Studien zum Buche Hiob (1956¿1979) [2 ed.] 311008967X, 9783110089677

In der Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (BZAW) erscheinen Arbeiten zu sämtlichen Ge

184 90 10MB

German Pages 160 Year 1983

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Studien zum Buche Hiob (1956¿1979) [2 ed.]
 311008967X, 9783110089677

Table of contents :
Vorbemerkung
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Quellenverzeichnis
Der innere Aufbau des Buches Hiob
Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob
Überlieferung und Wandlung der Hioblegende
Form und Funktion in der Hiobdichtung
The Righteous Man in Job 31
Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)
Gottes Antwort aus dem Sturmwind (Hi 38-41)
Dialog und Kommunikation im Buche Hiob

Citation preview

Georg Fohrer Studien zum Buche Hiob

Georg Fohrer

Studien zum Buche Hiob (1956-1979) Zweite, erweiterte und bearbeitete Auflage

w DE

G

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1983

Beiheft zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Georg Fohrer 159

Die erste Auflage ist im Jahre 1963 im Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn erschienen

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Fohrer, Georg: Studien zum Buche Hiob : (1956-1979) / Georg Fohrer. - 2., erw. u. bearb. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1983. (Beiheft zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft ; 159) 1. Aufl. im Gütersloher Verlagshaus Mohn, Gütersloh ISBN 3-11-008967-X NE: Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft / Beiheft

© 1983 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin 30, Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Übersetzung, der Herstellung von Mikrofilmen und Photokopien, auch auszugsweise, vorbehalten. Printed in Germany Satz: Dörlemann-Satz G m b H & Co. KG, Lemförde Druck: Saladruck, Berlin 36 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin 61

Vorbemerkung Sechs der in diesem Band vereinigten Studien zum Buche Hiob sind bereits im Jahre 1963 in einem Sammelband mit dem gleichen Titel erschienen (Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn). Nachdem der Band vergriffen und eine Neuauflage nicht vorgesehen war, sind die Rechte daran an mich zurückgefallen. So lege ich die Studien, um zwei neuere erweitert und alle in einem gewissen Maße bearbeitet, von neuem vor. Den Grund dafür hat, ohne es zu wissen, J. Hempel in seiner Besprechung der Studien in ThLZ 1965, 587-589, angegeben: Die Studien erschienen fast gleichzeitig mit meinem Kommentar zum Buche Hiob und sollten ihn entlasten. »Man wird gut tun, den Kommentar nicht ohne diese Studien zu lesen.« Auf ein Verzeichnis der Bibelstellen konnte verzichtet werden, da diese nur Belegcharakter haben. Jerusalem, im November 1981

Georg Fohrer

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung Abkürzungsverzeichnis Quellenverzeichnis Der innere Aufbau des Buches Hiob Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob Uberlieferung und Wandlung der Hioblegende Form und Funktion in der Hiobdichtung The Righteous Man in Job 31 Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37) Gottes Antwort aus dem Sturmwind (Hi 38-41) Dialog und Kommunikation im Buche Hiob

V IX XI 1 19 37 60 78 94 114 135

Abkürzungsverzeichnis AELKZ AJSL ANET AOT AThR BASOR BZ BZAW ET HUCA JAOS JBL JCS

jpos JR

NedThT OTS PEQ RA RB RGG RHR RR ThLZ ThR ThStKr ThWNT VD VT WuD ZAW ZDMG ZRGG ZSTh ZThK

Allgemeine evangelisch-lutherische Kirchenzeitung American Journal of Semitic Languages and Literatures Ancient Near Eastern Texts relating to the Old Testament, ed. J. B. Pritchard Altorientalische Texte zum Alten Testament, hrsg. H . Greßmann Anglican Theological Review Bulletin of the American Schools of Oriental Research Biblische Zeitschrift Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft The Expository Times Hebrew Union College Annual Journal of the American Oriental Society Journal of Biblical Literature Journal of Cuneiform Studies Journal of the Palestine Oriental Society Journal of Religion Nederlands Theologisch Tijdschrift Oudtestamentische Studien Palestine Exploration Quarterly Revue d'Assyriologie et d'Archéologie Orientale Revue Biblique Die Religion in Geschichte und Gegenwart Revue de l'Histoire des Religions Review of Religion Theologische Literaturzeitung Theologische Rundschau Theologische Studien und Kritiken Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, begr. G. Kittel, hrsg. G. Friedrich Verbum Domini Vetus Testamentum Wort und Dienst, Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte Zeitschrift für Systematische Theologie Zeitschrift für Theologie und Kirche

Quellenverzeichnis Die Beiträge des vorliegenden Bandes erschienen erstmals in folgenden Zeitschriften und Sammelwerken: Der innere Aufbau des Buches Hiob in: Theologische Zeitschrift 15 (1959), 1-21 Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob in: Vetus Testamentum 6 (1956), 249-267 Uberlieferung und "Wandlung der Hioblegende in: Festschrift Friedrich Baumgärtel, Erlanger Forschungen A 10, Erlangen 1959, 41-62 Form und Funktion in der Hiobdichtung in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 109 (1959), 31-49 The Righteous Man in Job 31 in: Essays in Old Testament Ethics, J. Philip Hyatt in Memoriam, New York 1974, 1-22

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37) in: Archiv für Orientforschung 19 (1959/60), 83-94 Gottes Antwort aus dem Sturmwind (Hi 38-41) in: Theologische Zeitschrift 18 (1962), 1-24 Dialog und Kommunikation im Buche Hiob in: La Sagesse de l'Ancien Testament, Leuven/Gembloux 1979, 219-230

Der innere Aufbau des Buches Hiob I. Der vom Hiobdichter als Prolog verwendete Teil der alten Hioblegende führt in die Fragen um Hiob ein (1 1-2 13). Zu Beginn befindet dieser sich auf der Höhe des Glücks, reich an Kindern und Besitz. Am Ende ist er, ohne eine Schuld auf sich geladen zu haben und aus Gründen, die ihm und seinen Freunden unbekannt sind, alles dessen und zudem der Gesundheit beraubt und in ein solches Leid gestürzt, daß seine Freunde - aller Trostworte bar - nur noch weinen können. Darin wird bereits das Hauptthema des ganzen Buches angeschlagen: Es geht nicht um das Problem des Leides, sondern um das Verhalten des Menschen im Erfahren des Leides; nicht um die Frage, woher das Leid rührt, sondern um diejenige, wie man sich in ihm verhalten soll; nicht um das Problem der Theodizee, sondern um das Problem der menschlichen Existenz im Leid. Hiobs Glück und Reichtum sind gewachsen, weil sein Verhalten recht war. Sie vergehen, obwohl es recht war. Doch in Wachsen und Vergehen bleibt sein Verhalten recht, da es von seinem Wohlergehen unabhängig ist:

J h w h ist es, der's g e g e b e n , und J h w h ist es, der's g e n o m m e n hat; der N a m e J h w h s sei gepriesen! (1 2ib). D a s G u t e nehmen wir von G o t t , und das B ö s e sollten wir nicht annehmen? (2 lob).

Ein Nebenthema klingt mit: Es fragt sich, ob Gott recht hat, wenn er gegenüber dem Satan auf die unbeirrbare, selbstlose Frömmigkeit Hiobs traut und seine Ehre aufs Spiel setzt. Dadurch erhalten Hiobs Verhalten und Ergehen, ohne daß er es ahnt, göttlichen Sinn. Das Leid trifft ihn, weil Gott recht hat, und dient dazu, daß er recht behält. Hiob wird geschlagen, weil die Grundeinstellung eines der Himmelswesen falsch ist und damit sie als falsch erwiesen wird. Vor diesem Hintergrund muß Hiob leiden, weil und damit er fromm ist. Sieben Tage und Nächte klagen und trauern die Freunde, ohne das Wort des Trostes zu finden, auf das der Leidende der Sitte gemäß rechnen darf und das ihm das erleichternde Aufatmen schenkt, das der Sinn des Tröstens ist. D a schlägt in dem leidenschaftlichen und erregbaren

2

D e r innere Aufbau des Buches H i o b

Menschen das Pendel von der Gehobenheit zur Niedergeschlagenheit aus. Der siebente Tag ist der Höhepunkt des Leides, der Endpunkt des geduldigen Ertragens und der Wendepunkt im Verhalten. Nun bricht es aus Hiob heraus. II. Den ersten Teil der eigentlichen Hiobdichtung bildet die unmittelbare Auseinandersetzung zwischen Hiob und seinen Freunden und sein Bemühen um eine Auseinandersetzung mit Gott, die zunächst mittelbar betrieben wird. Dies vollzieht sich in drei Redegängen, in denen auf die Reden Hiobs jeweils die Freunde der Reihe nach antworten. Während die beiden ersten Redegänge unversehrt sind (Kap. 3-11. 12—20)1, ist der dritte gestört, aber doch so weit erhalten, daß die darin verfolgte Absicht klar wird 2 . Das Hauptthema ist wie im Prolog die Frage nach dem rechten Verhalten im Leide. Sie wird so behandelt, daß Hiob in seinen Reden das ihm möglich und richtig scheinende Verhalten lebt, die Freunde dagegen ihn über ein anderes und ihrer Ansicht nach besseres Verhalten belehren. Dieser Unterschied zwischen Leben und Lehre, zwischen Gladiator und Zuschauer färbt den Ton der Reden: die herzandringende Verzweiflung und den titanischen Trotz Hiobs, das kühle Besserwissen und kategorische Urteilen der Freunde. Außerdem klingen zwei Nebenthemen mit. Mit dem Ringen um das rechte Verhalten ist die Frage nach dem Verstehen des Leides verknüpft. Das ist wieder nicht das abstrakte Problem der Theodizee, sondern die konkrete Frage, wie dieser Mensch, der vom Leid getroffen ist, es verstehen soll: als unverdiente und unbegründbare Plage, als natürliche Beigabe des Lebens oder als vergeltende Strafe. Vom Verstehen des Leides wird das Verhalten des Leidenden beeinflußt. Das zweite Nebenthema ergibt sich aus dem tiefreichenden Gegensatz, der sich allmählich zwischen Hiob und den Freunden auftut. Sie vertreten die herkömmliche und allgemeingültige Theologie, gegen die er je länger desto heftiger aufbegehrt. So vollzieht sich auch die Auseinandersetzung zwischen orthodoxer und häretischer Auffassung.

1 2

Spätere Zusätze sind die H y m n e n in 9 5-10 12 12-25 und die Belehrung in 12 7-11. Die Reden in Kap. 21 und 22 sind voll erhalten, dagegen die H i o b r e d e in 23 1-17, die Bildadrede in 25 1-6 und die Hiobrede in 26 1-4 27 1-6.11-12 verkürzt. Die letzte Antwort Zophars fehlt ganz. Umgekehrt sind H i o b vier Lieder als spätere Zusätze in den M u n d gelegt worden: 24 26 5-14 27 7-10.13-23 28.

Der innere Aufbau des Buches H i o b

3

III. Die drei Hiobreden des ersten Redegangs bilden eine innere Einheit. In ihnen tut Hiob drei Schritte. Die erste Rede (Kap. 3) ist völlig von Wunsch und Klage beherrscht, die mit einem verzweifelten Aufschrei einsetzen und danach zwar ruhiger, aber auch umfassender und grundsätzlicher werden. Sie finden ihren Ausdruck zunächst in der Verwünschung von Empfängnisnacht und Geburtstag: Es vergehe der Tag, an dem ich geboren wurde, und die Nacht, die sprach: Ein Knabe ist empfangen! (3 3).

Vom Leid seines Daseins gebannt, möchte Hiob dieses Dasein am liebsten in seinen Ursprüngen treffen und auslöschen. Der maßlose Wunsch enthält die unausgesprochene Bitte nach dem Nichtlebenmüssen. Ebenso beklagt Hiob, daß er nicht wenigstens gleich nach der Geburt gestorben ist und dadurch die Ruhe gefunden hat, die das Leben ihm versagt: Warum starb ich nicht (unmittelbar) vom Mutterleibe weg, ging aus dem Mutterschoß hervor und verschied? (3 n ) .

Doch da die Frage nach dem Grund des Daseins ohne Antwort bleiben muß, wird sie, hinter der sich ein unerfüllter Wunsch verbirgt, zur Klage. Diese endet bei Gott, mit dem als dem Geber des Lebens H i o b seine Qual verbunden sieht, und wird auf alle Menschen ausgeweitet, die wegen ihres Leides am Leben verzweifeln: Warum gibt er dem Miihebeladenen Licht und Leben dem Erbitterten? (3 20).

Hiobs innerer Friede ist von ihm gewichen und sein Verhältnis zu Gott in Frage gestellt. In der zweiten Rede schreitet er, von der verständnislosen Antwort des Eliphas getrieben, auf dem eingeschlagenen Wege fort (Kap. 6-7). Rechtfertigt er zunächst seine Klage, so steigert er weiter seinen Wunsch dahin, daß es besser sei zu sterben, als in solcher Qual zu leben (6 1 - 1 3 ) . Nachdem er die Freunde, die ihm das Recht zur Klage bestritten haben, mit Vorwürfen überhäuft hat (6 1 5 - 3 0 ) , richtet er die Klage an Gott selbst (7 l - l l ) . Sie f ü h r t auf die anklagenden Vorwürfe gegen Gott hin (7 12-21), die ausdrücklich aus ihr abgeleitet werden (7 ll). Darin spiegelt sich die Lage Hiobs wider, die sein Verhalten bestimmt. Von den Freunden fühlt er sich nicht ernst genug, von Gott hingegen zu ernst genommen. D a h e r bittet er die Freunde, ihn in seiner N o t mit einem mitfühlenden Herzen zu verstehen, und Gott, ihn in Ruhe zu lassen. Uber seine erste Rede geht H i o b also einmal mit dem ausdrücklichen Todeswunsch - an Stelle des Wunsches nach dem Nichtlebenmüssen - hinaus. Zwar ist es kein Lebens-

4

D e r innere A u f b a u des Buches H i o b

überdruß, da er im Grunde am Leben hängt und deswegen wünscht, daß Gott sich entweder nicht um den Menschen kümmert, um ihn heimzusuchen, oder daß er ihm die Sünde vergibt. Aber Hiob hat keine Kraft und Hoffnung mehr, um seine Qualen länger auszuhalten, und möchte am liebsten von Gott den Gnadenstoß bekommen: D a ß G o t t sich entschlösse, mich zu z e r m a l m e n , seine H a n d a b z ö g e u n d mich abschnitte! So hätte ich noch einen T r o s t u n d h ü p f t e t r o t z mitleidloser S c h m e r z e n (6 9-10).

Ferner tut Hiob den Schritt von der Klage über sein Geschick zum anklagenden Vorwurf gegen Gott, der es herbeigeführt hat. Denn darin eröffnet sich ihm - außer der gewünschten Erlösung zum Tode - die andere Möglichkeit eines Ablassens Gottes von ihm als Erlösung zum Leben. Da es nicht ausgeschlossen scheint, daß Gott seiner rettend »gedenkt« (7 7), läßt Hiob alle Zurückhaltung fallen, um sich mit seiner Angst und Unruhe, Sehnsucht und Erbitterung an Gott zu wenden: Auch ich will meinen M u n d nicht s c h o n e n Ich will in der Bangigkeit meines Geistes r e d e n , in meiner Bitterkeit klagen (7 11).

Mit der sich eröffnenden Aussicht hängt es zusammen, daß die Vorwürfe noch zurückhaltend und hauptsächlich in Frageform ausgedrückt sind: Bin ich das M e e r o d e r d e r Seedrache, d a ß d u gegen mich eine Wache aufstellst? (7 12). W a n n endlich blickst du von mir weg, läßt mich in R u h e , bis ich meinen Speichel h i n u n t e r g e s c h l u c k t habe? (7 19).

An die Stelle der einfachen Klage über den Zwang zum Leben als Ausdruck der Verzweiflung über das Leid treten der Todeswunsch und der anklagende Vorwurf gegen Gott als Ausdruck des Bewußtwerdens der Krise. Die Qual ist so groß und unerträglich, daß sie beendet werden muß - entweder durch die Ruhe des Todes oder durch die Ruhe vor dem bedrängenden Leid. Aber in der dritten Rede (Kap. 9-10) gelangt Hiob nach der Verzweiflung über das Leid und dem Bewußtwerden des Entweder-Oder zu der bitteren Erkenntnis, daß er von Gott nichts zu erhoffen hat. Da bei Gott Recht gleich Macht ist, bedeutet sein Recht volle Ungerechtigkeit. Es gibt kein den Menschen und Gott gleicherweise bindendes Recht, mittels dessen Gott zu belangen wäre; und gegen seine Macht kann sich niemand verteidigen (9 2-24). Darum ist Hiobs Lage aussichtslos. Ist doch alle Sühne ohne Aussicht auf Wirkung und jedes Bemühen um einen Schiedsspruch vergeblich (9 2 5 - 3 5 ) . Da bleibt nur die

Der innere Aufbau des Buches H i o b

5

Anklage gegen Gott, der anscheinend wie ein Mensch ist und handelt, der sein eigenes Geschöpf vernichtet und seit jeher Hiobs Feind ist. Und es bleibt trotz allen Grauens vor dem Tode nur die Sehnsucht nach ihm (10 1-22). So tut Hiob nach Klage und Vorwurf den dritten Schritt zur Anklage Gottes, die er inhaltlich und formal ausspricht. Er führt sie in Fragen aus, deren erste der prophetischen Anklage entnommen ist und deren folgende richterliche Fragen an den Angeklagten darstellen: Bringt dir's Gewinn, daß du Unrecht tust, d a ß du die Arbeit deiner H ä n d e verwirfst? H a s t du denn Fleischesaugen, oder siehst du, wie Menschen sehen? Sind wie des Menschen Tage deine Tage oder deine Jahre wie eines Mannes Jahre? D a ß du nach meiner Sünde forschst und um meine Schuld dich kümmerst, obwohl du weißt, d a ß ich nicht schuldig bin, und niemand aus deiner H a n d retten kann (10 3-7).

Die Klage von Kap. 3 wird zur ausdrücklichen Anklage umgewandelt. Hiob klagt nicht mehr darüber, daß er empfangen und geboren worden ist, sondern klagt Gott an, weil er ihn ans Licht gezogen hat: Warum brachtest du mich aus dem Mutterleib hervor? W ä r e ich (doch) verschieden, daß mich kein Auge sah! (10 18).

IV. Erst die Worte Hiobs bringen die über seinem Unglück verstummten Freunde zum Antworten. Auch jetzt wollen sie ihn nicht trösten, sondern über das Verstehen des Leides und das rechte Verhalten belehren. So mahnt Eliphas (Kap. 4-5) - an den wilden Aufschrei anknüpfend, der zum Abfall von Gott führen kann - Hiob dazu, bei seiner bisherigen Frömmigkeit zu bleiben und seine Klage nicht hinauszuschreien, damit er nicht als gottloser Tor elend zugrunde geht (4 2-11). Das aus dem Vergeltungsglauben unerklärbare Unglück selbst, das den Aufschrei hervorgerufen hat, erklärt der Weise unter Berufung auf eine ihm besonders zuteil gewordene Erleuchtung (4 12-21): Sind wohl die Menschen gegenüber Gott im Recht, oder ist ein M a n n gegenüber seinem Schöpfer rein? Sieh, (selbst) seinen Dienern vertraut er nicht, und seine Engel darf er des Irrtums bezichtigen. Erst recht diejenigen, die Lehmhäuser bewohnen, deren G r u n d m a u e r im Staube liegt.

6

D e r innere Aufbau des Buches Hiob

V o m M o r g e n bis zum Abend werden sie in Stücke zerschlagen; o h n e daß jemand es beachtet, k o m m e n sie für immer um. W e r d e n nicht ihre Zeltstricke ausgerissen, und sterben sie (nicht), ohne zu wissen wie? (4 17-21). Im Unterschied zur vorher vorgetragenen Weisheitslehre, daß kein Schuldloser u m k o m m t (4 7), heißt es in dieser O f f e n b a r u n g , daß kein M e n s c h vor G o t t bestehen kann, weil das G e s c h ö p f dem S c h ö p f e r unendlich unterlegen ist. D a r u m k o m m e n nicht nur die Schuldigen, sondern die lehmbeschaffenen M e n s c h e n überhaupt um. M i t all diesen Eintagsgeschöpfen geht es schnell und plötzlich zu E n d e . Ihre S c h w ä che und O h n m a c h t beruht nicht auf einer grundlegenden o d e r wiederholten Sünde, sondern auf ihrer Kreatürlichkeit. Ihre Unzulänglichkeit hat keine religiösen oder ethischen Gründe, sondern geht auf ihre stofflich-sterbliche Art zurück. D i e s e r Sachverhalt erklärt H i o b s U n glück. Wenn er noch so f r o m m ist, braucht es ihm trotz des Vergeltungsgedankens nicht gut zu gehen, weil ihn das G e s c h i c k aller M e n schen treffen kann und tatsächlich getroffen hat. Daraus ergibt sich die Nutzanwendung (5 1-I6): Es ist töricht und albern, ein G e s c h i c k zu beklagen, das in der N a t u r des M e n s c h e n liegt, wie es der N a t u r der Feuerfunken entspricht, daß sie emporfliegen. Richtig ist ein anderes Verhalten: Hingegen ich, ich würde mich an Gott wenden und Gott meine Sache vorbringen (5 8).

Es gilt für den M e n s c h e n , sein U n g l ü c k geduldig zu tragen und sein Anliegen demütig im G e b e t vor G o t t zu bringen, weil von ihm H i l f e und Heilung erwartet werden darf. H a n d e l t H i o b d e m g e m ä ß , so wird ihm sicher wieder volles G l ü c k zuteil werden (5 17-27). Freilich ahnt Eliphas nicht, daß er das gleiche Verhalten empfiehlt, das der Satan bei H i o b vermutete, aber trotz aller Prüfung nicht antraf: G o t t nicht um seiner selbst, sondern um des vollen menschlichen Glücks willen zu suchen, dessen Spender er sein soll. Weil H i o b dieser Versuchung nicht nachgibt, f a ß t Bildad ihn schärfer an (Kap. 8). E r sieht ihn mit seinen Klagen und Vorwürfen ( 6 - 7 ) den falschen W e g weitergehen und sucht ihn vor dem Verderben zurückzuhalten, dem er entgegeneilt. D e n n Bildad vertritt unnachgiebig die Lehre von der vergeltenden Gerechtigkeit Gottes als grundlegender Gegebenheit, nach der sich das Verstehen der menschlichen Existenz und die praktische Lebensführung zu richten haben. Was zu H i o b s persönlichem Geschick zu sagen ist, muß vom Grundsatz der zweiseitigen Vergeltung aus gesagt werden. D a h e r warnt er ausführlich vor dem schlimmen E n d e des Frevlers, das H i o b droht, wenn er sein Verhalten nicht ändert (8 8-19). J e t z t ist er freilich noch nicht mittelbar oder unmittelbar als Frevler anzuklagen. Offensichtlich hat er - anders

Der innere Aufbau des Buches Hiob

7

als seine Söhne (8 4) - keine schwere Versündigung auf sich geladen, sondern nur unabsichtliche Verfehlungen, die aus der von Eliphas angeführten natürlichen Schwäche des Menschen folgen und die Hiob selbst nicht abstreitet (7 2l). Deswegen muß er leiden. Wendet er sich aber in demütigem Gebet an Gott, so kann er seine Wiederherstellung erwirken: Wenn du selbst nach Gott suchst und zum Allmächtigen (um Gnade) flehst, ja, dann wird er sich deinetwegen regen, deine Stätte wiederherstellen, wie es recht ist (8 5-6).

Weil Hiob diesen Rat, der praktisch dem des Eliphas gleicht und genauso versucherisch ist, nicht befolgt, sondern unter Vernachlässigung jener kleinen Vergehen, die Gott doch übersehen müßte (7 2l), seine Unschuld betont und Gott als Feind anklagt (Kap. 9-10), greift Zophar ihn heftig an (Kap. 11). Er will drei Gesichtspunkte Hiobs widerlegen. Wenn dieser bei sich keine Sünde findet, kann Gott selbst ihn eines Bessern belehren (11 5-6). Wenn er sein Leid auf Gottes Willkür und Feindschaft zurückführt, soll er bedenken, daß dessen Wesen unergründlich ist (11 7-9). Und wenn er sich gefangen und verurteilt fühlt, soll er wissen, daß Gott mit sicherem Griff die Schuldigen faßt (11 10-12). Freilich scheint Zophar selbst das Geheimnis der Weisheit Gottes im Vergeltungsglauben zu kennen und die unerforschlichen Tiefen des göttlichen Wesens durch die Anwendung des Vergeltungsgrundsatzes auf die rätselhafte Wirklichkeit des Lebens zu erfassen. Darum weiß auch er für den als Sünder heimgesuchten Hiob keine andere Möglichkeit, als daß er das Böse entfernt und sich Gott zuwendet, damit alles wieder gut wird; nur die Frevler haben keine H o f f n u n g mehr (11 13-20).

V. Der zweite Redegang läßt die Wirkung der bisherigen Auseinandersetzung zwischen Hiob und seinen Freunden erkennen. Bisher hatten diese daran festgehalten, daß Hiob trotz etwaiger kleiner Verfehlungen im Grunde kein Frevler, sondern ein frommer Mann sei und wieder Glück erlangen könne, wenn er sich geduldig und demütig verhalte. Hiob jedoch weist diese Ratschläge scharf und endgültig zurück und fordert statt dessen Gott zur Anerkennung seiner Unschuld auf. Zudem geht er von seiner eigenen, in der dritten Rede erreichten Erkenntnis aus, daß ein freiwilliges Eingreifen Gottes zu seinen Gunsten nicht zu erhoffen ist. Daher sucht er ihn dazu herauszufordern und zu drängen. Jede der drei Reden des zweiten Redegangs enthält einen solchen Versuch, der von Mal zu Mal zwingender wird.

8

D e r innere A u f b a u des Buches H i o b

Nachdem Hiob in der vierten Rede (Kap. 12-14) mit den Freunden in scharfer Weise abgerechnet hat (12 1-6 13 1-12), wendet er sich an Gott, um ihn wie zu einem Rechtsstreit zur Behandlung seiner Lage herauszufordern, damit Gott seine Unschuld anerkennt (13 13-28). Anschließend gibt er mit der Schilderung des menschlichen Geschicks den Beweggrund für die Herausforderung an (14 1-22). Diese Herausforderung bildet also den eigentlichen Kern der Rede: Sieh doch, ich bringe den Rechtsfall vor; ich weiß, daß ich im Recht bin (13 18).

Nachdem Hiob den Entschluß dazu kundgetan (13 13-15) und die Vorfragen der Rechtmäßigkeit und Möglichkeit einer solchen Herausforderung erwogen hat (13 16-22), formuliert er nicht unähnlich einer Anklageschrift die Fragen, die er im Rechtsstreit an Gott zu richten hätte: nach dem Rechtsgrund seines Verhaltens (v. 23), nach dem Grund für seine Feindseligkeit (v. 24) und für die Anwendung seiner großen Macht gegen den kleinen Menschen (v. 25), nach der Berechtigung der Bestrafung bloßer Jugendsünden (v. 26) und der ständigen Beobachtung Hiobs, um ihn bei Fehltritten ertappen zu können (v. 27)3. Wegen alles dessen ist Gott anzuklagen, weil es zum Tod des Menschen führt. Einen zweiten Versuch unternimmt Hiob in der fünften Rede (Kap. 16-17), begründet durch das Fehlen der Freundeshilfe und seine schlimme gegenwärtige Lage mit dem drohenden Todesschicksal (17 1-16). Er appelliert an Gott als den Rächer von Bluttat und Unrecht und spielt Gott als solchen Rächer (16 18-22) gegen Gott als den Feind (16 7-17) aus: O Erde, decke mein Blut nicht zu; und ohne Ruhestätte sei mein Klageschrei! N u n also, seht, im Himmel ist mein Zeuge und mein Bürge in der Himmelshöhe 'Fände sich doch mein Freund bei mir ein!' Mein Auge blickt schlaflos zu Gott empor, damit er zwischen dem M a n n und Gott entscheide 'und zwischen' dem einen und dem anderen. Denn (nur noch) wenige Jahre kommen, dann gehe ich den Weg o h n e Wiederkehr (16 I8-22).

3

D e r an einer Stelle verderbte Text lautet verbessert: und meine Füße 'mit Kalk' färbst, die Spuren meiner Füße einzeichnest. Demnach verhält es sich so, als färbe Gott die Füße Hiobs mit hellem Kalk, so d a ß er jeden Schritt bemerken kann, und als zeichne er seine Fußspuren am Boden auf, um seine Wege genau verfolgen zu können.

D e r innere Aufbau des Buches H i o b

9

Wie sind die Verse zu verstehen 4 ? Mit dem Klageruf des unschuldig Erschlagenen, dessen Blut nach alter Vorstellung um Rache schreit, wendet sich H i o b an die Erde, damit sie das Blut nicht zudecke und zum Schweigen bringe (v. 18a). Ebenso soll der Zeterruf des in seinem Recht Gekränkten an den zuständigen Richter nicht verstummen, damit er gehört werden muß (v. 18b). Während alles gegen H i o b zu sprechen scheint, nimmt dieser aufgrund der Rechtssitten der Blutrache und des Zeterrufs Gott als Zeugen und Bürgen in Anspruch (v. 19). Vielleicht vermag der Racheschrei oder der Zeterruf dessen Abwehr zu durchbrechen. Er soll gegen sich selbst, der H i o b plagt, als Zeugen auftreten, der das Recht des Klägers erweist, und sich als Bürge f ü r die Unschuld des Leidenden einsetzen. Als solcher Rechtshelfer wäre er nicht mehr Feind, sondern Freund Hiobs (v. 20). O d e r er soll, wie es das israelitische Recht zuläßt, zugleich auch Schiedsmann und Richter sein. Denn während beim gewöhnlichen Rechtsstreit keine Instanz bestünde, die zwischen Gott und Mensch entscheiden könnte (9 33), muß im Fall der Blutrache der angerufene Gott entscheiden - als Richter zwischen H i o b und sich selber (v. 21). So appelliert H i o b von dem anscheinend willkürlich, machtberauscht und ungerecht handelnden Gott an Gott als den Rächer des Unrechts. Er fordert Gott auf, sich auf sein eigentliches Wesen zu besinnen und das dem Leidenden zugefügte Unrecht nicht länger zu dulden. In der sechsten Rede (Kap. 19) legt Hiob nochmals den Freunden seine Lage unter dem Gesichtspunkt dar, daß sie nicht durch seine Schuld, sondern durch Gottes willkürlichen Eingriff in sein Leben zustande gekommen ist (19 2-20). Da er von den Freunden kein Erbarmen erwartet, erwägt er, ob seine Unschuldsbeteuerungen nicht f ü r die Nachwelt aufgezeichnet werden sollten, die ihn dann gerechter beurteilen werde (19 21-24). Doch er braucht ihr Urteil nicht, weil er einen dritten Versuch unternimmt, Gott zur Anerkennung seiner Unschuld in der Gegenwart zu bewegen. Auch wenn seine Krankheit so weit vorgeschritten ist, daß er nicht mehr geheilt werden kann, möge der als Löser

4

Die Verse werden o f t dahin verstanden, daß H i o b seine Lage nach dem bevorstehenden Tod mit der eines Erschlagenen vergleiche und seine Zuversicht ausdrücke, daß G o t t als Zeuge und Bürge f ü r ihn eintreten werde, wenn er selbst seine Unschuld nicht mehr verfechten könne. Dem widersprechen 1. der ganze Zusammenhang, in den die Verse eingebettet sind; 2. der übertragene und bildhafte Gebrauch der alten Vorstellungen und Redewendungen; 3. die abschließende Begründung in v. 22, in der der Appell an G o t t als Rächer damit begründet wird, daß H i o b nur noch kurze Zeit zu leben hat. G o t t soll gerade nicht nach seinem Tode, sondern jetzt als Zeuge und Bürge auftreten und als Richter entscheiden; wenn H i o b tot ist, ist es zu spät dazu. D a h e r bedrängt er Gott, seine Pflicht als Rächer des Klagenden zu erfüllen und gegen sich selbst zu entscheiden, solange H i o b lebt.

10

D e r innere A u f b a u des Buches H i o b

angerufene Gott ihm erscheinen, um seine Unschuld zu bestätigen (19 25-27) und die ihn verfolgenden Freunde zu bestrafen (19 2 8 - 2 9 ) : Aber ich weiß: mein Löser lebt, selbst wenn er sich als letzter auf dem Erdreich erhebt. U n d nachdem meine H a u t 'so geschunden worden ist', will ich doch ohne mein Fleisch Gott schauen. Ich selber, ich möchte schauen; meine Augen "möchten sehen' und nicht einer, der mich nichts angeht (19 25-27a).

In diesem sehr verschieden verstandenen 5 dritten Versuch fordert Hiob nicht zum Rechtsstreit heraus und ruft nicht den Rächer an, sondern ersucht Gott als Schutzzeugen und Anwalt um Hilfe gegen die ihn verfolgenden Freunde und die Verurteilung durch eine unwissende Nachwelt. Mit dem »Löser«, der »lebt« und also wirkungskräftig und zum Eingreifen fähig ist, meint Hiob nicht - wie es sonst oft der Fall ist den Bluträcher oder den Treuhänder der Sippe, sondern Gott als Schutzzeugen und Anwalt (wie Jer 50 34 Ps 119 54 Prov 23 ll). Als solcher soll er im Rechtsverfahren zugunsten Hiobs »sich erheben«, das heißt auftreten, und als derjenige, der das letzte Wort hat, die Entscheidung herbeiführen - nicht im Himmel, sondern gegenüber den Freunden und der Nachwelt auf der Erde. Das ist die erste Steigerung gegenüber 16 18-22 (v. 25). Hiob wünscht, in seinem geschundenen und abgemagerten Körper Gott zu schauen, wenn er - wie der Anwalt des Schutzbedürftigen - sich der Sache Hiobs annimmt. Ein derartiges Er-

5

D a ß in diesen Versen von einer - nur durch Textänderungen erreichbaren - Aufersteh u n g s h o f f n u n g keine Rede ist, sollte klar sein; sonst müßte in den folgenden Reden wenigstens ein leiser Nachhall spürbar sein. Ebensowenig soll H i o b seine Rechtfertigung nach dem Tode im Jenseits oder als leibloser Geist schauen, da diese aus Jub 23 30-31 hergeleitete Auffassung außer dem Auferstehungsglauben noch die Annahme eines Zwischenzustandes vor dem Endgericht voraussetzt und der sonstigen Anschauung vom Schicksal des Toten im Hiobbuch widerspricht. Uberhaupt ist keine Gottesbegegnung oder gar T h e o p h a n i e nach dem Tode gemeint. D e n n 'apar bedeutet als solches nie den Staub des Grabes oder der Unterwelt, sondern stets das »Erdreich«, das erst durch weitere Ausdrücke zu dem lebendigen oder toten Menschen in Beziehung gesetzt werden muß. Auch mibfasari läßt nicht auf den Tod Hiobs schließen, sondern steht parallel zu »Haut« und bezeichnet daher das »Fleisch« des Körpers im engeren Sinn. Der Text spricht den Wunsch aus, daß Gott noch zu Lebzeiten Hiobs auf Erden f ü r ihn eintreten möge, so daß H i o b ihn noch als Verteidiger seines Rechts sieht. Für diese Auffassung spricht der Zusammenhang; denn daraufhin ist die Rechtfertigungsinschrift Hiobs f ü r die Nachwelt (v. 23-24) unnötig und die d r o h e n d e Bestrafung der Freunde zu ihren Lebzeiten möglich (v. 28-29). Ferner geht es H i o b vorher und nachher stets um sein gegenwärtiges Leiden und die sofortige Anerkennung seiner Unschuld. Schließlich stehen die Worte in der Linie einer allmählichen Vorbereitung der Tlieophanie von 38 l (9 11-12 11 5-6 13 16, dann 23 2ff. 31 14.35-37).

Der innere Aufbau des Buches H i o b

11

scheinen Gottes müßte sich in der Form einer Theophanie ereignen; sie wird im Wunsch nach dem »Schauen« Gottes vorbereitet. Darin liegt die zweite Steigerung gegenüber 16 18-22 (v. 26). VI. Währenddessen hat sich die Kluft zwischen H i o b und den Freunden vertieft, da auch sie einen Schritt weitergegangen sind. Hatten sie im ersten Redegang H i o b f ü r einen im Grunde f r o m m e n Mann gehalten, so beginnen sie ihn angesichts seines Drängens auf die Anerkennung seiner Unschuld im zweiten Redegang zu beschuldigen. Zunächst beschuldigen sie ihn freilich nur mittelbar, selber ein Frevler zu sein, und warnen ihn wegen des darum drohenden schlimmen Endes. So scheint sein Verhalten f ü r Eliphas die Religion zu gefährden und damit seine Schuld zu beweisen; darum hält der Freund ihm belehrend und drohend das Schicksal des Frevlers vor (Kap. 15). Bildad malt es überhaupt nur drohend aus, nachdem er Hiob vorwurfsvoll und spöttisch abgefertigt hat, und läßt in seinen Anspielungen auf H i o b (besonders v. 13) durchblicken, wozu er ihn rechnet (Kap. 18). Der beleidigte Zophar beginnt gar zu schelten und versteckte Beschuldigungen gegen H i o b zu erheben (v. 15. 17-22); während er f r ü h e r f ü r ihn noch zwei Möglichkeiten offen sah, hält er ihm nur mehr eine vor: das Los des Frevlers von Gott her (Kap. 20). VII. Diese Auffassung r u f t nicht nur den lebhaften Widerspruch Hiobs wach, sondern veranlaßt ihn auch, im dritten Redegang auf dreifache Weise die Anerkennung seiner Unschuld in einer unmittelbaren Auseinandersetzung mit Gott vorzubereiten und zu betreiben, bis sie endgültig durch den Reinigungseid (Kap. 31) eingeleitet wird. Die erste Vorbereitung erfolgt in der siebten Rede (Kap. 21), die nur scheinbar in theoretisch-polemischer Weise vom Ergehen des Frevlers handelt. Nach der mittelbaren Beschuldigung durch die Freunde ist es f ü r H i o b äußerst wichtig, ob sein Geschick dem des Frevlers entspricht; daher der dringliche Appell an die Freunde, ihm doch zuzuhören (21 2-5). Wie verhält es sich denn in Wirklichkeit? Es ist zwar furchtbar zu sehen, daß der Frevler in Glück, Erfolg und Gedeihen lebt - aber so und nicht anders ist es (21 6 - 1 3 ) . Er kann ausgesprochen gottlos sein und bleibt doch unbestraft, obwohl ihn selbst und nicht etwa seine Nachkommen die Strafe treffen müßte. Und wenn er stirbt, trifft ihn der Tod nicht als Strafe, weil er - unabhängig von ihrem Verhalten - Glückliche und Unglückliche gleicherweise ereilt (21 14-26). Ebenso können Augenzeugen bestätigen, daß das Unheil den Frevler ver-

12

D e r innere A u f b a u des Buches H i o b

schont, so daß er ungestört lebt und stirbt und noch nach seinem Tode geehrt wird (21 2 7 - 3 4 ) . Der Nachdruck, den H i o b auf diese A u s f ü h r u n gen legt, ist verständlich. Denn das glückliche Geschick des Frevlers unterscheidet sich grundlegend von seiner eigenen Lage. Sind Dasein und Ende des Frevlers tatsächlich von Erfolg und Ehre bestimmt, so ist Hiobs Unglück der Beweis dafür, daß er kein Frevler sein kann. Seine Leiden bezeugen nicht seine Schuld, sondern seine Unschuld. Wie 22 4 zeigt, hat Eliphas diese hintergründige Beweisführung richtig verstanden. Die zweite Vorbereitung erfolgt in der achten Rede (Kap. 23), die in einer Verbindung von Entschluß zum Rechtsstreit, Ausdruck der Siegesgewißheit und begründender Unschuldsbeteuerung ausspricht, daß Hiobs Unschuld offensichtlich ist. Nach der Beweisführung der siebten Rede wird sie nicht noch einmal bewiesen, sondern als dem Rechtsgegner Gott bekannt vorausgesetzt; eben deshalb darf der Sieg e r h o f f t werden. Er ergäbe sich, wenn H i o b nur zu Gott gelangen könnte, um ihm seine Sache darzulegen, und bei ihm Beachtung fände: Wenn ich doch wüßte, w o ich ihn finden könnte, an seine Stätte gelangen könnte! (23 3).

Gott müßte ihm recht geben, weil er stets untadelig war: D o r t setzte sich ein Redlicher mit ihm auseinander, und ich setzte 'mein Recht' f ü r immer durch (23 7).

