig entlehnt werden, ist überdies zu vermuten , daß die Germanen das festlandkelt. Wo rt be reits in de r Bedeutu ng Brustharnisch überno mmen hatten und damit indirekt die Existenz de r Vorlage für das Festlandkelt. bezeugen. Aus der Rubrik sonstige Gebrauchsgegenstände möchte ich hie r aus Zeitmangel lediglich •ghabhlo-/ä- 'Gabel' und *sitlo- 'Sieb' nennen: (33) Air. gabul m . (o-St .) und f. (li-St.), ky. gafl : ahd. gabala , ae. gafol, geafei 44 ; ky . hidl, mbret . sizl : an . SOid n .4s Bei Gabel teilen beide Sp rachen auße r dem Etymon auch die semantische Entwicklung von Astgabel zu Gabel als Gerät. Die •st-tlo - zu Grunde liegende Verbalwurzel •sti-, deren Reflexe auch im Gr., Ball ., Slav. und Alban. bewahrt sind 4 6, ist sowohl im Kelt. als auch im Germ. auf die • -tlo-Ableitung beschränkt.
(27) Air. rucht 'tunica· < •ruktu-, mky. rhy ch(en) ' Mantel' < • roukkä : ahd . rocko 'Rocken' usw. 4 2 eher de n Status e iner kelt .-ge rm . Isoglosse aufweisen. Die gemeinsame geneuerte Seman tik von Schicht 2 zeigt das Wort für Faden , eine Nasalableitung von der Wurzel *Mt(a)- 'ausb rei1en (der Arme)' (Pokorny 19S9, 824), die man semantisch zurückgeführt hat auf 'Umspannung mit den Arme n' bzw. 'so viel Garn , als
II . Besprechung einiger Termini, die das Keh . und Germ. mit a nderen iq. Sprachen teilen Der Abschnitt muß begrenzt werden auf wenige Belege aus de m 'vocabulaire du nordouest' in Meillets Terminologie (1 908, 17ff.); nord-0uest bedeutet in d iesem Kontext Westidg. Sprachen (Kelt ., Germ ., ltal.) plus Nordidg. Sprachen (Ball., Slav., Germ.); zu letzte ren hat Kurylowicz 1956, 209 auch das Albanische gestellt.47
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Kar\Hor sl Schm idt
(a) Westidg. Belege: 1. 'Spieß, Spee r': (34) •gweru- : got. qairu 'oK6AoV,, Stachel' : lat. veni 'Spieß', umbr. ben-o. 'venia' : air. bi(u)r, brit. •ber 4 8; 2. 'Sieb': (35) •krei-trO • : air. criathar : •krei-dhro- : tat. cribrum : ae. hridder; ahd. rltera : Wurzel •(s)ker-, •(s)krei.49; 3. 'Stangengerippe':
(36) •Kiei-tt"a- : umbr. k/etro.m (Akk.) 'Sänfte', lat . clitel/o.e 'Saumsattel' < •kiei-tro-lä: got. hlei/)ra f. 'Zelt': •k!i-trä-: mir. clithar, cletlrar 'Stütze , Schirm', ky. cledr-en 'Sparren , Latte, Zaun': Wurzel •Klei-. so Auf Grund der historischen Schichtung ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die westidg. Isoglossen - ebenso wie die kelt.-ita\. oder germ.-ital. Übereinstimmungen - die germ.-kelt. Gleichungen an Alter übertreffen; demzufolge sollten die Belege von Nr. 34 und Nr. 35 älter sein als die diesen in ihren Bedeutungen nahestehenden kelt .-germ . Isoglossen •ghaiso• (Nr. 29) und •serlo• (Nr. 33). Andererseits zeigen kelt.-ital. •gweru-(gegenüber got.qairu) und kelt.-germ. •ghaiso- (gegenüber gr. x~) Übereinstimmungen in der semantischen Entwicklung zu 'Spieß , Speer'. Doch gibt es Parallelen für diesen semantischen Prozeß, z. 8 . (37) •ghasto•, •ghazdho- 'Rute, Stange' : mir. gass 'Schoß, Sp roß, Reis', gat 'Weidenrute' : got . gazds m. 'Stachel' : lat. hasta 51 ; vgl. auch lat. sparus: ae. spere, ahd.
sper.S'2 In teressanter sind die Gleichungen kelt. •krei-tro-: ital. -germ. •krei. blod > bleud. Die Gleichung erklärt sich am besten als gemeinsames idg. Erbe.62 2. 'Kohlenglut ' (vgl. Nr. 19): (46) •p;k-es-td : air. richis f. , Gen. richessa, bret. reget : •prk{e)s-ni-/ti- (?) : lit . pirk!nis, Pl . piiklnys 'glühende Aschenflocke', Jett. PI. pirkstis.6J
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lll . Konfrontation der kelt .-germ. HHT mildem Rekonstrukt der idg. HHT Auf der Basis des unter Nr. 3 gegebenen Schemas von W. P. Schmid 1983 Jassen sich den vier bearbeiteten Stoffgruppen 'handwerkliche Tätigkeiten' zuordnen, die in ihrem Alter als idg. eingestuft werden können: (47) 1. (a) •dheijh -, (b} •maj2. (a) •1eK.t,-, (b) •dem(a)3. (a) •siü-, (b) •uei- , (c) •uebh-, (d) •ueg-, {e) •ten4. (a) •~e/(a)-, (b} •peis-, (c) •gwer(a)-, (d) •jer(a)-. Die Sammlung kann natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben , sollte aber trotzdem einen allgemeinen Eindruck vermitteln von dem Grad konservativen Verhaltens beide r Sprachen in der HHT. Einige stichwortartige Bemerkungen mögen dies verdeutlichen. 1.(a) *dheigh- '(Lehm) kneten' (Pokorny 1959, 244f.), (b) *mai- 'kneten, drücken' (Pokomy 1959, 696)c (48) KELT GERM
(a) ae. hli/-di3e 'Hausfrau' < 'Brotkneterin' (a) air. (for-)ding 'unterdrückt' (a) got. /)amma digandin 'dem Knetenden' {lat./ü,go1 (b) bret. meza 'pCtrir' (b) *mak6n 'machen' Werkstoff (a) gol. daigs m. 'Teig' Ptodukt (a) air. digen 'fest, festgekne(a) got . kasa digana 'Tongefäße' , *gatet' digis (s-St.) 'Gebilde' (überliefert -k-)64 Agens
2. (a) *teKP- 'flechten', 'zusammenfügen', 'zimmern' (Pokorny 1959, 1058 f.), (b) *dem (a )- 'zusammenfügen', 'bauen' (Pokomy 1959, 198 f.): (49)
KELT
Agens
(b) ir. det 'disposition', ky . dant, PI. daint 'mannen, disposition , malice' < *dn;-toWerkstoff (b) air. damnae, ky. defny dd 'Material' < *dam-niio < *dn;~-njo- 'Bauhoiz• Verbum
GERM
(a) ahd . dahs < */)ahsu(b) ahd . zimberman (a) mhd. dehse11 'Flachs brechen' (b) got. ga-timan 'geziemen ', ahd . zumft < *dn;-ti(b) an . timbr , ahd . zimbar ' Bauholz , Gebäude ' < *dem-ro-
(a) ahd. dehsala (vgl . russ. tesla , lit. tafiklis : -klis < *-tlio-)6S
Jnstrume,it (a) air. MI 'Axt' < •töKplo-
Kommentar: Kelt . sind beide Verbalwurzeln lediglich noch in infiniten Bildungen bewahrt . Parallelen zum Germ. zeigen sich inhaltlich bei den Ableitungen von Werkstoff, formal und inhaltlich bei der Bezeichnung des Instruments , formal bei kelt . *dn;-10(Verbaladjektiv) : germ . *drr, -ti- (Verbalabstrakt). Das ältere indo-iran.-gr. Nomen agentis • teK/,-cn- ist im Germ . - ähnlich wie im Lat. - du rch Neubildungen ersetzt worden (germ. •pahsu- bzw. lat. rexto r)66 , während ein kelt . Substitut gänzlich fehlt.
3. (a) *siii- 'nähen' (Pokorny 1959, 915 f.), (b) •uei- 'drehen, biegen , flechten' (Pokorny 1959, t12of.) , (c) *uebh - 'weben, flechten, k~üpfen ' (Pokorny 1959 , 1114f.), (d) •~eg- 'weben , knüpfen'~ (Pokomy 1959. 1117), (e) *ten- 'dehnen, spannen, spinnen' (Pokorny 1959, 1065f.): (50) Agens
KELT
Verbum
Produkt
GERM
(d) ky. gwi ydd 'Weber' < *ueg- (c) ndh. Weber iios61
Verbum
Kommentar: Die Wurzel *dheigh- ist stärker im Germ . verankert ; ihr Bedeutungswandel im Kelt. ist vermutlich bedingt durch Kontamination mit der Wurzel •dhengh- 'drükken '. Andererseits bestätigt die wahrscheinliche Gleichung air . dingid : lat./ingö die Existenz von *dheigh- auch für das Kelt. Die Wurzel *mai- hat im Germ. eine Bedeutungserweilerung zu machen erfahren, durch die die Verbreitung des Lexems wesentlich ge fö rdert wurde.
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Handwerk und Handwtrkcr im Kelti sc hi!n und Germanischen
~
(b) ;ir. fe-n - (*ui-na-) : ar-fen'abschließe~', im-/en- 'umhegen' (d) air.f,gim 'webe', abret.gueg "tissage,action de tisser' (e) air. ttil 'Saite, Schnur' < *11.1tä, ky. tanr ds.
