Wer haftete für Baumängel in der Antike? Wie war das staatlich-städtische Bauen organisiert? Und welchen Stellenwert hat
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German Pages 149 [154] Year 2022
Table of contents :
EDITORIAL
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT (Kaja Harter-Uibopuu)
DIE BAUVERGABE-ORDNUNG VON TEGEA: THEORIE UND PRAXIS DER GRIECHISCHEN BAUVERTRÄGE (Gerhard Thür)
RECHTLICHE REGULARIEN BEIM AUSBAU DES HEILIGTUMS VON EPIDAUROS IM 4. JH. V.CHR. (Sebastian Prignitz)
BUILDING CONTRACTS AND GUARANTORS IN CLASSICAL AND HELLENISTIC GREECE (Peter Long)
RECHT UND PRAXIS - BAUVERTRÄGE AUS DER SICHT VON BAUFORSCHUNG UND ARCHÄOLOGIE (Ursula Quatember)
SENATVS CONSVLTO PECVNIA PVBLICA FACIENDVM CVRAVIT. STRUKTUR UND ORGANISATION STAATLICH-STÄDTISCHEN BAUENS IN DER KAISERZEIT (Werner Eck)
DIE HAFTUNG FÜR BAUMÄNGEL IM RÖMISCHEN RECHT (Wolfram Buchwitz)
DROIT ET CONSTRUCTION PRIVEE URBAINE DANS L'ORIENT ROMAIN TARDIF (IVee-VIee S.): ACTEURS, CONTRAINTES ET CONFLITS (Catherine Saliou)
Studien zu Bau und Recht in der Antike Herausgegeben von Kaja Harter-Uibopuu
Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne Band 20
Franz Steiner Verlag
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Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne Alessandro Bausi (Äthiopistik), Christof Berns (Archäologie), Christian Brockmann (Klassische Philologie), Christoph Dartmann (Mittelalterliche Geschichte), Philippe Depreux (Mittelalterliche Geschichte), Helmut Halfmann (Alte Geschichte), Kaja Harter-Uibopuu (Alte Geschichte), Stefan Heidemann (Islamwissenschaft), Ulla Kypta (Mittelalterliche Geschichte), Ulrich Moennig (Byzantinistik und Neugriechische Philologie), Barbara Müller (Kirchengeschichte), Sabine Panzram (Alte Geschichte), Werner Riess (Alte Geschichte), Jürgen Sarnowsky (Mittelalterliche Geschichte), Claudia Schindler (Klassische Philologie), Martina Seifert (Klassische Archäologie), Giuseppe Veltri ( Jüdische Philosophie und Religion) Aus dem Herausgebergremium verantwortlich für diesen Band: Kaja Harter-Uibopuu Band 20
Studien zu Bau und Recht in der Antike
Herausgegeben von Kaja Harter-Uibopuu
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Asklepeion at Epidauros, Ephorate of Antiquities of Argolida. © Ministry of Culture and Sports / Archaeological Resources Fund. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2022 Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13265-7 (Print) ISBN 978-3-515-13269-5 (E-Book)
EDITORIAL In der Reihe Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne haben sich geisteswissenschaftliche Fächer, die u. a. die vormodernen Gesellschaften erforschen (Äthiopistik, Alte Geschichte, Byzantinistik, Islamwissenschaft, Judaistik, Theologie- und Kirchengeschichte, Klassische Archäologie, Klassische und Neulateinische Philologie, Mittelalterliche Geschichte) in ihrer gesamten Breite zu einer gemeinsamen Publikationsplattform zusammengeschlossen. Chronologisch wird die Zeit von der griechisch-römischen Antike bis unmittelbar vor der Reformation abgedeckt. Thematisch hebt die Reihe zwei Postulate hervor: Zum einen betonen wir die Kontinuitäten zwischen Antike und Mittelalter bzw. beginnender Früher Neuzeit, und zwar vom Atlantik bis zum Hindukusch, die wir gemeinsam als „Vormoderne“ verstehen, zum anderen verfolgen wir einen dezidiert kulturgeschichtlichen Ansatz mit dem Rahmenthema „Sinnstiftende Elemente der Vormoderne“, das als Klammer zwischen den Disziplinen dienen soll. Es geht im weitesten Sinne um die Eruierung sinnstiftender Konstituenten in den von unseren Fächern behandelten Kulturen. Während Kontinuitäten für die Übergangszeit von der Spätantike ins Frühmittelalter und dann wieder vom ausgehenden Mittelalter in die Frühe Neuzeit als zumindest für das lateinische Europa relativ gut erforscht gelten können, soll eingehender der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Kulturen des Mittelalters im Allgemeinen auf die antiken Kulturen rekurrierten, sie fortgesetzt und weiterentwickelt haben. Diesen großen Bogen zu schließen, soll die neue Hamburger Reihe helfen. Es ist lohnenswert, diese längeren Linien nachzuzeichnen, gerade auch in größeren Räumen. Vielfältige Kohärenzen werden in einer geographisch weit verstandenen mediterranen Koine sichtbar werden, wobei sich die Perspektive vom Mittelmeerraum bis nach Zentralasien erstreckt, ein Raum, der für die prägende hellenistische Kultur durch Alexander den Großen erschlossen wurde; auch der Norden Europas steht wirtschaftlich und kulturell in Verbindung mit dem Mittelmeerraum und Zentralasien – sowohl aufgrund der Expansion der lateinischen Christenheit als auch über die Handelswege entlang des Dnepr und der Wolga. Der gemeinsame Impetus der zur Reihe beitragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besteht darin aufzuzeigen, dass soziale Praktiken, Texte aller Art und Artefakte/Bauwerke der Vormoderne im jeweiligen zeithistorischen und kulturellen Kontext ganz spezifische sinn- und identitätsstiftende Funktionen erfüllten. Die Gemeinsamkeiten und Alteritäten von Phänomenen – die unten Erwähnten stehen lediglich exempli gratia – zwischen Vormoderne und Moderne unter dieser Fragestellung herauszuarbeiten, stellt das Profil der Hamburger Reihe dar. Sinnstiftende Elemente von Strategien der Rechtsfindung und Rechtsprechung als Bestandteil der Verwaltung von Großreichen und des Entstehens von Staatlichkeit, gerade auch in Parallelität mit Strukturen in weiterhin kleinräumigen
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Editorial
Gemeinschaften, werden genauso untersucht wie Gewaltausübung, die Perzeption und Repräsentation von Gewalt, Krieg und Konfliktlösungsmechanismen. Bei der Genese von Staatlichkeit spielen die Strukturierung und Archivierung von Wissen eine besondere Rolle, bedingt durch ganz bestimmte Weltvorstellungen, die sich z. T. auch in der Kartographie konkret niederschlugen. Das Entstehen von Staatlichkeit ist selbstverständlich nicht nur als politischer Prozess zu verstehen, sondern als Gliederung des geistigen Kosmos zu bestimmten Epochen durch spezifische philosophische Ansätze, religiöse Bewegungen sowie Staats- und Gesellschaftstheorien. Diese Prozesse der longue durée beruhen auf einer Vielzahl symbolischer Kommunikation, die sich in unterschiedlichen Kulturen der Schriftlichkeit, der Kommunikation und des Verkehrs niedergeschlagen hat. Zentrum der Schriftlichkeit sind natürlich Texte verschiedenster Provenienz und Gattungen, deren Gehalt sich nicht nur auf der Inhaltsebene erschließen lässt, sondern deren Interpretation unter Berücksichtigung der spezifischen kulturellen und epochalen Prägung auch die rhetorische Diktion, die Topik, Motive und auktoriale Intentionen, wie die aemulatio, in Anschlag bringen muss. Damit wird die semantische Tiefendimension zeitlich weit entfernter Texte in ihrem auch symbolischen Gehalt erschlossen. Auch die für uns teilweise noch fremdartigen Wirtschaftssysteme der Vormoderne harren einer umfassenden Analyse. Sinnstiftende Elemente finden sich auch und v. a. in Bauwerken, Artefakten, Grabmonumenten und Strukturen der jeweiligen Urbanistik, die jeweils einen ganz bestimmten Sitz im Leben erfüllten. Techniken der Selbstdarstellung dienten dem Wettbewerb mit Nachbarn und anderen Städten. Glaubenssysteme und Kultpraktiken inklusive der „Magie“ sind gerade in ihrem Verhältnis zur Entstehung und Ausbreitung des Christentums, der islamischen Kultur und der Theologie dieser jeweiligen Religionen in ihrem Bedeutungsgehalt weiter zu erschließen. Eng verbunden mit der Religiosität sind Kulturen der Ritualisierung, der Performanz und des Theaters, Phänomenen, die viele soziale Praktiken auch jenseits der Kultausübung erklären helfen können. Und im intimsten Bereich der Menschen, der Sexualität, den Gender-Strukturen und dem Familienleben gilt es ebenfalls, sinn- und identitätsstiftenden Elementen nachzuspüren. Medizinische Methoden im Wandel der Zeiten sowie die Geschichte der Kindheit und Jugend sind weitere Themengebiete, deren Bedeutungsgehalt weiter erschlossen werden muss. Gemeinsamer Nenner bleibt das Herausarbeiten von symbolträchtigen Elementen und Strukturen der Sinnhaftigkeit in den zu untersuchenden Kulturen gerade im kulturhistorischen Vergleich zu heute. Die Herausgeber
INHALTSVERZEICHNIS Kaja Harter-Uibopuu Vorwort ........................................................................................................... 9 Gerhard Thür Die Bauvergabe-Ordnung von Tegea: Theorie und Praxis der griechischen Bauverträge .......................................... 13 Sebastian Prignitz Rechtliche Regularien beim Ausbau des Heiligtums von Epidauros im 4. Jh. v.Chr. ............................................... 29 Peter Long Building contracts and guarantors in Classical and Hellenistic Greece .......... 49 Ursula Quatember Recht und Praxis Bauverträge aus der Sicht von Bauforschung und Archäologie ............................................................... 67 Werner Eck senatus consulto pecunia publica faciendum curavit Struktur und Organisation staatlich-städtischen Bauens in der Kaiserzeit ..... 83 Wolfram Buchwitz Die Haftung für Baumängel im römischen Recht .......................................... 107 Catherine Saliou Droit et construction privée urbaine dans l Orient romain tardif (IVe VIe s.): acteurs, contraintes et conflits .............................. 131
VORWORT Seit 2008 widmete sich die Veranstaltungsreihe Wiener Kolloquien zur Antiken Rechtsgeschichte vorwiegend Themenbereichen, die interdisziplinär und epochenübergreifend behandelt werden konnten. Der vorliegende Band enthält sieben Beiträge, die im November 2016 unter dem Generalthema Bau und Recht an der bislang letzten Tagung der Reihe gehalten wurden. In der in diesem Rahmen bereits bewährten Kooperation konnten Thomas Kruse und ich Rechts- und AlthistorikerInnen sowie ArchäologInnen an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften begrüßen und gemeinsam verschiedene Aspekte des öffentlichen und privaten Bauwesens in der griechischen Polis und im römischen Reich diskutieren. Dabei standen die Zusammenhänge zwischen den auf Inschriften und in literarischen Zeugnissen überlieferten Beschreibungen von Bauvorhaben und deren praktische Umsetzung im Mittelpunkt. Neben der Organisation der Bautätigkeit und ihrer Finanzierung, sollten Kompetenzen und Verantwortlichkeiten untersucht werden. Bauausschreibungen, wie sie aus den griechischen Poleis epigraphisch überliefert sind, ließen Interpretationen aus rechtlicher, aber auch aus archäologischer Sicht erwarten. Ein zweiter Schwerpunkt lag auf dem Verhältnis zwischen Bauherren und Handwerkern, sowohl im öffentlichen als auch privaten Recht. Wenn sich auch nicht alle Referentinnen und Referenten zu einer Publikation entschlossen haben, werden doch einige wesentliche Bereiche des Baurechts in den hier vorgelegten Beiträgen angesprochen. Der erste Teil des Bandes ist dem Recht der griechischen Polis in Klassik und frühem Hellenismus gewidmet. Ausgehend von der Bauvergabeordnung von Tegea (IG V 2, 6A), die wohl mit dem Neubau des Tempels der Athena Alea (um 350 v. Chr.) in Verbindung zu bringen ist, stellt Gerhard Thür (Wien) die Rechtsakte vor, die die oftmals sehr komplexe öffentliche Bautätigkeit regelten. Die Bauausschreibung sollte Unternehmer ansprechen, die sich in weiterer Folge um die Übernahme einzelner Baulose bewerben konnten. Die Bedingungen für ihre Tätigkeit, ihre Rechten und Pflichten, wurden darin ebenso geregelt, wie Konfliktlösungsmechanismen und die Kompetenzen lokaler Amtsträger. Weitere epigraphische Zeugnisse aus anderen Poleis, wie etwa Bauverträge und Bauabrechnungen, können mit späteren Phasen der jeweiligen Unternehmungen in Verbindung gebracht werden und ergänzen somit unser Wissen um die Vorschriften zur zügigen, kostengünstigen und dennoch qualitätvollen Errichtung städtischer Bauten. Natürlich wollte sich die Polis angesichts der möglichen Risiken vor allem gegen Mängel in der Leistung der Unternehmer absichern. Daher mussten diese Bürgen stellen, die für die zeitgerechte und adäquate Erfüllung der Aufgaben einzustehen hatten. Peter Long (London) untersuchte bereits in seiner Dissertation die Rolle der Bürgen in den öffentlichen Bauvorhaben griechischer Poleis. Er weist nach, dass Städte als Bauherren regelmäßig die Nennung von Bürgen verlangen, welche einerseits vorzugsweise ihre eigenen Bürger waren, und somit bei fremden Unternehmern einen raschen Zugriff auf das Vermögen gewährleisteten. Zudem mussten sie vielfach Landbesitz nachweisen, um über das Barvermögen hinaus