Die dritte Vorbereitung liegt innerhalb der neunten Rede vor (26 27 1-6. 11-12). In ihr legt H i o b einen Eid ab, der sich im Unterschied zum Reinigungseid (Kap. 31) auf die Z u k u n f t bezieht. Er lautet dahin, daß H i o b keinen Trug sprechen wird: 1-4

Solange noch Atem in mir ist und Gottes Hauch in meiner Nase, sollen meine Lippen nichts Schlechtes reden und meine Zunge keinen Trug sprechen! (27 3 - 4 ) .

Der Eid dient der nachdrücklichen Beteuerung der Unschuld (25 5-6). Weil H i o b nicht lügen will, kann er den Freunden nicht recht geben und muß trotz ihrer Vorwürfe an seiner Schuldlosigkeit festhalten. Wenn er niemals zu lügen schwört, ergibt sich, daß er auch in der Behauptung seiner Unschuld nicht lügt und also wirklich unschuldig ist. Die subjektive Uberzeugung enthält f ü r den Israeliten zugleich die objektive Wahrheit, sofern die bewußte Verfälschung durch die Lüge ausgeschlossen ist.

Der innere Aufbau des Buches Hiob

13

VIII. D a ß H i o b die Freunde mit seiner Auffassung vom glücklichen Geschick des Frevlers (Kap. 21) nicht überzeugt hat, zeigt die Antwort des Eliphas (Kap. 22). Dieser empfindet richtig, daß die Grundlagen seines Glaubens in Frage gestellt werden, und rückt abwehrend den häretischen Hiob auf die Stufe der Frevler (22 1-5). D a ß dabei das platte Streben der Frömmigkeit des Eliphas nach Nutzen deutlich hervortritt, ist Absicht des Hiobdichters, der sowohl die Versuchung Hiobs durch die Freunde als auch die Minderwertigkeit des herkömmlichen Glaubens kennzeichnen will. Jedenfalls wird H i o b zum erstenmal offen bestimmter Vergehen beschuldigt und sein Leiden ausdrücklich als Strafe f ü r diese Schuld betrachtet (22 6-11). Sieht H i o b dies nicht ein, so stürzt er sich vollends ins Verderben (22 13-20). Die Einleitung der Antwort Bildads (25 1-6) läßt vermuten, daß die beiden anderen Freunde sich ähnlich geäußert haben. IX. Die Auseinandersetzung zwischen Hiob und den Freunden hat zu keinem Ergebnis geführt. Es ist bezeichnend, daß die Reden des dritten Redegangs in vieler Hinsicht zu früheren Reden zurückkehren; die Auseinandersetzung dreht sich im Kreise. Die Freunde können das rechte Verhalten im Leide nicht empfehlen, Hiob weiß es nicht zu erringen. Lediglich die Lehre der Freunde hat Hiob als falsch erwiesen; ihre orthodoxe Theologie ist leerer Wahn. Doch auch er selbst hat nicht recht. D a ß sein Rechthabenwollen ihn zu maßlosen Anklagen gegen Gott f ü h r t , zeigt seinen Irrtum. In dieser Lage bemüht Hiob sich endgültig um die unmittelbare Auseinandersetzung mit Gott in einer persönlichen Begegnung. Indem sie tatsächlich zustande kommt, f ü h r t sie die allein mögliche Lösung des existentiellen Problems des rechten Verhaltens im Leide herbei. Dieser zweite Teil der eigentlichen Hiobdichtung besteht aus den Herausforderungsreden Hiobs (Kap. 29-31) 6 , der ursprünglich einheitlichen und geschlossenen Gottesrede (38 1-40 2.8-14) und dem anschließenden Bekenntnis Hiobs (40 3-5 42 1-6)7. Diese Abschnitte bilden formgeschichtlich und sachlich einen engen Zusammenhang, der nicht zerrissen werden darf. 6

7

Ein späterer Zusatz ist der H y m n u s in 30 2-8. Die folgenden Reden Elihus in Kap. 32-37 sind gleichfalls eine spätere Einfügung, die einen eigenen Beitrag zur Lösung des Problems liefern soll. Gottesrede und Bekenntnis sind wegen der späteren Zusätze über das Nilpferd in 40 15-24 und das Krokodil in 40 25—41 26 auseinandergerissen und zu jeweils zwei aufgeteilt worden.

14

Der innere Aufbau des Buches Hiob

X. Die Herausforderungsreden Hiobs dienen unmittelbar dazu, das Auftreten Gottes vorzubereiten, dessen Eingreifen der Leidende so oft gewünscht hat. Sie entsprechen den Klagen der Psalmen, in denen der Beter oft die »Erzählung« seiner Not und die eidliche Beteuerung seiner Unschuld vorbringt; das Motiv des »Einst und Jetzt« entstammt dem Leichenlied. Der Unschuldserweis bezweckt an sich das Herbeiführen eines kultprophetischen Orakels mit erhörender Heilszusage oder eines Gottesurteils. Freilich hat sich der Hiobdichter nur lose an diese Schemata angeschlossen. Sein Hiob erwartet nicht in passiver Haltung ein an ihn ergehendes Orakel, sondern richtet eine rechtliche Herausforderung an Gott (31 35-37), die wiederum nicht ein Gottesurteil im Rechtsverfahren, sondern eine persönliche Begegnung mit Gott anstrebt. Entscheidend sind der einleitende Wunsch Hiobs: Wäre ich doch wie in den früheren Monaten, wie in den Tagen, da Gott mich behütete! (29 2),

und die abschließende Herausforderung Gottes: Wenn mich doch einer hören wollte! Hier ist mein Handzeichen! Der Allmächtige antworte mir! das Schriftstück, das mein Rechtsgegner schrieb. Wahrlich, ich höbe es auf meine Schulter, wände es mir als Diadem um. All meine Schritte brächte ich vor ihn, wie ein Anführer träte ich an ihn heran (31 35-37).

Der Wunsch nach einem Leben voll des früheren Segens wird durch die Gegenüberstellung des Einst und Jetzt beleuchtet (Kap. 29-30). Der Reinigungseid (31 1-34.38-40) soll die Voraussetzung für seine Verwirklichung schaffen und die Herausforderung Gottes zur gewünschten Auseinandersetzung (31 35-37) das Mittel zur Verwirklichung sein. Hiob ist dessen gewiß, daß er an Gott wie ein Anführer an einen Untergebenen oder Unterlegenen herantreten wird - als Triumphator, der über Gott einen glänzenden Sieg davonträgt. Er ist ein prometheischer Mensch, der Gott sein Glück entreißen möchte. Er ist ein titanischer Mensch, der Gott im Bewußtsein seiner Tadellosigkeit kühn und siegesbewußt entgegentritt. Und in alledem ist er der häretische Mensch, der der falschen Theologie der Freunde eine nicht weniger falsche Meinung entgegensetzt. Daß ihre Lehre unhaltbar ist, hat sich im Dialog erwiesen. Daß seine Ansicht genauso unhaltbar ist, muß noch erwiesen werden.

Der innere Aufbau des Buches Hiob

15

XI. Diesen Erweis erbringt die Gottesrede (38 1-40 2.8-14). Zwar erscheint Gott im Sturmwind und stellt sich zur Auseinandersetzung. Aber seine Antwort lautet anders, als die bisherigen Gesprächspartner erwartet haben. Nach der Theologie der Freunde hätte er den Frevler zerschmettern und das ihm angedrohte Gericht vollstrecken müssen. Doch er weist ihn nur zurecht. Er billigt aber auch das Verhalten Hiobs nicht, das einsichtslos den »Plan« verdunkelt - das Wollen und Tun Gottes in Schöpfung und Lenkung der Welt und demnach einerseits die Weltordnung, die Hiob in Frage stellt und als Willkür deutet, andererseits die Unergründlichkeit des göttlichen Handelns, das dem Menschen uneinsichtig ist: Wer ist es doch, der den Plan verdunkelt mit Worten ohne Einsicht? Gürte doch mannhaft deine Lenden! Ich will dich fragen, du aber laß mich's wissen (38 2-3).

Die Gottesrede nimmt nach Kap. 29-31 die Stelle eines Orakels oder Gottesurteils ein, ist aber im Gegensatz zu diesen nicht eindeutig positiv oder negativ gehalten, sondern eine große Frage an Hiob. Sie führt ihm das Unsinnige seines Verhaltens im Leide vor Augen, indem sie ihm die Weltordnung aufzeigt und ihn auf die zahlreichen Beispiele hinweist, die alle menschliche Einsicht und alles menschliche Können übersteigen (38 4-39 30). Sie hält ihm die Paradoxie von sinnvoller Ordnung und letzter Undurchschaubarkeit vor, die er nicht bemerkt hat, so daß er die Weltordnung als sinnwidrig und willkürlich empfindet. Sie weist ihn darauf hin, daß die Paradoxie in Gott eine Einheit bildet und aufgehoben ist, so daß sich die für den Menschen aus der Paradoxie ergebenden Schwierigkeiten gleichfalls in Gott lösen, während Hiob die Lösung statt dessen in der Anerkennung seiner Unschuld und im Durchsetzen seines Rechts - also bei sich selbst - gesucht hat. Das wäre nur richtig, wenn er das gleiche wüßte und vermöchte wie Gott: Kann der Tadler mit dem Allmächtigen rechten? Wer Gott zurechtweist, muß es verantworten! Willst du wirklich meinen Rechtsanspruch aufheben, mich schuldig sprechen, damit du recht behältst? Oder hast du einen Arm wie Gott und donnerst mit einer Stimme wie er? Schmücke dich doch mit Stolz und Erhabenheit, kleide dich mit Hoheit und Glanz! (40 2.8-10).

Wer Gott wegen seiner - infolge ihrer Undurchschaubarkeit paradoxen - Weltordnung zurechtweisen will, müßte wie Gott selber sein und der Aufforderung nachkommen können, seinerseits das Weltregiment zu

16

D e r innere Aufbau des Buches H i o b

ergreifen und eine ihm genehme Weltordnung durchsetzen — im Falle Hiobs: die Hochmütigen und Frevler niederzuwerfen und den aus ihrem Glück entstehenden Anstoß zu beseitigen (40 11-14). Damit sieht Hiob, der Gott herausgefordert hat, sich vor die Entscheidung gestellt, ob er in letzter Steigerung seines bisherigen Verhaltens die Ursünde des Menschen - wie Gott sein zu wollen - auf sich nehmen oder von seinem bisherigen Verhalten umkehren will. Aus der göttlichen Ironie, die dem Menschen das gottlose Gottgleichsein anbietet und zumutet, klingt der Ernst der Lage heraus. Wenn H i o b eine allgemein einsichtige und gerechte Weltordnung durchsetzen wollte, müßte er sich als denjenigen, der Gott gleich sein will, sofort selber richten! Der Augenblick, der ihn zum Weltenherrscher erhöbe, stempelte ihn gleichzeitig zum todeswürdigen Verbrecher! Die Aufforderung, das Hochmütige zu erniedrigen und zu demütigen (40 11-12), richtet sich auch in dem Sinne an Hiob, daß sie sich auf ihn bezieht. Er muß sich entscheiden, ob er der alte bleiben und zugrunde gehen oder ganz ein neuer werden will. Darin liegen Sinn und Aufgabe der Gottesrede.

XII. Das Bekenntnis der Wende Hiobs (40 3-5 42 1-6) entspricht formal dem D a n k oder der Gewißheit der Erhörung des Beters nach Klage und Orakel oder der Aneignung des Urteils durch den Rechtsuchenden im Gerichtsverfahren. Tatsächlich umschreibt es die grundlegende Wandlung Hiobs und den Weg, der zum eigentlichen Wesen des Menschen jenseits des bloßen Lebensvollzugs führt. Es sieht die Lösung des Hiobproblems darin, daß der Mensch - etwa wie im Falle Hiobs durch das Leid - sein Eigentliches erst gewinnen muß und in der Gottesgemeinschaft finden kann. In tiefster Erschütterung seiner Existenz wird H i o b der eigenen Nichtigkeit inne, indem zugleich das Hindernis der herkömmlichen Frömmigkeit oder ihrer Bestreitung schwindet, das ichhafte Bestreben und die Ansprüche an Gott weggeräumt werden und der Weg zwischen G o t t und Mensch frei gemacht wird. Aus dem ohnmächtig-zähneknirschenden Schweigen (9 3) wird das demutsvolle Schweigen des Menschen, dessen Existenz in der persönlichen Begegnung mit Gott in Frage gestellt worden ist und f ü r den solches Schweigen einen neuen Weg eröffnet: Siehe, ich bin zu gering; was könnte ich dir erwidern? Ich lege meine H a n d auf meinen M u n d . Einmal habe ich geredet, doch nicht 'tu ich's noch einmal', ein zweites Mal, doch tu's nicht mehr (40 4-5).

D e r innere Aufbau des Buches H i o b

17

Gegenüber der eigenen Nichtigkeit hat Hiob die Allmacht Gottes erkannt und erfahren. Ihm ist die früher bezweifelte Weisheit des göttlichen Handelns aufgegangen, dessen Paradoxie ihn verzweifeln ließ, aber doch nur auf der Uneinsichtigkeit von Gottes Tun und Wollen beruhte. H i o b muß erst erfahren, daß die Rätsel des Lebens bloß f ü r den Menschen bestehen, in Wirklichkeit aber ein sinnvolles Handeln darstellen: Ich habe nun erfahren, daß du alles vermagst und dir kein Gedanke unmöglich ist. So habe ich denn ohne Einsicht geredet von Dingen, die mir zu wunderbar und unbekannt sind (42 2-3).

Nicht aus dem Hörensagen der theologischen Tradition, sondern erst in der lebendigen Begegnung kann der Mensch Gott erkennen. Er »schaut« ihn im Sinn der Begegnung, die vertraute Gemeinschaft bewirkt. Denn Gott schauen bedeutet: seinem Vertrautenkreis angehören (vgl. Ps 25 14-15) und sich ihm vertrauensvoll hingeben (vgl. Ps 123 2 - 3 141 8 145 15). Äußerlich hat sich nichts geändert. H i o b sitzt nach wie vor in der Asche auf dem Schutthaufen und schabt sich. Doch innerlich hat sich eine grundlegende Wandlung vollzogen. In der vorbehaltlosen Hingabe an Gott und der persönlichen Gemeinschaft mit ihm trägt und erträgt Hiob sein Geschick. Es bleibt notvoll und rätselhaft, aber es quält ihn nicht mehr, weil die Gemeinschaft mit Gott alles andere überwiegt (vgl. Jes 51 7 - 8 ; Ps 73 25-28): Vom Hörensagen hatte ich von dir vernommen, nun aber hat mein Auge dich geschaut! D a r u m widerrufe ich und bereue in Staub und Asche (42 5).

Das ist das rechte Verstehen des Leides und das rechte Verhalten des glaubenden Menschen im Leid: demütiges und hingebungsvolles Schweigen aus dem Ruhen in Gott - aufgrund der Einsicht, daß das Leid auf einem rätselhaften und undurchschaubaren, aber doch sinnvollen Handeln Gottes beruht, und aufgrund der Gewißheit der Gottesgemeinschaft, die alles andere nebensächlich erscheinen läßt.

XIII. Nachdem die Entscheidung gefallen ist, stellt der Epilog die Wirkungen und Folgen der von Hiob vollzogenen U m k e h r in einem kurzen Abgesang dar (42 7 - 1 7 ) . Die Vertreter der orthodoxen Theologie werden von Gott gescholten, weil sie Nicht-Wahres geredet haben, und der Fürbitte des früheren Häretikers empfohlen, der durch seine U m kehr auf eine neue Stufe jenseits von Orthodoxie und Häresie gehoben

18

D e r innere A u f b a u des Buches Hiob

ist (42 7-9). U n d da sich die innere Haltung Hiobs gegenüber Gott geändert hat und dadurch die innere Einheit seiner Person nach ihrer fortschreitenden Auflösung durch Krankheit und Auflehnung gegen Gott wiederhergestellt ist, folgt der inneren auch die äußere Änderung und Wiederherstellung nach erneuter Bewährung durch die Fürbitte f ü r die Freunde (42 10-15). In Frieden und Harmonie klingt schließlich das Leben Hiobs aus (42 16). Die langdauernde enge Gemeinschaftsbeziehung zu Gott gibt eine solch unüberbietbare Fülle und Reife, daß der Tod als in sich folgerichtiger Abschluß menschlicher Existenz verstanden werden kann, die ihr Eigentliches im Leben gefunden und bewährt hat. So gewinnt im Blick auf H i o b die gebräuchliche Redewendung, daß er »alt und lebenssatt« gestorben sei, tiefe Bedeutung.

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob I. Die Ansicht, daß das ganze Buch Hiob in der uns vorliegenden Form eine Einheit bilde und in allen Teilen auf denselben Verfasser zurückzuführen sei, wird zwar nach wie vor vertreten 1 , darf jedoch ebensowenig auf allgemeine Anerkennung rechnen wie die abschwächende und vermittelnde Vermutung, daß der Dichter lange Zeit und vielleicht in mehreren Etappen an seinem Werk gearbeitet habe 2 . Mit Recht hält C. Kühl die Bedenken gegen diese Annahmen, die er in seiner umfassenden und sorgfältigen Darstellung der neueren Hiob-Literatur anführt 3 , f ü r zu schwerwiegend, als daß sie sich beheben ließen. Zweifellos haben spätere Hände am Werk des Dichters weitergearbeitet; auf sie wird man vor allem das Weisheitslied und die Elihu-Reden zurückführen müssen. Noch weiter entfernt sich C. Kühl von der Annahme der Einheit, wenn er außerdem die Gottesreden und den schriftlichen Niederschlag der mündlich überlieferten und mindestens durch die Himmelsszenen erweiterten Rahmenerzählung als zusätzliche späte Lösungsversuche versteht 4 . Als besonders schwierig erweist sich dabei die Frage nach dem Verhältnis zwischen Rahmenerzählung und Gedicht. Die Unterschiede, die zwischen beiden bestehen, sind o f t genug in eindeutiger Weise herausgestellt und manchmal vielleicht schon zu stark betont worden 5 . Sie ergeben jedenfalls, daß die Rahmenerzählung nicht das eigene Werk des Dichters ist, sondern eine ursprünglich selbständige Uberlieferung

1

2

3 4 5

E. Kalt, Das Buch Job, 1924; P. Haghebaert - L. Coppens, H e t B o e k j o b , 1929; C. van Gelderen, De h o o f d p u n t e n der zielgeschiedenis van Job, 1931; D. A. Duesberg, Les scribes inspirés, II 1939; V. E. Reichert, Job, 1946; H . J u n k e r , Das Buch Job, 1951; G. Ch. Aalders, Oud-Testamentische kanoniek, 1952, 295 ff.; H . Möller, Sinn und A u f b a u des Buches Hiob, 1955. P. D h o r m e , Le livre de Job, 1926; N . Peters, Das Buch Job, 1928; E. Sellin - L. Rost, Einleitung in das Alte Testament, 1950 8 , 163 ff. C. Kühl, N e u e r e Literarkritik des Buches Hiob, T h R 1953, 187 ff. 307 f. C. Kühl a.a.O. 308. Vgl. C. Kühl a.a.O. 188 f.; demgegenüber die Nivellierung der Unterschiede bei A. Bentzen, Introduction to the Old Testament, II 1952, 175.

20

Z u r Vorgeschichte und Komposition des Buches H i o b

darstellt, die in der Fremde außerhalb Israels spielte6. Wie verhält sie sich dann zum Gedicht? Hat der Dichter selbst sie mit diesem verknüpft - sei es, daß er ein schriftlich niedergelegtes Volksbuch vorgefunden hat7, das vielleicht noch einige Reden Hiobs, seiner Freunde und Gottes enthielt 8 , nach deren Resten man sogar im jetzigen Dialog Ausschau halten kann9; sei es, daß er eine mündlich überlieferte, obwohl schon in ziemlich feste Form gebrachte Volkserzählung übernahm oder verwertete 10 ? Oder ist der Dichter selbständiger gewesen sei es, daß er die Erzählung umgearbeitet, redigiert oder frei gestaltet hat, so daß die vorliegende Fassung von ihm herrührt11; sei es, daß sie ihm nur als äußerer Anknüpfungspunkt für sein Gedicht gedient oder ihn dazu inspiriert hat12? Oder kann die Rahmenerzählung nicht vom Dichter selbst mit seinem eigenen Werk verbunden, sondern erst später zu diesem hinzugefügt worden sein13?

6

Seit J. Wellhausen (Jahrbücher f ü r deutsche Theologie, 1871, 155) und K. Budde (Beiträge zur Kritik des Buches Hiob, 1876, 39 Anm.) wird o f t vom »Volksbuch« gesprochen, vgl. B. D u h m , Das Buch Hiob, 1897; F. Delitzsch, Das Buch Hiob, 1902; A. Bertholet, Biblische Theologie des Alten Testaments, II 1911, 101; K. Budde, D a s Buch Hiob, 1913; F. Buhl, Z u r Vorgeschichte des Buches Hiob, BZAW 1915, 52-61; J. Hempel, Die althebräische Literatur und ihr hellenistisch-jüdisches Nachleben, 1930, 175 f. Die ältere Entwicklung der Frage behandelt K. Kautzsch, Das sogenannte Volksbuch von H i o b , 1900.

7

P. Volz, H i o b und Weisheit, 1921; M . Simon, H i o b , 1925; O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 1934, 520; A. Weiser, Das Buch H i o b , 1951. Vgl. ferner die Literatur bei C. Kühl a.a.O. 192 f. F. Buhl a.a.O.; E. König, Das Buch Hiob, 1929; J. Lindblom, La composition du livre de Job, 1945; R. Marcus, Job and G o d , RR 1949, 5-29; O . Procksch, Theologie des Alten Testaments, 1950, 372; T h . H . Robinson, Job and his Friends, 1954. Vgl. ferner die Literatur bei C. Kühl a.a.O. 192 f. F. Buhl a.a.O.; J. Hempel a.a.O. 176; F. Baumgärtel, Der Hiobdialog, 1938; E. G. Kraeling, T h e Book of the Ways of G o d , 1938; J. Lindblom a.a.O. Vgl. ferner die Literatur bei C. Kühl a.a.O. 192 f. H . Gunkel, H i o b b u c h , R G G 2 , II 1924-1930. Vgl. ferner die Literatur bei C. Kühl a.a.O. 193. C. Steuernagel, Das Buch Hiob, in: E. Kautzsch, Die Heilige Schrift des Alten Testaments, II 1923, 323-389; P. D h o r m e a.a.O.; E. König a.a.O.; A. Nairne, T h e Book of Job, 1935; J. Paulus, Le thème du juste souffrant, R H R 1940, 18-66; J.-J. Weber, Le livre de Job, 1947; A. Weiser a.a.O.; G. Hölscher, Das Buch H i o b , 1952; A. and M . H a n s o n , T h e Book of Job, 1953. Vgl. ferner die Literatur bei C. Kühl a.a.O. 193. M . Jastrow jr., T h e Book of Job, 1920; G. Ricciotti, Il libro di Giobbe, 1924; H . Junker a.a.O. Vgl. ferner die Literatur bei C. Kühl a.a.O. 194. So schon J. G. Carpzov, 1714 ff. (Reden vor Mose niedergeschrieben, Rahmen von Samuel zugefügt); A. Schultens, Liber Jobi, 1737; J. G. Hasse in Magazin f ü r die bibl. orient. Literatur 1 (1788 f.), 162ff.; H . Stuhlmann, H i o b , 1804; G. H . Bernstein in Keil und Tzschirners Annalen 1,3 (1813), 1 ff.; A. Knobel, D e carmine Jobi, 1835 (au-

8

9

10

11

12

13

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

21

Die Vertreter der letzteren Annahme können gewiß darauf hinweisen, daß der Einwand, der Prolog sei notwendig, weil das Gedicht eine einleitende Erzählung brauche, ohne sie in der Luft hänge und unverständlich bleibe, für die Zeit des Dichters nicht stichhaltig, sondern ganz modern und aus dem überlieferten Bestand des Buches entsprungen ist14. Andererseits ist der Hinweis auf andere alttestamentliche Abschnitte, denen eine Einleitung fehlt 15 , nicht recht am Platze; denn weder die Sprüche Agurs in Prov 30 1-5 noch das Buch Kohelet sind als Sammlungen von Sprüchen und Sentenzen der großen Komposition der Reden im Hiobbuche verwandt oder ähnlich. Ebensowenig läßt sich die angebliche Zusammenstellung von Prosa und Poesie in Rahmenerzählung und Gedicht anführen. Nicht nur hätte spätestens die Redaktion darin nichts Besonderes erblickt, nicht nur bietet der Alte Orient genug Beispiele für die Prosa-Einleitung von Gedichten 16 , vor allem trifft dieser Unterschied für das Buch Hiob gar nicht zu. Denn die direkte Rede ist innerhalb der Rahmenerzählung wie in den Reden des Gedichts ebenfalls in Versform gehalten 17 , so daß das ganze Buch in einheitlicher Weise Berichtendes in Prosa, Gesprochenes in poetischer Form darbietet. Dergleichen allgemeine Erwägungen führen also zu keinem eindeutigen Ergebnis. Vielleicht lassen sich die Fragen, die die Rahmenerzählung stellt, unter Berücksichtigung von bisher wenig oder gar nicht beachteten Elementen klarer sehen und beantworten. Das wäre auch deswegen bedeutsam, weil die Antwort nicht nur für die literarische Form des Buches Hiob, sondern zugleich für sein theologisches Verständnis von Belang ist18.

14 15 16

17

18

ßerdem ThStKr 1842, 485 ff.); G. L. Studer, Das Buch Hiob, 1881; T. K. Cheyne, Job and Solomon, 1887, 66-70. Außerdem besonders R. H. Pfeiffer, Introduction to the Old Testament, 1941, 670; W. B. Stevenson, The Poem of Job, 1947, 86; C. Kuhl a.a.O. 194; ders., Die Entstehung des Alten Testaments, 1953, 259-269. Nur den Epilog als Zusatz betrachtet G. Harkness, Towards Understanding the Bible, 1954. So mit Recht C. Kuhl a.a.O. 194. H. Torczyner, The Book of Job, 1941, 236; C. Kuhl a.a.O. 194 f. Außer Kuhl a.a.O. 188 vgl. besonders S. Ν. Kramer, Sumerian Mythology, 1944; J.J. A. van Dijk, La sagesse suméro-accadienne, 1953; C. H. Gordon, Introduction to Old Testament Times, 1953, 72 f. Darauf weisen auch hin P. Volz a.a.O. 14; A. Bentzen a.a.O. II 176; H. Möller a.a.O. 15. Demgegenüber gehen H. W. Hertzberg, Der Aufbau des Buches Hiob, in: Festschrift A. Bertholet, 1950, 233-258; ders., Das Buch Hiob, 1949; H. Lamparter, Das Buch der Anfechtung, 1951, von dem schließlich zustande gekommenen Endergebnis und von einer Einheit des Inhalts des ganzen Buches aus, während die literarkritischen Fragen als zweitrangig betrachtet und der Aufbau des Buches vom theologischen Ver-

22

Z u r Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

II. Der Schlüssel f ü r die Beantwortung der mit der Rahmenerzählung gegebenen Fragen liegt im sogenannten Epilog 19 . Freilich wird dieser in seinem U m f a n g verschieden bestimmt und abgegrenzt. Am verbreitetsten ist die Ansicht, daß nur 42 10-17 den eigentlichen Schluß des Buches bilden 20 . Vereinzelt werden noch 42 7-9 hinzugerechnet 2 1 , in denen allein wieder andere den Abschluß erblicken 22 . Beschränkt man sich aber auf 42 10-17, so ergibt sich die Schwierigkeit, daß 42 10 unmittelbar mit den vorhergehenden Versen zusammenhängt und von der Fürbitte Hiobs für seine Freunde spricht, die in 42 8 von Gott gewünscht wird. Umgekehrt sind 42 7-9 kein befriedigender Abschluß f ü r ein solches Buch, zumal sich f ü r den Israeliten Probleme erhoben haben, die erst in 42 10-17 ihre Lösung finden. Man hat die Schwierigkeiten ferner durch die Unterscheidung mehrerer Überlieferungsschichten im Epilog (und teilweise im Prolog) zu beheben gesucht. So gliedert L. W. Batten den Epilog in 3 Teile 23 ; von ihnen sei 42 7-9 vom Prolog und von 31 1-41 6 unabhängig, 42 10-11 kenne die Himmelsszenen des Prologs noch nicht, 42 12-17 kenne die Krankheit noch nicht und stelle statt der Söhne die Töchter in den Vordergrund, so daß diese Verse das älteste Stück der Tradition seien. Zu einem etwas anderen Ergebnis kommt A. Alt 24 , der die zwei Erzählungsschlüsse 42 7-9 und 10 und 42 11 und 12-17 unterscheidet, die den literarischen Niederschlag zweier Wachstumsstufen des Buches bilden; während der erstgenannte Schluß den ganzen Prolog voraussetze und seine Einzelthemen in umgekehrter Reihenfolge erledige, setze der zweite Schluß nur 1 1-22 voraus und führe diese Erzählung von Hiobs Besitzverlusten zu Ende, so daß er die älteste Fassung des Epilogs darstelle. Umgekehrt hält E. G. Kraeling 25 nur 1 1-2 10 f ü r die älteste aramäische Form der Erzählung, deren späterer edomitischer Version

19

20 21

22 23 24 25

ständnis aus erfaßt werden sollen. So bedeutsam allerdings die »Nachgeschichte« eines alttestamentlichen Buches sein kann, so wenig vermag sie als Maßstab f ü r sein theologisches und literarisches Verständnis zu dienen; nur zu o f t enthüllt sie die M i ß d e u t u n g des ursprünglichen Werkes durch die Nachwelt. D a h e r muß die literarkritische und überlieferungskritische Untersuchung am Anfang stehen. Ü b e r die Notwendigkeit des Epilogs als Fortsetzung des Prologs vgl. E. G. Kraeling a.a.O. 225; C. Kühl a.a.O. 198 f. Vgl. C. Kühl a.a.O. 199. L. H . K. Bleeker, Job, 1935; H . Torczyner a.a.O.; J. H . Kroeze, D e hand op den mond, 1949; H . Junker a.a.O.; H . Lamparter a.a.O. M . Jastrow jr. a.a.O.; M . Buttenwieser, T h e Book of Job, 1922 (S. 64: 42 7 _ 9 und ,,). L. W. Batten, T h e Epilogue of the Book of Job, A T h R 1933, 125-128. Z u r Vorgeschichte des Buches H i o b , Z A W 1937, 265-268. A.a.O.

Z u r Vorgeschichte und Komposition des Buches H i o b

23

2 11-13 und 42 7-9 zugefügt wurden, während 42 10-17 erst vom Herausgeber des Ganzen herrühren. Verwickelter sieht J. Lindblom 26 die Entstehung: Er rechnet 42 7 - 9 . 1 2 - 1 5 zur alten »edomitischen« Erzählung (mit 1 1 - 5 . 1 3 - 2 2 2 11-13), dagegen 428*. 10-11 als Einfügungen zur »israelitischen« Änderung der Erzählung während 42 16-17 spätere Zutat sein sollen. Die voneinander abweichenden Auffassungen zeigen, daß ein sicherer Maßstab für die Unterscheidung zwischen älterem und jüngerem Gut schwer zu gewinnen ist; es fragt sich, ob die Rahmenerzählung sich nicht eher als ein geschlossenes Ganzes verstehen läßt. Vor allem geht es im wesentlichen um die schichtweise Entstehung der Rahmenerzählung bzw. des Epilogs vor der Verbindung mit dem Gedicht, so daß sich für die Fragen nach dem Umfang des Epilogs und seiner Verarbeitung mit dem Gedicht wenig ergibt. In dieser Lage scheint es nötig, den Epilog in seinen Einzelabschnitten nochmals zu untersuchen. 1. Für das Verständnis der Rahmenerzählung bildet 42 11 einen grundlegenden Ausgangspunkt: D a kamen alle seine Brüder und alle seine Schwestern und alle seine früheren Bekannten zu ihm und aßen mit ihm Brot in seinem Hause. U n d sie bekundeten ihm Teilnahme und trösteten ihn wegen all des Unglücks, das Jhwh über ihn gebracht hatte, und gaben ihm jeder eine Kesita 27 und jeder einen goldenen Ring.

Im jetzigen Zusammenhang stellt dieser Vers ein exegetisches Problem dar. Er erzählt, daß die Verwandten und Bekannten Hiobs zu ihm kommen, ihm ihre Teilnahme bezeigen und ihn wegen seines Unglücks trösten; außerdem schenken sie ihm gewisse Geldwerte. Das alles erfolgt sehr verspätet, nachdem 42 io schon von der Wiederherstellung Hiobs gesprochen hat. Soll man daraus folgern, daß die Verwandten und Bekannten sich von dem von Unglück verfolgten Hiob zurückgezogen haben und sich nun wieder bei ihm einfinden, sobald es ihm gut geht 28 ? Oder ist anzunehmen, daß 42 10 mit der Erwähnung der Wiederherstellung ein späterer Zusatz und als solcher auszuscheiden ist29? Beide Auskünfte treffen nicht zu. Die Schwierigkeit ist nur dadurch entstanden, daß 42 11 sich ursprünglich auf einen anderen Zusammenhang bezog und seine frühere Bedeutung in der neuen Verwendung noch durchschimmert. A. Alt ist zu der völlig zutreffenden Erkenntnis

26 27 28

29

A.a.O. Z u r Bedeutung des Ausdrucks vgl. G. Hölscher a.a.O. 101. J.-J. Weber a.a.O.; S. R. Driver - G. Β. Gray, T h e Book of Job, 1950; R. P. Larcher, Le livre de Job, 1950; Α. Weiser a.a.O.; G. Hölscher a.a.O. C. Kühl a.a.O. 199 f.

24

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

gelangt 30 , daß der Besuch der Verwandten und Bekannten Hiobs nicht nur der Bezeigung des Beileids dient, sondern zugleich eine erste Hilfeleistung für den vom Unglück Betroffenen einschließt. An dieser Einsicht, daß der Besuch sowohl dem Erweis der Teilnahme als auch der ersten Hilfeleistung dient, muß nachdrücklich festgehalten werden. Die Bezeigung des Beileids und das Trösten werden ausdrücklich erwähnt; »das Brot essen« meint nicht die gastfreie Bewirtung, sondern das Essen des »Trauerbrotes« als üblichen Trauerbrauch (Hos 9 4 Jer 16 7 Ez 24 17). Die Geschenke an Hiob sind keine Ehrengaben 31 , sondern sollen die erste Not lindern; vor allem die Verwandten sind zu solcher Hilfe aufgerufen und verpflichtet. Demnach steht der Vers ursprünglich mit dem Prolog in Zusammenhang. Freilich muß man ihn nicht wie A. Alt an 1 2if. anschließen; denn er läßt sich ebensogut mit der gesamten Erzählung von Hiobs Unglück (1 1-2 10) verbinden, besonders wenn man die ursprünglich magische Bedeutung der Geschenke berücksichtigt. Jedenfalls aber ist er bei der Verarbeitung mit dem Gedicht aus seiner Stelle im Prolog gelöst und unter möglichster Beibehaltung des Wortlauts in den Epilog versetzt worden. Auf diese Weise werden Besuch und Geschenke der Verwandten und Bekannten neu interpretiert. Daß Hiob gewisse Geldwerte erhält, soll nun als erster Teil der Ausführung seiner in 42 10 erwähnten Wiederherstellung erscheinen. Daß dieser Bericht vom Besuch nach dem Unglück Hiobs in der ursprünglichen Rahmenerzählung enthalten war und glücklicherweise nicht ausgelassen worden ist, wird weiterhin das Verständnis von 42 7-9 erleichtern. 2. Die folgenden Verse 42 12-15 berichten nunmehr über den zweiten Teil der Ausführung der von Gott in die Wege geleiteten Wiederherstellung Hiobs: Und Jhwh segnete das Ende Hiobs mehr als seinen Anfang, so daß er 14 000 Schafe und 6000 Kamele und 1000 Gespanne Rinder und 1000 Eselinnen besaß. Und er hatte 7 " Söhne und 3 Töchter. Und er nannte die eine Turteltaube und die zweite Zimtblüte und die dritte Schminkbüchschen. Und man fand keine schöneren Frauen im ganzen Land als die Töchter Hiobs, und ihr Vater gab ihnen Erbbesitz unter ihren Brüdern.

Die Wiederherstellung Hiobs wird in der Erzählung in einer Weise in zwei Abschnitten gegliedert, die für den Prolog charakteristisch ist (zwei Himmelsszenen, zwei Heimsuchungen, zwei Bewährungen).

30

31 32

A. Alt a.a.O. Dagegen sehen P. Volz a.a.O. 25; G. Hölscher a.a.O. 5 in 4 2 u ein Seitenstück der alten Erzählung zu den Freunden des Gedichts. E. König a.a.O. 456; H.Junker a.a.O. 103. sib'ä pr Schreibfehler oder Mischform.

Z u r Vorgeschichte und Komposition des Buches H i o b

25

Während diese Zweiheit zunächst durch die Einteilung des Besitzes in Vieh (12) und Kinder (13-15) gegeben war, wurde sie nach der Einfügung von 42 11 deutlicher als zuvor markiert: An erster Stelle stehen die Geschenke der Verwandten und Bekannten, an zweiter die Verleihung neuen Besitzes an Vieh und Kindern durch Jhwh. Auch 42 16-17 wird man zum Epilog selber rechnen und nicht als späteren Zusatz betrachten dürfen. Die Verse bilden erst den eigentlichen Abschluß, der mit dem Bericht über Hiobs Kinder noch keineswegs gegeben ist: U n d H i o b lebte nach diesen Ereignissen noch 140 Jahre und sah seine Söhne und die Söhne seiner Söhne, vier Generationen. D a n n starb H i o b alt und lebenssatt.

3. Berichten 42 11.12-17 von den zwei Akten, in denen die Wiederherstellung Hiobs ausgeführt wird, so gehört 42 10 sachlich unabtrennbar dazu: U n d Jhwh wendete das Geschick" Hiobs, als er f ü r 'seine Freunde' 3 4 Fürbitte getan hatte. U n d Jhwh vermehrte alles, was H i o b besessen hatte, um das Doppelte.

Schon die Erwähnung der Verdopplung des Besitzes, die eines Berichts über die Ausführung bedarf und diesen dann in 42 12 erhält, zeigt die Verknüpfung von 42 10 mit 12 ff. Dieser Zusammenhang ist infolge des Einschubs des Besuchsberichtes in 42 11 durch den Verarbeiter jetzt unterbrochen; er hat jedoch ursprünglich bestanden. Vor allem gibt 42 10 das T h e m a f ü r 11 und 12-17 an: Gott wendet Hiobs Geschick und vermehrt seinen früheren Besitz. Der folgende Bericht von der zweiteiligen Ausführung dessen hinge in der Luft, wenn man 42 10 als späteren Zusatz ausscheiden oder einer anderen Uberlieferungsschicht zuweisen wollte. Außerdem enthält der Vers ein zweites Motiv, das rückwärts weist. Er spricht von der Fürbitte Hiobs f ü r seine Freunde und ist dadurch mit 42 7-9 verbunden. Damit erweist sich 42 10 als das Bindeglied zwischen den kleinen Abschnitten 42 7 - 9 und (ll) 12-17. Der Vers ist demgemäß aus zwei M o tiven zusammengesetzt: a) Er enthält die Erwähnung der Fürbitte Hiobs, die den Grund f ü r seine Wiederherstellung bildet. Man darf diese enge theologische Verknüpfung nicht übersehen: Weil H i o b Fürbitte tut, wendet Gott sein Geschick! Schon nach der ursprünglichen

33

34

Z u r Frage nach der Bedeutung des Ausdrucks (»aus der Schuldhaft entlassen« - »seine Wiederherstellung wiederherstellen«) vgl. R. Borger, Zu ΓΡ I Ott* 3 W , Z A W 1954, 315 f., und die dort angegebene Literatur. 1 plur. pr sing.

26

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

Rahmenerzählung ist nicht Hiobs vorangehende Bewährung im Unglück dafür allein ausschlaggebend gewesen, sondern erst die noch umfassendere Bewährung, daß er sogar für diejenigen Fürbitte tut, die »Nicht-Wahres« über Gott geredet haben (42 7). Und nach der Verarbeitung mit dem Gedicht soll 42 10 besagen, daß nicht das bloße Bekenntnis Hiobs im Anschluß an die Gottesrede den Umschwung herbeiführt, sondern die Fürbitte als das äußere und jedem ersichtliche Zeichen der neuen, veränderten Haltung Hiobs, die er im Bekenntnis ausgesprochen hatte, b) Hauptsächlich enthält 42 10 die Erwähnung der Wiederherstellung Hiobs, die das Thema der folgenden Verse angibt und aus der ursprünglichen Erzählung stammen muß. So ist 42 10 literarisch und theologisch im Epilog fest verankert. 4. Die größten Schwierigkeiten bietet der Abschnitt 42 7-9: Nachdem Jhwh diese Worte zu Hiob gesprochen hatte, sprach Jhwh zu Eliphas, dem Temaniten: Mein Zorn ist entbrannt gegen dich und deine beiden Freunde; denn ihr habt nicht geredet Wahres über mich wie mein Knecht Hiob. Nehmt euch jetzt sieben Jungstiere und sieben Widder und geht zu meinem Knecht Hiob und bringt ein Brandopfer für euch dar. Und mein Knecht Hiob mag Fürbitte für euch tun, denn nur auf ihn will ich Rücksicht nehmen, so daß ich nicht tue Schimpfliches an euch. Denn ihr habt nicht geredet Wahres über mich wie mein Knecht Hiob. Da gingen Eliphas, der Temanite, und Bildad, der Schuchite, und35 Sophar, der Naamatite, hin und taten, wie Jhwh zu ihnen gesprochen hatte. Und Jhwh nahm Rücksicht auf Hiob.

