Studien zu den awarenzeitlichen Tauschierarbeiten (Monographien zur Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie) [mit zahlr. Abb. und Taf. ed.] 3703003928, 9783703003929

Das Fundmaterial der Awarenzeit im Karpatenbecken (Ende 6./Anfang 8. Jahrhundert n. Chr.) ist sehr vielfältig und verrät

791 132 10MB

German Pages 200 [204] Year 2004

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Studien zu den awarenzeitlichen Tauschierarbeiten (Monographien zur Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie) [mit zahlr. Abb. und Taf. ed.]
 3703003928, 9783703003929

Citation preview

]*■

y

||p

St u d ie n zu d en

AA i Va- \/^ a d e m 1

r a .( '

Das Fundmaterial der Awarenzeit im Karpatenbecken (Ende 6. bis Anfang 8. Jahrhundert n.Chr.) ist sehr vielfältig und verrät ganz verschiedene kulturelle Wurzeln. Eine der auffälligsten Material­ gruppen stellen die Tauschierarbeiten dar, zumeist Gürtelzierat, der durch eingelegte Silber- oder Buntm etalldrähte oder auf­ gehäm m erte Bleche verziert wurde. Häufig tritt er in eindeutig germanischem Kontext auf, doch wurden die Tauschierarbeiten offenbar auch von anderen Bevölkerungsgruppen in zuneh­ mendem Maß geschätzt. Neben tauschierten Gürteln sind Pferdegeschirrbestandteile, wie Steigbügel oder Phaleren (Zierscheiben) häufig in dieserTechnik geschmückt. Sie zeigen andere Ornamente und Herstellungstechniken als die Gürtelteile und gehen offensichtlich auf andere Traditionen zurück. Die vorliegende Studie analysiert Formen und Verzierungen der zugänglichen awarenzeitlichen Tauschierarbeiten. Mit Hilfe von lichtm ikroskopischen Untersuchungen und Röntgenbildern rekonstruiert die Autorin die Herstellung der Gegenstände und bietet damit einen kleinen Einblick in einen Aspekt der frühm it­ telalterlichen Feinschmiedetechnik. Sie stellt ihre Ergebnisse in einen breiten europäischen Zusam menhang und beschreibt die politischen und kulturellen Prozesse, die zur Herausbildung dieser faszinierenden archäologischen Gruppe geführt haben könnten.

St u d i e n

z u d e n a w a r e n z e it l ic h e n

Ta u s c h ie r a r b e i t e n

Monographien zur Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie H erausgegeben

Rö m

is c h

von

Fa l k o D a i m

- G e r m a n is c h e s Z e n t r a l m u s e u m , M a in z und

I n s t it u t

fü r

U r-

und

Fr ü h g e s c h ic h t e

11

der

U n iv e r s it ä t W

ie n

O rso lya H e in r ic h -Ta m a s k a

Studien zu den awarenzeitlichen Tauschierarbeiten

Mit Beiträgen von Läszlö Költö, Robert Müller, Erzsebet Nagy, Adrien Päsztor, Jözsef Szentpeteri und Tivadar Vida

Gedruckt mit Unterstützung der Franz und Eva Rutzen-Stiftung

ISBN 3-7030-0392-8

Grafik und Layout des Einbandes: Franz Siegmeth, A-2540 Bad Vöslau Herausgeber: Univ.-Doz. Dr. Falko Daim. Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz und Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien ISBN 3-7030-0392-8 Copyright © 2005 by Universitätsverlag Wagner, A-6020 Innsbruck Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbil düngen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, Vorbehalten. Herstellung: Grasl Druck & Neue Medien, A-2540 Bad Vöslau

Vorwort des Herausgebers Die awarenzeitlichen Tauschierarbeiten im Karpatenbe­ cken gehören zu den aufregendsten Fundgruppen der m it­ teleuropäischen Frühgeschichte. Sie hängen eindeutig mit den germanischen Kulturen des 6. Jahrhunderts zusam ­ men, scheinen sich aber in der sehr inhomogenen und mo­ bilen frühawarischen Gesellschaft, besonders in W estun­ garn, einer großen Beliebtheit erfreut zu haben, wie die Ar­ beiten von Max Martin, Attila Kiss (t), Tivadar Vida und Margit Nagy zeigen. In der Mitte des 7. Jahrhunderts, deut­ lich nach der Niederlage der Awaren vor Konstantinopel 626, kommt es offensichtlich zu einem starken Rückgang der Außenkontakte des Awarenreiches und einer Verein­ heitlichung der awarischen Kultur. Zwar überlebt die Flechtbandornamentik in einer reduzierten Form auf Gür­ telverzierungen und Zopfspangen, die Technik der Tau­ schierung und Plattierung gerät jedoch beinahe in Verges­ senheit. Lediglich als Import aus Italien oder Süddeutsch­ land kommen danach einige wenige tauschierte und/oder streifenplattierte Gürtelgarnituren in das Awarenland. Man hat den Eindruck, dass sich die Awaren nach der Mitte des 6. Jahrhunderts auf Techniken zurückzogen, die sie als bodenständig empfanden, die aber tatsächlich auf spätrö­ mische und frühbyzantinische Traditionen zurückgehen. Frau Heinrich-Tamaska verbindet in ihrer Studie anti­ quarische und naturwissenschaftliche Zugänge. Zwar wurden in Ungarn schon früher exzellente technische Beobachtungen gemacht und publiziert, zum Beispiel in den Arbeiten von Elvira H. Töth und Attila Horvath (t), aber mangels eines festen theoretischen Gerüsts der ungari­ schen Awarenforschung blieben es isolierte Versuche. In der österreichischen und deutschen Forschung, die Frau Heinrich-Tamaska wesentliche Anregungen geben konnte, wurden allerdings gerade in der letzten Zeit größere Fort­ schritte erzielt, nicht nur in der byzantinischen Archäolo­ gie und der Awarenforschung sondern beispielsweise auch in der Archäologie des späten Mittelalters. Der aus­ gewogenen und theoretisch reflektierten Anwendung so­ wohl geistes- wie naturwissenschaftlicher Methoden für die umfassende Auswertung archäologischer Gegen­ stände und Befunde gehört mit Sicherheit die Zukunft. Ich danke allen sehr herzlich, die zu dem vorliegenden Band beigetragen haben, insbesondere der Autorin und den Verfassern der selbständigen Beiträge, Frau Dr. Sigrid von Osten für die redaktionelle Überarbeitung der Texte und Herrn Franz Siegmeth, der die Abbildungen in eine druckreife Form gebracht und in bewährter Weise den Umschlag gestaltet hat. Falko Da im

V o r w o r t des H e r a u s g e b e r s

Vorwort der Autorin Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meines Dis­ sertationsprojektes „Die Einlagetechniken der Früh- und Mittelawarenzeit: Ornamentale und technologische Un­ tersuchungen zur Stein- und Glasinkrustation sowie zur Tauschierung" in den Jahren 2000 bis 2003. In dieser Zeit war ich Stipendiatin des Bundesförderprogramms der Bundesrepublik Deutschland „Europa-Fellows" der Euro­ pa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, durch deren Fördermittel anteilig Forschungsreisen, Labor- und Zei­ chen- und Publikationskosten für mein Vorhaben finan­ ziert wurden. Die für die Veröffentlichung notwendige letzte Reise nach Budapest ins Ungarische Nationalm u­ seum wurde durch ein Reisestipendium derSüdosteuropagesellschaft, durch die Fritz und Helga Exner-Stiftung ge­ fördert.

(Akad. d. Wiss. Budapest),die m irfür meine Analysen auch ihre unpublizierten Funde überließen. Weiterhin möchte ich den Damen und Herren Helmut Born (MFVG), Dr. Birgit Bühler (Univ. Wien), Prof. Dr. Johan Callmer (HU Berlin), Univ.-Prof. Dr. Falko Daim (RGZM), Dr. Heide Eilbracht (HU Berlin), Märta Järö (MNM), Dr. Läszlö Költö (RRM), Dr. Margit Nagy (BTM), Alex Pollex (HU Berlin), Dr. Tivadar Vida (Akad. d. Wiss. Budapest) danken, die meine Arbeit durch Gespräche und Korrespondenz berei­ cherten und mir neue Anregungen gaben. Orsolya Heinrich-Tamaska

Fürdie Aufnahme m einerStudie in die Reihe „Monogra­ phien zu Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie" danke ich dem Herausgeber Herrn Univ.-Prof. Dr. Falko Daim. Die Drucklegung erfolgte mit dem finanziellen Bei­ trag der Franz und Eva Rutzen-Stiftung. Die Untersuchung der awarenzeitlichen tauschierten Fundobjekte war mit der Durchführung naturwissen­ schaftlicher Analysen und mit Studien vor Ort verbunden. An dieser Stelle möchte ich allen Kollegen und Institutio­ nen danken, die meine Arbeit unterstützt haben. Für die Röntgenuntersuchung derTauschierfunde bin ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Falko Daim und seinen Kollegen von der Uni­ versität W ien,fürdie Aufnahmen aus Ungarn Herrn Gabor Hütai (MNM Budapest) und für die Anfertigung der Zeich­ nungen Frau Dr. Sigrid von Osten (Kirchberg am Wagram, Österreich), die auch das wissenschaftliche Lektorat und die Textkorrekturen besorgte, zu Dank verpflichtet. Die mik­ roskopischen Untersuchungen konnte ich durch die Leih­ gabe eines Gerätes von Herrn Dr. Uwe Heußner (DAI Berlin) durchführen, w ofür ich ihm herzlich danken möchte. Die Realisierung der Röntgenuntersuchungen war in Ungarn mit einigen Schwierigkeiten hinsichtlich der Orga­ nisation und des Transports verbunden, wobei ich auf die Mitarbeit und die Unterstützung vieler Kollegen aus den verschiedenen Museen angewiesen war. Auch meine Stu­ dien vor Ort erforderten einigen Aufwand. Ich hätte mein Vorhaben ohne die Hilfe und Kooperation der M useum s­ mitarbeiter nicht verwirklichen können. Mein Dank gilt da­ her den Damen und Herren Csilla Balogh, Dr. Gabor Lörinczy (MFM), Dr. Eva Garam, Zsuzsa Hajnal (MNM), Dr. Gyula Fülöp, Melinda Flatsek (IKM), Peter Straub (KBM). Be­ sonderen Dank schulde ich den Damen und Herren Livia Bende (MFM), Dr. Robert Müller (KBM), Erzsebet Nagy (JPM), Jänos Ödor (WMM), Adrien Päsztor (Budapest), Dr. Gyula Rosner (t), Dr. Peter Stadler (NHM), Bendeguz Tobias (Univ. Wien), Dr. Peter Tomka (XJM) und Dr. Tivadar Vida

V o r w o r t d e r A u t o r in

7

Inh a lt n

1. E i n l e i t u n g

13

2. O r n a m e n t i k , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g i e : B e g r i f f s a n w e n d u n g u n d T h e o r i e b i l d u n g

22

3. F o r s c h u n g s ü b e r b l i c k

22

3-i Tauschierung im frühen Mittelalter

23

3.2 Frühmittelalterliche Tauschierarbeiten im Karpatenbecken

31

4. K l a s s i f i k a t i o n u n d C h r o n o l o g i e t a u s c h i e r t e r G ü r t e l g a r n i t u r e n i m K a r p a t e n b e c k e n

69

5. D ie O r n a m e n t i k

69

5.1 Die ältere Gruppe dertauschierten Gürtelgarnituren

85

5.2 Die jüngere Gruppe dertauschierten Gürtelgarnituren

89

5.3 Andere tauschierte Gegenstände

a w a r e n z e it lic h e r

Ta u s c h i e r a r b e i t e n

91

5.4 Fazit

92

6 . Die H e r s t e l l u n g s t e c h n i k a w a r e n z e i t l i c h e r T a u s c h i e r a r b e i t e n

92

6.i Bemerkungen zu den Produktions- und Analysemöglichkeiten

98

6.2 Die ältere Gruppe dertauschierten Gürtelgarnituren

104

6.3 Die jüngere Gruppe dertauschierten Gürtelgarnituren

107

6.4 Andere tauschierte Gegenstände

116

6.5 Fazit

120

7. E x k u r s : D i e

125

8 . C h r o n o lo g i e , Genese u n d O r g a n is a t io n a w a r e n z e it lic h e r T a u s c h ie ra r b e it e n

131

9. B e m e r k u n g e n

136

10. Z u s a m

138

Ex t e r n e B eit r ä g e :

138

A d r ie n Pä s z t o r - T iv a d a r V id a ,

147

Erzsebet N agy,

Die tauschierten Beschläge aus dem Grab 391 des awarischen Gräberfeldes Pecs-Kertväros

151

Ro b e r t M

Das Grab 1982/5 des awarischen Gräberfeldes von Gyenesdiäs

156

L ä s z lö K ö lt ö - J ö z s e f S zen tp e te ri, Der Fundplatz von Vörs-Papkert B (U ngarn, Kom itat Som ogy): Ein G räberfeld des 8 . - 10 . Ja h rh u n d erts

161

Katalog 1

178

Katalog 2

188

A b k ü r z u n g s v e r z e ic h n is

In h a l t

a w a r e n z e it lic h e n

z u m a w a r e n z e it lic h e n

m enfassung

üller,

N ie l l o a r b e it e n

-A

M etallh an d w erk

u s b lic k

Die tauschierten Beschläge des Gräberfeldes von Budakaläsz

und

V e r z e ic h n is

der v e r w e n d e t e n

K u r z t it e l

9

Die Tauschierung ist eine über mehrere Jahrhunderte im­ mer wieder neu belebte und technisch anders umgesetzte Verzierungstechnik. Ihre Attraktivität liegt in der Verbin­ dung unterschiedlicher Metalle, die gemeinsam einen auf­ fälligen farblichen Gegensatz erzeugen. Produkte, die eine solche Verzierungstechnik aufweisen, sind aus unter­ schiedlichen entwicklungsgeschichtlichen und chronolo­ gischen Zusammenhängen überliefert.' Unser Interesse konzentriert sich im Folgenden auf einen Teil, nämlich auf die Tauschiertechnik des 6. und 7. Jahrhunderts in Europa aus der Perspektive des awarenzeitlichen Materials. Diese Arbeiten zeigen entweder eine Kontrastwirkung zwischen dem dunklen, eisernen Trägermaterial und den Silber- und Messingfäden und -blechen oder kontrastieren wie beim Niello, das als eine Variante dieser Technik betrachtet w ird2, zwischen silbernem Rezipienten und dunkler Einla­ gemasse. Die Tauschierung ist eine Technik, die durch ihr Ziel, Farbkontraste zu erzeugen, primär eine ornamentale Funk­ tion erfüllt und damit den Charakter einer reinen Oberflä­ chenverzierung hat.3 Sie dient dem Zweck zu schmücken, ohne funktionale Aufgaben zu erfüllen. Der Begriff „Tau­ schierung" bezieht sich zugleich auf zahlreiche technische Umsetzungen, die ein differenziertes optisches Erschei­ nungsbild der Produkte ermöglichen. Sie bietet damit ei­ nen idealen Ausgangpunkt für eine kombinierte ornam en­ tale und technologische Untersuchung. Bei der techni­ schen Umsetzung handelt es sich um „die Befestigung ei­ nes Metalls in oder auf einem Metall durch Aufdrücken und Einklemmen, Aufnieten, Auf- und Einschmelzen, Be­ kleben, Einhämmern und Eingießen in gerasterte, gem ei­ ßelte, gestochene und möglicherweise auch geätzte Ober­ flächen des Trägerobjektes".4 Beide Ziertechniken, sowohl die Tauschierung als auch das Niello, kommen im awarischen Material verhältnism ä­ ßig selten vor, wobei die Tauschierung im eisernen Rezi­ pienten überwiegt. Insgesamt bieten sie jedoch wichtige und interessante Ansatzpunkte für die Forschung aus der Sicht ihrer heterogenen Herstellungstechnik, Ornamentik und funktionalen so wie zeitlichen Anwendung. Niello fand häufig im vorawarischen germanischen Material Ver­ wendung, parallel zu dem derjüngeren Merowingerzeit. Die bisher bekannten frühawarenzeitlichen mit Niello ver­ zierten Fundstücke zeugen allerdings trotz ihrer Seltenheit von einem sehr hohen materiellen und goldschm iedetech­

1 2 3 4

Born, Tauschiertechniken 72; Holmqvist. Tauschierte Metallarbeiten 9 ff. Born, Tauschiertechniken 74. Herold. Konservierung 20. Born, Tauschiertechniken 72.

E in l e i t u n g

nischen Wert.5 Die Bedeutung beider Verzierungstechni­ ken wird innerhalb des awarischen Fundgutes aus der Sicht ihrer ethnischer Auslegbarkeit als Zeichen eines ger­ manischen Einflusses diskutiert. Die Mehrzahl der hier un­ tersuchten Objekte stammt aus der Früh- und Mittelawarenzeit, sie sind Teile der Gürtelgarnitur. Weitere tau ­ schierte Funde gehören zum Pferdegeschirr, wie Be­ schläge, Trensen und Steigbügel. Eine bedeutende Fund­ gruppe sind hier die spätawarenzeitlichen Phaleren. Sie werden aber lediglich unter dem Aspekt der lokalen Verän­ derungen berücksichtigt, da sie eine technische Sonder­ form repräsentieren.6 Sowohl Tauschierung als auch Niello sind Verzierungs­ techniken. Bereits dieser Begriff verdeutlicht den primären Ornamentcharakter dieser Techniken. Bei deren Untersu­ chung können grundsätzlich zwei Bereiche, der stilistische und der technologische, auseinander gehalten werden. Die stilistische Analyse widmet sich dem Verzierungsfeld, so dass neben den rein ornamentalen auch die koloristi­ schen Aspekte zum Tragen kommen. Die technischen Be­ obachtungen konzentrieren sich dagegen einerseits auf das Material, die Herstellung, die Bearbeitung, die Farbe, die Form sowie die Qualität des Trägers und der Einlage, andererseits wird der Bezug zwischen Trägermaterial und Einlage, wie z. B. die Materialkombination, die herstel­ lungstechnischen, die materiellen Qualitätsunterschiede und ihre Verbindungsweise untersucht. Die Erforschung dieser beiden Eigenschaften der Arte­ fakte, ihre Ornamentik und ihre Technik, bildet also die Grundlage der folgenden Analysen. Wie werden jedoch diese Begriffe in der Forschung definiert und welche Wer­ tigkeit kommt ihnen zu? In der Regel ermöglicht die kombi­ nierte Erforschung ornamentaler und technischer Details einer Fundgruppe, komplexe Zusammenhänge des M etall­ handwerks kulturhistorisch zu deuten. Der methodische Zugang und die damit verbundenen Fragestellungen kön­ nen jedoch verschieden sein. Vier für diesen Bereich grund­ legende theoretisch-methodische Möglichkeiten werden daher im Anschluss vergleichend diskutiert, um ein Gerüst für die nachfolgenden Untersuchungen zu schaffen. Erst danach widmen w ir uns dem Untersuchungsmate­ rial, den awarenzeitlichen Tauschierarbeiten. Nach einem forschungsgeschichtlichen Überblick werden die Arte-

5 Heinrich-Tamaska, Avarkori ötvösmüvesseg 260-261. 6 Im MVFC wurde ein Fundstück aus (vermutlich) Paks untersucht (Abb. 71 der vorliegenden Arbeit), wobei man zu diesem Ergebnis kam (Born, Tau­ schiertechniken, 73, Abb. 68). Um diese Fundstücke umfassend behan­ deln zu können, müssen nicht nur die awarischen, sondern auch die ver­ gleichbaren Objekte aus anderen regionalen und zeitlichen Kontexten mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht werden.

11

fakte, nach ornamentalen und technischen Gesichtspunk­ ten getrennt, analysiert und mit zeitgleichem lokalen und externen Material verglichen. Eine ähnliche Auswertung erfahren in einem Exkurs die awarenzeitlichen Nielloarbeiten. Im Anschluss werden die so gewonnenen Ergebnisse gegenübergestellt, um zu sehen, inwiefern Verschiebun­ gen in der kulturellen Ableitung, Qualität und Umsetzung festzustellen sind. Auf dieser Basis soll versucht werden, neben der Chronologie und Genese auch über Produktion, Organisation und Absatz awarenzeitlicher Tauschierarbei­ ten zu diskutieren.