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Sicherheiten stellen zu können. Da Bauunternehmer eher wegen technischer Fähigkeiten als wegen ihrer finanziellen Möglichkeiten engagiert wurden, war die entsprechende Absicherung der Stadt natürlich notwendig. Für Bürgen waren die Androhung von Strafzahlungen, die die Bauherren zu pünktlicher Leistung veranlassen sollten, aber auch die Zahlung eines Werklohns in Raten Anreize, die ihr Risiko minimieren konnten. Im Anschluss daran konnte Sebastian Prignitz (Wien) nachweisen, dass nach vollständiger Erfüllung des Vertrags durch den Unternehmer, bei pünktlicher Leistung, nach Zahlung aller Raten und nach Abnahme der Bauteile durch die Bauherrin die Bürgen nicht mehr in den Abrechnungen genannt wurden. Er erläutert anhand der Bauabrechnungen von Epidauros die mögliche Finanzierung eines großen, öffentlichen Bauvorhabens. Jeder einzelne Schritt wurde von den Vergabekommissaren gegenüber der Baukommission oder später den hiaromnamones abgerechnet, sei es, dass Geld für Material oder für Arbeit aufgewendet wurde. Somit konnte der Stadt als Auftraggeberin Rechenschaft über die eingesetzten Mittel erstattet werden. Neben den Ausgaben werden auch Einnahmen aus Geldbußen erwähnt, die als Konventionalstrafen oder Verzugsstrafen von den Unternehmern geleistet werden mussten. Auch auf mögliche Widersprüche gegen derartige Bußzahlungen und eigens aufgestellte Strafstelen geht Prignitz im Detail ein. Die minutiösen Aufstellungen der einzelnen Schritte erlauben schließlich auch Archäologen und Bauforschern erstaunliche Einblicke, wie Ursula Quatember (Wien) in ihrem Beitrag zum Abschluss des ersten Teils dieses Bandes eindrucksvoll beweist. Eine Synopse der Bauabrechnungen und der archäologischen Forschung führt zu neuen Ergebnissen in Fragen des Bauablaufes und der Organisation von Baustellen. Quatember kann zeigen, dass nicht nur die Bauvorschriften (etwa in Tegea) die Gefahr der Beschädigung bereits anstehender Bauteile kannten und Vorkehrungen dagegen trafen, sondern dass auch die Kosten für Holzverschalungen etwa in Epidauros zu einem weit fortgeschrittenen Stadium des Baus in diesen Zusammenhang gehören. Dort sollten wohl Säulen geschützt werden, während die Materialien für den Cella-Ausbau in die Mitte des Bauwerks gebracht wurden. Im zweiten Teil ihres Vortrags führt sie die Leser in die römische Kaiserzeit und widmet sich der Frage nach dem Konnex zwischen der fehlenden Fertigstellung von Bauvorhaben und deren Finanzierung. In der archäologischen Forschung wurde immer wieder vermutet, dass fehlende Finanzmittel dafür verantwortlich waren. Eine Untersuchung der Celsus-Bibliothek in Ephesos zeigt aber, wie sehr die Familie des Stifters und seine potentiellen Erben an einer Fertigstellung interessiert waren. Auch andere Bauwerke lassen den Schluss zu, dass es sich hier wohl um bewusste Bauweisen handelte. Somit schafft ihr Beitrag chronologisch die Verbindung zum folgenden zweiten Teil des Sammelbandes. Die römische Baupolitik stellt Werner Eck (Köln) in den Mittelpunkt seines Aufsatzes, der aus dem Festvortrag der Tagung entstand. Minutiös analysiert er die epigraphischen, literarischen und archäologischen Quellen und legt dar, dass die Kaiser zwar in Rom selbst häufig als Bauherren auftraten, ebenso im Bereich des Militärs und bei den Reichsstraßen. In den Provinzen ist ihre Beteiligung an den Bauvorhaben der Gemeinden und Städte aber deutlich geringer. Wenn es auch auf
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Anfrage finanzielle Unterstützung geben konnte, waren es die Gemeinden selbst, die die Bauorganisation innehatten und deren Gefahren trugen. Das Bild einer kontinuierlichen und effektiven kaiserlichen Baupolitik in den Provinzen demontiert Eck nachhaltig. In den Bereich des Privatrechts führt der Beitrag von Wolfram Buchwitz (Würzburg). Die Gefahr von Baumängeln ist bis in die Gegenwart aktuell und zieht die Frage nach der Haftung des Bauunternehmers nach sich. Im Römischen Recht scheint diese nicht spezifisch geregelt gewesen zu sein, nach der Bauabnahme war der Unternehmer auf den ersten Blick von jeder Verantwortung befreit. Buchwitz zeichnet ein flexibles System von Verdingungsverträgen, in denen diese fehlende Gewährleistung ihren Niederschlag im Preis fand, den sie drückte. Auch der abschließende Beitrag von Catherine Saliou (Paris) widmet sich der privaten Bautätigkeit. In einem umfassenden Überblick über die juristischen Quellen zum privaten Bauwesen in den Städten des Ostens des Römischen Reichs in der Spätantike geht es vor allem um das Verhältnis zwischen privaten Bauherren und ihren Nachbarn. Zahlreiche Konflikte entstanden aus dieser Konstellation und wurden in unterschiedlicher Weise geregelt. Literarische, epigraphische und papyrologische Texte können das Bild vervollständigen und die Notwendigkeit sowie den Nutzen interdisziplinärer Untersuchungen belegen. Mein Dank gilt an dieser Stelle vor allem meinen MitarbeiterInnen Heidi Heil, Louisa Darge und Philip Egetenmeier, ohne deren kontinuierliche Unterstützung die Herausgabe des Bandes nicht möglich gewesen wäre. Ebenso hat sich wie stets die Zusammenarbeit mit dem Franz Steiner-Verlag, namentlich mit Katharina Stüdemann, als ideale Konstellation erwiesen. Die Verantwortung für etwaige Fehler und die lange Bearbeitungsfrist liegt bei mir.
Kaja Harter-Uibopuu
DIE BAUVERGABE-ORDNUNG VON TEGEA: THEORIE UND PRAXIS DER GRIECHISCHEN BAUVERTRÄGE Gerhard Thür Aus Literatur, Steininschriften, Papyri und weiteren Originaldokumenten sind wir heute über subtilste Feinheiten des Rechtslebens der griechischen Antike informiert. Eines verraten uns die Quellen allerdings nicht: Wie kommt ein Vertrag zustande, welcher Rechtsakt begründet die Haftung des Schuldners? Welche rechtlichen Instrumente stehen dem Gläubiger zu Gebote, um den Schuldner zur Erfüllung seiner Pflicht zu zwingen? Heute reicht, zum Beispiel, die bloße mündliche Einigung über den Kaufgegenstand und den Preis aus, um einen gültigen Kaufvertrag abzuschließen, so dass jeder Teil den anderen verklagen kann, wenn dieser sich weigert, die übernommene Verpflichtung zu erfüllen. Das ‚Konsensprinzip‘ gilt grundsätzlich auch für alle übrigen Verträge des Schuldrechts. Die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen haben diese Konstruktion aus den Texten der römisch-byzantinischen Rechtswissenschaft übernommen. Ein großer Teil der Gelehrten nimmt an, dass in den griechisch-hellenistischen Rechtsordnungen die verbindliche Kraft von Verträgen auf genau die gleiche Weise zustande kam. Vor allem Nichtjuristen können sich nicht vorstellen, dass die Menschen in der Antike elementare Grundfragen des Privatrechts nach anderen, und zwar primitiveren – ‚handgreiflichen‘ – Denkmodellen gelöst haben als wir heute. Die Diskussion entbrannte um die Bedeutung der homologia (von , wörtlich „gleich sprechen“). Aus Athen ist ein Gesetz überliefert (Hypereides 3, gegen Athenogenes § 13): .1 Die weithin übliche Deutung, die Griechen hätten hiermit das Prinzip des Konsensualkontrakts gesetzlich statuiert, ist aber falsch. Das Gesetz besagt nur, dass eine Prozesspartei eine beliebige Behauptung, deren Richtigkeit sie dem Gegner zugestanden hat, vor Gericht nicht mehr abstreiten kann, im Sinne von: „Der ‚bestätigte Wortlaut‘ soll ‚maßgeblich‘ sein.“ Das war eine wichtige prozessuale Vorschrift im Verfahren vor den großen Gerichtshöfen Athens. Die homologia als solche eröffnete keine Klagemöglichkeit.2 Fritz Pringsheim hat erkannt, dass der Kauf im griechischen Rechtskreis als ‚Barkauf‘ konzipiert war.3 Nur der direkte Austausch von Ware und Preis erzeugte 1
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Meistens übersetzt: „Was einer dem anderen ‚versprochen‘ hat, soll ‚rechtsverbindlich‘ sein.“ Zur Diskussion um diesen auch aus anderen Reden überlieferten Satz s. aus jüngerer Zeit Phillips 2009, Gagliardi 2015 (beide vertreten das Konsensprinzip), anders Carawan 2006, Thür 2013. S. etwa Thür 2013, 8–9. Pringsheim 1950, 157–159.
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Gerhard Thür
Rechtswirkungen, nämlich den Übergang des Eigentums; wechselseitige Klagen auf Erfüllung des Kaufvertrags gab es nicht. Ein Kaufgeschäft konnte man in Athen jedoch auch so abwickeln: Der Käufer gibt dem Verkäufer einen Teil des Kaufpreiarrabon)) mit der Abrede, dass er den Verkäufer auf das Doppelte ses als Angeld (als arrabon verklagen kann, wenn dieser ihm die Ware nicht vereinbarungsgemäß übergebe. Andererseits verfällt die arrabon zugunsten des Verkäufers, wenn der Käufer die Ware nicht abnimmt und folglich den Preis nicht bezahlt. Eine Klage auf den vereinbarten Kaufpreis, auf Lieferung oder auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags stand den Vertragsparteien nicht zu. Jeder Teil war nur indirekt zur Erfüllung der Vereinbarung gezwungen. Hans Julius Wolff hat diesen Gedanken vertieft: Nicht der Konsens erzeuge generell die Haftung des Schuldners, sondern eine reale Vorleistung des Gläubigers, die dieser im Hinblick auf eine Gegenleistung erbracht hat. Die reale Vorleistung, von Wolff als ‚Zweckverfügung‘ bezeichnet, berechtigt den Gläubiger, die in homologia)) formulierten , in den Papyri dann auch homologia Vertragsstrafen einzuklagen.4 Wieder liegt also nur indirekter Erfüllungszwang vor. Nach diesem Grundsatz wurden in den griechischen Rechten auch die Bauverträge abgewickelt. Wolff hat seine Theorie der Zweckverfügung anhand der Papyrusurmisthosis)) entwickelt.5 Während der Kauf als ‚Zielschuldverhältkunden zur Pacht ((misthosis nis‘ Zug um Zug erfüllt werden kann (juristisch ausgedrückt: durch ‚synallagmatischen‘ Austausch von Ware und Preis), ist die Pacht auf eine gewisse Dauer angelegt. Eine der Vertragsparteien muss im ‚Dauerschuldverhältnis‘ notgedrungen vorleisten. In gleicher Weise können auch im Bauvertrag (ebenfalls misthosis genannt) die Errichtung eines Gebäudes und die Bezahlung des ‚Werklohns‘ nicht Zug um Zug erfolgen; auch in diesem über einen gewissen Zeitraum laufenden Schuldverhältnis muss einer vorleisten. Wer hat vorzuleisten? Wie ist die vorleistende Partei rechtlich abgesichert? Wie kann sie ihrerseits vom Vertragspartner die Erfüllung der vertraglichen Gegenleistung verlangen? Wolff hat den rechtlichen Charakter der griechischen Bauverträge, die aus zahlreichen Poleis inschriftlich überliefert sind, nicht behandelt. Als ich das 1984 unternahm, hütete ich mich, in die noch viel zahlreicheren und erdrückend umfangreichen Bauabrechnungen einzudringen. Nachdem Sebastian Prignitz nun darangeht, das höchst aufschlussreiche Material der Abrechnungen und Listen aus Epidauros zur weiteren Erforschung auch für den Juristen aufzubereiten,6 möchte ich hier einige Ergänzungen zu meinen damals erzielten Ergebnissen nachtragen. Aus dem griechischen Bereich sind ausschließlich Inschriften über Bauten erhalten, die eine Polis in Auftrag gegeben hat, niemals eine Privatperson. Im Einzelnen sind zu unterscheiden:7 der Baubeschluss, die allgemeine Bauvergabe-Ordnung
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Wolff 1957, 52; 63. Wolff 1946 (1961). Beginnend Prignitz 2014, rezensiert von Thür 2015; siehe auch seinen weiterführenden Beitrag unten in diesem Band. Beispiele führt Prignitz 2014, 171–172 an; s. auch Pitt 2016, 194.