Gewöhnlich werden diese Verse (wie 2 11-13) dem Verfasser des Gedichts zugeschrieben, der sie als Zwischenstück zwecks Uberleitung vom Gedicht zum Epilog verfaßt haben soll36. Demgegenüber macht 35 36

ins c GSV w e . Vgl. P. Volz a.a.O.; P. Dhorme a.a.O.; P. Bertie, Le poème de Job, 1929; H. Th. Obbink, Over het boek Job, 1935; H. Bückers, Das Buch Job, 1939; R. P. Larcher a.a.O.; J. Baab, The Book of Job, Interpretation 1951, 329-343; G. Hölscher a.a.O.

Z u r Vorgeschichte und Komposition des Buches H i o b

27

C. Kühl im Anschluß an H . Schmidt mit Recht auf den abweichenden Stil aufmerksam, der sich von demjenigen des Hiobdichters einwandfrei unterscheidet (für 2 11-13) außerdem darauf, daß 2 Ii wie eine Nachahmung des ursprünglicheren und natürlicheren Verses 42 11 anmutet 37 . Daher betrachtet man die Verse manchmal als redaktionellen oder sogar nachredaktionellen Zusatz, der Gedicht und Epilog miteinander verbinden sollte38. Gegen diese Annahme spricht aber die enge Verwandtschaft der Verse mit dem Prolog. Umgekehrt werden sie manchmal als sehr alt bezeichnet: als originaler Schluß des Gedichts 39 , als zur Rahmenerzählung gehörig unter Fortfall von Reden der Freunde und einer Antwort Hiobs 40 , als zu einer zweiten Wachstumsstufe der Rahmenerzählung gehörig 41 oder als Schlußteil einer Rahmenerzählung für einen verlorengegangenen Dialog 42 . Dagegen gilt wieder das Bedenken Kuhls, daß die Abschnitte 2 11-13 und 42 7-9 sich nicht nur vom Gedicht, sondern auch von der Rahmenerzählung durch ihre Diktion deutlich unterscheiden. In ihrer jetzigen Form können sie keinen integrierenden Bestandteil eines der beiden Hiobwerke gebildet haben — doch wenn nicht in dieser, so vielleicht in einer ursprünglicheren Form, die in Zusammenhang mit der Verbindung von Rahmenerzählung und Gedicht geändert wurde? In der Tat zeigen 42 7-9 eine auffällige sachliche und sprachliche Verwandtschaft mit dem Prolog: a) Man kann zunächst auf den verschiedenen Gebrauch der Gottesbezeichnungen hinweisen, der mancherlei merkwürdige Erklärungen gefunden hat 43 . Jedenfalls wird in der Rahmenerzählung in gehäufter Weise von »Jhwh« gesprochen, während »Elohim« in ihr hauptsächlich in gebräuchlichen Wortzusammensetzungen (1 6.8.16.22 2 1.3) oder in direkter Rede (1 5.9 2 9.10) vorkommt. Im Gedicht dagegen begegnet »Jhwh«, abgesehen vom Schreibfehler in 12 9 und von manchen Versionen zu der Glosse 28 28, ausschließlich in den prosaischen Einleitungsformeln von 38-41; von diesen ist wohl nur 38 1 ursprünglich und hat

37 38

39 40

41 42 43

H . Schmidt, Hiob, 1927, 45; C. Kühl a.a.O. 201. A. S. Peake, T h e Significance of the Book of Job, in: A. H . M u m f o r d , T h e Book of Job, 1922, 11; C. Kühl a.a.O. 201 f. Vgl. Anm. 22. Als Zweck der ursprünglichen Freundesreden wird manchmal die Tröstung Hiobs vermutet, so B. D u h m a.a.O.; H . Gunkel a.a.O., öfter die Klage und Anklage gegen Gott, so T . K. Cheyne, Das religiöse Leben der Juden nach dem Exil, 1905, 159-162; F. Buhl a.a.O.; J. Lindblom a.a.O.; R. Marcus a.a.O. A . A l t a.a.O. E. G. Kraeling a.a.O. Vgl. C. Kühl a.a.O. 189 f. Andererseits kann man die Verschiedenheit nicht wie A. Bentzen a.a.O. II 175 f. f ü r unwesentlich erklären.

28

Z u r Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

die anderen bei der späteren Aufteilung des Komplexes auf zwei Gottesreden mit zwei Antworten Hiobs erst hervorgerufen (40 1.3.6 42 l) 44 . Daß in 42 7-9 von »Jhwh« gesprochen wird, bringt die Verse mitsamt 38 l in engere Verwandtschaft zu den übrigen Rahmenstücken. Freilich wird man im Urteil vorsichtig sein müssen, da in der Verwendung der Gottesbezeichnungen ebenso auf die Art der Darstellung Rücksicht genommen zu sein scheint wie in der Verwendung der Stilmittel. Wie nämlich die Berichte in Prosa und die Reden in Poesie gehalten sind, so scheint der Name »Jhwh« den Prosa-Berichten und »Elohim« mit den übrigen Gottesbezeichnungen den poetischen Stücken vorbehalten zu sein - in der Rahmenerzählung wie im Gedicht. Aber auch dann zeigen ja 42 7-9 dieselbe sorgsame Hand des überlegenen Gestalters von Rahmenerzählung und Gedicht. Auch in 42 7-9 ist der Name »Jhwh« berichtmäßig verwendet und die direkte Rede in poetischer Form gebildet worden, so daß die Verse wenigstens kein späterer Zusatz sein werden. b) Der in 42 7-8 nicht weniger als viermal vorkommende Ausdruck »mein Knecht« stammt aus den Himmelsszenen (1 8 2 3). c) 42 7 »paßt (so Kissane 35) besser auf den geduldigen Hiob des Prologs (1 2l) als auf den leidenschaftlich aufbegehrenden Helden des Gedichts und scheint eine Tradition vorauszusetzen, nach welcher die Freunde Hiob von Gott und dem Glauben abzubringen suchten (wie 2 9)«45. Eine solche Versuchungstradition ist sicherlich gemeint, obwohl sie sich wahrscheinlich auf andere Leute als die Freunde bezogen hat. d) Das Opfer von 42 8 spielt im Gedicht überhaupt keine Rolle, wird aber in 1 5 betont herausgestellt. e) Unziemliches Reden über Gott gilt in der ganzen Rahmenerzählung als schlimmste und am meisten zu fürchtende Sünde (1 5.22 2 10 42 7 f f . ) . In Zusammenhang damit ist man bemüht, anstößige Ausdrücke zu vermeiden und durch mildernde zu ersetzen, z.B. berek (1 5.11 2 5.9), tiplä (1 22), nekönä (42 7f.), nebalä (42 8)46. f) Sprachliche Anklänge 47 : wâjjebî am Anfang eines Satzes in 1 3.5.6.13 2 1 und 42 7; bä äd »für (zugunsten von)« in 1 10 2 4 und 42 8.10; »gegen« in 2 3 und 42 7; laqâh l »sich nehmen« in 2 8 und 42 8.

44

45 46 47

Die ursprüngliche Gottesrede des Gedichts scheint in 38,—3930 40 2 8 _ Η , die ursprüngliche Antwort Hiobs in 40 3 _ 5 422,3aß_b.5-6 vorzuliegen. C. Kühl a.a.O. 203 nach E . J . Kissane, T h e Book of Job, 1939, X X X V . Vgl. B. D u h m a.a.O. 5.12. D e m entsprechen die Anklänge im übrigen Epilog: 'akâl'im »essen mit« in 1 4 und 4 2 n ; käl'asar /' »alles, was jmd. besitzt« in 110-12 u n d 42 1 0 ; natän Ï »jmd. geben« in 1 ) 2 und 4 2 1 1 1 5 .

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

29

Aus diesen verschiedenen Beziehungen 48 ergibt sich, daß 42 7-9 weder vom Verfasser des Gedichts herrühren noch späterer Zusatz sind, sondern einen integrierenden Teil der ursprünglichen Rahmenerzählung bilden. Zugleich aber ist sicher, daß die Verse bei der Verbindung mit dem Gedicht Eingriffe erfahren haben. Darauf weist zunächst der eigentümliche Stil hin, der schwerfälliger als in der übrigen Rahmenerzählung wirkt. Da 42 7-9 nach den vorherigen Beobachtungen zu dieser hinzugehören, erklärt sich die stilistische Abweichung nur durch die Annahme einer gewissen Überarbeitung. Und diese hängt offensichtlich mit der Einführung der Freunde Hiobs zusammen, weil das Jhwh-Wort allein zu Änderungen keinen Anlaß bot. Dem entspricht es, daß 2 ll wie eine Nachahmung des ursprünglicheren und natürlicheren Verses 42 11 anmutet. Damit ist gegeben, daß die Erzählung vom Besuch der Freunde nach dem Muster derjenigen vom Besuch der Verwandten und Bekannten als der zunächst vorgefundenen geformt worden ist, die zugleich selbst der Nachbildung weichen mußte. Beides hat gewiß nicht nebeneinander bestanden. Neben dem Besuch der Verwandten und Bekannten war in der volkstümlichen Erzählung ebensowenig für den Besuch von Freunden Raum, wie im Werk des Dichters beide nicht aufeinander folgen konnten. Ursprünglich führte der Besuch der Verwandten und Bekannten in der Rahmenerzählung zu einer zweiten Versuchung Hiobs nach derjenigen durch die Frau, wie es der üblichen Zweigliedrigkeit des Prologs entspricht. Sie wurde dann durch das Eingreifen der Freunde abgelöst. Schließlich ist E. G. Kraeling darin zuzustimmen, daß die Einführung von drei solch wichtigen Personen wie der Freunde nicht zu einer Volkserzählung paßt 49 . Vielmehr hat derjenige, der sie einführte, die Bühne für eine gewisse Reihe von Reden aufgebaut. Da sie von vornherein vor einem Zerfließen ins Uferlose bewahrt werden mußte, hat er die zahlreicheren Verwandten und Bekannten Hiobs durch die beschränkte Zahl der Freunde ersetzt. Die richtige Einschätzung von 42 11 durch A. Alt ist also weiterzuführen und auf 42 7-9 auszudehnen. Demnach eilen die Verwandten und Bekannten Hiobs nach Eintreffen der Unglücksbotschaften zu 48

49

Es handelt sich also um die gleiche Sachlage wie bei den gegenseitigen Beziehungen zwischen 1 2 und 42 1 3 (Zahl der Kinder) sowie zwischen 1 3 und 42 1 2 (Viehbestand). Die sprachlichen Beziehungen zwischen Rahmenerzählung und Dialog, auf die S. R. Driv e r - G. Β. Gray a.a.O. 351 f. hinweisen, können in diesem Zusammenhang außer acht bleiben; sie beweisen jedenfalls nicht, daß der Dichter des Dialogs auch die Rahmenerzählung verfaßt hätte. E. G. Kraeling in JBL 1946, 225 (nach C. Kühl a.a.O. 204).

30

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

ihm, bezeigen ihm ihre Teilnahme und überbringen Geschenke zur ersten Hilfe in der Not. Dieser Erzählungsteil kann ursprünglich nur in Zusammenhang mit dem Prolog gestanden haben, bevor er an seinen jetzigen Platz umgestellt wurde. In der Rahmenerzählung ist von einem Besuch der Verwandten und Bekannten statt der Freunde die Rede gewesen. Dementsprechend haben sich 42 7-9 und 10 ursprünglich ebenfalls auf die Verwandten und Bekannten und ihren vorher erwähnten Bésuch bezogen. Mit diesem waren, da die in der Rahmenerzählung handelnden Personen zu sprechen pflegen, irgendwelche Worte verbunden. Der gegen die Verwandten und Bekannten erhobene Vorwurf, daß sie Nicht-Wahres über Gott geredet haben, setzt ja auch voraus, daß sie ähnlich gedacht haben wie Hiobs Frau und wie diese versucht haben, Hiob von seinem ergebenen Glauben abzubringen. Die Einzelheiten sind nicht mehr erhalten; die versucherischen Worte der Verwandten und Bekannten, die sie im Anschluß an die Bezeigung der Teilnahme und die Überreichung der Geschenke vorgebracht haben und die wie diejenigen der Frau Hiobs wohl kurz waren, sind ebenso ausgefallen wie die Antwort Hiobs darauf. An ihre Stelle ist der Bericht über den Besuch der Freunde Hiobs mit den ausführlichen Reden des Gedichts getreten; daher mußten auch 42 7-9 umgearbeitet werden. Indem der Dichter diese Verse beibehielt und auf die Freunde Hiobs bezog, hat er das Urteil über sie gesprochen. Die Freunde haben im Dialog des Gedichts die herkömmliche orthodoxe Theologie vertreten und die Gerechtigkeit Gottes verteidigt, gegen die Hiob in häretischer Weise aufbegehrte. Wenn die Worte der Freunde nunmehr als Nicht-Wahres bezeichnet werden, ist dies im Rahmen der kühnen Theologie des Hiobdichters dahin zu verstehen, daß die Vertreter der Orthodoxie von Gott gescholten werden und der Fürbitte des durch seine Umkehr (40 3-5 42 2.3".5-6) auf eine neue Stufe jenseits von Orthodoxie und Häresie erhobenen früheren Häretikers bedürftig sind. 5. Aus der verschiedenartigen Verarbeitung des Materials erklärt sich schließlich der »Bruch«50 zwischen 42 6 und 7. Wenn in 42 7 von »diesen Worten« Jhwhs an Hiob die Rede ist, während im jetzigen Zusammenhang das Bekenntnis Hiobs vorausgeht, wird auf ein Gotteswort in der Rahmenerzählung hingewiesen, das durch die Gottesrede des Gedichts ebenso verdrängt und ersetzt worden ist wie die Auseinandersetzung zwischen Hiob und seinen Verwandten und Bekannten durch den Dialog. Nur die Einleitung zum alten Gotteswort ist in 38 1 erhalten. Hier erscheint, wie sonst in der Rahmenerzählung bzw. in

50

J. Hempel, Das theologische Problem des Hiob, ZSTh 1929, 651.

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

31

den berichtenden Teilen, der Gottesname »Jhwh«; das 'cet jhwh, das an sich entbehrt werden könnte, entspricht der Erzählungsweise des Prologs (1 9 2 2b.4). Ebenso paßt das Reden Jhwhs aus dem »Sturmwind« eher zur Rahmenerzählung als zum Gottesbild des Gedichts 51 . 6. Aus alledem läßt sich der auf 1 1-2 10 folgende Teil der ursprünglichen Rahmenerzählung rekonstruieren: a) Im Anschluß an die Versuchung Hiobs durch seine Frau hat man vom Besuch seiner Verwandten und Bekannten erzählt. Ein Teil des Berichts ist in 42 11 noch erhalten: Beileid und Geschenke. Dem ist die Versuchung und ihr Rückweis durch Hiob gefolgt. b) Wie 38 1 und der Anfang von 42 7 zeigen, ist daraufhin ein zustimmendes und anerkennendes Gotteswort an Hiob ergangen, das Jhwh aus dem Sturmwind heraus gesprochen hat. c) Im Anschluß daran hat sich Jhwh, wie 42 7-9 zeigen, an die Verwandten und Bekannten Hiobs (vielleicht mit Einschluß seiner Frau) mit dem überlieferten zornigen Wort gewendet. Er hat ihr Opfer und die Fürbitte Hiobs gewünscht, die auch erfolgen. d) Der Schluß der Rahmenerzählung ist ebenfalls erhalten: die thematische Feststellung der Wiederherstellung Hiobs in 42 10 und der Bericht über die Ausführung in 42 12-17. III. Innerhalb des Prologs hat man oft an den Himmelsszenen Anstoß genommen 52 . Wieso sie nicht genügend durchgearbeitet und verankert sind 53 , ist allerdings nicht recht ersichtlich; auf ihnen beruhen doch gerade die verschiedenen Unglücksfälle Hiobs 54 . Auch im Epilog fehlt nichts 55 ; denn in 42 10a schließt der Ausdruck »das Geschick wenden« offensichtlich die Gesundung Hiobs ein. Ein abschließendes Wort über

51

52

53 54

55

Darauf haben schon B. Duhm a.a.O. 181; W. Ο. E. Oesterley - Th. H. Robinson, An Introduction to the Books of the Old Testament, 1934, 173, hingewiesen. So schon A. Heiligstedt, 1847; J. Hooykaas, 1862; R. Smend in ThStKr 1878, 153-173; sodann W. Knieschke, Kultur- und Geisteswelt des Buches Hiob, 1925; N. Peters a.a.O.; E. König a.a.O.; L. W. Batten a.a.O.; Κ. H. Miskotte, Antwoord uit het onweer, 1936; R. H. Pfeiffer a.a.O. 669; J. Lindblom a.a.O.; C. Kühl a.a.O. 195-197. Nach L. Finkelstein, The Pharisees, I 1946, 230-235; E. Sellin - L. Rost a.a.O. 161 hat der Dichter selbst sie nachträglich hinzugefügt. C. Kühl a.a.O. 196. Vgl. C. Steuernagel a.a.O. 328; O. Procksch, Die Theodizee im Buche Hiob, AELKZ 1925, 724; J. Hempel a.a.O. 642. Gegen L. W. Batten a.a.O. 128.

32

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

die Niederlage des Satans kann nicht erwartet werden 56 , weil er nur ausübendes Organ und nicht Widerpart Gottes ist57, von dem allein ja die Prüfung Hiobs nach 1 2lf. 2 9f. 42 11 ausgeht 58 und der allein sie auch beendet. Die Unsicherheit rührt daher, daß man die Gestalt des Satans oft überbetont 59 und ihr aufgrund der frühjüdischen und christlichen Dämonologie eine wichtigere Rolle zugeschoben hat, als sie in der Erzählung selbst besitzt. Für die Ursprünglichkeit der Himmelsszenen spricht auch das Wortspiel mit dem Verb brk in 1 11.2160. Die Episode mit der Frau Hiobs wird man trotz einiger Einwände ebenfalls nicht als sekundär betrachten dürfen 61 . Weder ist ihr Auftreten erst in der israelitischen Bearbeitung der Erzählung denkbar noch ihre geringe Rolle auffällig. Aus modernem Empfinden herrührende Gründe können schwerlich als maßgeblich betrachtet werden 62 . Ein besonderes Wort ist über den kleinen Abschnitt 2 11-13 erforderlich, der gewöhnlich genauso beurteilt wird wie 42 7 - 9 6 3 . Haben sich aber diese Verse ursprünglich auf die Verwandten und Bekannten Hiobs bezogen, so ergibt sich auch für 2 11-13 ein anderes Bild. Die Ersetzung der Verwandten und Bekannten durch die Freunde Hiobs in 42 7-9 läßt schon vermuten, daß der Besuch der ersteren an der Stelle berichtet worden ist, wo nun zum erstenmal von den Freunden gesprochen wird. Das bedeutet, daß der Besuch der Verwandten und Bekannten in der Erzählung im Anschluß an 2 10 stattgefunden hat. Damit er-

56

57

58

Ein solches Wort wird vermißt von K. Budde a.a.O. XII f.; E. G. Kraeling in JBL 1946, 225; S. R. Driver - G. Β. Gray a.a.O. LUI. Die Niederlage findet H. Schmidt a.a.O. 44 in 42 1 0 a angedeutet. Man weist manchmal darauf hin, daß ein Dualismus vermieden wird (so M. Devine, The Story of Job, 1921, 273; M. Buttenwieser a.a.O. 34; O. S. Rankin, Israel's Wisdom Literature, 1936, 22), weil der Satan als Gottes Diener gilt (M. Devine a.a.O. 272; O. S. Rankin a.a.O. 25), der nicht ohne Gottes Erlaubnis handeln kann (J. Lindblom, Boken om Job och hans lidanda, 1940, 52; H. Ringgren, Word and Wisdom, 1947, 69).

Vgl. auch W. Kelly, Gods hand in het lijden, 1931, 20; R. Marcus a.a.O. 18. So z.B. P. Dhorme a.a.O. 62; H. Rongy, Le prologue du livre de Job, Rev. Eccl. de Liège 1933, 168-171. 60 J. Hempel a.a.O. 642 weist darauf hin, daß Hiob das Wort in \ 2 i ¡ m gegenteiligen Sinn wie der Satan in l j j verwendet: »Das ist ein Kunstgriff, der die Satansstücke m.E. unlöslich in den Prolog verzahnt und erlaubt, von der Himmelswette aus seine Fragestellung zu erfassen.« 61 So E. König a.a.O. 466; J. Lindblom, La composition du livre de Job, 1945; C. Kühl a.a.O. 197 f. 62 Wenn man mit A. Alt a.a.O. davon ausgeht, daß im Epilog alle Einzelheiten des Prologs in umgekehrter Reihenfolge erledigt werden, dann ist zu vermuten, daß die Frau Hiobs in den Tadel 42 7 _ 9 eingeschlossen war. " Vgl. im einzelnen C. Kühl a.a.O. 201. 59

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

33

klärt sich der Anklang von 2 11 an den ursprünglicheren und natürlicheren Vers 42 ll 64 , der zunächst an diesem Platz gestanden hat und nach dem er gebildet worden ist. So wird man sagen müssen, daß 2 11-13 ebenfalls aus der Rahmenerzählung übernommen und in großem Maße umgearbeitet worden sind, um von den Verwandten und Bekannten auf die Freunde bezogen zu werden. Hinzu kommt, daß damals die Bedeutung der Verwandten größer als die der Ehefrau war, so daß ihre Versuchung als die schwerere auf die durch die Frau gefolgt ist (und nicht schon nach dem ersten Unglück 1 13-19 stattgefunden hat 65 ). Der einheitliche Aufbau des Prologs gibt sich dadurch zu erkennen, daß mehrfach eine Steigerung durch Doppelszenen stattfindet. So ist das zweite Unglück Hiobs größer und schwerwiegender als die Serie der ersten Unglücksfälle; die beiden Szenen steigern einander. Hiob ist ferner zwei Arten der Prüfung und Versuchung ausgesetzt: den beiden sich steigernden Prüfungen durch Gott mittels des ihn treffenden Unglücks und den beiden sich steigernden menschlichen Versuchungen durch die Frau und die Verwandten und Bekannten (letztere nunmehr durch die Freunde ersetzt). Dabei stellt nicht nur die jeweils zweite Prüfung und Versuchung eine Steigerung gegenüber der ersten dar, sondern die beiden menschlichen Versuchungen bilden auch eine Steigerung gegenüber den göttlich-satanischen Prüfungen, die nur den Anlaß für jene darstellen. Bei der Umarbeitung durch den Dichter tritt an die Stelle der Versuchung Hiobs durch die Verwandten und Bekannten diejenige durch die Freunde und sich selbst. Die Monologe und Dialoge sind nichts anderes als eine solche Versuchung, die aber gefährlicher als die plumpere Verleitung zur Gottesleugnung und -absage ist, wie sie die Rahmenerzählung bot. Nun handelt es sich um die Versuchung der Häresie (vertreten von Hiob) oder der Orthodoxie (vertreten von den Freunden), wobei angesichts der Eingliederung von 42 7 dem Dichter die letztere wohl verwerflicher schien. IV. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich der Schluß, daß nur der Hiobdichter selbst die Rahmenerzählung mit dem Gedicht verbunden haben kann. An mehreren Stellen der Rahmenerzählung zeigte sich, wie man-

64

65

Auf die Ähnlichkeit macht schon K. Budde a.a.O. 273 aufmerksam, ebenso C. Kühl a.a.O. 201. So A . A l t a.a.O.

34

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

che Motive oder ihre Änderungen durch die Beziehung auf das Gedicht einen neuen und tieferen Sinn erhalten, als sie in der volkstümlichen Uberlieferung besessen haben, ja wie sie geradezu die Theologie des Hiobdichters voraussetzen. Daß dieser selbst den Rahmen um das Gedicht gefügt hat, zeigt sich ferner am Vorkommen von Elementen der Rahmenerzählung in der Einleitung zur Gottesrede (38 l). Ein Redaktor wäre schwerlich auf den Gedanken verfallen, eine Rahmenerzählung zu verwenden, in der von den Verwandten und Bekannten Hiobs die Rede war, und deren Erwähnung an ihrer Stelle nicht einfach beizubehalten, sondern durch die im Gedicht genannten Freunde zu ersetzen und außerdem noch die stilistischen Feinheiten der verschiedenartigen Verwendung von Prosa-Poesie und der Gottesbezeichnungen zu beachten. Der Dichter hat die übernommene Erzählung so ausführlich und genau wie möglich beibehalten. Von da aus erklären sich die stilistischen Unebenheiten an den Stellen, wo er sich zu Eingriffen oder Änderungen genötigt sah. Sie beruhen auf der Spannung zwischen der Treue zur Tradition, die möglichst kein überliefertes Wort missen wollte, und dem Erfordernis der Anpassung an die neue Situation, die mit der Einführung der drei Freunde gegeben war. Zugleich ergibt sich damit der häufig besprochene Grund für die Übernahme des Epilogs durch den Dichter 66 . Sie erfolgt zunächst aus der Treue zur Tradition, außerdem aus den theologischen Feinheiten, die der Dichter dem Epilog abzugewinnen wußte, und aus der berichteten Änderung der inneren Haltung Hiobs gegenüber Gott, die die Wiederherstellung der inneren Einheit seiner Person nach ihrer fortschreitenden Auflösung durch die Krankheit und die Auflehnung gegen Gott bedeutet, so daß der inneren auch die äußere Änderung und Wiederherstellung folgen muß 67 . Die Änderungen der ursprünglichen Rahmenerzählung durch den Dichter beruhen auf der Einführung der Freunde Hiobs und der großen Gottesrede mit der Antwort Hiobs:

66

Zu den verschiedenen Vermutungen vgl. C. Kühl a.a.O. 199. " Man sollte darüber freilich nicht übersehen, daß das äußere Geschehen für den Dichter nur am Rande wichtig ist. Daher nahm er keinen Anstoß daran, daß die Genesung Hiobs von seiner Krankheit nicht ausführlich berichtet wird, wenn er einen solchen Hinweis im Zusammenhang mit 42 10 nicht sogar unterdrückt hat. Hinsichtlich des Leidens hat H. H. Rowley, The Growth of the Old Testament, 1950, 147, die Botschaft des Hiobdichters treffend erkannt: »Not deliverance from his suffering, but peace in his suffering, may be the portion of the innocent sufferer.« Vgl. auch G. Fohrer, Das Buch Hiob, 1963, 557-559.

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

35

a) Umstellung des Berichts über den Besuch der Verwandten und Bekannten nach 42 11; b) Neufassung jenes ursprünglichen Berichts in einen über den Besuch der Freunde in 2 11-13; c) Auslassung der Auseinandersetzung Hiobs mit seinen Verwandten und Bekannten wegen des Dialogs; d) Umstellung der Einleitung zum Gotteswort an Hiob in 38 l und Auslassung des Gotteswortes selbst wegen der Gottesrede; e) Beziehung von 42 7-9 und 10 von den Verwandten und Bekannten auf die Freunde. f) Vielleicht hat der Dichter stilistische Änderungen an der ursprünglichen Rahmenerzählung vorgenommen. Man könnte an die Verteilung von Prosa und Poesie und der verschiedenen Gottesbezeichnungen auf Bericht und direkte Rede denken. Volle Sicherheit läßt sich aber schwerlich gewinnen. V. Die gesamte Untersuchung liefert mehrere Ergebnisse. Zunächst läßt sich die ursprüngliche Rahmenerzählung mit einiger Sicherheit rekonstruieren. In den nicht mehr erhaltenen Teilen ist sie immerhin inhaltlich in der Weise zu erfassen, wie sie vor der Verarbeitung mit dem Gedicht bestanden hat. Zugleich zeigt sich, daß und wie der Verfasser des Hiobgedichtes die Rahmenerzählung mit diesem verarbeitet hat. Es ist wichtig und bezeichnend, daß er sie weithin einfach übernommen und vielleicht nur stilistisch verfeinert hat. Was seiner eigenen Komposition widersprach, hat er wenigstens teilweise dadurch beizubehalten gesucht, daß er sie sich mit Hilfe neuer Interpretation nutzbar machte. Nur was gar nicht verwertbar war, hat er ausgelassen. Schließlich ergeben sich Rückschlüsse auf den vom Dichter beabsichtigten Umfang seines Werkes. In der Rahmenerzählung hatte er schon eine kurze Auseinandersetzung zwischen Hiob und seinen Verwandten und Bekannten sowie ein Gotteswort an Hiob vorgefunden. Die Ersetzung der Verwandten und Bekannten durch die drei Freunde änderte nichts daran, daß er diese Tradition grundsätzlich beibehalten hat. Nur führt er alles in zahlreichen Reden, teilweise durch andere Personen und vor allem mit anderem Gedankengehalt aus. Er hat ja in 2 11-13 durch die Einführung der Freunde die Bühne für eine größere Reihe von Reden aufgebaut 68 , auf die 42 7 mit der Bemerkung zurück-

68

Zu Sinn und Absicht der israelitischen Rede vgl. J. Lindblom a.a.O. 40 f.; L. Köhler, Der hebräische Mensch, 1953, 145 ff.

36

Zur Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

schaut, daß die Freunde Nicht-Wahres über Gott geredet haben. Genauso setzt 42 7 eine Gottesrede an Hiob voraus. Eine solche Rede gehört also durchaus zum Plan des Werkes, das der Hiobdichter geschaffen hat; für ihre Echtheit spricht weiterhin, daß er zu ihrer Einleitung einen Rest der ursprünglichen Rahmenerzählung benutzt hat. So bietet diese in ihrer alten Form einen Hinweis darauf, daß außer den Reden Hiobs und seiner Freunde auch die Gottesrede mit der Antwort Hiobs zum Bestand des Buches gehört, wie der Dichter ihn hinterlassen hat.

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende Daß die Rahmenerzählung des Buches Hiob (1 1-2 13 42 7-17) nicht ein Werk des Hiobdichters ist, sondern eine ursprünglich selbständige Erzählung - die Hioblegende - darstellt, die in der Fremde außerhalb Israels spielte, wird heute durchweg erkannt und anerkannt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hat sich diese Auffassung allgemein durchgesetzt. Doch in der Frage, wie sich die Hioblegende zum Hiobgedicht verhält - ob und gegebenenfalls wie vom Dichter mit ihm verknüpft oder erst später zugefügt - , gehen die Meinungen sogleich auseinander. Erst recht gilt dies für die weitere Frage, welches die ursprüngliche Form der Hioblegende war und welche Wandlungen sie im Verlauf ihrer Uberlieferung erfahren hat, bis sie mit dem Hiobgedicht verbunden wurde. Teils ist man in der Weise vorgegangen, daß man einzelne Abschnitte der jetzigen Rahmenerzählung verschiedenen Stadien zuschrieb 1 . Teils hat man eine israelitische Bearbeitung der als Ganzes fremden Erzählung angenommen 2 . Teils betrachtet man die Rahmenerzählung als die prosaische Form eines alten poetischen und vielleicht kanaanäischen Epos von Hiob 3 . Jedoch zeigt eine genauere Untersuchung, daß die Hioblegende nicht nur infolge ihrer Verschmelzung mit dem Hiobgedicht geändert werden mußte, sondern außerdem Überlieferungszüge aufweist, die auf wenigstens vier verschiedene Zeitalter und Kreise zurückgehen. Dann aber stößt man auch auf ihre ältesten Elemente, die der vorisraelitischen Form angehören. I. Es fragt sich zunächst, ob zu erkennen ist, in welchem Zustande sich die Hioblegende befunden hat, als sie der Hiobdichtung als Rahmenerzählung hinzugefügt worden ist. Für diese Frage ist es an sich unwichtig, ob der Hiobdichter selbst die Legende als Rahmen für sein Werk benutzt oder ob man sie später mit diesem verbunden hat. Allerdings finden sich einige Hinweise, die darauf schließen lassen, daß es

1 2 3

Vgl. die Darstellung oben S. 22 f. Vgl. z.B. R. H. Pfeiffer, Introduction to the Old Testament, 1941, 668-670. Vgl. U. Cassuto in Keneset 8 (1944), 142; S. Spiegel, Noah, Danel, and Job, in: L. Ginsberg Jubilee Volume, 1945, 305-307; Ν. M. Sarna, Epic Substratum in the Prose of Job, JBL 1957, 13-25.

38

Überlieferung und W a n d l u n g der Hioblegende

der Dichter selbst gewesen ist, der die Legende als Ausgangspunkt f ü r seine Dichtung verwendet und sie mit dieser verarbeitet hat 4 . Daher ist die Frage genauer dahingehend zu stellen: In welcher Form hat der Hiobdichter die Hioblegende vorgefunden und welche Änderungen hat er vorgenommen, um sie als Rahmenerzählung benutzen zu können? 1. Die Hioblegende hat ursprünglich in der sechsten Szene des Prologs, die jetzt in 2 11-13 vom Besuch der Freunde Hiobs erzählt, statt dessen im Anschluß an die vergebliche Versuchung des Dulders durch seine Frau den Besuch seiner Verwandten und Bekannten geschildert. Ein Teil der Schilderung ist in 42 ll noch erhalten: Sie kamen zu Hiob, bekundeten ihm ihre Teilnahme und trösteten ihn wegen all des Unglücks, das Jhwh über ihn gebracht hatte. Sie finden sich also nicht ein, weil es ihm wieder gut geht, nachdem sie sich vorher von dem Unglücklichen zurückgezogen haben. Vielmehr wollen sie ihr Beileid bezeugen und sogar Hilfe leisten, indem sie einen Geldbetrag mitbringen. Dies steht zu der in 42 10 schon berichteten Wendung des Geschicks Hiobs und seiner Wiederherstellung mit dem Doppelten des früheren Besitzes in einem gewissen Widerspruch. Obwohl Besuch und Geschenke der Verwandten und Bekannten nunmehr als erster Teil der Wiederherstellung Hiobs erscheinen sollen, ist nicht zu übersehen, daß ihre Stelle ursprünglich im Prolog war. D o r t aber kommt, wie die Ähnlichkeit zwischen 42 11 und 2 11 lehrt, nur der jetzt durch 2 11-13 eingenommene Platz in Frage. Der Dichter hat die Verwandten und Bekannten durch die drei Freunde Hiobs ersetzt. Wie f ü r diese in der Hioblegende neben den Verwandten und Bekannten kein Raum war, so konnten sie auch im Werk des Dichters nicht aufeinander folgen. 2. Der Dichter hat 2 11-13 demnach nicht als Zwischenstück zur Uberleitung vom Prolog zum Gedicht neu verfaßt; der Stil weicht von dem seinigen zu stark ab, und 2 11 mutet wie eine Nachahmung des ursprünglicheren und natürlicheren Verses 42 ll an. Die Verse bilden aber auch keinen redaktionellen oder nachredaktionellen Zusatz, weil sie mit dem Prolog verwandt sind, in ihrer Diktion freilich wiederum U n terschiede aufweisen. In ihrer jetzigen Form bilden sie keinen integrierenden Teil der Hioblegende oder des Hiobgedichts. Vielmehr hat der Dichter sie aus der Legende übernommen, um sie von den Verwandten und Bekannten Hiobs auf seine Freunde zu beziehen. Daraus allein erklärt sich ihre merkwürdige Zwischenstellung. 3. Die vom Dichter vorgefundene Hioblegende hat ferner davon erzählt, wie die Verwandten und Bekannten Hiobs ihn wie seine Frau 4

Vgl. im einzelnen oben S. 23 ff.

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

39

versucht haben, um ihn zum Abfall von Gott zu bewegen, und wie Hiob diese Versuchung zurückgewiesen hat. Das bedingt nicht nur der gesamte Charakter der Hioblegende, in der der Leidgeplagte sich trotz allen Unglücks und aller Versuchungen bewährt, und nicht nur der formale Aufbau in Doppelszenen zur Steigerung der Erzählung, nach dem auf die erste menschliche Versuchung durch die Frau eine zweite durch die Verwandten und Bekannten folgen muß, sondern ist auch in 42 7-9 ausgedrückt. Denn dort wird den Verwandten und Bekannten, auf die sich die Verse ursprünglich bezogen haben, von Jhwh vorgeworfen, daß sie Nicht-Wahres über ihn gesprochen haben. Der Hiobdichter hat die Auseinandersetzung zwischen Hiob und seinen Verwandten und Bekannten (in der Versuchung und deren Rückweis) naturgemäß auslassen müssen, als er die letzteren aus dem Prolog ausschied und durch die Freunde ersetzte. Der Dialog zwischen Hiob und seinen Freunden nimmt jetzt die Stelle der ursprünglichen Auseinandersetzung ein. 4. Wie 38 1 und 42 7 zeigen, ist einmal nach der erneuten Bewährung Hiobs gegenüber seinen Verwandten und Bekannten ein zustimmendes und anerkennendes Gotteswort an ihn ergangen. Die in 38 l erhaltene Einleitung zeigt, daß es aus dem »Sturmwind« heraus gesprochen worden ist. Das Gotteswort selbst, auf das in 42 7 mit »diesen Worten« Jhwhs hingewiesen wird, während im jetzigen Zusammenhang das Bekenntnis Hiobs vorausgeht, ist wegen der Gottesrede des Hiobdichters von diesem ausgelassen worden. 5. Schließlich folgte aus der Ersetzung der Verwandten und Bekannten durch die Freunde Hiobs die Notwendigkeit, 42 7-9 statt auf die ersteren nunmehr auf die letzteren zu beziehen. Das zornige Wort Jhwhs, das geforderte Opfer und die Fürbitte Hiobs, die ursprünglich den Verwandten und Bekannten Hiobs galten, werden jetzt mit seinen Freunden in Zusammenhang gebracht. Unverändert sind 42 10.12-17 geblieben. 6. Alle bisher genannten Änderungen der vorgefundenen Hioblegende durch den Dichter sind dadurch bedingt, daß er die Verwandten und Bekannten Hiobs durch seine Freunde ersetzt hat. Er hat damit die Bühne für eine gewisse Zahl von Reden aufgebaut, diese zugleich aber durch die beschränkte Zahl der Freunde vor einem Zerfließen ins Uferlose bewahrt. Der auf solche Weise entstehende Dialog bedingte als Gegengewicht eine ausführliche Gottesrede statt des ursprünglich kurzen Gotteswortes an Hiob. Sie mußte wegen des Dialogs auch einen anderen Inhalt bekommen und konnte nicht mehr ein Lob Hiobs sein. Im übrigen hat der Dichter die übernommene Tradition möglichst schonend behandelt.

40

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

Außerdem hat er wahrscheinlich die Hioblegende in zweifacher Hinsicht formal und stilistisch seinem Gedicht angeglichen. Der Grund dafür liegt darin, daß die Hioblegende aufhörte, eine selbständige Uberlieferung zu sein, und mit dem Gedicht zu einem unauflösbaren Ganzen verschmolzen wurde. Daraus erklärt sich einmal, daß sich in der jetzigen Rahmenerzählung die gleiche Verteilung von Prosa und Poesie wie in der eigentlichen Hiobdichtung findet. Denn in ihr ist die direkte Rede in Versform gehalten 5 , so daß das gesamte Hiobbuch in einheitlicher Weise das Berichtende in Prosa, das Gesprochene in poetischer Form darbietet. Dieselbe Hand des überlegenen Gestalters des Gesamtbuches zeigt sich ferner in der Verwendung der verschiedenartigen Gottesbezeichnungen. In der Rahmenerzählung wird in gehäufter Weise von »Jhwh« gesprochen, während »Elohim« in gebräuchlichen Redewendungen (1 1.6.8.16.22 2 1.3) oder in direkter Rede (1 5.9 2 9.10) vorkommt. Im Gedicht dagegen begegnet »Jhwh«, abgesehen vom Zusatz in 12 9 und von manchen Versionen zu der Glosse 28 28, ausschließlich in den prosaischen Einleitungsformeln von 38-41, von denen wohl nur 38 l ursprünglich ist. Uberprüft man diese Vorkommen, so entspricht ihre Verwendung der Verteilung von Prosa und Poesie. Wie nämlich die Berichte in Prosa und die Reden in Poesie gehalten sind, so scheint der Name »Jhwh« den Prosa-Berichten und der Ausdruck »Elohim« mitsamt den übrigen Gottesbezeichnungen (El, Eloah, Schaddaj) den poetischen Abschnitten vorbehalten zu sein6. Obwohl sich kein zwingender Beweis führen läßt, dürfte in alledem angesichts der auffälligen Ubereinstimmung zwischen Rahmenerzählung und Gedicht doch wohl die Hand des Dichters selbst zu vermuten sein. 7. Schließlich ist die Ausdrucksweise der Gegenfrage Hiobs an seine ihn versuchende Frau in 2 10b derjenigen des Hiobdichters verwandt: Das Gute nehmen wir von Gott an, und das Böse sollten wir nicht annehmen?