12

E in l e it u n g

2 Ornamentik, Stil -Technik, Technologie: Begriffsanwendung und Theoriebildung Ornamentale und herstellungstechnische Fundanalysen bilden seit jeher eine wichtige Grundlage der archäologi­ schen Interpretation. Beide Aspekte sind primäre Pfeiler für die Klassifizierung eines Fundes oder einer Fund­ gruppe. Es ist darüber hinaus je nach Fragestellung mög­ lich, beide Elemente auch kombiniert zu betrachten und auszuwerten.7 Trotz der üblichen Anwendung werden die hiermit verbundenen theoretischen und methodischen Fundamente zumindest in der kontinentalen, im Gegen­ satz zurangeisächsischen Literatur, vergleichsweise wenig diskutiert.8 Da die folgenden Untersuchungen der awarenzeitli­ chen Tauschierarbeiten sich weitgehend auf die Orna­ ment- und Technikanalyse konzentrieren, ist es unerläss­ lich, die Grundlagen einiger Theorien zu dieserThematik zu skizzieren. Im Folgenden möchten wir neben einer Klä­ rung der Begriffe auch die Tendenzen, die dem Verhältnis zwischen der Ornamentik und derTechnik nachgehen, aus forschungsgeschichtlicher Sicht werten. Danach werden einige Punkte detaillierter behandelt und im Sinne dieser Forschungsansätze vergleichend diskutiert. Zuerst nehmen wir die Abgrenzung und Bedeutung der Termini vor. „Technologie“ bedeutet im allgemeinen Sinne die Lehre von der Umwandlung von Rohstoffen in Fertig­ produkte und umfasst damit das Wissen um sämtliche zur Gewinnung und Bearbeitung oder Verformung von Stoffen nötigen Prozesse. Bei Anwendung auf den konkre­ ten archäologischen Gebrauch ermöglicht dieses Wissen die Rekonstruktion solcher Abläufe unter Berücksichti­ gung zeitgenössischer Möglichkeiten und Gegebenhei­ ten. Wird der Terminus „Technik" auf ein Fundobjekt bzw. eine Fundgruppe bezogen, schließt er das Wissen um das Material und die Herstellungsart dieser Gegenstände mit ein, um den Werkstoff zu bestimmen sowie die Formen und Schritte seiner Bearbeitung zu rekonstruieren. Die Technik bezieht sich demnach auf die Gesamtheit der Re­ geln und Verfahren einer handwerklichen Tätigkeit. Die Erkenntnisse können in beiden Fällen mit naturwissen­ schaftlichen Untersuchungsverfahren bereichert w er­ dend Eine Definition des Begriffs „Ornamentik" muss zu­ gleich eine Abgrenzung gegenüber dem häufig synonym

7 Eggert. Archäologie 123. 8 So beruht 2. B. die letzte Zusammenfassung zur Theorie der Stilanalysen allein auf Ergebnissen und Ansichten der angelsächsischen Archäologie. Vgl. Bernbeck, Theorien 231 ff. 9 Ähnlich beschreibt H.-G. Bachmann die Grundlagen und Ziele (Bach­ mann, Grundlagen).

verwendeten „Stil“ beinhalten.10 „Ornamentik" bezeichnet die gesamte Verzierung eines Gegenstandes und kann so­ wohl plastisch als auch zweidimensional auftreten.” Das Ornament ist das Einzelelement einer Darstellung. Unter Ornamentik hingegen wird die Komposition der Orna­ mente verstanden. In diesem Sinne ergibt sich eine Paralle­ lität zum Begriff „Stil", der jedoch in seiner Bedeutung über die Ornamentik hinausgeht. Sein wesentlicher Unter­ schied zur Ornamentik besteht in seiner Komplexität. Er unterliegt in den einzelnen Wissenschaften verschiedenen Betrachtungsweisen und wird dadurch mit differenzierten Bedeutungsinhalten gefüllt. Das Wort „Stil" hat sowohl ei­ nen griechischen (stylos) als auch einen lateinischen (stilus) Ursprung. Der erste bezieht sich auf die räumlich auf­ gebauten, der letztere auf die zeitlich geformten Künste. Diese doppelte Etymologie trennt den Raum und die Zeit voneinander.12 Im Wesentlichen kann „Stil“ sowohl indivi­ duelle als auch gruppenspezifische Eigenheiten umfassen. Er abstrahiert und interpretiert zugleich, so dass er damit überdie neutrale, beschreibendeOrnamentik hinaustritt.13 Nach einer kürzlich formulierten Definition wird „Stil" in der archäologischen Forschung „als die formale Variation von Umriss und Design eines Artefaktes [angesehen Anm. d. A.], die kulturelle Bedeutung trägt und die deshalb einer Form von symbolischer Kommunikation unter den Produzenten und Benutzern des Artefaktes dient, dabei aber unabhängig von seinem funktionalen Zweck oder Ge­ brauch ist".14 Im Folgenden werden vier grundlegende, teilweise transparente Richtungen innerhalb der Forschung zur Or­ namentik bzw. zum Stil und zur Technologie bzw. Technik kurz vorgestellt. Sie gehen auf unterschiedliche w issen­ schaftstheoretische Wurzeln zurück und vertreten abw ei­ chende Vorgehensweisen in Bezug auf das Verhältnis so­ wie die Deutung von Ornamentik und Technik. Es handelt sich erstens um die Kunsttheorien des 19. Jahrhunderts, zweitens um die Typologie bzw. Klassifizierung, drittens

10 Ein charakteristisches Begriffspaar aus der Frühgeschichte ist der ger­ manische Tierstil bzw. die Tierornamentik. Vgl. dazu RGA IV, 615 s. v. Chronologie (Jankuhn). 11 Hoops RGA III, 373 s. v. Ornamentik (Schuchhardt). 12 G, Kubier, Für eine reduktive Theorie des visuellen Stils. In: P. Pov - S. Radnöti (Hrsg.) Stilepochen: Theorie und Diskussion. Eine interdisziplinäre A n­ thologie von Winkelmann bis Kant (Frankfurt 1990) 677-689. hier 678-679. 13 Zusammenfassend vgl. Gombrich.St// 619ff. 14 Biehl - Gleser, Stilanalyse 151. Allerdings findet hier keine Auseinander­ setzung zwischen den Begriffen Stil und Ornamentik statt. Sie werden inhaltlich gleichwertig im Sinne des englischen Begriffs style verwendet (ebd.).

O r n a m e n t ik , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g ie : B e g r i f f s a n w e n d u n g u n d T h e o r ie b i ld u n g

V

13

um ethnoarchäologische Ansätze und viertens um die In­ formationstheorie bzw. die Semiotik. Die Vertreter der ers­ ten beiden Ansätze gehören dem deutschsprachigen und kontinentalen Raum an, wohingegen die letzten beiden Richtungen vor allem in der angelsächsischen Literatur diskutiert werden. Insgesamt kann man eine forschungs­ geschichtlich und methodisch bedingte Trennung zw i­ schen den kontinentalen und den angelsächsischen For­ schungsrichtungen feststellen. Die Kunsttheorien, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden, sind die ersten methodisch verbundenen Ansätze, die Ornamentik und Stilim Kontext ihrer Verwendung erfassen und ihre Beziehung zur M ate­ rie diskutieren.15 Grundlegend ist die detaillierte Ausei­ nandersetzung darüber, ob Ornamentik und Stil inhaltlich übereinstimmende oder voneinander unabhängig operie­ rende Begriffe sind. Wie bereits am Anfang definiert, kann die Ornamentik eine stärker eingrenzbare Verwendung im konkreten Sinne einer Verzierung finden, aber sie kann auch zu einer Ausdrucksform und zum Träger des Stils werden, wie Alois Riegl es deutet. Er betrachtet die Orna­ mentik als Stilträger, die sich von allem anderen, wie Funk­ tion, Material und Technik, unabhängig entwickeln konnte, als das Resultat eines bewussten zweckbestimm­ ten Kunstwollens.16 Hier tritt Stil in Form der Ornamentik als gestalterischer Faktor hervor, gegen zeitgleiche Theo­ rien, die Stil als gestaltfreien Stoffansahen. Dabei wird der Stil zum Produkt von Stoff und Technik, man fügt sich de­ ren inneren Forderungen. Bei Gottfried Semper und seinen Schülern wurde die Ornamentik als das Ergebnis einer Zweckfunktion eines gewählten Materials und einer Ver­ fahrensweise gesehen, die bei seiner Bearbeitung zur An­ wendung kommt. Die Ornamentik wird damit von ihrer Materie abhängig.17 In der klassischen Archäologie und der frühen Ur- und Frühgeschichtsforschung wurde diese Idee dertechnisch-materiellen Entstehung der künstlerischen Urformen eifrig aufgegriffen.18 Später übte auch Heinrich Wölffin in diesem Sinne einen entscheidenden Einfluss auf diese Fächer aus, indem er die Technik als den Beginn der „künstlerischen Sinnlichkeit" und die Materialwahl des Schöpfers als den Ausdruck seiner Formempfindung inter­

15 Zusammenfassend vgl. Kroll, Ornament 1987; Bernbeck, Theorien 231-237. 16 Riegl, Stilfragen. 17 G. Semper, Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik. Bd. 1-2 (München^ 1879); ders., Kleine Schriften. Hrsg. von H. Semper - M. Semper (Berlin-Stuttgart 1884). Für die ein­ seitige Beurteilung, die Gottfried Semper in der späteren Forschung erfuhr, vgl. Kroll, Ornament 4 9 ff. Ein weiterer namhafter Vertreter dieser Richtung war F. von Rumohr (vgl. dazu Heinz, Stil 212 ff.). 18 Für die klassische Archäologie vgl. B. Schweitzer - U. Hausmann, Das Problem der Form in der Kunst des Altertums. In: Allgemeine Grundlagen der Archäologie. Begriff und Methode, Geschichte, Problem der Form, Schriftzeugnisse (Neuauflage München 1969) 163-206. Für die Ur- und Frühgeschichte vgl. A. van Scheltama, Die altnordische Kunst. GrundPro­ bleme vorhistorischer Kunstentwicklung (Berlin 1923).

14

pretierte.19 In der späteren Entwicklung wurde allerdings immer mehr die gestalterische Seite des Stils hervorgeho­ ben, seine metaphysische Seite betont, was schließlich zu einer deutlicheren Trennung von Ornamentik und Stil führte.20 Der Begriff Stil konnte ab dann einerseits den in­ dividuellen Ausdruck des künstlerischen Schaffens be­ zeichnen, andererseits aber auch die typischen Züge einer Gruppe, einer Epoche umfassen und dadurch eine kollek­ tive Rolle bzw. einen kollektiven Inhalt präsentieren. Seine Abgrenzung erfolgte in der Regel durch die Suche nach Strukturen und Wesensgleichheiten, obwohl eine Selek­ tion, eine Vermeidung bestimmter Formen und Elemente, ebenfalls als Kriterium gelten durfte.21 In der Frühgeschichte wurde bisher dieser frühen, kunsthistorischen Zugangsweise insgesamt wenig Beach­ tung geschenkt, obwohl sie einen nützlichen herm eneuti­ schen Ansatz liefert.22 Die Ornamentik lässt sich demnach als eine abstrakte Umsetzung von äußeren und inneren Bildern der menschlichen W ahrnehmung verstehen, die sich in den Komplex „Stil" einfügen und sich darin m ani­ festieren und zum Symbol werden können. Die Komplexi­ tät und Vielfalt des Begriffs Stil im Gegensatz zur Orna­ mentik wird hier fassbar und lässt die Zurückhaltung der Frühgeschichtsforschung gegenüber seiner Verwendung erklären.23 Die Ornamentik kann zwar auch in der Archäo­ logie zum Stilträger erklärt werden, jedoch ohne eine me­ taphysische Auslegung im Sinne Alois Riegls, die keinen Eingang in die archäologische Theoriediskussion fand. Die Abgrenzung bzw. Selektion von Stilfaktoren ist dagegen ein weiteres Instrument, wie sie in abgewandelter Form auch bei der archäologischen Klassifikation vorkommt. Sie ist mit der kunsthistorischen Methode, die als verglei­ chende Stilkunde operiert, lediglich verwandt, aber nicht identisch.24 Für die archäologische Forschung ist bis heute die Typo­ logie bzw. die Klassifizierung eines der wichtigsten metho­ dischen Instrumente. Sie resultiert aus dem grundlegen­ den archäologischen Ziel, den chronologischen und regio­ nalen Rahmen eines Fundobjektes bestimmen zu kön­ nen.25 Aufgrund der Klassifizierung versucht man, lokale

19 Vgl. dazu M. Lurz, Heinrich Wölffin. Biographie einer Kunsttheorie (Hei­ delberg 1981). 20 Riegl, Stilfragen-, Kroll. Ornament 56ff. 21 Gombrich, Stil 627—631; Gombrich, Norm 162; Heinz, Stil 2ogff. Aller­ dings existieren auch Meinungen, die dieses Bedeutungsspektrum des Stils mehr einzugrenzen versuchen. Vgl. dazu ebd. 2i2ff. 22 Lediglich in der klassischen Archäologie kann man seine Einflüsse er­ kennen. Vgl. Anm. 18 der vorligenden Arbeit. 23 Vgl. Wicker, Archaeology-, Biehl - Gleser, Stilanalyse 151-152. 24 RGA IV, 615 s. v. Chronologie (Jankuhn); Gombrich, Norm 149ff. 25 Manfred Eggert weist darauf hin, dass das Wort „Typologie” im Zusam­ menhang mit Klassifizierung nicht verwendet werden sollte, da es „auf eindeutig evolutionistischen Prämissen beruht" (Eggert, Archäologie 133 ff.). Dagegen meint Reinhard Bernbeck, dass eine Differenzierung zwischen Klassifizierung und Typologie anhand archäologischer Litera­ tur schwierig und die Typologie lediglich unter den Oberbegriff „Klassi-

O r n a m e n t i k , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g ie : B e c r if f s a n w e n d u n g u n d T h e o r ie b i l d u n g

Chronologiesysteme aufzubauen. Diese beruhen im Früh­ mittelalter weitgehend auf Gräberfeldanalysen. Es wurde mehrfach auf die Tatsache hingewiesen, dass die Zeit, in der die dafür erarbeiteten Leittypen hergestellt wurden, daraus nicht ersichtlich wird, sondern lediglich die ihrer Deponierung in der Zeitspanne zwischen der Anlegung des ältesten und des jüngsten Grabes in einer Nekropole. Aus der Sicht einer Ornament- und Technikanalyse ergibt sich daraus folgender Schluss: Man schließt aus der Zeit der Deponierung auf dieTrage- und Herstellungszeit eines Objekts, obwohl dies auf der einfachen Annahme beruht, dass es unmittelbar davor entstanden sein muss.26 Die Klassifikation dient in der Regel der zeitlichen und der regionalen Herkunftsbestimm ung von Ornamentik und Herstellungsarten. Das archäologische Ziel ist, das Ur­ sprungsgebiet zu bestimmen und die Art der Kontakte aus kulturhistorischer Sicht zu rekonstruieren.27 So können un­ ter anderem Migrationen nachgewiesen werden. Orna­ mentale und technische Kontinuitäten zwischen den Abund Einwanderungsregionen können die Weiterführung von eigenen Traditionen unter neuen Einflüssen belegen oder zeigen, wie lokale Gewohnheiten mit den neuen, m it­ gebrachten Bräuchen verschmelzen.28 Falls im lokalen Fundgut Veränderungen auftreten, wird nach den G rün­ den gesucht, auf die technische Neuerungen und orna­ mentale Bereicherungen zurückgeführt werden können. Die Bestimmung d erfür die genannten Analysen nöti­ gen Kriterien einer Klassifizierung hängt einerseits von der Komplexität des Materials, andererseits von der Fragestel­ lung des Klassifizierenden ab29, wobei sich die Verbindung von Ornamentik und Herstellungstechnik meist als beson­ ders fruchtbar für eine Untersuchung erweist. Der Grund dafür liegt darin, dass es um die Gegenüberstellung von zwei Eigenschaften eines Artefaktes geht, wobei die Orna­ mentik gegenüber der Herstellungstechnik erfahrungsge­ mäß als besonders empfänglich gegenüber neuen Einflüs­ sen gilt.-30 Die mit der Klassifizierung verbundenen Probleme lie­ gen vor allem darin, dass eine Merkmalanalyse nach einer subjektiven Vorgehensweise erfolgt und eine Ordnung nach Objekteigenschaften kein eigenständiges Erklä­ rungsmodell liefern kann. Um zu einer Deutung gelangen zu können, wird zu Anfang eine durch die Fragestellung vorgegebene Hypothese benötigt.31 Die Aussagekraft der

fizierung" zu stellen sei (Bernbeck, Theorien 206 ff.). Vgl. weiterhin RGA IV, 6o8ff. s. v. Typologie (Korbei); R. Vossen, Klassifikationsprobleme und Klassifikationssysteme in der amerikanischen Archäologie. Acta Praehistorica 1 (1970) 29-79, hier 32ff. 26 Steuer. Bemerkungen; Eggert, Archäologie 2^6ff. 27 Dotzler, Ornament 20-21. 28 Zur archäologischen Nachweisbarkeit von Migrationen vgl. die Bei­ träge in Arch. Inf. 20/1 (1997). 29 Eggert, Archäologie 129-132. 30 Eggert, Archäologie 140. 31 Bernbeck, Theorien 22^ff.

Klassifizierung bleibt demzufolge begrenzt. Im Vergleich zur kunsthistorischen Methode zeigt sich, dass dort die zeitliche Gliederung des Materials lediglich der Klärung der Grundlagen dient, um die Erkenntnisse des künstleri­ schen Wollens und seiner W andlungen rekonstruieren zu können. In der Frühgeschichtsforschung wird die chrono­ logische Ordnung des Materials hingegen häufig zum pri­ mären Ziel erhoben.32 Trotz der Suche der kontinentalen Archäologie nach kul­ turhistorischen Deutungsmodellen wurde die Rekonstruk­ tion der Vorgänge und Prozesse, die sich hinter dem M ate­ rial verbergen können, erst in der angelsächsischen Litera­ tur zum zentralen Punkt der Forschung erhoben. Die fol­ genden zur Diskussion stehenden ethnoarchäologischen und informationstheoretischen sowie semiotischen An­ sätze brachten eine neue, von den bis dahin vorherrschen­ den Ansichten abweichende Bedeutung in die Stildiskus­ sion ein. Von der angelsächsischen „new archaeology" ausgehend, wurde zum ersten Mal eine Loslösung von der konventionellen verstehend-hermeneutischen Tradition der Kunstwissenschaften spürbar.33 Die angelsächsische Diskussion um den Begriff style umfasst ein insgesamt breiteres Anwendungs- und Bedeutungsfeld als die deut­ schen Bezeichnungen „Stil" oder „Ornamentik". Dort w er­ den unter dem Terminus material style sämtliche Artefakt­ eigenschaften, darunter auch die Ornamentik und die Technik, mit berücksichtigt.34 Die entsprechenden ethnoarchäologischen Ansätze nahmen ihren Anfang in den Arbeiten der so genannten „Keramiksoziologen“ der angelsächsischen Forschung. Sie haben durch empirisch-ethnographische Studien die Dis­ kussion um den Begriff style bereichert, da sie von einer so­ zialen Fragestellung ausgingen, wobei style als Teil eines durch Gesellschaftsstrukturen bestimmten oder sie be­ stimmenden Phänomens angesehen wird.35 Die Übertra­ gung der Ergebnisse auf das archäologische Fundgut er­ folgt durch Analogiebildung.36 Das Verhältnis von style zur Technologie wurde unterschiedlich beurteilt. Lewis R. Binford sah style als ein von technischen und funktionalen Va-

32 RGA IV, 615 s. v. Chronologie (J. Jankuhn). 33 Es gibt auch eine so genannte „new art history", die mit ähnlichen kul­ turanthropologischen Ansätzen durchdrungen ist, die jedoch, von eini­ gen Ausnahmen abgesehen, von hieran die archäologische Diskussion nicht grundlegend mitprägten [Wicker, Archaeology 67. Anm. 41; K.-H. Meyer, Semiotik, Kommunikationswissenschaften und Kunstgeschichte. Hephaistos 1 (1979) 7-41]. 34 Es werden sämtliche Eigenschaften eines Objektes untersucht (Funk­ tion, Herstellung, Material, Ornament etc.) Ein einzelnes Artefakt kann zwar den Stil tragen bzw. manifestieren, aber nicht konstruieren. Eine ausführliche Definition findet sich dazu bei Ch. Carr, A Unified MiddleRangeTheoryofaArtifactDesign. In:Ch.Carr —J. E. Neitzel (Hrsg.),Style, Society, and Person. Archaeological and Ethnological Perspectives (New York-London 1995) 151-170, hier 164-167. 35 Bernbeck, Theorien 238fr. 36 Bernbeck, Theorien 238ff. Zur Analogie vgl. ebd. 85ff.; Eggert, Archäolo­ gie 322 ff.

O r n a m e n t ik , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g i e : B e g r i f f s a n w e n d u n g u n d T h e o r i e b i l d u n g

\

15

riationen unabhängiges Phänomen an.37 Weitere M einun­ gen gingen von einem hierarchischen Wechselverhältnis zwischen den beiden Bereichen aus. Man könnte Technik als Bestandteil des Stils deklarieren?8 oder umgekehrt den Stil in die Technik einbetten, also zu deren Teilbereich w er­ den lassen.39 Insgesamt sind es Ansätze, die stark an die bereits skizzierten frühen Kunsttheorien erinnern. In der prozessualen Archäologie wurde die praktische Seite des Stils hervorgehoben. Im Gegensatz zu früheren Ansichten, die den Stil als passiven Bestandteil bzw. Zu­ satzfaktor solcher Prozesse auffassten, ging der Grundge­ danke von seiner aktiven sozialen Rolle aus, wie er als Vermittlervon Informationen eingesetzt werden konnte.40 Als Konsequenz sollte er als eine Form gesellschaftlicher Kom­ munikation gelten. Stil als Objektstil wird damit in der pro­ zessualen Archäologie als Zeichen bzw. Text lesbar: Einer­ seits mit einer kulturhistorischen Zielsetzung, um vergan­ gene Lebensformen rekonstruieren zu können, anderer­ seits mit einer soziologischen Absicht, um Prozesse zu er­ fassen, die helfen können, kulturellen Wandel zu erklä­ ren.41 In mehreren Zusammenhängen wurden in den ethnoarchäologischen Arbeiten die Begriffe „Information", „Kommunikation", „Zeichen" bzw. „Code" erwähnt.42 Ihre Anwendung geht sowohl terminologisch als auch metho­ dologisch auf die Informations- und Kommunikations­ theorien sowie auf die Semiotik zurück 43 Die Informati­ onstheorien verhelfen der Archäologie dazu, ihre Objekte als Mittel von Austauschprozessen zu betrachten. Der ar­ chäologische Fund wird als Kommunikationsmittel in ei­ nen Kontext gestellt, bei dem er als Informationsträger fungiert. Vor allem in nicht schriftlichen Gesellschaften kann z. B. ein Musterschatz das Mittel zwischen Sender und Empfänger, also zum Vermittler von Botschaften w er­

37 L. R. Binford, Archaealogical Systematics and the Study ofCulture Process. American Antiquity 31,2 (1965) 199-210, hier 199-203; L. R. Bin­ ford - S. R. Binford, A Preliminary Analysis ofFunctional Variobility in the Mousterian ofLevallois Facies. American Antnropologist 68, 2 (1966) 238-295, hier 245t 38 H. Lechtmann, Style in Technology-Some Early Thougths. In: H. lechtmann - R. S. Merill (Hrsg.), Material Culture: Style, Organisations, and Dynamics o f Technology (St. Paul 1975) 5ff., hier 6; J. R. Sackett. Style. Function, and Assemblage Variability: A Reply to Binford. American Anti quity 51,3 (1986) 628-634, hier 630. 39 J, R. Sackett, The Meaning o f Style in Archaeology: A General Model. American Antiquity 42,3 (1977) 369-380; ders., Approaches to Style in LithicArchaeology Journal of Anthropological Archaeology 1,1 (1982)

den.44 Dieser Ansatz wurde jedoch seitens der postprozes­ sualen Archäologie kritisch gesehen. Hier geht man davon aus, dass style nicht allein funktionell betrachtet werden kann und nicht in jedem Fall einen Zeichensatz überliefert.4^ Demzufolge sind solche kommunikativ nicht entzif­ ferbaren Stilelemente als „passiv" zu bezeichnen. Sie w er­ den zwar nachgeahmt, aber nicht bewusst für eine Nach­ richtenübertragung genutzt.46 Diese Unterscheidung zwischen einer aktiven und einer passiven Variante von style wird in der Literatur mit ver­ schiedenen Begriffen belegt. Die aktive Rolle wird als „emblematic" oder „ikonologisch", die passive dagegen als „assertive" oder „isocrestic" bezeichnet47 Die erste trägt kon­ kret fassbare Informationen, die durch die „aktive“ Rolle des Individuums beeinflusst werden, um diesem so eine eigeneodereinesoziale Identität zu verschaffen. In diesem Zusammenhang wird Stil nachgeahmt, ignoriert oder um ­ gearbeitet, im Sinne der Inform ation exchange theory. Un­ ter dem passiven Stilverhalten wird hingegen ein durch Lernen und Nachahm ung erworbenes Wissen verstanden, das keine subjektiven Aspekte zum Ausdruck bringt. Hier steht style für das Tradieren eines kulturellen Kontextes.48 Die genannten Ansätze verdeutlichen einen neuen her­ m eneutischen Zugang zur Frage der Deutung von style und ihren Trägern dadurch, dass sie die Eigenschaften der Artefakte als aktive Glieder einer Gesellschaftsrekonstruk­ tion zu deuten versuchen. Die Modelle der angelsächsi­ schen Forschung beruhen weitgehend auf ethnologischen Fallbeispielen und wurden durch Analogien auf das ar­ chäologische Fundgut übertragen, die jedoch grundsätz­ lich als Hypothesen anzusehen sind. Die Deutung mit ihrer Hilfe kann mit der archäologischen Interpretation gleich­ gesetzt werden.49 Vergleicht man die kunsthistorischen, die typologischen und die angelsächsisch geprägten Betrachtungs­ weisen miteinander, wird ein Unterschied zwischen der Verwendung der Begriffe „Ornamentik" und „Stil“ deut­ lich. Abgesehen von den hiermit verbundenen sprachli­ chen Abweichungen kann der Begriff „Stil“ dann verwen­ detwerden, wenn man ihn als Bedeutungsträger von Iden­ titäten, Ideen und Denkweisen ansieht. Diese müssen sich nicht allein in der Ornamentik manifestieren, sondern kön­ nen andere Eigenschaften eines Fundes oder einer Fund­ gruppe umfassen. Solange aber diese Bezüge von Stil nicht ersichtlich sind, erscheint die Verwendung des Begriffs „Ornamentik" empfehlenswert.