Die Bauvergabe-Ordnung von Tegea
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(nur die aus Tegea ist bekannt8), die Ausschreibung der Baulose, die Baukontrakte (das ist der Text der Ausschreibung eines Bauloses, wobei einfach der Name des Ersteigerers, sein Werklohn und die Namen der Bürgen daruntergesetzt werden), Beschlüsse über Finanzierung, jährliche Abrechnungen der für den Bau eingesetzten Kommissäre (das ist die Hauptmasse der Inschriften9), Ehrungen und Weihungen. Nirgends ist eine vollständige Urkundenserie erhalten, auch wurde nicht überall alles auf Stein publiziert. Ausgangspunkt meiner 1984 in der Festschrift für Biscardi erschienen „Bemerkungen zum altgriechischen Werkvertrag“ war die Bauvergabe-Ordnung aus Tegea in Arkadien (IG V 2, 6A). Die seit 1860 bekannte Inschrift wurde als Nr. 3 in die „Prozessrechtlichen Inschriften Arkadiens“ aufgenommen.10 Erhalten ist eine opisthographe Marmorplatte (84 x 90 x 22 cm) mit einer Kolumne Text im arkadischen Dialekt auf der Vorderseite (54 Zeilen, durch Paragraphos-Striche in Kapitel unterteilt); am linken Rand sind noch Buchstabenreste einer weiteren Kolumne zu erkennen, die von einer benachbarten Platte übergelaufen ist. Wie viel Text verloren ist, kann man nicht abschätzen. Unter den hunderten von griechischen Bauinschriften nimmt dieses Dokument, das sich selbst am Schluss (§ 8 II, Z. 53) als ‚ für sakrale und öffentliche Bauten‘ bezeichnet, immer noch eine Sonderstellung ein. Die Vorschrift soll zusätzlich zu den speziellen, für die einzelnen erga)) erlassenen syngraphoi gelten (Z. 54). Nur solche speziellen Bau‚Baulose‘ ((erga verträge sind sonst erhalten. Anlass für die umfassende Regelung der Bauvorhaben in der Polis Tegea dürfte der Neubau des Alea-Tempels (zwischen 350 und 340) nach dem Brand von 395/4 gewesen sein, geleitet vom Architekten und Bildhauer Skopas aus Paros (DNO 2286–2335, bes. 2321). Ob er auch für die vorzügliche juristische Arbeit verantwortlich war, wissen wir nicht. Zu datieren ist die Inschrift um das Jahr 350. Es empfiehlt sich, den Text in seinem vollen Umfang kennenzulernen. Ich beschränke mich hier auf eine etwas modifizierte Wiedergabe der in IPArk abgedruckten Übersetzung:
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––– (§1) – – – €• • – – – – – – – – – – – – – – ƒ +…•† vac.? ‡ ˆ ‰ Š ‹ Œ ‡ •
In Lebadeia wird ein entsprechender katoptikos und naopoikos nomos erwähnt in IG VII 3073, Z. 87–89; Pitt 2014, 382; 388. 9 Aus dem im Laufe des 4. Jh.s wechselnden Formular der Abrechnungen rekonstruiert Prignitz im 2. Abschnitt („Charakter der Urkunden und Organisation der Arbeiten“) seines hier vorgelegten Beitrags die Zuständigkeit der wechselnden Funktionäre und die Geldflüsse in Epidauros. Aus dem Rahmen der Abrechnungen fällt lediglich der älteste Text, eine wie eine ‚Bautafel‘ jährlich geführte Liste der vergebenen Baulose und deren Kosten, Prignitz 2014 Nr. 1 (400– 390 v. Chr.). 10 Thür – Taeuber 1994 (IPArk), S. 20–45. Der dort S. 22–25 (mit Übersetzung) abgedruckte Text ist praktisch identisch mit dem schon in Thür 1984, 475–476 publizierten; er fußt auf den epigraphischen und sprachwissenschaftlichen Arbeiten von Hans Taeuber. Text und englische Übersetzung Rhodes – Osborne 2003, Nr. 60; kurz besprochen auch von Pitt 2014, 388–389, der Parallelen zu der Galerie von Stelen in Lebadeia sieht (unten Anm. 37).
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Gerhard Thür
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Ž• , • ’ ”• . (§2) ••— q˜ ™š •™ ” •™ ‡ › ’ ••œ ” •™‰Š Š ,• ™š ž ’ [ ]‰ ˜ Ž Ÿ‹ ™ , • ˜. (§3 I) ‡ ™š •¡ ™ ˜ ¢ • ˜ ¢ ‹ ™ q ˜ £ ¢ ¤ ˜ q , Ÿ ¥ ™ ¡ ˜ ‰ ™ ‰ q ž (II) Ÿ ™š ’ •¡ ™ • ˜. ‡ ™ ‰ •¡ ¦ ˜ ˜ £ ‹q ¨ • , — •˜ ‰ — ‹¡ œ © •¡ ž (III) ‡ ™ ‹ ˜ ª ‡ «Š • , ™š •¡ ™ ˜ , ••—™¡ ”• • , ” ¬Š ¨ — «¥ Š, • Œ q˜ ¢ • ˜, ‡ ˜ Ÿ‹ ™ . (IV) ‡ ™- ˆ[ ] ‹• — ‰ ‹ ™¡ ¢ • ˜ £ — ‰ Š- ‡™ ¡• q ˜ ,® ¡ ˜ Ÿ‹ ™ , ™ ‰ ® ‰ , ’ • — [ ¡ ] •˜ ‡ ‹•‰ ’‡ ¡ ˜ ‡ ™ ” ¡ • q © ‰ . (§4 I) ‹¯ ˜ ™š ™š q • £ ™ ‹•’ Š™ ’ ¢ • ˜ ž ‡ ™š , ° ˜ • ™ « ¥ ž ‹• ¥ q˜ ™š Ÿ › ‰. ‡ ‰ ™š ” ¬ ¡ ‹•’ ± ‰ © ® ‰ . (II)) ™š ’ • • • £™ • •«Š ¢ Ÿ ¢ £ ¢ ™ [ ] ‰˜ - ‡™ ¡• , ª Ÿ› [’] • ¥¯˜ q— ™” •¥ , ® Œ[ ]q˜ q¢ • ¡ ˜ • ˜ œ • ™ « , - ‹• [• Š] Ž • • . (§5) ‡ ™[‹¯ ] ¢ • ’ • — [ ] [• ] - ‡™ , [²• ] [• ˜ © ‹ ˜ ‰ ]—ž ‡ ™š , Ÿ• ˜ ™ Š™ • q • - £ ‡ € ž ‡ ™- ‡ ™ ¥®Š , ••— ¥ ˜ ”« ™• ¥ , ” ™ ¥®Š ž • ˜ ™š ’ ˜ ’ ¢ ‹• ® ‰˜ •” ³ — • Ž ’ ¢• ˜¦ • . (§6) ‡ ™‹ ˜ • • —¬ ¥´Š ˆ — ¢ ²• «¡ ˜ • ˜ ³ Ÿ ” ³ ™ ¡ ³ ³™ • © ‹ ™ µ, ••— q ¥ ˜ ” —¬ qš ‡™‰ • Œ ª¶ ²• © « ¡ © ‹ ˜ ‰ . (§7) ‡ ™— ¥ Š, ‹• ®¥ ••— ˜, ¥• Ž ‹•’ ˆ • ²• . (§8 I) ‡ ™- ˆ ¢ ‹ ˜ © £ ¢ ‹ ® ˜ ‹•Š ¥® ™ ‡ • £ •• q ‹• £ — ¢ ‹• ® ‰˜ ¢ ˜ , ‹¡ ˜ Ÿ ‹ ™ ” š ‹ ¥ ‹ ™ ‹ • , ” ™š ‹ Œ ® ¡ ‡ ‹•‰ , ¥• ” ‹• ‹ ™ •[• ] • . (II) ™- ‹ ™ q • ³ Ÿ ” ³ ™ ¡ [ ], ²•¥ « [ ]’ — ‰[ ] •” ‹•š • [ ]— ¥ [ ].
Die Bauvergabe-Ordnung von Tegea
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ergon,, – – – (§ 1) – – –, wenn irgendein (Streit?) entsteht zwischen den am selben Baulos, ergon ergonai,, soweit es den Bau betrifft. – (§ 2) Der, dem Unrecht getan (tätigen) Unternehmern, ergonai wird, soll den, der Unrecht tut, innerhalb von drei Tagen ab dem (Tag), an dem das Unrecht geschehen ist, laden, später aber nicht. Was die esdoteres entscheiden, soll endgültig sein. – (§ 3 I) Wenn Krieg eine der vergebenen Arbeiten behindert oder eine der (schon) ausgeführten zerstört, sollen die triakasioi11 entscheiden, was zu geschehen hat. (II) Wenn diese beschließen, es sei der Krieg, der die Arbeiten behindere oder zerstört habe, sollen die stratagoi aus dem Anteil der Polis Einkünfte verschaffen, wenn ein Beuteverkauf stattfindet. (III) Wenn aber ein ergonesas,, mit den Arbeiten nicht angefangen hat und Unternehmer, der etwas ersteigert hat, ergonesas Krieg (es) verhindert, soll er das Geld, das er etwa empfangen hat, zurückgeben und von dem Baulos abstehen, wenn es die esdoteres anordnen. (IV) Wenn sich jemand der Vergabe der Baulose entgegenstellt oder Schaden anrichtet, indem er auf irgendeine Weise Zerstörung bewirkt, sollen die esdoteres eine Strafe verhängen in der Höhe, wie es ihnen angemessen erscheint, und sollen (ihn) vom Herold zur epikrisis laden lassen und vor ein dikasterion bringen, das nach Höhe der Strafe gebildet wird. – (§ 4 I) An keinem Baulos dürfen mehr als zwei (Unternehmer) eine Gemeinschaft bilden. Widrigenfalls soll jeder fünfzig Drachmen schulden; die haliastai12 sollen (die Strafe) verhängen. Die Anzeige darf erstatten, wer will, wobei (er) die Hälfte der Strafe (erhalten soll). (II) Nach denselben (Bestimmungen) soll auch (jemand), der auf irgendeine Weise mehr als zwei Baulose innehat, sakrale oder öffentliche, für jedes überzählige Baulos, sofern die haliastai nicht alle einmütig zugestimmt haben, monatlich mit fünfzig Drachmen bestraft werden, bis er die überzähligen Baulose vollendet hat.13 – (§ 5) Wenn jemand irgendetwas (an Zahlung) erhalten hat bezüglich der über die Baulose errichteten syngraphoi,, darf er sich nicht vom ersteigerten Baulos zurückziehen. Widrigenfalls ist ihm nirsyngraphoi gendwo anders als in Tegea der Prozess zu machen. Wenn er verklagt wird, soll er die Schuld, über die entschieden wird, doppelt zahlen. Für diese Buße soll derselbe Bürge, der auch für das Baulos (gestellt) war, Zahlungsbürge sein. – (§ 6) Wenn ein Unternehmer entgegen der syngraphos der Übernahme irgendein anderes vorhandenes Werk beschädigt, ein sakrales, öffentliches oder privates, soll er das Beschädigte auf eigene Kosten wiederherstellen, nicht schlechter als es war, innerhalb der Zeit des (von ihm) ersteigerten Bauloses. – (§ 7) Wenn er es nicht wiederherstellt, soll er die Buße zahlen, wie sie sonst für Baulose bei Terminüberschreitungen festgesetzt ist. – (§ 8 I) Wenn einer der Unternehmer oder der Arbeiter die Arbeiten zu beeinträchtigen, den epimelomenoi nicht zu gehorchen oder die festgesetzten Bußen zu missachten scheint, sollen die esdoteres berechtigt sein, den Arbeiter von dem Baulos auszuschließen, den Unternehmer aber zu bestrafen und zu verklagen, wie für die geschrieben ist, die sich der Übernahme entgegenstellen. (II) Wenn ein Baulos vergeben wird, ein sakrales oder ein öffentliches, soll dafür diese allgemeine syngraphos maßgeblich sein zusätzlich zu der für das Baulos gesyngraphos.. schriebene syngraphos
Betrachten wir zunächst die speziell mit dem Bau betrauten Personen, an welche ergonai,, die esdoteres und die epimelomenoi epimelomenoi.. In die Vorschrift gerichtet ist: die ergonai einem nächsten Schritt werden wir uns dem Vertragsschluss und den Sanktionen für Vertragsverletzung zuwenden.