Der Satz, der die Lebensauffassung der Weisheitslehre widerspiegelt, dürfte am ehesten vom Hiobdichter eingefügt worden sein 7 . Dies wäre 5

6

7

Darauf weisen auch P. Volz, Hiob und Weisheit, 1921, 14; A. Bentzen, Introduction to the Old Testament, II 1952, 167; H. Möller, Sinn und Aufbau des Buches Hiob, 1955, 15; N. H. Tur-Sinai (H. Torczyner), The Book of Job, 1957, hin. Die Verwendung des Namens Jhwh in der direkten Rede in 121(, widerspricht dem nicht, da dort ein festgelegter Volksspruch oder ein Sprichwort gebraucht wird. Seine Beziehung zur Weisheitslehre ergibt sich auch aus der Verwendung des in ihr besonders häufigen Wortes rezur Bezeichnung der »Freunde« in 2 n . Das Wort findet

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

41

die einzige von ihm vorgenommene Änderung, die nicht durch die Neubeziehung eines Teils der Hioblegende auf die Freunde Hiobs und die formale stilistische Vereinheitlichung des Ganzen bedingt ist. II. Der in 2 10 sichtbar werdende Einfluß der Lebensweisheit auf die Hioblegende läßt sich in einigen weiteren Einzelheiten beobachten. Da die Weisheitslehre in Israel schon früh aufgenommen wurde 8 , ist dieser Einfluß zeitlich schwer festzulegen. Berücksichtigt man jedoch, daß sie zunächst auf den Königshof, die regierenden Kreise und die Beamten beschränkt war 9 und eigentlich erst in nachexilischer Zeit weitere Kreise des Volkes erfaßte, so wird man ihre Spuren in einer stark volkstümlichen Legende wahrscheinlich auf diese letzte Periode zurückführen müssen. 1. In 1 l wird das fromme Verhalten Hiobs durch zwei Wortpaare ausgedrückt: recht und redlich, gottesfürchtig und fern vom Bösen. Diese Form ist der poetisch geprägten Sprache der Weisheitssprüche entnommen. Das erste Wortpaar findet sich Prov 2 21 28 10 29 10 Ps 25 21 37 3710, das zweite Wortpaar Prov 3 7 14 16 16 6. Dabei ist »Gottesfurcht« die vor allem in der Lebensweisheit beliebte Umschreibung für den religiösen Glauben. Der Ausdruck bezeichnet allgemein die »Religion« oder die religiöse Verehrung, wie sie der Gottheit vom Menschen entgegengebracht wird. Die Formulierung »fern vom Bösen« rührt von der vorsichtigen und auf das Nützliche bedachten Lebenshaltung der Weisheit her. Der Weise ist auch nicht dem Bösen »feind« wie der Prophet, sondern »hält sich fern« von ihm, indem er ihm ängstlich aus dem Wege geht. 2. Noch andere Ausdrücke spiegeln den Einfluß der Weisheitssprache wider. So findet sich tummä »Lauterkeit« außer 2 3.9 nur noch

sich im st. es. plur. nur an dieser Stelle. Vgl. im einzelnen J. Fichtner, Der Begriff des »Nächsten« im Alten Testament mit einem Ausblick auf Spätjudentum und Neues Testament, WuD 1955, 23-52. 8 Vgl. A. Alt, Die Weisheit Salomos, ThLZ 1951, 139-144 (Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel, II 1953, 90-99). ' So verhielt es sich noch zur Zeit Jesajas; vgl. J. Fichtner, Jesaja unter den Weisen, ThLZ 1949, 75-80. 10 Außerdem wird tarn mit dem Stamm }dq (Gen 6 9 Ps 7 9 Prov 11 5 ), 'xmœt (Jdc 9 1 6 19 Jos 2 4 u ) und nqb (Ps 19 14 ) verbunden, jasar mit faddiq (Ps 33[ 1 4 0 u ) , naqi (Hi 4 7 17 g ) und zäk (Hi 8 6 ), also mehrfach in Zusammenhängen, die von der Weisheitslehre bestimmt sind.

42

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

in 27 5 31 6 Prov 11 3 und stellt demnach wohl eine Wortbildung der Weisheitslehre dar. Wenn Hiob in 2 10 seine Frau mit einer »Törin« vergleicht, verwendet er einen Ausdruck, der für den Gottlosen gebraucht wird, insofern dessen Abfall von Gott sich auf das Fehlen menschlicher Vernunft oder sittlicher Reife zurückführen läßt. Dieser Ausdruck, der sich in mancherlei Zusammenhängen findet, kennzeichnet die Gottlosigkeit vom Standpunkt der Lebensweisheit aus. 3. Schließlich bringt der erste Teil des Hiobwortes in 1 21 eine allgemeine Lebensweisheit zum Ausdruck: Nackt bin ich aus meiner Mutter Leib hervorgekommen, und nackt kehre ich dorthin zurück.

Dieser Satz findet sich abgewandelt, aber noch deutlich erkennbar in Koh 5 14. Der wichtigste Unterschied besteht darin, daß Kohelet vom Dahingehen (sûb lalcekœt) ohne die nähere Bestimmung »dorthin« redet. Fragt man danach, wohin der Mensch geht, so nennt Kohelet die Unterwelt (9 10), den Staub (3 20) oder die Erde (12 7), Aber auch bei Hiob liegt der Ton des Satzes auf der Parallelisierung »nackt kommen - nackt gehen«. Das abschließende sammä, das so verschiedenartig gedeutet wird 11 , war als Gegenstück zum Mutterleib und aus metrischen Gründen erforderlich und darf daher nicht in einem zu strengen Sinn verstanden werden. Der Mensch geht »dorthin«, wohin er eben »nackt« gehen muß: ins Grab, zum Staub zurück, in die Unterwelt. So liegt ein Koh 5 14 sehr ähnlicher Weisheitssatz vor, der im Verlauf der Uberlieferung in die Hioblegende aufgenommen worden ist12. III. Während sich der Einfluß der Lebensweisheit auf die Ausgestaltung der Hioblegende zeitlich nur vermutungsweise festlegen läßt, weisen andere Züge der Überlieferung in die frühe nachexilische Zeit. 1. Hierzu gehört vor allem die Gestalt des Satans, der außer in der Hioblegende nur noch in Sach 3 1 f. mit dem Artikel genannt wird. Er scheint damals als eine bestimmte Person im Kreise der Himmelswe-

11

12

Vgl. G. Ricciotti, Et nu j'y retournerai (Job 1 21 ), ZAW 1955, 249-251, der aufgrund einer embryoartigen Bestattungshaltung an das den Mutterleib symbolisierende Grab denkt. Dagegen spricht aus der Verknüpfung in 1 j_2> daß die vollkommene Frömmigkeit Hiobs sein ebenso vollkommenes Glück zur Folge gehabt hat, nicht der Lohngedanke des Vergeltungsglaubens. Vielmehr versteht die Erzählung das Glück Hiobs nach alter Vorstellung als Gottes Segen, der dem frommen Menschen reichlich zuteil wird.

Überlieferung und W a n d l u n g der Hioblegende

43

sen aufgefaßt worden zu sein, die Jhwh umgeben. Abgesehen vom ganzen Zusammenhang der Erzählung und den dem Satan übertragenen Vollmachten (1 12 2 4), geht dies aus dem Ausdruck betôk »inmitten« hervor, der mehrfach die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ausdrückt (Gen 23 10 42 5 Num 17 21 26 62 I Sam 10 10 Ez 19 12)13. Der Eindruck der Parallelität verstärkt sich dadurch, daß entsprechend dem Satan der Hioblegende bei Sacharja die göttlichen Boten auf der Erde umherziehen (hithâllek ba'arces in Sach 1 11 6 7) und die Augen Jhwhs umherschweifen (sût in Sach 4 10). Die Ansichten über Herkunft und Bedeutung der Satansgestalt sind sehr verschieden 14 . Das Wort satan drückt - ob es nun zu den Nomina auf (an)on gehört oder eine einfache Nominalbildung qatäl darstellt - keine Funktion, geschweige denn einen Titel oder Eigennamen aus, sondern ein Verhalten oder eine das Verhalten begründende Eigenart. Die Grundbedeutung des Wortes ist »anfeinden« (Sach 3 l Ps 38 21 71 13 109 4.20.29), die des Substantivs demnach »Feind, Gegner«. In dieser Weise begegnet der Ausdruck im profanen Gebrauch (vgl. I Sam 29 4 II Sam 19 23 I Reg 5 18 11 14.23.25). Sogar der Jhwh-Engel, der sich dem Bileam in den Weg stellt, kann als dessen Gegner bezeichnet werden (Num 22 22.32). Stets wird derjenige als Satan bezeichnet, der sich gegnerisch oder feindlich verhält. In Sach 3 iff. und in der Hioblegende begegnet nun ein solcher »Feind« im göttlichen Hofstaat. Aufgrund der genau datierbaren Vorstellung bei Sacharja ist diese Auffassung als frühnachexilisch zu bezeichnen. Sie knüpft an ältere Aussagen an. Vor allem werden zwei 13

14

Die Vermutung von N. H . Tur-Sinai (H. Torczyner) a.a.O. 45, daß der Satan ein Mensch und von Jhwh als Gast zur Berichterstattung eingeladen sein könne, entbehrt jeder Grundlage. So versteht man ihn 1. als einen D ä m o n , ein bösartiges Wesen ursprünglich märchenhafter Art: H . Gunkel, Das Märchen im Alten Testament, 1921, 84f.; G. Hölscher, Das Buch Hiob, 1952, 3; R. Marcus, Job and G o d , R R 1949/50, 5-29. - 2. Als dem babylonischen D e n k e n entsprungen als Ergebnis des Widerstreits zwischen der Heiligkeit Gottes und der Gegenwärtigkeit von Sünde und Übel: E. Langton, Essentials of Demonology, 1949, 58 f. - 3. Als eine literarische Figur: K. Marti, Geschichte der israelitischen Religion, 1907, 272-274. - 4. Als dem Menschen beigegebener Ankläger, ein Gegenstück des babylonischen persönlichen Schutzgottes: H . Gunkel a.a.O. - 5. Aus dem Rechtsleben als Ankläger vor Gericht übernommen: G. von Rad in T h W N T , II 71-74; vielleicht vom Vorbild des Königshofes auf den himmlischen H o f s t a t t übertragen: W. Eichrodt, Theologie des Alten Testaments, II 1935, 109-111. - 6. Als Glied der göttlichen Polizei, das die Sicherheit der irdischen Welt zu überwachen hat: A. Lods, Les origines de la figure de Satan, ses fonctions à la cour céleste, in: Mélanges Syriens offerts à R. Dussaud, II 1939, 649-660. - Manchmal finden sich recht seltsame Deutungen: N . H . Tur-Sinai (H. Torczyner) a.a.O. 38-45; A. Brock-Utne, D e r Feind, Klio 1935, 219-227.

44

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

Vorstellungen, die man zunächst mit Jhwh selbst verbunden hatte, von ihm getrennt, aus ihm herausverlegt und unter dem Einfluß der persischen Religion nahezu hypostasiert, jedenfalls aber mit einem Angehörigen des himmlischen Hofstaates verknüpft. Es handelt sich einmal um den Zorn Jhwhs, den Num 22 22 neben dem feindseligen Engel nennt, auf den David in I Sam 26 19 den Haß Sauls zurückführt und dem man in II Sam 24 die Verleitung zur Sünde zuschreibt, bis I Chr 21 l dafür den Satan einsetzt. Ferner handelt es sich um den bösen Geist Jhwhs, wie er über Saul kommt und in I Reg 22 19-23 zum Lügengeist in den Propheten wird 15 . In Sach 3 lf. und in der Hioblegende wird dies alles mit einer Person des himmlischen Hofstaates fest verbunden. Das ständige Verhalten und wohl schon die Eigenschaft eines der Himmelswesen besteht darin, daß es Gegner und Feind ist - natürlich Feind des Menschen und nicht Gottes. Erst in I Chr 21 l erscheint »Satan« als Eigenname. Damit wird die spätere Auffassung eingeleitet, die in dem dämonischen Satan den Widersacher Gottes oder das widergöttliche Prinzip erblickt 16 . In der zweiten Erprobung Hiobs schlägt der Satan ihn mit eigener Hand (2 7) - nicht unähnlich einem Krankheitsdämon (vgl. Ps 91 6) oder besser den auch sonst von Gott gesandten Himmelswesen, die Krankheit und Tod bringen (vgl. Ex 12 23 II Sam 24 16 f. II Reg 19 35 Ps 78 49). Ja, er hat übernommen, was man ursprünglich Gott selbst zuschrieb, wenn man ihn in unbegreiflicher Weise zuschlagen spürte (vgl. Ex 11 4 Lev 26 16 Dtn 28 22 I Sam 16 14). Noch Hiob persönlich, seine Frau sowie seine Verwandten und Bekannten erblicken den Urheber aller Leiden in Gott (1 21 2 9 42 ll). Besonders 42 11 zeigt, daß dies die Darstellung der alten Hioblegende gewesen ist. Wenn die Verwandten und Bekannten Hiob trösten wollen »wegen all des Unglücks, das Jhwh über ihn gebracht hatte«, geben diese Worte ja nicht einfach ihre eigene Meinung über den Urheber des Unglücks wieder, sondern weisen auf ein früheres Stadium der Erzählung hin, nach dem tatsächlich Jhwh selbst Hiob geschlagen hat. Erst in der frühnachexilischen Zeit hat der Satan den bösen Geist Jhwhs (wie I Reg 22) oder diesen selbst ersetzt. So sind die beiden Himmelsszenen zwar keine spätere Erweiterung der Hioblegende, sondern vom Hiobdichter schon in der gegenwärtigen Fassung vorgefunden worden. Wohl aber liegen sie in einer verhältnismäßig jungen Form vor, in der nicht mehr Jhwh selbst, sondern mit seiner Genehmigung der Satan den Hiob schlägt. Ursprünglich ist es Jhwh gewesen, der Hiob in unbegreiflicher Weise geplagt hat. 15

In I Reg 22 ist doch wohl an den »Geist« Jhwhs gedacht, der über die Propheten kommt wie an anderer Stelle sein »Wort«. Immerhin erscheint dieser Geist in der deuteronomistisch bearbeiteten Erzählung fast als Glied des Himmelsheers. " Vgl. dazu besonders E. Langton a.a.O. 55 ff. 68 ff. 113 ff. 164ff.

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

45

2. Einige Ausdrücke weisen in die gleiche Zeit, so »das Herz richten auf« in 1 8 (vgl. Jes 41 22 Hag 1 5.7 2 15) und der Aramaismus ybl »annehmen«, der durchweg in jungen Schriften des Alten Testaments begegnet (Chr, Esr, Est, Prov 10 20; hiph. Ex 26 5 36 12 [P])17. Eine stilistische Beeinflussung durch die Erzählweise der Priesterschrift scheint in 42 16-17 vorzuliegen; der Schluß der Hioblegende ist nach ihren Genesis-Erzählungen geprägt worden: »leben nach (diesen Ereignissen)« nach Gen 5 7, Hiobs hohes Alter nach Gen 5, »alt und lebenssatt« nach Gen 25 8 35 29. IV. Daß die Hioblegende in friihexilischer Zeit allgemein bekannt war, zeigt die Bezugnahme Ezechiels auf sie. In Ez 14 12-23 erwidert er auf einen Einwand, den man ihm gemacht hat, daß in der augenblicklichen Situation Jerusalems sogar Männer wie Noah, Daniel und Hiob höchstens ihr eigenes Leben aus dem drohenden Untergang retten könnten 18 . Daraus wird ersichtlich, daß Ezechiel an die Hioblegende und nicht etwa an das Hiobgedicht denkt. Wie Noah und Daniel gilt ihm Hiob als ein hervorragendes Beispiel eines gerechten und frommen Mannes. Wie sie erscheint er als Gestalt einer fernen Vergangenheit, in der es - anders als in der ganzen Geschichte Israels (vgl. Ez 16 1-43 20 1-32 23 1-35) und in der Gegenwart (vgl. Ez 14 2 1 - 2 3 ) - solche Frommen noch gab. Und wie sie hatte er seine Kinder - Söhne und Töchter - vor dem Zugriff Gottes nicht bewahren können. Vielleicht hat Ezechiel auch an die in Hi 42 8.10 erwähnte Fürbitte gedacht, wenn er sagt, daß diese Männer in Jerusalem ihre Söhne und Töchter nicht zu retten vermöchten (Ez 14 16.18.20). Dagegen weist kein Zug des Textes darauf hin, daß Ezechiel noch davon gewußt hat, daß alle drei eigentlich nichtisraelitische Gestalten waren; zumindest scheinen sie so sehr ins gemeinisraelitische Bewußtsein aufgenommen, daß ihre ursprüngliche Fremdheit keine Rolle mehr spielt19. Diese Beschäftigung mit der Hioblegende, die das Wort Ezechiels 17

18

19

Daher ist die Annahme von W. F. Albright in BASOR 1943, 29-32, daß in 2 1 0 ein altkanaanäisches Verb vorliege, unwahrscheinlich. Vielleicht hat das Aramäische ursprünglich kanaanäische Ausdrücke aufgegriffen. Daß in Ez 1412_23 ein »Diskussionswort« vorliegt, ist entgegen W. Zimmerli, Ezechiel, 1318, wenigstens ebensosehr eine formale Bestimmung einer prophetischen Gattung, wie z. B. Schuldaufweis und Unheilsankündigung oft nur inhaltlich bestimmt werden können. Gewiß können andere Redegattungen in ein Diskussionswort aufgenommen und in ihm verwendet werden, doch erhalten sie im Rahmen der übergreifenden Gattung des Diskussionswortes eine neue Funktion. Vgl. im einzelnen G. Fohrer, Ezechiel, 1955, 78-81, mit weiteren Literaturangaben.

46

Überlieferung und W a n d l u n g der Hioblegende

für die Zeit um 600 v. Chr. voraussetzt, hat einige Spuren in der Überlieferung hinterlassen. In 1 10 wird die deuteronomische Segensformel (Dtn 2 7 14 29 15 10 16 15) verwendet und entsprechend dem zweiten Versglied auf den Viehreichtum Hiobs bezogen. Die Verbindung von Kleiderzerreißen und Haarscheren als Trauerbrauch, die sich ausschließlich in 1 20 findet, ist nur der Verbindung von Kleiderzerreißen, Bartabscheren und Einritzungen in Jer 41 5 ähnlich. Das Substantiv 20 tiplä »Anstößiges, Haltloses« begegnet nur noch Jer 23 I3 (in der ein21 facheren Form II tapel T h r 2 14 Hi 66 ). In 42 li und von da aus in 2 11 findet sich das Verb nûd »Teilnahme bekunden« (eigentlich »den Kopf schütteln« als apotropäische Geste), das in der Literatur erst von Jeremía an in dieser Bedeutung gebraucht wird 22 . Schließlich wird der Ausdruck »das Geschick wenden« 23 in 42 10 erst seit der Zeit um 600 in gehäufter Weise verwendet (Dtn 30 3 Jer 29 14 30 3.18 31 23 33 26 [K] 48 47 49 39 [K] Ez 16 53 29 14 Am 9 14 Zeph 2 7 3 20; mit dem Verb im hiph. Jer 32 44 33 7.11.26 [Q] 49 6.39 [Q] Ez 39 25 T h r 2 14 Jo 4 l), wozu das Vorkommen in einigen sicherlich jungen Psalmen rechnet (Ps 14 7 53 7 85 2 126 4)24; Hos 6 11 ist die einzige ältere Stelle. Das legt die Vermutung nahe, daß auch Hi 42 10 in der Zeit um und nach 600 geprägt worden ist. V. Die zahlreichsten Uberlieferungszüge, die weitgehend das Gesicht der Hioblegende geformt haben, stammen aus der älteren vorexilischen Zeit. In ihr ist die eigentlich israelitische Form der ursprünglich nichtisraelitischen Erzählung geprägt worden. 1. In der Hioblegende liegt keine naiv-volkstümliche Erzählweise vor; sie verrät vielmehr - wie die Darstellungen der älteren Hexateuchschichten - eine ausgebildete und hohe Erzählkunst. Das zeigt bereits die Gliederung in kurze, ähnlich aufgebaute Szenen, die die wesentli-

20 21

22

23

24

Vielleicht ist es in Ps 109 4 herzustellen, in H i 24 l 2 zu ändern. Das Wort hat o f f e n b a r noch I tapel »Tünche« bedeutungsmäßig beeinflußt, vgl. G. Fohrer a.a.O. 71 zu Ez 13 10 . Falls der Hiobdichter auch 2 1 3 schon vorgefunden und nur aus einer älteren Form von den Verwandten und Bekannten auf die Freunde bezogen haben sollte, wäre noch auf Hb hinzuweisen, das als Verb vornehmlich, als Substantiv »Schmerz« überhaupt erst von Jeremía und Ezechiel an belegt ist. Die Bedeutung des Ausdrucks braucht in diesem Zusammenhang nicht erörtert zu werden; vgl. den Hinweis auf R. Borger, oben S. 25 Anm. 33. Daraus ergibt sich, d a ß die Herleitung aus einem angeblichen Bundeskult durch A. Weiser, Das Buch H i o b , 1956, fehl geht.

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

47

chen Züge fast greifbar herausarbeiten und die Geschehnisse farbig und lebensfroh schildern. Stets reden nur zwei Personen miteinander; auch die Unglücksboten in 1 13-19 treten jeweils sogleich ab, wenn sie ihre Botschaft ausgerichtet haben. Auch darin folgt die Legende dem alten Erzählstil, daß die Charaktere der beteiligten Personen sich nicht entwickeln. Ferner werden nur die äußeren Vorgänge unter Bezugnahme auf das dargestellt, was wirklich wahrzunehmen ist (vgl. besonders 1 20). Was sich in der Seele der Menschen abgespielt haben mag, kann sich der Leser selbst ausmalen. Er kennt ja den weiteren Grundsatz des alten Erzählstils, daß das äußerlich Wahrnehmbare dem Innerlichen entspricht und das Verhalten des Menschen einen Rückschluß auf seine innere Haltung erlaubt. In alledem unterscheidet sich die Hioblegende vom eigentlichen Hiobgedicht und gleicht den Erzählungen der älteren Quellenschichten des Hexateuch. Zu diesem Stil, der besonders in den Patriarchenerzählungen wahrzunehmen ist, gehören die Wiederholungen, die runden Zahlen, die märchenartige Beschreibung des Glücks Hiobs mit seiner Familie und das Eintreten des Unglücks durch jeweils einen einzigen Schlag. Insbesondere fällt der wiederholende Stil auf, der durch die leichten Variationen in den einzelnen Szenen nur noch betont wird. Er zeigt sich sowohl in dem gleichmäßigen Aufbau der Himmelsszenen (1 6-8.11-12 2 1-3.5-7) und der »Hiobsbotschaften« (1 14-19) als auch in der Beurteilung Hiobs (1 1.8 2 3) und seinem Verhalten in den Glaubensproben (1 22 2 10). Ebenso sind die gelegentlich zu beobachtende Assonanz und Alliteration für die Sprache der Legende und Sage bezeichnend 25 . So läßt die stilistische Formung einen starken Einfluß der Erzählweise der älteren Quellenschichten des Hexateuch erkennen. Unter ihrer Einwirkung hat die Hioblegende in vorexilischer Zeit ihre israelitische Formulierung und Ausprägung erhalten. 2. Die Hioblegende spielt in der Frühzeit. Dem entspricht ihr Hintergrund, der Hiob als einen Zeitgenossen der Patriarchen Israels erscheinen läßt. Dies geht zweifellos auf alte Uberlieferungen zurück, die in der Zeit der älteren Hexateucherzähler ihre israelitische Form erhalten haben. So bringt noch der Hausvater selbst die Opfer dar, die nach alter Anschauung den Zorn Gottes beschwichtigen (1 5 42 8); insbesondere

25

Ν. M. Sarna a.a.O. hat u. a. die Beispiele dafür im einzelnen angeführt. Doch weisen derartige Beobachtungen nicht zwingend auf ein altes Epos von Hiob hin, weil es sich vielfach nicht um Kennzeichen der Poesie, sondern des Sagen- und Legendenstils handelt. Andere Beobachtungen beruhen auf der Mischung von Poesie und Prosa in der Hioblegende, die auf den Hiobdichter zurückzuführen ist.

48

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

entspricht 42 8 den Opfern Bileams (Num 23 1.14.29 [E]) 26 . Wenn der Hiobdichter, für den der Kultus offenbar - wie für die ganze Lebensweisheit - unwichtig war, die Erwähnungen des Opfers beibehalten hat, zeigt sich darin wieder seine Treue gegenüber der Erzählungstradition. In Verbindung mit dem zweiten Opfer erscheint die Fürbitte, die wie in Gen 20 7 (E) entscheidende Bedeutung hat (vgl. ferner Num 217 [Ε] I Sam 7 5 f.)27. Wenn Hiob seine Söhne nach ihren Gastmählern wieder entsühnt, das heißt »in den Zustand der Heiligkeit versetzt« (1 5), geschieht dies nicht durch eine kultische Weihehandlung und die dann erwähnten Opfer, sondern nur durch die letzteren, da qds hier den Zweck angibt, der durch das Mittel des Opfers erreicht wird. Die in späterer Zeit einer Kulthandlung vorhergehende »Heiligung« (Ex 19 10. 14 Jos 7 13 I Sam 16 5), die wegen der im Alltag erfolgten Berührung mit Unreinem notwendig ist, wird durch das Objekt »sie« ausgeschlossen: Hiob »entsühnt« seine Söhne durch Opfer, während später jeder sich selbst vor der Teilnahme am Kultus zu »heiligen« hat. Endlich hat die Beschreibung des Segenswaltens Gottes in 1 10 ihre Parallele in Gen 30 29 f. (N). Auf die israelitische Bearbeitung in der Zeit der Hexateuchschichten geht vielleicht zurück, daß Hiob nicht als Nomade, sondern wenigstens als Halbbauer geschildert wird. Vielleicht aber ist dieser Erzählungszug noch älter und gehört zur vorisraelitischen Form der Schilderung. Dann ist immerhin die Aufzählung des Viehbesitzes (1 3) für die Zeit der israelitischen Bearbeitung und die noch zu behandelnde israelitische Lokalisierung der Hioblegende wichtig. Während das Pferd noch nicht erscheint, werden zunächst Kleinvieh und Kamele als Tiere der Nomaden oder der am Rande der Steppe Lebenden genannt. Zum »Kleinvieh« gehören Schafe und Ziegen, weil die Nomadenherden beide Tierarten umfassen 28 . Das »Kamel«, das einhöckerige Dromedar, ist wahrscheinlich erst gegen Ende des 2. Jahrtausends domestiziert worden; erst von etwa 1200 v.Chr. an kann mit seiner Verwendung im Dienst des Menschen gerechnet werden 29 . Die Hioblegende muß diesen Erzählungszug also erst nach dieser Zeit erhalten haben. Rinder

26

27

28

29

Die gleiche Zahl von sieben Opfertieren findet sich noch Ez 45 2 3, während sich Lev 4 mit weniger begnügt. Zur Fürbitte in der Moseüberlieferung vgl. J. Fichtner in T h W N T , V 407; allgemein F. Hesse, Die Fürbitte im Alten Testament, 1952. C. M. Doughty, Travels in Arabia Deserta, II 1888, 234, führt das Gegenteil als Ausnahme an. Vgl. R. Walz, Zum Problem des Zeitpunkts der Domestikation der altweltlichen Camliden, Z D M G 1951, 29-51; ders., Neue Untersuchungen zum Domestikationsproblem der altweltlichen Cameliden, ebd. 1954, 45-87; ders., Beiträge zur ältesten Geschichte der altweltlichen Cameliden unter besonderer Berücksichtigung des Domestikations-

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

49

und Eselinnen dagegen sind Tiere des Bauern. Die Rinder dienen zum Pflügen auf dem Acker (1 14), wobei sie paarweise als »Gespann« den Pflug ziehen. Da sœmœd zugleich die Ackerfläche angibt, die ein Gespann in einem Arbeitstag bewältigt (vgl. I Sam 14 14 Jes 5 IO), läßt die Zahl der Gespanne in etwa auf den gedachten Umfang des Ackerlandes schließen. Die Eselinnen, die zahmer und teurer als die männlichen Tiere sind 30 , dienen den Arbeitern zum Reiten (vgl. Ex 4 20 Jdc 22 22ff.) und zum Tragen der Ackergeräte aufs Feld (vgl. Gen 49 il I Sam 25 18). D a Hiob außer Vieh und Ackerland (vgl. 1 14) mit seinen Söhnen auch Häuser besitzt (1 4.18), zugleich aber über Nomadenvieh verfügt, soll er als Halbbauer geschildert werden, der am Rand der Steppe wohnt. Obwohl ein solcher Mann sicherlich Wertgegenstände oder Edelmetall als Zahlungsmittel sein eigen nennen dürfte, wird der Reichtum nach alter Art nach dem Vieh gezählt (vgl. z . B . Gen 30 43 46 32 Dtn 3 19). Daneben wird lediglich das »Gesinde« genannt (1 3) - mit dem Ausdruck 'abuddä, der nur noch in Gen 26 14 (N) vorkommt. Dort und Gen 12 16 (J) wird das Gesinde ebenfalls an letzter Stelle nach dem Vieh aufgezählt, weil es wegen des anderen Besitzes notwendig ist und als Vermögensbestandteil gilt; diese Auffassung findet sich gleichfalls in noch zu erwähnenden ugaritischen Urkunden. 3. Aus der vorexilischen Zeit stammt anscheinend der Gebrauch einiger Ausdrücke in der Hioblegende. So schenken die Verwandten und Bekannten Hiobs ihm jeder eine qes'itä »Kesita« und einen goldenen Ring (42 ll). Bei der Kesita handelt es sich um ein altes Zahlungsmittel, das nur noch in Gen 33 19 Jos 24 32 (E) genannt wird. An eine geprägte Münze 3 1 ist für die ältere Zeit nicht zu denken, wohl aber an ein altes Gewicht zur Abmessung des Silber- oder Goldstaubs, dessen Name dann für die abgemessene Menge des Edelmetalls selbst eintrat 32 . Es ist schwerlich ein Zufall, daß sowohl in der Hioblegende als auch in der elohistischen Quellenschicht der goldene Ring (nœzœm) erwähnt

30

31 32

Zeitpunktes, Actes du IVe Congrès International des Sciences Anthropologiques et Ethnologiques, III 1956, 190-204. Archäologische Belege schon für die Bronzezeit bringt B. J. S. Isserlin, On some possible early Occurrances of the Camel in Palestine, PEQ 1950, 50-53; doch beweisen sie für ein Kamelnomadentum nichts. NachJ. G. Wetzstein in F. Delitzsch, Das Buch Job, 1864, kostete seinerzeit in Syrien ein weibliches Tier dreimal soviel wie ein männliches. Akiba in bRosch haSchana 26a für die afrikanische Küste. Die Ubersetzungen (außer S) denken an ein Lamm (vgl. pecus - pecunia), doch dürfte dies auf bloßer Vermutung beruhen. Der gelegentliche Hinweis auf die ElephantinePapyri ist unzutreffend, da die angebliche Münzbezeichnung k-b-s »Lamm« vielmehr k-r-s zu lesen und mit pers. karasa gleichzusetzen ist; vgl. E. Nielsen, Shechem, 1955, 224 f.

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

50

wird - in E als Nasenring der Frauen (Gen 24 22.30.47, ferner Jes 3 2 1 Ez 16 12) und als Ohrring (Gen 35 4 Ex 32 2f., ferner Prov 25 1 2)33. Vielleicht ist Hi 42 il von der Genesis-Erzählung abhängig, da die Kesita und die goldenen Ohrringe in der Sichem-Uberlieferung begegnen (Gen 33 19 35 4). Ferner findet sich rastm (1 17) in der Bedeutung »Abteilung (von Kriegern)« in Jdc 7 20 9 34 I Sam 11 11 13 17. In 1 16 ist die Ausdrucksweise »ein Gottesfeuer fiel vom Himmel« aus zwei verschiedenen Ausdrücken zusammengesetzt: »Feuer Gottes (Jhwhs)« in N u m 11 1.3 I Reg 18 38 und »Feuer . . . vom Himmel« in II Reg 1 I0.l2a.14. Die gleiche Verbindung findet sich in Gen 19 24 infolge der Zusammenstellung zweier Quellenschichten 3 4 . Das Verb sûk »mit Dornen verzäunen, versperren«, dann »umhegen« (1 10), findet sich nur noch in H o s 2 8. Vielleicht leitet sich aus der Zeit der älteren Hexateuchschichten auch der Erzählungszug in der Hioblegende ab, daß unziemliches Reden über Gott als schlimme Sünde betrachtet (1 5.22 2 10 42 7f.) und deshalb einige sonst übliche anstößige Ausdrücke durch mildernde ersetzt werden ( b r k statt »fluchen« in 1 5.11 2 5.9, vgl. I Reg 21 lo.13; nekonä in 42 7f.;

nebalä

i n 4 2 8).

4. Aus alledem ergibt sich, daß die Hioblegende in vorexilischer Zeit in Israel heimisch geworden und inhaltlich wie sprachlich als israelitische Erzählung geprägt worden ist. Keinesfalls können diese Uberlieferungszüge aus späterer Zeit hergeleitet werden. Es besteht kein einigermaßen ausreichender Grund f ü r die Annahme, daß ein späterer Verfasser der Hioblegende sie erfunden haben sollte, da sie zum Verstehen des Erzählungsthemas nichts beitrugen und daher nicht erforderlich gewesen wären. Die obere Zeitgrenze ist durch die Erwähnung des um 1200 v.Chr. domestizierten Kamels gegeben. Die zahlreichen Parallelen zu den älteren Quellenschichten des Hexateuch legen die Vermutung nahe, daß die eigentliche Eingliederung in das israelitische Erzählgut in der Zeit dieser Quellenschichten erfolgt ist. In Zusammenhang damit steht naturgemäß die Beziehung der Hioblegende auf den Jhwh-Glauben. Obwohl die eigentliche Verteilung des Gottesnamens und der übrigen Gottesbezeichnungen erst auf den Hiobdichter zurückzuführen ist, zeigt 1 21b die alte Eingliederung in den Jhwh-Glauben. Ein Sprichwort oder Volksspruch ist eingefügt

33

nzm bei den Midianitern in Jdc 8 2 4ff, ohne nähere Bestimmung in Ex 3522 (P); Hos

2,, 34

In II Reg 112b ist 'Ihjm ein späterer Zusatz. Man hat 'Ihjm auch als Umschreibung des Superlativs verstehen wollen: »überaus großes Feuer«; vgl. im einzelnen D. W. Thomas, A Consideration of some unusual Ways of Expressing the Superlative in Hebrew, V T 1953, bes. 210-219.

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

51

worden, der sich durch seine rhythmische Form zu erkennen gibt: »Jhwh ist es, der's gegeben, und Jhwh ist es, der's genommen hat.« Daran schließt sich die ebenfalls alte hymnisch-liturgische Formel an: »Der Name Jhwhs sei gepriesen!« In beiden Fällen findet sich der Gottesname ausnahmsweise in der direkten Rede; der Hiobdichter hat die alten Redewendungen belassen und nicht im Zuge der Verteilung von Gottesname und Gottesbezeichnung geändert. Wenn ferner H i o b von Gott als »mein Knecht« bezeichnet wird (1 8 2 3 42 7f.), gliedert die Legende den ursprünglichen Nichtisraeliten auf diese Weise in den Jhwh-Glauben ein. D a ß es sich einmal um einen Fremden gehandelt hat, wird danach nicht mehr ersichtlich. In den beiden Himmelsszenen sind zwei Motive ineinander verwoben: das der Glaubensprobe und das der Götterwette. Von diesen beiden konnte das zweite Motiv erst auftreten, nachdem in frühnachexilischer Zeit der Satan in die Geschichte eingeführt worden war, während die vorexilische Form der Erzählung in Gott selbst den Urheber des Unglücks Hiobs erblickt hatte. D a ß dieser den H i o b zum Zweck der Glaubensprobe so schwer geschlagen hat, dürfte nun wiederum ein Erzählungszug sein, der infolge der Eingliederung in den Jhwh-Glauben aufgekommen ist. Von derartigen Glaubensproben wird ja anderwärts mehrfach erzählt (Gen 18-19. 22 Jdc 6.13). Während die vorisraelitische Erzählung ein anderes Motiv angegeben haben wird - etwa blindwütiges Zuschlagen, Neid oder Mißgunst der Gottheit - , entspricht der Gedanke der Glaubensprobe ganz dem Jhwh-Glauben. 5. In diesem Zusammenhang hat man in Israel die Hioblegende zu lokalisieren gesucht. Hiob lebt »im Lande Uz« (1 l). Als Bezeichnung eines Landes begegnet U z nur noch in T h r 4 21 und der dadurch hervorgerufenen Glosse in Jer 25 20; dort bezieht es sich auf Edom. Doch sprechen die ungewöhnliche Verslänge und die abweichenden Versionen gegen die Echtheit der Erwähnung in T h r 4 21. Es handelt sich um einen späteren Zusatz, der dadurch zustande gekommen ist, daß die Septuaginta in ihrem Zusatz Hi 42 17bff. den H i o b und damit auch U z in Edom sucht. Außerdem findet sich U z in einigen Genealogien: einerseits in Gen 10 23 I Chr 1 17 als Sohn des Aram und in Gen 22 21 als Sohn des N a h o r , beide also im aramäischen Bereich, andererseits in Gen 36 28 II Chr 1 42 als Abkömmling des Seir, also zum edomitischen Bereich gehörig. In beiden Fällen ist U z kein eigentlich geographisch bestimmbarer Bezirk, sondern Sippen- oder Stammesbezeichnung. Diese aber ist anscheinend sowohl mit dem aramäischen als auch mit dem edomitisch-arabischen Gebiet fest verbünden. N u r an diese beiden, nicht genau begrenzbaren Gebiete kann man in Israel gedacht haben, wenn man Hiob »im Lande Uz« wohnen ließ. Die älteste weitere Tradition, die sich in der Septuaginta findet (Hi

52

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

42 17bff.), lokalisiert Hiob in Edom. Doch beruht dies auf der falschen Gleichsetzung Hiobs mit Jobab (Gen 10 29, vgl. Gen 36 10.13.33), die nur in hellenistischen Kreisen vorgenommen werden konnte ( Ί ώ β - Ί ω βάβ) 35 . Daher muß diese Tradition als unbegründet ausscheiden. Die nächstälteste Tradition aber läßt Hiob im nordöstlichen Ostjordanland, einem aramäischen Siedlungsgebiet, beheimatet sein 36 . Die zweite Bezeichnung, die sich in der Hioblegende findet, scheint klarer erkennen zu lassen, in welcher Gegend man in Israel Hiob beheimatet dachte. Nach 1 3 war er größer als alle fané qœdœm. Diese Bezeichnung, die sich schon in der ägyptischen Sinuhe-Geschichte des 18. Jh. zeigt 37 , meint eine bestimmte Gegend, die sich nunmehr aufgrund der safatenischen Inschriften festlegen läßt 38 . Die Räume der benê qœdœm, von denen auch in Gen 25 6 29 1 Jdc 6 3.33 7 12 8 10 I Reg 5 lo Jes 11 14 Jer 49 28 Ez 25 4.40 die Rede ist, decken sich in etwa mit der Safa-Gegend 3 9 . Die »Ostleute«, unter denen Hiob nach israelitischer Meinung lebt, sind die Bewohner der Safa-Gegend mit oder ohne Einschluß ihres westlichen Vorlandes. Insbesondere handelt es sich um das Gebiet vom Ostabfall des Dschebel Hauran im Westen bis zum Ostrand der Harra im Osten; zum Teil sind der Hauran selbst und Basan hinzuzunehmen. Im wesentlichen stimmt diese Beobachtung mit der vorher genannten Tradition überein. Der Eigenart dieser Gegend Kulturland am Rande der Steppe - entspricht es, wenn Hiob gleicherweise Ackerbau und Viehzucht treibt und die Arbeitstiere des Bauern ebenso wie die Herden des Nomaden zu seinem Besitz gehören. Bei der Übernahme der Hioblegende scheint man demnach in Israel den Hiob in der Safa-Gegend im nordöstlichen Ostjordanland lokalisiert zu haben. Die in andere Gegenden weisenden Angaben über die Freunde in 2 11, die ursprünglich vielleicht Angaben über Verwandte und Bekannte Hiobs waren, sprechen nicht dagegen, da die Genannten ausdrücklich als anderswo wohnhaft geschildert werden. Ob freilich die israelitische Lokalisierung die ursprüngliche Heimat der

35

Sie findet sich ferner im Testament Hiobs 1,1, vgl. P. Rießler, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, 1928, 1104.