59-H 2. 40 Bernbeck, Theorien 238. 41 Ch. C arr-J. E. Neitzel, Approaches to Material Style. In: Ch. C arr-J. E. Neitzel (Hrsg.), Style, Society, and Person. Archaeological and Ethnölogical Perspectives (New York-London 1995) 3-20, hier 8. Zur Kritik der poststrukturalistisehen Seite vgl. Bernbeck, Theorien 289. 42 Bernbeck, Theorien 238ff. 43 Vgl. dazu A. A. Moles, Informationstheorie und ästhetische Wahrneh­ mung (Köln 1971); U. Eco, Einführung in die Semiotik (München 1972) 293ff.; Wobst, Stylistic 327.

16

44 Für Beispiele vgl. Bernbeck, Theorien 241-243. 45 Bernbeck, Theorien 271 ff. 46 J. R. Sackett, Style and ethnicity in archaeology: the case o f isochrestism. In: M. W. Conkey - Ch. A. Hastorf (Hrsg.), The uses o f style in archaeology (Cambridge 1990) 30-35. 47 Zusammenfassend vgl. Biehl - Gleser, Stilanalyse 155-154, Abb. 1. 48 Ebd. 49 Eggert, Archäologie 322-325.

O r n a m e n t i k , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g ie : B e g r i f f s a n w e n d u n g u n d T h e o r ie b i l d u n g

Wenn man diese Ansätze unter dem Aspekt des Ver­ hältnisses zwischen Ornamentik und Technik abwägt, lässt sich feststellen, dass die beiden wiederholt in eine hierarchische Beziehung gesetzt werden. Entweder besitzt die Ornamentik gegenüber der Technik eine Priorität oder umgekehrt, sie ordnet sich ihr unter. Die Auslegung dieser Beziehung hängt im Einzelnen mit dem wissenschafts­ theoretischen Hintergrund der Betrachtung zusammen: In den typologisch geprägten Ansätzen wird das Verhältnis unter Berücksichtigung der Frage der Genese entschieden. In den Kunsttheorien bekommt die Technik gegenüber dem metaphysischen Stilbegriff in der Regel einen prakti­ schen, funktionellen Sinn. In der angelsächsischen Litera­ tur werden Technik und Ornamentik in wechselndem Ver­ hältnis im Rahmen des Begriffes style diskutiert und nach ihrem sozialen und kommunikativen Wert befragt. Im Folgenden möchten wir versuchen, den Gegensatz innerhalb der einzelnen dargestellten Forschungsrichtun­ gen und ihre Folgen für die Vorgehensweise am Beispiel zweier Bereiche detaillierter zu diskutieren und zu verglei­ chen: erstens das Verständnis von Ornamentik und Tech­ nik innerhalb der genannten Deutungsmodelle, und zwei­ tens eine zentrale archäologische Thematik, nämlich den Transfer von Musterschätzen, Rohstoffen und technischen Kenntnissen sowie der Technologie. Bei der Analyse der Ornamentik und Technik stellt die zeitliche, räumliche und inhaltlich-sinntragende Rekon­ struktion eines Artefaktes bzw. einer Fundgruppe das pri­ märe archäologische Ziel dar. Diese drei Ebenen - Zeit, Raum und D eutung/B edeutung-stehen zueinander in ei­ ner Wechselwirkung. Sie können zugleich nach dem fol­ genden Modell (Abb. i) auf eine doppelte Betrachtungs­ weise des Fundes in der Vergangenheit und in der Gegen­ wart hindeuten. Der Interpret von heute und der Schöpfer von gestern haben jeweils einen anderen Bezug zur Be­ deutung und zum Raum, dersich zugleich unterschiedlich auf sie auswirkt.50 Von einem gegenwärtigen Kontext aus­ gehend, stehen für den Interpreten zunächst andere Er­ schließungsprioritäten im Vordergrund als die, die zur Ent­ stehungszeit des Produktes für den Hersteller und für den Träger ausschlaggebend waren.51 Dieser Wirkungskreis be­ stimmt die Diskrepanz zwischen der damaligen Bedeu­ tung und der heutigen Auslegung der Objekteigenschaf­ ten.52 In diesem Sinne unterscheidet Andre Grabar zw i­

50 Vgl. dazu Manfred Eggerts Zeitkonzepte (Eggert, Archäologie 146 ff.). 51 Die Frage der Auslegung wurde vor allem seitens der poststrukturalistischen Archäologien thematisiert. Gegenüber lan Hodders Behaup­ tung, man könne materielle Kultur als Text lesen, wurde darauf hinge­ wiesen, dass die Vergangenheit weitgehend den Interessen der Gegen­ wart unterliegt (zusammenfassend vgl. Bernbeck, Theorien 289). 52 Der Raum und die Zeit bestimmen das Verhältnis zur Bedeutung. Ein Ansatz, der in der klassischen Archäologie bereits bei der Interpretation griechischer Formstrukturen angewendet wurde. Beide Begriffe sind in der kunstwissenschaftlichen Archäologie bedeutend, ihr jeweils an­ ders aufgefasstes Verständnis hat in der Deutungspraxis zu zahlrei-

schen einer „pre-history“ und einer „post-history" eines Gegenstandes. Zur ))pre-history"-Phase gehört alles, was vor dem Moment seiner ersten Erscheinung und Nutzung geschieht: „It includes its techniques of manufacture, the social and cultural contexts which affected it, the practices and aims of its artists, the ambitions and resources of its patron, the model it used, and the identification of its time and place."53 Die „post-history" eines Artefaktes beginnt dagegen „with the first reaction of the first person to see orto use it“ und dauert untereinem ständigen Wechsel bis in die Gegenwart an.54 Die Analyse der Ornamentik ist aus der Sicht der heuti­ gen Auslegung zunächst abhängig von ihrer Bestimmung als Typ oder Zeichen. Definiert man sie als Typ, bildet sie den Teil einer typologischen Analyse. Es wird nach einer mechanischen Struktur in der Ornamentik gesucht, um sie in einen zeitlich-räumlichen Kontext stellen zu können.55 Betrachtet man sie dagegen als Zeichen, so wendet man sich ihrer kulturanthropologischen, sozialen, kommunika­ tiven und symbolischen Deutbarkeit zu, die sie übermit­ teln kann.56

Raum

Bedeutung

Zeit

Deutung

A BB. 1

Bezugspunkte eines Objektes zwischen Raum, Bedeutung/Deutung und Zeit

Auch die Technik kann nach dem gezeigten Modell (Abb. i) in einer räumlich, zeitlich und inhaltlich bestim m ­ ten W echselwirkung stehen. Demnach ist für die Herstel-

53

54 55 56

chen Missverständnissen geführt [A. Bornbein, Rezension zu U. Haus­ mann (Hrsg.), Allgemeine Grundlagen der Archäologie. Gnomon 44 (1972) 280-300, hier 295]. Vgl. U. Veit, Texte und Spuren: Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie zwischen Verstehen und Erklären. In: M. Heinz - M. K. H. Eggert U. Veit (Hrsg.), Zwischen Verstehen und Erklären? Beiträge zu den er­ kenntnistheoretischen Grundlagen archäologischer Interpretation. (Münster-New York-München-Berlin 2003) 9 7-n i, hier 102; A. Grabar, Different but compatible ends. Art Bull. 76 (1994) 397 Ebd. Dotzler, Ornament i7ff. Bernbeck. Theorien 238 ff.

O r n a m e n t ik , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g ie : B e g r i f f s a n w e n d u n g u n d T h e o r i e b i l d u n g

17

lungstechnik und das Material - zusammen als physische Träger der Ornamentik bezeichnet-auch entscheidend, ob sie in einem typologischen oder inform ationstheoretisch­ sozialen Kontext behandelt und gewertet werden. G rund­ sätzlich ist zu bedenken, dass zwischen diesen Bereichen ein enges kontextbezogenes W echselverhältnis besteht.57 Das Material für sich betrachtet gibt zunächst Informa­ tionen über den Rohstoff, und zwar über seine Art, Her­ kunft und Zusammensetzung. Diese Kenntnisse erlangt man am genauesten mit der Durchführung naturw issen­ schaftlicher Analysen.-58 Sie können Teil der Klassifizierung sein und damit eine anschließende kulturhistorische Deu­ tung mit beeinflussen.59 Man kann jedoch das Material auch für sich betrachtet nach seinem Informationsgehalt in dem jeweiligen Kontext befragen: Der Rohstoff kann un­ ter verschiedenen zeitlichen, räumlichen und kulturellen Umständen Unterschiede in seiner Wertung haben. Dem­ nach schreibt man in verschiedenen Zeitkontexten den einzelnen Materialien eine wechselnde Rolle zu, je nach­ dem, ob sie der Repräsentation materiellen Wohlstands oder sozialen Ansehens dienten60 oder ob sie auch nach ihrer Herkunft gewertet werden 61 Gleichzeitig können die Eigenschaften des Materials selbst, wie Farbe, Härtegrad oder Form, Auskunft über die semiotisch-symbolische Be­ deutung geben.62 Die Aspekte der Herstellung lassen sich ähnlich glie­ dern. Zunächst präsentiert sie technische Eigenheiten von Artefakten und kann somit Teil einer Klassifizierung sein. Allerdings eignen sich Betrachtungen, bezogen auf die Be­ arbeitung, nur selten für die Erstellung von Typologierei­ hen, da Herstellungstechniken in der Regel über einen kon­ stanten und nicht zeitlich und/oder räumlich eingrenzbaren Anwendungsbereich verfügen. Falls es aber dann zu Veränderungen kommt, wird die Erfassung von techni­ schen Innovationen, ihre Herkunft und die Art der Vermitt­ lung für eine kulturhistorische Interpretation grundle­ gend.63 Auf der anderen Seite verkörpert die Herstellungs­ technik durch das Können des Schöpfers individuelle und soziale Werte. Diese können sich entweder in Form von Unterschieden in der Qualität oder in der Wahl der Her-

57 Die stoffliche Zusammensetzung der Fundstücke sollte z. B. nicht iso­ liert bewertet werden, sondern stets mit Bezug zur Herstellungstech­ nik. Vgl. dazu Bachmann. Grundlagen 17-18. 58 Z. B. Bachmann, Grundlagen; Riederer, Archäologie 14IT.; Ch. J. Raub, Was kann der Archäologe von der Metallkunde erwarten? Fundber. aus Baden-Württemberg 10 (1985) 343-365. 59 Ebd. 60 So muss die Wertigkeitsstufe von Bronze in der Frühbronzezeit anders beurteilt werden als z. B. in der Spätawarenzeit. 61 Theophilius Presbyter unterscheidet z. B. mehrere Goldarten nach ihrer Herkunft und bewertet sie auch unterschiedlich (Brepohl, Theophilus Kap. 46-4749)62 Chritopher Carr betrachtet solche Eigenschaften als Beispiele für eine „absolute physical visibility (AP visibility)" (Carr, Middle-Range Theory 188). 63 Vgl. z. B. Bachmann, Grundlagen-, Riederer, Archäologie 16ff.

18

Stellungstechnik oder aber in der Stellung der Produzenten innerhalb der Gesellschaft äußern.64 Material, Herstellungstechnik und Ornamentik m itei­ nander kombiniert, bilden wichtige Typenmerkmale im Rahmen einer Klassifizierung. Ihre Erforschung dient in der Archäologie hauptsächlich dem Zweck, Rohstoff-, Lieferan­ ten- und Werkstattkreise erfassen zu können. Daran ge­ bunden ist die Frage nach der Genese von Innovationen, das heißt, ob sie lokalen oder importierten Charakter ha­ ben. Die Art eines solchen Ornament- und/oder Technolo­ gietransfers manifestiert sich zuerst in der eben erwähn­ ten, geografischen Herleitung des Neuen, gebunden an die Erschließung der Formen dieses Prozesses. Wie wurden fremde Motive und technische Kenntnisse übernommen und verinnerlicht? Sind die Produzenten oder nur das W is­ sen importiert worden? Falls das letztere zutrifft, stellt sich als nächste Frage, auf welche Art dieses Können weiter­ gegeben wurde?65 Im Allgemeinen kann man den Begriff „Ornament- und Technologietransfer" für einen Austausch verwenden, bei dem eine der beteiligten Parteien durch neue Kenntnisse bereichert wird.66 Die Art dieses Austau­ sches ist vielfältig und kann punktuell individuell genauso gut ablaufen wie breit angelegt und organisiert 67 Das Ziel einer kulturanthropologischen Deutung ist, dabei den Pro­ zess selbst zu untersuchen: im Rahmen der beteiligten Per­ sonen und unter dem Aspekt, dass dem Gegenstand eine aktive Rolle innerhalb eines Sozialgefüges zukommt. Wie kann die Vermittlung solcher Kenntnisse und For­ men im archäologischen Fundgut erfasst werden? G rund­ sätzlich wird bei der Klassifizierung anhand ausgewählter Fundgruppen die Kontinuität oder Diskontinuität von Musterschätzen und/oder technischen Fähigkeiten über­ prüft. Falls sie sich nicht verändern, weisen sie auf die W ei­ tergabe einerTradition hin. Treten jedoch Neuerungen auf, liegt eine Rezeption vor. Hinter den Ausdrücken „Tradition" und „Rezeption" verbirgt sich die Frage nach der Art und dem Grund für Beständigkeit oder Veränderung.68 Das Tra­ dieren von Wissen erfolgt in einem länger andauernden Prozess. Eine Neuerung tritt dagegen kurzfristig auf, um aufgenommen oder verworfen zu werden. Sie wird selek­ tiert.69 Diese Unterscheidung erinnert an das hier bereits

64 Vgl. dazu P. Lemmonnier, Elements fo r an Anthropology o f Technology (Michigan 1992) 79 fr 65 Vgl. z. B. Werner, Metallarbeiten 65-92; Claude, Handwerker. 66 Uwe Voß versteht den Technologietransfer als einen Ausdruck, der im heutigen Sinne eine geplante „vertraglich vereinbarte Weitergabe von technischem Wissen" ausdrückt, der auf die von ihm untersuchte Zeit­ periode nicht kompromisslos anwendbar wäre [H.-U. Voss, Zum Ver­ gleich römischer und germanischer Feinschmiedetechnik anhand ausge­ wählter Sachgüter. H.-U. Voss - P. Ham m er-J. Lutz, Römische und ger­ manische Bunt- und Edelmetallfunde, ßer. RGK 79 (1998) 307-313, hier 312]. Zu Innovationen vgl. Burmeister, Innovation 241 ff. 67 Werner, Metallarbeiten. 68 Biehl - Gleser, Stilanalyse 152. 69 Braun, Style 125fr. Vgl. weiterhin Heinrich-Tamaska, Satins Tierstil II.

O r n a m e n t i k , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g ie : B e g r i f f s a n w e n d u n g u n d T h e o r ie b i l d u n g

Beobachter/Milieu

Senderebene Abb. 2

Mögliche Interaktionen der Typenmerkmale im Kontext der Akteure

diskutierte Verständnis von aktivem und passivem Stilver­ halten in der angelsächsischen Literatur. Eine Art der Veränderung ist auch die Imitation. Sie be­ zieht sich in der gängigen archäologischen Anwendung auf die Nachbildung eines Objektes nach einem Vorbild, entweder aus lokalem oder aus fremdem Repertoire. In der typologischen Forschung werden Nachahmungen sowohl des Motivs als auch der Herstellungstechnik und des Mate­ rials durch den Qualitätsunterschied vom Original fass­ bar.70 Die Imitation kann in beliebiger Kombination aller drei Aspekte (Ornament, Material, Herstellung) erfolgen. So kann z. B. ein Motiv durch eine andere Herstellungstech­ nik oder umgekehrt die Bearbeitungstechnik durch stilisti­ sche Entwürfe nachgeahmt und damit verändert werden, ohne die eindeutigen Bezüge zum Vorbild zu verlieren.71 Bei der Vermittlung von Innovationen kann zwischen drei Stufen differenziert werden, die den Grad des Fort­

70 Die allgemeine Annahme ist, dass die weniger qualitätsvollen Objekte die Nachahmungen sind. Anders sieht es aber aus, wenn dieselbe Or­ namentik in einer anderen Technik ausgeführt wird. Wenn man z. B. annimmt, dass die Zahnschnittornamentik eine Imitation eines Tau­ schiermusters ist, dann ist gleichzeitig zu akzeptieren, dass die „imitie­ renden" Gegenstände einen zumindest vom Material her höheren Stellenwert besitzen. Vgl. dazu Heinrich-Tamaska, Avarkori ötvösmüvesseg. 71 Braun, Style 131; Heinrich-Tamaska, Salins Tierstil II.

schritts bei diesem Prozess widerspiegeln: Erstens der Transfer, wobei die beteiligten Parteien, die gebende und die übernehmende, und die Art der Übermittlung erfasst werden müssen, zweitens die Übernahme selbst, ihre Gründe sowie Form und Umsetzung, und drittens die Vereinnahm ung, bei der die Frage nach der Art der Eingliede­ rung in den neuen Kontext gestellt werden muss. Bei jeder Stufe muss die Mehrgleisigkeit des Ablaufs zwischen Sichtbarem, der Ornamentik, und Unsichtbarem, dem In­ halt, bewusst bleiben. Es kann z. B. ein Motiv zwar verin­ nerlicht worden sein, sein Inhalt jedoch nicht übernom­ men werden. In diesem Fall bekommt die optisch überein­ stimmende Ornamentik in den verschiedenen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen.72 Diese Prozesse verlaufen nach der Informationstheorie in einem Kontext der beteiligten Akteure: zwischen einer Sender- und einer Empfängerebene, zwischen Auftragge­ ber, Produzent, Träger sowie Beobachter und M ilieu.73 Sie stellen unterschiedliche Bezüge eines Individuum s oder ei-

72 H. Vierck, Mittel- und westeuropäische Einwirkungen a uf die Sachkultur von Haithabu/Schleswig. In: Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen an Siedlungen im deutschen Küstengebiet. Bd. 2: Han­ delsplätze desfrühen und hohen Mittelalters (Wein heim 1984) 366-422, hier 374ff.; Heinrich-Tamaska, Salins Tierstil II. 73 Eco, Sem/oMn 34 ff.