Werkstoff (b) mir .ff 'Rute', ky. gwia.l-en 'Zweig, Rute' Instrument (d) gall. veadia. (•vegia.dia.) 'Spinnwirtel'
(a) got. siujan, ahd. siuwan (c) ahd. weban (e) got . uf-/)anjan 'sich ausdehnen '
(a) ahd. siut m. 'Naht', ae. seod 'Beutel', ahd. soum "Saum' (b) got. waddjus 'Wall , Mauer', an . veggr 'Wand' (c) mhd. wift 'feiner Faden, Gewebe', an. i•efr (*wabja-) 'Gewebe , Aufzug, gewobenes Zeug'
(a) •siu-dhlä 'Ahle' ahd . siula (lat. •s(1)ii-dhlä > sübula, slav. *fidlo > russ.fi/o) (e) an. /)inull ·Tau zum Spannen des Netzes'
Kommentar: In der Bedeutung weben stehen genn. •uebh- und kelt. •ueg- weitgehend in komplementärer Distribution . Doch bestätigen nhd . Wörter wie Wiek~!. Wachs . Wiede, Wocken die Verbreitung der Wurzel •ueg- auch im Germ. Die Wurzel *siü- 'nähen' ist im Kelt . überhaupt nicht belegt ; die dav'"on abgeleitete Ahle stellt eine JsÖglosse des Germ. mit dem ltal. und Slav. dar. Die Wurzel •ten-, die auch air. ran 'Zeit' zu Grunde liegt, ist im Kelt . nur noch in sehr begrenzter Form erhalten, ein Faktum , das den Argumenten gegen 0 . Bergins Etymologie von air. ttiit 'geht' < *ten-ti beigefügt we rden sollte .68
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4 . (a) •me/(a)- 'mahlen' (Pokomy 19S9, 716 ff.), (b) •peis- 'ze rstampfen· (Pokomy 1959, 796), (c) •gwer(a). 'mahlen' (Pokomy 1959,476 f.), (d) *ier(a)- 'ze rreiben' (Pokorny I 959,390 f.): (51)
KELT
GERM
(a) air. melim 'mahle', ky. malu (a) got . ahd . mala11 < *m{~Produkt (a) mky. blawt (N r. 4S) (a) germ . •melua- 'Mehl ' : an . mjqf, ahd. as.miflo ~ (d) •gra-no- 'Korn ': air.grdn , ky ,'grawn (d) •gr~-no- 'Korn' : got. koüm, ahd. ae. korn /nstrnme,u (a) air. mo/ 'Mühlstange ', bret. (b) mnd. visel 'Mörse r' meil 'Mühle' (c) got . asilu-qaimus 'Eselsmühle' , an. (c) air. brdu, br6 'Handmühle' kvem f. 'Mühlstein'< •gwera-nu-/nä-69 < *g"-'reh•'.!on- , ky. breuan Verbum
0
Handwerk und Handwerker im Keltischen und Germanischen
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kelt. ca"os (o-St.) : lat. currus (u-St.) und im Zusammenhang mit den Bezeichnungen für Silber (Nr. 39). Die Konfrontation des idg. und ke\t.-genn. Bestandes an Wörtern der HHT blieb begrenzt auf die un ter Nr. 47 angeführten semantischen Bereiche bzw. Verbe n. Es zeigte sich, daß das relevante Vokabular unter l (Nr. 48) und 2 (Nr. 49) noch fester in das Germ. integriert ist als in das Kelt ., wozu bei •maj- (1 b) und *dem(a)- (2b) die übe r handwerk.1iche Tätigkeiten hinausgehenden Bedeutungen beigetragen haben. Die Verba!• wurzeln • siü- 'nähen ' (3 a) und •peis- 'zerstampfen' (4 b) sind überhaupt nur noch im Germ . nachweisbar. Andererseits repräsentieren die kelt. Wörter für Mehl (4 a) und Mühle (4c) in der Wortbildung einen älteren Typus als ihre genn . Äquivalente. lm ganzen ge• sehen , bestätigt das überprüfte Material aus der HHT nicht die These von dem archaischen Charakter de s Kelt. als Marginalsprache. 70 Vielmehr scheint innerhalb des semantischen Feldes von HHT das Germ . das Kelt . an konservativem VerhaJten zu übertreffen. Voraussetzung für eine abschließende Wertung sollte jedoch zunächst die Erweiterung der Materialgrundlage sein .71
< •gwre~r'.!~'· Kommentar: Kelt .-germ. Übereinstimmung in (a) *mel(a)• 'mahlen' und (d) *gn-no-
' Kom'; dagegen Unterschiede in de r Stammbildung von (a) 'Mehl' und (c) 'Handmühle', 'Mühlstein': in beiden Fällen zeigt das Kelt. den älteren Befund. Das Kelt. teilt außerdem mit dem Lat . (vgl. mola ' Mühlstein', molina 'Mühle') und Gr. (µ U;>..11) von de r Wurzel •mel(a)- abgeleitete Bezeichnungen für Mühlstange und Mühle.
Anmerkungen :
J
4
IV. Zusammenfassung Das nach (a) Handwerkemamen und Werkstätten, (ß) ve rarbeiteten Werkstoffen, ('Y) Produkten und Geräten differenzierbare Wortfeld wurde im Kelt . und Germ. vergleichend behandelt: (1) durch die Erörterung kelt.-germ. Isoglossen im Bereich der HHT, (II) durch Besprechung einiger Termini, die das Kelt . und Germ . mit anderen idg. Spra• chen teilen, ( III) durch Konfrontation der kelt .-ge rm . HHT mit dem Rekonstrukt der idg. HHT. Wie in anderen Bereichen, so sind auch innerhalb der HHT die kelt .-ge rm . Obereinstimmungen begrenzt auf lexikalische Gleichungen , Erscheinungen der Wortbildung und gemeinsame Semantik . Bei der Entlehnung überwiegt die Richtung vom Kelt . in das Genn . Auffällig ist das Fehlen von Isoglossen in den Berufsbezeichnungen , was sich u. a. durch Neuerungen im Typus, wie wir sie deutlich im Kelt . finden - produktbezogene Benennung drängt handlungsbezogene Benennung zurück (s. Nr. 10 und 11) -, erklären könnte . Der Vergleich de r kelt.-germ . Isoglossen in den Bereichen verarbeitete Werkstoffe und Geräte/Produkte wirft eine Reihe sprachgeschichtlicher Probleme auf, z. 8 . im Zusammenhang mit Eisen (Nr. 15), Blei (Nr. 17), Leder (N r. 18), Kohle (N r. 19), Wagen (Nr. 23, 25) oder Brustpanzer (Nr. 30-32). Beispiele fü r kelt.-germ. Isoglossen, die von West- und/oder Nordidg. Sprache n geteilt werden, wurden nur in sehr begrenztem Umfang berücksichtigt. Hier ergabe n sich F ragen, besonders bei den Isoglossen *krei-tro- : *krei-dhro-(N r. 35), •flei-tfa-: *fli-trä- (Nr. 36),
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lt
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Vg l. Schmid! 1983, 752 ff. Vg l. z. B. Klump l 908;MacEoin 1982 und d ieentsprechenden Beilrige in J ankuhn 1981 und 1983. Vg l. z. B. S1ang 1971: PolomC 1974. [Ko n ,•Nachlfag: Vgl. jetzt auch Verr.: Kelt isch, Bal1isch und Slavisch. In: J. L. Mekna (ed.): Symbolae Ludovico Mitxelemi se p1uagenario ob\atae 1 (Vitoria 1985) 23- 29. 1 Hypothet isch bleiben venerisch hito < kvf urge rm. •rou rtiaz (> an. roudf 'Raseneisenerz, Erz'), das seiner Bedeutung wegen ('das Rote'') nicht wie das Stahlwort die Kenntnis von etwas fertigem, sondern nur die Kenntnis des Minerals voraussetzt". Birkhan 1970, 141 f,142 geht auch auf das Problem der Herkunft des Wortes ein; s. weiter ai. lohlilJ bei Mayrhofer 1976, 119f. Zuan. raurtlvg l. Beck 1983, 62 1, der hinweist auf Gewinnung 'aus dem Sumpferz (raut!/)'. 25 Vgl. Birkhan 1970, 131 ff.; 173; Evans 1981. 250. Birkhan 1970, 133 weist hin auf den PN Ogom /soros (Pokorny 1925 , 201) als Terminus post quem ftir die Übernahme. 26 Vgl. Kluge 1975,447; Birkhan 1970, l 47f. ; PolomC 1983, 737. Ablehnend SzemerCnyi 1952,
Handwerk und Handwerk er im Ke ltischen und Germanischen
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tos. 27
PolomC 1972, 53; 1983, 737; anders Krahe 1954, 140; Campanile 1970, 34; vgl. auch Schmidt 1983 , 759. 28 Vgl. Krahe/Meid 1967, 181: .,Die Nomina actionis waren im ldg. offenbai durc h Suffüc:l>etonung von den wurzelbetonten Instrumentalbezeichnungen geschieden": ai. k~-lrd-m 'Herrschaft' ~ds-tro•m 'Lage r', gr. 6at•Tp0-v ' Zuteilung' - 'A.h-Tpo-v 'Lager'. 29 Pokorny 1959, 11 22; Walde/Hofmann 1954, 799f.; Krah c 1954, 140 ; Lanc 1933, 25 1; Birkha n 1970, 152ff.; Polomt 1983 , 737. 30 Vgl. u.a. Much 1900; Lane 1933; Eiston 1934 ; Krahe 1954; Porzig 195 4 ; Campanile 1970; Evans 198 1. 31 Krahc 1950, 140; Kluge 1975,875; anders Pokorny 1959, 263: kelt . •düno-: ac. dan m. f. 'Höhe, Berg '> ne. down 'Düne'; 8erm. • tü-na• ke!t. Lw. 32 Thurneysen 1946 , 140; Porzig 1954, 120; Kl uge 1975, 280 setze fiir das Ir. *kopno- an. 33 Pokorny 1959. 806; Krahe 1954, 140; Porzig 1954, 119 ; Kluge 1975, 210. 34 Pokorn y 1959, 1013(.; Krahe 1954, 140; Lane 1933, 250; Kluge 1975. 11 9. 35 Vgl. zu diesem Beispiel Krahe/Meid 1967, 166 ; Porzig 1954, 120 interpreliert •uog"'h-no- dagege n als Nomen agentis; vgl. auch Kluge 1975. 830f.; Pokorny 1959, 11l8ff. ~ 36 Zur Ablauu tufe vgl. Krahe/Meid 196 7, 62f.; Wackernagel/Debrunncr 1954 , 25 1. 37 Vendryes 1974, R-26; Thurneysen 1946, 36; 170. 38 Poko rny 1959, 86 1; Vendryes 1974. R-26: Falk/Torp 1960, 897 ; Porzig 1954, 120: ., •RtidJiheißt ursprünglich 'schau keln' und wird als Kraftwo rt Ersa tz fü r '"'!,tih-". 39 Lane 1933. 249; Campanile 1970, 33; Kluge 1975 , 137.