36

Vgl. im einzelnen W. Fries, Das Land U z , ThStKr 1854, 299-305; J. G. Wetzstein in F. Delitzsch a.a.O. 535-539. A. Kuenen, Historisch-kritische Einleitung in die Bücher des Alten Testaments, 111,1 1894, 105, verweist auf ein nach Hiob benanntes Kloster in der Gegend von Ardh el-Bethenije im westlichen Hauran.

57

Vgl. A O T 55 ff.; A N E T 18 ff. E. Littmann, Syria, IV Semitic Inscriptions, C Safaitic Insciptions, 1943; G. Ryckmans, Corpus Inscriptionum Semiticarum, V Inscriptiones Saracenicae, 1,1 1950. Diese Erkenntnis ist der Untersuchung von O. Eißfeldt, Das Alte Testament im Lichte der safatenischen Inschriften, Z D M G 1954, 88-118, zu verdanken.

38

59

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

53

Hiobgestalt und der vorisraelitischen Hioblegende richtig angibt, ist mit alledem noch nicht gesagt. Wahrscheinlich aber wird es sich so verhalten, da für eine Änderung kein Grund vorlag. VI. Trotz der überaus zahlreichen israelitisch-alttestamentlichen Züge, mittels deren die Hioblegende im Laufe von Jahrhunderten ihre zunächst vorläufige und dann bei der Verschmelzung mit dem Hiobgedicht ihre endgültige Fassung erhalten hat, lassen sich doch eine Reihe von Elementen erkennen, die aus ihrer ältesten, vorisraelitischen Form herrühren und alle Änderungen überdauert haben. 1. Zu diesen alten Elementen gehört zunächst der Name des Helden der Legende selbst. Der Name ' i j j o b ist weder mit Jobab (Gen 10 29) gleichzusetzen noch von einem Verb 'ib abzuleiten und als »der Anfeinder« oder »der Angefeindete« symbolisch zu verstehen. Vielmehr ist er in seiner vorisraelitischen Form für die Zeit des 20.-14. Jh. belegt. Er findet sich in der Form Ajjabum in den ägyptischen Ächtungstexten aus dem 20./18. Jh. als Bezeichnung eines Landes oder seiner Bewohner 40 und in einer ägyptischen Liste von Sklaven und Sklavinnen aus dem 18. Jh. 4 1 . Später begegnet er in der Form A-ja-ab in den Amarnabriefen als Name eines Königs von Pella, eines Vasallen des Pharao 4 2 Er wurde aus 'Ajja-'abu zu 'Aj-jâbum ('Ajjâbu) zusammengezogen, woraus die hebräische Form ' i j j o b entstand. Demnach bedeutet er »Wo ist der (mein) Vater?«. Dabei ist »Vater« ein theophores Element, das sich auf die Gottheit bezieht 43 .

40

41

42

43

W. F. Albright, T h e Egyptian Empire in Asia in the Twenty-first Century Β. C., J P O S 1928,239. W. F. Albright, North-West-Semitic N a m e s in a List of Egyptian Slaves from the Eighteenth Century B. C., J A O S 1954, 222-233. J . A. K n u d t z o n , Die El-Amarna Tafeln, 1915, 817: N r . 256,6.13; F. T h u r e a u - D a n g i n , Nouvelles lettres d'El-Amarna, R A 1922, 95 f. Außerdem findet sich der N a m e in Mari am mittleren Euphrat in der Form Ha-a-ia-a-bu-um, in Syrien in den Formen A-ja-bi bzw. A-ja-bu (Alalach) und Hj'abn (Ugarit) und im Altsüdarabischen in der Form 'jb m. Vgl. dazu im einzelnen G . Q u e l l in T h W N T , V 965-969. Es gibt zwei andere Deutungsmöglichkeiten, die jedoch weniger wahrscheinlicher sind: 1. Ebenfalls in der Übersetzung »Wo ist der (mein) Vater?« kann der N a m e als klagende Frage eines Kindes nach dem vor seiner Geburt gestorbenen Familienmitglied verstanden werden. In diesem Falle müßte das Kind als Ersatz dessen betrachtet werden, nach dem der N a m e fragt, so daß ein » E r s a t z n a m e « vorläge. So nach J . J . Stamm, Die akkadische N a m e n gebung, 1939, 284-287. Es fragt sich aber, ob auch ilu als Bezeichnung für den vergötterten Verstorbenen im Ersatznamen verwendet worden ist, wie 283 f. 371 angenommen wird, und nicht vielmehr eine enge Beziehung zwischen G o t t und Mensch angibt,

54

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

Es ist durchaus möglich, daß die Schilderung Hiobs als eines Halbbauern ebenfalls zu den alten Elementen gehört und nicht erst ein israelitischer Erzählungszug ist. Angesichts der zeitlich sehr frühen Verbindung von eigentlich nomadisierender Viehzucht mit Ackerbau und fester Siedlung, die sich aus der neueren Ausgrabung in Jericho erschließen läßt44, kann Hiob von Anfang an als Halbbauer geschildert worden sein. Wahrscheinlich sind auch die Namen der jetzigen Freunde Hiobs alte Erzählungselemente und ursprünglich Namen von Verwandten und Bekannten Hiobs. Der Name »Eliphas« (vgl. auch Gen 36 4 .10 .12) begegnet in der Form Phasael noch bei den idumäischen Herodianern. Am nächsten liegt die Bedeutung »El siegt« 45 . Als seine Heimat wird Teman genannt, in Gen 36 11. 15 noch Stammesname, später dagegen der nördliche Grenzgau von Edom. Der Name »Bildad« ist wahrscheinlich von der in den Nuzu-Texten und Kirkuk-Tafeln vorkommenden Form Bil-Adad abzuleiten, die an Stelle des sonst gebräuchlichen Apil- d Adad »Sohn (Erbe) Hadads« steht46; die im Alten Testament verwendete aramäische Form lautet Benhadad. Damit gewinnt wiederum die Vermutung an Wahrscheinlichkeit, daß Bildads Heimat Schuach (vgl. auch Gen 25 2. 6) mit dem keilschriftlichen Sûhi oder Sûhi gleichzusetzen ist und an den oberen Euphrat weist. Für den Namen »Zophar« gibt es keine verläßlichen Hinweise; die bisherigen Erklärungen sind nur Vermutungen. Berücksichtigt man aber, daß

die man sich auf einer Art von Verwandtschaftsverhältnis beruhend dachte wie im N a men Ah-ilim. Dem entspräche der Name A-li-ilum »Wo ist der Gott?« auf S. 371. - 2. Man kann im ersten Teil des Namens die Göttin Aja genannt finden, die im zweiten Teil als »Vater« des Namensträgers bezeichnet würde, wie auch die Göttin Ischtar einmal in einem Namen in männlicher Funktion begegnet: »Ischtar ist mein Gemahl«. Dann bedeutete der Name: »(Göttin) Aja ist der (mein) Vater«. Vgl. P. Nober in V D 1959, 361. Für die Angaben über die Göttin Aja vgl. J. Bottéro, Les divinités sémitiques anciennes en Mésopotamie, in: Le antiche divinità semitiche, 1958, 17—63, wonach es sich freilich eher um eine von Semiten übernommene sumerische Göttin handelt, die schwerlich im ganzen Orient so verbreitet gewesen ist, wie das Vorkommen des N a mens Hiob es bedingen müßte. Für die Konstruktion mit Verwendung von abum als Prädikatsnomen statt als Subjekt vgl. I. J. Gelb, La lingua degli Amoriti, Atti della Accademia Nazionale dei Lincei, Rendinconti, Classe di Scienze morali, storiche e filologiche 13,3-4, 1958, 143-164. 44

45

46

Vgl. besonders Κ. M. Kenyon, Digging up Jericho, 1957; ferner die Berichte in P E Q 1954, 46-63; 1955, 108-128; 1956, 67-82. Außerdem F. E. Zeuner in P E Q 1954, 64-68; 1955, 70-86. Vgl. B. Moritz in ZAW 1926, 84. Dagegen erklärt ihn E. Meyer, Die Israeliten und ihre Nachbarstämme, 1906, 347, als »El ist behende«. E. A. Speiser, On the Name Bildad, JAOS 1929, 360; ders., T h e N a m e Bildad, A f O 1930/31, 23.

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

55

Eliphas im Süden und Bildad im Osten von Hiob wohnten, so liegt es nahe, Zophar im Norden zu suchen. Daher ist er vielleicht mit dem Libanon zu verbinden, wo sich bis in die Neuzeit Ain $ôfar auf der Straße zwischen Beirut und Damaskus findet 47 . Ebenso weisen die Namen der Sabäer und Chaldäer, die zwei der Unglücksschläge über Hiobs Besitz bringen (1 15 17), in eine frühe Zeit. Die Erzählung kennt sie noch in einem nomadischen Stadium in der syrisch-arabischen Wüste, während sonst im Alten Testament mit den Sabäern das bekannte südarabische Handelsvolk und mit den Chaldäern das neubabylonische Staatsvolk gemeint ist. Beide erscheinen in der alten Hioblegende noch als räuberische Nomaden. In der weiteren Uberlieferung hat man daran allerdings keinen Anstoß genommen, sondern sich vorgestellt, daß der Satan die Werkzeuge der Vernichtung aus weiter Ferne, nahezu vom Ende der Welt, herbeigeholt habe 48 . 2. Sehr alt ist vor allem das Hiobthema, wie infolge der zahlreichen neueren Veröffentlichungen darüber allgemein bekannt ist. Es klingt manchmal in Ägypten an, so in der Weisheit des Amen-em-ope, dessen Gott der absolute »Herr des Alls« ist, der über die Geschicke des Menschen allein verfügt. Ihm gegenüber bleibt nur die Haltung des »Schweigenden«. Der ohnmächtige Mensch kann nichts anderes tun, als sich vertrauensvoll »in die Arme des Gottes zu setzen« und diesem alles anheimzustellen, auch wenn er ihn nicht versteht 49 . Noch enger sind die Berührungen mit der mesopotamischen Literatur, zunächst mit den schon längere Zeit bekannten Texten »Gespräch eines Leidenden mit seinem frommen Freund« und dem Dankgebet »Ich will preisen den Herrn der Weisheit« 50 . Nunmehr sind drei weitere Texte zu nennen 51 : eine ursprünglich sumerische Dichtung über

47

48

49

50

51

B. Moritz, Erwägungen zu meinem Aufsatz »Die Könige von Edom«, Z A W 1939, 148-150. Die in 2 4 verwendete sprichwörtliche Redensart »Haut für Haut«, die aus dem Tauschhandel der Nomaden stammt, läßt sich schwer mit einem bestimmten Uberlieferungsstadium verbinden. Sie kann jederzeit eingefügt worden sein, am ehesten wohl bei der Einführung des Satans. A. Alt, Zur literarischen Analyse der Weisheit des Amenemope, in: Wisdom in Israel and in the Ancient Near East, 1955, 16-25. Vgl. ferner P. Humbert, Recherches sur les sources éyptiennes de la littérature sapientiale d'Israël, 1929; S. Morenz, Die ägyptische Literatur und die Umwelt, in: Handbuch der Orientalistik, 1,2 1952, 194-206. Vgl. dazu J. J. Stamm, Das Leiden des Unschuldigen in Babylon und Israel, 1948. Das »Zwiegespräch zwischen einem Herrn und seinem Knecht« wird man eher als »eine humorvolle Darstellung des Kadavergehorsams« verstehen müssen, vgl. C. Kühl in T h R 1953, 300, ferner E. A. Speiser in J C S 1954, 9 8 - 1 9 5 . Vgl. A. Kuschke, Altbabylonische Texte zum Thema »Der leidende Gerechte«, ThLZ 1956, 6 9 - 7 6 .

56

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

das Hiobthema 52 , einige Texte der sumerisch-babylonischen Weisheitsliteratur über den leidenden Gerechten 53 , zu denen eine recht unvollständige Behandlung des Themas aus der Zeit um 1600 v.Chr. gehört 54 . So verschieden die Texte untereinander und erst recht gegenüber der Hioblegende (wie gegenüber dem ganzen Hiobbuche) sind, zeigen sie doch das Alter des Themas. Aufgrund dessen ist es möglich, daß die Frau Hiobs in 2 10 in der vorisraelitischen Fassung der Hioblegende die Lossagung vom persönlichen Schutzgott empfohlen hat, weil er seinen Aufgaben nicht nachkommen zu können oder zu wollen schien. Die Yierzahl der Schicksalsschläge in 1 13-19 stimmt mit der Viergliedrigkeit der Plagen überein, die auf Tafel XI 177-185 des Gilgamesch-Epos genannt werden 55 ; darin liegt offenbar ein altes Schema vor, das die Plagen als umfassend und vollständig kennzeichnen soll (vgl. auch Ez 14 12-23 Sach 2 3f.). Die ebenfalls parallele Symbolik der Siebenzahl in der Hioblegende und auf Tafel XI 128 ff. 141-146 des Gilgamesch-Epos wird zweckmäßig im folgenden Abschnitt behandelt. 3. Die ugaritischen Texte enthalten eine weitere Reihe von Parallelen, die auf alte Uberlieferungselemente in der Hioblegende schließen lassen. In ihr spielen die Dreizahl und die Siebenzahl sowie die sich daraus ergebende Zehnzahl eine bedeutende Rolle. Die Dreizahl findet sich in den Angaben über Töchter (1 2 42 13 f.) und Vieh Hiobs (1 3 42 12), die Siebenzahl in den Angaben über Söhne (1 2 42 13), Vieh (1 3 42 12), Tage (1 5 2 13) und Opfer (42 8), die Zehnzahl außer als Addition aus Drei und Sieben in den Angaben über das Vieh (1 3 42 12). Wie nun Hiob sieben Söhne hat, so werden in den ugaritischen Texten jeweils sieben Söhne von El, Baal, Mot und Keret genannt 56 . Die Parallele wäre noch deutlicher, wenn zudem von drei Töchtern Baals die Rede wäre 57 ; doch handelt es sich dabei wohl um die Symbole oder Insignien des Gottes. Immerhin ist die Dreizahl von Töchtern oder weiblichen Gestalten sonst des öfteren bezeugt, so daß zumindest ein verbreitetes

82

S. N. Kramer, »Man and his God«, a Sumerian Variation of the »Job« motif, in: Wisdom in Israel and in the Ancient Near East, 1955, 170-182. 53 J.J. A. van Dijk, La sagesse suméro-accadienne, 1953, 119 ff. 54 J. Nougayrol, Une version ancienne du »Juste souffrant«, RB 1952, 239—250. » Vgl. A N E T 95. 56 Text 52,64; 67, V, 8; 49, VI, 7-9; Krt 128, II, 24 nach der Zählung von C. H. Gordon, Ugaritic Manual, 1955. 57 Text 'nt 1,22 ff.; 111,3-4; 67, V, 8. Sie werden wie Hiobs Töchter in 42 1 4 namentlich genannt.

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

57

Schema zutage tritt 58 . Die Siebenzahl von Tagen spielt in den ugaritischen Texten ebenfalls eine wichtige Rolle, wenn der geordnete Ablauf einer Handlung oder eines Ereignisses mit einem bestimmten Höhe-, Wende- oder Endpunkt geschildert werden soll59. Daraus erklärt sich das siebentägige Schweigen Hiobs in 2 13, das nicht mit der Totentrauer zusammenhängt, da Hiob ja noch lebt. Ursprünglich brachte der siebente Tag des Besuches der Verwandten und Bekannten den Höhepunkt der Versuchung, den Wendepunkt durch die erneute Bewährung Hiobs und den Endpunkt seines Leidens durch die folgende Anerkennung durch Gott und die Wiederherstellung. Aus ugaritischen Texten läßt sich die besondere Stellung der Töchter Hiobs verstehen. Sie nehmen an den Gastmählern ihrer Brüder teil (1 4); dafür gibt es ugaritische Parallelen 60 . Sie werden im Unterschied von ihren Brüdern namentlich genannt (42 14) wie die Symbole oder Insignien Baals61. Vor allem erhalten auch sie außer den Söhnen einen Anteil am Erbbesitz (42 15), wie es in ähnlicher Weise zwei ugaritische Urkunden zeigen, in denen die Tochter vermögensrechtliche Ansprüche gegenüber ihrer Familie besitzt 62 . Auf ugaritischem Rechtseinfluß dürfte es auch beruhen, wenn das Gesinde hinter dem Viehbesitz eingereiht und an letzter Stelle aufgezählt wird (1 3). Der Sklave gilt nicht als Rechtspersönlichkeit, sondern als Rechtsobjekt und Vermögensbestandteil. Die gleiche Reihenfolge findet sich mehrfach in ugaritischen Urkunden 63 . 4. Im Alten Orient weit verbreitet ist die Vorstellung vom H o f staat der Gottheit und von der himmlischen Ratsversammlung (1 6 2 l). Sie ist teils in Analogie zum irdischen Königshof entstanden, teils diente sie dazu, die niederen Götter in das Pantheon einzuordnen. In Ugarit wird sie als mphrt bn il, pt>r (bn) Um oder 'dt ihn64 »Götterver58

C. H. Gordon hat in The Moslem World, 1943, 50 f., auf die drei Töchter des vorislamischen Allah hingewiesen. Im Mittelmeergebiet findet sich die Dreizahl (besonders seit Hesiod) bei den Chariten, Erinnyen, Gorgonen, Hesperiden, Hören und Moiren. 59 Außer dem Gilgemesch-Epos XI, 128 ff. sind aus Ugarit zu nennen Text 51,VI, 24-33; 124,21-25; Krt 106-108. 114-119. 218-221; 2 Aqht 1,6-12 und 11,32-40. Vgl. dazu J. B. Bauer, Die literarische Form des Heptaemeron, BZ 1957, 273-277. 60 Text 2 Aqht 11,26-40; 125,39ff. 61 ff. " Vgl. Anm. 57. 62 J. Nougayrol, Le Palais royal d'Ugarit, III 1955, 66: Nr. 16252, und 101 f.: Nr. 15138.16393 B. 63 F. Thureau-Dangin in Syria 1937, 246ff.: RS 8145; J. Nougayrol a.a.O. 56f.: Nr. 15 120. 64 Text 2,17.34; 107,3. Die phönikische Jhmlk-Inschrift aus Byblos (10. Jh.) erwähnt in Z. 4 mphrt'lgbl »die Versammlung der Götter von Byblos«. - Text 17,7; 51,111,14. - Text 128,11, 7.11 (vgl. P s 8 2 , ) .

58

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

Sammlung« bezeichnet 65 . Auch der Ausdruck benê hdalohîm »Himmelswesen« geht auf kanaanäische Vorbilder zurück, in denen von den Göttern als den »Söhnen Eis« die Rede ist66. Diese Vorstellung und Ausdrücke sind bald in Israel heimisch geworden und mit dem Jhwh-Glauben verschmolzen worden, ohne daß es möglich ist, das verzweigte und verwickelte Vorkommen im Alten Testament an dieser Stelle zu untersuchen 67 . So kann die Schilderung in der Hioblegende erst auf deren israelitischer Bearbeitung beruhen. Sieht man sich jedoch genötigt, eine vorisraelitische Form der Legende anzunehmen, so liegt es nahe, die Erwähnung der himmlischen Ratsversammlung und der Himmelswesen schon in der vorisraelitischen Fassung zu vermuten und auf den kanaanäischen Einfluß im palästinischen Raum zurückzuführen. 5. Schließlich ist auf einige altertümliche Formen und Ausdrücke hinzuweisen. In 1 4 wird in der Erwähnung der Töchter Hiobs mit dem femininen Nomen die Femininform des Zahlworts verbunden; in dieser seltenen Form (vgl. Gen 7 13 I Sam 10 3 Ez 7 2 [K]) liegt wohl ein Überrest der alten Verwendung von selosxt als kollektivem Ausdruck vor, der mit jedem Geschlecht verbunden werden konnte. In 2 7 ist qâdqôd »Scheitel« ein altertümliches Wort, das akk. qaqqädu und ugarit. qdqd lautet. In 42 13 kann sib'anä als Mischform aus sib'ä und siBan »zweimal sieben« erklärt werden, doch läßt es sich ebenso von ugarit. sB. »sieben« mit adverbialem nj ableiten und damit als altertümliche Form verstehen 68 . VII. Nach alledem läßt sich der Inhalt der vorisraelitischen Hioblegende etwa folgendermaßen umreißen: Die Einleitung hat den frommen und rechtschaffenen Hiob vorgestellt, von seinen Kindern und seinem Besitz an Vieh und Gesinde er-

65

Vgl. M. H. Pope, El in the Ugaritic Texts, 1955, 48 f. In Israel ist, wahrscheinlich in der Zeit nach dem salomonischen Tempelbau, die alte Vorstellung von Gott als König mit seinem Hofstaat oder Himmelsheer mit derjenigen von Jhwh Zebaot - repräsentiert durch die Lade - zusammengeflossen.

" Text 2,33: bn il; 2,17.34; 107,2: dr bn il (der »Familie« entspricht wohl hebr. dôr »Generation«). In den Zaubertexten von Arslan Tash findet sich in Z. 11 ukl bn 'Im (Th. H. Gaster in Orientalia 1942, 41-79). Vgl. besonders O. Eißfeldt, El im ugaritischen Pantheon, 1951, 7.63 ff., aber auch A. Kolaska, Gottessöhne und Engel in den vorexilischen Büchern des Alten Testaments und in der Ras Schamramythologie im Lichte des biblischen Monotheismus, kath. Diss. Wien 1953. 67 Andere anschauliche Schilderungen finden sich in I Reg 22 19 _ 22 und Dan 7 9 f 68 Vgl. C. H. Gordon, Ugaritic Manual, 1955, § 11,3.

Überlieferung und Wandlung der Hioblegende

59

zählt, der ihn größer als alle anderen ringsherum machte, ferner von den Gastmählern seiner Söhne, zu denen die Töchter eingeladen waren, und von ihrer regelmäßigen Entsühnung durch Hiob. Es folgte die himmlische Ratsversammlung, in der der oberste Gott - vielleicht aus Neid oder Mißgunst - beschließt, Hiob wieder alles zu nehmen, was er besitzt. Vielleicht wollte er auch nur sehen, wie der Mensch sich dann verhielte. Im Anschluß daran wurde als Ausführung dieses Beschlusses geschildert, wie Hiob durch Einfälle räuberischer Horden und durch Naturkatastrophen Besitz und Kinder verliert. Doch er trauert lediglich darüber, ohne ein Wort, geschweige denn einen Fluch zu sprechen. Daran schloß sich in einer zweiten Ratsversammlung im Himmel der Plan an, Hiob nun noch mit Krankheit zu schlagen. Nach der Schilderung dieser Erkrankung erfolgte die Versuchung Hiobs durch seine Frau, die ihm rät, sich von seinem Schutzgott loszusagen. Doch weist Hiob dieses Ansinnen zurück, indem er seine Frau schilt. Danach hat die Legende vom Besuch der Verwandten und Bekannten Hiobs erzählt. Sie bekunden ihr Beileid und bringen Geschenke. Nach sieben Tagen versuchen sie Hiob ebenfalls, werden aber wie die Frau zurückgewiesen. Daraufhin ist ein zustimmendes und anerkennendes Wort der Gottheit an Hiob ergangen, im Anschluß daran ein zorniges Wort über seine Verwandten und Bekannten (vielleicht unter Einschluß seiner Frau) mit der Forderung ihrer Entsühnung. Abschließend folgte die Schilderung der Wiederherstellung Hiobs unter besonderer Berücksichtigung der Namen und Erbberechtigung seiner Töchter.

Form und Funktion in der Hiobdichtung I.

Sicherlich ist es berechtigt, das Buch Hiob den größten künstlerischen Leistungen der Menschheit ebenbürtig an die Seite zu stellen und es mit Dantes Göttlicher Komödie und Goethes Faust zu vergleichen. Allerdings hat es im Verlauf der Uberlieferung ungleich mehr gelitten als diese. Mancherlei Rankenwerk hat an ihm zu wuchern begonnen 1 . Die spätere Interpretation hat in das Buch selbst eingegriffen, den dritten Redegang umgestaltet 2 , die Gottesrede mit der Antwort Hiobs in jeweils zwei Teile zerschlagen und die ganz andersartigen Elihu-Reden eingeschoben. Abgesehen von dem nicht zu behebenden Schaden im dritten Redegang läßt sich jedoch das ursprüngliche Werk des Hiobdichters erkennen. Von der alten und im Verlauf der Uberlieferung mehrfach weitergebildeten oder umgeformten Hioblegende im Prolog (1-2) ausgehend und im Epilog (42 7-17) in sie mündend 3 , hat er zunächst in drei Redegängen die Auseinandersetzung zwischen Hiob und seinen drei Freunden und das Bemühen Hiobs um eine Auseinandersetzung mit Gott dargestellt (3-11.12-20.21-23 25 1 - 6 26 1 - 4 27 1 - 6 . 1 1 - 1 2 ) und danach - da all dies ergebnislos bleibt - die Lösung seines Problems in der unmittelbaren Auseinandersetzung zwischen Hiob und Gott gesucht und gefunden (29-31. 38 1-40 2 . 6 - 1 4 40 3 - 5 42 1 - 6 ) . Erstaunlich ist die klare, geordnete und folgerichtige Gedankenführung, obwohl sie nicht immer erkannt und nicht selten bestritten wird 4 . Tatsächlich übertrifft sie die allein vergleichbaren Geschichtsbetrachtungen des Alten Testaments bei weitem. Nachdem der Prolog an den entscheidenden Punkt herangeführt hat, tut Hiob in den Reden des ersten Redeganges drei Schritte. Stimmt er zunächst nur die Klage über sein Geschick und den es bewirkenden Gott an (3), so schreitet er bald zur inhaltlichen Anklage (6-7) und dann zur eigentlichen und formal 1

D a z u gehören die hymnischen, belehrenden oder beschreibenden Lieder in 9 5 _ 1 0 12 7 _ u 12 12-15 30 2 . 8 40 1 5 _ 2 4 4 0 2 5 - 4 1 2 6 .

2

D i e Umgestaltung erfolgte durch Kürzungen der Hiobreden in 23J_ 17 2 6 1 - 4 27¡_ 6 n_ 1 2 und der Bildadrede in 25 j_ 6 , Auslassung der letzten Zopharrede und Zufiigung von vier dem H i o b in den Mund gelegten Liedern in 24.26 5 _ 1 4 27 7 _ 1 0 1 3 _ 2 3 und 28. Vgl. oben S. 19 ff., 37 ff.

3 4

Vgl. z.B. C. Kühl, Neuere Literarkritik des Buches Hiob, T h R 1953, 163-205. 2 5 7 - 3 1 7 (besonders 276); G. von Rad, T h e o l o g i e des Aken Testaments, I 1957, 4 0 7 f .

Form und Funktion in der Hiobdichtung

61

ersichtlichen Anklage Gottes fort (9-10). Währenddessen suchen die Freunde, die Hiob noch keine besondere Sünde beimessen, sein Schicksal aus der allgemeinen menschlichen Schwäche und Hinfälligkeit (4-5) oder als Folge unabsichtlicher Verfehlungen zu erklären (8.11) und empfehlen ihm die Hinwendung zu Gott in demütigem Gebet. Doch Hiob kann dies nicht hinnehmen und unternimmt im zweiten Redegang drei Versuche, Gott zum Eingreifen zu seinen Gunsten zu bewegen. Er fordert ihn wie zu einem Rechtsstreit über die Behandlung seiner Lage heraus (12-14). Er appelliert an ihn als den Rächer von Bluttat und Unrecht (16-17). Und er ersucht ihn als Schutzzeugen und Anwalt um Hilfe gegen die ihn verfolgenden Freunde und die Verurteilung durch eine unwissende Nachwelt (19). Demgegenüber gehen die Freunde ebenfalls einen Schritt weiter. Sie beschuldigen Hiob indirekt, ein Frevler zu sein, und mahnen und warnen ihn wegen des darum drohenden schlimmen Endes (15.18.20). Diese Auffassung ruft nicht nur den lebhaften Widerspruch Hiobs wach, sondern veranlaßt ihn auch im dritten Redegang, die Anerkennung seiner Unschuld durch Gott in unmittelbarer Auseinandersetzung auf dreifache Weise vorzubereiten. Er sucht die Lehre vom unbedingten Unheil für den Frevler zu widerlegen, um damit zu beweisen, daß seine eigenen Leiden durchaus nicht seine Schuld bezeugen (21). Er drückt in einer Verbindung von Entschluß zum Rechtsstreit, Unschuldsbeteuerung und Siegesgewißheit aus, daß seine Unschuld offensichtlich ist (23). Und er beteuert mit einem Eid, daß er gegenüber allen Verdächtigungen an seiner Unschuld festhalten muß, wenn er nicht zum Lügner werden will (26 1-4 27 1-6.11-12). Eliphas, dessen Rede vollständig erhalten ist, geht dagegen zur unverhüllten Beschuldigung Hiobs als eines Frevlers über und sieht einen Ausweg nur in radikaler Umkehr (22). Die Einleitung der Antwort Bildads (25 1-6) läßt vermuten, daß die beiden anderen Freunde sich ähnlich geäußert haben. Nunmehr ist die unmittelbare Auseinandersetzung zwischen Hiob und Gott ausreichend vorbereitet. Nach einem Blick auf das Einst und Jetzt seines Lebens (29-30) spricht Hiob den schon vorbereiteten Eid zum Erweis seiner Unschuld und sucht Gott zur persönlichen Begegnung zu bewegen (31). Dies Bemühen ruft tatsächlich das Erscheinen Gottes hervor. Aber er naht, um Hiob das Unsinnige seines Verhaltens vor Augen zu führen, indem er ihm die Weltordnung aufzeigt und ihn auf die zahlreichen Beispiele hinweist, die Einsicht und Können des Menschen bei weitem übersteigen (38-39). Wollte Hiob recht behalten, so müßte er wie Gott selber sein und herrschen (40 2.6-14) - und dann freilich sich als denjenigen, der Gott gleich sein will, sogleich selbst richten. Angesichts dessen erklärt Hiob seinen Verzicht und findet die Lösung aller Fragen in der durch die persönliche Begegnung gegründeten Gottesgemeinschaft (40 3-5 42 1-6).

62

Form und Funktion in der Hiobdichtung

Dieser klare Aufbau der Hiobdichtung ist um so erstaunlicher, als dem Dichter im Hebräischen nur begrenzte Stil- und Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung standen. Er hat sein Ziel besonders dank dreier Methoden erreicht, deren er sich mit großem Geschick bedient hat. Ausdrucksmäßig verwendet er eine überaus vielfältige Bildsprache, die er durch die umfangreiche Einbeziehung des Bildungsgutes der übrigen altorientalischen Weisheitslehre bereichert; offensichtlich schreibt er als Gebildeter für Gebildete. Ferner zeigt die formkritische Untersuchung, daß die Reden der Hiobdichtung nach dem Grundsatz der Gattungsmischung komponiert sind. Der Dichter hat die Redeformen in einer sehr mannigfaltigen und bunten Weise den Bereichen der Weisheitslehre 5 , des Rechtslebens 6 und der Psalmen 7 entnommen. Schließlich läßt sich eine dritte Methode feststellen: Der Hiobdichter vergrößert den Anwendungsbereich der Redeformen, indem er sie in einer anderen als ihrer eigentlichen Funktion verwendet. In dieser dritten Methode stoßen wir auf eine Erscheinung, die nicht nur beim Hiobdichter, sondern auch sonst im Alten Testament oft zu beobachten ist. Sie macht deutlich, daß die herkömmliche Art der formkritischen Untersuchung vielfach nur einen Teil ihrer Aufgabe löst und erweitert werden muß. Mit der Bestimmung der jeweiligen Gattung und ihres »Sitzes im Leben« ist oft erst die Hälfte der Arbeit getan. Hinzutreten muß die Frage nach dem »Sitz im Buch«: die Bestimmung der Funktion, die der verwendeten Form in ihrem jeweiligen Zusammenhang zugeteilt worden ist. Die Hiobdichtung bietet eine Reihe treffender Beispiele für die Doppelheit von Form und Funktion und für die verschiedene Art der Differenzierung. II. Die Verwendung einiger Formen in einer anderen Funktion, als sie dem Sitz im Leben entspricht, geht nicht auf den Hiobdichter zurück. Vielmehr ist die abweichende Funktion manchen Formen fast inhärent, so daß beide als Einheit begegnen können. Zu den Argumenten, die in der Auseinandersetzung zwischen Vgl. H. Gunkel, Hiob, R G G 2 , 1929, II; O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 1956, 575 f.; H. Richter, Die Naturweisheit des Alten Testaments im Buche Hiob, ZAW 1958, 1-20. ' Vgl. L. Köhler, Die hebräische Rechtsgemeinde, 1931 (Der hebräische Mensch, 1953, 143-171); H. Richter, Studien zu Hiob, Diss. Leipzig 1955; für die Rechtssprache im einzelnen L. Köhler, Deuterojesaja stilkritisch untersucht, 1923, 10-120; B. Gemser, T h e rib- or controversy-pattern in Hebrew mentality, V T Suppl. III, 1955, 120-137. 7 Nach P. Volz, Das Buch Hiob, 1921; A. Bentzen, Introduction to the Old Testament, 1952, vor allem C. Westermann, Der Aufbau des Buches Hiob, 1956. 5

Form und Funktion in der Hiobdichtung

63

Hiob und seinen Freunden eine Rolle spielen, gehören die Motive vom Ende des Frevlers und vom Glück des Frommen. Ihr Sitz im Leben ist die Weisheitslehre, in der sie der Belehrung über die der Welt innewohnende Ordnung dienen 8 . So zeigen es die Worte des Eliphas, der Hiob in 15 20-35 über das Ende des Frevlers belehren will und sich auf die eigene Erfahrung und die Väterüberlieferung als die beiden Quellen der Weisheit beruft: Ich will dich unterrichten, hör mir zu! Und was ich geschaut habe, will ich erzählen, was die Weisen berichten und was 'ihnen ihre Väter' nicht 'verhehlt habend 15 17-18).

Von da aus sind die Motive in die Psalmdichtung übernommen worden; in ihr werden sie freilich nicht in gleichmäßiger Gegenüberstellung gebraucht. Während für das Buch Proverbia eben diese Gegenüberstellung bezeichnend ist, findet sich das Motiv vom Ende des Frevlers vornehmlich in den Klagepsalmen 10 , dasjenige vom Glück des Frommen dagegen in Vertrauens- und Segensliedern (Ps 1.91.128). Der Hiobdichter hat offensichtlich aus beiden Traditionen geschöpft. Er benutzt nicht nur ganze Weisheitsgedichte über das Ende des Frevlers (18 5-21 20 4 - 2 9 ) und das Glück des Frommen (21 7-13 29 7 - 1 7 . 2 1 - 2 5 ) , auf die in anderem Zusammenhang einzugehen ist, sondern stellt auch wie in Proverbia den Frevler und den Frommen einander gegenüber (4 7 und 8-11; 5 2-7 und 8ff.; 8 5-7 und 8ff.; 11 17-19 und 20). Ein Unterschied besteht darin, daß an die Stelle des Nebeneinander in einem Spruchsatz die unmittelbare Aufeinanderfolge in einer Rede tritt; dies ist in der poetischen Diktion begründet, die die beiden Motive ausführlicher behandelt. Daneben zeigt der Hiobdichter den Einfluß der Psalmdichtung. Während 4 8-9, in denen der Weise sich auf die eigene Erfahrung beruft, der Weisheitslehre entstammen, gehen 4 10—11 auf die Psalmentradition zurück. In 11 10 ist nach der Ausdrucksweise nur psalmenartiges Material verwendet worden. Nun ist dem Motiv vom Ende des Frevlers weithin die Funktion der Warnung, dem Motiv vom Glück des Frommen die Funktion der Mahnung inhärent, obwohl sie eigentlich nur belehren sollten. Diese Sachlage gilt auch für die Hiobdichtung. Wenn Eliphas in 5 6-11 und Bildad in 8 21 f. das Doppelmotiv gebrauchen, dient es der Warnung und Mahnung Hiobs. Durch den Hinweis auf das Ende des Frevlers soll er sich warnen und durch das lockende Bild vom Glück des From8

9 10

Zu dieser Auffassung der Weisheitslehre vgl. H. Gese, Lehre und Wirklichkeit in der alten Weisheit, 1958. In v. 18 ist statt »die vor ihren Vätern . . . verhehlt haben« zu lesen ki/r'dûm '«bôtam, Vgl. im einzelnen C. Westermann a.a.O. 66-72.

64

Form und Funktion in der Hiobdichtung

men sich zum rechten Verhalten mahnen lassen. Genauso besitzen die Einzelausführungen über das Ende des Frevlers in 4 7-11 5 1-5 und 8 11-19 die Funktion der Warnung, diejenigen über das Glück des Frommen in 8 5-7 und 11 13-16 die Funktion der Mahnung. Der mahnende Charakter wird dadurch unterstrichen, daß die beiden Stellen ausdrücklich als Bedingungssätze gehalten sind, wobei die als Bedingung genannte Hinwendung zu Gott teils auf die Prophetie (zu 8 5a vgl. Am 5 4-6 5 14-16 Hos 6 3), teils auf die Klagepsalmen (zu 8 5b vgl. Ps 88 io 143 6) zurückgeht: Wenn du selbst " nach Gott suchst und zum Allmächtigen (um Gnade) flehst, " ja dann wird er sich deinetwegen regen und deine Stätte wiederherstellen, wie es recht ist. D a n n würde dein A n f a n g klein sein, dein Ende aber herrlich groß 1 1 (8 5-7).

III. In mehreren Fällen hat der Hiobdichter den von ihm verwendeten Formen dadurch eine von ihrem Sitz im Leben abweichende Funktion gegeben, daß er äußerlich erkennbare Änderungen vornahm. Zunächst findet sich dergleichen bei den Motiven vom Ende des Frevlers und vom Glück des Frommen. Für Hiob erhebt sich angesichts des Vergeltungsglaubens der Freunde die Frage, wie oft denn den Frevler das angeblich verdiente Ende trifft. Er geht in 21 17-18 einerseits von den Behauptungen Bildads aus, daß Licht und Leuchte des Frevlers erlöschen (18 5 f.) und das Unglück zu seinem Sturz bereitsteht (18 12), andererseits von dem auch der Lebensweisheit geläufigen und nun poetisch abgewandelten Bild der Spreu vor dem Winde. Aber er setzt alles in verneinend zu beantwortende Fragen um, so daß er die Aussagen bestreitet: Wie und sind und

o f t erlischt die Leuchte der Frevler kommt ihr Unglück über sie " ?, sie wie Häcksel vor dem Winde wie Spreu, die der Sturmwind fortträgt 1 2 ? (21 17-18).

Eliphas verwendet in 22 15-16 eine Weisheitssentenz, die eine Belehrung über die Frevler enthält: Seit jeher machen sie sich die altgewohnte frevlerische Art zu eigen, werden aber zur Strafe von einem vorzeitigen 11

12

In v. 5 ist »nach« zu tilgen, da das Verb den Akkusativ nach sich zieht. Am A n f a n g von v. 6 ist »Wenn du lauter und redlich bist« als deutende Glosse zu v. 5 zu tilgen. In v. 17 ist »verteilt der Verderben in seinem Zorn?« als erläuternde Glosse zu v. 1 7 a zu tilgen.