11 Zu den „Dreihundert“ s. unten Anm. 24. 12 Zu diesen s. unten Anm. 24. 13 Epigr hisch ist in Z. 30 ‹•• [• Š] „vollenden“ (so ch odes – Osbo e 2003, Nr. 60; Prignitz 2018) gege er ‹•• [• ] „einstellen“ vorzuziehen. Die e ndliche S a sollte schreckend wirken. Im Falle des „Einstellens“ hätte die Polis das Problem gehabt, die Vorauszahlungen zurückzufordern und die Baulose neu zu vergeben, was den präzise geplanten Ablauf des gesamten Baues empfindlich gestört hätte, IPArk S. 28, Anm. 16; Thür 1984, 504.
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Der ergonas oder ergonesas ist nach Ausweis des gesamten Inschriftenmaterials der griechischen Welt der Bauunternehmer, wörtlich „Käufer des Werkes“. Das ergon)) ist das Baulos. Der Architekt, in der Regel nicht genannt, legt in „Werk“ ((ergon syngraphoi), ), ‚Baubeschreibungen‘, die in den einspeziellen syngraphai (arkadisch syngraphoi zelnen Bauabschnitten zu erbringenden Leistungen mit genauen Maßangaben und Terminen fest. Diese Texte, durch spezielle Anordnungen (z. B. Strafbestimmungen oder über die Qualität der Bürgen) zu einem ‚Pflichtenverzeichnis‘ ergänzt, werden von der Volksversammlung beschlossen. Sie werden öffentlich bekannt gemacht und von einem Herold zur Versteigerung ausgerufen. Der am günstigsten bietende Bauunternehmer erhält den Zuschlag, er „kauft“ das Werk, obwohl er nicht misthos,, erhält. einen Kaufpreis zahlt, sondern – im Gegenteil – einen Werklohn, misthos syngraphai,, die nach dem Zuschlag Auf Stein aufgezeichnet wurden nur solche syngraphai durch Hinzufügen des Ergebnisses der Versteigerung zu ‚Bauverträgen‘ wurden. Formelhaft wurden Unternehmer, Werklohn und (auf ihre Bonität geprüfte) Bürgen unter den Text der syngraphe gesetzt. Die Kaufterminologie im Bereich der misthosis deutet in Bauinschriften sowie bei Steuer- und Grundstückspacht vom Staat misthosis-Ter-Terauf öffentliche Versteigerung hin. In Athen wird manchmal auch die misthosis minologie in Fällen der Versteigerung gebraucht.14 Wieder anders drückt sich die älteste Bauinschrift von Epidauros aus (Prignitz 2014, Nr. 1):15 Sie vermeidet die Termini ergon und ergonas und nennt vielmehr die Bauunternehmer nur mit Namen und das Werk als Objekt des Verbums Ÿ q „N. N. hat das und das übernommen“. Auch das ist, wie ich meine, ein Hinweis auf öffentliche Versteigerung.16 Rätselhaft sind die nur aus Tegea bekannten Bestimmungen des § 4 der Vergabeordnung: Gemeinschaften von mehr als zwei Unternehmern an einem Baulos (§ 4 I, Z. 21–25) und Konzentration von mehr als zwei Baulosen in der Hand eines Unternehmers (§ 4 II, Z. 25–31) werden mit Geldstrafen belegt. Man fragt sich, ob diese Unregelmäßigkeiten nicht schon bei der öffentlichen Vergabe entdeckt würden. Die erste Vorschrift könnte sich gegen die Aufteilung der Arbeiten an mehrere ungenannte Subunternehmer richten; einer ist gestattet. Fällt jemand aus, ist der Fortschritt des gesamten Baus gefährdet, und die rein finanzielle Verantwortung durch den vom Hauptunternehmer gestellten Bürgen hilft im Augenblick nur wenig. Nur technisch voll leistungsfähige Unternehmer, Werkstätten, sollen zum Zuge kommen, überzählige Subunternehmer sollen durch die nur einmal zu zahlenden 50 Drachmen abgeschreckt werden. Die für den Bau zuständigen staatlichen Funktionäre sollen die Übersicht über die technische Verantwortlichkeit der Unternehmer nicht verlieren. Hingegen dürfte sich die zweite Vorschrift gegen Strohmänner richten. Wenn etwa eine Werkstatt verdeckt mehr als zwei Baulose an sich bringt, könnte dies ihre Kapazität überfordern, mit den gleichen nachteiligen Folgen für den Baufortschritt;
14 Carusi 2014. 15 Zu ihrer Sonderstellung s. oben Anm. 9. 16 Thür 2015, 416–417; nur die ebenso registrierten künstlerischen Aufträge an die Bildhauer wurden direkt, ohne Versteigerung vergeben, s. unten bei Anm. 29.
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doch die politische Instanz der haliastai kann einer potenten Werkstatt das Vertrauen aussprechen. Andererseits ist die Abschreckung durch die monatlich bis zur Fertigstellung zu zahlenden 50 Drachmen schärfer gefasst als im ersten Fall.17 Verstöße gegen diese Vorschriften werden nicht durch behördlich verhängte Strafen geahndet, sondern gerichtlich von den haliastai nach einer Anzeige durch eine bebolomenos,, Z. 24), der auch die Hälfte der erstrittenen Strafe liebige Privatperson ((bolomenos zusteht. Das konnte zwar jeder beliebige Bürger aus Tegea sein, doch kamen hierfür in erster Linie die am Bau tätigen Mitunternehmer oder deren Bürgen in Frage, die den besten Einblick in das Baugeschehen hatten. In den Bauabrechnungen findet man auch dafür keine Parallelen. ekdoteres,, von ekdidonai ekdidonai,, das Werk „ausgeben“, bestelDie esdoteres (attisch ekdoteres len) sind die Bauvergabe-Kommission, die in Tegea vermutlich ähnlich agiert wie die egdoteres in Epidauros. Dort amtiert die Vergabekommission im Gegensatz zu den sie beaufsichtigenden, jährlich wechselnden Amtsträgern der Polis (der Baukommission) so lange, bis der ihr übertragene Bau fertiggestellt ist. Die egdoteres sind dort zur Leitung des Baus bestellte Fachleute. Sie werben die Unternehmer an, kontrollieren den termingemäßen Baufortschritt, ahnden Verstöße oder Verzögerungen durch Geldbußen und nehmen die fertigen Baulose ab.18 In Tegea haben sie auch die Kompetenz, Streitigkeiten zwischen Bauunternehmern zu entscheiden (§ 1, Z. 1–5) – jeder weiß, dass Handwerker die Verantwortung für Fehlleistungen gerne auf Kollegen abschieben –, sie können zu Unrecht empfangenen Werklohn zurückverlangen (§ 3 III, Z. 13–15) und Ordnungsstrafen verhängen, die allerdings unter gerichtlicher Kontrolle stehen (§ 3 IV, Z. 19–21; § 8 I, Z. 50–51). Zahlt ein Unternehmer die verhängte Geldbuße nicht freiwillig, haben die esdoteres (wohl dikasterion)) zu laden. In Epidauros einer aus der Kommission) ihn vor ein Gericht ((dikasterion boule..19 Die tegeatischen esdoteres sind entscheidet in solchen Fällen der Rat, die boule in grundsätzlichen Fragen (Weiterbau im Kriegsfall, § 3 I, Z. 6–9) an Weisungen des politischen Organs, des Rates der Dreihundert, gebunden. Dem Aufbau der politischen Verfassung Tegeas soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Unklar ist in Tegea die Funktion der nur in Z. 47 (§ 8 I) erwähnten epimelomenoi,, allgemein „Aufsicht Führende“. Da sie Weisungen sowohl an Bauunternehmenoi mer als auch an Arbeiter erteilen und die esdoteres die bei Ungehorsam vorgesehenen Strafen durchzusetzen haben, werden sie in IPArk als „örtliche Bauaufsicht“ 17 Näheres s. IPArk S. 27–28, Anm. 13–16. Martin Dreher hat die Erklärung beigetragen, dass sich die Vorschrift gegen den Einsatz von ‚Strohmännern‘ richte; zum Text s. oben Anm. 13; Streuung des Risikos Pitt 2016, 197. In der Praxis der epidaurischen Bauabrechnungen sind Einzelunternehmer die Regel, s. die Listen Prignitz 2014, 66–73, wo nur ganz wenige Ausnahmen verzeichnet sind, und drei Unternehmer in IG IV2 102, Z. 57–59, dazu Prignitz 2018, 43 mit Anm. 30. 18 Prignitz 2014, 165–171 hat die Differenzierung in Bauvergabe- und Baukommission entdeckt (s. auch 2018, 42–43; anders noch IPArk S. 26, Anm. 4); im Abschnitt 2 seines hier vorgelegten Beitrags („Charakter der Urkunden und Organisation der Arbeiten“) bilden die epidaurischen egdoteres den ruhenden Pol in der wechselnden Hierarchie der für die Bauten zuständigen staatlichen Funktionäre. 19 Prignitz, unten Abschnitt 5 („Widerspruch gegen Geldbußen“).
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gedeutet.20 Nachdem aber Prignitz erkannt hat, dass die epidaurischen egdoteres nicht die „Bau“-kommission sind, sondern eine dieser rechenschafts-pflichtige „Bauvergabe“-kommission,21 könnte man überlegen, ob die epimelomenoi in Tegea den esdoteres etwa übergeordnet seien.22 Sie würden dann den epistatai in Epidauros entsprechen.23 Gegen diese Annahme spricht allerdings, dass die Strafkompetenz in den Händen der esdoteres liegt (Z. 50). Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass sich die Baukommission der Polis um die Disziplin einzelner Arbeiter kümesdoteres,, welche – wohl auf Beschwerde der epimelomert. Wiederum sind es die esdoteres menoi – die Bauarbeiter von der Baustelle verweisen können. Wir haben also mit den epimelomenoi eine aus Epidauros nicht bekannte Zwischenstufe in der Hierarchie der Bauaufsicht vor uns, eben die „örtliche“. Welche staatlichen Funktionäre als Jahresbeamte den esdoteres übergeordnet waren, wissen wir nicht. Die allgemeinen politischen Vertretungskörperschaften, die triakasioi (§ 3 I, Z. 8) und die haliastai (§ 4 I und II, Z. 24, 27),24 greifen zwar in Ausnahmefällen in das Baugeschehen ein, kommen aber als staatliche Baubehörde nicht in Frage. Auch die Abrechnungen auf der Rückseite der Marmorplatte (IG V 2, 6B) helfen nicht weiter, da sie sich nicht auf das Bauwesen beziehen.25 Ein den epidaurischen epistatai entsprechendes Gremium könnte am verlorenen Beginn der Inschrift genannt worden sein. Nach dieser Übersicht über die in Tegea am Bau beteiligten Vertragsparteien, die privaten Unternehmer einerseits und die staatlichen Funktionäre andererseits, sowie deren Aufgaben wenden wir uns nun den allgemeinen Fragen nach dem Vertragsschluss und den Sanktionen für Vertragsverletzungen zu. Für das erste, die Begründung der vertraglichen Haftung, gibt die Inschrift aus Tegea einen entscheidenden Hinweis. Der Umfang der vertraglichen Haftung – in Gestalt der in den einzelnen Bauverträgen festgelegten Sanktionen – ist in den griechischen Poleis höchst individuell ausgestaltet; hier kann nur eine allgemeine Übersicht geboten werden. Hinter all diesen Sanktionen steht aber ein einheitlicher Mechanismus, welcher dem Besteller, der Polis, den Zugriff auf den vertragsbrüchigen Bauunternehmer eröffnet. Entsprechende Rechte sind dem Unternehmer gegenüber der Polis
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IPArk Nr. 3, Anm. 4 und 24. S. oben Anm. 18. Thür 2015, 419 wirft diese Frage auf. Siehe das von Prignitz unten in Abschnitt 2 („Charakter der Urkunden und Organisation der Arbeiten“) erstellte Diagramm zur Bauphase III; zu den entsprechenden epistatai in Athen s. Prignitz 2014, 165 Anm. 107, Pitt 2016, 195–196. 24 In IPArk, S. 37 wird erwogen, dass die haliastai mit den in Nr. 2, 20 erwähnten pentekonta identisch seien (s. dort S. 16, Anm. 7), einer den Prytanen vergleichbaren Abteilung des „Rates“ der Dreihundert. 25 Im Detail behandelt als IPArk Nr. 4, „Liste der jährlichen Ausgaben der Tamiai der Stratagoi“. epathla,, „Wettkampfpreise“ (oder vielleicht „BezahDiese Schatzmeister waren zuständig für epathla lung von Amtsträgern“, Rhodes – Osborne 2003, S. 294, die auch einen Zusammenhang mit Seite A vermuten, ebenso Pitt 2014, 389; zweifelnd Prignitz 2018, 38 mit Anm. 18). Völlig unergiebig sind die Fragmente von Listen IG V 2, 7 und 8.