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28 1
Vgl. Schradcr/Nehri ng 1929 , S 13, Walde/Hofmann 1938, 113: ,,entlehnt aus dem Germ., wo neben der Bed. 'Hose' (an. brok f. 'Kniehose·. ags. bnk, ahd. bruoh . .. ) d ie ältere 'Steiß' (ags. Plur. brtc 'Hintere', engl. brttch ds.) begegnet .. ; Schmidt 1957, 154f„ Evans 1981, 251: " .. . it is assumcd that this bOrrowing took place after the operation of thc Germanic shift of /g/ 10 / k/ by Grimm's Lawand carlier than the changeof /o:/ 10 / a: / in Celtic"; PoklmC 1983, 736:,. ... is the Celt ic word bOrrowed from Germanie bcfore •t1- ö. but aft cr the shift of •, to •k . . - or d id Ge rmanic receive it from Celtic after the oonsonan1 shifl but before 0 /J - ö (sinee Gaulish hasnoö)." Walde/Hofmann 1938, 147 : •kamit!/1- > ahd. hemidi n. usw.; lat . camisUI (seit Hier., rom .); zur fra&e weite rer Entlehnungen Germ.> Keil. vgl. Krahe 1954, 14 1 f. : Stgel {dazu Thurneyscn 1946, 574; Evans 198 1, 250f.); germ. • so;pan- (nach Lautverschiebung: ac. S/Jpe, ahd. stiffa) > gallo-\at.St!Jpö 'Seire·( P\in. nat. 28 ,19 1). Pokorny 1959, 874; Lane 1933, 250; Vcndryes 1974, R-50; Fallc/Torp 1960, 909f.; Kluge 1915, 604 : ,,Germ. • rokka-, •rukko- gaben die Goten ins Roman. ab, span . rucco, ital. rocco." Vendryes 198 1, B-99f.: B-104 f.; Pokorny 195 9, 11 0 f.; Kluge 1975, 104 f. Pokorny 1959,409; Kluge 1975, 227f. Pokorny 1959, 889; Vendr yes 1974, S-121 s. v. sithal f. 'vase, cruchc'. Vgl. gr. l'i"w, i'J"tw; lit. sij61i; aksl. pro-s'eati otvlttaa,,alb. shosh; lit. sietos 'Sieb'• aksl. sito ds. (• sti-to-).
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SS 56 51
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Wichtigstes Merkmal de r 'langues du Nord' ist die fehlende Differenzierung von •o und •a und •s), zum Nebentypus I der i-Stämme.• Zu diesem Befund stimmt nun auch toch. B awi, das sich zwanglos auf eine idg. Vorform • a2öuiies, d. h. auf de n nach der Sieversschen Regel zu erwartenden No. PI. von •a 2 oui-/ • ihÖ; i~, zurückführen läßt.S ~
2. Toch . B pocere (No . Du.) ,.die Eltern" In einem bislang unpublizierten Text der Berliner Samm1ung liest man :
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Zu einigen Archaismen in F kdon und Wortschllz des Tochuischen
morphologisch hochaltertümliche Bildung dar. Zur Bezeichnung der Eltern findet sich sonst nur die - mehrfach bezeugte - Verbin• dung päcer mDcer sowie einmal belegtes m.icer päcer. Eine westtocharische Dualendung •e war bisher nicht bekannt. Ein toch. 8 pacere entsprechender, auch morphologisch vergleichbarer elliptischer Dua1 liegt nur noch in gleichbedeutendem ved. pitarä vor. In der Frage nach der Rekonstruktion der grundsprachlichen Endung des No. Ak.k . Du . m. f. der konsonantischen Stämme gehen die Ansichten auseinander. Nach einer !iiteren Ansicht liegt idg. ••e zugrunde9 , einer jüngeren, von H. Rixl0 begründeten Auffassung zufolge ist von -a 1 auszugehen. Toch. 8 pacere und ved . pitarä sind jedoch aus keinem dieser Ansätze herleitbar. Man hat daher für ved. -ä Obertragung der Endung-ä ( < idg. •-oa 1 , •-ö) der a-Stämme angenommen . 11 Eine entsprechende Annahme, d .h. Übertragung von den o-Stämmen, kommt für wtoch. -e jedoch nicht in Betracht, da auslautendes •-ö nicht zu wtoch. -e führt . Angesichts dieser Situation wird man nach einem neuen Ansatz für unseren Dual ausgang suchen müssen, der auch den vedischen Fonnen auf -ä und toch. B pacere gerecht wird. Zieht man nun in Betracht , daß das e der Mittelsilbe von toch. B pacere auf analogischer Umbildung nach dem Sg. päcer und dem PI . päcera beruhen kann, so hindert nichts, toch. B pacere und ved. pita!Ü auf eine gemeinsame Vorform •paruea 1 , •patere zurückzuführen . Damit ergäbe sich ein grundsprachlicher Dualausgang • -ea 1 , Es ist zu prüfen , ob dieser Ansatz auch den betreffenden Dualfonnen der anderen indogennanischen Sprachen genügt. Dieser Ansatz wird nun durch die Untersuchungen R. Nonniers (mündliche Mitteilung) bestätigt, der - unabhängig und ohne Kenntnis von toch. B pocere - zu dem gleichen Erge bnis gelangt ist. Aus dem Westtocharischen führt er für seine Auffassung twere „Tür" an, das er - einleuchtend, wie mir scheint - aus dem alten Dual eines r-Stammes •dhuor- e rklärt.12 Der tocharische Fortsetze, von •dhuorea 1 , •dhuore „die beiden Türflüg;l '' (vgl . ved. dVOTii, lat. for~1) sei nach dem Zusimmenfall v~ auslautendem •.e mit •-01/•-om zu einem singularischen o-Stamm umgedeutet worden .
•-e.
//// (r) otse pacere nestefly6 antpi krsaitsi eJ lmo~ //// Abgebrochenes /// {r)otse läßt sich kaum anders als zu (o)[r]otse ,,groß'• ergänzen. Angesichts des weitgehend zerstö~ten Kontextes läßt sich jedoch nicht entscheiden, ob (o)[rJotse Schlußglied eines in der vorangehenden Ulcke verlorengegangenen Satzes ist oder aber mit dem unmittelbar fo lgenden pacere nesteffy usw. zu einem Satz gehört. In letzterem Falle ergäbe sich die sehr verlockende Möglichkeit, die Wortgruppe (o)[r}otse pacue als Determinativkompositum aufzufassen7 und darin die - bisher nicht bekannte - westtocharische Bezeichnung für „Großeltern" zu erblicken.• Obiges Textstück wäre demnach wie folgt zu übersetzen : . . meine Eltern (bzw. Großeltern} sind beide alt (und) blind. " Das hier erstmals zutage tretende toch. 8 pacere „die Eltern " ist ein elliptischer Dual zu wohlbekanntem päcer „ Vater"; es stellt eine sowohl semasiologisch als auch
3. Toch. B pänro m. ,,Beistand, Führer" Die einzelsprachlichen Zeugnisse des idg. Wortes für ,,Pfad, Weg" zeigen eine Vielfalt stark divergierender Formen. Man vgl. etwa ai. path- .,Weg, Pfad" (No. Sg. pdnthälJ (ab RV), Akk. pdnthiim (RV, AV), pdnthänam (ab AV), Ge.patluilJ (ab RV), No. Pl.pdnthä}J (RV), pdnthänalJ (ab AV), l. parh tbhil] (ab RV usw.), av. pantJ ,,Pfad, Weg" (Ge. pa{Jo usw.), arm . hun „Furt, Weg", gr. 11dvt0";' ,,Meer, hohe See", 11droc „Weg, Pfad ", lat. pom ,.Brücke ", aks. pqlb „Weg", apr. pintis ds. Es erweist sich nun als außerordentlich schwierig, das allen diesen Formen zugrunde liegende idg. Paradigma zu rekonstruieren . Auf Grund des Altindischen und Avestischen wird heute allgemein ein grundsprachliches Flex.ionsschema No. •ptmtea-s : Ge. •p1,Jl lat. ma-curus). Außerhalb des Anatolisch;~ ist diese Erscheinung bisher nur in wenigen Fällen nachweisbar, so in aisl. w:gir „Meer, Meeresgott"(< •a 2 ekl_!ii6-) neben got. ahla „ Fluß", ahd. aha „Wasser, Flut, Fluß" usw., lat. aqua ( < • a2 kl_!ea1 ).J~B Eichners Gesetz findet nun eine schöne Bestätigung durch toch. B älme „Brunnen" : yo/me „Teich ", denen ein idg. Ablautsverhältnis • a2 elmos: •a 2 ilmos zugrunde liegt.
e,
5. Toch. B pik- ,,(Gestalten) bilden, formen"
Toch. pik- ,,malen, schreiben" gehört, wie man seit langem weiß39, mit av.paes- ,,farb ig machen , schmücken", gr. trOU/.CA.01; ,,bunt", lit. pieiti „malen, schreiben", aksl. pbsati „schreiben" usw. zu idg. •peik- ,,kennzeichnen durch Einritzen oder Färben".40 Eine offenbar ältere Bedeutung dieser Wurzel liegt in ved. piS- ,,aushauen, zurechtschneiden (v.a . Fleisch) ; (Gestalten) bilden; gestalten , formen , schmücken" und , wie man bisher noch nicht gesehen hat , in toch. B pik- ,,(Gestalten) bilden, formen" - hier neben jüngerem „malen, schreiben" - vor. Zur älteren Bedeutung von •peik- vgl. die nachfolgenden Belege aus dem Vedischen und Westtocharischen: a) ,,Formen [rüpll!Ji bzw. ersna] bilden": RV 10, 184, 1 viff!Ur y6ni,r kalpayatu tvdff/l rii/)af!i pi,riMtu „Vi~l).U soll den Mutterschoß bereiten, TvaHar soll die Formen bilden !"41 Das westtocharische Zeugnis entstammt dem Fragmen t Br. M., dessen Verständnis durch die Identifizierung eines Paralleltextes aus der Sammlung Mainz (Mainz 655, S) wesentlich gefördert wird42: Br.M. b S f. mäkto'fl okt no IO'fl rak~tsana kmeflflä{s)ca ////43 / / / / [ QQ] wrotsänä pinkä,r, ersna to,r, onolme,r,tsä tll kef!1nlsa „Welche acht RäJq;asis [da] aber zu mir kamen. . (zu der Zeit, die sind jetzt)44 die großen . . _4S: Sie formen die Gestalt(en)46 der Wesen auf dieser Erde."