Form und Funktion in der Hiobdichtung

65

Tod gepackt, indem die Grundlagen ihrer Existenz wie das Fundament eines Hauses weggeschwemmt werden. Diese Sentenz ist in die Form einer an Hiob gerichteten Frage umgewandelt und wird dadurch aus einer Belehrung zur Warnung. Dem Hauptteil der ersten Herausforderungsrede in 29 7 - 1 0 . 2 1 - 2 5 . 1 1 - 1 7 1 3 liegt eine ausführliche Schilderung des Segens und Erfolges des Frommen zugrunde. Sie ist nicht aus Einzelsprüchen zusammengesetzt, sondern als ganze komponiert und bildet ein Gegenstück zu den Weisheitsgedichten über das Ende des Frevlers in 18 5-21 und 20 4-29. In 29 1 wird die Rede geradezu als »Weisheitsspruch« bezeichnet wie das Weisheitslied Ps 49 5 (vgl. Ps 78 2)14. Jedoch hat der Hiobdichter es in die Vergangenheit umgesetzt, so daß es rückblickend das einstige und jetzt vergangene und nicht mehr das gegenwärtige oder verheißene Glück darstellt. Ferner spricht es nicht mehr in der 3. Person über den Frommen, sondern dieser selbst redet von sich in der 1. Person. Einen noch krasseren Erfolg hat eine kleine Änderung in 21 7-13 gezeitigt, in denen Hiob das Glück des Frevlers schildern will. In diesen Versen liegt die Parodie eines Weisheitsliedes vor, das das Glück des Frommen beschrieben hat: umrahmend sein langes Leben und seine Kraft (v. 7) sowie sein glückliches Leben und seinen ruhigen Tod (v. 13), innerhalb des Rahmens seine Nachkommen (v. 8), seine Wohnstätte (v. 9), seinen Besitz (v. 10), die Fröhlichkeit der Kinder (v. ll) und der Erwachsenen (v. 12). Durch die ausdrückliche Einführung des Frevlers in v. 7 wurde das Ganze parodistisch umgekehrt. Dabei konnte der Hiobdichter an die Klage mancher Psalmen, besonders der Weisheitslieder, über das Glück des Frevlers anknüpfen (Ps 10 5 f. 73 3-9; vgl. 17 14b 49 7 52 9b); sie bot den Ansatzpunkt für die Änderung. An einer Stelle erhält die Form der Klage durch einen äußeren Eingriff eine andere Funktion. In 10 18-19 nimmt Hiob die Klage aus Kap. 3 auf; der dort geäußerte Wunsch nach dem Nichtlebenmüssen klingt nach (3 3ff., verstärkt zum Todeswunsch in 6 8ff. 7 15). Aber die Klage wird in eine Warum-Frage und damit in eine ausdrückliche Anklage Gottes umgewandelt:

13

14

D e r Platz von v. 21-25 ist hinter v. jq, da v. 7-10 Hiobs Eintritt in die Gemeindeversammlung und v. 21-25 s e ' n Reden und dessen W i r k u n g schildern. Eine eingehende Beg r ü n d u n g bietet K. Budde, Das Buch H i o b , 1913, 173. Die Herleitung aus dem »Rückblick auf Gottes früheres Heilshandeln« in den Volksklageliedern durch C. Westermann a.a.O. 34f. ist zu gezwungen und unwahrscheinlich. Es geht in der Hiobrede nicht um das Volk, sondern um den einzelnen und nicht um das f r ü h e r e Heilshandeln Gottes, sondern um das f r ü h e r e glückliche Dasein des Menschen.

66

F o r m u n d F u n k t i o n in d e r H i o b d i c h t u n g

W a r u m brachtest du mich aus dem Mutterleib hervor? W ä r e ich ( d o c h ) v e r s c h i e d e n , d a ß m i c h k e i n A u g e s a h ! I c h w ä r e , w i e w e n n ich g a r nicht g e w e s e n w ä r e , v o m M u t t e r l e i b ins G r a b g e b r a c h t (10 18-19).

In der ersten Antwort Zophars werden in 11 7-9 hymnische Formen verwendet. Der Hymnus pries die Erhabenheit Gottes, dessen Tiefen der Mensch nicht ergründen und zu dessen Letztem er nicht vordringen kann, weil sein Wesen und Sein die Maße der einzelnen Teile der Welt bei weitem überschreiten; kann der Mensch diese nicht erfassen, so erst recht nicht Gott. Der Hiobdichter hat diese hymnischen Formen so weit als Verhörfragen vor Gericht umgebildet, daß das Ganze die Funktion einer Zurechtweisung Hiobs erhält. Wenn er sein Leid auf Gottes willkürliche Machtausübung und Feindschaft zurückführt, soll er bedenken, daß Gottes Wesen für ihn als Menschen unergründlich ist. Eine gleichartige Umbildung eines hymnisch-mythischen Satzes wird Hiob in den Mund gelegt: B i n ich d a s M e e r o d e r d e r S e e d r a c h e , d a ß d u eine W a c h e g e g e n m i c h a u f s t e l l s t ? (7 12).

IV. Am häufigsten erhalten die Redeformen durch den sachlichen Zusammenhang, in dem sie gebraucht werden, eine andere Funktion, als es ihrem Sitz im Leben entspricht. Dies geschieht auf verschiedene Art und Weise. 1. Die Redeform wird auf ein anderes Lebensgebiet übertragen. So verwende! die Hiobrede in 2 1 2 3 - 2 6 eine Sentenz über das Sterben. Sie hat nicht vom Frevler und Frommen, sondern vom Glücklichen und Unglücklichen gehandelt, die mit jenen beiden nicht gleichgesetzt sind. Ebensowenig sprach sie vom vorzeitigen Tod als Strafe oder vom Sterben in Alter und Lebenssattheit als Lohn. Vielmehr lag der Nachdruck darauf, daß das Sterben alles vereint: M i t e i n a n d e r l i e g e n sie i m S t a u b , u n d M a d e n d e c k e n sie ( b e i d e ) z u (21 26).

In der Hiobrede sollen die Verse im Zusammenhang des Abschnittes 21 14-26 etwas anderes besagen: Der Frevler kann ausgesprochen gottlos sein und bleibt doch unbestraft (v. 1 4 - 1 8 ) , obwohl ihn selbst und nicht etwa seine Nachkommen die Strafe treffen müßte (v. 1 9 - 2 2 ) . Wenn er aber stirbt, ist der Tod für ihn keine Strafe, weil er Glückliche und Unglückliche gleichermaßen ereilt (v. 2 3 - 2 6 ) . So soll die verwendete Sentenz die von den Freunden vertretene Auffassung des Todes als Strafe ablehnen.

Form und Funktion in der Hiobdichtung

67

Vor allem die in der Hiobdichtung vielfach vertretenen Redeformen des Rechtslebens erhalten neue Funktionen mittels Übertragung auf ein anderes Lebensgebiet. So vollzieht sich die Auseinandersetzung zwischen Hiob und seinen Freunden weithin unter Verwendung von Rechtsformen, obwohl kein Prozeß und Gerichtsverfahren stattfindet. Die Formen erhalten, da Hiob die seiner Ansicht nach falsche Belehrung der Freunde ablehnt, vielmehr die Funktion einer Bestreitung falscher Lebensregeln. Das gilt für die Verhörfragen in 6 2 2 - 2 3 , die in 6 24 an den Gegner gerichtete Aufforderung, Besseres zu reden, und den in 6 26.29 enthaltenen Vorhalt, wie er sich eigentlich benehmen solle. Er wird in 12 2-3 wegen seiner Ratschläge verhöhnt, während der Redner die eigenen Vorzüge herausstreicht; dabei zeigen die Ausdrücke »Weisheit« und »Verstand«, daß es sich wirklich um die Ablehnung weiser Lebensregeln handelt. Ähnliche Ausdrücke finden sich in 13 4-12, die ebenfalls aus Rechtsformen in der Funktion der Ablehnung von Lebensregeln bestehen: aus der Beschimpfung des Gegners (v. 4), der an ihn gerichteten Aufforderung zum Stillschweigen (v. 5) und seiner Herausforderung (v. 6), den Verhörfragen (v. 7-9), dem Hinweis auf die Zurechtweisung durch den Richter (v. 10) und der Beurteilung der gegnerischen Reden als ungenügend (v. 12). Nachdem sich die Auseinandersetzung verschärft hat, wirft Hiob den Freunden das Quälen und Beschimpfen des anderen als Vergehen im Rechtsstreit selber vor (19 2-3) und spricht ihnen das Recht ab, sich als Richter aufzuspielen (19 4). Die Rechtsformen sollen also die Freunde abwehren, die Hiob mit ihren Lehren bedrängen und indirekt als Sünder beschuldigen. Daher warnt er sie in 19 28-29 schließlich vor der Verfolgung des Unschuldigen mit der Drohung, daß es einen Richter gibt, der derartige Ubergriffe ahndet. Umgekehrt finden sich Rechtsformen in den Freundesreden. So verhält es sich in der Einleitung der Bildadrede in 8 2-4. Der Gegner wird wegen seines langen Redens getadelt und verhöhnt (v. 2) und seiner Ansicht die Gegenthese in Form der Verhörfrage gegenübergestellt (v. 3), danach ein beispielhafter Beweis durch Schuldfeststellung angeschlossen (v. 4). Mit einem entsprechenden Tadel beginnt Zophar in 11 2-3. Dann zitiert er in 11 4 eine Behauptung Hiobs, die widerlegt werden soll; zunächst findet nur die Beweisaufnahme statt, die den Tatbestand der belastenden Aussage festhalten soll. Die zweite Antwortrede Bildads verwendet in 18 2-4 nochmals Rechtsformen. Bildad fordert seine Partner auf, die bisherige Zurückhaltung fallenzulassen (v. 2), und verwahrt sich gegen ihre beleidigende Behandlung durch Hiob (v. 3). An diesen richtete er die Frage, ob er durch das Beharren auf seiner Ansicht den Zusammenbruch der Welt- und Rechtsordnung herbeiführen wolle (v. 4). Abgesehen vom Aufstacheln der Freunde in 18 2-3 haben die Rechtsformen in den Freundesreden also die Funktion, das

68

Form und Funktion in der Hiobdichtung

Verhalten Hiobs als falsch abzulehnen und demgegenüber die eigene Lehre mit allem Nachdruck einzuführen. Außerdem begegnen Rechtsformen in der Auseinandersetzung zwischen Hiob und Gott. In den Hiobreden erfüllen sie eine dreifache Funktion. Einmal dienen verschiedene Rechtsformen der Anklage Gottes wegen eines feindseligen Verhaltens gegen Hiob (9 2 f. 14-16.19-21.22.24.28b 1 0 4-7.14-15.17): Wenn ich fehlte, wolltest du mich in Haft halten und mich von meiner Sünde nicht für straffrei erklären. Wenn ich schuldig wäre, wehe mir! Und wäre ich im Recht, dürfte ich (doch) mein Haupt nicht erheben! (10 14-15).

Ferner verteidigt Hiob mittels solcher Formen seinen eigenen Standpunkt und sucht ihn als richtig zu erweisen (13 3 16 8 27 3-4): Solange noch Atem in mir ist und Gottes Hauch in meiner Nase, sollen meine Lippen nichts Schlechtes reden und meine Zunge keinen Trug sprechen! (27 3^t).

Und schließlich drücken die Rechtsformen den Wunsch oder das Verlangen nach einem baldigen Eingreifen Gottes in Hiobs notvolles Leben aus. Diese Funktion erhalten nicht nur die Herausforderung zum Rechtsstreit (13 13-28), der Appell an den Rächer und Rechtshelfer (16 19-22) und den Schutzzeugen und Anwalt (19 25), sondern sogar der Klageruf des unschuldig Getöteten (16 18) und Elemente des Pfandrechts (17 3): O Erde, decke mein Blut nicht zu! Und ohne Ruhestätte sei mein Klageschrei! (16 18). Hinterlege doch 'ein Pfand für mich' bei dir! Wer sonst 'gäbe' mir den Handschlag 15 ? (17 3).

Wiederum verwendet umgekehrt die Gottesrede einige Rechtsformen, um Hiob das Unsinnige seines Verhaltens vor Augen zu führen. Einleitend enthält sie in 38 2-3 den Verweis des einsichtslosen Gegners und die Vorladung zwecks Beibringen der im Folgenden aufgezählten Beweismöglichkeiten. Dabei zeigt die Wortwahl, daß es nicht um Rechts-, sondern um Lebensfragen geht. Ebenso beginnt der Schlußabschnitt in 40 2.8 mit Verweisen, die überwiegend in Frageform gehalten sind und dem Rechtsgegner nahelegen, auf die Fortführung des Streits zu verzichten; sie haben also die Funktion, Hiob zur Unterwerfung unter Gott aufzufordern.

15

Statt »sei mein Bürge« ist zu lesen 'er*bon¡ und statt des Niphal wie bei den sonstigen Vorkommen' jitqâ.

Form und Funktion in der Hiobdichtung

69

2. Die Redeform wird gegenüber ihrem Sitz im Leben ins Gegenteil verkehrt. Ohne die ausdrückliche Änderung von 21 7-13 werden in 21 32-33 Worte über das ruhige und ehrenvolle Ende des Frommen einfach durch den Zusammenhang, in den sie gestellt sind, parodistisch auf das glückliche Ende des Frevlers bezogen. Besonders häufig findet sich solche Verkehrung bei den Formen der Klage. Im Gegensatz zu den Psalmen zielt sie in 3 11-13.21 f. und 6 8-10 nicht auf eine Besserung der Situation des Klagenden ab, sondern beklagt, daß der Tod nicht eingetreten ist, und stellt eine unausgesprochene Bitte um ihn dar. Aus dem Wunsch nach Heilung wird der Todeswunsch: Erstickt zu werden, wäre mir das Liebste; lieber den Tod als meine starken Leiden! (7 15).

Die Klage soll in 6 11-13 nicht auf die Dringlichkeit der Hilfe hinweisen, sondern gerade die völlige Hoffnungslosigkeit ausdrücken. Daher motiviert sie nicht eine Bitte um Rettung durch Gott, sondern bezieht Hiobs Leid in das Elend des Menschenlebens überhaupt ein (7 3), bildet den Ausgangspunkt für die Schilderung des unausweichlichen Endes (7 5-8) und zeigt die Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit der Lage (9 25-26 17 11-16). Im Gegensatz zum Klagelied wegen Krankheit ist sie nicht mit einem Sündenbekenntnis, sondern mit einer Unschuldsbeteuerung verbunden (30 2 5 - 2 6 ) . Mit der Verkehrung ins Gegenteil hängt es zusammen, daß aus der an Gott gerichteten Klage eine Klage über Gott wird (3 20-23). So erhält die Klage die weitere Funktion, der Ableitung der Anklage Gottes zu dienen (7 9-11 9 l) oder geradezu als solche Anklage verwendet zu werden (7 13-14). Ähnliches gilt für die mit der Klage verbundene Bitte, die gern mit »gedenke« eingeleitet wird (vgl. Jdc 16 28 II Reg 20 3 Ps 74 2 89 51 103 14 106 4 111 49 132 l 137 7); »gedenkt« Gott nämlich des Menschen, so ist das Gebet erhört und die Wendung der Not eingeleitet. Bei Hiob aber erhält die solchermaßen formulierte Bitte in 7 7-8 wenigstens teilweise die Funktion der Anklage. Noch andere Elemente der Klage werden ins Gegenteil gewendet. Wenn Hiob in 3 3-10 Empfängnisnacht und Geburtstag wie persönliche Feinde verwünscht, hat dies die Funktion einer Selbstverwünschung. Ferner wird die Klage über die Feinde zu derjenigen über die Freunde benutzt; die Freunde, die sich als treulos erwiesen haben, nehmen die Stelle der Feinde ein. So verhält es sich nach 6 15-21 und 19 22. Diese Abwandlung findet sich schon in den Psalmen (Ps 31 12 38 1241 10 55 13-15 69 9 - 1 2 88 9.19), wobei die bisherige Liebe und Freundschaft des Klagenden zu den nunmehrigen Feinden betont wird (z.B. Ps 109 4). Der Hiobdichter drückt die veränderte Funktion der Klage zugleich in der Bildsprache aus, indem er im Anschluß an Jer 15 18 das Bild vom

70

Form und Funktion in der Hiobdichtung

Trugbach aufgreift und in 6 15-21 nach zwei Seiten hin auswertet. Er faßt zusammen: 'So' seid ihr jetzt 'für mich' geworden: Ihr seht den Schrecken und fürchtet euch 1 6 (6 21).

Außerdem wird die Klage über die Feinde, gegen die man sonst Gott zu Hilfe ruft, zur Anklage Gottes selbst verkehrt. Erhält in 16 9a die Klage über den bedrängenden Feind unter dem Bild des Raubtiers die Funktion einer solchen Anklage, so in 16 12-14 die ausführliche Schilderung des Angreifers unter den drei Bildern des die Kinder zerschmetternden Eroberers (v. 12a, vgl. Ps. 137 9), des tödliche Geschosse versendenden Bogenschützen (v. I 2 b - 1 3 , vgl. T h r 3 12 f.) und des eine befestigte Stadt bestürmenden feindlichen Heeres (v. 14). Ebenso wird die Klage über den Feind als Fallensteller in 19 6b zur Anklage, während 19 9-12 in engem Anschluß an Threni die zur Anklage Gottes verkehrte Klage über den irdischen Feind wieder mit Vorstellungen aus dem Kriegsleben formulieren. Gleiches gilt f ü r die Anklage wegen der gegen H i o b losgelassenen Krankheitsdämonen in 30 12-14: 'Gegen mich' erhebt sich die Brut " und schüttet ihre Unglücksdämme " auf. Sie reißen meine Pfade auf, helfen zu meinem Verderben, ohne d a ß jemand 'sie abhält'. Wie durch eine breite Bresche kommen sie, unter Unheil wälzen sie sich einher 1 7 .

Nicht einmal der doch eigentlich genau festgelegte Hymnus ist von solcher Verkehrung ausgenommen. In 3 17-19 feiern hymnische Sätze die Unterwelt an Stelle Gottes. In 7 17-18 nimmt der Hiobdichter das hymnische Motiv von Ps 8 5 und 144 3 auf; doch rühmt er nicht die Fürsorge Gottes an dem kleinen und von ihm abhängigen Menschen, sondern möchte umgekehrt aus dem Abstand zwischen beiden ableiten, daß Gott sich um den Menschen nicht kümmern, ihn für sein Tun und Lassen nicht zur Verantwortung ziehen und nicht auf Herz und Nieren prüfen sollte. Dabei gebraucht er das gleiche Verb pqd, das in Ps 8 5 die Sorge um den Menschen bezeichnet, in der Bedeutung »zur Verantwortung ziehen«:

16

17

Statt »denn« ist zu lesen ken und statt Qere »für ihn« (Ketib sogar »nicht«) das sachlich erforderliche lt. In v. 12 ist 'aläj statt »zur Rechten« zu lesen; »meine Füße lassen sie los« ist als variierende Glosse zu v. JUJ und »gegen mich« als dittographische Glosse zu tilgen. In v. 13 ist 'oser statt »hilft« zu lesen.

Form u n d Funktion in der H i o b d i c h t u n g

71

Was ist der M e n s c h , d a ß du ihn g r o ß ziehst u n d deine A u f m e r k s a m k e i t auf ihn richtest, d a ß du ihn M o r g e n f ü r M o r g e n z u r V e r a n t w o r t u n g ziehst, ihn immer wieder auf die P r o b e stellst? (7 17-18).

Schließlich erhalten hymnische Sätze die Funktion, eine Klage oder Anklage zu erheben wie in 9 12-13 10 8 - 1 2 . 1 3 - 1 7 und 23 13: W e n n er h i n w e g r a f f t , w e r kann ihm wehren, w e r d ü r f t e ihm sagen: Was tust du da? G o t t b r a u c h t seinen Z o r n nicht zu w e n d e n ; u n t e r ihm m u ß t e n sich die H e l f e r der R a h a b ducken (9

12-13).

3. Die Redeform erhält eine belehrende oder paränetische Abzweckung. Für das nächtliche Erlebnis des Eliphas hat der Hiobdichter in 4 12-16 einen Bericht über den Zustand eines Offenbarungsempfängers vor und während der Audition verwendet. Ursprünglich stammt das Formelement aus den entsprechenden Berichten der Prophetie; die Weisheitslehre kennt aber schon früh die entsprechende Vorstellung einer Begabung des Weisen mit besonderen Einsichten, die von Fall zu Fall erfolgt. Um ein solches Erlebnis und nicht um einen Traum handelt es sich angeblich bei Eliphas. Doch zeigen Form und Inhalt der Audition selbst ausschließlich die Merkmale der Weisheitslehre (4 1 7 - 2 1 ) . Die vorhergehende Beschreibung soll also eigentlich nicht die Vermittlung einer Offenbarung einleiten, sondern hat die Funktion, auf die besondere Bedeutung der Belehrung hinzuweisen, mit der Eliphas den Schlüssel zum Verständnis der Leiden Hiobs liefern will. Der in 22 19-20 enthaltene Hinweis auf den Triumph der Gerechten ist an sich ein Teil des Dankliedes der Psalmenbeter (vgl. Ps 52 8 58 11 69 33 107 42). Aber in der Rede des Eliphas, der Hiob schwerer Sünden beschuldigt, dient er funktionell zur Verstärkung der an den Sünder gerichteten Warnung. Läßt er sich nicht warnen, so werden die Gerechten auch über ihn triumphieren. Achtet er auf die Warnung und kehrt um, so kann er neues Heil erhoffen. Dies wird in 22 27 mit Formen der Bitte und des Dankes aus den Psalmen ausgedrückt (vgl. Ps 22 26 61 6.9); sie erhalten die Funktion einer Verheißung, die die vorhergehende Mahnung unterstützen soll. Gleiche Funktionen erhalten die Hymnensätze in 5 9.11.12-16. Ihrer eigentlichen Aufgabe - dem Lobpreis Gottes - sind sie entfremdet 18 . Sie sollen vielmehr Hiob mahnen und warnen, indem sein Blick auf das wunderbare Handeln Gottes im Menschenleben gerichtet wird,

18

Die V e r w e n d u n g des H y m n u s in paränetischer Absicht ist schon in der ägyptischen Weisheitslehre zu beobachten, wie die Lehre f ü r den K ö n i g M e r i - k a - r e zeigt (vgl. A. E r m a n , Die Literatur der Ägypter, 1923, 118 f.).

72

Form und Funktion in der Hiobdichtung

der Großes tut, und zwar unerforschlich, Wunderdinge ohne Zahl, indem er Niedrige hoch stellt und Trauernde großes Glück finden (5 9.11).

Schließlich bedient sich die Gottesrede in 40 9-14 des Hymnus. Der Lobpreis Gottes erhält in dessen eigenem Mund die Funktion, den Menschen ironisch aufzufordern, sich wie Gott zu rüsten, an seiner Stelle das Weltregiment auszuüben und zu tun, was er am Handeln Gottes vermißt hat. Damit wird der Hymnus zugleich zur Warnung vor dem gottlosen Bestreben, Gott gleich zu sein. 4. Redeformen der Weisheitslehre werden aktualisiert. Dem Doppelmotiv vom Ende des Frevlers und Glück des Frommen liegt in 11 17-20 anscheinend das Schema der zwei Wege zugrunde; daher ist von den Frevlern allgemein die Rede, nicht aber wie in 8 22 von den Feinden Hiobs. Dem verheißungsvollen Ausblick auf das Glück des Frommen, das sachlich die vorhergehende Mahnung (11 13-16) voraussetzt, steht der warnende Hinweis auf die hoffnungslose Lage des Frevlers gegenüber. Die Aktualisierung erfolgt darin, daß dem Hiob beide Wege wie zur Wahl vorgehalten werden - natürlich mit der stillschweigenden Empfehlung, den glückhaften Weg zu gehen. Ebenso wird die ausdrücklich als Belehrung eingeführte Schilderung vom Ende des Frevlers in 15 17-35 aktualisiert. Denn sie soll das Leid Hiobs als dasjenige eines Frevlers erklären (v. 2 0 - 2 5 ) , durch die Begründung des Leides aus dem Verhalten des Menschen den Hiob indirekt des frevlerischen Tuns beschuldigen (v. 26-28) und ihn vor dem drohenden schlimmen Ende warnen (v. 2 9 - 3 5 ) . Die Funktion der indirekten Beschuldigung Hiobs haben auch die beiden Redeteile in 18 5-21 und 20 4-29 erhalten. Sie beschreiben ausführlich das Geschick des Frevlers und gehören zur Gattung des Weisheitsgedichts, die die Weisen »als Ausdruck ihrer Empfindungen, Erwägungen, Mahnungen und Warnungen benutzt haben« 19 . Beiden gehen nur drei bzw. zwei einleitende Verse vorauf, die deutlich die neue Funktion der Weisheitsgedichte erkennen lassen. Ein verwickelter Vorgang liegt der Eliphasrede in 22 6-11 zugrunde. In 22 6-9 wird Hiob verschiedener Vergehen gegen die Mitmenschen beschuldigt, obwohl er sie nach den Worten des gleichen Eli19

O. Eißfeldt a.a.O. 146. Dabei läßt sich an 20 4 _ 2 9 die Entstehung des Weisheitsgedichts aus einzelnen Sprüchen oder Spruchgruppen erfassen. Mehrfach sind ursprünglich selbständige Weisheitssprüche zu erkennen, die nicht ganz in den Zusammenhang eingeschmolzen sind (v. 10.1624-25)· Die Schilderung bildet noch keine geschlossene und zusammenhängende Komposition. Die Aufeinanderfolge der Strophen ist willkürlicher und der Gesamteindruck uneinheitlicher als in 18 5 _ 2I .

Form und Funktion in der Hiobdichtung

73

phas in 4 3-4 nicht begangen haben könnte. Daß sie ihm nunmehr zugeschrieben werden, hat seinen Grund in der Behauptung, daß er ein Frevler sei. Die Vergehen selbst werden nicht aufgrund wirklicher Beobachtung, sondern an Hand der Tradition aufgezählt. Es sind die Vergehen, die in den prophetischen Schuldaufweisen gerügt werden, so daß in 22 6-9 ein Schuldaufweis gegen einen einzelnen vorliegt. Ihm folgt in 22 10-11 eine entsprechende Unheilsankündigung, die Bilder und Ausdrücke aus früheren Reden verwendet (3 23.25 6 3 7 14 18 5 f.8 ff. 19 6.8). Dennoch handelt es sich nicht um unmittelbare Übernahme aus der prophetischen Verkündigung. Denn das in 22 13-14 angeführte angebliche Zitat Hiobs ist sowohl in der prophetischen Kennzeichnung des Sünders beheimatet (vgl. Jes 29 15 Jer 23 23f. Ez 8 12) als auch in den von der Weisheitslehre bestimmten Psalmen zu finden (vgl. Ps 10 11 73 11 94 7). Gleiches gilt für den Schuldaufweis, wie Ps 94 6-7 zeigt. Daher scheinen die Redeformen der prophetischen Verkündigung nicht unmittelbar, sondern auf dem Umweg ihrer Aufnahme in die Weisheitslehre entnommen zu sein. Nunmehr erhalten sie in der aktualisierenden Anwendung auf Hiob eine neue Funktion. Der Schuldaufweis soll nicht wie sonst die erst zu erwartende Strafe begründen, sondern die bereits eingetretene Strafe erklären. Die Unheilsankündigung soll die Strafe nicht wie sonst erst für die Zukunft ankündigen, sondern die eingetretene Strafe als Folge der Sünde hinstellen. 5. Die Redeform erhält die Aufgabe, etwas anderes zu begründen. So erhält die Klage des Menschen, die eigentlich das helfende Eingreifen Gottes bezweckt, bei Hiob in 7 9-10 die Funktion, den in 7 11 folgenden Entschluß zur Anklage Gottes zu begründen. In 16 22 begründet die Klage die vorher erfolgte Anrufung Gottes als Rächer von Bluttat und Unrecht und in 17 1 die in 17 3 folgende, mit Formen des Pfandrechts ausgedrückte Bitte um sein Eingreifen: Denn (nur noch) wenige Jahre kommen, dann gehe ich den Weg ohne Wiederkehr (16 22).

Außerdem führt Hiob in 6 2-4 die Klage über die Schwere des Leides und das Verfolgtsein durch Gott im Sinne einer begründeten Entschuldigung für die leidenschaftliche Art seines Redens an und begründet in 9 4 seine Befürchtung über den erfolglosen Rechtsstreit mit Gott durch einen hymnisch gehaltenen Satz: Der klugen Sinnes und stark an Macht wer könnte ihm gegenüber halsstarrig sein und bliebe heil?

Schließlich wird in 15 7-8 der Mythos vom Urmenschen verwendet, um darauf in v. 9-10 die Beschuldigung Hiobs zu gründen.

74

Form und Funktion in der Hiobdichtung

V. Daß außer einzelnen Redeformen auch ganze Redeteile eine bestimmte Funktion ausüben sollen, zeigte sich bereits an den Weisheitsgedichten in 15 17-35 18 5-21 20 4-29 und 29 sowie an den drei Vorbereitungen des Reinigungseides in 21 6-34 23 2-12 und 27 2-6. Ein bezeichnendes Beispiel ist ferner die Klage Hiobs in 14 1-22; diese Schilderung des menschlichen Geschicks begründet die vorhergehende Herausforderung Gottes zum Rechtsstreit. 1. Der Reinigungseid in 31 1 - 3 4 . 3 8 - 4 0 verbindet zwei Formelemente. Hiob beweist seine Unschuld an Hand von zwölf Beispielen20. Da einerseits das erste in v. 1-4 eine abweichende Form aufweist und das letzte in v. 3 8 - 4 0 an seiner jetzigen Stelle fehl am Platze ist und auch bei der Umstellung an irgendeine andere Stelle nachhinkt, andererseits das zweite in v. 5 - 6 und das elfte in v. 3 3 - 3 4 einander in etwa entsprechen und den Rahmen für einen geschlossenen Zusammenhang bilden, hat der Dichter offenbar eine Zehnerreihe übernommen und zu einer Zwölferreihe erweitert. Derartige Reihen finden sich von den Lebensund Verhaltensregeln in apodiktischer Form 21 bis hin zu einer Art Beichtspiegel22 und künstlich entwickelten Reihen. Aufgrund dieser Vorbilder hat die Weisheitslehre entsprechende Belehrungen entwikkelt, denen die Reihe des Hiobdichters entnommen ist. Daraus erklären sich der verfeinerte, rein ethische Gehalt, der Übergang von den Tatzu den Gewissenssünden, die teilweise sehr ausführliche Einzelbehandlung und die häufigen Parallelen zur Weisheitsliteratur. Ferner hat die Art, in der Hiob die Vergehen begangen zu haben bestreitet, ihr Vorbild. Freilich ist weder an die negativen Konfessionen der ägyptischen Religion oder die babylonischen Beschwörungstexte der Serie Surpu noch an die kultische Vollkommenheitsaussage, negative Beichte oder Unschuldserklärung in den alttestamentlichen Gebeten der Angeklagten zu denken. Die auch sonst in der Hiobdichtung

20 21

22

Vgl. im einzelnen unten S. 78 ff. Eine ursprüngliche oder primäre Zehnerreihe liegt nur in Lev 18 7_i2.i4-i6 v o r ( v ê'· Κ. Elliger, Leviticus, 1965). Sekundär aus mehreren ursprünglichen Reihen erwachsen sind Ex 20j_ 1 7 und 34 1 4 _ 2 6 . Tertiäre Reihen sind die von Ex 20 bzw. 34 abhängigen D e kaloge in Lev 19 3 _i2 und Ex 23 1 0 _ 1 9 . Daneben finden sich Kurzreihen mit weniger als 10 Sätzen; sie stellen ebenfalls sekundäre oder tertiäre Reihen dar. In einem vierten Stadium sind in späterer Zeit weitere Reihen nach dem Muster der älteren künstlich gebildet worden wie der Dekalog in Lev 19 13 _ 18 , die in Ez 18 5 _ 9 verwendete priesterliche Tora, die die Zulassung zum Kultus regelnden Beichtspiegel, die in Jes 33 1 4 _ ) 6 Ps 15 und 243_£ benutzt worden sind, die in Hi 31 verwendete Belehrung der Lebensweisheit und die buntgemischten Nachahmungen in Ez 2 2 ^ ^ und N e h l O j ^ o Vgl. K. Galling, Der Beichtspiegel, Z A W 1929, 123-130.

Form und Funktion in der Hiobdichtung

75

stark vertretenen Rechtsformen legen die Herleitung vom Eid des Angeklagten vor der Rechtsgemeinde nahe 23 , der meist durch die bedingte Selbstverfluchung des Angeklagten dessen Schuldlosigkeit erweisen soll24. Beide Formelemente sind miteinander verbunden worden. Sie haben die unmittelbare Funktion, die anschließende Herausforderung Gottes und die Begegnung mit ihm zu begründen, und die mittelbare Funktion, die Verwirklichung des die Herausforderungsreden Hiobs beherrschenden Wunsches zu ermöglichen: Wäre ich doch wie in den früheren Monaten, wie in den Tagen, da Gott mich behütete! (29 2).

Die gleichen Funktionen haben 31 35-37, die von zwei Rechtsformen ausgehen: der Unterschrift (»Handzeichen«) unter den Unschuldserweis und dem Ordal als Gegenprobe zum Reinigungseid (v. 36). Insgesamt zielen die Herausforderungsreden (29-31) nicht auf ein kultisches Jhwh-Orakel ab, sondern richten eine rechtliche Herausforderung an Gott. Diese aber bezweckt nicht ein Gottesurteil, sondern wird in bildhafter Funktion verwendet, um den dringlichen Wunsch nach einer persönlichen Begegnung mit Gott auszudrücken. 2. Tatsächlich kommt die Begegnung in der Schilderung des Hiobdichters zustande, verläuft jedoch anders, als Hiob erwartet hat. Nach den Herausforderungsreden entspricht die Gottesrede formal dem in den Klagepsalmen nach der Klage ergehenden Jhwh-Orakel oder dem Gottesurteil im Gerichtsverfahren vor der Rechtsgemeinde. Aber im Unterschied zu beiden ist sie nicht eindeutig positiv oder negativ gehalten. Sie spricht weder ein vernichtendes Urteil aus, wie es nach der Lehre der Freunde zu gewärtigen wäre, noch eine verheißende Zusage, wie Hiob sie erhofft. Für sich genommen, stellt sie der Form nach eine Streitrede dar, wie Einleitung (38 2 - 3 ) und Schluß (40 2.6-14) zeigen. Ihrer Funktion nach ist sie jedoch eine große Frage an Hiob, die

23

24

D e r gerichtliche Reinigungseid des Angeklagten, nach dessen Ablegung er freigesprochen wurde, ist anscheinend schon dem Codex H a m m u r a b i § 103.106.107.249.266 bekannt. Er wird in Ex 2Z79¡ vorgeschrieben (vgl. auch I Reg 8 31 ff II Chr. 6 2 2f.)· Ein Beispiel aus dem 5. Jh. enthalten die Papyri von Elephantine, vgl. im einzelnen P. Volz, Ein Beitrag aus den Papyri von Elephantine zu H i o b Kap. 31, Z A W 1912, 126 f. Die Hiobrede weist drei Formen des Eides auf: 1. die Unschuldsbeteuerung durch Hinweis auf eine berit des Schwörenden, d. h. eine unbedingt einzuhaltende Verpflichtung in v. ]_4; 2. die bedingte Selbstverfluchung in der seltenen vollen Form mit verwünschendem Nachsatz in v. 5_23.38^to> teilweise abgewandelt ist (v. 13—14); 3. die bedingte Selbstverfluchung in der üblichen verkürzten Form o h n e Nachsatz, d . h . den eigentlichen Schwur in v. 24-34-

76

Form und Funktion in der Hiobdichtung

ungeachtet ihrer Einzelformen bis zum Schluß Frage bleibt. Sie verfolgt die Absicht, den Befragten seines Irrtums zu überführen, und stellt ihn vor die Aufgabe, seine falsche Haltung aufzugeben und eine richtigere einzunehmen. Daher soll der Mittelteil die Bedingungen und Beweismöglichkeiten für die etwaige Antwort des Befragten aufzählen. Zur Ausführung dessen bedient der Hiobdichter sich der Listenwissenschaft der Bildungsweisheit, mit der die Erforschung der unbelebten und belebten Natur und insbesondere die systematische Ordnung ihrer Erscheinungen beginnt 25 . Besteht die Absicht dieser Weisheit darin, in den Onomastika die dem menschlichen Verstehen zugänglichen und faßbaren Naturerscheinungen zu sammeln und dadurch zu bewältigen, so erhält sie in der Gottesrede die Funktion, Hiob auf all die Beispiele hinzuweisen, die die menschliche Einsicht und das menschliche Können gerade übersteigen 26 . 3. Schließlich entspricht das Bekenntnis Hiobs in 40 3-5 42 1-6 formal dem ursprünglichen dritten Teil des Klagepsalms, in dem der Beter nach Klage und positivem Orakel seinen Dank oder die Gewißheit seiner Erhörung ausdrückte, oder der Aneignung des Urteils durch den Rechtsuchenden im Gerichtsverfahren. Doch der Funktion nach umschreibt es den Weg, der zum eigentlichen Wesen des Menschen jenseits des bloßen und tatsächlichen Lebensvollzugs führt. Es ist ein Beispiel für die Auffassung, daß der Mensch sein Eigentliches erst gewinnen muß und in der Gottesgemeinschaft finden kann. Dieses letzte Ziel hat die ganze Hiobdichtung funktionell stets ins Auge gefaßt. VI. Die Annahme, daß die verwendete Form dem Inhalt entsprechen müsse oder auf ihn schließen lasse, erweist sich demnach in dieser verallgemeinernden Art als irrtümlich. Gewiß trifft sie häufig zu. Aber die 25

26

Vgl. A. Alt, Die Weisheit Salomos, ThLZ 1951, 139-144 (Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel, II 1953, 90-99), mit weiterer Literatur; G. von Rad, Hiob xxxviii und die altägyptische Weisheit, V T Suppl. III, 1955, 293-301; H. Richter, Die Naturweisheit des Alten Testaments im Buche Hiob, ZAW 1958, 1-20. Bedenken äußert R.B.Y. Scott, Solomon and the Beginnings of Wisdom in Israel, V T Suppl. Ill, 1955, 262-279. Unterstützt wird dies durch die hymnischen Elemente in der Einzelausführung, die aus einem Hymnus aus Menschenmund in Gottesrede umgewandelt sind. Dieser aus den mesopotamischen Hymnen bekannte Eigenlobstil der Herrlichkeitsschilderungen (vgl. F. Stummer, Sumerisch-akkadische Parallelen zum Aufbau der Psalmen, 1922), der sich in den alttestamentlichen Psalmen nicht findet, dürfte von Deuterojesaja in Babylonien übernommen worden sein (vgl. Jes 41 3 42 8 f 43 3 n _ 1 3 4 4 ^ 24 _ 2g 45 5 _ 7 4 8 12 _16 12-16)-

Form und Funktion in der Hiobdichtung

77

Form kann ebenso einem ganz anderen Inhalt dienen, als es ihrem Sitz im Leben entspricht, und also eine andere Funktion erhalten. Dieser Unterschied zwischen der verwendeten Redeform und der ihr zugedachten Funktion ist zunächst bei der Einzelinterpretation eines Textes zu beachten, damit Fehlschlüsse vermieden werden. Wenn in der zweiten Herausforderungsrede Hiobs die Formen der Klage vorliegen, wird damit nicht die sakrale Uberlieferung für dessen persönliche Notlage mobilisiert und hinter solcher Stilisierung nicht die unsichtbare Gemeinschaft der Leidenden erkennbar 27 . Nicht nur stand dem Dichter keine andere Form als Ausdrucksmöglichkeit zur Verfügung, vor allem kommt ihr eine andere und untergeordnete Funktion in der Auseinandersetzung zwischen Hiob und Gott und im Zusammenhang mit Hiobs Wunsch nach Wiederherstellung zu. Ebensowenig läßt sich aus der Verwendung der Bildungsweisheit allein in v. l-ll und 24 des Liedes über die Weisheit in Kap. 28 die Uneinheitlichkeit des Liedes folgern 28 . Dem Verfasser war nicht an der Verwendung einer bestimmten Gattung, sondern an der Behandlung eines bestimmten Themas gelegen, in deren Rahmen die einzelnen Redeformen eine auf das Ganze bezügliche Funktion erhalten. Der Unterschied zwischen Form und Funktion ist ferner für das Gesamtverständnis des Buches Hiob zu bedenken. Es stellt weder die Verhandlung einer Rechtssache 29 noch eine dramatisierte Klage dar 30 . In beiden Urteilen wird nicht nur einseitig einer der beiden Gattungsbereiche allein berücksichtigt und der dritte der Weisheitslehre überhaupt außer acht gelassen, sondern auch nicht beachtet, daß die Rechts- und Klageformen zum größten Teil neue Funktionen erhalten haben und in der sich abspielenden Auseinandersetzung über das rechte Verhalten des Menschen im Leide untergeordnete Bedeutung besitzen.

27

So A. Weiser, Das Buch Hiob, 1956, 207 f. So H. Richter a.a.O. 15. " H. Richter, Studien zu Hiob, Diss. Leipzig 1955. 30 C. Westermann a.a.O. 28

The Righteous Man in Job 31 I. T h e question concerning the presuppositions, bases, and consequences of ethics which is raised in J o b ' s oath of purity in J o b 31 cannot be determined by studying this chapter in isolation or answered f r o m this chapter alone. Rather, it is necessary to keep the whole of the original poem of J o b in view. J o b 31 is a part of the structure of this poem, and the oath of purity has a specific function within its over-all purpose. This is clear not only f r o m an analysis of the poem of J o b , but also f r o m the text of J o b 31 and 29-30, which together f o r m a larger unity. 1. T h e original text of J o b 31 ended with J o b ' s challenge to G o d (v. 35-37)1: Oh, that I had one to hear me! Here ist my signature! Let the Almighty answer me! 2

The indictment written by my adversary! Surely I would carry it on my shoulder; I would bind it on me as a crown; I would give him an account of all my steps; like a prince I would approach him.