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grundsätzlich nicht eingeräumt. Dennoch besteht, wie zu zeigen ist, durch abschnittweise Vorauszahlung des Werklohns zwischen den Vertragsparteien ein rechtlich ausgewogenes Verhältnis. Über den äußeren Ablauf des Vertragsschlusses sind wir ziemlich genau informiert. In Grundzügen halten die Poleis ein einheitliches Verfahren ein.26 Die Vergaekdoteres,, lassen durch einen Herold eine öffentliche Verbekommission, z. B. die ekdoteres steigerung durchführen, in welcher der Text der Ausschreibung der einzelnen Baulose ausgerufen wird. Der am günstigsten bietende Bauunternehmer erhält den Zuschlag. Damit wäre nach landläufiger Meinung der ‚Konsens‘ hergestellt und der Vertrag gültig geschlossen. Doch das Verfahren ist noch nicht zu Ende. Da Bauhandwerker (damals wie heute) knapp an Eigenkapital sind, ist teilweise Vorausdosis)) erhält, zahlung üblich. Doch bevor der Bauunternehmer seine erste Rate ((dosis muss er zahlungsfähige Bürgen stellen. Ausländische Unternehmer stellen in der Regel Inländer, die für die Polis leicht greifbar sind.27 Mit diesem Kapital finanziert der Unternehmer den Aufwand für Material und den Unterhalt seiner Arbeiter, Freie wie Sklaven. Ist der erste Abschnitt seines Bauloses fertiggestellt und von den ekdoteres abgenommen, folgt die nächste dosis als Vorauszahlung für den zweiten Abschnitt; bis zu sieben doseis sind in den Abrechnungen belegt. In der Regel wird epidekaton,, als – modern gesproein Zehntel der auszuzahlenden Summen, ein epidekaton chen – ‚Haftrücklass‘ von der Polis einbehalten, um ihre Forderungen wegen etwaiger Vertragsverletzungen sicherzustellen. Dieser Betrag wird erst nach Abnahme des letzten Abschnitts des Bauloses ausbezahlt. Die internationale Dimension der Abschlüsse von Bauverträgen in Großprojekten wird aus einem Detail der epidaurischen Abrechnungen ersichtlich. Die egdoteres verrechnen Reisekosten für sich selbst und einen Herold nach Athen, außerdem Aufwand für Papyrus. Man ersieht daraus, dass sie die Ausschreibungen nicht
26 Zum Folgenden s. den Überblick bei Thür 1984, 476–479 mit älterer Literatur. Tieferen Einblick in die differenzierten Bedürfnisse der Großbaustelle Epidauros bietet Prignitz 2014, 171– 176, weitergeführt in seinem Beitrag Abschnitt 3 („Auftragsvergabe“); er weist nach, dass Versteigerung und freihändige Vergabe (zumeist kleinerer Arbeiten oder Lieferung von Material) nebeneinander bestanden. 27 Selbst aus dem reichhaltigen Material aus Epidauros geht die Herkunft der Bürgen nicht hervor; man kann aber schließen, dass es in der Regel Einheimische waren, Prignitz 2014, 174–175 und in seinem Beitrag unten bei Anm. 52. Als Ausländer ausdrücklich genannt ist nur einmal der trapezitas Nikon aus Korinth (IG IV2 98; ausschlaggebend könnte das Vertrauensverhältnis zur ausländischen Bank gewesen sein). Auch (ausländische?) Unternehmer verbürgen sich für Kollegen, s. unten bei Anm. 38. Die Bonitätsprüfung ist durch das Erfordernis •¯ ¡« (zahlungsfähig) ausgedrückt, IG VII 3073, Z. 27). Die Vergabeordnung aus Tegea löst das Problem elegant, indem sie bestimmt, dass vertragsbrüchige Unternehmer, die ihr Baulos im Stich lassen (und abreisen), nirgendwo anders als in Tegea verklagt werden müssen (‚Gerichtsstandklausel‘), wobei auch der (in der Regel einheimische) Bürge für die verhängte Geldbuße haftet (§ 5, Z. 33–37). Vorausklage gegen den Unternehmer als ‚Hauptschuldner‘ ist aber nicht nötig (so Prignitz 2014, 175; anders schon Thür 1984, 486; 506 und IPArk S. 31, Anm. 21: zu Nr. 3, Z. 37).
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nur zu Hause, sondern auch im Zentrum der Bautätigkeiten Griechenlands zur Versteigerung ausgeboten haben.28 Die epidaurischen egdoteres suchten bei dieser Reise in Athen mit Gewissheit Bauhandwerker für die Tholos und nicht Bildhauer. Denn an Künstler zu vergebende Baulose wurden nicht durch Versteigerung, sondern durch direkten Kontakt vergeben. Die Preise pro Figur oder Werkstück standen schon vorher fest.29 Die Verwendung von Papyrus zeigt, dass den schließlich gedungenen Handwerksunternehmern ‚Vertragstexte‘ in die Hand gegeben wurden. Alle diese Vorgänge sind in den Bauabrechnungen minutiös aufgelistet. Den dogmatisch-juristischen Hintergrund muss man heute freilich selbst aufspüren. Ich meine, die Verpflichtung des Bauunternehmers, das Werk überhaupt zu erstellen und außerdem termingerecht und in vertragsgemäßer Qualität abzuliefern, entsteht nicht durch die Willenseinigung beim Zuschlag oder durch die Stellung der Bürgen, dosis.. Der Unternehmer untersondern durch Empfang der jeweiligen Zahlung, der dosis wirft sich mit Empfang des Geldes den in der Bauausschreibung konkret (oder in einer allgemeinen Vergabeordnung) formulierten Sanktionen für Nicht- und Schlechterfüllung in Form von ‚Vertragsstrafen‘, auf die noch zurückzukommen ist. Auch heute sind Pönale wirksame, allerdings subsidiäre Mittel, um ordnungsgemäße und pünktliche Bauleistungen zu sichern. Aus diesem Grund macht die Polis die Auszahlung der ersten Rate von der Stellung von Bürgen abhängig. Deren Bonität wird überprüft, in der Regel wird Eigentum von Grund und Boden verlangt. Außer den stets festgesetzten Geldbußen, welche die Ansprüche der Polis als Besteller des Bauwerks indirekt sichern, ist niemals die Möglichkeit erwähnt oder auch nur zu erschließen, dass die Polis ‚Erfüllungsansprüche‘ direkt aus einem durch bloße Willenseinigung zustande gekommenen Bauvertrag geltend machen könnte. Durch Analyse der Ausschreibungs- und Abrechnungstexte kommt man also zu dem Ergebnis, dass die Haftung des Bauunternehmers nicht durch Konsens begründet wurde, sondern durch Empfang des Geldes. Mit Wolff kann man zusammenfassen, dass die Polis mit Hingabe der ersten dosis eine ‚Zweckverfügung‘ trifft, und der Unternehmer durch Annahme des Geldes sich der Polis gegenüber einer konkret formulierten Haftung bei Vertragsverletzung unterwirft. Mit diesem Instrumentar hat der Besteller des Werkes, die Polis, indirekte Zwangsmittel zur Erfüllung des Vertrags in Händen. Stehen auch dem Unternehmer – direkte oder indirekte – Zwangsmittel gegen die Polis zur Verfügung? In aller Regel kann dieses Problem nicht auftreten, da der Unternehmer seinen Werklohn bereits im Voraus ausbezahlt erhält.30 Bleibt die Zahlung aus, ist er dadurch gesichert, dass er seine Leistung zurückbehalten kann, 28 Prignitz 2014, Nr. 2, 288–291 und S. 118–119; dazu auch in seinem Beitrag Abschnitt 3 („Auftragsvergabe“). Bürgen mussten die in Athen gedungenen Unternehmer erst in Epidauros stellen, bevor sie dort die erste dosis ausbezahlt erhalten. 29 Prignitz 2014, 77–81 (Asklepiostempel). 30 Hat das ‚Baulos‘ lediglich die einmalige Lieferung von Material zum Inhalt, erhält der Kontrahent keine Vorauszahlung (und stellt auch keine Bürgen), sondern das Geschäft wird als ‚Barkauf‘ (Lieferung gegen Barzahlung) abgewickelt, z. B. Prignitz 2014, Nr. 1, 42. 205 (und S. 41–42; Thür 2015, 411).
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die Bauarbeiten also gar nicht beginnt. Das gilt auch für die finanzielle Abwicklung doseis.. Allenfalls haften die Mitglieder der Baukomeines Bauloses in mehreren doseis mission persönlich für pünktliche Zahlung, und zwar wieder indirekt durch Geldbußen.31 Aufschluss über die Bindung der Polis an den Vertrag erhält man also nicht aus der Frage, ob der Bauunternehmer die Polis auf Zahlung des Werklohns verklagen kann, sondern aus der wohl seltener auftretenden Frage, unter welchen Umständen der Unternehmer den ausbezahlten Werklohn behalten darf, wenn der Bau von der Polis eingestellt würde (bei ‚von ihm nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung‘). Darüber gibt die ‚Kriegsklausel‘ in der Bauvergabeordnung aus Tegea Auskunft (§ 3 I–III, Z. 6–15). Zunächst behält sich die Polis die Entscheidung vor, ob und wie der Bau im Kriegsfall weiterzuführen sei, und verknüpft das Ganze mit der höchst ungewissen Hoffnung auf Kriegsbeute – man könnte ja dem Feind auch unterliegen. Der Regelung bedürfen vor allem die bereits geleisteten Zahlungen für laufende Baulose. Wann sind diese grundlos, ohne vertragliche Bindung, von der Polis geleistet und können zurückgefordert werden? Der Polis steht im Kriegsfall deren Rückforderung nur dann zu, wenn der Unternehmer die Arbeiten „noch nicht begonnen hat“. Die esdoteres sollen die Inangriffnahme der Arbeiten verbieten und das Geld eintreiben. Daraus kann man schließen, dass ein Unternehmer, der mit den seiner dosis entsprechenden Leistungen erlaubter Weise zumindest begonnen hat, vor Rückzahlung sicher ist. Damit ist auch die Polis an den Vertrag gebunden und übernimmt das Risiko der Kriegsfolgen. Wer noch nicht begonnen hat, steht außerhalb des Vertrages. Auf seiner Seite ist noch gar kein Recht aus dem Vertrag entstanden. So wie die Zahlung des Geldes an den Unternehmer als reales Element dessen Haftung für Vertragsstrafen begründet, begründet auch die reale Inangriffnahme des von der Polis bestellten Werkes das Recht, diese Zahdosis)) bereits lung zu behalten. Eine Abrechnung nach (im Rahmen der erhaltenen dosis erbrachten Teilleistungen entfällt. Diese den praktischen Bedürfnissen beider Vertragsteile in groben Zügen Rechnung tragende Regelung wurde nach leicht erkennbaren realen Kriterien gefunden, ohne dass man – wie das heute geschähe – auf die Grundsätze der Haftung aus Konsensualkontrakt und auf die verfeinerte Dogmatik der ‚ungerechtfertigten Bereicherung‘ zurückgegriffen hätte. Das alles gab es noch nicht. Um das Ergebnis nochmals zu unterstreichen: Rechtliche Beziehungen zwischen den Parteien eines Bauvertrags wurden nicht durch schlichte Willensübereinstimmung, Konsens, begründet, sondern durch reale, zweckgerichtete ‚Verfügungen‘, einerseits durch Auszahlung des Werklohns und andererseits durch Inangriffnahme Werkes. hieropoioi und 31 Allein aus Delos ist eine Bestimmung bekannt, dass die Funktionäre der Polis ((hieropoioi epistatai)) bei Verzug, die nächste dosis zu bezahlen, dem ergones die gleiche Buße ((epiphora epiphora)) epistatai schulden, welche dieser im Verzugsfall zu zahlen hätte (ID 502 A Z. 16–17, 297 v. Chr.; s. Thür 1984, 508 Anm. 103). Vermutlich baut der Unternehmer in diesem Fall trotz Ausbleibens der dosis zunächst „auf Kredit“ weiter. Abgesehen von dieser persönlichen Haftung der Amtsträger scheint eine Haftung der Polis selbst undenkbar. Von einem Erlass der Buße, weil „die Polis“ die Werklöhne verspätet ausbezahlt habe, ist in SEG 41, 1991, 332, 8–12 (Messene, 2. Jh. v. Chr.) die Rede.