Klau s T.Schmid t
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b) ,.M it Formen [rüpai~] ausstatten , versehen": RV 10. 110, 9 yd ime dyQ1'apfthi11/ jd11itri riiptiirdpi,rSQd bhU1•aniini 11iSwi tdm adyd hotar i#t6 y djiyiin deni,r t1vi~riiram
,,Der diese beiden Erzeugerinnen. Himmel und Erde , alle Wesen mit ihren Formengeziert hat, diesen Gott TvaHar verehre heute, o Hotar, als de r besser Opfernde, kundig, dazu aufgefordert! "41
6. Toch . A tursko „Zugrind"' Das Altindische kennt ein Wurzelnomen dhur- f. (No. Sg. dhlil,1, Akk. dhUr-am, Lok. PI. dhür-~zi), für das Böhtlingk- Roth48 auf Grund der vedischen Belege als ältest-erreichbare
Bedeutung „derjenige Theil des Joches, welcher auf die Schulter des Zugthiers gelegt wird" angeben. Nach F. Sommer 4 9 ist indes für dhur-, das er etymologisch mit heth turiia- .,anschirren, anspannen" verbindet, eine Geltung „Anspannungswerk (=Deichsel+ Joch)" zu erschließen. W. Rau , der das vedische Belegmaterial einer erneuten Überprüfung unterzogen hat , kehrt dagegen zur Auffassung von Böhtlingk und Roth zurück: Nach ihm bedeutet dhur- ,,Schulterteil, d. h. Aunagestelle , des Jochs"_so Im Anschluß an Somme rs Verknüpfung von dhur- mit heth . turija- entspann sich eine lebhafte Diskussion um die Frage, ob heth. turiia- als Erbwort oder aber als Lehnwort aus dem Frühindoarischen anzusehen sei. 51 Sie führte zu dem Ergebnis, daß der Erbwortcharakter von turiia- allgemein anerkannt wurde. Der allein au(das Altindische und Hethitische gegründete Ansatz eines idg. Wurze!nomens •dhura-s2 scheint nun, wie man bisher noch nicht gesehen hat, im Tocharischen eine Stütze z~ finden. Zugtier der Urindogermanen war ausschließlich das Rind.SJ Doch finden sich, wie u. a. auch die Verwendung von heth . turipl.• und ai. dhur- zeigt, schon in den ältesten hethitischen und vedischen Texten nicht nur Rinder, sondern auch Pferde und andere Tiere in dieser Funktion.S 4 An der folgenden Belegstelle aus dem ~gveda ist von der Anschirrung von Rindern allerdings in met aphorischer Bedeutung - die Rede: 0
RV 1,84, 16 k6 adyd yuh.kte dhuri g/1 rrdsya Simfraro bhiimino durhrtJäyUn asdmii#in hrtsvdso mayobhlin .,Wer schirrt heute die Rinder an das JochSS der Wahrheit , die ungestümen , zornigen, grimmigen, Pfeile im Munde führenden, ins Herz treffenden, wohltätigen?''S6 Die in der Verbindung dhuri gO yuj- ,,R inder in das JochS1 spannen" vorliegende Wortfolge dhuri gä~ erinnert nun an ein im Osttocharischen in einer sanskrit-tocharischen Bilingue (Nr. 36 1) in Zeile 9 überliefertes tursko . Dieses sprachhistorisch sehr bedeutsame Wort ist leider bisher der Aufmerksamkeit der Tocharologen und Indogermanisten entgangen. Es ist weder im Wortindex der Tocharischen Grammatik von Sieg-Siegling-Schulze noch im Glossar des Tocharischen Elementarbuchs Band II von Krause - Thomas veneichnet. Ebenso sucht man es in Van Windekens' Lexique itymologique des dialectes tokhan·ens, Louvain 1941 , und in Le tokharien con[ronce avec !es autres langues indo-europünnes /, Louvain 1976, vergebens.
Zu ein1en Archaismen in Flexion und Wortschatz des Tocharischen
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Es hat bisher nur in P. Pouchas Thesaurus Linguae Tocharicae Dialecti A , Prag 1955 hier jedoch mit einem Fragezeichen versehen und ohne Bedeutungsangabe - Eingang gefunden. Toch. A tursko ist in einem durch größere lßcken undurchsichtig gewordenen Kontext überliefert ; zudem ist das Sanskrit-Äquivalent in der vorangehenden Textlücke verlorengegangen . Glücklicherweise stehen jedoch zwei Päli-Parallelen - Sarriyutta-Nikäya 1, p. 173, und Sutta-Nipäta 79 - zur Verfügung, die als Entsprechung von tllrsko pä. dhorayha- .,beast o f burden" bieten . Pä. dhorayha- ist bildungsmäßig unklar - nach J . Brough wahrscheinlich ,,a delibe rate spelling distortion .. , .,a mere eccentricity in spelling"S8 -, so daß sich se in Sanskrit-Äquivalen t nicht durch mechanisches Umsetzen in die e ntsprechenden Sansk rit-Laute gewinnen läßt. Hier hilft nun eine andere Belegstelle - Dhammapada 208 - weiter, da hierzu ein Sanskrit-Parallelvers - Udänavarga 25, 25 - bekannt ist. Der Textvergleich zeigt , daß pä. dhorayha- ein skt. dhaureya- entspricht. Skt. dhaureya- bedeutet im Anschluß an Päi:tini 4,4, 77 „zum Anspannen geeignet; Zugtier, Zugstier".59 Damit ergibt sich für toch. A tursko eine Bedeutung „Zugtier, Zugrind". Auf Grund dieses Bedeutungsansatzes liegt es nahe, tursko als alte Zusammenrückung von •dhi:raes g1,t6us „ Rind des Joches(?)" "" ,,Zugrind .. zu deuten. Auffällig bleibt dabei die syntaktische Geltung des Genitivs: sie scheint sich keiner der bekannten Kategorien dieses Kasus zwanglos zuordnen zu lassen. Eine vergleichba re Fügung liegt in heth. ANSE.KUR.RA cüriiaual (,,Pfe rd des Anspan• nens .. "") ,.Zugpferd" Ges. § 64 - hier allerdings mit Gen. de; Verbalsubst . - vor. Des weiteren ist auf Fügungen wie air. lies chiuil „Musikanten .. , wtl. .,Leute der Musik" 60, hinzuweisen . Es bedarf jedoch noch einer eingehenden Prüfung, ob dieser Typus genitivischer Determination altererbt ist oder nicht. Wie Meid festgestellt hat61, .,setzt sich [dieser TypJ im Irischen im zunehmenden Maße gegenüber dem im Rixkgang befindlichen ableitenden oder kompositionellen Typ durch." 7. Toch . A ptuk(k) orkäm ,,Finsternis" Das Osttocharische kennt eine Fügung ptuk(k) orkäm „Finsternis", die zweimal als Übersetzung von skt. andhakära- überliefert ist. ptuk(k) und orkäm kommen beide nicht als selbständige Wörter vor. Da orkäm substantivische Flexion zeigt (Lok. ptuk orkm-a'!1), hat man es als Substantiv (Bedeutung „Finsternis") aufgefaßt.6"2 Auf Grund der formalen Obereinstimmung mit toch. B orkamo „dunkel", das sicher Adjektiv ist, wird man auch orkäm als altes Adjektiv anerkennen müssen. Dieses ist in der Verbindung mit ptuk(k) nicht mehr als solches verstanden und in die substantivische Flexion übergeführt worden. Dieses ptuk(k) orkäm findet nun, wie man bisher noch nicht gesehen hat, eine überraschende Entsprechung in den vedischen Fügungen tvdg dsikni und tvdk krf~. ptuk(k) ist dabei mit tvac- identisch, während für ,,schwarz, dunkel " in beiden Sprachen verschiedene Bezeichnungen verwendet werden. Böhtlingk-Roth6l und Grassmann6 4 verzeichnen als Bedeutung für beide Verbindungen ,,schwarze Decke", d. h. ,.Finsternis, Dunkel", Monier-Williams6S gibt für beide ,.'black cover', darkness" und für kr~~ tvtik zusätzlich „the black man" an, während Mayrhofer66 tisikni tvcik mit „Finsternis" und
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Klaus T.Schmidt
krff!D tvtik mit „der schwane Menschenstamm" übersetzt . Schaut man sich jedoch die verschiedenen Übe rsetzungen der Belegstellen an, so ergibt sich ein anderes Bild : Alle Interpreten verstehen, soweit ich se he, tvtig dsikni und ti'tik krp_ iii „schwane Haut" als eine Kollektivbezeich nung für die schwarzen Ureinwohner. Vgl . das folgende Beispiel67: RV9, 73, S pirUr miitür ddhy il ye samdsvarann rCO S6canta~ sa~1ddhan to avrat&n indradviHäm dpa dhamanti miiydy,i tVficam dsiknil?l bhUmano divds pdri
,,Die von Vater und Mutter her im Chorgesang erb rausten , in gebundener Rede erglühend, die Gesetzlosen versengend, die blasen durch Zaube rmacht die dem lndra verhaßte schwarze Haut68 von Erde und Himmel fö rt." Zu toch. A ptuk(k) gehört, wie schon A. J. Van Windekens erkannt hat6 9 , das Verbum A tpuk- , B tuk- Gv. ,.verborgen sein", Kaus. ,,verbergen". Im Vergleich mit der Verbal• wurze l tpuk- läßt sich ptuk(k) auf älteres •tpuk zurückführen. Dieses läßt sich mit ai. tvac- nur unter einem Ansatz •rueklf,- vereinigen.70 Altindisch und Osttocharisch sichern somit die Existenz eines grundiprachlichen Wurzeln omens *t':!ek'l-; als Bedeutung ist ,,Decke" anzusetzen . Bei Annahme eines wurzelschließenden Labiovelars lassen sich die osttocharische Anlautsgruppe tp- einleuchtend als dissimilatorische Umgestaltung von •tu- und der Wurzelvokal u durch Umfarbung aus ii vor altem l.abiovelar7t erklären. • Angesichts des tocharischen Verbums A tpuk- , B tuk- wird man prüfen müssen , ob sich hinter der nur bei Grammatikern überliefe rten Verbalwurzel tvac-(Prs. tvacatiusw.) nicht doch mehr als nur eine Grammatik:ererfindung zur Erklärung von tvac- ,,Haut , Fe\1"72 verbirgt. Zum Schluß sei noch auf einen Fall aufmerksam gemacht, in dem sich nicht sicher entscheiden läßt, ob hier ein alter indisch-tocharischer Parallelismus vorliegt:
8. Toch. B s ii r w ä n a lik- .,sich das Gesicht waschen" Toch. 8 siirwäna PI. tant. .,Gesicht" stimmt lautlich - bis auf die Endung - genau zu ai . 5!k11t11Ji Du . ,.die beiden Mundwinkel". Vereinfachung einer in lautenden aus d rei Konsonanten bestehenden Gruppe durch Ausdrängung des mittleren findet sich auch sonst im Tocharischen; vgl. etwa 8 kaliarr, (Ko. der Wz. kiilp- ,,erlangen") < *kälpnii,ri. Die Bedeutungsdifferenz zwischen den beiden Wörtern läßt sich wie folgt erklären: Im Osttocharischen und in einer Reihe von kaukasischen und finno-ugrischen Sprachen wird das Gesicht durch eine kompositionelle Verbindung zweier seiner Teile bezeichnet .73 Vgl. etwa toch. A ok-mal (.,Auge-Nase·•). avar. ber-~/(.,Auge-Mund"), bac. marrbaki ( ,,Nase-Mund"), estn . sü-silmad (.,Mund-Augen"). Im Vergleich hiermit liegt es nahe, auch in toch. B siirwäna eine alte pars-pro-toto-Bezeichnung des Gesichts (ursprüngliche Bedeutung: .,die beiden Mundwinkel") zu sehen. Herr Rudolf Normie r macht mich auf eine typologische Parallele aus dem Avestischen und Armenischen aufmerksam: jav. *iJral)hi Du. ,,die beiden Mundwinkel"(< *trens-ia 1 Du.) gegenüber aarm. eres-k' PI. (a-St.) ,,Gesicht", das er aus einem PI. *trens•a 2 herleitet. Der pluralische Numerus des tocharischen Wortes - statt des zu erwartenden duali-
Zu eingcn Archaismen in FlexKln und Wortschatz des Tocharischen
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sehen - läßt sich - wie wohl auch im FaUe von B meli, A ma/afl „Nase" - leicht als Ersatz einer ungebräuchlich gewordenen Dualendung verstehen. Doch zurück zum Altindischen! In epischer Sprache findet sich häufig - vor allem im Mahäbhärata - die Verbindung srhaf!i lih- 74 „sich die Mundwinkel lecken". Charakteristisch ist ihre formelhafte Verwendung in Schilderungen starker seelischer Erregungszustände . Man vgl. etwa die fo lgende Belegstelle aus dem Udyogaparvan des Mahäbhirata (App. I, 12, 22- 26")• dant.in dantefU nifpiDJa srkkiIJi parilelihan te~m Qkarabhiil'ajflo.~ kuntiputro vrkodara~ udatifthat so vegena krodhellQ prajvala11n iva udvrtya sahaSO netre damiln ka(aka(Qyya ca hastO'!f hastena nifpiDJa ullikal!f ~iikyam abravit „Als Vrkodara , Sohn der Kunti , deren Gesten und Gefühle verstand, sprang er, mit den Zähnen kni rschend und sich die Mundwinkel leckend, auf und sprach , vor Erregung und Zorn gleichsam brennend, die Augen gewaltsam weit aufreißend, mit den Zähnen knirschend und die Hände reibend, die folgenden Worte zu Ulüka:" überraschenderweise kennt nun das Westtocharische eine Fügung siirwäna lik- ,,sich das Gesicht waschen", die lautlich ai. srkvani lih- - bis auf die Numerusdifferenz beim Objekt (s. o.) - genau entsprechen könnie , b~deutungsmäßigjedoch stark abweicht. Zieht man nun in Betracht , daß das Baden bei den Urindogermanen weniger dem Reinlichkeits- als dem Erfrischungsbedürfnis diente und das Waschen des Gesichts nicht zu den täglichen Gepflogenheiten gehörte, Baden und Sich-Waschen zum Zwecke der Reinigung erst in einzelsprachlicher Zeit - allerdings bei den einzelnen Völkern in sehr unterschiedlicher Weise - stärker in Gebrauch kam76, so erscheint es durchaus denkbar, daß sich aus der Vorstellung des [reinigend} (Ab-)Leckens einzelsprachlich die des [ableckend] Reinigens und schließlich des Waschens entwickelt hat. Bedenkt man weiter, daß in der Sprache der altindischen Epen - zumal in formelhaften Wendungen - durchaus archaisches Sprachgut bewahrt sein kann, so wäre die Möglichkeit gegeben, in ai. srkva!Ji lih- und wtoch. särwiina lik- Fortsetzer einer altererbten Junktur - vielleicht eines Ausdrucks indogermanischer Minimalhygiene - mit der Bedeutung „sich die Mundwinkel lecken" zu erblicken. Aus dem Vergleich von ai. lih- und toch. lik- ergäbe sich , daß toch. lik- ,,waschen ", das etymologisch bisher nicht befriedigend erklärt werden konnten, zu idg. */eigh.)ecken" zu stellen wäre.
Anmerkungen: 1 Duu tuleu.t J. Hilma.rsson, Studk s in Tocharian Phonofoty, Morpholoo and Etymology . Rcykjavik 1986, p. 355 . Dit Etymo/og~ von htth. mthur, MSS 31, 1972 , p. 68f. 3 Tocharisch likät/ iiakte .,Gott '._ KZ 94, 1980, p. 262 Anm. 42 ; No chmals zu •sor-, IF 85, 1980 11981],p.57 Anm.56. Zur Sache vgl. J. Wackemagc l,Altindi.rche Grammatik III, § 69a, p. 138f. Für sachdienliche Hinweise danke ich Herrn RudolfNormicr.
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Kl ausT.Schmidt Sie! Wohl metri causo fiir neste'!' fli. orotstse scheint allerdings als Kompositionsvorderglied bisher nur in den sufr1gienen Kompo sita orotstse-cämpamifctstse ,,großmächl~f' und orotstsc-yDtalfletsJse „hochfähia" be legt tu sein. Zu diesem Kompo sitio nstyp vgl. F. Bernhard, Die Nominalkomposition im Tochari,chcn, Diss. GöUingen 1958, p. 61 ff. und 8Hf. Die Belege für die beiden genannten Komposila sind ebd. p. 87 verzeichnet. Auf die Beteichnung der Großellem in den indogermanischen Sprachen kann in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden. Es se i jedoch daraur hingewiesen, daß die Verwendung des Adjektivs ,,groß" nicht nur in den modernen europäischen Sprachen (vgl. neben nhd. Groß~ater elwa nnl. groor~ader, nengl. 1randfathtr, franz. grand-plre, nir. athair mör u. a.) anzutreffen ist, sondern bereits för das Vedische (vgl. pitämami• AV usw. (s. dazu Mayrhofer, Kur:1cfaßtts etymolo1isches W6rtcrbuch des Altindischen II, p. 278 mit weiteren Literaturangaben) und ta1ämahd- AV) bezeugt ist. Für sachdienliche Hinweise danke ich Herrn Rudol(Normier.
9 Vgl. etwa K. Brugmann, Vergleichende laut-, Stammbildun1s• und Flexions/ehre ... dtr lndo1ermanlschtn Sprachen 1/2, 2, p. 200. 10 Historische Grammatikdt1 Griechischen, Darmstadt 1976, p. 159. 11 Vgl. etwa K. Brugmann, a. a. 0., p. 200 f. 12 Vgl. einstweilen R. Normie r, Tocharisch fikiit/liakte „Gotr', KZ 94, 1980, p. 253. 13 0. Szemertnyi , Rekonstruktion in der indogermanischen Flexion - Prin:iplen und Probleme, Flexion und Wortbildung, Wiesbaden 1975, p. 334 Anm. 17, nennt eine siattliche Zahl von Ge• lehrten, die sich in neuere r Zeit dieser Auffassung angeschlossen haben. - Keine grundsätzlich andere Position nimmt J. Schindler ein, der {Die Sprache 15, 1969, p. 154 Anm. 62) einen No. •,nmJa-sansctzl. 14 r•n4tämme, KZ 32, 1893, p. 269; Ulcillqui(mttdiclinaison /atine,Kjlbcnhavn 1926, p. 64. 15 Einfiihru,v in die ver1leichendtt Sprachwissenschaft, Dannstadt 1970, p. 152; Rekonstruktion in der indo1crmanischtn Flexion - Prinzipien und Probleme. p. 334 f. 16 Studien zur J.ary,vafthcoric , Göttingen 1984, p. 137 ff. 17 Vgl E. Benveniste, Probfbnes slmantiqun de fa rccomtruction, Word 10, 1954, p. 256f. {= ProblCmes de linguistique gfoCrale, p. 296ff.); H. Frisk, Griechisches etymofo1isches W6rtt'r• buch II, J. V. ff011roc. - Die wichtigsten Wedischen Belege von path• sind von P. Thieme, Dt>r Fnmdfing im ~pcda, Leipz~ 1938, p. 110- 11 7, gesammelt uod bedeutungsmäßig untersucht worden. 18 Urtprache und hlSlorischt Realirät, Studien zu r Ethnogenese, Abh. der Rhein.-Westfäl. Ak. der W!ss., Bd. 72, Opladen 19 85, p. 161. 19 Toch. A pänto ds. bleibt besser außer Betracht, da es der Entlehnung aus dem Westtocharischen verdächtig ist { s. W. Winter, lexlcaf lntcrchangtt between 'TocharUJn' A and B, JAOS 81, 1962, p. 274). 20 Nichtsicherzuergiinzen. 21 EpithetondesBuddha. 22 Sanskrit , Wdrrerbuch in kürurer Fassungs. v. 23 A Sanskrit-Entfish Dictionary s. v. 24 ZDMG 11 0, 1960, p. 68 Anm. 2. 25 JournaloflndianHistory41, 1963,p. 159 - 166. 26 Abh. der Muburger Gelehrten Gesellschaft, Jg. 197 3, 1, p. 43 rr. 27 Abh. der Ak. der Wissenschaften und der Literatur, Mainz.: Geistes- und Soz.ialwiss. Kl., Jg. 1983, l,p.36rf. 28 Rt>/utJJtion of T. Burrow'1 Theory on the Significance of 3rma and armaki, Proceedings of the 28th All lndia Orienlal Conference held in Dharwu 1976, Poona 1978, p. 245 - 255 . 29 Vedisch a'rma, ZDMG 131, 1981, p. 160- 171.
Zu einigen Archaismen in Fle:,don und Wortschat:i; des Tocharischen
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ProtoGumanic "arm&· ,.poor" and its Cognattts, Festschrift für J. Knobloch, Innsbruck 1985, p. 189- 193. Zum Genitiv bei prabhavya. vgl. J. S. Speyer, Vedische und Sanskrit-Syntax,§ 70b, p. 20. XZ90, 1977,p. 104- 113. BzN4 , 1953,p. 112ff. Tocharisch-iranische Beziehu,ven, ZDMG 94, 1940, p. 151. H. W. Bailey, Dlctionary of Khotan Saka, Cambridge - London- New Yo rk - Melboume 1979, s.v.harmä. Dit Etymologit von htth. mthur, MSS 31, 1972 , p. 72. Die folgenden Beispiek sind W. Cowgill - M. Mayrhofer, Jndo1ermanische Grammatik/, Heidelberg 1986, § 5.2.2., p. l 32f., entnommen. Herr Prof. Mayrhofer hat mir vor Erscheinen dieses Werkes liebenswürdigerweise eine Kopie des von ihm verfaßten Abschnitts über Eichneu Gesetz zur Verfügung gestellt, wofür ich auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte.