This challenge begins with a twofold wish. T o be sure, the verbs used here, viz., »to hear« and »to answer«, occur in prayers (Ps 4 2 [Eng. l] 86 1 102 3 [2] 119 145. 149 143 l), but in this passage they are not derived f r o m prayer terminology, but f r o m legal terminology. J o b ' s wishes are

1

In no case can J o b 31 38-40a (v. 40b is a late caption) follow v. 35-37, because they contain further assertions of innocence by J o b and v. 35-37 are clearly a conclusion. In this essay, v. 38-40a will be placed after v. 34, although the correctness of this is uncertain, because this makes the allusion to the land somewhat late in the series. Furthermore, the complete oath formula with imprecatory final clause appears here as in v. 5-23. Yet, this does not offer a better solution to the problem, since it proves to be impossible to insert something else into or to attach anything to the end of v. 5-23.

2

A half verse has fallen out, so that the second half verse forms an independent clause and is left hanging in the air. The clause which has fallen out must have contained an additional demand, something like: » O h that he would show me his written complaint!« G. Hölscher, Das Buch Hiob, 1952 2 , 77.

The Righteous Man in Job 31

79

confirmed by his reference to the inscription under the proof of innocence, the »signature«. Thus, the accused wants to disprove the accusation. That this accusation was written corresponds to Egyptian legal custom, where all legal proceedings were introduced by a written accusation 3 . Job expresses his certainty about the proof of his innocence by describing what he had done when the indictment was actually made: H e would carry the written accusation which was levelled against him on his shoulder and bind it on his head, so that he could counteract its imprecatory power. In a kind of ordeal he could demonstrate in this way that this imprecatory power cannot find anything against him and consequently that he is innocent. This constitutes the test of his oath of purity. As a further proof of his innocence, Job wanted to spread out his life before God with his head exalted like a prince. In addition to all this, Job also longs for an immediate discussion with God, for the restoration of his former prosperity and for the certainty that he will be victorious and the feeling that he will triumph over the divine accusation which he believes to be responsible for his suffering. For him at this stage, the right behaviour in his suffering is to receive the accusation without fear and anxiety, but in stubbornness and pride - in the secure knowledge of his own righteousness and purity, which makes each accusation appear so absurd that it emphasizes his innocence. This raises two questions: Will God accept Job's challenge, prepare himself for the encounter with him, and engage in such a discussion? And will he sanction, acknowledge, and accept a right Job's behaviour in his suffering? In the original poem of Job, God's speech in reply to these questions came immediately after Job's challenge. It is provoked by Job 29-31, especially 31 35-37, and therefore must be kept in view along with Job's answer following it in interpreting Job 31. However, Job's oath of purity consists not only in his challenge to God, but also is closely connected with the wish in Job 29 2, which introduces Job 29—31 : Oh, that I were as in the months of old, as in the days when God watched over me!

Not only can Job demand an encounter with God, confident that he will be victorious because he knows that he is blameless and righteous, but for the same reasons he can and must also desire the restoration of his former happiness and prosperity, which he thinks God has taken away from him. Thus, the desire for restoration (29 2) and the challenge to God (31 35-37) are the framework for Job 29-31. Moreover,

3

E. Seidl, Einführung in die ägyptische Rechtsgeschichte, 1939, 20. 25. 27 34 ff.

80

The Righteous Man in Job 31

29 2 points back to Job's earlier life and loss of prosperity and happiness as described in the Prologue, as well as to Job's discussions with his friends, which are given in detail and which increase in severity through three series of speeches. If the introductory wish and the concluding challenge to God unite the speeches of Job in Job 29-31 into a large unit, and if these speeches in turn are connected with the entire poem of Job, then Job's speeches in ch. 29-31 represent a certain stage in the discussion: the desire for a life full of the former prosperity and happiness will be fulfilled by the encounter with the God whom Job challenged. Also, the behaviour of the suffering Job is characterized by the fact that he wants to regain his former prosperity and happiness, and that he is certain that he will succeed as soon as he has demonstrated his blamelessness and righteousness to God. Thus the context of Job 31 is clear. Building on his earlier complaints, Job describes the change that had taken place in his life from prosperity and happiness (Job 29) and complains about his present misfortune (Job 30). He utters his oath as a proof of his innocence (Job 31 l - 3 4 . 3 8 - 4 0 a ) , the oath for which he had set the stage three times earlier in his speeches against his friends (cf. the indirect evidence in Job 21 6-34; the assertion of innocence in 23 10-12; and the vow in 27 2 - 6 ) , and resumes once again the earlier desires and attempts to persuade God to intervene on his behalf or to induce him into an encounter with him (Job 31 35-37) (cf. his demand that God meet him in a lawsuit in 13 13 ff. ; his appeal to God as the avenger of blood and injustice in 16 18 ff.; and his challenge to God as a defence witness and attorney in 19 2 5 f f . ) . Then also, Job's oath of purity with its challenge to God actually evokes God's appearance and speech (Job 38ff.). 2. In view of this, it is difficult to understand why Job 29—31 are usually considered to be »Job's Concluding Speech«, and are said to compose the final stage in the discussion between Job and his friends. These speeches do not point backward, but intend to bring about something new after demonstrating that the theology of Job's friends is false. The last speeches between Job and his friends revert back to the first, and the discussion goes around in a circle. Therefore, further reflections of this type cannot be expected to solve Job's problem. God alone can solve Job's problem, as Job so often had wished. The speeches in Job 29-31 move toward the realization of this wish, which finally becomes reality in the speech of God, although in a way different from that which Job expected. Thus, Job 29-31 serve to prepare the way for God's appearance and, on the basis of Job 31 3 5 - 3 7 , can best be characterized as »Job's Speech of Challenge to God«. A form-critical analysis leads to the same result. The structure of

The Righteous Man in Job 31

81

Job's speeches in ch. 29-31 is similar to that of the lament, in which the worshipper often relates the »narrative« of his distress and the sworn assertion of his innocence 4 . The narrative is based on the motif of »Then and Now«, which comes from the funeral song 5 . The purpose of the proof of innocence is either to secure a favorable hearing or a promise of salvation through a cultprophetic oracle, or to perform the ritual of a divine judgment in the legal process. Of course, the Joban poet has not simply subordinated himself to this scheme, because obviously the cultus was not very important to him and he did not intend to carry out a lament ritual in his poem, and because he did not have Job's aspire to a real legal procedure, but to a personal encounter with God and to his intervention. Job does not expect an oracle of Yhwh to come to or upon him as he waits passively but in Job 31 35-37 he addresses a legal challenge to God. Of course, he is not requesting a real divine judgment in a legal process, but is using legal language figuratively in requesting a divine intervention. Notwithstanding this, the description of Job's misfortune against the background of his former prosperity and happiness and his oath of purity correspond to the events which lie behind the lament or the legal procedure. Likewise, the following speech of Yhwh formally correspond to the Yhwh oracle or divine judgment, and the concluding repentance of Job to man's appropriation of this judgment. Once again, this makes clear the close connection between Job 29-31 on the one hand and the divine oracle and Job's reply on the other. II. The formel analysis of Job 31 already provides some thoughts regarding the question of ethics in this chapter. This analysis may be limited to v. l - 3 4 . 3 8 - 4 0 a , since we have already dealt with v. 35-37 in Section I. 1. Job 31 l - 3 4 . 3 8 - 4 0 a is composed of nine strophes, most of which have four verses. The exceptions are the fourth strophe with three verses, and the seventh and ninth strophes with five verses each. Moreover, the alleged transgressions which Job denies that he had committed do not always correspond to the length of the strophes. But sometimes two transgressions are mentioned in one strophe, and sometimes one transgression is mentioned in two strophes. This produces the following summary:

4 5

Cf. in general H. G u n k e l - J . Begrich, Einleitung in die Psalmen, 1933, 215f. 238. 251. Cf. H. Jahnow, Das hebräische Leichenlied, 1923, 99. 179.

The Righteous Man in Job 31

82

First strophe (v. 1-4): Second strophe (v. 5-8): Third strophe (v. 9 - 1 2 ) : Fourth strophe (v. 13-15): Fifth and sixth strophes (v. 16-23):

Seventh strophe (v. 24-28): Eighth strophe (v. Ninth strophe (v. 38-40a):

29-32): 33-34.

1. 2. 3. 4. 5.

Lasciviousness Falsehood Covetousness Adultery Disregard for the right of servants 6. Hard-heartedness against the poor 7. Trust in riches 8. Superstition 9. Hatred of enemies 10. Inhospitality 11. Hypocrisy 12. Exploitation of land

This analysis reveals two different formal elements, which, however, have not simply been taken over and reproduced. Rather, they have been combined into a new whole with a specific function. They have to do with the number of transgressions which Job is supposed to have committed, and with the manner in which Job denies that he has committed them. 2. T h e number of transgressions which Job is supposed to have committed has parallels and prototypes as far as the form is concerned. According to the present text, if one includes v. 38-40a, Job is accused of twelve different transgressions, so that it seems logical to think that a series consisting of the number twelve lies behind Job 31 as a prototype or model. However, the situation does not seem to be so simple, because the first transgression in v. 1-4 is treated in a different way from those in the following strophes, viz., Job does not use the oath formula, but speaks of a farît which has obliged him to avoid this transgression. Moreover, since these verses are missing in the LXX, one could be inclined to deny them to the Joban poet. V. 38-40a are also disruptive. T h e treatment of the last transgression is out of place in its present position; there can be no question but that it belongs before v. 35-37. T h e form of v. 38-40a suggests that they should be connected with the strophes in v. 5-23 which have the same form; therefore, it has been suggested that they should be transposed after v. 8.12 or 15. However, the individual sections in v. 5-23 are connected with each other so well that their inner coherence would be broken by inserting v. 38-40a. Thus the only place that v. 38-40a can be transferred is after v. 33-34, although they fit awkwardly there. In any case, v. 1-4 and 38-40a represent two expansions of an earlier body of material which dealt with ten transgressions. In these ten, the first and the last (falsehood in v. 5-6, and hypocrisy in v. 33-34)

The Righteous Man in Job 31

83

are almost identical, so that it is best to think of these ten transgressions as a coherent unit complete within itself. Certainly there is no reason to demand that v. 1-4 do not come from the Joban poet, especially since these verses refer entirely to the condition of Job. In the same way, v. 38-40a presuppose his possessions mentioned earlier in the Prologue. Accordingly it must be assumed that the Joban poet found and used a series of ten transgressions, but has expanded it into a series of twelve transgressions by making additions at the beginning and at the end. Such series involving groups of ten or twelve occur first of all in the collections of precepts and ordinances (wrongly designated »apodictic law«)6 which have been combined in such an impressive way 7 . Groups of ten appear in the Decalog (Ex 20 l—17), in the original text of the so-called Cultic Decalog (Ex 34 10-26), in the original form of the 'cerwä-series (Lev 18 6 - 1 8 ) 8 , in the plural Decalog (Lev 19 3 - 1 2 ) , in the singular Decalog (Lev 19 13-18)9, and perhaps in the series used in Ez 18 5 - 9 1 0 and affecting the summary in Neh 10 31-40 [ 3 0 - 3 9 ] . Groups of twelve are found in the series of commands in Ex 23 10-19, in the present form of the so-called Cultic Decalog, in the present expanded form of the 'œrwâ-series, in the 'arûr-series in Dtn 27 15-26, in the scattered mot yûmât-series, and perhaps in Ez 18 5-9. Later similar groups were used for cultic forms which played a role in the admission to the cult, and which have been labelled »confession mirrors« 11 . Ps 15 contains such a confession mirror with ten statements of an ethical, non-cultic nature, and shorter series of this type occur in Isa 33 14-16 Ps 24 3-6 and 3 4 13-15 [ 1 2 - 1 4 ] ,

Also since the Wisdom teaching expanded different kinds of series and lists, and since Job 31 contains numerous parallels to Wisdom literature, it would be rash to maintain that Job's speech here is based on a series of apodictically formulated precepts and ordinances or even on a confession mirror. Rather, the Joban poet would seem to have used a group of precepts from the Wisdom teaching which had been expanded on the basis of these prototypes. H e expanded such a group composed of ten parts into one composed of twelve. Consequently, the very first

6

A. Alt, Die Ursprünge des israelitischen Rechts (Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel, I 1953, 278-332). 7 G. Fohrer, Das sogenannte apodiktisch formulierte Recht und der Dekalog, in: Studien zur alttestamentlichen Theologie und Geschichte (1949-1966), 1969, 120-148. 8 K. Elliger, Leviticus, 1965. ' S. Mowinckel, Zur Geschichte der Dekaloge, ZAW 1937, 218-235. 10 G. Fohrer, Ezechiel, 1953, 98-100. 11 K. Galling, Der Beichtspiegel, ZAW 1929, 125-130.

84

The Righteous Man in Job 31

element of structure indicates that Wisdom teaching was the place of origin for the ethics found in Job 31. 3. Beyond the number of transgressions enumerated, the manner in which Job denies that he has committed these transgressions has parallels and prototypes as far as the form is concerned. Some scholars have pointed out similarities between Job 31 and the negative confessions in the Egyptian religion 12 : Before the dead person enters the »hall of truth« where Osiris and the 42 judges of the dead are enthroned and his heart is weighed on a balance, he must affirm that he knows himself to be free from the sins which are enumerated in a long list. Many things in Job 31 are similar to these confessions, and it seems likely that they are mediated to the Joban poet through the Wisdom teaching. And yet, the stylistic structure of the Egyptian confessions is different from the conditional clauses of the Israelite oath; they seek to put cultic purity on the same level as ethical purity and differ from Israelite thought in the way they understand various individual concepts. Therefore, they cannot be regarded as the immediate prototype of Job 31. Also, some scholars have compared Job 31 with the Babylonian Incantation Texts of the Surpu Series13. However, it should be noted »that all these texts are intended to liberate the individual man from the power of demons, but not from a conviction that ethical behavior alone is the way to the deity«14. Because of this completely different situation, the Incantation Texts are excluded. In place of this, the oath of purity should be mentioned as a prototype to Job 31. After the accused took the legal oath of purity, he was acquitted. Apparently this oath of purity is found in Hammurabi's Law Code 15 and is prescribed in Ex 22 7.9 f. [6.8 f.] (cf. also I Reg 8 31 ff. II Chr 6 22f.). The Elephantine Papyri contain a late example of it from the fifth century B.C. 16 . If there is an insufficient number of witnesses and it cannot be proved that the accused is innocent in some other way, the lot oracle or the ordeal is used to determine whether he is guilty (cf. Job 9 30 f. Ex 22 8 [9] Num 5 5ff.). In this case, the lot oracle and the ordeal are regarded as evidence in the legal process. Usually the accused who has or wants to prove his innocence before the legal community pronounces a conditional self-imprecation; the affirmation of innocence appears less frequently 17 . The course of events can be recon12

13 14 15 16 17

Especially P. Humbert, Recherches sur les sources égyptiennes de la littérature sapientiale d'Israël, 1929,91-96. Cf. H. Zimmern, Die Beschwörungstafeln Surpu, 1896. A. Jirku, Altorientalischer Kommentar zum Alten Testament, 1923, 87. Code of Hammurabi § 103. 106. 107. 249. 266; cf. A O T 380ff. and A N E T 170ff. Cf. in general P. Volz, ZAW 1912, 126 f. Cf. J. Schneider, T h W N T , V 461.

The Righteous Man in Job 31

85

structed with some degree of probability: »In general the oath seems to have consisted of the accuser pronouncing a curse and the accused taking this curse upon himself as a conditional self-imprecation in the holy place either by repeating the curse or by making the curse his own by saying Amen. But when the person under suspicion expressed the oath, he believed that Yhwh would hear it in heaven and in case of perjury would carry out the punishment associated with the curse.« 18 N o t only was it possible for the oath of purity to be connected with the legal process, but it could also be connected directly with the cult. It belongs to the cultic affirmations of innocence or »declarations of perfection« 19 , to the negative confessions 20 , or to the assertions of innocence in the prayers of the accused (cf. Ps 5.7.17.26). It may be intended to bring about a divine judgment 2 1 or to induce God to intervene 22 . However, it is not very likely that one of these prototypes lies behind Job's oath of purity, because the statements which lead up to it in Job 23 10-12 and 27 2-6 have no cultic reference, and because elsewhere in the book of Job the legal terminology in Job's discussion with God is quite perceptible. In view of this, it is most natural to think that Job's oath had its origin in the legal community. This appears in Job 31 in three forms: (a) as an affirmation of innocence, in which reference is made to a berît of the one making the oath, i.e., to an unconditional responsibility (v. 1-4); (b) as a conditional self-imprecation in the rare complete form with an imprecatory final clause (v. 5-23.38-40a), the intention of which is to express the complete confidence of the one taking the oath in his own righteousness (with modified forms in v. 5-6.13-14), and in which the desired punishment often corresponds to the ancient legal maxims containing the jus talionis; (c) as a conditional self-imprecation in shortened form without a final clause, i.e., as a real oath (v. 24-34). 4. T h e Joban poet has combined two formal elements - the instruction in the form of a series and the oath of purity. H e uses them as Job's reason for wanting to meet with God and for challenging him to a discussion (Job 31 35-37), and therefore they are intended to bring about the realization of Job's desire expressed initially in Job 29 2. This function fits the freedom of this form in general.

18 19

20 21 22

R. Press, Das Ordal im alten Israel, ZAW 1933, 138. Cf. G. von Rad, Die Vorgeschichte der Gattung von I Kor. 13 3-7, in: Alt-Festschrift, 1953,153-168. Cf. also F. Horst, Der Eid im Alten Testament, in: Gottes Recht, 1961, 292-314. On this cf. H. Richter, Studien zu Hiob, 1959. Cf. C. Westermann, Der Aufbau des Buches Hiob, 1956.

86

The Righteous Man in Job 31

The first strophe (v. 1-4) begins with the affirmation of innocence by the one taking the oath, who accepts the obligation which it involves. In the form of two questions, he alludes to the punishment which had been threatened in case this obligation was violated, and confirms this with a further question. The second strophe begins with conditional self-imprecations and has an imprecatory final clause (v. 5-8). Twice a condition is cited, which sometimes follows the imprecation. In the third strophe (v. 9 - 1 2 ) , condition and imprecation follow each other. These are connected by a comment on the seriousness of the transgression and on the punishment which it deserves. These three elements (act, punishment, and qualification of the transgression or the reason why it deserves punishment) appear to have been derived from the legal sphere (cf. Lev 20 9.11.12.14). After giving the condition, the fourth strophe (v. 13-15) states the punishment to be expected in the form of a question, but only by way of suggestion. Perhaps the real imprecation has been omitted, because this strophe is shorter than the others and contains only three verses. It contains only a concluding explanation and reason as to why the transgression which is named must be avoided. The fifth and sixth strophes (v. 16-23) refer to a larger group of similar conditions, which are interrupted by a didactic parenthesis. A brief imprecation with a reason follows them. The real oath, i. e., the conditional self-imprecation without an imprecatory final clause, is found from the seventh strophe (v. 24-28) on. In the seventh strophe, an allusion to the seriousness of the transgression follows three statements composing the oath. The eighth strophe (v. 29-32) contains two statements constituting the oath, a positive denial of transgression, and a positive affirmation of a good deed. Finally, the ninth strophe (v. 33-34.38-40a) begins with one statement composing the oath together with a possible reason for committing the transgression which is named. Then once again we encounter the conditional self-imprecation with an imprecatory final clause in the order »condition - imprecation«. III. What is there that is relevant for a man like Job, who thinks he can demonstrate his righteousness by means of the ingenious formal structure found in Job 31? What are the principles which determine his ethical behaviour, and what is their origin?

The Righteous Man in Job 31

87

1. It is easy to establish that the transgressions which Job denies that he had committed in his oath of purity play a substantial role in the Old Testament only in the Wisdom teaching. The references to the belief in retribution are also closely connected with those in Job 31. Thus, although the Joban poet has used the form of the judicial oath of purity of the accused which originated in the legal realm, and although Job 31 35-37 have been shaped in form and in motifs and expressions by the legal realm, the situation is completely different when it comes to the transgressions which are mentioned. They are neither actual and public crimes nor legal variable acts in general. Rather, Job is concerned about attitudes in man which cannot be controlled legally, attitudes which can only lead to sinful acts, or about secret sins among the suspected crimes which had not been exposed. This concern is based on the Wisdom teaching and not on the Law. Further, it is evident that only religious and ethical (primarily social) transgressions are mentioned in Job's oath of purity. The worship of the sun and the moon is to be viewed in this way, and, as an indication of apostasy from God, is to be regarded as a religious transgression. On the other hand, cultic wrongs in the real sense, i.e., transgressions against cultic regulations, are not included. This also corresponds with the fundamental attitude of the Wisdom teaching. However, this general characterization is not yet adequate; in many respects the ethical viewpoint of Job 31 goes beyond those of the Wisdom teaching. Frequently scholars have called attention to the fact that Job 31 has refined and deepened the Wisdom teaching, and have even supposed that it »attains to the ethical loftiness of the Sermon on the Mount in certain places«23. Moreover, there is an inclination toward that which is fundamental in Job 31, which is in contrast to the numerous individual demands of the law, and is to be observed for the first time in the prophets (cf. Isa 1 16f. Am 5 14f.). Also, the ethical view of Job 31 refers not only to the external behaviour of man like the law, but to his internal intention, the sincerity of which is tested with a precise and infallible standard for religio-ethical motives. Nevertheless, the oath of purity undoubtedly represents a high point of Old Testament ethics. In general, the refining and deepening of ethics, its application to the internal attitude and intention, and its inclination toward that which is fundamental become clear over and over again. Therefore, Job had made it a rule never to let his eyes look where the temptation might lead to a sinful act (v. 1-4). Thus, the perceptible sinful deeds, which ordinarily came to an Israelite's mind, are absent in

23

A. Weiser, Das Buch Hiob, 19562, 212.

88

The Righteous Man in Job 31

Job's oath of purity from the very beginning. From the start (and certainly not without reason immediately in the introductory expansion of the instruction of the Wisdom teaching used by the Joban poet), the emphasis lies on attitude and intention, and on the proof of a conscience strengthened in godliness. Admittedly, the obligation of the eyes in Job 31 is different from that in Mt 5 28 in that looking in and of itself is not sinful, but when one yields to it, it leads to actions which are sinful and thus result in divine punishment. In the denial of falsehood (v. 5-6), the uniqueness of Job 31 appears in comparison with the Egyptian first negative confession of the dead before Osiris: »I have not acted falsely.« 2 4 In Job, one observes an inclination toward that which is fundamental, which emphasizes truth and honesty in general. In his denial of adultery (v. 9 - 1 2 ) , Job wants to show (as in the preceding cases) that not only had he committed no sinful acts, but also that he previously restrained the drives which led to them. That he had not committed adultery is due to the fact that he had abstained from every inducement to do so. In the case of slaves (v. 1 3 - 1 5 ) , Job begins with the possibility of a lawsuit pending between himself as the master and a manservant or a maidservant. Frequently in such cases the slave was considered to be outside the pale of the law for all practical purposes irrespective of whether he had violated the law or not, the arbitrary action of his master was permitted, and he was treated unfairly by the legal community which was composed of free citizens. However, Job can say that he acted in a different way from this in a matter of dispute, and that the claims of his slaves were not shoved aside. Here he has gone far beyond the mere legal point of view. Job establishes his human behaviour by his responsibility before God: »The criterion for one's responsibility toward his fellowman grows out of his responsibility before God.« 25 Both of these (Job's behaviour toward his slaves and his responsibility before God) have their religious basis in creation faith. T h e equality of having been created by the same God demands equality before the law, which has its origin in the divine will and thus has ethical and legal consequences. This is a revolutionary idea in a period when slaves, like cattle, were regarded as part of the property. Job's behaviour toward the poor (v. 1 6 - 2 3 ) was governed by the fact that he felt a close relationship to them as a father or a brother. From his youth he had feld responsible for them, as a father feels responsible for his children or a brother for his sister. Perhaps it can be

24 25

Book of the Dead ch. 125; cf. A O T 10. Α. Weiser, Das Buch Hiob, 214.

The Righteous Man in Job 31

89

said that this is almost a paraphrase of the commandment, »Thou shalt love thy neighbour as thyself.« 2 6 On the question of wealth (v. 2 4 f . ) , again Job goes into the deeper motives which induce a man to commit sinful acts, because he knows the danger which wealth presents for faith and godliness. H e has not relied on that which is perverse and vain like an ungodly person (cf. Job 8 14) and has not let himself be led away from God by riches. In his denial that he hated his enemies (v. 2 9 f . ) , first of all Job refers to gloating over an enemy who had suffered misfortune and again mentions the inner attitude and intention as crucial. H e assumes that it is evident that he has abstained from every hostile and hateful act. To be sure, not rejoicing over the ruin of an enemy is different from loving an enemy ( M t 5 4 3 - 4 8 Lk 6 2 7 - 3 6 ) . However, the idea of a man refusing to take revenge himself and leaving vengeance to God occurs in place of this in the Old Testament (Dtn 32 35), and the vengeance of God is the dominant motif in the so-called Psalms of Vengeance (cf. Ps 58.109.137). But when God executes vengeance on the enemy, it is still conceivable that a man might gloat over the ruin of his enemy. This would be a real expression of hatred. Thus, one's refusal to retaliate and to gloat over the ruin of his enemy imply a refusal to hate his enemy. T h e y represent a negative counterpart of loving one's enemy, or at least give the limits beyond which an active love for one's enemy begins. Job had never even concealed his sins from men for fear of shame, and thus bought his authority as judge for the price of hypocrisy (v. 33f.). This does not assume that he actually had sinned and then had made known his transgression publicly. Indeed, he had not transgressed. Rather he means that he would not conceal his sins when he committed them. Since he knew none, he committed none. However, Job's willingness to confess his guilt, which is truly rare, shows that any hypocrisy was far from his thoughts. Job had not even committed trespasses against the land. This has reference to plundering and exploiting the land for the owner's own interests, which is not included in the law. Apparently the figurative expressions in v. 3 8 - 4 0 a intend to convey this idea. As it was ordinarily customary to make payment for the yield of the land and not to take it without payment, so Job restored to his land the yield of its harvest by cultivating it carefully. T h e statement that he had not harmed the vitality of its owners is to be understood in a similar w a y . This is based on the old idea of local minor gods which ruled as guardian spirits of the land. Job uses them figuratively in order to depict the peculiar creative power of the land, which languishes under an exploiting farmer. By 26

Ibid.

90

The Righteous Man in Job 31

way of contrast Job wants to say that he had not allowed his land to degenerate and be ruined, but had taken care of it and cultivated it. There are only two cases in which the peculiarity of the ethical view in Job 31 is not stated. In reality, Job's affirmation that he had shunned superstitious customs (v. 26-28) has a legal foundation, for according to Dtn 17 2-7 the practice of such customs is a transgression punishable by law since it means apostasy from God. And the custom of generous and liberal hospitality (v. 3lf.) was a sacred duty to the Oriental. To refuse or violate hospitality was regarded as a disgrace, so that no special merit was attached to the practice of hospitality. However, in these two cases the Joban poet was bound by the Wisdom instruction which he used and was unable to extract deeper ethical qualities in stating Job's claim that he had shunned these transgressions. 3. In spite of the special peculiarities of the ethical view of J o b 31 set forth in general above, which assures it of a high rank, one can also see its close connection with the Wisdom teaching. Thus indeed, the obligation which Job laid upon his eyes (v. l) emanates from the general Old Testament view that sin is rooted in »seeing« (cf. Gen 3 6 II Sam 11 2 Isa 33 15). But the »eye« is of special significance to Wisdom teaching as the seat of evil impulses (Prov 6 17 10 10 30 17 Sir 14 9 27 22), pride (Prov 30 13), and sexual desire (Sir 9 8 26 9). Also Job's claim that he had determined not to look upon and turn his thoughts toward an unmarried girl corresponds completely with Sir 9 5. Further, the question concerning the punishment which would be brought upon him for this transgression (v. 2) shows that at the time that he laid the obligation upon his eyes J o b still considered the belief in retribution to be correct, although in the meantime, in the course of his discussion with his friends, he came to the conclusion that it was false. Finally, the idea that G o d sees man's ways (v. 4) is characteristic of Wisdom teaching, where its function is to motivate man to obey the will of God and to shun sin (cf. Ps 33 13-15 69 6 [5] 94 li 119 168 139 Prov 5 21 Sir 17 15 23 19). Similar observations may be made with regard to v. 5-8. We encounter the figure of the foot frequently in ethical contexts in Wisdom teaching (Ps 119 59.101 Prov 1 15f. 4 26 6 18). It also warns frequently and emphatically against an offence against the truth (Prov 12 22 17 7 19 22 29 12). Moreover, Wisdom teaching has taken over from Egypt the idea that God weighs a man or his heart, but in doing so it has deleted the connection between this concept and the judgment of the dead in Egyptian literature, so that the Old Testament uses this idea only in a figurative sense (cf. Prov 16 2 21 2 25 12). This figure means that God examines man scrupulously and assumes the background of the belief in retribution. The terminology which Job uses when he

The Righteous Man in Job 31

91

states that he had followed the right way, the way of God, and had not »turned aside« from it also comes from Wisdom teaching (cf. Ps 119 51 Prov 4 5.27). With regard to v. 9-12, it should be pointed out that Wisdom teaching frequently warns in detail and emphatically against illegitimate love, adultery and fornication (cf. Prov 5. 6 2 4 - 3 5 7 5 - 2 3 Sir 23 18-27). As is the case throughout the Old Testament, this passage has reference to adultery as a violation of someone else's marriage. Consequently, legally it has to do with a transgression against someone else's possession. Religious and ethical motifs come into the picture in later Wisdom teaching (cf. Prov 5 2 1 - 2 3 Sir 9 8f. 23 16.23.27). Job's statement that adultery is a »heinous crime« (v. ll) belongs to this later teaching. In v. io, the idea of retribution also plays a role alongside the old principle of corporate liability. That which Job says about his relationship to the poor (v. 1 6 - 2 3 ) is based on the admonitions which frequently occur in prophecy and Wisdom teaching. The belief in retribution is clearly expressed in v. 20-22: Because Job helped him who had no clothing, he blessed Job and brought down new prosperity and happiness to him through his prayers. Conversely, if Job had not helped the needy, he asks that punishment come upon the arm which refused to help and which mistreated the needy, so that retribution is brought on the very member of the body which sinned. When Job affirms that he had not put his trust in wealth (v. 24f.), this corresponds to the ideal figure of the godly man of the Old Testament, who puts his confidence (Ps 78 7 Prov 3 26) and his trust (cf. Jer 17 7 Ps 40 5 [4] 71 5) in God. The Wisdom teaching specifically demands this (cf. Ps 49 7 [6) 52 9 [7] 62 il [io] Prov 11 28 Sir 5 1.3.8 11 24f. 14 3 31 5 - 8 40 2 5 f.). When Jobs states that, as is obvious, he has refrained from every hostile and hateful deed against another (v. 2 9 - 3 0 ) , this corresponds both to the precept that one is to love his neighbour and a stranger (Lev 19 18.34), and to similar positive and negative Sapiential admonitions (cf. Prov 25 21 f. 20 22 24 19 Sir 27 30 - 28 7). Likewise, the view that one should not rejoice over the ruin of his enemy also appears in the Wisdom teaching (Prov 17 5 24 I7f.), and thus there is also a connection between Job 31 and the Wisdom teaching at this point.

92

The Righteous Man in Job 31

IV. It cannot be disputed that the Job who utters the oath of purity in ch. 31 stands almost alone upon an ethical summit 27 (and we make this point not merely with the view of determining the time of origin of the poem of Job). The poet has attained this summit by making use of the form of a Wisdom instruction and by deriving his content from the ethical principles of the Wisdom teaching. But he has transcended these concepts by refining and deepening them, by generally transforming them into basic principles, and by relating outer behaviour more strongly to inner intention. In this way, Wisdom ethics is raised to a higher level. However, Job 31 gives the impression of containing an internal conflict, since elements of the belief in retribution have been preserved side by side with the high ethical ideal in this chapter. It seems best to assume that the Joban poet intended the reader to see this conflict. This seems likely because there is also another conflict in Job 31, and if we may judge from the structure of the poem of Job it is undoubtedly intentional. On the one hand, Job is the righteous, pure, and perfect man who can maintain that he is without sin. On the other hand, he appears as a Promethean and Titanic man from whom God had torn away prosperity and happiness, who confronts God boldly with the conviction that he is perfect in order to triumph over Him, and who wants to force Him to acknowledge his innocence by means of his undisputed righteousness. The fact that he undertakes this with the appearance of and under the cloak of the law only increases the impression of a conflict in this chapter. In this way the formal element of the legal oath of purity in the main part of Job 31 and the legal statements in Job 31 35-27 take effect. They make it possible for Job to act like a conquering hero who is certain that he will win a legally plain and indisputable victory over God, while in reality he adopts a heretical position and on the basis of his subjective good conscience contrasts the false teaching of his friends with a view that is just as false. The conclusion of God's speech (Job 40 clear, as indeed certain statements show:

2.8-14)

also makes this

Shall a foultfinder contend with the Almighty? He who argues with God, let him answer it. Will you even put me in the wrong? Will you condemn me that you may be justified? Have you an arm like God, and can you thunder with a voice like his?

27

Cf. also E. Osswald, Hiob 31 im Rahmen der alttestamentlichen Ethik, Theologische Versuche, II 1970,9-26.

T h e Righteous M a n in J o b 31

93

Ultimately, then, the issue at stake is not the righteousness of Job, but whether God or man is right. Can man set himself above God as the highest court of justice in order to carry through his demands? Indeed, the proof of innocence with which Job thought he could support his challenge to God with a good conscience means nothing else but that God's law is abolished by an opponent of His law. It is an attack on God's own demands, the purpose of which is to show that God is guilty and that in the end man is right. But this would be possible only if men were »like God«. Accordingly, the question is whether Job in the most advanced stage of his earlier attitude is willing to take upon himself man's original sin (as he wanted to be God) or shrinks back from this. In order to take this step, he would have to take over sovereign authority and assume responsibility for carrying on a just world order (Job 40 llff.), he would have to judge himself immediately as the one who wants to be God. The very elevation of the absolutely righteous man to the position of world ruler would mark him as a criminal worthy of death. His ethically perfect behaviour would lead him into the worst kind of sin. God's speech, then, gives an entirely different evaluation of Job's oath of purity and of the righteous man which it describes as they are viewed in isolation - an evaluation which also explains the intentional conflict in Job 31. By means of the structure of the oath of purity and of the role which is played in Job's appearance before God, the Joban poet calls in question the »pure« righteous conduct and the ethically perfect man, since not without further ado he must also be the trusting man, but he can also be Promethean, Titanic, and heretical. Taken as a whole, Job 31 describes the man who considers himself to be righteous before God because of his ethically perfect conduct and therefore must be rebuked by God, who can endure only when he subjects himself to the sovereign authority of this God and lives in communion with him ( J o b 4 0 2-5 4 2 2-3.5-6).

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37) I. Mit besonderem Nachdruck führt der Verfasser der Elihu-Reden seinen Redner in die Auseinandersetzung über das Hiob-Problem ein: Sein Zorn war entbrannt! Nicht weniger als viermal findet sich der Ausdruck in den fünf Versen der Einleitung 32 1-5 und soll das Zornigsein offensichtlich als für die Haltung Elihus kennzeichnend hervorheben. Aus Ehrfurcht vor dem Alter hat er, der Jüngere, bisher geschwiegen (v. 4), obgleich sein Zorn sich sowohl gegen Hiob richtete, der durch seine Behauptung, gegenüber Gott im Recht sein zu wollen, diesen als ungerecht hinstellte, als auch den drei Freunden galt, die Hiob schließlich nicht mehr antworteten und dadurch ebenfalls Gott ins Unrecht setzten (v. 2-3). Nun treibt der Zorn den Elihu zum Reden (v. 5). In seinen Reden aber erweist sich Elihu keineswegs als der zornige junge Mann, als der er eingeführt wird. Dafür läßt sich lediglich das heftige Urteil in 34 7 - 8 anführen, das das endgültige Urteil in 34 34-37 vorwegnimmt. Im übrigen tritt Elihu stets höflich und bescheiden auf und ist darauf bedacht, sich das Wohlwollen seiner Zuhörer, einschließlich Hiobs, zu erringen. Seine Reden sind voll von solchen typisch rhetorischen Bemühungen. Tatsächlich ist Elihu kein zorniger junger Mann, sondern erweist sich als ein gelehrter, zugleich etwas geschwätziger Theologe, der einige sorgsam aufgebaute Vorträge hält 1 , in einer bestimmten Weise argumentiert und eine besondere Art von Weisheitstheologie vertritt. Der Unterschied zwischen der Einführung und den Reden dürfte nicht darauf beruhen, daß die erstere den letzteren nachträglich vorangestellt worden wäre. Als Vorbild der Einführung lag bereits diejenige der drei Freunde vor (2 11-13), an die sich 32 1-5 weitgehend anschließt 2 . Vor allem ist mit der Redeweise vom Zorn Elihus an eine be1

Nach Ausscheiden aller Zusätze und des späteren Hymnus 3 6 27-37 13 umfassen die Elihu-Reden 142 Langverse und sind damit nur wenig kürzer als die sechs Reden der Freunde Hiobs im ersten und zweiten Redegang mit 166 Langversen. Sogar bei Heranziehung des - allerdings verstümmelten - dritten Redegangs sprechen die Freunde insgesamt nur 53 Langverse mehr als Elihu.

2

Vergleichbar sind die namentliche Vorstellung in 2 lib und 32 2a; das Schweigen in 2 13 und 32 4a; der Grund des Schweigens in 2 13b und 32 4b; die Angabe des Grundes für die Traueräußerung in 2 12a und für den Beginn des Redens in 32 2 - 3 . 5 b .

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

95

stimmte Verhaltensweise gedacht. Es ist der gerechte, heilige Zorn des Menschen, der die Sache Gottes gegenüber der Verletzung seines Herrschaftsanspruchs oder der Mißachtung seiner Heiligkeit vertreten will3. Er äußert sich daher konkret in dem vorwegnehmenden Urteil 34 7-8, das sich nicht wie die Rede 33 1-30 auf frühere Gegebenheiten, sondern auf die augenblickliche Haltung Hiobs bezieht. Auch sonst ist das Reden vom Zorn Elihus insofern berechtigt, als er sich gegen die von ihm empfundene Mißachtung Gottes wendet. Offenbar soll die nachdrückliche Einführung die besondere Aufmerksamkeit des Lesers für die Worte eines Mannes wecken, der nach der Auseinandersetzung zwischen Hiob und seinen Freunden für die Ehre Gottes eintreten will, die er nicht nur von Hiob, sondern auch von den durchaus orthodoxen Freunden verletzt sieht. Was aber hat Elihu zu sagen? In welcher Weise geht er dabei vor? II. 1. Bei der Untersuchung der Struktur der Elihu-Reden können die beiden Rahmenstücke der Einleitung 32 6-22 und des Schlusses 37 14-24 außer acht bleiben. Sie sind weniger formkritisch als vielmehr für die Argumentationsweise und die theologische Auffassung wichtig. Die Einleitung, die inhaltlich nichts anderes als die Einführung (32 1-5) besagt, stellt die Selbsteinführung des Weisen im Streit- und Wettgespräch dar 4 . Sie erläutert das Auftreten Elihus von drei Gesichtspunkten aus. Er will reden, obwohl er jung ist, weil sich das Alter entgegen seinen Erwartungen nicht als weise bewährt hat (v. 6-10). Er kann reden, weil die genaue Beobachtung der Freundesreden ihm gezeigt hat, daß er über andere Gründe als sie verfügt, gegen die auch Hiob nichts vorgebracht hat (v. 11-14). Er muß schließlich reden, weil es ihn so sehr drängt, daß er einfach nicht mehr schweigen kann (v. 15-22). Der Schluß der Elihu-Reden ist dadurch bestimmt, daß er zur Gottesrede der eigentlichen Hiob-Dichtung überleiten soll. Daher werden deren Fragen nachgeahmt (37 15-18), und in Aufforderung und Frage wird bereits angedeutet, daß der Mensch Hiob vor Gott nichts vorbringen können wird (v. 19-20), wenn dieser in der als herannahend beschriebenen Theophanie auftritt (v. 21-22). 2. Gleich die eigentliche erste Rede Elihus in 33 1-30 zeigt den kunstvollen Aufbau, der all seinen Reden eigen ist. Sie beginnt mit der 3 4

Vgl. J. Fichtner, T h W N T , V 394. Von einer Selbstvereidigung des Richters mit bedingter Selbstverfluchung in 32 22b, die H. Richter, Studien zu Hiob, 1959, 14 f., annimmt, kann schwerlich die Rede sein. Rechtsformen spielen in den Elihu-Reden nur eine geringe Rolle.