O r n a m e n t ik , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g i e : B e g r i f f s a n w e n d u n g u n d T h e o r i e b i l d u n g

19

ner Gruppe zueinander und zum Gegenstand dar (Abb. 2). Aus Sicht der Semiotik bedeutet dies, dass ein Zeichen sich aus einem Signifizierenden (dem Bezeichnenden) und ei­ nem Signifikanten (dem Bezeichneten) zusammensetzt.74 Die Rollen innerhalb dieses Gefüges sind austauschbar. Der Besteller kann z. B. mit dem geistigen und/oder hand­ werklichen Produzenten des Stücks identisch sein. In die­ sem Falle liegt eine Produktion für den allgemeinen Markt vor. Es ist jedoch auch eine absolute Diskrepanz zwischen Auftraggeber und Schöpfer möglich, oder der spätere Trä­ ger kann neben dem Auftraggeber und Hersteller noch eine dritte Person (Träger) sein. Die Herstellung des Gegen­ standes kann auf konkreten Wunsch des Auftraggebers er­ folgen; falls nicht, wird dem Produzenten die Freiheit des Entwurfs überlassen. Durch das Tragen bzw. Nutzen des Objekts erfolgt eine Vermittlung der Objekteigenschaften nach außen. Auch mit einer bewussten Übergabe eines Gegenstands an eine weitere Person werden zwischen den beteiligten Parteien Informationen ausgetauscht, die je nach ihrem Verhältnis zum Stück unterschiedlich sein können. Die visuell fassba­ ren Typenmerkmale eines Objektes besitzen bei der Über­ gabe einen Inhalt, sie symbolisieren die Mitteilungen des Gebers an den Träger. Inwiefern sie jedoch für diesen ver­ ständlich sind, hängt wiederum von der Beziehung der beiden Seiten zueinander ab. Ebenso verhält es sich mit dem Verständnis im Beobachtermilieu gegenüber der In­ formationsverm ittlung des Trägers, die er durch das Objekt präsentiert.75 Für die Wahrnehmung eines Objekts als Träger von In­ formationen durch seine Umgebung ist auch seine opti­ sche Distanz zu diesem Umfeld von Bedeutung. Man nimmt z. B. an, dass die Art der Visualität stilistischer Merkmale und die Wahrscheinlichkeit ihrer Nutzung für verschiedene kommunikative Nachrichten stark voneinanderabhängigsind. Es bedeutet: Je mehr optische Attribute wahrgenommen werden können, desto deutlicher wird ihre soziale Aussagekraft. Gleichzeitig heißt es auch, dass die leichter entschlüssel- und begreifbaren Merkmale besse rfü re in e Interaktion zwischen Individuen und sozialen Einheiten geeignet sind.76 Ein weiteres Modell versucht, Fundobjekte nach den perspektivischen Erkenntnisfolgen des menschlichen Be­ obachters zu werten. Je nach persönlichen Voraussetzun­ gen und äußeren Umständen werden die Merkmale und Eigenschaften eines Gegenstandes früher oder später in die W ahrnehmung eines Beobachters integriert. So erfolgt eine stufenweise Vermittlung der einzelnen Eigenschaf­ ten. An erster Stelle erkennt man das Ensemble, die Umge­ bung des Artefaktes. Das ist mit der Feststellung verbun­

74 Burmeister, Innovation 242. 75 Ebd. 76 Wobst, Sylistic327t

20

den, ob das Objekt kontextgebunden oder kontextunab­ hängig auftritt. Anschließend tritt die Form des Artefaktes und seine Nutz- bzw. Trageweise hervor, was zugleich auch Rückschlüsse auf seine Funktion ermöglicht. Erlaubt die Form des Gegenstands eine Aussage in Bezug auf die Ver­ zierung, wie z. B. eine eberkopfförmige Riemenzunge, wird bereits dadurch die Ornamentik wahrgenommen. Zu­ gleich werden Farben registriert, die entweder mit einem Material oder mit einer gewissen Symbolik oder mit bei­ den assoziiert werden können. In der Regel können Orna­ mentik ebenso wie Art und Qualität der Herstellung nur bei näherer Betrachtung erkannt werden.77 Dieses Modell auf archäologische metallene Trachtbestandteile ange­ wendet, erlaubt in einzelnen Fällen eine optische Priori­ tätsliste aufzustellen. So sieht man zuerst den Gürtel, dann die Form seiner Bestandteile, dann ihre Ornamentik, Farbe und zuletzt ihre Herstellungstechnik. Die hier angesprochenen Ansätze über die Vermittlung von Musterschätzen konzentrieren sich einerseits auf die Erfassung von deren Ursachen und Formen, andererseits auf die Erschließung des Kontextes, in dem die Artefakte ursprünglich agierten bzw. wirkten. Fürdie Rekonstruktion dieser komplexen Zusammenhänge ist es notwendig, mit theoretischen Modellen zu arbeiten, die ein Grundgerüst fü rd ie Interpretation bieten können. Die einzelnen hier diskutierten Modelle lassen sich nach den anfangs darge­ stellten Richtungen unterscheiden, wobei hier aus dem Bereich der Informationstheorie die wichtigsten und zu­ gleich innovativsten Anregungen stammen. Die dargestellten Forschungsansätze zur Bedeutung der Ornamentik und der Technik innerhalb der einzelnen Forschungsrichtungen und zur Frage der Vermittlung und der Imitation verdeutlichen, dass damit komplexe Prozesse erfasst und verstanden werden können. Je nach Kontext und methodischer Vorgehensweise werden bereits die Be­ griffe selbst wie „Ornamentik", „Stil" und „Technik" anders beurteilt und stehen zunächst unter den unterschiedlich geprägten Zielsetzungen des Interpreten. Es zeigt sich also, dass den für uns relevanten Bereichen wie Material, Herstellungstechnik und Ornamentik bei der Deutung je nach Betrachtung eine unterschiedliche Gewichtung so­ wie ein unterschiedlicher Informationsgehalt zukommen können. Sie können entweder für eine klassifizierende Analyse herangezogen werden und, darauf basierend, An­ haltspunkte für eine kulturhistorische Deutung liefern oder als Boten in einem Austausch von Informationen ver­ standen werden, deren Rolle und Bedeutung es abzuleiten gilt. Obwohl diese Ansätze mit unterschiedlichen metho­ dischen Vorgehensweisen einhergehen, können sie sich auch gegenseitig neue Anregungen liefern. Eine kulturhis­ torische Deutung kann z. B. mehrere Aspekte aus dem ße-

77 Carr, Miadle-Range Theory 187ff.

O r n a m e n t i k , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g ie : B e g r i f f s a n w e n d u n g u n d i h e o r i e b i l d u n g

reich der Informationstheorie übernehmen und verwer­ ten. Ebenso können Ansichten aus kunsthistorischen Theorien neue Ideen für das Verständnis und die Deu­ tungsbreite von Ornamentik im Gegensatz zum Stil erge­ ben. Dabei eine Klassifizierung als Grundlage zu nehmen, bedeutet, sich auf eine subjektive Auswahl an Kriterien im Rahmen einer Untersuchung zu beschränken.

O r n a m e n t i k , S t i l - T e c h n i k , T e c h n o l o g ie .- B e g r i f f s a n w e n d u n g u n d T h e o r ie b i l d u n g

21

3 Forschungsüberblick

Die bisherigen Forschungen auf dem Gebiet derTauschiertechnik des frühen Mittelalters sind aus archäologischer Sicht unter drei Aspekten zu ordnen. Erstens handelt es sich um typologische Arbeiten, zweitens um Studien zur Ornamentik dieser Metallprodukte und drittens um Unter­ suchungen hinsichtlich der Herstellungstechnik. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf den ersten beiden Punk­ ten, die in der Regel das einschlägige Material kombiniert analysieren. Gewöhnlich wird eine regional abgegrenzte Fundgruppe als Grundlage dafür ausgewählt.78 Die in der Forschung gängigen Begriffe für verschiedene Tauschie­ rungsarten können ebenso nach den genannten Gesichts­ punkten geordnet werden. Einige, wie z. B. die Plattierung oder die Blechstreifentauschierung, lassen sich von der Art der Herstellung,79 andere, wie z. B. die Spiral-, Waben- oder Ringtauschierung, von der Form der Verzierung ableiten.80 Bis heute ungelöst ist die Frage, wann und wie die Tau­ schierung in die germanische Kunst eingeführt wurde. Grundsätzlich ist es schwierig, die Lücke zwischen den rö­ mischen und den frühm ittelalterlichen Erzeugnissen zu schließen, da in dieser Zeit nur selten tauschierte Objekte auftreten.81 Die bekannten tauschierten Metallarbeiten der frühen Merowingerzeit82 zeigen eine einfache orna­ mentale Ausführung, wie z. B. die Streifentauschierung mit mehreren nebeneinander eingelegten Blechstreifen.83 Damit verziert sind häufig Schnallenbügel, und diese Art ist seit dem 5. Jahrhundert verbreitet. Dieses schlichte Mo­ tiv hat für chronologische Fragestellungen keine entschei­ dende Bedeutung, abgesehen von bestimmten Tenden­ zen, wie z. B. die im Verlauf der Zeit enger gelegten Strei­ fenreihen.84 Aus diesem Grund kommt hier den formenkundlich-typologischen Betrachtungen eine übergeord­

nete Rolle bei der chronologischen Gliederung des Fund­ stoffes zu. Der Farbkontrast wird in dieser Zeitphase in der Regel durch in den dunklen Untergrund eingelegte Silber­ fäden erreicht, so dass sich hier fast ausschließlich mono­ chrome Einlagen fin d e n d ln den zeitgleichen, reich ausge­ statteten Gräbern dominieren um diese Zeit Silberarbeiten mit Niello 86 Eine ornamentale Vielfalt der Tauschierarbeiten ist erst ab dem Ende des 6. Jahrhunderts festzustellen. Im 7. Jahr­ hundert erreicht dann diese Kunst ihren Höhepunkt, und zwar sowohl aus stilistischer als auch aus technischer Sicht.87 Die Ornamentik wird häufig durch die bichrome Ausführung, das Einlegen von Silber- zusammen mit M es­ singfäden in das eiserne Trägermaterial, erreicht. Für die technische Umsetzung werden auch unterschiedliche Ver­ fahren dokumentiert.88 Die Motive reichen von unter­ schiedlichen geometrischen Formen über Flechtband- bis hin zur Tierornamentik. Ihnen kommt bei der chronologi­ schen Auswertung eine wichtige Rolle zu. Gleichzeitig kön­ nen sie aber auch regionale Unterschiede in der Ausfüh­ rung zeigen.89 Die Erforschung der tauschierten Ornamente konzent­ riert sich hauptsächlich auf die Bestimmung ihrer Her­ kunft sowie auf ihre Übernahme und Stellung innerhalb des Repertoires des jeweiligen lokalen Kontextes. Einer­ seits werden im Zusammenhang m itdem Flechtband kop­ tische oder spätantik-byzantinische Einflüsse 90 anderer­ seits das Auftreten und die Entwicklung und die regiona­ len Unterschiede in Bezug auf den Tierstil II diskutiert.91 Diese Beobachtungen unterstützen und ergänzen die typologischen Forschungen, so z. B. die zu Veränderungen der Gürteltracht.92 Die Verbindung ornamentaler und formenkundlicher Aspekte bei der Analyse ist vor allem bei der Rekonstruk-

78 Z. B. Holmqvist, Tauschierte Metallarbeiten 69 ff.; Moosbrugger-Leu, Schweiz zur Merowingerzeit; K. Bohner, Die fränkischen Altertümer des Trierer Landes (Berlin 1958) ig6ff.; Stein. Adelsgräber Grünewald, Unterthürheim 164 ff. Weiterhin werden in za hl reichen Untersuchungen von Gräberfeldern, in denen Tauschierungen Vorkommen, die Funde in einem regional-chronologischen Rahmen behandelt, z. B. Christlein, Marktoberdorf 4 0 ff.; ders., Dirlewang 22 ff.; Koch, Schretzheim 122ff.; Nawroth, Pfahlheim 132ff.; A. M. Groove, Das alamannische Gräberfeld von Munzingen/Stadt Freiburg (Stuttgart 2001) 85ff. 79 Born, Tauschiertechniken 72-73. 80 Muhl, Ornamentik42-44. 81 Holmqvist, Tauschierte Metallarbeiten 9-54. 82 Ca. 450-530 (Ament, Fränkische Grabfunde Abb. 20). 83 Menghin, Silberglanz der Merowingerzeit io; Muhl, Ornamentik 35; Holmqvist, Tauschierte Metallarbeiten 40-43; Salin. Civilisation ///174fr., V. I. Evison, The Fifth-Century Invasions South oft'ne Thames (London 1965) i8ff. 84 H. Schach-Dörges, Die Bodenfunde des 3. Bis 6. Jahrhunderts n. Chr. zwi­ schen Elbe und Oder (= Offa-ßücner N. F. 23,1970) 77.

85 Muhl, Ornamentik 35. Die monochrome Verwendung von Messing ist selten (Gussmann, Tauschierte Metallarbeiten 135}. 86 Menghin, Silberglanz der Merowingerzeit 10-11. 87 Menghin, Silberglanz der Merowingerzeit 12-13. 88 Born, Tauschiertechniken 72t. Hermann Ament konnte an rheinischen Gräberfeldern zeigen, dass die monochrome Tauschierung für die Peri­ ode JM I charakteristisch ist, wohingegen bichrom verzierte Garnituren erst in der Periode JM II auftreten (Ament, Fränkische Grabfunde 306). 89 Muhl, Ornamentik41, Anm. 33-34. So überwiegen z. B. in den süddeut­ schen Gebieten dieTierstil Il-Darstellungen, wohingegen sie am Mittel­ und Niederrhein sowie südlich der Alpen in Italien seltener vertreten sind (Siegmund, Merowingerzeit am Niederrhein 515-517). 90 Holmqvist, Kunstprobleme 16ff.; Haseloff. Tierornamentik W. 586ff. 91 Z. B. M. 0 rsnes, Form og Stil i Sydskandinaviensyngre germanske jernalder (Köbenhavn 1966) iSoff.; Roth, Ornamentik 74ff.; Haseloff, Tierorna­ mentik II, 597ff.; K. Hoilund-Nielsen, Animal s ty le -a Symbol ofM ight andMyth. Acta Archeologica 69 (1998) 1-52. Zusammenfassend: Hase­ loff, Kunststile ii4ff.; Heinrich-Tamaska, Salins Tierstil II. 92 Als Beispiel vgl. Moosbrugger-Leu, Gürtelbeschläge der Schweiz-, ders., Schweiz zur Merowingerzeit A, ng ff.

3.1 T a u s c h i e r u n g

22

im f r ü h e n

M

ittela lter

F o r s c h u n g s ü b e r b i ic k

tion der zur M ännertracht gehörenden Gürtel festzustel­ len. In mehreren regional angelegten Studien wurden die Unterschiede in den Darstellungen häufig mit dem Ziel untersucht, Werkstattkreise definieren zu können. Dafür sollen neben den Stereotypen der Muster die Gar­ niturformen und die Produktqualität ausschlaggebend sein.93 Im Allgemeinen fehlen jedoch zur Verifizierung solcher Ergebnisse technische Untersuchungen. Diese bilden zu­ nächst die Grundlage für die Bestimmung der Herstel­ lungsart der Tauschierung. In der Regel lässt sich diese ohne Hilfsmittel nicht vornehmen. Neben mikroskopi­ schen Untersuchungen können Röntgenaufnahmen hel­ fen, wichtige Details zu erfassen. Sie geben Auskunft über den Aufbau und die Bearbeitung der Einlagen und des Trägermaterials.94 Entsprechende Prüfungen des mero­ wingerzeitlichen Fundmaterials haben ergeben, dass hauptsächlich tordierte Silber- und Messingfäden als Ein­ lagen verwendet worden sind, die meist zur Spirale aufge­ rollt oder nebeneinander gelegt zusammenhängende Flä­ chen abdecken. Ohne Röntgenverfahren könnten diese Bereiche als zusammenhängende Blechplatten gedeutet werden. Allerdings sind auch Blecheinlagen bekannt, die teilweise mit einer Musterpunze bearbeitet worden sind. In beiden Fällen wurde die Oberfläche der Vertiefungen des eisernen Trägers mit verschiedenen Werkzeugen auf­ geraut, um die Haftfähigkeit der Einlagen zu sichern. Man nahm zuerst an, dass die Nuten über eine schwalben­ schwanzförmige, nach unten hin verbreiterte Form verfü­ gen müssten, um die Bänder fixieren zu können. Beobach­ tungen am Querschnitt zeigten jedoch, dass ausschließ­ lich sich nach oben öffnende, V-förmige, halbrunde oder kastenförmige Vertiefungen die Blechstreifen aufnahmen.95 Die Rekonstruktion der Herstellung von tauschierten Fundstücken bereitet auch insofern Schwierigkeiten, als es sich bei diesem Produktionsvorgang um die Verbindung der Bearbeitungsformen eines Grob- und eines Fein­ schmiedes handelt, sofern das Eisen und das Edel- bzw. Buntmetall, die hier miteinander kombiniert wurden, un­ terschiedliche Schmiedezweige andeuten. Es ist daher fraglich, ob nicht mehrere Handwerker an dem Produkti­ onsablauf beteiligt gewesen sind und wie dann die Ar­ beitsorganisation vonstatten ging.96

93 Menghin, Silberglanz der Merowingerzeit 30. So versuchte z. B. Joachim Werner, die Tauschiertechnik in der Westschweiz (Typ Bulach) aus Ita­ lien abzuleiten (Werner, Mindelheim 29). 94 Born, Restaurierung 92-94. 95 Urbon, Tauschiertechniken 335-337; Gussmann, Tauschierte M etallar­ beiten 135-143; Born, Tauschiertechniken 72-73. 96 Wilfried Menghin vermutet drei Produktionsschritte, die von drei Spe­ zialisten ausgeführt wurden: Das Schmieden des eisernen Trägers, die Eingravierung des Musters und das Einlegen der Metallfäden (Menghin, Silberglanz der Merowingerzeit 30).

F r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e T a u s c h i e r a r b e it e n im K a r p a t e n b e c k e n

\

Im Bereich der Merowingerforschung nehmen die Stu­ dien zu den tauschierten Gegenständen jeglicher Art ei­ nen wesentlich größeren Raum ein, als in der Awarologie. Das hängt selbstverständlich mit der Anzahl der geborge­ nen Artefakte zusammen, die im westlichen Kontext um ein Vielfach überwiegt. Insgesamt bietet sich daher an, die Ergebnisse, die dort gewonnen worden sind, in die folgen­ den Untersuchungen der awarischen Tauschierarbeiten einzubeziehen, um die gegenseitigen Beziehungen und Einflüsse auf dieser Basis klären zu können.

3.2 F r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e T a u s c h i e r a r b e i t e n

im

Ka r p a ten b ecken

Die aus dem awarischen Material bekannten tauschierten Gürtelbestandteile werden in der Forschung meist unter dem Aspekt diskutiert, ob es sich dabei um lokale Produkte oder um Importstücke handelt. Es werden einerseits die trachtgeschichtlichen Funktionen untereinem ethnischen Gesichtspunkt herangezogen, andererseits suchen Orna­ mentstudien nach möglichen Vorbildern der Bildpro­ gramme innerhalb und außerhalb des awarischen Materi­ als 97 Herstellungstechnische Untersuchungen wurden bisher nicht durch geführt 98 Eine ansprechende und bis heute gültige typochronologische Trennung der awarenzeitlichen tauschierten Gür­ telbeschläge unternimmt Max Martin. Seine Gruppe A umfasst die so genannten vierteiligen Gürtelgarnituren und seine Gruppe B die vielteiligen. Im Gegensatz zu G rup­ pe B, deren Bestandteile als westliche Importe interpre­ tiert werden, wird die Gruppe A als älter eingeschätzt und auf eine lokale Produktion zurückgeführt. Der Grund liegt einerseits in der für die westlichen Garnituren atypischen Ergänzungdesdreiteiligen Gürtels m iteiner Riemenzunge - e in Phänomen, das Max Martin aus dem mediterranen Milieu abzuleiten versucht-, andererseits in der Motivwelt der Gruppe A, die keine direkten Entsprechungen im rmerowingischen Material besitzt. Die Garnituren der Gruppe B finden dagegen ihre exakten Parallelen im zeitgleichen westlichen Fundgut und treten nur sporadisch im Karpa­ tenbecken auf, was insgesamt für ihren Importcharakter spricht.99

97 Zuletzt zusammenfassend: Bende, Tausirozott övgarnitura 204205. 98 Allerdings wurden Röntgenaufnahmen von einigen Fundstücken ge­ macht und aus restauratorischer Sicht ausgewertet. In einigen Fällen beinhaltet eine solche Auswertung auch wichtige Hinweise über die Herstellungstechnik. Z. B. Somlösi - Nagy. Rädiolögiai vizsgälatok. Vgl. weiterhin: T. K. Brunder, Nepvändorläs kori ezüstel berakott vastärgyak rädiogräfias vizsgcilata es restouräläsa. Muz. Mütärgyvedelem 13 (1984) 167-172. 99 Martin, Linz-Zizlau und Környe 69-75; Ders., Tauschierte Gürtelgarnitu­ ren 63-69; ders. Kölked-Feketekapu A 346-355. Bereits Hans Bott fiel als Besonderheit der awarischen „dreiteiligen" Garnituren auf, dass sie

23

A b b . 3a - b

Silbereinlagen des Steigbügels aus Szeged-Öthalom (SzegÖ/o/i), Detail, stark vergrößert (Foto: O. HeinrichTamaska) SzegÖ/0/1 Abb. 3

Silbertauschierter (weiß) Steigbügel aus Szeged-Öthalom (SzegÖ/o/i), M 1:2

Mit stilistischen Argumenten schließt Hans Bott dage­ gen die Möglichkeit aus, dass die Beschläge von Környe, die nach Max Martin zur Gruppe A gehören, an Ort und Stelle hergestellt worden sein können. Er nimmt am Beispiel des apfelförmigen Steigbügels von Mikebuda an (vgl. Abb. 65), dass lediglich streifentauschierte Funde der einheim i­ schen Produktion im Awarenreich zuzurechnen seien, de­ ren Wurzeln er im Osten verm utet.100 Eine stilistische Ver­ wandtschaft zwischen den Gürtelbeschlägen aus Max Martins Gruppe A und einigen awarenzeitlichen Tierstilkompositionen konnte seitdem jedoch von mehreren Sei­ ten bestätigt werden.101 Es handelt sich zwar nicht um identische, sondern um ähnliche Entwürfe, diese Ähnlich­ keiten sind jedoch fürdie Entstehung und Entwicklungdes awarenzeitlichen Tierstils von besonderem Interesse. Die

mit einer Riemenzunge ergänzt worden sind (Bott, Datierungsproblem 214). 100 Bott, Datierungsproblem 219-220. Er behandelt den Fund unter der Ortsangabe Csabrendek. In der Literatur wird dieses Steigbügelpaar auch unter Budafapuszta (Kom. Zala) geführt (Katalog Awaren in Eu­ ropa 38, V.13). Den richtigen Hinweis auf Mikebuda findet man in ei­ nem Ausstellungskatalog (Katalog Hunnen und Awaren 232, 5.59). Wir planen mit Herrn Robert Müller, einen kurzen Beitrag zur Fund­ geschichte und Herstellungstechnik dieses Fundes zu veröffentli­ chen. toi Salamon - Erdelyi, Környe 46-47: Nagy, Avarkori ällatornamentika 30-31; Martin, Tauschierte Gürtelgarnituren 69.

24

Tauschierung der Gruppe A wurde auch mit einem Orna­ mentdetail, das häufig im awarenzeitlichen Tierstil auftritt, nämlich dem Zahnschnitt, in Verbindung gebracht, z. B. indem die Zahnschnittornamentik als Imitation der Tauschiertechnik angesehen wurde.102 Hinsichtlich der Gruppe B ist sich die Forschung weitge­ hend einig, dass es sich um Importstücke handelt, die kei­ nerlei ornamentale oder technische Bezüge zum awarischen Fundmaterial zeigen.103 Auch auf die heterogene Zu­ sam m ensetzung der einzelnen Garnituren wurde hinge­ wiesen, wobei teilweise davon ausgegangen wird, dass sie schon mit gemischten Bestandteilen hierher vermittelt worden sind.104 Insgesamt unsicher ist die genaue Anzahl der aus dem awarischen Kontext überlieferten vielteiligen Garnituren. Aus der Neubearbeitung der Keszthelyer Grä­ berfelder wird deutlich, dass viele tauschierte Gegen­ stände aus den damaligen Grabungen nicht als solche er­ kannt wurden. Dieses hatte zur Folge, dass sie nicht ent-

102 Heinrich-Tamaska, Avarkoriötvösmüvesseg 262. 103 Bott, Datierungsproblem 220; Martin, Tauschierte Gürtelgarnituren 63-64; ders., Kölked-Feketekapu A 345-346. 104 Am Beispiel der Gürtelgarnitur von Pitvaros: Bende, Tausirozott övgarnitura 206. Für die Verwendung einzelner Stücke vgl. K0I/A341/1, Abb. 27 der vorliegenden Arbeit (Martin, Tauschierte Gürtelgarnituren

352).