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Wenn man nun den Umfang der durch reale Leistung begründeten Haftung im griechischen Bauwesen betrachtet, stehen – mit Ausnahme des aus Delos überlieferten Sonderfalles (oben Anm. 31) – nur die Sanktionen zur Diskussion, denen sich die Unternehmer der Polis gegenüber unterwerfen. Im Fall der über ganz Griechenland verbreiteten Bauverträge lässt sich ein Missverständnis leicht ausräumen. In keiner Polis – oder gar diese übergreifend in einem ‚griechischen Recht‘ – gab es eine ‚Vorschrift‘, die bestimmt hätte, welche Sanktionen eine Partei träfen, wenn sie einen Vertrag nicht oder schlecht erfüllte. Solche heute im dispositiven Gesetzesrecht verankerten Bestimmungen haben erst die römischen Juristen entwickelt, indem sie eine ausgedehnte Kasuistik systematisch zusammenfassten. Die griechische Praxis, zum geringen Teil greifbar in Inschriften und zum größeren in den Papyri, formulierte die Sanktionen wegen typischer Vertragsverletzungen stets in der konkreten Vertragsurkunde. In dem eingangs genannten Aufsatz aus 1984 habe ich die in Bauverträgen enthaltenen Sanktionen wegen Nicht- und Schlechterfüllung zusammengetragen.32 Hieraus möchte ich, ohne Vollständigkeit anzustreben, im Folgenden einige charakteristische Beispiele herausgreifen. Varianten ergeben sich manchmal aus den unterschiedlichen Aufgaben, welche die Unternehmer an einem Bau auszuführen hatten, aber auch aus den unterschiedlichen Strukturen, womit die Poleis ihre Bauvorhaben organisierten. All das kann in dieser summarischen Übersicht nicht berücksichtigt werden. Zu unterscheiden ist zunächst der Fall, dass der Unternehmer das Werk nicht zu Ende bringt (Nichterfüllung). Hierüber findet sich eine generelle, theoretische Regelung in Platons Nomoi, wonach der Unternehmer letztlich auf den doppelten Betrag des im Voraus empfangenen Werklohns haftet.33 Die Haftung auf das Duplum ist in der Praxis nur in der Bauvergabeordnung aus Tegea angeordnet: Ein chreos,, Z. 35), auf die Unternehmer, der sein Baulos im Stich lässt, hat die Schuld ((chreos er verurteilt wird, doppelt zu bezahlen (§ 5).34 Das untere Ende der Skala findet sich beim Bau des Theaters im Piräus: Hier wird dem Vertragsbrüchigen nur der einfache Betrag der durch zusätzlich eingestellte Arbeiter verursachten Mehrkosten in Rechnung gestellt.35 Beim Bau des Zeus Basileus-Tempels in Lebadeia wurde ein System entwickelt, nach welchem die Restarbeiten durch eine neuerliche Ausschreibung und Versteigerung vergeben werden und die dadurch angefallenen Kos-
32 Thür 1984, 501 (sieben Varianten bei Nichterfüllung mit Verweisen auf die im Aufsatz näher behandelten Quellen). 33 Plat. Nomoi 11, 920e–921d; in der Interpretation von Thür 1984, 487–491. 34 Thür 1984, 503–504; IPArk S. 30, Anm. 19, wonach nicht die ganze im Voraus empfangene dosis berechnet werde, sondern die schon ausgeführten Arbeiten im Urteil berücksichtigt würden. 35 IG II/III2 1176, Z. 20–23 (SEG 19, 117, um 360 v. Chr.), Thür 1984, 492, Anm. 60. Die zusätzlichen Arbeiter setzt die Polis in Eigenregie ein.
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ten mit verschieden gestalteten Strafaufschlägen vom Vertragsbrüchigen eingetrieben werden.36 Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Bau durch Krieg unterbrochen wurde.37 Eine pragmatische, in keinem Bauvertrag vorgesehene Lösung hat Prignitz durch Neulesungen in den jüngeren Bauabrechnungen aus Epidauros entdeckt. Hierin wird manchmal ausdrücklich vermerkt, dass der Werklohn nicht an den Unterengyos)) bezahlt wurde. Das heißt, dass sich nehmer, sondern an dessen Bürgen ((engyos auch Bauunternehmer wechselseitig verbürgen und anstatt die Vertragsstrafen zu bezahlen füreinander tätig einspringen konnten.38 Da die Unternehmer mehrheitlich 36 Von dem um 220 v. Chr. begonnenen Bau sind drei umfangreiche Fragmente von Verträgen mit einigen Zeilen über Sanktionen bei Nichterfüllung erhalten, BCH 20 (1896) 323–325, Z. 9–21; IG VII 3073, Z. 1–5; 22–29 und 3074, Z. 1–11; 15–19. Die Sanktionen, die den Unternehmer treffen, variieren: Jedenfalls hat er die tatsächlichen Kosten zu tragen, die aus einer Neuvergabe der nicht geleisteten Arbeiten erwachsen, meistens mit einem Aufschlag von 50%, hemiolion.. Liegen die tatsächlichen Mehrkosten unter dem mit dem Unternehmer erzielten dem hemiolion Preisniveau, wird manchmal dieses als Mindestbetrag herangezogen, auch für den Aufschlag von 50%; einmal (Aufstellung und Beschriftung von Stelen) werden nur die tatsächlich erwachsenen Mehrkosten berechnet, aber der Aufschlag mit 20% wohl der zuletzt empfangenen dosis festgesetzt, näheres s. Thür 1984, 493–499. Auch auf Delos ist neuerliche Ausschreibung vorgesehen (ID 502 A, Z. 2–5, 297 v. Chr.), doch fehlen nähere Details, Thür 1984, 492–493, Anm. 61–63. Aus Epidauros sind keine Bauverträge überliefert; wir wissen also nichts von etwaigen Regeln über neuerliche Ausschreibung wegen Nichterfüllung. Unter den Einnahmen werden zwar häufig Geldbußen wegen Säumnis verzeichnet, doch keine Fälle von Nichterfüllung. In Prignitz 2014, Nr. 1, Z. 278 übernimmt Aristaios „den Rest ( ) der Ziegeldeckung“ für 45 Drachmen; vielleicht ein Problemfall (Thür 2015, 412 Anm. 14), doch spricht hier der geringe Werklohn gegen eine neuerliche Ausschreibung. 37 Zur wechselvollen Baugeschichte des niemals fertiggestellten Tempels s. Pitt 2014, 374–381, der auf S. 377–379 auch die für die Datierung des Baues wichtige Inschrift A. Wilhelm, AM 22 (1897) 179–182, neu ediert (Bericht über mehrere Bauverträge, stark fragmentiert; Z. 8–9: , Weiterbau eines aufgegeb7enen oder Anschluss an ein bestehendes Baulos? Z. 12– 15: Verzugsfolgen). In IG VII 3073, Z. 24–27 (Stelen, s. die vorige Anm.) dürften sich die auf wiederversteigerte Baulose beziehen, die vertragswidrig im Stich gelassenen wurden (sowohl die Bürgen als auch der Unternehmer haften weiter, bis der neue Unternehmer seine Bürgen stellt – und seine dosis wohl aus der eingetriebenen Strafsumme erhält). Hingegen betreffen die ebenfalls neu versteigerten (Z. 27–28) angefangene, aber wegen Krieg unterbrochene Baulose (hier sind die Unternehmer nicht mehr greifbar, aber die Bürgen haften weiter bis zur letzten Abnahme des Werkes). Unklar und ohne den schwierigen (nicht einmal zitierten) Text zu analysieren, Pitt 2014, 381. – Die Inschrift 3073 betrifft die Errichtung einer Galerie von beidseitig mit Bauverträgen beschriebenen, zusammengeklammerten Stelen, deren Länge auf 20 m geschätzt wird, Pitt 2014, 386. Ihr praktischer Nutzen (betont von Pitt 390) scheint mir gering; sie ist eher ein Monument politischer Selbstdarstellung (des Böotischen Bundes?), eine ins Gigantische übertragene ‚Bautafel‘ nach dem Muster der Stele Prignitz 2014, Nr. 1 in Epidauros (s. oben Anm. 9). 38 Die Neulesungen betreffen IG IV2 106 (Vorderseite) Z. 19–21; 36–39, gemeinsam mit Z. 59– doseis;; Nr. 109 (Rückseite) Z. 134–135, das dabei einbehaltene epidekaton 63 insgesamt vier doseis spricht dafür, dass auch hier der Bürge für ein gesamtes ‚Baulos‘ eingesprungen ist; dazu Prignitz’ Beitrag Abschnitt 6 („Bürgen“). Ebenso neu gelesen ist Nr. 109 (Seite D) Z. 119–128, wo dem Bürgen eines Schmiedes der nach Gewicht berechnete Preis für Türangeln und -zapfen epidekaton ebenfalls abgezogen, Z. 127); dass die Abnahme ( ausbezahlt wird ((epidekaton , Z.
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nicht aus Epidauros stammten, haben wir hiermit wahrscheinlich auch ausländische Bürgen vor uns. Sie mussten ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ihr Naheverhältnis zu Epidauros wohl in der Überprüfung ihrer Bonität nachweisen. Bringt der Unternehmer das Werk zwar zu Ende, aber nicht in der vertraglich vorgeschriebenen Qualität (Schlechterfüllung), wird es von den ekdoteres nicht abgenommen und diese ordnen an, dass der Unternehmer ‚nachbessern‘ müsse. Das kann unter Umständen zu einer Vertragsstrafe wegen Verzugs führen. Diese ist in Lebadeia einmal mit 50 Drachmen pro Tag festgesetzt.39 Die enorme Höhe ist wohl nur aus dem besonderen Interesse der Polis am reibungslosen Ablauf des gesamten Bauvorhabens zu erklären. Auch in Tegea wird in § 7, Z. 42–44, auf die Folgen von erga hyperamera hyperamera,, attisch hyperemeria hyperemeria)) verwiesen, die jedoch im fehlenVerzug ((erga den ersten Teil der Inschrift geregelt sind. Hier wird dem Unternehmer Ausbesserung von Schäden, die er an Werken seiner Mitunternehmer anrichtet, in natura vorgeschrieben (§ 6, Z. 37–42). Er muss dies in der für sein Baulos vorgesehenen Zeit erledigen.40 Da sich die Unternehmer dem Weisungsrecht der esdoteres unterworfen haben, reicht es in Fällen von mangelhafter Leistung und angerichteten Schäden aus, dass die Kommission die Herstellung in natura unter Sanktion der Verzugsfolgen anordnet. Die esdoteres haben auch die Kompetenz, Streitigkeiten zwischen den Unternehmern, zumeist wohl über Schäden, endgültig zu entscheiden (§ 1–2, Z. 1–6).41 Unter diesen Voraussetzungen erübrigen sich individuell berechnete Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche. Wieder wird indirekter Zwang zum richtigen Verhalten eingesetzt. Abschließend ist noch zu erklären, wie das System der abschnittweisen Zahlung des Werklohns mit der Verpflichtung des Unternehmers zur Fertigstellung des gesamten übernommenen Bauloses zu vereinbaren ist. Nach dem Zuschlag in der Versteigerung stellt der Unternehmer der Polis Bürgen für alle mit dem Baulos eventuell anfallenden Vertragsstrafen und Rückforderungen. Mit der ersten dosis übernimmt er die Haftung für die ordnungsgemäße und pünktliche Fertigstellung des damit voraus bezahlten ersten Abschnitts. Mit Abnahme dieses Abschnitts durch die ekdoteres trifft wiederum die Polis eine ‚Haftung‘ für die pünktliche Bezahlung der zweiten Rate. Sie kann zwar den gesamten Bau durch eine politische Entscheidung einstellen – dann hat der Unternehmer allenfalls seine Aufwendungen in der Hoffnung auf weitere Tätigkeit vergeblich gemacht, aber keinen weiteren Anspruch auf Werklohn. Läuft der Bau weiter, sind die Funktionäre der Polis verpflichtet, dem unter Vertrag stehenden Unternehmer die zweite dosis auszubezahlen. Dass der Unternehmer weiterhin unter Vertrag steht, ergibt sich daraus, dass er mit Empfang der ersten dosis die Haftung dafür übernommen hat, den Bau nicht im Stich zu lassen. Die Zahlungspflicht der staatlichen Funktionäre, sanktioniert durch egdoteres)) vorgenommen und eigens erwähnt 123) durch die hieromnamones (anstatt durch die egdoteres wird, könnte mit technischen oder sonstigen Problemen des Werkes zu erklären sein, zu diesem Text s. Prignitz in seinem Beitrag unten Anm. 28. 39 BCH 20 (1896) 323–325, Z. 9–11. 40 Ähnlich in Lebadeia, IG VII 3073, Z. 29–41 (weitgehend parallel zu IG VII 3074, Z. 9–20), s. Pitt 2014, 383–386. Dort setzt allerdings die Behörde eine Frist zur Behebung des Schadens. 41 Ähnlich in Lebadeia, IG VII 3073, Z. 41–44, Pitt 2014, 382.