Vgl. dazu G. Darms, Schwlihtr und Schwa1er, Hahn und Huhn. Die Vrddhl-Ableltulfl im Gtrmani1chen, MSS Beihert 9, N.F., München 1978, p. 25 ff. Erkannt von A. Meillct, Le Tokharien, ldg. Jahrbuch I, 1913, p. 18 . Die etymologischen Angaben nach Pokorny, ldg. etym. Wörterbuch, s. v. Übersetzung nach K. F. Gddner,Der Rig-Veda III, p. 401. Ausführlich dazu K. T. Schmidt, Vorl4ur11e Bemerkungen zu den in der Staatsbibliothek Preußi• ,eher Kulturberitz in Berlin neu 1efundenm tocharirchtn Handuhriftenfratmt>ntcn, ZDMG Suppl. V: XXI. Deutscher Orientalistentag, Wiesbaden 198 3, p. 275 rr. Lücke von 20Silben. Die Ergänzungen n•ch Mainz 655, Sb 4. Das Subjekunomen läßt sich leider nicht ergänzen, obwohl Wortanfang uod Wortende erhalten sind; es handelt sich jedenfalls um acht weibliche Gottheiten. Toch. B erma „Gestalt" ist Pluraletantum. Übersetzung nach K. F. Geklner, Der Rit-Veda III, p. 332 f. Sanskrit-W6rterbuch s.v. Alti11disch dhur•, Die Sprache 1, 1949, p. 150- 163. Zur vedischen Alterzumskundt, Abh. der Ak. der Wiss. und der Lit., Mainz : Geistes- und Sozia\. wissenschaftl. Kl., Jg. 1983, 1, p. 24 nebst Anm. 27 und p. 28 f. nebst Anm. 82 uod 85.
In diesem Zusammenhang mag es genügen, auf einige Publikationen hinzuweisen, in denen u. a. die,e Frage behandelt worden ist: H. Kronasscr, Vergleichende laut• und Formen/chredts Hethi• tischt'n, Heidelberg 1956, p. 224: ders., Gutturale und dt>ntaltt Erweiterungen beim hethitischen Verbum, Studies Presented to J. Whatmough, 'S.Cravenhage 195 7, p. 124; A. Kammenhuber, Hippologica Hethitica, Wiesbaden 1961, p. 25 Anm. 101; dies., ZurSttllun,dt1Ht>thitisch-Luv/. 1chen Innerhalb der indo1ermanischen Gemeinrprache, KZ 77, 1961, p. 50; M. May rhofer, 'Ht· thitisch und Indogermanisch'. Gtdankt'n zu einem neuen Ducht, Die Sprache 10, 1964, p. 185 188; ders., Hethitisches und arisches Lexikon, IF 70, 1965, p.251 - 253: den., Dit' lndo-Arier im alten Vorderasil!n, Wiesbaden 1966, p. 28 nebst Anm. 1; H. Kronasser, Etymolo1ic der hethili1chen Sprache l, Wiesbaden 1966, p. 144 - 148; A. Kammenhuber, Dit>Arier im Vordtren Orient, Heidelberg 1968, p. 187 - 190 uod 194 . 52 H. Eichncr,Die Etymofo1ie \IOn htth. mehur, MSS 31, 1972, p. 74. 5 3 Schrader- Nehring, Reallexikon der indo1ermanischttn A ftertumskunde II, s. v. Wa1en § 1. SI
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Für das Hethitische bestä1igt dies A. Kammenhuber, Die Arier im Vordert>n Orie11t, p. 189. Ein dhur. ~nau entsprechender deu tscher Ausdruck fehlt. Ich begnüge mich daher mit einer freie ren Wiedeqabe durch ,,Joch", weise aber ausdrücklich darauf hin, daßdhur- nicht mit yup• ,,Joch" identisch ist.
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KLaus T. Schmidl Übersetzung nach H. Liiders, Varul_lD /J,Göttinge n 1959, p. 45 5. Freiere Wiedergabe von dhur-. Vgl. da.tu auch Anm. 55. Th e GOndhiiri Dharmapada, Loodo n 1962, p. 236f. (mit ausführlicher BegriindungJ. Böhtlingk - Roth, Sanskrit-Wörrerbuch , s.v.; Böht!ingk, Sanskrit-Wörttrbuch in kürzerer Fassung, s. v. Die Romanie von H oech und Findabair. Tiiin 86 Froich, hrsg. von W. Meid, Innsbruck 1970, p. 36 Z. 148 und p. 110. A. a. O., p. 170. Sieg-Sicg\ing - Schutie, Tocharische Grammatik,§ 83, p. SO. Sarulcrit -WOru rbuch s. v. l . tvac. Wö rterbuch zum Rig-V«Ja s. v. rvlK' . A Sanskrit-English Dict ionory s. v. 2. rviic. Kurzgefaßret etymologisches W6rrerhuch I s. v. mlk. Die Ober.litzung nach K. F. Geklner,DtrRig-Veda III, p, 67. Von Ge Wner an allen Belegstellen als Bezeichnung de r schwarzen Ureinwo hne r aufgefaßt. Le rokhorien confronte ovec !es outres laf!Kues indo,europetm1es / s. v. ptuk . Die s. v. 1puk• gegebene Etymolog ie (zu gemeingerm. •deuk. ,,se baisscr, plonger") ist jedoch abzulehnen. l 'opophonie des noms•racin es indo,e1,4ropten1. BSL 67, 1912, p. 36. Zu dieser Erscheinung vgl. Krause- Thomas, Tocharisches Elem entarbuch 1, § 16, 1, p. 49 . So die herkömmliche Auffassung. Vgl. etwa Böhtlingk - Ro1h, Sonsk. rit•WOrterbuch , s. v. 2 t vac. Vgl. dazu W. Schulze, K leine Sch riften, p. 255 ff.; K. Bouda, Caucasica 10, 1932, p. 95ff. Die folgenden Beispiele sind d iesen Arbeiten entnommen. Neben srh-af!i find en sich häuftg die Schreibungen srk~if!i, srkkaf!i, srkkif!i u. a. Für das Simplex treten oft die Komposita pa,i. und pllTisa,ri./ih. ein. TheMahDbhärata, ed. by V. S. Sukthankar, Vol. 6, p. 67 1. Vgl. Schrader -Nehring, Reallexiko n der indogermanischen Altertumskunde / , s. v. Bad. Die Verbindung mit lat. liqutre „flüssig sein" usw. (G . Sh. Lane, Language 14, 1938, p. 23) ist aus semantischen Gründen abzulehnen.
RUDIGER SCHMITT
Adalbert Kuhn und J acob Grimm in ihre n Briefen Eine Mitteilung Auf einer Tagung, die Fragen der Re konstruktion des Wo rtschatzes der indogermani schen Grundsprache und von dessen Aussagekraft für die materielle und geistige oder 'institutionelle' Kultu r des lndogermanenvolkes in ihren Mittelpunkt stellt, ist es gewiß nicht fehl am Platz, auch jenes Forschers zu gedenken, der die ersten Anstöße au f diesem Gebiet gegeben hat . Es ist Adalbert Kuh n gewesen, einer von Franz Bopps Schülern, der als erster von dem gemeinsamen Besitz der 'Wörter' in de n ve rwa nd ten Sprache n, wie er d urch die Sprachve rgleichung zu erweise n ist, auf den gemeinsamen Besitz auch der 'Sachen', also auf gemeinsam ererbte Kultu r- und Gesellschaftsformen geschlossen hat und eine Rekonstruktion der Lebensve rhältnisse zur Zeit vor der Trennung der indogerm ani • sehen Völker versucht hat. Die Programmschrift für diese Art Forschung war das 1845 e rschienene Gymnasialprogramm von Kuhns Cöln ischem Gymnasium in Berlin mit dem Titel „Zur ältesten Geschichte der indogermanischen Völke r". Doch soll hier nich t über Adalbe rt Kuhn als Begründer der lndogennanischen Alter• tumskunde und der Vergleichenden Mythologie und auch nicht über den Eponymen der ,,Zeitschrift für Vergleichende Sprachforschung" referiert werden , sondern übe r die Kor• respondenz zwischen ihm und eine m anderen Archegeten der modernen Sprachwissenschaft des 19. J ahrhunderts, J acob Grimm , dessen „Deutsche Mythologie" von 1835 den damaligen Studenten Adalbert Kuhn t ief beeinfl ußt hat. Daß 1985 ein J acob•Grimm.Jubiläum gefeiert wird, verleiht meiner Mitteilung zusätzliche Aktualität. Briefe von Jacob Grimm an Adalbe rt Ku hn - Sie haben davon vielleicht zu Beginn dieses J ahres in recht aufgebauschten Pressemeldungen gelesen - hat man 1982 aufge• funden , als die Universitäts•Bibliothek München endlich daranging, den Nachlaß des 1920 ve rstorbenen Indologen Ernst Kuhn zu katalogisieren, in den auch der Nachlaß seines Vaters Adalbe rt Kuh n inkorporiert ist. Diesen 25 Grimm-Briefen stehen im Nachlaß der Briider Grimm, der in Berlin in der Staatsb ibliothek Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt wird, bislang 13 (vergleichsweise umfangreiche re) Briefe Adalbert Kuhns gegenübe r. Die mir anvertraute Edition dieses (wohlgemerkt: innerberlinischen) Briefwechsels, der die Jahre von etwa 1844 bis kurz vor Jacob Grimms Tod 1863 umspannt , wird zu Beginn des nächsten J ahres im 6. Band des ,.Briide r Grimm Gedenken" erscheinen (s. Nachtrag! ). Jene Kollegen , die sich auch die Forschungsgeschich te unseres Faches angelegen sein lassen, möchte ich auf einige interessante Aspekte dieser Korrespondenz aufmerksam machen. Ich fange mit einer Äußerlichkeit an , mit der Schrift : Während Adalbert Kuhn sich der sog. deutschen Schrift bedient und davon nur bei fremdsp rachlichen Wörtern und bei Namen abgeht, verwendet Grimm, der jene „verdorbne und geschmacklose" Schrift gru ndsätzlich ablehnte, ko nsequent die lateinische Schrift. (Ein Kuriosum, das ich am
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Rü diger Schmitt