Fo r s c h u n g s ü b e r b l i c k

Ab b . 4

Gürtelgarnitur aus Hödmezöväsärhely-Kishomok. Grab 7. mit tauschierter Schnalle und tauschiertem Beschlag (weiß: Ag; schwarz: Cu) M m (nach Bona - Nagy, Gepidische Gräberfelder Taf. 9.1-6)

sprechend restauriert wurden, was heute nicht mehr nachgeholt werden kann, da die meisten Funde verschol­ len sind.105

Die Tauschierung hatte im Karpatenbecken ein dem merowingischen Bereich ähnliches, sporadisches Vorspiel. Die ersten Belege stammen aus dem 5. Jahrhundert, und es handelt sich ebenfalls um einfache Schnallenbügel mit

105 Kiss, Keszthely-väros 81, Nr. 17: ders., Keszthely-dobogö 118-119,127 (Grä­ ber 1641,1663), 132 (Grab 1935).

FRÜHMITTELALTERLICHE TAUSCHIERARBEITEN IM K a RPATENBECKENI

25

Ab b . 4a

Tauschierter Beschlag aus Hödmezöväsärhely-Kishomok, Grab 7 (Bona - Nagy, Gepidische Gräberfelder Taf. 9. 2), De­ tail, stark vergrößert (Foto: O. Heinrich-Tamaska)

A b b . 4b -c

Schnallendorn mit Kupferüberzug und Silbertauschie­ rung. Detail der Schnalle aus Hödmezöväsärhely-Kisho­ mok, Grab 7 (Bona - Nagy, Gepidische Gräberfelder Taf. 9.1), Detail, stark vergrößert (Foto: O. HeinrichTamaska)

A b b . 4d

Röntgenaufnahme der Schnalle aus Grab 7 von Hödmezöväsärhely-Kishomok (Böna - Nagy, Gepidische Gräberfelder Taf. 9,1), M i n (Röntgen: G. Hütai, MNM)

Streifentauschierung.106 Dieselbe Technik, auch an Schnal­ lenbügeln, kommt dann während des 6. Jahrhunderts in langobardischen10? und gepidischen’08 Kontexten vor. Das

106 Noch unpubliziert aus Mözs-lcsei-dülö (Komitat Tolna). Grabung von Jänos Odor (WMM Szekszärd). Er datiert das Gräberfeld auf das erste und zweite Drittel des 5. Jahrhunderts. Fürdiese Informationen danke ich ihm. Zeitgleich dürften ein Ringanhänger mit Öse aus TamäsiAdorjänpuszta. Grab 4 (Böna, Hunnenreich Taf. 76), eine Schnalle aus Horn, Niederösterreich (Katalog Germanen 347, VII. 41) und die Riemendurchzüge einer Spatha (Katalog Germanen 415, IX, 29a), sein. Ebenfalls in diesen Zeithorizont einzuordnen und vermutlich mit rö­ mischen Werkstätten verbunden sind einige Bronzeschnallen mit Sil­ bereinlagen aus dem Karpatenbecken (Csalläny, Gepiden 234, 244, Taf. 217, 3, Taf. 218, 6). Wilhelm Holmqvist datiert diesen Typ allerdings früher, um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert (Holmqvist, Tauschierte Metallarbeiten 39, Abb. 15.1-2). 107 Gyirmöt-Homokdomb, Grab 1, Maria Ponsee und Brunn am Gebirge, Grab 1 (alle unpubliziert, für die Informationen danke ich Peter Tomka und Peter Stadler). Vgl. Abb. 60-61 der vorliegenden Arbeit. 108 Szentes-Kökenyzug, Grab 75 (Csalläny, Gepiden 36-37, Taf. 15,17). Ver­ mutlich: Szentes-Berekhät, Gräber 61, 273 (Csalläny, Gepiden Taf. 68, 33. Taf. 56,5-6). Für die sichere Bestimmung wäre allerdings eine

26

Fehlen von Röntgenuntersuchungen an Funden aus Alt­ grabungen macht jedoch eine quantitative Erfassung die­ ser Bearbeitungstechnik während des 5. und 6. Jahrhun­ derts unmöglich. Die zahlreichen unrestaurierten, korro­ dierten eisernen Schnallenbügel aus den gepidischen Grä­ berfeldern könnten eventuell neue Erkenntnisse brin­ gen.109 Neben den Schnallenbügeln wurden auch Trensen­ ringe, und zwar von Maria Ponsee, Hauskirchen110 und Veszkeny, mit Streifentauschierung geschmückt. In Vesz­ keny wurden auch die an Trensen befestigten Riemenklam­ mern, in der Form von stilisierten Tierköpfen, zusätzlich mit

Röntgenuntersuchung, nicht nur bei diesen, sondern auch bei den übrigen gepidischen Schnallen erforderlich. 109 Ursprünglich war geplant, diese Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit abzuwickeln. Organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten machten die Durchführungjedoch nicht möglich. Auch bei den langobardischen, bislang unpublizierten und dadurch nicht zugänglichen Stücken können wir noch mit unbekannten Tauschierungen rechnen. 110 Böna, Langobärdok 135.

Fo r s c h u n g s ü b e r b l i c k

Silberfäden verziert, wenn auch bereits ornamental: Zwi­ schen zwei Leisten wurde eine Zick-Zack-Linie ausgebildet (Abb. 54).111 Dasselbe Motiv begegnet man als Umrahmung des piIzzellentauschierten Ornamentfeldes eines Be­ schlags aus Szentendre. Diese Zellentauschierung ist im karpatenländischen Material bisher einmalig (Abb. 53).112 Auch aus einem gepidischen Grab von HödmezöväsärhelyKishomok ist eine Schnalle bekannt, deren wappenförm i­ ger Dornansatz eine Ringtauschierung und deren Be­ schlagplatte Reste einer Linienverzierung aufweisen (Abb. 4 ,4b). Der viereckige Beschlag hat ein ähnliches Mo­ tiv aus feinen Linien, das mit einigen ringtauschierten Schnallen aus dem germanischen Bereich vergleichbar ist (Abb. 4 ,4A).113 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wie die tauschier­ ten Gürtelbestandteile von Veresmort/Marosveresmart zu deuten sind und welchem Zeitraum sie aufgrund ihrer Or­ namentik und Fierstellung zugeordnet werden können (Ver/12/i: Abb. 5; Ver/13/1-2: Abb. 6). Dieses Problem wird im Rahmen der anschließenden Auswertung behandelt. Die hier aufgeführten vorawarenzeitlichen Funde lau­ fen chronologisch parallel zum älteren m erowingerzeitli­ chen Horizont. Sie bestätigen die oben schon angedeutete Tatsache, dass aus dieser Phase nur wenige Exemplare be­ kannt sind. Problematisch ist nur die Stellung der orna­ mental verzierten Funde, die nach der karpatenländischen Chronologie alle vor 568 datiert werden müssten.114 Damit entsteht eine zeitliche Verschiebung zur merowingischen Chronologie, bei der man erst ab dem Ende des 6. Jahrhund e rts-w o h l am frühesten im burgundischen B ereich-m it dem Auftreten dieser Art des Tauschiermusters rechnet.115 Wie und ob dieser Gegensatz aufzulösen ist, wird nachfol­ gend diskutiert. In Bezug auf die Kulturgeschichte stellt die Forschung primär die Frage, wie eine im Karpatenbecken so seltene Technik zu deuten ist, und zwar unabhängig davon, ob man von einer lokalen Produktion, wie bei den Gürtelbe­ standteilen der Gruppe A, oder von Importen, wie bei der Gruppe B, ausgeht. In beiden Fällen bleibt zu klären, w el­ che Bedeutung die Träger ihren tauschierten Stücken bei­ maßen und warum sie ihre Gürtelbeschläge nur selten mit Tauschiertechnik verzieren ließen. Die bisherigen Interpre­ tationen schreiben dem Besitzer tauschierter Gürtel eine Schlüsselrolle zu. Das bedeutet, dass die trachtgeschichtli-

111 Bona, Anbruch Abb. 77. 112 Bona, Szentendre Taf. 36,10. 113 Grab 7 (Csalläny, Cepiden Taf. 237, 2-3; Böna - Nagy, Gepidische Gräber­ felder 107, Anm. 201). 114 Istvän Böna geht davon aus, dass die Belegung sämtlicher langobardischen Gräberfelder nach 568 abbricht (Böna, Langobärdok in). Meiner Meinung nach dürfte das Datum 568 nicht so eng als archäologisches terminus post quem angesehen werden. Vgl. am Beispiel derTierornamentik: Heinrich-Tamaska, Tierstil I und I I 38-39. Weiterhin von Freeden, Engzeilige Cloisonne 111. 115 Schicht 2, etwa 580-620/30 (Martin, Linz-Zizlau und Környe 66).

F r ü h m it t e l a l t e r l ic h e T a u s c h i e r a r b e i t e n im K a r p a t e n b e c k e n

Ver/12/1 A b b . 5a

Silbertauschierter (weiß) Beschlag eines Sparthagurtes aus Veresmort/ Marosveresmart, Grab 12 (Ver/i2/i), M 1:1

A b b . 5b

Röntgenaufnahme des tauschierten Beschlages aus Veresmort/Marosve­ resmart, Grab 12 (Ver/i2/i), M 2:1 (Röntgen: S. Procopciuc, Museum Cluj)

che und ornamentale Herkunft seines Gürtels zugleich auch überseine persönliche Herkunftzeugnis geben sollte und in eine ethnische Komponente übersetzt werden könnte. So werden die vierteiligen Gürtel der Gruppe A Max Martins mit den awarenzeitlichen Gepiden in Verbin­ dung gebracht,116 und auch die einzelnen Garnituren der Gruppe B werden teilweise mit fremden germanischen In­ dividuen erklärt.117 Allerdings wird bei diesen auch darauf hingewiesen, dass der Gürtel nicht mit seinem „ursprüng­ lichen Besitzer" ins Awarenreich gelangen musste.118 In beiden Fällen spielen trachtspezifische Beobachtungen für die Deutungsversuche eine Rolle, die teilweise durch w ei­ tere Grabbeigaben unterstützt werden. Spatha, Sax oder Schildbuckel gelten als weitere Bestätigung für die germa-

116 Bott, Datierungsproblem 214: Martin, Tauschierte Gürtelgarnituren 69; ders., Kölked-Feketekapu A 356. 117 Z. B. Elö/200/i-i5- Böna, Beiträge 65; Martin, Tauschierte Gürtelgarni­ turen 64; J. Zäbojnik, Westliches Fremdmaterial und germanische Motivik im mittelawarenzeitlichen Material. In: F. Daim (Hrsg.), Katalog der Ausstellung Reitervölker aus dem Osten. Hunnen und Awaren (Eisen­ stadt 1996) 282-286, hier 285. Umgekehrtes Beispiel vgl. Bende. Tausirozott övgarnitura, Anm. 14. 118 Martin. Kölked-Feketekapu A 346.

27

A b b . 6a - b

Röntgenaufnahme tauschierter Beschläge aus Veresmort/Marosveresmart, Grab 13 (Ver/13/1-2), M 2: i (Röntgen: S. Procopciuc. Museum Cluj)

nische Herkunft der Bestatteten.119 Andreas Lippert geht im Zusammenhang mit der vielteiligen Gürtelgarnitur aus Sommerein davon aus, dass solche Objekte als Kriegsbeute zu den Awaren gelangten, da sie aus verhältnismäßig ärm ­ lich ausgestatteten Gräbern überliefert worden sind.120 Die Gürtelgarnituren sind allerdings nicht die einzigen Zeugnisse der awarenzeitlichen Tauschierkunst. Die ande­ ren bisher bekannten awarischen Tauschierarbeiten sind in ihrem jeweiligen zeitlichen Horizont meist an be­ stimmte Sachgruppen gebunden. In der Frühawarenzeit begegnen uns die so genannten Klappstühle (KÖI/A108/1; KÖI/B119/1: Abb. 59; Zam/212/i; Zam /565/i; Zam /1049/i; Z am /2000/i; Zam/2030/1), aus der Spätawarenzeit sind Phaleren121 bekannt und schließlich tauchen tauschierte Steigbügel122 in allen drei Perioden auf. Neben Steigbügeln

119 Martin, Tauschierte Gürtelgarnituren 69; Martin, Kölked-Feketekapu A 355 120 Lippert, Bairisch-awarische Beziehungen 165. 121 Zusammenfassend mit sämtlichen Fundorten zuletzt: Kiss. Lukäcshäza. Weitere Fundorte Pitvaros (Bende, Pitvaros 199), Paks (Born, Tauschiertechniken Abb. 68) und Böly (Nagy, Tausirozott phalera). Mit weiteren Beispielen vgl. auch P. Szentpeteri, Egy kesö avar lovas tiszti je lv e n y -a „csötär". Ein spätawarenzeitliches Kavallerieoffizierzeichen die Kopfbuschhülse. In: G. Lörinczy (Hrsg.), Az Alföld a 9. szäzadban (Szeged 1993) 49-77. Vgl. auch Katalog 2 der vorliegenden Arbeit. 122 Eva Garam verweist lediglich auf den Fund von Bicske als frühawaren­ zeitlich und ordnet die weiteren in die Mittelawarenzeit ein (Garam, Vörösmart 199-200). Es gibt jedoch noch weitere früh-aber auch spät­ awarenzeitliche tauschierte Steigbügel (vgl. Katalog 2 der vorliegen­ den Arbeit). Allerdings ist es sehr schwierig, die tauschierten Steigbü­ gel nach den Publikationen zu bestimmen. Häufig werden sie zeichne­ risch so dargestellt, dass die Tauschierung nicht zu erkennen ist, und auch in der Fundbeschreibung kann der Verweis auf die Tauschierung

28

'v'V

U .L L L a iU .'L Ver/13/1

Ver/13/2 Abb. 6

Silbertauschierte (weiß) Beschläge eines Spathagurtes aus Veresmort/ Marosveresmart, Grab 13 (Ver/13/1-2), M 1:1

und Phaleren sind einige weitere tauschiert verzierte Be­ standteile des Pferdegeschirrs in Form von Beschlägen und Ringen überliefert (Pö/329/1—6: Abb: 62). Außerdem ergän­ zen einzelne meist spätawarenzeitliche Unikate, wie z. B. die Trense von Komarno (KomS/103/3) oder die Axt von Gyöd (Gyö/38/1), das Bild der bisher überlieferten ta u ­ schierten Objekte der Awarenzeit (vgl. dazu Katalog 2). Bei den eisernen Klappstühlen (sella curulis), die im Awarenreich ausnahm slos tauschiert Vorkommen, steht wie bei den Gürtelgarnituren die Frage der Genese im M it­ telpunkt der Diskussion. Bisher sind nur an zwei Fundor­ ten, nämlich aus den Gräberfeldern von Kölked-Fekete-

fehlen. Z. B. Köv/0/1-2: Kiss .Avar cemeteries 66-67, Taf. 24,6-7. Taf. 25, 6-7, oder SzegÖ/o/i-2: Hampel, Altertümer III, 94, 8. Vgl Abb. 3 der vorliegen­ den Arbeit.

Fo r s c h u n g s ü b e r b l i c k

kapu und Zamärdi insgesamt 7 Exemplare entdeckt wor­ den (KÖI/A108/1; KÖI/B119/1; Zam/212/1; Zam /565/i; Zam /1049/i; Z am /2000/i; Zam/2030/1). Eine ausführliche stilistische Analyse dieser Objekte bot Attila Kiss, bezogen auf den Publikationsstand von 1996.125 Er, und ihm folgend auch Edith Bärdos, sehen diese Gegenstände als Importe an, die von einer antiken byzantinischen Sitte und Orna­ mentwelt zeugen und aus dem norditalischen Bereich stammen könnten.12'5Attila Kiss begründet diese An­ nahme damit, dass die Produktion solcher Objekte nur in einer Region vorstellbar wäre, wo zur gleichen Zeit die Tau­ schierung und der Gebrauch von antiken sellae curulis Vor­ kommen. Auch die Motivwelt geht auf abstrakte geomet­ rische Motive der Antike zurück, was auf ihre Genese in ei­ nem romanischen Milieu hindeutet.125 Bisher ungeklärt ist die Herkunft der Tauschierungen an Phaleren, Steigbügeln und sonstigen Pferdegeschirrteilen sowie an weiteren Einzelobjekten im awarischen Kontext. Es wird sowohl eine germanische als auch eine östliche asiatische Tradition in den einzelnen Zusammenhängen diskutiert. Wie bereits oben erwähnt, hat Hans Bott ein Paar frühawarenzeitliche, blechstreifentauschierte Steig­ bügel aus Mikebuda in einen östlichen Bezugsrahmen ge­ stellt (M ik/0/1—2: Abb. 65).126 Auch Ilona Kovrig behandelte das Steigbügelpaar von Bicske im Rahmen ihrer Studie zum frühesten Fundhorizont der awarischen Landnahme (Bics/0/1—2).127 Ein dritter Fund, und zwar aus Szeged-Öthalom, zeigt ebenfalls die selben runden Sohlen und langen Ösen wie die vorstehend genannten Beispiele. Sogar die Ringtauschierung am Ösenansatz stimmt bei den beiden zuletzt genannten Fällen überein (SzegÖ/o/t-2: Abb. 3—3b). Nach formenkundlichen Analysen wertet da­ gegen Attila Kiss diesen Typ nicht als „aus Asien mitge­ brachte Gegenstände der ersten Generation der Awa­ ren".128 Ein derartiges Steigbügelpaar lag auch mit zwei tauschierten Ringen und spiralverzierten tauschierten Pferdegeschirrbeschlägen in Grab 329 von Pökaszepetk,für das eine spätere Datierung, um 630, angenommen wird.129 Diese Stücke werden frühawarisch datiert. Die weiteren tauschierten Steigbügel gehören dem Typ Vörösmart/ Zmajevac an, den Eva Garam der Mittelawarenzeit zuord­ net.130 Einige neuere Grabfunde zeigen jedoch, dass auch eine Datierung dieses Typs in die Spätawarenzeit möglich ist (z. B. KomS/134/1 K0rmS/i03/i-2; Kom S/i2o/i: Abb. 70).131

123 Kiss, Kölked-Feketekapu A 274- 275. 124 Kiss, Kölked-Feketekapu A 272; E. Bärdos, A zamärdi avar temetö összecsukhatö vasszekei. In: Avarok es honfoglalö magyarok Somogyban (Marcalli 1997) 17- 24, hier 22- 23; Bärdos, Vasszekek 22- 23. 125 Kiss, Kölked-Feketekapu A 270- 274. 126 Bott, Datierungsproblem 219- 220. 127 Kovrig, Adatok 37- 44. 128 Kiss, Kölked-Feketekapu A 242- 243. 129 S6s - Salamon, Pökaszepetk 121. 130 Garam, Vörösmart 199- 200. 131 Trugly, Komarno I I 229.

F r ü h m it t e l a l t e r l ic h e T a u s c h i e r a r b e i t e n i m K a r p a t e n e ie c k e n

Damit umfassen die bisherigen tauschierten Steigbügel­ funde alle drei Epochen der Awarenzeit. Die m ittelawaren­ zeitlichen Steigbügel sind in der Regel ringtauschiert. Die Ringtauschierung ähnelt der so genannten Ährentauschie­ rung, die aus einem Band besteht, das die Eisenstange spi­ ralförmig umläuft. Dieses M usterfindetsich auch auf dem mittelawarenzeitlichen Armband von Kiskörös-Vägöhid (Kisk/5/i).1^2 Insgesamt entstammen diese Stücke einer ein­ fachen Formenwelt, die noch nicht näher untersucht w or­ den ist. Die Herkunft dertauschierten Steigbügel vermutet Zdenko Vinski im skandinavischen germanischen Kultur­ kreis, Eva Garam dagegen dokumentiert eine Reihe von Pa­ rallelfunden aus dem südrussischen Bereich.133 Die Diskussion über die Genese der Phaleren reicht von m ittelasiatischen pontischen W urzeln134 bis hin zu germ a­ nischen Vorbildern.135 Ihre Datierung umfasst die Stufen II und III der Spätawarenzeit, entgegen früheren M einun­ gen, die sie ins 9. Jahrhundert einordneten.136 Untersu­ chungen betreffend die Herstellungstechnik wurden bis­ her nur an wenigen Fundstücken vorgenommen.137 Eine der Analysen belegt Spuren der Schmelztauschierung, eine von den anderen genannten Tauschierungsformen vollkommen abweichende technische Umsetzung.138 Diese Sonderstellung wird auch durch die Motivwelt die­ ser Stücke bestätigt. Sie zeigen eine variantenreiche geo­ metrisch geprägte Verzierungsweise.139 Zuletzt sei noch auf das Handelsgewicht aus dem Schmiedegrab von Kunszentmärton und auf eine M es­ singkanne aus Budakaläsz hingewiesen, deren Rezipient nicht Eisen ist (Kunsz/1/1, Bud/740/1). Sie repräsentieren auch in Hinblick auf die Tauschierung eine römisch-spät­ antike Tradition, in der man Kupferlegierungen als Träger verwendete und die Tauschiermuster aus Silber bzw. Kup­ fer konstruierte.140

132 Garam, Vörösmart200. 133 Z. Vinski, O Halazima 6 a ystoljeca ujuigoslavijisposebnim obzirom na archeolosku ostavstinu iz vremena prvog avaskoga kaganata. Zu den Funden des 6. und 7. Jahrhunderts in Jugoslawien mit besonderer Be­ rücksichtigung der archäologischen Hinterlassenschafl aus der Zeit des ersten awarischen Khaganats (= Opuscala Archeologica III, 1958) 40: Garam, Vörösmart 200. 134 Mengbln. Silberglanz der Merowingerzeit 15, Anm. 37; Mitscha-Märheim, Mistelbach 57. 135 Eisner, Devinska 398; Budinsky-Kricka, Zitavska Tön 85. 136 Kiss, Lukäcshäza, 111; E. Garam, Pferdegräber der awarenzeitlichen Grä­ berfeldes in Tiszafüred. Alba Regia 23 (1987) 65-125, hier 97. 137 Born, Tauschiertechniken 73-74, Abb. 68; Somlösi - Nagy, Rädiolögiai vizsgälatok, 1087-1088: Zs. Horvath, Tausirozott vas phalera restauräläsa. Janus Pannonius Müz. Evk. 43 (1998) 108. 138 Born, Tauschiertechniken 73-74, Abb. 68. 139 Kiss, Lukäcshäza, ni; Vgl. auch den Beitrag von Läszlö Költö und Jozsef Szentpeteri zu den Phaleren von Vörs in diesem Band. 140 Zu den spätantiken Bronzeschnallen mit Silbertauschierung vgl. Holmqvist, Tauschierte Metallarbeiter! 39. Weitere Handelsgewichte mit Silber- und/oder Kupfertauschierung in Bronze vgl, Wämser Zahlhaas, Rom 153-158, Ktnr. 176.178-180.181-187.189.191-192. Vgl. auch Katalog Germanen 462-463, XI, 7. Für byzantinische Handelsge­ wichte im Karpatenbecken vgl. Csalläny, Kunszentmärton 41 ff.; Garam.