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Verzugsfolgen, ist zwar nur in einem einzigen Text aus Delos erwähnt (o. Anm. 31), doch kann man annehmen, dass Amtsträger der Polis allgemein Rechenschaft über ihre Amtsführung ablegen mussten. Diese – selbstverständliche – politische Einrichtung ist in keiner einzigen Bauinschrift erwähnt. Die Abnahme des zweiten Teilabschnitts öffnet wieder den Weg zur dritten Rate und so fort, bis am Schluss die politische Haftung der Amtsträger für die Zahlung des zurückbehaltenen epidekaton übrigbleibt. Ich habe 1984 für das gesamte Vertragsverhältnis das drastische Bild von Zahnrädern bemüht: „So greifen die ‚Teilhaftungen‘ wie Zahnräder ineinander. Durch Zerlegen der Gesamtleistung in voneinander abhängige Teilleistungen haben die Griechen in ihrer Vertragspraxis das Synallagma bei dem vorliegenden Dauerschuldverhältnis befriedigend gelöst.“42 Bibliographie E. Carawan, The Athenian Law of Agreement, GRBS 46 (2006) 339–374. C. Carusi, The lease of the Piraeus theatre and the lease terminology in classical Athens, ZPE 188 (2014) 111– 135. DNO = S. Kansteiner u. a. (Hg.), Der Neue Overbeck. Die antiken Schriftquellen zu den bildenden Künsten der Griechen, 5 Bände, Berlin 2014. L. Gagliardi, Accordo e contratto in diritto attico, in: G. Gitti – F. Delfini – D. Maffeis (Hg.), Prospettive e limiti dell’autonomia privata. Studi in onore di Giorgio De Nova II, Milano 2015, 1511–1556. IPArk siehe G. Thür – H. Taeuber. D. Phillips, Hypereides 3 and the Athenian Law of Contract, TAPA 139 (2009) 89–122. R. Pitt, Just as It Had Been Written: Inscribing Building Contracts at Lebadeia, in: N. Papazarkadas (Hg.), The Epigraphy and History of Boeotia, Leiden – Boston 2014, 373–394. R. K. Pitt, Inscribing Construction: The Financing and Administration of Public Building in Greek Sanctuaries, in: M. M. Miles (Hg.), A Companion to Greek Architecture, Chichester 2016, 194–205. S. Prignitz, Bauurkunden und Bauprogramm von Epidauros (400–350). Asklepiostempel, Tholos, Kultbild, Brunnenhaus, Vestigia 67, München 2014. S. Prignitz, Die altgriechische Bauvergabeordnung aus Tegea, in: K. Reidt – W. Lorenz (Hg.), Groß Bauen. Großbaustellen als kulturgeschichtliches Phänomen, Basel 2018, 37–46. F. Pringsheim, The Greek Law of Sale, Weimar 1950. P. J. Rhodes – R. Osborne, Greek Historical Inscriptions 404–323 BC, Oxford 2003. G. Thür, Bemerkungen zum altgriechischen Werkvertrag (Die Bauvergabeordnung aus Tegea, IG V/2, 6A) (= OpOm054), in: F. Pastori u. a. (Hg.) Studi in onore di Arnaldo Biscardi V, Mailand 1984, 471–514. G. Thür, The Statute on homologein in Hyperides’ Speech Against Athenogenes (= OpOm313), Dike 16 (2013) 1–10. G. Thür, Zu den älteren Bauverträgen aus Epidauros (Besprechung von Prignitz 2014) (= OpOm330), ZRG RA 132 (2015) 408–420. G. Thür, Opera Omnia (= OpOm), http://epub.oeaw.ac.at/gerhard-thuer (open access). G. Thür – H. Taeuber, Prozessrechtliche Inschriften der griechischen Poleis: Arkadien, Wien 1994. H. J. Wolff, Consensual Contracts in the Papyri? JJP 1 (1946) 55–79; deutsche Fassung: Zur Rechtsnatur der Misthosis, in ders., Beiträge zur Rechtsgeschichte Altgriechenlands und des hellenistisch-römischen Ägypten, Weimar 1961, 129–154. H. J. Wolff, Die Grundlagen des griechischen Vertragsrechts, ZRG RA 74 (1957) 26–72.
42 Thür 1984, 509.
RECHTLICHE REGULARIEN BEIM AUSBAU DES HEILIGTUMS VON EPIDAUROS IM 4. JH. V.CHR. Sebastian Prignitz 1. Das Bauprogramm von Epidauros Kurz nach 400 v.Chr. begann ein umfassender Neu- und Ausbau des Heiligtums des Asklepios in Epidauros (Phase I). Man begann im Zentrum des Heiligtums mit dem Neubau des Asklepiostempels (Abb. 1, a) und entschloss sich, wohl nach dem Vorbild der einige Jahrzehnte älteren Athenischen Bauabrechnungen,1 über die Bauvorgänge für jedermann sichtbar in Form einer Steintafel (1)2 Rechenschaft zu geben. Der Asklepiostempel wurde nach einer Bauzeit von nur 4 Jahren, 9 Monaten und 12 oder 13 Tagen um 390 v.Chr. fertiggestellt.3 Im Anschluss (Phase II) versah man den neuen Tempel mit einem chryselephantinen Kultbild (Abb. 1, c) und begann im Westen des Tempels ein rundes, in der Bauurkunde Thymela, von Pausanias4 Tholos genanntes Gebäude (Abb. 1, b) zu errichten, dessen Zweck nicht sicher zu bestimmen ist.5 Für beide Projekte haben sich Abrechnungsurkunden erhalten: Für die Tholos die komplette opisthographe Inschrift mit der Abrechnung der frühen und mittleren Jahre (2, Abb. 3), wobei nur noch ein kleiner Teil der Vorderseite, die als Türschwelle wiederverwendet und daher fast völlig abgetreten wurde, lesbar ist. Dazu kommen das Fragment einer parallelen Abrechnung der mittleren Bauphase über Bauarbeiten an den marmornen Innendecken (4), ein weiteres Fragment, das eine Abrechnung des Innenausbaus enthält (6) sowie eine Stele aus der letzten Bauphase über den Bau des Daches (7). Für das Kultbild liegen große Teile der Abrechnung der letzten zwei Baujahre vor (3, vorne). Das Kultbild ist mit dem Tempel durch den Bildhauer Thrasymedes von Paros6 verbunden, der die Innendecke, die Cellatür und die Pronaostüren des Tempels (1, Z. 43–45) sowie den chryselephantinen Asklepios im Inneren des Tempels entworfen hat, wie Pausanias berichtet7 und die Inschrift 3, in der sein Name dreimal erscheint (Z. 57. 70. 75), bestätigt. – Die Frage, ob man nach Fertigstellung des 1
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IG I³ 435 (Athena Promachos, um 450 v.Chr.). IG I³ 436–450 (Parthenon, 448/7–433/2 v.Chr.). IG I³ 453–460 (Athena Parthenos, 446/5–438 v.Chr.). IG I³ 462–466 (Propyläen, 437/6–433/2 v.Chr.). Vgl. den Beitrag von G. Thür in diesem Band. Die Nummern der Inschriften richten sich nach Bauurkunden I und II (vgl. Anhang 1). Bauurkunden I, 33 f. (Bauzeit); 237. 312 (Datierung). Paus. 2, 27, 3. Bauurkunden I, 15 mit weiterer Literatur. DNO 1451–1457; Bauurkunden I, 238–240. Paus. 2, 27, 2 = DNO 1451: q q , €• ‚ ƒ„ … † „ ‡„ ˆ Q„ „ ‰ Š‹„ : ŒDie Kultstatue des Asklepios ist halb so groß wie die
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Tempels zunächst die Arbeiten am Kultbild in dessen Innerem oder das Bauprojekt für die Tholos begann, ist nicht zu beantworten. Zwar kann für die letzten zwei Jahre des Kultbildprojekts eine relative Chronologie zwischen Kultbild und Tholos hergestellt werden,8 wann jedoch die Arbeiten am Asklepios begonnen haben, ist unklar. – Parallel zu den letzten Jahren des Kultbildbaus errichtete man das Abaton (Abb. 1, d), die Inkubationshalle für den rituellen Heilschlaf der Kranken, deren Abrechnung man auf die Rückseite der Abrechnung des Kultbildes (3, hinten) schrieb. Gegen 340 v.Chr., d. h. mindestens 30 Jahre nach dem Beginn der Arbeiten, wurde die Tholos schließlich fertiggestellt. Bald nach Beendigung der Tholos könnte der Baubeginn des berühmten Theaters von Epidauros (Abb. 1, e) liegen, zumal Pausanias sowohl für das Theater als auch für die Tholos überliefert, Polyklet sei der Architekt gewesen.9 Diese Angabe lässt sich aus den zeitgenössischen Texten nicht erhärten, denn weder in den lesbaren Teilen der Tholosurkunden 2, 4, 6 und 7 noch in den fragmentarisch erhaltenen Bauurkunden des Theaters (17 und 18) erscheint der Name Š † . Mit zusätzlicher Vorsicht ist dieser Angabe des Pausanias zu begegnen, weil der Baubeginn der Tholos (Bauzeit zwischen 380 und 340 v.Chr.) und der in den Texten dokumentierte Bau des Theaters (330/320–300 v.Chr.) mindestens 50 Jahre auseinander liegen.10 Man hat daher an einen Irrtum des Pausanias in beiden Fällen11 oder an eine Zuschreibung nur der Tholos an den jüngeren Polyklet von Argos12 gedacht.13 Nach 338 v.Chr. schließt eine weitere Ausbauphase an (Phase III), die den Urkunden zufolge den Tempel der Aphrodite (erbaut in sechseinhalb Jahren, Inschrift 14), zumindest Teile des Theaters, die Westerweiterung der Inkubationshalle (sog. Abaton, 20 bis 22), ein Kleisia genanntes Mehrzweckgebäude14 (Abb. 1, f), das Epidoteion (Inschrift 25) und das ApolloMaleatas Heiligtum (Inschriften 26 bis 29) umfasst. Die Bauarbeiten werden in dieser Phase von einer Baukommission ( ‹ ) überwacht, die Mittel für die
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des Olympischen Zeus in Athen und aus Elfenbein und Gold gemacht; eine Inschrift besagt, der Künstler sei der Parier Thrasymedes, der Sohn des Arignotos.“ Bauurkunden I, 312. Paus. 2, 27, 5 = DNO 1359: Š † •„ ‚ q „ ‚ Ž „ • „ (= die Tholos, S.P.) • • : ŒDenn Polyklet war es, der sowohl dieses Theater wie auch den Rundbau (= die Tholos) errichtet hat.“ Zur Datierung der Tholos vgl. Bauurkunden I, 105 f. 225–237. 312 mit älterer Literatur; zur Datierung des Theaters vgl. v. Gerkan – Müller-Wiener 1961, 77–81 (erste Bauphase um 300 v.Chr.) und Gogos 2011, 67 (Bau des gesamten Theaters um 300 v.Chr.). H. Froning berücksichtigt als einzige die erstmals 1972 von W. Peek publizierte Bauurkunde 17 bei ihrer Datierung des gesamten Theaters um 330/320 v.Chr. (Froning 2002, 53–58). Gogos 2011, 65; DNO 1359. Eine Verbindung mit Polyklet d. J. (tätig ca. 390–350 v.Chr.: DNO 1345–1359) wäre chronologisch zumindest möglich (Bauurkunden I, 247). Die Zuschreibung beider Bauten, der Tholos und des Theaters, an Polyklet durch Pausanias wird von Burford (1969, 64. 75 f. 141–145 mit älterer Literatur; vgl. Froning 2002, 53) für möglich gehalten, wobei dafür wiederum nur Polyklet d. J. infrage kommt. Studie: Kyriaki 2012.