Rande doch vermerken will, bilden Brie fe des ersten Zürcher lndogennanistik-Professors Heinrich Schweizer [späte r: Schweizer-Sidler]. Dieser schreibt im November 1851 an Grimm, legt diesen Brief abe r einer größeren Manuskriptsendung an Kuhn mit der Bitte um Weiterleitung bei : Der Brief an Kuhn ist in deutscher, der an Grimm (offenbar diesem zu Gefallen] in lateinischer Schrift geschrieben!) Abgesehen von Kuhnserstem Brief von etwa 1844 , jedenfalls vor 1846, bedienen sich beide außer bei Eigennamen , Anredeformen und am Satzbeginn der Kleinschreibung, wie wir sie u. a. ja aus den früheren KZBänden kennen . Ein Verdienst Adalbert Kuhns, das man häufig nicht genügend anerkennt, besteht darin, daß er in der vordersten Fro nt jener ersten Forschergeneration stand, die sich in den 1840er Jahren aufgrund von Friedrich Rosens Fragment gebliebener Edition des 1. Rigveda-AHaka von 1838 der sprachlichen und sprachwissenschaftlichen Erschließung des Rigveda zugewandt haben . Ada\bert Kuhn hat in einer ausführlichen Anzeige von Rosens „ Rigveda'' in den „Jahrbücher(n) für wissenschaft liche Kritik" 1844, die einen Markstein darstellt, ausdrücklich hervorgehoben, ,,daß man kein Bedenken tragen kann, die Sprache der Vedas als einen se lbstständigen Dialekt anzusehen". Als Spezialist auf diesem Gebiet war er, wie die Briefe deutlich werden lassen , Jacob Grimms Ratgeber in Vedicis, aber auch allgemein in Fragen de r altindoarischen Sprachwissenschaft. Kuhn kam dabei ja zugute, daß er damals noch nicht edierte Texte (Rgvedasamhitä etwa oder zugehörige exegetische Literatur, beispielsweise Yäskas Nirukia) aufg;und eigener Handsch rfftenlektüre heranziehen konnte. für die die Berl iner Biblio thek mit ihren reichen Schätzen ungeheure Möglichkeiten bot . So hat Jacob Grimm von Kuhn Auskünfte erbeten, als er über die Monatsnamen und allgemein über das Kalenderwese n der indogermanischen Völker schrieb - in seiner „Geschichte der deutschen Sprache". Auch was e r an anderer Stelle dieses Buches über die Namen von Falke und Habicht und über die Falkenjagd in Indien schrieb, geht zum Teil auf Kuhn zurück. Und nicht anders steh t es bei Grimms Abhandlungen „ Ober das Verbrennen von Leichen" und „Über Frauennamen aus Blumen " . Wiederholte Male erlauben hier die Briefe einen 'Blick in die Werkstatt' und überhaupt in den damaligen Wissenschaftsbetrieb , de r es mit dem Anerkenntnis mündlich oder brieflich erteilter Auskünfte viel weniger genau nahm als unsere Zeit. Die Probl_eme, zu denen Jacob Grimm Auskünfte e(heischt, sind mitunter sehr beachtenswerte Fragen: Als er einmal deutsch all bespricht, e rkundigt er sich nach Unterschieden in Gebrauch und Bedeutung von altindoar. viJva- und slirva- ,,all, ganz, jeder", was meines Wissens bis heute nie monographisch behandelt worden ist. Ein andermal fragt er nach indischen Zeugnissen für metaphorischen Gebrauch von Tierbezeichnungen als Schimpfwörtern. Hier hat sich, woran Grimm damals zu denken schien, nämlich gemeinsames Erbe solcher Metaphern, erst in neuester Zeit nachweisen lassen. Denn Manfred Faust hat 1969 derartige ,,me taphorische Schimpfwörter" eingehend untersucht und dabei zumindest fur den Namen des Hundes grundsprachlichen Metaphergebrauch nachgewiesen. Es geht in den Briefen J acob Grimms an seinen „Freund " und in Kuhns Briefen an den „Herr(n) Hofrath" aber nicht nur um fachliche Fragen, sondern auch um mehr Persönliches: Ich will da nur einen Punkt nennen, nämlich den im Februar 1860 von Jacob Grimm ausgehenden, abe r gescheiterten Versuch, Kuhn zur Wahl als Akademiemitglied
Adal bert Kuhn und Jacob Grimm in ihren Briefen
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vorzuschlagen. - Der heutige Leser gewinnt ge legentlich auch dort inte ressante Einblicke , wo es 'nur' um alltägliche Fragen der Redaktion von Kuhns „Ze itschrift" geht, an deren erstem Band Jacob Grimm mit sieben Beiträgen beteiligt war. Doch schlagartig hört diese Mitarbeit mit dem S. Heft dieses ersten Bandes auf. Erst ein jetzt bekanntgewordener Brief Jacob Grimms zeigt, daß dies nicht auf bloßem Zufall beruht, sondern daß Grimm in de r Tat verstimmt gewesen ist , und zwar über den Mitbegründer der KZ und Mitherausgeber der ersten Bände, Theodor Aufrecht: In eben jenem S. Heft hatte Aufrecht nämlich Jacob Grimm heftig kritisiert wegen der etymologischen Verbindung von latein. amor „Liebe'' und griech. lµ1;p~ ,,Sehnsucht'· und ihm vorgehalten, .,dass nur ein strenges handhaben der lautgesetze die etymologische wissenschaft fördert" . Darüber beschwert sich Grimm Kuhn gegenüber am 4. November 1851 , und er kündigt unverblümt an : ,,das wird mich ein wenig in der bereitwilligkeit stören Ihnen beiträge zu liefern". Diese Androhung hat er dann auch wahrgemacht. Allerdings zeigt sich in der Korrespondenz auch, daß er im März 18S6 doch noch einmal einen Artikel für KZ geschrieben hat, der übrigens gegen Aufrecht gerichtet war. Er hat ihn aber am nächsten Tag wiede r von Kuhn zurückgefordert, da er manches fur „doch wo! zu gewagt" hielt. In Grimms „Kleinere(n) Schrif• ten", wo er dann postum veröffentlicht wurde, kann man sich hiervon überzeugen. Auch Adalbert Kuhn seinerseits erbittet gelegentlich ausdrückliche Ste llungnahmen Jacob Grimms zu Fragen, die ihn gerade beschäftigen. Als er an seinem 18S9 herausgekommenen mythologischen Hauptwerk über „Die Herabkunft des Feuers und des Götter• tranks" arbeitet , legt er ihm die Frage vor, ob die etymologische Verknüpfung von ved. parJJ,li- ,,Fede r, Blatt'" und deutsch Farn, d ie sich hier zum ersten Mal ausgesprochen findet , statthaft sei, da d ie althochdeutsche Nebenform mit m ihn hieran hatte unsiche r werden lassen . - Ganz andere Interessen Kuhns erkennt man aus einem spä teren Brief: Im Februa r 1860 teilt er Grimm mit , daß er mit einer Materialsammlung für Lautleh re und Wortschatz der Berliner Mundart begonnen habe (die sich übrigens im Nachlaß er• halten hat). Bei dieser Gelegenheit fragt er nach der Etymologie des Verbs schurigeln. Hierzu läßt ihm Grimm dann eine ausführliche Mitteilung zukommen, die ihrerseits reizvolle Aufschlüsse vermittelt, insofern als sie hier einen Vergleich ermöglich t zwischen dem Zustand der Sammlungen für das „ Deutsche Wörterbuch" anno 1860 und etwa 1899, wo dann endlich das Stichwort „schurigeln " im Druck erschienen ist. Wenn die hier angedeuteten Mitteilungen über eine Studie, die an für Indogermanisten doch etwas entlegenerem Ort publiziert werden wird, Ihr Interesse an deren Gegenstand gefesselt haben sollten, so hätten sie ihre Absicht voll und ganz erreicht. [Nachtrag : „Der Briefwechse l zwischen J acob Grimm und Adalbert Kulm" ist inzwischen in ,,Brüder Grimm Gedenken", Band 6, 1986, 135-207, erschienen.]
CALVERT WATKINS
' In lhe lnterslices of Procedure• lndo-European Legal Language and Comparative Law I owe my title to one or the intellectual giants of the ninetee nth ccntury , Sir Henry Sumner Maine (1822-88). Maine was aj urist and historian, indeed one ofthe founding fat hers of the comparative study of the history of institutions. An lndo.European com• parative linguist can late in the twentie th century still turn to Maine for insigh t and excitemcnt ; for in so doing he is bringing together, effec1ing a confluence of two separate streams of scholarly tradition wh\ch go back to the same founta inhead in 1he 18th ccntury : the writings of thc English philologist and jurist Sir William Jones (1 746- 94). All historical linguists, and all historia ns of linguistics, are familiar , perhaps to the point of tedium, with Jones' pronouncement of 1786, which muks the birth of lndo-European. Fewer of these same students perhaps pause to reOect on the enonnous influence exerted by Sir William Jones' translation of The Code of Manu (ln.slilutes of Hindu law or the Ordüuznces of Manu , Calcutta 1794, second edition Calcutta and London 1796). Jones' was the first translat ion of this text into any Western European language (a German one by Hüttner followed in 1797); in the English speaking world Jones' translation remained authoritative unt il that of Georg Bühler in The Sacred Books of the East, which only appeared in 1888 , the year of Maine's death . lt is fair to say that is was the familiarity and accessibility made possible by Jone s, of the Code of Manu, the Ma11u.smrti or Mä11a 1u4harma-Jostra , which was the primary impetus to the development of com parative law and the comparative study of the history of institut ions in the midnineteenth century. This discipline takes as its exemplum Maine's best and most influ ential book ,Ancient Law of 1861 . lt is striking that fo r the 19 1h century historian of institutions. Maine, just as fo r 1he twentieth century author of The Vocabu/ary of Jndo-Europea,i h 1stitutio11s, Emile Benveniste , the use of comparison and the comparative method is both genetic and typological; both diachronic and synchron ic. Benveniste devoted full y a sixth of hls twovolume work to the semantic field of the law ; but his studies - valuable as they are - concern in large pa rt what we may think of as the 'grander' not ions o f law : themis, dike , ius, [as, • med- 'measure'; and the vocabulary of oath swea ring in Greece and Rome, India and Iran. They are at times both excessively briefand excessively gene ral; the legal historian misses any reference 10 the extraordinary specificity, the love for minu1e detail of ancient law, and he misses any reference to what Jakob Grimm already early in the last century referred to as the "sensuous elemen t" in Gennanic law , "die Poesie im Recht". The referenccs are given and the principles discussed by Harold J . Bennan of thc Harvard Law School in law and Revolution 53 (Cambridge, 1983), who also cites F. W. Maitland's dic tum that "Justice must assume a picturesque garb o r she will not be seen."