29

Dieser kurze Überblick hat die neuesten Tendenzen in der Forschung zu den awarenzeitlichen tauschierten Ge­ genstände skizziert. Die Mehrzahl der Studien konzent­ riert sich auf die Typochronologie der Gürtelgarnituren. Andere Objektgruppen erfuhren keine so intensive Aus­ wertung. Die bisherigen Ornamentanalysen sind partiell angelegt, so dass keine umfassende Bearbeitung erfolgte. Eindeutig als Defizit muss das Fehlen herstellungstechni­ scher Untersuchungen verzeichnet werden. Zwischen den einzelnen tauschierten Fundgruppen der Awarenzeit be­ stehen nicht nur zeitliche, sondern auch ornamentale und nur teilweise nachgewiesene herstellungstechnische Un­ terschiede. Wie hier dargestellt, wird dieser heterogene Charakter der Funde mit unterschiedlichen Wurzeln bzw. Einflüssen in der Forschung erklärt. Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf die größte Fundgruppe awarenzeitlicher Tauschierungen - also auf die Gürtelgarnituren - gelegt. Sie sind schon in sich sehr vielfältig und bieten daher im Sinne der methodischen Einführung gute Möglichkeiten für detaillierte Untersu­ chungen in Bezug auf Ornamentik und Herstellungstech­ nik. Sie haben weiterhin einen wichtigen typochronologischen Wert, der als Erstes erfasst und diskutiert werden soll. Um ihre Bedeutung innerhalb der awarenzeitlichen Tauschierkunst abwägen zu können, müssen auch die an­ deren hieraufgezählten Objektgruppen berücksichtigt werden. Sie dienen zum Vergleich bei den stilistischen und herstellungstechnischen Analysen, damit die Frage nach eventuellen Zusammenhängen gestellt werden kann.

Byzantinische Funde 160-163, Taf. 119. Zu der Kanne von ßudakaläsz vgl. Päsztor - Vida, Bronzekanne-, Vida, Gefäße n 6 ff.

30

F o r s c h u n g s ü b e r b lic k

4 Klassifikation und Chronologie tauschierter Gürtelgarnituren im Karpatenbecken Aufgrund ihrer teilweise eindeutigen westlichen Paralle­ len können die awarenzeitlichen tauschierten Gürtelgar­ nituren als Teil der merowingerzeitlichen Gürteltypologie betrachtet werden. Bereits Max Martin hat auf diesen Be­ zug hingewiesen und ordnet die awarischen Exemplare gemäß der merowingerzeitlichen Chronologie.141 Das relativchronologische Gerüst basiert hier auf der Analyse der Gürtelgarnituren der Männertracht, das abso­ lutchronologisch durch historische Fixpunkte und M ünz­ beigaben abgesichert werden kann.'42 Für die Jahre zwi­ schen 568 und 700 unterschied Rainer Christlein vier Zeitphasen.14^ In seiner Phase 1, die kurz nach der awarischen Landnahme um 570/80 endete, waren schlichte Gürtel­ garnituren in Gebrauch, mit einfachen Gürtelschnallen ohne Beschlagplatte.144 Diese Typen waren im Donauraum bei den Langobarden und Gepiden vor 568 vertreten’45, aber auch in Italien fanden sich noch derartige Schnallen in den Gräbern der ersten Langobardengeneration. Sie wurden aus Bronze oder aus Eisen hergestellt. Für letztere sind auch Streifentauschierungen überliefert.146 In der Schicht 2 (etwa 580-6 2 0 /30 ) sind im M erowin­ gerreich zwei- und dreiteilige Gürtelgarnituren verbreitet. Neben der Schnalle, nunm ehr mit Beschlag, kommt eine meist rechteckige Rückenplatte und/oder ein Gegenbe­ schlag zur Garnitur hinzu. Sie sind entweder aus Bronze, oder häufig auch aus Eisen mit Tauschierdekor gefertigt.'47 Diese Phase wird aufgeteilt in einen älteren Abschnitt, für den engzellige Tauschierornamentik und runde Beschlag­ platten typisch sind, und in einen jüngeren, der durch Flechtbänder und Tierstil il-Motive charakterisiert wird. Die jüngere Gruppe beginnt um 600/610 parallel zu Kurt Böhnerts Gruppe IV und zur Stufe I der jüngeren M e­ rowingerzeit nach Hermann Ament.148 Das Ende der G rup­ pe 2b nach Rainer Christlein ist allerdings schwer zu erm it­ teln. In Italien sind diese dreiteiligen Gürtel fast aus­

141 Martin, Linz-Zizlau und Környe-, ders. Tauschierte Gürtelgarnituren-, ders. Kölked-Feketekapu A. 142 Zur Kritik gegen die Methodik von Gräberfeldchronologien und gegen die daraus resultierenden Verschiebungen für die Typochronologie von Fundobjekten vgl. Steuer, Bemerkungen und S. 14-15 der vorlie­ genden Arbeit. 143 Christlein, Marktoberdorf -\y ff, 40ff. 83ff. 144 Christlein. Marktoberdorf-\q-20\ Martin, Linz-Zizlau und Környe 65-66. 145 Gyirmöt-Homokdomb, Grab 1, Maria Ponsee. Brunn am Gebirge, Grab l (alle unpubliziert, für die Informationen danke ich Peter Tomka und Peter Stadler). Vgl. Abb. 60-61 der vorliegenden Arbeit. SzentesKökenyzug, Grab 75 (Csalläny, Gepiden 36-37. Taf. 15,17). 146 Martin, Linz-Zizlau und Környe 66, Anm. 4. Abb. v. 147 Martin, Linz-Zizlau und Környe 66. Abb. 5. 148 Christlein, M arktoberdorf 41-44; Martin, Linz-Zizlau und Környe 66.

schließlich durch die bronzenen Gürtelgarnituren des so genannten norditalischen Typs vertreten, die sich in der Phase 3 weiterentwickelten.149 Diese Gürtelgarnituren sind auch aus donauländischer Sicht wichtig, da sie im Zu­ sam m enhang mit anderen, z. B. mit zahnschnittverzierten vielteiligen Gürtelgarnituren, aus den Gräbern der Awa­ renzeit bekannt sind.150 Istvän Böna brachte diesen Garni­ turtyp mit dem langobardischen Italien in Zusammen­ hang, wobei er aber dessen Vorläufer in der spätrömi­ schen, byzantinischen Tradition vermutete.151 Seitdem zei­ gen neue Funde, dass das Verbreitungsgebiet viel größer war, so dass die Frage nach der Deutung dieser Garntiuren neu gestellt werden muß.152 Bei den awarenzeitlichen Entsprechungen der dreiteili­ gen Gürtelgarnituren, die nach Max Martin als Gruppe A bezeichnet werden, fügte man noch eine Riemenzunge zum Gürtel hinzu. Sie sind damit also „vierteilig". Herkunft und Entstehung der dreiteiligen Gürtelgarnituren sind noch nicht geklärt. Zuletzt gelang es Renate Windler, unter den Gürteln des dritten Viertels des 6. Jahrhunderts die möglichen Vorläufer in fü n f Gruppen aufzuteilen und zu diskutieren. Von Interesse ist für den zu untersuchenden Raum der Typ „W eingarten“, der vorher schon im Donau­ raum und in den benachbarten Regionen des Mittelm eer­ raum esverbreitet war. Hier gehören dazu im Gegensatz zu anderen Gebieten keine Gegenbeschläge, sondern Rie­ menzungen zu den Garnituren. Mit diesem mediterranen Einfluss könnte also die Genese der awarenzeitlichen mit einer Riemenzunge erweiterten dreiteiligen Gürtel zu er­ klären sein.1^ Max Martin führt weitere zweiteilige Gürtel aus dem Balkan und aus Italien als andere mögliche Vorbil­ der für die awarenzeitlichen Gürtel an, wo neben der Schnalle mit Beschlagplatte auch eine Riemenzunge nach­ weisbar ist. Diese lassen in Material, Herstellungstechnik oder Verzierung Unterschiede zu Schnallen erkennen, wie sie auch im awarischen Kontext festzustellen sind. Im lan­ gobardischen Italien kann ihr Weiterleben auch neben den vielteiligen Garnituren der Schicht 3 verfolgt werden. Da­ durch lässt sich eine Kontinuität zu den schmalen Gürteln von Rainer Christleins Schicht 4 nachweisen.’54

149 Martin, Linz-Zizlau und Környe 66. 150 So z. B. im Grab 10 von Zamärdi (Bakay, Azavarkor Abb. 4,1-4). Hierauf wiesen bereits Falko Daim und die Autorin hin (Daim,Zillingtahoj-, Hein­ rich-Tamaska, Zahnschnittornamentik). 151 Böna, Beiträge 61. 152 Daim, Zillingtal 106-108 mit weiterführender Literatur. 153 R. Windler, Ein frühmittelalterliches Männergrab aus Elgg (ZH). Jb. Schweiz. Ges. für Ur- und Frühgesch. 72 (1989) 181-200. 154 Martin, Kölked-Feketekapu A 354-355.

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

31

Der Übergang zu Schicht 3 (ca. 6 2 0 /3 0 -6 7 0 /8 0 ) kann südlich der Alpen etwas früher beobachtet werden. Auf­ grund mediterraner Einflüsse entwickelten sich hier For­ men nach neuen Vorbildern. Die vielteiligen G ürtelgarni­ turen, die für die Gruppe 3 typisch werden, treten hier et­ was früher auf.'55 Der Wechsel zwischen den drei- und den vielteiligen Gürtelgarnituren erfolgte nach den Gräber­ felduntersuchungen in den Gebieten nördlich der Alpen regional unterschiedlich.156 Westlich des Rheins, z. B. in Bülach, fanden die vielteiligen Gürtelgarnituren keinen rich­ tigen Eingang, wohingegen die dreiteiligen Gürtelgarnitu­ ren hier immer schmaler wurden. Sie zeigen jedoch eine identische Entwicklung ihrer Tauschiermuster zu den viel­ teiligen Gürteln des süddeutschen Raumes.157 Hier wird Rainer Christlein folgend, das mittlere Drittel des 7. Jahr­ hunderts für das Aufkommen des vielteiligen Gürtels an­ genommen. Für ihre Motivwelt sind Spiral- und Tierstil IIVerzierungen typisch.1-58 Die Garnituren und Beschläge der Schicht 3 können nach Rainer Christlein aufgrund ihrerform enkundlichen Veränderungen und ihres dominierenden Tauschierdekors in zwei Untergruppen eingeteilt werden. In der Formen­ gruppe A sind die Bestandteile der Garnitur kürzer als in der Gruppe B. Mit dem Formwandel zur Gruppe B ver­ schwindet die Spiralverzierung, und die Tierornamentik neigt immer mehr zur Abstrahierung. Außerdem tritt häu­ fig eine Streifentauschierung an den Seiten auf.159 Falko Daim rechnet die Gürtelgarnituren mit „breiten, seitlichen Längsstreifen und mittigem Zick-Zack-Ornament, Wellen und S-Zier",l6° die unter anderem im awarischen Material bekannt sind, auch zu diesem Zeithorizont. Neben der Gliederung nach der Länge der Beschläge unterscheidet Rainer Christlein eine Gruppe von Garnitu­ ren, die eine geperlte M essingbandum rahm ung haben. Diese werden nach ihrer Mittelzier weiter unterteilt. Eine Untergruppe bildet der auch für das awarische Material in­ teressante Typ „Feldmoching" mit Maskenmotiv.161 In Schretzheim entsprechen die Stufen 5 und 6 der Schicht 3 von Marktoberdorf.162 Rainer Christlein datiert diesen Horizont durch die Münzfingerringe in das zweite Drit­ tel des 7. Jahrhunderts, der um 670/80 durch die Schicht 4

155 Martin, Linz-Zizlau und Környe 67. Es gibt außerdem einen Ansatz, der die Schicht 3 auch nördlich der Alpen früher ansetzt (um 610). Gleich­ zeitig werden Rainer Christleins Formengruppen A und B in drei Un­ terstufen a bis c untergliedert. Hier sind erneut Länge und Verzierung der Bestandteile ausschlaggebend für die Einordnung (Bruzler, Kirche Burg 198-199). 156 Nawroth, Pfahlheim 135, Anm. 830-832. 157 Martin, Linz-Zizlau und Környe 67-68, Abb. 5. Zur Gliederung des schweizerischen Materials in 4 Stufen vgl. Moosbrugger-Leu, Gürtelbe­ schläge der Schweiz 32-34. 158 Christlein, Marktoberdorf 52f. 159 Christlein .Marktoberdorf 54-55. 160 Daim, Zillingtai 106. 161 Christlein, Marktoberdorf 49-60. 162 Koch, Schretzheim 32.

32

abgelöst wird, die gleichzeitig das Ende der vielteiligen Gür­ telgarnituren nördlich und südlich der Alpen bedeutet.163 In Schicht 4 wurden in Marktoberdorf lediglich einfache Schnallen gefunden, die selten mit überlangen Riemenzun­ gen kombiniert dokumentiert werden konnten.16^ Die jüngste Phase bilden nach Frauke Steins Chronolo­ gie jedoch die in Marktoberdorf fehlenden wabenplattier­ ten Objekte, die häufiger in Verbindung mit almandingeschmückten Rundein auftreten. Diese werden in das späte 7. Jahrhundert datiert.165 In diesem Sinne erweitert Rainer Christlein seine Stufen A und B um die Stufe C. Für diese sollen die erwähnten Vertikalbeschläge mit Doppelschei­ benenden charakteristisch sein, die entgegen der allge­ meinen Entwicklung mit W abenplattierung verziert w er­ den.166 Mit dieser Stufe dürfte die typologische Ergänzung Christian Grünewalds Typ C parallel laufen, da er gem ein­ sam mit wabenplattierten Riemenzungen auftritt. Formenkundlich beschreibt er Garnituren mit extrem langen schmalen einnietigen Riemenzungen als diesem Typ zuge­ hörig. In der Stufe D unterscheidet er Garnituren mit kur­ zen, breiten, extrem dicken Riemenzungen. Sie laufen teil­ weise noch parallel, so wie der Typ C mit dem Typ B. Unter dem Aspekt der genaueren Datierung ist eine eiserne Rie­ menzunge mit Zellenwerk interessant, die in Kombination mit Beschlägen des Typs D vorkommt.167 Derartige mit Zel­ lenwerk verzierten Garnituren finden sich häufig im awa­ rischen Material. Ausgehend von einem Schmiedegrabaus Kölked-Feketekapu, öffnet sich dabei der Wirkungskreis ei­ nes Spezialisten, dessen Abnehmer größtenteils in diesem regionalen Kreis zu suchen sein dürften. Attila Kiss datiert diese Funde in die Frühawarenzeit, weist jedoch darauf hin, dass es sich um vielteilige Garnituren handelt, was ge­ gen ihre allzu frühe Stellung spricht.168

163 164 165 166 167

Christlein, Marktoberdorf 20. Christlein, M arktoberdorf 2}. Ste'\r\, Adelsgräber -$2ff. Christlein, Diriewang io; Stein, Adelsgräber 32ff. Grünewald, Unterthürheim 164-165, Taf, 31, A.ib. Weitere Stücke: in Singen aus Bronze hergestellt (ebd. 165, Anm. 45), aus Schretzheim, Grab 543, als Teil eines Gürtelgehänges (Koch, Schretzheim Taf. 139, 9). 168 Zuletzt zusammenfassend Kiss, Kölked-Feketekapu A 213-214. 312. Fundliste: 14. Attila Kiss erfasst hier auch Funde, die aus anderen Me­ tallen als Eisen hergestellt worden sind, z. B. Környe, Grab 149. Vgl, dazu noch Györ, Grab 294, eine Riemenzunge aus Silber [A. Börzsönyi, Györi sirmezö a regebbi közepkorböi. Arch. Ert. 24 (1904) 15-41, hier 23]. Weitere Eisenstücke, die dort nicht erfasst worden sind: Keszthely-Fenekpuszta, S-Befestigungsmauer, Gräber 44 und 52 [R. Müller, SägiKäroly temetöfeltäräsa a Keszthely-fenekpusztai eröd delifala elött (1963-1967). Zalai Müz. 9 (1999) 153-180 Abb. 5,44, 52J. Kölked-Fekete­ kapu, Grab B454 (Kiss, Kölked-Feketekapu B Taf. 82, B454.1-4). Pökaszepetk, Grab 56 (Sös - Salamon, Pökaszepetk Taf. 6, 56.1a). Die Auswer­ tung dieser Fundstücke könnte nach der Form der Zellen vorgenom­ men werden, da es dabei Unterschiede gibt. Zur chronologischen Stel­ lung dieses Typs ist zu erwähnen, dass Beschläge und Riemenzunge von Größe und Form her interessanterweise mit den Bestandteilen von vielteiligen, tauschierten Garnituren der Formengruppe A der

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n i m K a r p a t e n b e c k e n

Der Schicht 3 entspricht im awarischen Fundmaterial Max Martins Gruppe B, die durch westliche Importe ge­ kennzeichnet ist. Demnach sind die im Karpatenbecken ge­ fundenen Gürtelgarnituren dieser Zeitphase sämtlich aus dem merowingischen Bereich abzuleiten bzw. ihr Herstellungsort muss dort gesucht werden. Aus chronologischer Sicht könnte das den Vorteil der annähernd sicheren Datie­ rung mit sich bringen.16» Allerdings muss bedacht werden, dass in einer fremden Umgebung teilweise mit einer späte­ ren Grablegung gerechnet werden muss, wie es im Zusam­ menhang mit mehreren Garnituren auch vermutet wird.170 Die Gürtel der Gruppe A sowie der Gruppe B von Max Martin können je nach Zusammensetzung als homogen oder heterogen bestimmt werden. Dies bezieht sich auf die Verzierung der Bestandteile wie auf ihr Material und ihre Herstellung. Die unterschiedliche Anzahl der Bestand­ teile der einzelnen vielteiligen Gürtelgarnituren entspricht weitgehend der merowingerzeitlichen Praxis.171 Die ältesten Vertreter der vielteiligen Gürtel, also die wabentauschierten, kommen innerhalb des awarischen Materials in ihrer klassischen Form nicht vor. Die so ge­ nannten streifentauschierten Gürtel aus Sommerein und Pökaszepetk werden jedoch dieser Gruppe zugerechnet (S o m /i6 /i-i4 : Abb. 7; Pö/67/1-10: Abb. 8).172 Weiterhin lau­ fen Gürtel mit breitem Silberrandstreifen chronologisch parallel mit diesen Garnituren,173 wie man sie in Zähorskä Bystrica oder Zalakomär antrifft. Diese sind aufgrund ihrer Vertikalbeschläge mit Rundlingen mit Sommerein und Pö­ kaszepetk verwandt (Zah/20/1-7: Abb. 9; Zal/545/1-16: Abb. 10). Die Beschläge sind nur insofern unterschiedlich, dass in Pökaszepetk und Zalakomär die Mitte der Rundung Punkttauschierung, in Sommerein und Gyenesdiäs dage­ gen runde Glas- oder Granatplättchen aufweist.174 Das Aufkommen von runden Granateinlagen zeigt nach Reto Marti eine späte Stufe innerhalb der Entwicklung der w a­ benplattierten Garnituren.175 Beschläge und Riemenzun­ gen mit scheibenförmigen Enden treten dagegen bereits in der Formengruppe B der Schicht 3 von Rainer Christlein auf, doppelscheibige Abschlüsse werden aber erst in der Gruppe C typisch.'76 Beschläge dieser Art konnten in Möd-

169 170 171 172 173 174 175 176

Schicht 3 übereinstimmen (Christlein, Marktoberdorf 49). Es ist ein eigenständiger Typ, den wir aufgrund seines konzentrierten Vor­ kommens in den Gräbern der Nekropole Kölked als Typ „Kölked-Fekete­ kapu" bezeichneten (Heinrich-Tamaska, Einlagetechniken). Martin. Tauschierte Gürtelgarnituren 63-64: ders., Kölked-Feketeka­ pu A 351-352. Bende, Tausirozott övgarnitura 205. Neuffer. Donzdorf 47. Marti, Altdorf Abb. 34,110-117; Stein, Adelsgräber 33. Ursula Koch sieht sie als Imitation von Wabentauschierungen (Koch, Grabfunde I, 74). Diese Eigenschaft betrachte ich als das wesentlichste stilistische Cha­ rakteristikum dieses Typs (Dalm, Zillingtal 106). In Gyenesdiäs fehlt die Einlage bereits (Müller, Gyenesdiäs 43). Marti, Altdorf m . Stein, Adelsgräber40. Hans Zeiß und Joachim Werner datieren sie übereinstimmend in die Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert (Zeiss, Stu-

ling nicht registriert werden, aber hier kommen, wie in Gyenesdiäs, Riemenzungen des von Christian Grünewald definierten Typs C vor (M öd/240/1-6: Abb. 11; Gyen/5/1-12: Abb. ia im Beitrag von Robert Müller).177 Die streifentauschierten Gürtelgarnituren von Somme­ rein oder Mödling, Goldene Stiege, werden, dem Gürtel von Zähorskä Bystrica ähnlich, relativ spät innerhalb des awarischen Materials, nämlich um 700, datiert.178 Bei der Garnitur von Pökaszepetk wird eine Datierung um 680 an­ genommen.179 Über ähnliche Garnituren berichtet An­ dreas Lippert aus Tirol und Feldmonching. Dort gehört zur Garnitur ein Beschlag, dessen Mitte mit einem Zick-ZackMotiv gefüllt wurde, wie in Sommerein (Som/16/13: Abb 7).180 Dieses Motiv ist weiterhin das zentrale Element bei den Gürteln von Gyenesdiäs und Zalakomär. Zum letzteren gehörten zwei Nebenriemenzungen, die die frühere Varian­ te der Tierstil Il-Tauschierung zeigen und aufgrund ihrer Länge Rainer Christleins Formengruppe B zuzuordnen sind (Zal/545/i5~i6: Abb. io). Es wurden auch wabenplattierte Gürtel gefunden, die mit derartigen Riemenzungen kom­ biniert waren.181 Robert Müller datiert das Grab von Gye­ nesdiäs aufgrund der Beifunde in das letzte Viertel des 7. Jahrhunderts.182 Die wegen ihres zentralen Zick-ZackMotivs und der Silberumrahmung verwandten Stücke aus München-Sendling und W allersdorf bestätigen diese Da­ tierungsansätze weitgehend.183 Die oben genannten Garnituren hängen chronologisch eng zusammen, und sie laufen zeitlich parallel mit der For­ mengruppe C von Rainer Christlein.184 Das Ende ihres Ge­ brauchs fällt nach Reto Martis Untersuchungen in die Zeit um 670/80, die awarischen Datierungen nehmen jedoch

177 178

179 180 181 182

183

dien 40,60,69; Werner, Mindelheim 39, Anm. 51). Vgl. dazu auch Nawroth, Pfahlheim 138. Christlein, Dirlewang io; Stein, Adelsgräber 32ff.; Grünewald, Unterthürheim 164-165. Lippert, Bairisch-awarische Beziehungen 163. Falko Daim rechnet auch die Riemenzunge von Alattyän, Grab 520, zu dieser Gruppe (Daim, Zillingtal 105), was jedoch anhand der Zeichnung (die Fundstücke zeigen aufgrund der Korrosion auch im Röntgenbild keine Spuren der Tauschierung mehr) zunächst nicht eindeutig zu bestimmen ist (AI/520/1-4: Abb. 30). Frauke Stein behandelt die streifentauschierten Arbeiten als wabenplattiert, wie z. B. München-Pasing, Grab 4 (Stein, Adelsgräber 32, Taf. 79). Sös - Salamon, Pökaszepetk 117; Krakovska, Zelezne kovania 27. Lippert, Bairisch-awarische Beziehungen 163. Nawroth, Pfahlheim 137-138. Müller, Gyenesdiäs 44. Im Grab fand man auch einige frühawarenzeit­ liche Gegenstände. Neben dem von Robert Müller als frühawarisch angesprochenen Steigbügel lagen an der Schulter der Bestatteten einige goldene Blechbeschläge mit grünen Glaseinlagen, die auf­ grund einiger Parallelen ähnlich früh datiert werden können. Vgl. Budapest-Farkasret (Nagy, Budapest II, Taf. 83, A.4-8). Vgl. dazu auch den Beitrag von Robert Müller in diesem Band. Hier wird eine Datierung zum Ende des 7. Jahrhundert angenommen [H. Dannmeimer/G. Ulbert, Die bayuwarischen Reihengräber von Feld­ moching und Sendling -Stadt München (Laßleben/Kallmünz 1956) 30, Taf. 2,9-11]. Vgl. weiterhin Wallersdorf, Grab 10 (Oexle, Studien Taf. 120,

5)184 Stein, Adelsgräber 33.