96

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

an Hiob gerichteten Aufforderung zum Anhören der Rede (v. l); ihr wird eine Begründung angeschlossen (v. 2-3) und diese wieder durch eine Parenthese erläutert (v. 4). Dem folgt die analoge Aufforderung Hiobs zum Erwidern (v. 5), ebenfalls mit angeschlossener Begründung, die die Gleichheit der Redner aus dem Schöpfungsglauben ableitet (v. 6-7)· Dem Hauptteil seiner Rede legt Elihu ein ausführliches Zitat der Ansichten Hiobs zugrunde, das summarisch zwei wesentliche Motive hervorhebt (v. 5—11): die wiederholte Unschuldsbeteuerung (9 21 10 7 16 17 23 10-12 27 5 f. 31; vgl. 13 18 23 7)5 und die Anklage Gottes als Feind Hiobs (v. 10b = 13 24b; v. lia = 13 27a im jetzigen verderbten Textzustand 6 ; vgl. 9 18 10 13ff. 13 26a 14 16 19 11 30 21). Diese Auffassung, daß Gott den sündlos Leidenden wie einen Feind behandle, lehnt Elihu ab und stellt ihr die Gegenthese gegenüber (v. 12): Sieh, darin hast du unrecht, antworte ich dir, denn Gott ist größer als ein Mensch.

Dem damit gegebenen Thema wendet sich Elihu in v. 13-18.19-24 zu. Zunächst sucht er die Unrichtigkeit der These Hiobs damit zu begründen, daß Gott den Menschen vor seinem bösen Tun gerade eindringlich warnt, um ihn auf diese Weise vor dem Untergang zu bewahren (v. 13-18). Diese Ausführungen knüpfen an eine kurze einleitende Zitierung Hiobs an (v. 13), der der Nachweis dafür folgt, warum die zitierte Ansicht, daß Gott schweige, falsch ist: Gott offenbart sich dem Menschen warnend in Schreckträumen (v. 14-16) 7 zum Zwecke seiner Rettung (v. 17-18) und handelt demnach nicht feindlich. An zweiter Stelle schildert Elihu eine andere Art von Vorgängen, 5

6

7

Die Unschuldsbeteuerung faßt Elihu mit den Wortpaaren »lauter« und »rein«, ohne »Auflehnung« und »Sünde« zusammen. Der erste Ausdruck wird von Hiob nur f ü r sein Gebet (16 17) und vornehmlich von den seine Unschuld bestreitenden Freunden gebraucht (1 1 4 15 15 25 5). Der zweite findet sich ausschließlich im M u n d e Elihus. Den dritten und vierten verwendet vorwiegend Hiob (teilweise einander parallel) für die von Gott dem Menschen anzukreidenden oder angekreideten Vergehen (pf 7 21 13 23 14 17 31 3 3 ; 'wn 7 2 1 10 6 . 1 4 13 2 3 . 2 6 14 1 7 19 29 31 1 1 . 2 8 . 3 3 ) . Elihu verwendet also Ausdrücke aller Beteiligten. Statt »in den Block« ist in 13 27a bässid »mit Kalk« zu lesen, so daß zu übersetzen ist: »und meine Füße 'mit Kalk' färbst, die Spuren meiner Füße einzeichnest«. Zwischen die beiden Halbverse ist 33 lib in variierter Form eingetragen worden. Elihu geht wohl von der Schilderung des Eliphas 4 12-16 aus und spielt auf die Krankheitserlebnisse Hiobs 7 14 an. Allerdings meint er wirkliche Träume als Offenbarungsmittel, während der Hiobdichter in 4 12-16 deutlich eine Auditionsschilderung verwendet hat. Das zeigt schon die Redeweise vom »Fallen« des »Tiefschlafs«, mit der nie der natürliche Schlaf, sondern die Folge eines besonderen göttlichen Eingriffs umschrieben wird.

D i e W e i s h e i t des E l i h u ( H i 3 2 - 3 7 )

97

die - richtig verstanden - gleichfalls eine andere als eine feindliche Absicht Gottes zeigen (v. 1 9 - 2 4 ) . Gott kann durch eine schmerzvolle Krankheit »zurechtweisen«; sie ist ein stärkeres Mittel als der Traum, den der Sünder vielleicht nicht beachtet, weil sie den Menschen den Weg zum Tode zu führen scheint (v. 1 9 - 2 2 ) . Dies wird im Anschluß an die Krankheitsschilderungen der Klagepsalmen ausgeführt. Demgegenüber geht die himmlische Welt ihren eigenen Weg. Einer der vielen Engel weist dem Kranken den notwendigen und möglichen Weg der Umkehr zu einem pflichtgemäßen Lebenswandel und legt Fürbitte bei Gott ein, der das »Lösegeld« der Umkehr des Sünders, der seine Pflicht zu tun sich entschlossen hat, annimmt (v. 2 3 - 2 4 ) 8 . Gott handelt also wieder nicht feindlich, sondern läßt sich gnädig stimmen. Aus diesen beiden thematischen Ausführungen zieht Elihu die Schlußfolgerung. Er legt dar, was sich für den Menschen ergibt, wenn er die angeführten Grundsätze ernst nimmt und sich recht verhält (v. 2 5 - 3 0 ) : Er wird wieder gesund und frisch, wie eine Verheißung ausdrückt (v. 2 5 ) , so daß er in einem angekündigten (v. 2 6 - 2 7 a ) und zitierten Danklied (v. 2 7 b - 2 8 ) das heilvolle Handeln Gottes laut verkünden kann. Dies alles erklärt Elihu als ein sich im Leben wiederholendes Geschehen (v. 2 9 - 3 0 ) . Der Leidende soll wissen, daß Gott den Menschen warnen und erziehen anstatt ihn vernichten will, und sich dementsprechend verhalten. 3. Die zweite Rede Elihus in 34 1-37 ist grundsätzlich genauso aufgebaut wie die erste, nur zweimal etwas erweitert. Die Einleitung wendet sich an die Freunde Hiobs. Da dieser sich offensichtlich nicht nach den Grundsätzen der ersten Rede hat erziehen lassen, sondern ein hartnäckiger Sünder ist, sieht Elihu sich mit den drei Freunden ihm gegen-

8

Auf die e x e g e t i s c h e n E i n z e l f r a g e n d e r Verse k a n n lediglich k u r z h i n g e w i e s e n w e r d e n . D a s N e b e n e i n a n d e r d e r » T o d e s b o t e n « u n d d e r h e l f e n d e n E n g e l e r i n n e r t an ä h n l i c h e V e r b i n d u n g e n in d e r persischen u n d f r ü h j ü d i s c h e n R e l i g i o n , die E r w ä h n u n g d e r e r s t e r e n an die assyrischen sieben b ö s e n D ä m o n e n , »die T ö t e n d e n « . D o c h m u ß m a n die T o d e s b o t e n w o h l wie d e n Satan 1 6 u n d die S t r a f e n g e l E z 9 2 als G o t t Untertan u n d m i t b e s t i m m t e n A u f g a b e n b e t r a u t v e r s t e h e n . Bei d e n M i t t l e r e n g e l n h a n d e l t es sich o f f e n b a r n i c h t u m eine b e s o n d e r e G r u p p e , s o n d e r n u m alle Engel des g ö t t l i c h e n H o f s t a a t e s , z u d e r e n z a h l r e i c h e n A u f g a b e n a u c h die p r o p h e t e n ä h n l i c h e M i t t l e r t ä t i g k e i t d e r V e r k ü n d i g u n g d e s G o t t e s w i l l e n s an d e n M e n s c h e n u n d d e r F ü r b i t t e f ü r d e n M e n s c h e n bei G o t t g e h ö r t . D a ß sie d a s Lösegeld nicht d e n T o d e s b o t e n , s o n d e r n G o t t g e b e n , d ü r f t e d e u t lich sein; d e n n G o t t h a t die e r z i e h e n d e K r a n k h e i t g e s a n d t u n d m u ß sie z u r ü c k n e h m e n . D a s »Lösegeld« schließlich k a n n nicht die K r a n k h e i t sein, d a sie eine E r z i e h u n g s m a ß n a h m e u n d k e i n e S ü h n e darstellt. W e n n d e r E n g e l e r k l ä r t , d a ß er etwas e n t d e c k t h a t , w a s e r G o t t f ü r d a s t o d v e r f a l l e n e Leben des S ü n d e r s a n z u b i e t e n v e r m a g , k a n n dies n u r d e s s e n R ü c k k e h r z u r P f l i c h t sein, die die E r z i e h u n g s m a ß n a h m e h i n f ä l l i g m a c h t .

98

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

über in einer ähnlichen Lage. Daher richtet er die einleitende Aufforderung zum Zuhören (v. 2, begründet in v. 3) und zum Urteilen (v. 4) an sie. Zu prüfen ist die wieder als Zitat angeführte Behauptung Hiobs, daß Gott ihn ungerecht behandle (v. 5a nach 9 21 13 18b; vgl. 27 5 f.; ferner 10 7 16 17 31; v. 5b nach 27 2a; vgl. 19 7) und daß sein Leiden nach der herrschenden Anschauung sein Unschuldsbekenntnis zur Lüge stempele (v. 6a nach 16 8; vgl. ferner 9 29f.; 10 17 gegenüber 23 10b; zu v. 6b vgl. 6 4 16 13). Da es in dieser Rede nicht mehr um das frühere, sondern ganz um das augenblickliche Verhalten Hiobs geht, läßt Elihu nicht sogleich die Gegenthese folgen, sondern bedenkt Hiob sofort mit einem in Frageform gehaltenen vernichtenden Urteil (v. 7-8), das durch ein weiteres Zitat als zu Recht bestehend begründet wird (v. 9). Erst nach dieser Unterbrechung wird Hiobs These - nach erneuter Aufforderung zum Zuhören (v. 10a) - feierlich zurückgewiesen (v. 10b) und die Gegenthese aufgestellt (v. ll): Fern sei es von Gott, "schuldig zu werden', und 'vom' Allmächtigen, 'unrecht zu handeln'! D e n n das Tun des Menschen vergilt er ihm, und entsprechend dem Verhalten eines M a n n e s läßt er's ihn finden 9 .

Die erste Ausführung des Themas ist kurz gehalten (v. 12-15). Als Ausgangspunkt wiederholt Elihu einleitend die Ablehnung der Ansicht Hiobs (v. 12) und stellt in Frageform (v. 13) und einem hypothetischen Satz (v. 14-15) fest, daß Gott als Weltenherr, der für Welt und Leben verantwortlich ist, notwendigerweise gerecht handeln muß. Die zweite Ausführung wird durch eine an Hiob gerichtete Aufforderung zum Zuhören eingeleitet (v. 16). In einer Frage (v. 17), die durch zwei hymnenartige Nebensätze ergänzt wird (v. 1 8 - I 9 a ) , stellt sie fest, daß Gott gerecht richtet. Recht und Macht bilden in ihm eine Einheit. Wenn er das Recht haßte, könnte er nicht herrschen; und weil er die Gewalt ausübt, kann er nicht ungerecht handeln. Dies bestätigt sich in der Unparteilichkeit des göttlichen Herrschens, das durch den Schöpfungsglauben begründet wird (v. I 9 b - 2 0 a ) . Die Großen der Erde gehen unter (v. 20b), weil Gott alles Tun der Übeltäter sieht (v. 2 1 - 2 2 ) . Damit ergibt sich aus Gottes unparteilicher und allwissender Herrschaft, daß er gerecht richtet und keinen verstockten Sünder übersieht. In Zusammenhang mit dem Gesagten scheint es Elihu erforderlich, noch einige Vorwürfe gegen die Gerechtigkeit Gottes zu entkräftigen und seine Überlegungen zu stützen. Darauf beruht die folgende 9

D e r Text von 34 loa ist etwas gestört. Zu lesen ist 1. mer*so?' statt »von Schuld«, da halila c. min mit dem Inf. zu konstruieren ist; 2. ûlesdj wie l'l in v. loba; 3. mêâwwel statt des falsch vokalisierten »von Unrecht«, da es ebenfalls von halila abhängig ist.

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

99

zweite Erweiterung dieser Rede gegenüber der ersten (v. 23-29)10. Hiob hat mehrfach eine Gerichtsverhandlung gewünscht, um sich vor Gott rechtfertigen zu können (vgl. besonders 23 3ff.), und sich darüber beklagt, daß Gott weder auf den Menschen hört noch ihm antwortet (9 15f. 32ff.). Und das in 24 l beginnende Lied, das dem Hiob bei der nachträglichen Umgestaltung des dritten Redegangs im Dialog in den Mund gelegt worden ist, bedauert, daß Gott offenbar gar keine Gerichtstage vorgesehen hat. Darauf antwortet Elihu in Ausdrücken der Rechtssprache, daß Gott allerdings keinen Gerichtstag festsetzt, sondern ohne vorheriges Untersuchungsverfahren urteilt (v. 23-24). Damit er dennoch gerecht handelt, beobachtet er die Menschen genau (v. 25). Das bedeutet einerseits, daß es wohlbegründet ist, wenn er an den Frevlern wie an verurteilten Verbrechern das Urteil öffentlich vollstreckt: Sie sind von ihm abgefallen (v. 26-27). Daß dieser Abfall verbrecherische Taten nach sich gezogen hat, wird durch den Klageruf der von den Frevlern in ihrem Recht Gekränkten erläutert (v. 28). Andererseits ergibt sich, daß Gott gleichfalls gerecht handelt, wenn er nicht eingreift, so daß man ihn dann nicht ungerecht schelten darf (v. 29). Er ist stets gerecht, ob er straft oder sich zurückhält. Nach diesen Ausführungen zieht Elihu wie in der ersten Rede die Schlußfolgerung (v. 31-37). Ist Gott nämlich gerecht, so ist das Verhalten Hiobs falsch, wenn er die göttliche Erziehungsmaßnahme — von Elihu in der ersten Rede geschildert - für ungerecht hält und spottend beschimpft. Im Unterschied zur ersten Rede, die die Folge des rechten Verhaltens des Menschen beleuchtete, geht es um die Folge des falschen Verhaltens. Die Möglichkeit, daß Gott anders als vorher beschrieben handelt, scheidet aus; die Verwendung des Sündenbekenntnisses und des Gelöbnisses der Besserung in der Frage Gottes (v. 31-32) sollen dergleichen sofort als unsinnig bezeichnen. Genauso ist die Frage gemeint, ob er nach Hiobs Wünschen belohnen und strafen solle (v. 33). Angesichts dessen bleibt nur die andere Möglichkeit, Hiob und nicht Gott zu verurteilen. Das in v. 7-8 vorweggenommene Urteil wird daher endgültig als dasjenige der Weisen eingeführt (v. 34). Es lautet dahin, daß Hiob die Weisheit abgesprochen wird (v. 35). Sein Reden über Gottes Weltregierung gilt demnach als Ausdruck eines sündigen, frevlerischen Verhaltens. Der Schuldfeststellung folgt die Verhängung der Strafe: Das frühere Erziehungsleiden, das sich als unwirksam erwiesen hat, soll zum Prüfungsleiden verschärft werden (v. 36a). Dem schließt sich die Begründung an (v. 36b), die aus dem Verhalten Hiobs erläutert wird (v. 37).

10

34 30 ist eine deutende Glosse zu v. 24-26.

100

D i e Weisheit des Elihu (Hi 3 2 - 3 7 )

4. Die dritte Rede folgt in ihrem Aufbau genau der ersten. Zu ihr gehören zunächst 33 3 1 - 3 3 , die nicht den Abschluß, sondern den Anfang einer Rede bilden. D a die beiden ersten Reden mit einer Einleitung versehen sind, gehören die Verse vor 35 2, wo bereits die sonst der Einleitung folgende Zitierung Hiobs einsetzt. Die Rede beginnt demnach mit der an Hiob gerichteten Aufforderung, zu hören und - wenn er es vermag - zu antworten. Daran schließt sich die durch ihre Form sogleich als fragwürdig bezeichnete Behauptung Hiobs an (35 2-3). Sein Vorwurf, den er mit »gutem Recht« erheben zu können meint, lautet dahin, daß seine frühere Frömmigkeit sich als unwichtig und nutzlos erwiesen habe. Denn - so ist ergänzend zu denken - Gott kümmert sich nicht darum, ob der Mensch recht oder schlecht ist, sondern schlägt Unschuldige und schützt Frevler. Diese dem Hiob unterstellte Ansicht (wie 34 9; vgl. 22 13 f.) kann aus seinen Vorwürfen wegen Gottes ungerechtem Handeln gefolgert sein (vgl. 9 22.29ff. 10 3 21 7 ff.23 ff. 30 26). Vielleicht knüpft Elihu auch an 21 14 f. an, wo Hiob diese Äußerung dem Frevler zu seiner Kennzeichnung in den Mund legt. Dann hätte Elihu — bzw. der Verfasser der Reden - die Sätze entweder als eigene Meinung Hiobs mißverstanden oder absichtlich auf ihn angewendet, weil er ihn für einen solchen Frevler hält. Wie in den anderen Reden wird die These Hiobs jedenfalls abgelehnt. Die Ablehnung wird besonders eingeleitet (v. 4) und erfolgt in Frageform (v. 5-7). Die anschließende Gegenthese (v. 8) stellt fest, daß Frömmigkeit nicht nutzlos ist, sondern sich auf jeden Fall bemerkbar macht. Das Verhalten des Menschen, das für die göttliche Sphäre belanglos ist und Gott nichts gibt oder nimmt (v. 5-7), wirkt sich auf der menschlichen Ebene aus (v. 8): Wenn du gesündigt hast, was kannst du ihm anhaben? Sind deine A u f l e h n u n g e n zahlreich, w a s kannst du ihm antun? Wenn du recht hast, w a s kannst du ihm geben? O d e r was e m p f ä n g t er aus deiner H a n d ? Einen M e n s c h e n wie dich trifft deine Schuld und ein M e n s c h e n k i n d dein Rechttun 1 1 .

Darin ist das Thema der Rede enthalten: Der Mensch kann seine Frömmigkeit und Unschuld nicht als Vorwurf oder Waffe gegen Gott benutzen. Umgekehrt benutzt Gott sie als Maßstab seines Handelns am Menschen. Die erste Ausführung dessen (35 9-36 4) legt dar, daß man die Frage des Nutzens der Frömmigkeit nicht in Beziehung zu Gott be11

D i e Ausdrucksweise ist nicht eindeutig. Elihu meint entweder: »dich selbst, den M e n schen selbst trifft seine Schuld o d e r sein Rechttun« oder: »deinen M i t m e n s c h e n « trifft dein H a n d e l n .

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

101

trachten darf. Elihu erörtert den Fall des scheinbar vergeblichen und unerhörten Klageschreis zu Gott. Dieser greift nicht ein, wenn der Verfolgte ihn durch sein Schreien dazu zu zwingen sucht, sondern zu seiner eigenen Zeit. Da der Fall ihm als dem Richter vorliegt, muß der Verfolgte auf seine Behandlung warten, ohne sinnlos aufzubegehren (35 9-14). Die eingeflochtenen hymnischen Sätze in Frageform (v. 10—11) sollen erläutern, wie es sein müßte: Der Glaubende, der sich seines Unterschiedes zum Tier bewußt ist, schreit und heult nicht; er bedrängt Gott nicht, sondern gibt ihm im Hymnus recht und preist seine gnädige Hilfe, auf die er vertrauensvoll wartet. Daher ist die verständnislose Ungeduld Hiobs zu tadeln (v. 15-16). Elihu ermahnt ihn zur Geduld, damit er ihn aufgrund seines besonderen Wissens eines Besseren belehren kann (36 2 - 4 ) 1 2 . Die angekündigte Belehrung bildet die zweite Ausführung des Themas (36 5 - 1 5 ) . Hatte die erste zeigen wollen, daß die Unschuld des Menschen die Pläne und Absichten Gottes nicht beeinflußt, so soll diese zweite ausführen, daß sich je nach Schuld oder Unschuld des Menschen sein Geschick bestimmt. Einerseits bilden sie den Maßstab für das Handeln Gottes an ihm. Wenn Gott zu seiner Zeit eingreift, ist es für den Menschen nicht gleichgültig, ob er schuldig oder unschuldig ist. Denn dementsprechend verfährt Gott mit ihm, wie in einer Stilmischung aus Weisheitsrede und Psalmen gesagt wird (v. 5 - 1 0 ) . Andererseits ergibt sich das gleiche Bild vom Gesichtsfeld des Menschen aus: Schuld und Unschuld bilden den Maßstab für sein Ergehen. So wird die zweifache Möglichkeit des aufeinander abgestimmten Verhaltens und Ergehens im einzelnen dargelegt (v. 11-15). Abschließend zieht Elihu abermals die Schlußfolgerung für Hiob. Sind Unschuld und Frömmigkeit des Menschen nicht nutzlos, sondern bestimmen entscheidend sein Geschick, so soll Hiob sich warnen und mahnen lassen (36 16-26). Elihu beginnt mit einer deutlichen Warnung (v. 16-21). Soweit der stark gestörte Text erkennen läßt, geht er von einem Rückblick auf Hiobs früheres Leben aus. Hiob hat sich durch sein Glück zur Sünde verleiten lassen (v. 16), so daß er gezüchtigt wurde (v. 17). Weil er sich aber nicht erziehen lassen will, warnt Elihu ihn vor weiterer Auflehnung. Er soll sich durch das hohe »Lösegeld« der Umkehr zur gottgemäßen Pflichterfüllung (vgl. 33 23f.) nicht abschrecken und zum endgültigen Abfall verleiten lassen (v. 18-21). Dem folgt die Mahnung (v. 2 2 - 2 6 ) . Der eigentliche Mahnsatz (v. 24) ist von fragenden Belehrungen (v. 22-23) und hymnischen Worten (v. 2 5 - 2 6 ) umrahmt. Er fordert Hiob auf, das Walten Gottes zu preisen, das der Gegenstand

12

36 l ist eine sekundäre Überschrift, die sich als späterer Zusatz schon durch ihre von den anderen Einleitungsformeln abweichende Form zu erkennen gibt.

102

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

der ständigen Lobgesänge ist, die auf Erden ertönen. N a c h dem g a n z e n Z u s a m m e n h a n g der Elihu-Reden ist damit nicht Gottes Walten in d e r N a t u r , sondern im Menschenleben gemeint (33 26-28 vgl. 35 10). Diesem Walten, das er in seinem Leben spürt, soll H i o b sich willig unterwerfen. 5. Es zeigt sich, d a ß die von Einleitung (32 6-22) u n d Schluß (37 u m r a h m t e n drei Reden Elihus im ganzen die gleiche S t r u k t u r aufweisen: 14-24)

A u f f o r d e r u n g an die H ö r e r Zitierung H i o b s (Vorwegnehmendes Urteil) Ablehnung u n d Gegenthese Erste T h e m a a u s f ü h r u n g Zweite T h e m a a u s f ü h r u n g (Nebenausführung) Schlußfolgerung

33 1-7 33 8-11 33 33 33

12 13-18 19-25

34 2 - 4 34 5-6 34 7 - 9 34 10-11 34 12-15 34 16-22

33 35

31-33 2-3

35 4 - 8 35 9-36 36 5 - 1 5

4

3 4 23-29 3 3 26-30

34

31-37

36

16-26

D a r a u s ergibt sich, d a ß die Zweifel an der einheitlichen H e r l e i t u n g der Reden von einem einzigen Verfasser 1 3 ebensowenig berechtigt sind wie die Zerstückelung u n d neue Z u s a m m e n s e t z u n g des Textes 1 4 . N u r 33 31-33 sind, wie seit langem vorgeschlagen, an den A n f a n g der dritten Rede zu setzen. 6. Es bleibt der H y m n u s auf das Walten Gottes in der N a t u r in 36 27-37 13. Er soll o f f e n b a r jenen Lobpreis bilden, den die M e n s c h e n nach 36 24 singen und in den einzustimmen H i o b ermahnt wird. A u ß e r dem scheint sich die Fragereihe mit Naturbeispielen im Schluß der Elihu-Reden (37 15-18) gut anzuschließen. Aber abgesehen davon, d a ß sich ein solcher H y m n u s im M u n d e des nüchternen u n d trockenen Elihu merkwürdig ausnimmt, setzt er ein Mißverstehen seiner Reden

13

Die Zweifel sind vor allem laut geworden, seit H. H . Nichols, The Composition of the Elihu Speeches, AJSL 1911, 97-186, einen grundlegenden Unterschied zwischen Kap. 33 und 34 zu erkennen glaubte und je einen Verfasser für Kap. 3 2 - 3 3 . 3 5 - 3 7 und Kap. 34 annahm. M. Jastrow jr., The Book of Job, 1920, und M. Buttenwieser, The Book of Job, 1922, lösen die Reden in vier getrennte Abschnitte bzw. völlig auf. E. G. Kraeling, The Book of the Ways of God, 1938, hält 34 2-15.34-37 und 35 für eine spätere Erweiterung, da an eine Weisheitsschule und nicht an Hiob gerichtet. Schließlich versteht W. A. Irwin, The Elihu Speeches in the Criticism of the Book of Job, JR 1937, 3 7 - 4 7 , Kap. 3 2 - 3 3 als ursprünglichen Schluß der Hiob-Dichtung und Kap. 3 4 - 3 7 als Zusatz.

14

C. Westermann, Der Aufbau des Buches Hiob, 1956, 107-115, nimmt vier Reden an, von denen die in Kap. 34 enthaltene einen anderen Typ als die übrigen drei darstelle. Zu der ersten dieser drei Reden rechnet er außer 33 1-7.12-30 noch 35 9-14; zur zweiten 33 31-33 35 2-8 36 22-37 24; zur dritten außer 36 2-21 noch 34 16 33 8-11.

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

103

voraus. Nach ihnen ereignet sich das zu preisende Walten Gottes im Menschenleben und nicht in der Natur; und die an Hiob gerichteten Fragen in 37 15-18 sollen ihm seine Unzulänglichkeit vor Augen führen. Daher ist der Hymnus zu einem späteren Zeitpunkt in die Reden eingeflochten worden 15 . III. 1. Elihu fordert in seinen Reden gelegentlich zum Schweigen auf, obwohl sein Monolog durch kein Wort unterbrochen wird. Er fordert ferner wiederholt zum Antworten auf, so daß der Anschein erweckt wird, als ob er eine Auseinandersetzung suche. Tatsächlich aber wendet der Verfasser der Reden eine andere Art der Darlegung an: den Vortrag des Weisheitslehrers. Die Aufforderungen gehören zu dessen rhetorischen Merkmalen, die auffällig zahlreich vertreten sind. Sehr höflich bezeichnet Elihu die Reden der Freunde als »einsichtig« (32 ll), um anschließend ein abschätziges Urteil über sie zu fällen, und räumt Hiob gegenüber ein: »gern möchte ich, du hättest recht« (33 32), obwohl er vom Erfolg der eigenen Reden zutiefst durchdrungen ist. Er sucht auf solche Weise eben das Wohlwollen und die Gunst der Hörer zu erringen. Daher betont er seine bisherige Zurückhaltung und sagt übertreibend, daß er sich - wie eine Schlange (Dtn 32 23 Mi 7 17) - verkrochen und zu reden gefürchtet hat (32 6). Der captatio benevolentiae dient ebenso die Aufforderung zu gemeinsamer Prüfung der Worte Hiobs (34 2-4); doch nimmt Elihu das Urteil gleich vorweg (34 7-9) und formuliert es abschließend selbst im Namen der Weisen (34 34). Man kann mit Recht sagen, daß er »in einer merkwürdigen Mischung von bescheidener Vertraulichkeit und siegesgewissem Selbstbewußtsein« redet (33 1-7)16.

Trotz dieser höflichen Art sind die Vorträge Elihus polemisch, indem er Behauptungen Hiobs zitiert und ablehnt, um ihnen seine bessere Einsicht entgegenzusetzen (33 8-12.13 34 5-6.9.10-11 35 2 - 8 ) , indem er Hiob verurteilt (34 7 - 8 ) und tadelt (35 15-16). Daß er dabei dessen Meinung vergröbert oder gar entstellt, ist eine Folge der rhetorischen Methode. 15

16

Ähnlich betrachten C. J. Ball, The Book of Job, 1922, und E. G. Kraeling a.a.O. 36 26-37 13 (unter Hinzunahme eines weiteren Verses) als spätere Erweiterung midraschistischen Charakters. A. Weiser, Das Buch Hiob, 1956, 222. Daß Elihu den Hiob mit bloßem Eigennamen anredet (33 l), soll ebenfalls das vertrauliche Verhältnis andeuten (wie II Reg 9 23), obwohl diese Anredeform gewöhnlich nicht als besonders höflich gegolten zu haben scheint, da sie der Höherstehende gegenüber dem Niedrigen oder Unterlegenen verwendet (I Sam 1 8 17 55 22 16 II Sam 9 6 II Reg 2 4 5 25 9 22); vgl. I. Lande, Formelhafte Wendungen der Umgangssprache im Alten Testament, 1949, 28.

104

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

Zu ihr gehören schließlich die übrigen Zitate, die in die Reden eingeflochten sind. Elihu faßt seine Ansicht über die Bemühungen der Freunde um Hiob in einem Zitat zusammen, das er ihnen in den Mund legt (32 13). Er läßt Gott (34 31-33) und den Engel (33 24) sprechen, die Weisen das Urteil über Hiob fällen (34 35-37), den Geretteten sein Danklied singen (33 27b-28) und den Glaubenden seine Ergebenheit in den Willen Gottes ausdrücken (35 10-11). 2. Obwohl er sich so rhetorisch gibt, liegt dem Verfasser der Elihu-Reden diese Art wenig. Die häufige gesonderte Einleitung einzelner Redeteile (33 13 34 12.16 35 4 36 5; ferner 36 5.22 »siehe«) bewirkt eine gewisse Schwerfälligkeit. Gleiches gilt für die Anlage der Einleitung, die um die wiederholten Stichwörter »warten« (32 11.16), »mein Wissen verkünden« (32 6.10.17) und »antworten« (32 15.17.20) kreist, mit denen das frühere und nunmehrige Verhalten Elihus beschrieben werden soll. Einer der seltenen bildhaften Vergleiche, an denen die eigentliche Hiob-Dichtung so reich ist, findet sich in 32 18-20. Elihu will mit ihm begründen, warum er reden muß. Der Sinn des Vergleichs ist zwar klar: Elihus Inneres, voll von ungesprochenen Worten, ist wie ein verschlossener Weinschlauch, den der gärende junge Wein zerreißt, wenn man ihm nicht Luft schafft. Aber die Ausdrucksweise ist mangelhaft. Statt vom Inneren als dem Sitz der Erregung und Leidenschaft müßte eigentlich von den das Innere erregenden Worten oder Gedanken die Rede sein; und statt der neuen Schläuche, die gerade als fest gelten, müßte vom neuen Wein in Schläuchen gesprochen werden 17 . So ist der Vergleich eher drastisch als treffend. Dergleichen stilistische Eigenarten tragen wesentlich dazu bei, daß die Reden nüchtern und trocken wirken. Ihnen fehlt die farbige und lebendige Art, die die Reden der Hiobdichtung so eindrücklich macht. Statt dessen sind sie theoretisierend und verstandesmäßig. 3. Weitere Beobachtungen zeigen, daß Elihu - und damit der Verfasser seiner Reden - nicht einmal ganz der selbständige Denker neuer Ideen ist, als der er sich gibt. Bezeichnend ist die erste Rede, die weithin in exegesierender Art aus der ersten Antwort des Eliphas (4-5) schöpft. In 33 15-16 nennt Elihu den Traum, das Nachtgesicht - beide Ausdrücke in gleicher Bedeutung als Mittel der göttlichen Offenbarung, wie die Beziehung auf den Schlafzustand zeigt. Darin spielt er nicht nur auf die Schreckträume Hiobs in 7 14 an, sondern geht vor allem von der Schilderung des nächtlichen Erlebnisses aus, das Eliphas in 4 12-16 beschreibt. Allerdings exegesiert er falsch, da Eliphas nicht ei-

17

Das mögliche Verständnis von F. Stier, Das Buch Ijjob, 1954, 331, die Erregung sei so groß, daß sogar ein neuer Weinschlauch platze, läßt sich dem Text nicht entnehmen.

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

105

nen Traum, sondern eine Audition meint (4 17-21). Von der Erziehung durch Leiden spricht das von Eliphas in 5 17 verwendete, aber anders gedeutete Weisheitslied 18 . Und die Vorstellung von der mittlerischen Funktion des Engels (33 23 f.) begegnet in 5 l in ablehnender Formulierung 19 . Auch sonst spielt Elihu häufig auf die Hiobdichtung an: in 33 7 auf 9 34 13 21; in 34 3 auf 12 11; in 34 7 auf 15 16; in 34 12 auf 8 3; in 34 23 auf 24 l; in 34 27 auf 24 13. Daß dies nicht nur aus der Situation des Redners folgt, der auf die frühere Auseinandersetzung zwischen Hiob und seinen Freunden Bezug nimmt, zeigt der enge Anschluß an andere alttestamentliche Stellen. So verwendet Elihu geläufige oder festgeprägte Redewendungen in 34 4 (vgl. Jes 7 16) 35 10-11 (vgl. Jer 2 8 Ps 95 6), vor allem in der Krankheitsschilderung 33 19-22 und dem angekündigten und gesprochenen Dankgebet 33 26-28, die sich an die entsprechenden Psalmen anschließen. Ebenso schließt er sich in 33 2-3 an Prov 8 6-7 und in 36 11-12 an Jes 1 19-20 an (vgl. auch 34 10 mit der einzigen anderen Anwendung der Beteuerungsformel auf Gott Gen 18 25; 34 20 mit Ex 11 4). Weitere Berührungspunkte weniger wichtiger Art läßt die Einzelexegese unschwer erkennen, sobald das Augenmerk darauf gerichtet wird; auf diese Weise zeigt sich die enge Verflochtenheit des Verfassers der Reden mit den alttestamentlichen Traditionen. Dagegen beleuchten einige altertümliche Ausdrücke die etwas gekünstelte Redeweise. So geht in 33 6 der Vergleich der Erschaffung des Menschen mit dem Lehmkloß, von dem der Töpfer zu Beginn seiner Arbeit ein wenig mit der Hand abkneift, auf altbabylonische Redeweise zurück. Sie liegt im Gilgamesch-Epos 1; 2,34 vor; auch im ugaritischen Text 126, 5,29 wird qrs vom Schaffen (eines Bildes?) aus Ton gebraucht. Ahnlich hat das Rennen in den Spieß (slh) in 33 18 sein Vorbild in Krt 20f.; anscheinend wird das Wort dort ebenfalls für den Tod durch Gotteshand verwendet, da vorher Rescheph und Jam die Tötenden sind. 4. Bezeichnend ist schließlich die Argumentationsweise Elihus. Er geht von theologischen Vorstellungen oder Begriffen aus und leitet seine Gründe in verstandesmäßiger und manchmal etwas spitzfindiger Art daraus ab. In 34 16 appelliert er demgemäß ausdrücklich an Hiobs Verstand! So klingt in 34 13-15 die Vorstellung der »Obhut« Gottes (10 12)

18

19

Eliphas faßt nicht das Erziehungsleiden ins Auge, sondern das aus der natürlichen Schwachheit und Vergänglichkeit des Menschen herrührende Unglück, das man geduldig hinnehmen muß. Auffällig ist auch, daß die abgewandelte Form des Zahlenspruchs von 5 19 mit zwei aufeinander folgenden Zahlen im Hiobbuche außer 40 5 nur noch in dieser Elihu-Rede 33 14.29 vorkommt.

106

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

an. Seine O b h u t über die Welt ist durch niemand bedingt, umgekehrt aber die Welt ganz durch ihn bedingt und von seiner erhaltenden Obhut abhängig. Da Gott an das Wohl dieser Welt und nicht an sein eigenes denkt, handelt er stets gerecht. Ebenso folgert Elihu in 34 16-17 die Gerechtigkeit Gottes aus dem Begriff der Herrschaft; sie ist ein unveräußerliches Merkmal der Herrschaft und gewährleistet ihren Bestand, weil Recht und M a c h t eine Einheit bilden. Zur vollkommenen Herrschaft gehören ferner Unparteilichkeit und Allwissenheit; sie gewährleisten, daß Gott gerecht richtet (34 18-22). Schließlich ist die dritte Rede von der Vorstellung der Erhabenheit Gottes beherrscht, die f ü r Elihu nicht das Vertrauen des Menschen stärken (wie 5 9), sondern das Bewußtsein seiner Kleinheit und Machtlosigkeit wecken soll (vgl. 35 5-7). Das menschliche Tun berührt Gott wegen seiner Erhabenheit nicht, obwohl er alles wahrnimmt; aber er läßt sich nicht drängen (35 9 - 1 4 ) . Aus dem gleichen G r u n d e erfaßt der Mensch das Walten Gottes nur in Umrissen wie aus der Ferne (36 25). Auch die Ewigkeit Gottes folgt aus seiner unbegreiflichen Erhabenheit (36 26). Auf die Unsichtbarkeit und Unfaßbarkeit des Erhabenen weist Elihu nochmals in der Schlußrede hin (37 2 1 - 2 3 ) . IV. 1. Zur Bezeichnung der Weisheit verwendet der Verfasser der Elihu-Reden mehrfach den d a f ü r gebräuchlichen Stamm hkm. In erster Linie beschreibt er damit das Verhalten des Menschen: G o t t hat diesen weiser als die Tiere und Vögel gemacht oder - nach dem parallelen Halbvers - belehrt (35 ll), so daß er eigentlich wissen müßte, wie er sich verhalten soll. Elihu will den Hiob haktnä lehren (33 33), das heißt ihm Verhaltensregeln geben und ihn zum rechten Verhalten anleiten. In diesem Sinn sind die »Weisen«, deren Urteil Elihu einholen will oder ausspricht (34 2.34), die Vertreter einer auf das rechte Verhalten bedachten Lebenshaltung, aufgrund derer das widersetzliche Verhalten Hiobs mißbilligt werden muß; es kann sich sowohl um den Stand der Weisheitslehrer als auch um alle Menschen handeln, die den von ihnen gelehrten Regeln folgen. Wird diese Weisheit aber nach Quelle und Ursprung näher beschrieben, so zeigt sich, daß der Verfasser der ElihuReden ihr nur relativen Wert beimißt und den Begriff nicht kritiklos verwendet. Gewöhnlich gelten die Alten als Träger der Weisheit, die aus der eigenen Erfahrung der Lebenshaltung gewonnen ist (32 7); aufgrund dieser E r f a h r u n g scheinen sie über genügend Einsicht zu verfügen, um Verhaltensregeln festlegen zu können. Deswegen will Elihu ja zu den Reden der Freunde Hiobs zunächst geschwiegen haben; denn er erhoffte von ihnen die dem Alter eigene weise Belehrung. N u n m e h r

Die Weisheit des Elihu (Hi 32-37)

107

aber kritisiert er jene Erfahrungsweisheit von seinem eigenen Wissensbegriff aus: Weisheit und Einsicht sind nicht Vorrecht des Alters, das sie aus der Erfahrung gewonnen hat, die ein Mensch im Lauf des Lebens sammelt, sondern beruhen unabhängig vom Alter auf einer grundlegenden göttlichen Eingebung (32 8f.). Die Erfahrungsweisheit kennt zwar zwei weitere Quellen: die Uberlieferung der Väterweisheit und die besondere Begnadung durch Gott. Aber die erstere gründet sich gleichfalls auf die Erfahrung, während man sich die letztere von Fall zu Fall eintretend denkt; daher können beide außer acht bleiben. Die Schwäche der Erfahrungsweisheit liegt nach Ansicht des Verfassers der Elihu-Reden anscheinend in der möglichen Mannigfaltigkeit oder Mehrdeutigkeit der menschlichen Erfahrungen. Denn er läßt die Freunde Hiobs resigniert feststellen, daß sie bei Hiob eine »Weisheit« gefunden haben, der sie nicht gewachsen sind und die Gott allein überwinden kann (32 13). Damit ist eine negativ zu beurteilende »Schläue« gemeint, die sich den Argumenten der Freunde immer wieder entzieht, indem sie ihnen eigene Erfahrungen entgegenhält (vgl. z.B. Kap. 21). So läßt Elihu sie selbst den Mangel ihrer Erfahrungsweisheit eingestehen und nach der göttlichen Weisheit rufen. Die Erkenntnis, die Elihu selbst vermitteln soll und will, nennt der Verfasser der Elihu-Reden de