Calve r1W atkins
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Oiscussing Archaic Law (i.e. Maine's Ancient Law) Berman notes that thc emphasis on 1he cc ntral role of the court, i.c. fonnal adjudicahon (both litigation and judgment) in the legal order is the most important distinguishing mark of Archaic Law from most con temporary primitive law. Fo r the full quotat ion from which I take my title runs: " An cient law is hidden in the in terstices of proced ure". lt is take n from a later and less well-known work of Maine's, Early law and Custom (p. 389 of the I st cd.); it was made famous by F. W. Maitland in his Forms of Action in Common Law. l owe my own knowledge of it to my Harvard Law School seminar colleague Charles Donahue, and it is a considera ble debt: for rew phrases so aptly characterise 1he methodology or both comparative law and comparative linguistics. In 1he brief rcmarks which fo llow I hopc 10 show how the two can interact, in elucidating certain aspects or the ' lndo-European problem '. There exists a comparat ive law of the lndo-European speaking peoples. at least in 11uce. The first lndo-European Hittite words the Assyrians learned in the Cappadocian merchant colony of Kärum Kani~ ff (19th cent. B.C.) was the word for 'cont ract' ishiu fi. [The second was the word for 'night watchman ' isparalu, a fact which deserves tobe put together with the contempo rary Hittile King Anitta's recording that he took several dir• ferent cities by storm at night (ispa11d1) ). The fir st lndo-Aryan god invoked by Sattiwaia of Mitann i is Mi-iNa- 'Contract'. The prototypical institution ofthe Northem Albanians, who followed until this century the unwriuen Kanun i l.ek Dukagjinit, is besa, indef. best 'swom faith', by Hamp's convincing etymology • bhidh -rii "1rion,". Most recently the French linguist Jean Haudry in bis short popular monograph on Jndo-Europeans (in the collection Que sais.je. 198 1: PUF) calls 10 anen1ion a numbe r of salient reatures o r lndo-European marriage and family law in seve ral tradition,. As he puts it (I tran slate): "the existence of an Jndo-European law can pass today as certain : an unwritten law, 10 be sure, but one carried in traditional formulas and articulated according to fixed schemas, principally that of the (Dumezilian} thrce functions." (p. 90) Haud ry's insistence on the central role in Jndo-European law of the idiologie des trois [onctiom is a characteristically French exagge ratton; but rcduced to its true proportions, as notably in the writ ings of Emile Benveniste , Dumezil's model of a functional tripartition of society, ideology and culture - grosso modo, into the fun c• tions of religious and juridical sovereignty, of martial force, and of the physical production of wealth and prosperity; a society of priests, warriors, and farmers - can be applied with profit to aspects of lndo-European law. Benve niste in his article on 'Social symbolism in Creek and Italic cults' (RHR 129, 1945, 5- 16) calls attentio n, ä propos of the Roman suovitaurilia , to the Creek rptrnk or rpirro(i)a, the sacrifice of three animals, typically bull, ram and boar, to consecrate a solemn oath. As he shows, it is a sacrifice which subsumes in symbolic kind the whole of human society. Yet o ne can go furthe r, in the speciflcally juridical context of the oath. lt is little short of astonishing that, to the best of my knowledge, neither Dumezil nor any of his disciples has eve r cited the forms of the oath for the thrce non-servile castes in Hindu law:
n,e
Manu 8 . 113
satyena üpayed vipram k~triyam l'OlumilyudhailJ gobijakäffcanair vaiSyam Siid ram sarvais tu piltaka~
'In the l nterstkes of Procedure·. lndo•Eu ropem Legal Language md Compan.tive law
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'Let (thejudge) cause a Brihmar:ia to swear by his rruth, a K~triya by his char iot and weapons, a Vaiiya by hiscaitle,grain and gold, a ~iidra by (imprecat ing on his head the guilt of) all grievousoffences.' In the first , each of the lhree non-servile classes must swear by - an touch, ff palpable, cf. the commentary - a talisman symbolic of his function, and the descending hierarchy of functions is iconically reOected in the one-, two- and three part nominal fo rms satya 't ruth', vähan-iiyudha ·chariot and weapons' . go-bija-käifcana 'cattle, grain and gold'. Note that th e Brihmai:ia's instrumental saryena is the equivalent of a truthform ulation, which in Jndo-European (though not lndia) was un iquely appropria le to the füst function sovereign, Olr. [fr flaithemon. The second funct ion wa rrior swears by his transport and his arms, viihanäyudhais . The same two-fo\d oath recurs in Old Norse, with each of the two dou bled int o a merism. In the Volundarkvüta 33, one of the oldest Eddic poems, the smith Volundr swears an oa th 'by sh ip's sides, shield' s rim, horse's withers and sword's edge' al skips bord i at mars bogi
ok al sk ialdar rond ok at m~kis egg
Ship and horse, shield and sword are together the warrior·s transporl and arms. For the same merism with arms alone, note the Old lrish warrior's oath in Fled Bricrenn § 99 tar mo sciath 7 tar mo chloidem 'by my shield and by my swo rd ' In another passage we find the same iconic hierarchy, bu 1 the firsl two functions are marked by one- and two-member verb phrases: brühi 'speak ', satyam brühi ·spcak the truth'. Vi~i;iusmr1i 8. J 9-23 (in Uoka form in Manu 8. 88) salq:inai cähüyid ityodaye krtaiapathän prchet brülliti brähmai;iam prchet satyam brühiti räjanyam gobijakäifcanair vai~yam sarvamahiipiltakais tu ~üdram 'Let the judge summo n the witnesses, at the time of sunrise, and examine them after having them bound by an oath. A Brähmai:ia he must address thus: ·speok. ' A Kµ1riya he must address thus: 'Speak the truth. • A Vai!ya (he must cause to swear) by his caute, graür and gold, A Südra by all most grievous offences.' Here the Brähmai:ia's truth is assumed and need not bc adjured. Only the third function Vaitya has 10 swear by his three-fold talisman, the compound gobijakäifca11a which is apparent ly fou nd o nly in these two passages. This particu lar tradition is 1 th ink old ;
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c,~ n W1tkins
for wc may co mparc thc isolated third function gobijalaiiicanaiJ! with 1he cqually isola tcd
and scmantically cquivalcnt Roman oath-taking fonnula mtnso frugibus iurato sign ificat per mensam et frugcs
'hc shall swcar by his mensa and grain • prcscrvcd withou1 context in Paulus tx Fcsto (112 L.). Herc me,uo is thc sacrificial cakc or cookic on which ofrerings of food arc placcd, Umbrian mefa and 1hc rh yming formula mefa spefa.
Cases likc thosc wc have just seen , invo lving thc Dumfzilian thrcc fun ctions, may bc 1cm1ed as "structural" approach to lndo-European law, where the comparison o f institutions per sc point up homologous or isomorphic systems of relations. In othcr cases the s1udy of vocabulary and e1ymo\ogy provides 1he approach to lndo-European law . We may
find cogna1e designations for the same institution, e.g. trivially 'steal', 'thief; or we may be in a posi tion 10 rcconstruct a probable lega l technical term even where the historical meanings as institutions arc no1 significantly cognate, as in the case of Vedic rt k,.1as·wea llh', Cathic Avestan raexanoh- 'inhcritance in the eschatologica l se nse. reward in heaven' , and Common Cermanic •!aihwniz- in Old Norse län (> Eng. /0011) , OEng. /~11 . OHG /eha11 (> Germ . lehn). We can reconstruct an IE •toikwnes-, bu1 its precisc legal meaning remains uncertain . The Old lrish legal term for a particular kind of loan airleidud, also from the root •!eikw-, is probably relevant. but its precisc na1ure is also unclear. lt is also a fact , easily ve rifiable by reßection on ourown various native languages, and by cursory inspection of 1he lexicons of the beuer-known ancient languages, 1h11 some words may bear a rather different meaning in law than they do in ordinary language. Where we find cognaie languages agreeing on the legal meaning , it is a reasonable assumption thal that legal meaning or semantk: feature was present already in lhe pro1olanguage . The semantic analysis may then have relevance to the forma l analysis. A case in point is the widespread rool •bheudh-. wilh meanings like active/middle, transitive/ intransitive ·cause to wake/wake', ·cause to perccive/perceive•. Cretan Creek , Germanic and Old lrish agree in attesting an active transitive in the meaning 'give legal no1ice (of), announce, proclaim'. This section is 10 show 1ha1 that meaning is inherited and part of th e semantics of lndo-Eu ropean active •bhunedh-ti. In Creek compare Law Code of Cortyn 8. 55 ff. cu 6E 111; OfflXO( TCUI 1raTpO.at 6' (e-y)'YpaTTat, fffvi)fJI (rrop]Tt 1-· },.0t1Tax] ' lf anyone shou ld marry the "heiress" otherwise than is prosc ribed, lhe lawful heirs arc 10 lay infonnat ion before a magistrate' (tr. Willeu). In IC 4. 83.3,6 et passim o rrEvocwc; is the plaintiff, ·accusator', and o 11evo1'ax; is 'vir in ius vocalus', as translated by M. Cuarducci , Ri11. /sr . Arch. 3, 1931 , 19. Elsewhere in Creek we find only the in• lransitlve middle fffth)o,ro.t, 1rw-'d~t. For Germanic compare 1he füll rasier of forms in E. Seebold , Vgl. u. ery m . Wb. d. germ. srarken Verben s. v. beud-a-. The semantic range of Old Eng)ish b~an may be taken as typical : 1) 'offer' (whence bid at auction), b) 'command ', and c) 'announce, proclaim' (whence bid a truce). (The semanltc channel of development to 'offer' is unclear to Seebold, but it was already indicated by Grassmann , s. v. budh.) ln the sense
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'proclaim' the verb takes dative of the person and accusative of lhe lhing proclaimed ('war•, 'peace'): him w aes hikl bode11, he him frif, beodet,. In Old lrish ad-boi11d (ad-bui11 CIH 1121 .39 =at-boir1d 1381 . l (Privil . of pottsl) with ils ~rbal noun apod 1s the ~rb of "giving legal notice'. notably in the prooedure ofdistraint (saisie mobili~re , Pfllindung; Lat . pig11oris capio, Hin . appalritti (Laws) < appatar 'seizure') and of su retyship. The verb likewisc tak.es prepositional dative of the person and accusative of the thing: CIH 577.32 (• 193.30) arda.gaib na heochu ... 1ata-boinndoflT heich bete dior, festar 'He talc.es away the horses .. and gives notice of them to lhe man whose horses they are, if hebe known'. CIH 1465. 34 (= 897.35) apod cinadh 'givi ng no1ice of (the hens') \iability' (sec D. A. Binchy, Celt. 10, 1973, 78), CJH 11 2 1. 39 adb11i11 ratlta reclttaighe 'he proclaims lawful su reties' ; the other compound of lhis verb as-boind 'refuse s', v. n. opod (oss-b-) also occurs most frequentl y in a legal contex1. 'serve notice that one will not do something' . For lndo-l ranian S. Jamison , -aya-Formations 149- 50 calls attention to the transitive/ intransitive 'make perceive/pe rceive' relation of Rigved ic bodhdyari : bUdhyate
agreeing with Younger Avestan bao&ziieifi : büi6iiaita .
As she no1es. they are significan!ly 1he only such pair (her type 4) of Common lndoJranian date . Though a specificaUy legal context is naturally absent from the Veda and the Yasna. it is noteworthy that the causative transitive in A~stan takes the dative of the person and accusalive of 1he !hing: Yt. 10.90 hoomö ... yahmäi lmuara auruua1.aspam dürät n amö boo&ziieiti, which we may translate 'etymologically' as 'Haoma ... to whom the ~ift-horsed sun bids revence from afar'. Contras! the construction with the same lexical items in RV 7.44.2: dadhiknim u ,uimasä bodhdyatlla~ 'malc.ing 0 . aware with reverence'. Parenthetically we may note that the semantics of the whole Indo-Jranian verb phrase mimas(ti?) bhaudha.iD- explains the prehistory of Toch. B poutotdr •natter'. pouto 'ßattery. adulation . E1,rerbie11mg', Apoto tär , poro ('obeisance' G. S. Lane. Puifya1'