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

33

Som/16/H Som/16/10 Som /16/9

Som/16/8

Som/16/5

Som/16/B

5om /16/4

Som/16/12

Som/16/13

Som/16/14

- C

H

Som/16/1 Som /16/6

Som/16/7

Som/16/2

Silbertauschierte (weiß) vielteilige Gürtelgarnitur aus Sommerein, Grab i6 (Som /i6/i-i4, nach Daim - Lippert, Sommerein Taf. 133.1-14). M in

34

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h i e r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

A b b . 7a

Röntgenaufnahme der tauschierten Beschläge der Garnitur aus Somme­ rein. Grab 16 (Som/16/6 und 9), M 2:1 (Röntgen: M. Schäfer, Universität Wien)

eine Verschiebung in Kauf, da man von einer längeren An­ wendung ausgeht.'85 In diese Phase dürften auch einzelne Bestandteile von Gürtelgarnituren gehören, von deren Tauschierdekor nur Spuren erhalten blieben. Eine Gürtelschnalle aus Baja, lei­ der nur ein Streufund (Baj/o/i: Abb. 13), zeigt eine silberne Umrahmung sowie eine quer gestrichelte Randverzierung, die für Funde mit den plattierten Silberstreifen typisch sind. Dies wird auch durch ihre langgezogene Form unter­ mauert.'86 Allein wegen der Form und wegen der wenigen erhaltenen Tauschierspuren kann vermutet werden, dass die Riemenzungen aus Keszthely-Sörkert zum silberplat­ tierten Typ gehören (KeszS/6/i-4: Abb. 14; KeszS/14/i: Abb. 15). Die Gürtel vom Typ „Feldmoching" wurden im Zusam­ menhang mit der ersten entdeckten Garnitur von Elöszälläs-Bajcsihegy, Grab 20, bereits vor vierzig Jahren durch Istvän Böna besprochen (Elö/200/1-15: Abb. 16). Er stellte die Verbreitung in den baiuwarischen und ostalamannischen Gebieten fest, was ihn in Verbindung mit der geringen An-

185 Marti, Altdorf 186 Livia Bende sah den Fund auch als Teil einer solchen Garnitur (Bende, Tausirozott övgarnitura 205}.

A b b . 7b

Röntgenaufnahme des tauschierten Beschlages der Garnitur aus Somme­ rein, Grab i6 (Som/i6/i4) M i:i (Röntgen: M. Schäfer, Universität Wien)

zahl bekannter Gürtel dazu veranlasste, auch ihre Produk­ tionsstätte in diesem Bereich zu lokalisieren. Erdatiertedie Funde in das zweite Drittel des 7. Jahrhunderts.187 Rainer Christlein stellte diese Gürtel mit dem Tauschie­ rungsmotiv einer Maske in einen größeren Rahmen und wies auf ihre Verwandtschaft mit weiteren Funden hin, die ähnliche Formen und dieselbe breite punzierte M essing­ um rahmung haben. Erfasste sie zu einem Werkstattkreis zusammen, den er in fü n f Untergruppen aufteilte.'88 Die Maskentauschierungen gehören hier seiner Gruppe IV an

187 Böna, Beiträge 67. 188 Christlein, Marktoberdorf 55; ders., Dirlewang 30.

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

35

~ " 1 •CD

■c==>

Pö/67/5-6

P6/67/4

\

Pö/67/5

PÖ/67/2

PÖ/67/1

Ö C~=3

es* cp?

?cq>

cZT> ;-ciP. ;c^:

cr--s-

er:-

IS Pö/67/10

l7 Pö/67/7 Pö/67/8

Pö/67/9

Abb.8

Silbertauschierte (weiß) vielteilige Gürtelgarnitur aus Pökaszepetk, Grab 67 (Pö/67/1-10, nach der Vorlage von Sös - Salamon, Pökaszepetk Taf. 7, 5-13,15), M 1:1

und werden dem späteren Abschnitt der Schicht 3 der For­ mengruppe B zugerechnet.189 Mittlerweile sind aus zwei weiteren transdanubischen Gräberfeldern derartige Funde bekannt geworden: eine Garnitur aus Pecs-Kertväros (PeK/391/1-7: Abb. 1a im Bei­

trag von Erzsebet Nagy)190 und ein Beschlag aus Zamärdi, als Bestandteil einer spiralverzierten vielteiligen Gürtel­ garnitur (Zam/1353/2: Abb. 18). Dieser unterscheidet sich von den Stücken aus Elöszälläs und Pecs unter anderem darin, dass die M essingum rahm ung nicht geperlt ist, son­ dern durch eine zentral herausgehobene Linie betont wird.

189 Christlein, Marktoberdorf 56-57.

190 Vgl. dazu den Beitrag von Erzsebet Nagy in diesem Band.

36

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

Zah/20/7

Zah/20/5

Zah/20/2

Ab b . 9

Silbertauschierte (weiß) vielteilige Gürtelgarnitur aus Zähorskä Bystrica (Zah/20/1-7, nach der Vorlage von Krakovskä, Zähorskä Bystrica Tat 13,1-6, Taf. 14,1-2), M i n

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n i m K a r p a t e n b e c k e n

Z al/545/1

r \

t?

Zal/545/14

m

db

ü

Za 1/545/7

A b b . 10

Silber- (weiß) und messingtauschierte (schwarz) vielteilige Gürtelgarnitur aus Zalakomär, Grab 545 (Zal/545/1-10), M im

K l a s s if ik a t io n

und

C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n i m K a r p a t e n b e c k e n

Zai/545/2

ZaI/545/16 Zal/545/15

A b b . 10a

Röntgenaufnahme einertauschierten Riemenzunge aus Zalakomär, Grab 545 (Zal/545/3). M i n (Röntgen: G. Hütai, MNM)

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

39

u I M öd/240/5

Möd/240/1

M öd/240/2

M öd/240/3

M öd/240/6

M öd/240/4

A b b . 11

Silbertauschierte (weiß), mit Kupferauflagen (schwarz) vielteilige Gürtelgarnitur aus Mödling, Grab 240 (Möd/240/1-6), M m

Ansonsten gehören die übrigen Bestandteile der Garnitur aufgrund formaler Merkmale Rainer Christleins Formen­ gruppe 3A an (Zam/1353/1. 3-7: Abb. 18). Die Garnitur aus Pecs-Kertväros weist neben ihren mit Maskenmotiv tauschierten Teilen auch zwei Stücke mit einfachem Zweibandgeflecht in der Messingbandeinrahmung auf, was Rainer Christleins Untergruppe III ent­ spricht (PeK/3gi/i—7: Abb. ia im Beitrag von Erzsebet Nagy).'9' DieserTyp begegnet uns in einerden Marktdorfer Funden sehr ähnlichen Form im awarischen Zusammen­ hang an zwei Beschlägen von Csäkbereny, Grab 421 (Csäk/42i/i—2: Abb. 19). Hier gehört zur Garnitur lediglich noch eine bereits auf der Zeichnung bruchstückhaft darge­

191 Christlein, Marktoberdorf 56.

40

stellte Hauptriemenzunge, die auch eine M essingeinrah­ mung dieser Art aufweist und heute leider verschollen ist (Csäk/421/3).192 Es handelt sich in Csäkbereny, wie in Markt­ dorf, um eine unvollständige Garnitur.193 Ein kompletter Gürtel dieser Art, jedoch wiederum he­ terogen zusammengesetzt, ist aus Cserküt bekannt. Hier gibt es neben den sonst einheitlich mit Zweibandgeflecht verzierten Bestandteilen eine Riemenzunge im Tierstil II in einer Punktbandumrahmung (C ser/o/i—13: Abb. 20). Nach

192 Die Veröffentlichung des Gräberfeldes von Csäkbereny ist in der Reihe „Monumenta Avarorum Archaeologica" geplant. Leider sind heute mehrere Fundstücke verschollen und können somit nicht näher unter­ sucht werden. 193 Christlein, M arktoberdorf SS-

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

®

©

A b b . 12a

Röntgenaufnahmen einer tauschierten Riemenzunge der vielteiligen Gürtelgarnitur aus Gyenesdiäs, Grab 5 (Cyen/5/7), M in (Röntgen: G. Hütai, MNM)

A b b . 12

Röntgenaufnahme Silber- und rnessingtauschierter Beschläge der vielteiligen Gürtelgarni­ tur aus Gyenesdiäs, Grab 5 (Gyen/5/9 und n), M 2:1 (Röntgen: G. Hütai, MNM)

Rainer Christlein können die Funde in seiner Untergrup­ pe III sowohl der Gruppe A als auch der Gruppe B der Schicht 3 zugeordnet werden.194 Das wird durch die hier­ vorliegenden awarischen Funde ebenfalls deutlich: In der Garnitur von Pecs-Kertväros werden sie mit Maskenmotiv, in Cserküt mit der früheren Form des Tierstils II kombi­ niert. Zuletzt gehört zu diesem Typ, wegen seines punzierten Messingbandes, ein Beschlag aus Komarno/Komärom, dessen zentrales Ornamentfeld leider nicht erhalten blieb (Kom/o/1: Abb. 21).195 Ein bisher einm aliger Fund der jüngeren Gruppe, eine Gürtelschnalle, stammt aus Hird-Homokbänya (Hir/189/1: Abb. 22). Ihre trianguläre Form entspricht den norditali­ schen dreiteiligen Gürtelgarnituren, die zeitlich mit den Schichten 2B und 3A von Rainer Christlein parallel zu set­ zen sind. Ihre Verzierung zeigt eine regelmäßige Tierstil IIOrnamentik in bichromer Ausführung.196 Zur älteren Phase von Rainer Christleins Schicht 3 gehö­ ren vielteilige Garnituren mit kurzen Riemenzungen. In­

194 Christlein, Marktoberdorf 56. 195 Das Fundstück stammt aus einem Haus einer awarischen Siedlung, die vom 7, bis zum 9. Jahrhundert datiert wird. Das Haus selbst wird in das 8. Jahrhundert datiert (Trugly, Komarorni telep 132-134). 196 Da die weiteren Funde des Grabes nicht publiziert sind, ist bis jetzt unbekannt, wie die Garnitur ursprünglich ausgesehen hat.

nerhalb des awarischen Materials finden sich auch ent­ sprechende Beispiele mit Spiral- und mit Tierstil Il-Verzierung. Spiralverzierungen treten außer an Gürtelbestand­ teilen häufiger auch an Pferdegeschirrbeschlägen auf.197 Die bisher auf dem awarischen Siedlungsgebiet gefunde­ nen Gürtelgarnituren dieser Art sind in der Regel hetero­ gen zusammengesetzt und werden gegenüber merowingischen Parallelen relativ spät datiert.'98 So wurde zuletzt die Gürtelgarnitur von Pitvaros von Livia Bende in das dritte Drittel des 7. Jahrhunderts bzw. um die Wende des 7. zum 8. Jahrhundert gesetzt, obwohl sowohl die Motive als auch die Formen der Beschläge und der Riemenzunge die Zugehörigkeit zur Schicht 3A Rainer Christleins bekräf­ tigen (Pit/72/1—12: Abb. 23).199 Die bereits erwähnte spiral-

197 Oexle, Studien Taf. 151,4 (Windecken von 1938), Taf. 141. 8-15 (Wackern­ heim, Grab 8/1972), Taf. 99, 216,1-2 (Oberwamgan, Grab 150 a/b). 198 Dort wird ihnen die früheste Stellung unter den vielteiligen Gürteln zugeschrieben (Koch, Bargen 30). 199 Auch Livia Bende weist auf diese typologische Verwandtschaft zur Schicht 3A hin, allerdings aufgrund des hohen Alters des Bestatteten und der Bestattungsform nimmt sie eine spätere Grablegung an [L. Bende, Fülkesirok a pitvarosi avar kori temetöben. Adatok afülkes es löszerszdmos temetkezesek kronolögiajähoz. In: L. Bende-G . Lörinczy - Cs. Szalontai, Hadak ütjän. Nepvändorläs korfiatal kutatöinak konferenciäja (Szeged 2000) 241-280, hier 247; dies., Tausirozott övgarnitura 205].

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n i m K a r p a t e n b e c k e n

41

Baj/0/1

A b b . 13

Silbertauschierte (weiß) Gürtelschnalle aus Baja (Baj/0/1, nach der Vorlage von Bende, Tciusirozott övgarnitura Abb. 2), M in KesztS/6/1 KesztS/6/2

A b b . 14

Silbertauschierte (weiß) vielteilige Gürtelgarnitur aus Keszthely-Sörkert, Grab 6 (KesztS/6/1-2. nach der Vorlage von Kovrig, Keszthelyi Abb. 14, 6-7), M i : i

KesztS/14/1

A b b . 15

Silbertauschierter (weiß) Gürtelbeschlag aus Keszthely-Sörkert, Grab 14 (KesztS/i4/i, nach der Vorlage von Kovrig, Keszthelyi Abb. 16, i) , M i : i

42

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

Elö/200/13 Elö/200/14

Elö/200/12

Elö/200/9 Elö/200/11

Elö/200/1

Elö/200/6

Elö/200/2 Elö/200/3

Elö/200/8

Elö/200/4

Elö/200/5

Elö/200/10

Elö/200/7

A b b . 16

Silber- (weiß) und messingtauschierte (schwarz) vielteilige Gürtelgarnitur aus Elöszälläs-Bajcsihegy, Grab 200 (E10/200/1—14), M 1:1

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h i e r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

43

A b b . 17a

Röntgenaufnahme von zwei Silber und messingtauschierten Beschlägen einer vielteiligen Gürtelgarnitur aus Pecs-Kertväros, Grab 391 (PeK/391/4 und 6), M 1,5:1 (Röntgen: G. Hütai. MNM)

A b b . 16a

Röntgenaufnahme einer tauschierten Riemen­ zunge aus Elöszälläs-Bajcsihegy, Grab 200 (Elö/200/6), M 1,5:1 (Röntgen: G. Hütai, MNM)

Zam/1353/3 Zam/1353/2 Zam/1353/1

Zam/1353/4

A b b . 17

Röntgenaufnahme einer silber- und messingtauschierten Riemenzunge einer vielteiligen Gürtelgarnitur aus Pecs-Kertväros, Grab 391 (PeK/39i/3). M 1,5:1 (Röntgen: G. Hütai, MNM)

44

Zam/1353/6

Zam/1353/5

Zam/1353/7

A b b . 18

Messing- (schwarz) und silbertauschierte (weiß) vielteilige Gürtelgarnitur aus Zamärdi, Grab 1353 (Zam/1353/1-6), M in

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

verzierte Garnitur aus Zamärdi sollte aufgrund des einen maskentauschierten Beschlages später als Schicht 3A da­ tiert werden (Zam/1353/1-7: Abb. 18). Ein weiterer unvoll­ ständiger Gürtel aus Zamärdi ist wie in Pitvaros durch Tier­ stil II- und Spiralmotiv geschmückte Stücke vertreten. Auch hier spricht die Form der Beschläge und Riemenzun­ gen für die Schicht 3A (Zam /749/1-4: Abb. 24). Eine w ei­ tere komplette Garnitur dieser Zeitphase, die mit einer Bronzeschnalle kombiniert ist, stammt aus Grab 1286 des­ selben Gräberfeldes (Zam/1286/1-9: Abb. 25). Das Orna­ ment einiger ihrer Bestandteile ist im Awarenreich bisher einmalig und wird uns anschließend noch beschäftigen. In Budakaläsz wurde eine weitere spiralverzierte Garnitur ge­ borgen, deren Beschläge den oben erwähnten Zamärdier Exemplaren formal am nächsten stehen (Bud/1295/1-3: Abb. 2A im Beitrag von Adrien Päsztör und TivadarVida).200 Diese Form findet man auch bei den Beschlägen einer spi­ ralverzierten Gürtelgarnitur aus Kölked-Feketekapu, Grab B470. Attila Kiss sieht sie als Nachahmung der Pseudo­ schnallen an, eine Annahme, die angesichts des w estli­ chen Ursprungs solcher Garnituren zunächst nicht über­ zeugend ist.201 Rainer Christlein zufolge ist der schwalben­ schwanzförmige Abschluss charakteristisch für die Gürtel­ formen der Schicht 3A.202 Einzelne spiralverzierte Beschläge bzw. Riemenzungen sind aus Zillingtal und Kölked-Feketekapu überliefert. Sie sind Teile von Gürtelgarnituren, an denen die weiteren Be­ standteile eine andere Herstellungstechnik aufweisen. In Zillingtal gehörte der Beschlag mit bronzenen und eiser­ nen Teilen zu einer vielteiligen Gürtelgarnitur (Zill/D i4/i: Abb. 26). Falko Daim datiert dieses Stück mit den anderen hiervorgestellten spiralverzierten Funden in die Frühawarenzeit.203 In Kölked zeigt Max Martin, dass die spiralver­ zierte Riemenzunge des Grabes A341 zu einem aus Silber­ und Bronzeblechbeschlägen bestehenden vielteiligen G ür­ tel gehörte (KÖI/A341/1: Abb. 27).204 Problematisch ist die Beurteilung der mangelhaft doku­ mentierten und heute verschollenen oder zu stark korro­ dierten Keszthelyer Gürtelgarnituren. Wie bereits bei der Diskussion des Forschungsstands erwähnt wurde, wurden hier nach der Rekonstruktion von Gäbor Kiss fünf oder

200 Vgl. dazu den Beitrag von Adrien Päsztor und Tivadar Vida in diesem Band. 201 Kiss, Kölked-Feketekapu B 208 (diese Garnitur ist nicht tauschiert vgl. dazu Anm. 409 der vorliegenden Arbeit). Die Garnitur wird im Buch von Attila Kiss als „tauschiert" beschrieben (Kiss, Kölked-Feketekapu B 152—153). es handelt sich jedoch lediglich um eine eiserne, gravierte Verzierung, in der keine Spuren von Einlagefäden erkennbar sind. Vgl. weiterhin Dannheimer, Reihengräberfunde 188. 202 Christlein, M arktoberdorf 49-50. 203 Daim, Zillingtal 99-100,105-106. Taf 1,4. Taf. 2, Taf. 3,18-19; Daim, Avars 476-477. 204 Martin, Kölked-Feketekapu A 351.

Csä k/421/1

A b b . 19

Silber- (weiß) und messingtauschierte (schwarz) Gürtelbeschläge einer vielteiligen Gürtelgarnitur aus Csäkbereny (Csäk/421/1-2), M 1:1

A b b . 19a

Röntgenaufnahme der Gürtelbeschläge aus Csäkbereny (Csäk/421/1M 1,5:1 (Röntgen: G. Hütai, MNM)

sechs vielteilige, tauschierte Garnituren geborgen.205 Heute ist lediglich eine Riemenzunge mit Tierstil Il-Motiv überliefert, die zu Rainer Christleins Formengruppe 3A zählt (KesztS/i879.1.1/1: Abb. 29). Die bekannten Exemplare der jüngeren Gruppe der viel­ teiligen Gürtelgarnituren zeigen im awarischen Kontext meist eine heterogene Zusammensetzung oder sie treten als einzelne tauschierte Bestandteile eines Gürtels auf. Die bisherigen Datierungen gehen im awarischen Kontext

205 Kiss, Kesztheiy-varos 135. Die Erwähnung der Garnituren: Ebd. 81, Nr. 17; ders.. Keszthely-Dobogö 118-119.127 (Gräber 1641,1663). 132 (Grab 1935).

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

45

Cser/0/1

Cser/0/11

Cser/0/12 Cser/O/5 I

IJ

Cser/0/9

ii

I

Cser/0/6

Cser/0/4

Cser/0/7

Cser/0/8

Cser/0/3 Cser/0/2

Cser/0/13

A b b . 20

5ilber- (weiß) und messingtauschierte (schwarz) vielteilige Gürtelgarnitur aus Cserküt (Cser/0/1-13), M i n

46

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h i e r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n im K a r p a t e n b e c k e n

A b b . 20 a

Röntgenaufnahme von zwei tauschierten Riemenzungen der Gürtelgarnitur aus Cserküt (Cser/0/7-8), M 1,5:1 (Röntgen: G. Hütai, MNM)

aufgrund solcher Beobachtungen meist davon aus, dass hierdie Gürtel später datiert werden können als im germa­ nischen Milieu. Aus formen kund licher Sicht repräsentieren die awarenzeitlichen Exemplare zwar die einzelnen Schichten der merowingischen Chronologie, ihre Gesamt­ zahl bleibt jedoch weit unter der der westlichen Erzeug­ nisse. Ihre Verbreitung zeigt eine eindeutige Konzentration in Transdanubien, wie auch die der Funde der älteren Gruppe. Nur wenige Fundorte findet man entlang von Theiß und Maros. Interessant ist jedoch das häufigere Vor­ kommen der Garnituren der jüngeren Gruppe in den nörd­ lichen, vor allem aber in den westlichen Grenzgebieten des Awarenreiches (Karte 1). Die ältere Phase der tauschierten Gürtelgarnituren, die so genannten vierteiligen Gürtelgarnituren, wird nach Max Martin als Gruppe A bezeichnet und läuft zeit­ lich parallel zu Rainer Christleins Schicht 2, in der die drei­ teiligen Gürtel typisch sind. Bestandteile einer solchen Garnitur sind neben einem wappenförmigen Schnallenund Gegenschnallenbeschlag ein Rückenbeschlag und eine Riemenzunge, und sie sind insgesamt größer sowie breiter als die Elemente der jüngeren vielteiligen Gür­ tel.206 Tatsächlich ist eine derartige aus vierTeilen bestehende Garnitur innerhalb Max Martins Gruppe A bisher nur zweimal in Verbindung mit derTauschierung beobachtet worden. Einmal in Környe, wo alle Bestandteile tauschiert sind (Kör/77/1-4: Abb. 31), und einmal in Kölked-Fekete­ kapu, wo nur die Riemenzunge der eisernen Gürtelgarni­ tur Tauschiermuster aufweist (KÖI/A180/1: Abb. 32). In w ei­ teren Fällen wurden die einzelnen Bestandteile in Hinblick auf Verzierung, Herstellungstechnik sowie Material hete­

206 Martin, Kölked-Feketekapu A 346; Grünewald, Unterthürheim 158.

rogen durchmischt und variieren in ihrer Zusamm enset­ zung. Max Martin weist auch daraufhin, dass die Garnitu­ ren selten alle identisch verziert sind und anscheinend kaum je von Anfang an zusammengehörten.207 Sie wurden auch mit zusätzlichen Beschlägen und Riemenzungen er­ gänzt. In einem Fall istjedoch eine dreiteilige Garnitur, wie sie sonst im Westen üblich war, überliefert (Kör/97/1—3: Abb. 33).208 „Vierteilig" sind aufgrund der Anzahl ihrer Be­ standteile die Gürtel von Kölked-Feketekapu, Grab A227 (K0I/A227/1-3: Abb. 34) und A249 (KÖI/A249/1: Abb. 52), de­ ren Zusammensetzung jedoch nicht übereinstimmt. Es fehlen die Gegenbeschläge, und stattdessen gehört je ein zusätzlicher viereckiger Beschlag aus Bronzeblech bzw. Ei­ sen zum Inventar. Aus Környe ist ebenfalls ein Gürtel ohne Gegen beschlag überliefert, dafür jedoch mit drei recht­ eckigen Beschlägen (K ör/66/i—5: Abb. 49). In Marktober­ dorfw erden solche Garnituren ohne Gegenbeschlag in die frühe Phase der Schicht 2 datiert, und Ursula Koch ordnet in Schretzheim die unverzierten dreiteiligen Garnituren der Stufe 4 zu.209 Der Gürtel des Grabes B132 des Gräberfeldes von Kölked setzt sich aus einertauschierten Riemenzunge (KÖI/B132/1: Abb. 35) und weiteren bronzenen Bestandteilen zusam ­ men, die bereits über die obligatorischen vier Teile hinaus auch rechteckige durchbrochene Beschläge aufweisen. Nach Attila Kiss ist dieser Beschlagtyp „für die Problematik des Fortbestandes der Gepiden relevant“.210 Die Kombina­ tion und Form der Stücke weist auf eine Spathagarnitur hin.211

207 Martin, Kölked-Feketekapu A 346. 208 Martin, Linz-Zizlau und Környe 66, Abb. 5. 209 Christlein, Marktoberdorf 41-, Koch, Schretzheim 24. 210 Kiss, Kölked-Feketekapu A 215-216, 211 Vgl. dazu Vida, Spathagurte 163ff.

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n i m K a r p a t e n g e c k e n

47

Hir/189/1 A b b . 22

Silber- (weiß) und messingtauschierte (schwarz) Schnalle aus HirdHomokbänya, Grab 189 (Hir/i89/i). M i n

Kom/0/1 A b b . 21

Messingtauschierter (schwarz) Beschlag einer vielteiligen Gürtel­ garnitur aus Komarno (Kom/o/i, nach der Vorlage von Trugly, Komäromi telep Abb. 22), M i n

A b b . 22 A

Röntgenaufnahme der Schnalle aus Hird-Homokbänya, Grab 189 (Hir/189/1), M m (Röntgen: G. Hütai, MNM)

Auch die folgenden Beispiele zeigen, dass die „Viertei­ ligkeit" nicht unbedingt die Regel war. Die Garnitur des Grabes 18 von Környe (Kör/18/1-4: Abb. 50) und des Grabes A275 von Kölked-Feketekapu weisen zusätzliche Beschläge auf. Bei letzterem wurden die Bestandteile - außer der tauschierten Riemenzunge - aus Bronzeblech hergestellt (K0I/A275/1: Abb. 36). Auch bei den merowingischen drei­ teiligen eisernen Gürtelgarnituren sind ein bis zwei Recht­ eckbeschläge durchaus üblich, also muss diese Kombina­ tion nicht als ungewöhnlich angesehen werden.212 Auffäl­ liger ist jedoch die Ergänzung durch weitere Riemenzun­ gen. Im Grab A44 von Kölked-Feketekapu wurde eine kom­ plette vierteilige Garnitur mit weiteren vier eisernen Ne­ benriemenzungen zu einem vielteiligen Gürtel umgeän­ dert (K0I/A44/1-4: 3 7 )213 In Väc bildet eine dreiteilige tau-

212 R. Reiss, Der merowingerzeitliche Reihengräberfriedhofvon Westheim (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen). (Nürnberg 1994) 118-199, Anm. 214. 213 Auch Max Martin fiel bei diesem Grab auf, dass man dem Gürtel „das anscheinend erwünschte Aussehen eines vielteiligen Gürtels ver­ schaffen“ wollte (Martin, Kölked-Feketekapu A 352).

48

schierte Garnitur der so genannten jüngeren Variante des Typs Bülach mit gerundetem Plattenende, zusammen mit einer silbernen Haupt- und Nebenriemenzunge, ein Set (Väc/401/1-3: Abb. 38). Nach Waldtraut Schrickels Unter­ suchungen ist dieser Typ im Gegensatz zu fränkischen hauptsächlich auf alam annischen Friedhöfen zu finden.214 Die Riemenzungen sind dagegen wegen ihres Dekors und ihrer Herstellungsart mit Artefakten in eine Reihe zu stel­ len, die byzantinischen Einfluss vermuten lassen.215 Als Beispiele für solche Kombinationen können die Riemen­ zunge des Grabes 7 von Linz-Zizlau I, die mit einer vielteili­ gen spiralverzierten Gürtelgarnitur vergesellschaftet war,216 oder die Riemenzunge aus Castel Trosino, Grab 9, angeführt werden.2'7

214 215 216 217

Schrickel, Tier- und Bandornamentik 29. Z. B. Martynovka (Katalog Hunnen und Awaren 313-314). Ladenbauer-Orel, Linz-Zizlau Taf. I, Grab 7. Paroli, Castel Trosino 254, Abb. 203-204. Hier lag sie mit einem im Tier­ stil II verzierten tauschierten Sporenpaar zusammen im Grab (Ebd. 256-257, Abb. 207).

K l a s s if ik a t io n u n d C h r o n o l o g ie t a u s c h ie r t e r G ü r t e l g a r n it u r e n i m K a r p a t e n b e c k e n

Pit/72/4

Pit/72/1

Pit/72/6

Pit/72/8

Pit/72/7

Pit/72/11 A b b . 23

Silber- (weiß) und messingtauschierte (schwarz) vielteilige Gürtelgarnitur aus Pitvaros, Grab 72 (Pit/72/1—11, nach der Vorlage von Bende, Tausirozottövgarnitura Abb. 1-20), M i n

Bei mehreren dieser Garnituren lag ein Schwert, in der Regel eine Spatha, im Grab (vgl. Tabelle 1). In Marosveresmart/Veresmort, Gräber 12 und 13 (Ver/13/1—2: Abb. 6; Ver/12/1: Abb. 5) rekonstruierte Tivadar Vida dazu vieltei­ lige Spathagurte. In beiden Gräbern fanden sich neben der Spatha pyramidenförmige Beschläge, die häufig mit viel­ teiligen Spathagarnituren des 7. Jahrhunderts Vorkom­ men.218 Max Martin sieht hier zwei dreiteilige Garnituren

219 Martin, Linz-Zizlau und Környe 70. 220 Nach Margit Nagy sind die Stücke jedoch nicht zusammengehörig (Böna-Nagy, Gepidische Gräberfelder 108).

218 Vida, Spathagurte 170-171.

Kl a ssif ik a t io n

und

C

h r o n o l o g ie t a u s c h ie r te r

ohne Riemenzunge,219 dagegen spricht allerdings auch die verhältnismäßig geringe Größe der Beschläge. Die tau ­ schierten Gürtelbestandteile des gepidenzeitlichen Gra­ bes 7 von Hödmezöväsärhely-Kishomok können ebenfalls als Teil eines Spathagurtes betrachtet werden (Abb. 4).220 In der Nekropole von Keszthely-Feneki utca wurden le­ diglich zwei Teile eines Gürtels, ein Schnallenbeschlag und

G

ü r t el g a r n it u r en im

Ka r p a t e n b e c k e n

49

Pit/72/12

\

~ /5 \ //,'/Jy.V'Ms//■ >/.;,

3

>

ö O ^ un

viereckig

Monochrom

rz

Baj/0/1

Beschlag

Vielteiliger Gürtel

Ag X

•ob — 2’ST > O LT'.

'S

Abb. 30

Beschlag

Vielteiliger Gürtel

Tauschierung X

ps

Abb. 30

Riemen­ zungeFragment

Zugehörig zum Vielteiiiger Gürtel

Einlagematerial

Abb. 30

Riem en­ zunge

Blechstreifen/ tordiert

Szolnok

Art der Tauchierung

Alattyän

Funktion

Vielteiligei Gürtel

Katalog der awarenzeitlichen tauschierten Gürtelbestandteilen. Die Katalognummer setzt sich aus der Abkürzung des Fundortsnamens, der Grabnummer und der laufenden Nummer innerhalb eines Fundkomplexes zusammen. Streu- und Siedlungsfunde tragen die „o". Die kursiv markierten Daten kennzeichnen nicht überprüfbare und aus Publikationen übernommene Informationen. Schwarz: Ältere vierteilige Gürtelgarnituren. Grau: Jüngere vielteilige Gürtelgarnituren.

Literatur 3-

00 < 00


O)

CC =

*

Röntgenaufnahmenummer

CO

CTn fN *s ZJ CÜ

Ln.

$

lr>

£

= * =

•Oj

=

=

■o

“5 13

"5

•rrj

CD

cd

CD

U

E

Bildaufnahmenummer =

r-~




Ö

Land

F u n d o rt

E 5

00

§

>

c QJ OJ P DO .5=! §

QJ 00

QJ

O

’ üj

>

DO J5

CO

ii CD

0

o3 DO

q;



QJ

6

QJ cU 9- c 00 GJ c

ri

x E 3

a3 CO

q3

00

'ö3 T i

'ü "ö3

>

"Ö3 >

u

0



=

=

=

*

=

E L_

5 £

DO

w

=

x

03 DO ä

QJ CD

=

w. ^ •Hj DO — OJ ■rtj — Ni ^

iS

'03 ~s, -G DJ

-G Q

$ 5

£ 5

iS £

-G Nj

-G

$

£

LT.

$ 5

$ 5

X

X

X

X

X

X

X

X

QJ

GJ

Si

QJ

QJ u_

QJ

QJ

Riemer zunge

-G

r

s Gl

OG

Gl

ce

qj

E — rz f— m lo

Abb. 51

Zugehörig zum Vierteiliger Riemen­ Gürtel zunge

Art der Tauchierung ‘hn-s VJI f— 1 S-

Somrnerein

G ■-o

tf

QJ Cl 1 rrv ^

P

QJ G. G. i 1 P

£

0

rn

^

G tf

QJ rn

1

rn

r- rn

S ß

Q 3

QJ

Q_



■Jü 00



r*i

S

ß

L ip p e rt.

0

0

5

-

Ln co 1 K. •o % LTi

0 E _rc rc • on r1 r

s

5

QJ 00

3 :5

03 X "öj 5

O

>

öj "ä

QJ

OJ QJ E 59

U

Dß r TO QJ

00 c cj

_£5

5

y b c j rz CD ^

f

l QJ H CD i

^ I

00

O 00

oj 00

Öj "Öj

öj ' S

'Öj

"ÖJ . 3 > O

"qj 'S > O

E

=

>

oj *C

Qj

qd

5 N

>

ö

"S >

:3

'S

O

>

§

m

ir\ x 1

S

op *S :3 U

'S ~s "S : 3 >

u

=

5

8

j ^ ■D QJ LA ^

8




i

Z usätzliche M e talle /Einlag en X

Punkt A rt der T a u ch ie ru n g

X

X

X

X

x

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

CuZn

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Ag

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

•Ü

£

£

£

CU

d>

O

"Öj . 3 >

g

c GJ GJ E 00 2

|

"33

>

Ü

5

o

>

u

00

Tj

§

GJ CD

~Ö3 : 3 > o

QO

K S _ -5P §: 9- E ■8

QJ G; E 5P 5 Ol GJ 00 Qj ±L t l GJ :3 > O '53

C GJ GJ E 2P 2

S4

GJ E •— Ckd

Qj ^ Zi M

GJ GJ E 5P

CU

X

1

1

Q

O N un

Pferde­ geschirr

CuZn

x

Tolna

Au X

Pferde­ geschirr

X

X

Pferde­ geschirr

Schmelz X

Riemen­ zunge

X

Pferde­ geschirr

X

p Qj

Cikö

Niello X

ß

ru nd

“03

z

>

P ä szto r-V id a , Bronzekanne Abb. 1-3 .

>^. J _

Abb. 66

unbe­ kannt

Pferde­ geschirr

1

Cu/CuSn

ß

ß

BudT/0/2

Schnalle

unbe­ kannt

Pest

2

>

CuSn

£

O Nj g

BudapestTihany ter

Kanne

Tafel­ geschirr

Pest

0

BudakaläszDunapart

X Phalere

X Pferde­ geschirr

Land LO Oß

Phalere

Kovrig, Adatok Taf. 12.3, 3a.

Kovrig, Adatok Taf. 12, 3, 3a.

~£_

Abb. 66

=

n

Abb. 69

Fundort JO Oß

Pferde­ geschirr

Komitat Baranya

Röntgenuntersucht

Böly

zugehörig zur/zum £

0

Böly/0/2

Abb. 69

Funktion X

Pferde­ geschirr

Trägermaterial X

Bics/0/2

Monochrom

Steigbü­ gel

Ag

Pferde­ geschirr

Einlage­ material

Bicske

Blechstreifen/Platte Art der Blechstreifen/ Tauschierung tordiert

Bics/0/1

Tauschierung

Pest

Katalog der anderen awarenzeitlichen tauschierten und der nielloverzierten Fundstücke. Die Katalognumrner setzt sich aus der Abkürzung des Fundortsnamens, der Grabnummer und der laufenden Nummer innerhalb eines Fundkomplexes zusammen. Streu- und Siedlungsfunde tragen die „o". Die kursiv markierten Daten kennzeichnen nicht überprüfbare und aus Publikationen übernommene Informationen. Schwarz: Frühawaren­ zeitliche Objekte. Hellgrau: Mittelawarenzeitliche Objekte. Mittelgrau: Spätawarenzeitliche Objekte.

K atalog

Literatur g rr \ r— xi

cx.




on

tQJ 4-> .*= -rc U CL

'-J £3 •ro Ni

ä U

Abbildungsnummer

oT U

I

LU

— V' v ^r

Auflagen/Zusätzliche Metalle

l ? «sT > 00 x -9 ( -2 ^ TO X X

00 QJ >

rn x ?X .2 1 TO > TO X ^ X

s

S TO

U"> 1

2

ob O >J

Kiss, Kölked-Feketekapu A Taf. 29. 9.

iS

Kiss. Kölked-Feketekapu A Taf. 29, 8.

Ö

ÖJ

fe rn

Kiss. Kölked-Feketekapu A Taf. 36, A108.17.

>o

$ E QJ

Kiss. Kölked-Feketekapu A Taf. 33. A105.

’S

CL

Kiss. Kölked-Feketekapu A Taf. 26, A39.25.

■s s 0 QJ

V_> G Török, Halimba Taf. 3, 20,5.




\ c on 3 ^

X

X

00

3

"O _Q

=

OJ

ff

d =

ro Cl

>

I

3

T

3

F-

Bildaufnahmenummer

jG

£

< LH \G _Q J 2>


;0 >

7^

q!

°

Beschlag Beschlag Beschlag Beschlag

QJ "p ~o -73 QJ — 00 Pferde­ geschirr Pferde­ geschirr Pferde­ geschirr

CO

£

r-"O

Ts o ro Ql ■O >

o -C?

El :0 >

0

01

I

7^ -

vgl. den Beitrag von L. Költö und J, Szentpeteri I vgl den Beitrag von L. Költö und J. Szentpeteri

C 00 Qj > 00 Öj >

c CL

o

cl

>

:C >

QÜ ;C

vergoldet

^

qJ CD

=



Phalere

vgl. den Beitrag von L. Költö und J. Szentpeteri

vgl. den Beitrag von L. Költö und J. Szentpeteri

o 00 QJ >

5

Pferde­ geschirr

00 f 1

00 >

QJ C CQ cc Beschlag

i

Pferde­ geschirr

K e

Pferde­ geschirr

DO

CC

Qj

3

LH f~n

3

rn

00

CC U QJ CC

= =

Ln

Lr»

1

>

m

1

_Q

Beschlag

vergoldet

*

Pferde­ geschirr

*

vergoldet

vgl den Beitrag von L. Költö und ). Szentpeteri

X

halb i und

vgl. den Beitrag von L Költö und J. Szentpeten

X

Beschlag

vgl. den Beitrag von 1 Költö und J. Szentpeteri vergoldet c DO Qj vergoldet

vgl. den Beitrag von L. Költo und J. Szentpeteri

vgl. den Beitrag von l Költö und J. Szentpeteri

vergoldet

B lech streife n / tordiert

vgl. den Beitrag von f . Költö und J. Szentpeteri

Punkt

vergoldet

B lech streife n /P latte V >

Pferde­ geschirr

halb rund

DO

Pferde­ geschirr

= halb­ rund

= OO

Pferde­ geschirr

= cc

halb­ rund

vergoldet

vgl den Beitrag von 1 Költö und J. Szentpeteri

00

Pferde­ geschirr

vgl den Beitrag von L. Költö und J. Szentpeteri

vgl. den Beitrag von L. Költö und J. Szentpeteri

vgl. den Beitrag von 1 Költö und J. Szentpeteri

vgl. den Beitrag von 1 Költö und J. Szentpeteri

5

l l fS 'Oj

Cd

■qj c Qj

_

QJ

TD DO > 3

vgl. den Beitrag von L Költo und J. Szentpeteri

■■O

1

lo

LT\

Abb. 3 (im Bei­ trag von L Költö)

X

S >
~

Abb. 3 (im Bei­ trag von L. Költö)

X

Dp X

“ob c

Abb. 3 (im Bei­ trag von L. Költö)

X

Pferde­ geschirr

>: o DO

qj c CG QJ F. Qj ^

Abb. 3 (im Bei­ trag von L. Költö)

N iello

X

halb­ rund

Bichrom

X

> q _,|G DO >

G

> ’vl 00 rc -cj

Abb. 3 (im Bei­ trag von L. Költö)

Land

ob

•3

Abb. 3 (im Bei­ trag von L. Koltö)

K om itat

O DO £

Abb. 3 {im Bei­ trag von L. Koltö)

zu geh örig zu r/zu m

> =5

Abb. 3 (im Bei­ trag von L. Költö)

Ag

X

DO

~öb c

Abb. 3 (im Bei­ trag von L. Költö)

Form

cc qj ? ■/'>

Abb. 3 (im Bei­ trag von L. Költö)

£

>O ~ DO-i^

Abb. 3 (irn Bei­ trag von L. Költö)

Funktion

*

Pferde­ geschirr

A u fla g e n /Z u sä tzlich e M etalle

Abb. 3 (im Bei­ trag von L. Költö)

< V *

CuZn Au

*

LA

cl

rsi

LA

1

i 87

i88 Land

Fundort

A b b ild u n g sn u m m e r

K ata lo g n u m m er

CG

:o «D Jö ^

.C m § -d oo JD rz < w

rfN LT\ Q_

eil

Ti_n n eil

1

1

CO

ro

1 Phalere

Pferde­ geschirr

o

§

r

lX

un rund rund

=

-5

LT'.

rn

CL

■O

>
nj 5 Ni o

~rc ix '. l n ’j". C

ph

>

>

| ^

CD 1—

?

'} r ~QJ ^ C l CTi

&

"qj A u f la g e n / Z u s ä t z lic h e M e t a lle DO

Qj P

Nj

•O

£

:

t

'«3 g

O T 3 •P3 CD

JO

-5

II, 8 4 5 . III,

fN

TO

m


x »5

H a m p e l, A lte r tü m e r

fu

TO

L it e r a t u r £

jo

iS

T a f. 4 9 9 , i a - 2 .

rv u

•c: jO

•C

ri LT.

ln

5 "5 DO

DO

>

>

Punkt B le c h s t r e if e n / P la t t e

A rt der T a u s c h ie ru n g

B le c h s t r e if e n / t o rd ie rt S c h m e lz

X

X

X

X

X

X

x

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

QJ

Qj

X

R ö n tg e n u n te rs u c h t Au CuZn

E in la g e ­ m a t e r ia l

X

X X

Cu/CuSn A g

X

B ic h r o m

X

X

*

X

X

X

T a u s c h ie ru n g M o n o c h ro m N ie llo

X

X

T r ä g e r m a t e r ia l

DO