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Bezahlung der Bauunternehmer werden von den Heiligtumspflegern (‘ „ ‹ ) bereitgestellt (vgl. das Schema unten). Schließlich werden in einer letzten Phase (IV, Inschriften 36 bis 45) um 300 v.Chr. verschiedene Unterkunftshäuser errichtet, v. a. ein großer ‚ ’ ‹ genannter Komplex (sog. Katagogeion), daneben ein Badehaus (” ), ein Pferdeunterstand (‘ • ) und die Palaistra nördlich des Stadions. In dieser letzten Ausbauphase wird über die Bauarbeiten direkt an die ‘ „ ‹ berichtet; Baukommissionen werden nicht mehr erwähnt (vgl. das Schema unten). 2. Charakter der Urkunden und Organisation der Arbeiten Die inschriftliche Überlieferung des Bauprogramms beginnt mit der Urkunde des Asklepieions (1). Der Text listet nicht jährliche Einnahmen und Ausgaben in Form einer Bilanzrechnung auf, sondern informiert ausschließlich über die in einem Jahr jeweils neu vergebenen Bauaufträge. Der Text wurde jährlich weitergeschrieben, nicht etwa nach Abschluss einer Bauphase, nach dem Ende einer Amtsperiode der zuständigen Baubehörde oder gar nach der Fertigstellung des Tempels. Es handelt sich also um eine öffentliche Bekanntmachung über die Vergabe von Bauaufträgen; G. Thür hat für diese Urkunde den passenden Begriff ŒBautafel“ gewählt.15 In der zweiten Ausbauphase hat sich die Art der Rechenschaftslegung geändert: Wie die elf erhaltenen Urkunden 2 bis 12 der Phase II (380–338 v.Chr.) zeigen, gab man nun Auskunft über Einnahmen und Ausgaben der jeweils für das Projekt zuständigen Baukommission, an die die Urkunde in den mittleren und späten Jahren des Tholosbaus auch adressiert ist.16 Die drei Urkunden sind Bilanzrechnungen, durch die die Finanzflüsse im Heiligtum nachzuvollziehen sind. Die Gelder werden vom Priester ( •„ ‘ „ bzw. •„ ‘ „ ) an die —„ 17 genannten Vergabekommissare ausgegeben. Diese Vergabekommissare waren parallel für alle Bauprojekte zuständig18 und amtierten teilweise viele Jahre lang. Sie sind diejenigen Beamten des Heiligtums, die die nötige Erfahrung und den nötigen Bausachverstand für die praktische Durchführung der Arbeiten mitbrachten. Ihre Hauptaufgabe war die Anwerbung der Bauunternehmer, die mehrheitlich aus
15 Thür 2015, 409. 16 Die Baukommissare sind im Dativ genannt: q (2, Z. 251. 266. 269. 271) bzw. q (2, Z. 274). 17 In Tegea (IG V 2, 6 A) amtieren für die Organisation der Arbeiten zuständige —„ , vgl. IPArk S. 32–34 und den Beitrag von G. Thür in diesem Band. Zu den epidaurischen —„ ausführlich Bauurkunden I, 165–171. 18 Teilweise dieselben —„ sind in den Abrechnungen der Tholos, des Kultbildes und des Abaton genannt. In den Urkunden der Phase III sind keine —„ mehr namentlich erwähnt; ihre Tätigkeit schlägt sich sprachlich in dem Verb ‰ (Œwir haben gegeben“) in der 1. Pers. Pl. nieder.
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anderen Poleis kamen;19 außerdem zogen sie Bußgelder gegen säumige oder nicht ordnungsgemäß arbeitende Unternehmer ein und waren somit wohl auch für die Bauabnahme verantwortlich (dazu unten ausführlich). Schließlich berichten sie über die Bauvergabe und die Kosten an die jeweils für ein Vorhaben verantwortlichen ‹ , d. h. die uns vorliegenden Texte gehen auf die Berichterstattung der Vergabekommissare an die Baukommissare zurück.20 Für Phase II lassen sich also die Verantwortlichkeiten und Finanzflüsse folgendermaßen darstellen:
Zuerst in der unmittelbar nach 336 v.Chr. geschriebenen Abrechnung des Aphroditetempels (14) ist eine Reorganisation der Finanzflüsse im Heiligtum zu erkennen (Phase III). Die Mittel werden nun nicht mehr vom Priester, sondern von einem bereits in einem Opfergesetz um 400 v.Chr.21 erwähnten Gremium namens ‘ „ ‹ (Heiligtumspfleger) ausgezahlt. Diese fünf Männer22 übernehmen ab der Mitte des 4. Jhs. die Finanzverwaltung im Heiligtum, wobei die Aufsicht über das einzelne Bauprojekt weiterhin bei der jeweils zuständigen Baukommission liegt. Die Baukommissare heißen wie in Athen ‹ , für den Aphroditetempel:
19 In den ersten beiden Jahren der Abrechnung des Asklepieions ist die Herkunft der Unternehmer genannt; für die vier Bildhauer, die die Giebel- und Akrotergruppen schufen, lässt sich ihre Herkunft aus (oder zumindest vorherige Beschäftigung in) Athen aufgrund der nach attischer Währung vereinbarten Entlohnung erschließen. In der Tholosrechnung werden mehrfach Anreisekosten für die Unternehmer sowie Reisegelder der —„ aufgeführt. Letztere gehen auf Dienstreisen zurück, die der Verpflichtung auswärtiger Spezialisten dienten. 20 Ausführlich würde das Präskript der mittleren und späteren Tholosjahre also lauten: [ • … ‘ —„ ] q . 21 IG IV² 40/1. 22 37, Z. 1–2. 54. 144. 302–307: Es handelt sich um vier Mitglieder (wohl eines pro Phyle), sowie einen „ • † (Sekretär). In Argos gibt es vier ‘ „ ‹ (SEG LIV 427).
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‹ •„ .23 Die Kommission amtiert im Normalfall während des gesamten Bauvorgangs. Aus den Einträgen über die Einnahmen (aus der Heiligtumskasse und aufgrund von Strafzahlungen) und die Ausgaben sowie die Aussagen über die Rechenschaftsverpflichtung werden die Finanzflüsse und Verantwortlichkeiten im Heiligtum in Phase III klar:
Schließlich werden in der letzten Ausbauphase (IV) keine Baukommissionen mehr eingesetzt. Stattdessen werden die ŒHeiligen Bauarbeiten“ (‘ „• ˜„ ) von den Vergabekommissaren beaufsichtigt, der Rechenschaftsbericht geht an die ‘ „ ‹ . Die Texte dieser spätesten Gruppe werden als ™q š ‘ „š ˜„ › ‘ „ ‹ (ŒRechenschaftslegung über die Heiligen Arbeiten an die Hiaromnamones“) bezeichnet. Es handelt sich dabei um Listen von verschiedenen Ausgaben für ŒHeilige Bauarbeiten“ überall im Heiligtum, nicht um Abrechnungen nur eines bestimmten Bauprojektes wie den Bau des Kultbildes oder des Aphroditetempels. Bei konstruktiven Arbeiten oder Materiallieferungen für ein bestimmtes Bauglied ist daher in diesen Texten stets in jedem Eintrag angegeben, um welches Gebäude es sich handelt, während dies bisweilen bei Lieferungen von Material, das man überall im Heiligtum verwenden konnte, unterbleibt. Holz wird beispielsweise für den Materialvorrat der Heiligtumsverwaltung und die vielfältigen ‘ „• ˜„ bereitgestellt, denn nicht immer hatte der Unternehmer auch das Material mitzubringen, das er verbaute.24 In diesen Texten sind entsprechende
23 14, Z. 1–2. Es folgen die Namen von vier Männern (aus jeder Phyle ein ‹ ) und dann ein fünfter Mann als „ • † (Sekretär). Dasselbe trifft zu für das Theater (17, Z. 10–11), das Epidoteion (25, Z. 81–82) und das Maleatasheiligtum (27, Z. 1–7. 185–191; 28, Z. 1–2). 24 Keine Bauurkunde erwähnt ausdrücklich Material für Baugerüste oder -kräne ( „ ). Ein weiteres Beispiel sind die Dübel und Klammern ( • • ‚ ), die man für den Versatz von Steinblöcken und auch für Ziegel (1, Z. 282) benötigte. Diese Materialien erscheinen in 1
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Einnahmen zugunsten des Etats einer Baukommission nicht angegeben, denn diese Berichte richten sich nicht an ‹ , sondern direkt an die Hiaromnamones, die Mittel direkt aus dem Heiligtumsetat bereitstellten.25 Als Geldzuflüsse sind in diesen Urkunden lediglich Strafsummen (eingeleitet mit š ‘ „š ˜„ › ‹ , ŒEinnahmen aus den Heiligen Bauarbeiten“) genannt. Da es sich nicht um Abrechnungen eines einzigen Bauprojekts handelt, sondern sämtlicher in einem Halbjahr verbuchter Arbeiten für alle Projekte im Heiligtum, wird für sie der Terminus Sammelurkunde vorgeschlagen. Die Finanzflüsse dieser Urkundengruppe sind wie folgt:
erst ab dem 4. Baujahr, obwohl man sie bereits ab Baubeginn für den Versatz der Fundamentblöcke benötigte. Entweder hatten also die Bauunternehmer in den ersten Baujahren diese Klammern mitzubringen (Bauurkunden I, 176. 260), oder die Heiligtumsverwaltung stellte sie aus einer Art Œstillen Materialreserve“ zur Verfügung (erwogen von Thür 2015, 409). In den Texten der Phasen II, III und IV werden dann regelmäßig Kosten für • • und erwähnt. 25 Es gibt in der ™q 37 einige wenige Einträge, die belegen, dass Unternehmer bisweilen verpflichtet waren, eine Probe ihrer Ware den Hiaromnamones vorzuführen, z. B. 37, Z. 400–404: œ•ž < > „ ‰ Ÿ [ „ ƒŸ | ] „ ‹„ „‰ • [ | ] › › [„ ]|š , ¡ „ ‘ „ [ ‹ | . Œdem Unternehmer Euxenidas für die Lieferung des Marmorputzes, erste Teilzahlung, zweihundertdreiundneunzig Scheffel, die er den Heiligtumspflegern abgemessen hat.“ Euxenidas erhielt also eine erste Teilzahlung ( „‰ • ) für eine Lieferung Marmor, die er (zur ¢ualitätskontrolle?) nicht den Vergabekommissaren, sondern den Hiaromnamones Œabzumessen“ ( „ ) hatte. 38, Z. 123–124 steht ‘ „ ‹| für einen Fall, in dem der Bürge Philostratos die Lieferung anstelle des „ ‰ Herakleitos übernimmt. – Im Regelfall würde man eine ¢ualitätskontrolle o. ä. durch die Vergabekommissare oder die Baukommission vermuten. Dass in diesen Fällen explizit die Hiaromnamones genannt sind, deutet auf eine Ausnahmesituation (vgl. ähnliche Fälle bei der expliziten Nennung der ” für die Bauabnahme und die Verhängung von Strafen in Ausnahmesituationen, unten bei Anm. 32 und 33).
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3. Vertragsvergabe, Vertragsbedingungen und Zahlungsmodalitäten In der zwischen 400 und 390 geschriebenen ŒBautafel“ des Asklepiostempels 1 ist die Vergabepraxis erkennbar. Diese jährlich weitergeschriebene Stele ist in drei Spalten unterteilt (Abb. 2). Baulose im Wert von über 60 Drachmen sind in der breiteren Spalte I verzeichnet. Auf Versteigerungsverfahren für diese großen Baulose, bei denen sich die Unternehmer gegenseitig unterboten haben, deuten die ganz knapp unter einer runden Zahl bleibenden Summen wie 799 Dr (Z. 53), 888 Dr (Z. 6) oder 882 Dr 3 Ob (Z. 26). Nebenkosten bis zu 60 Drachmen erscheinen in den Spalten II und III. Offenbar sind diese running expenses ohne Versteigerung per direktem Entscheid der Vergabekommissare ausgegeben worden. Weiteren Aufschluss über die Vergabe gibt eine Passage aus der Tholosrechnung 2 (Z. 288–291). Drei der q (Baukommissare der Tholos) reisen nach Athen; zwei Monate später unternehmen der vierte Baukommissar und der Sekretär der Kommissare dieselbe Reise.26 In Athen wird ein Herold namens Philon dafür bezahlt, dass er das Baulos ausruft ( ‹„ ž q‹ ˜„ ), und man kauft für 4 ½ Obolen Papyrus, um die Vertragsmodalitäten der Baulose ( † „ • ) aufzuzeichnen und sie den Unternehmern auszuhändigen (ƒ‹„ ‡ • „•• ). Aus der Formulierung der Baulose und ihrer Stellung auf der Stele 1 geht hervor, dass die Unternehmer unterschiedlichen Vertragsbedingungen zugestimmt haben,27 wie an anderer Stelle ausführlich dargelegt wurde:28 – Vergabe als Baulos mittels einer Versteigerung (Eintrag in Spalte I) mit Zahlungen im Voraus, weswegen ein Bürge gestellt werden musste; – Vergabe als Baulos mittels einer Versteigerung (Eintrag in Spalte I) mit Zahlung bei Lieferung (ŒGeld gegen Ware“): Es musste kein Bürge gestellt werden; – Direkte Vergabe kleinerer Aufträge ohne Versteigerung, Bezahlung ŒGeld gegen Ware“ ohne Bürgen (Eintrag in den Spalten II + III). Darüber hinaus ist der Formulierung zu entnehmen, ob ein Auftrag im Berichtsjahr bereits beendet wurde (Unternehmer erscheint im Dativ) oder ob an dem Auftrag noch gearbeitet wurde, als abgerechnet wurde (Unternehmer im Nominativ und Übernahmeformel mit £ /¤ / ). 26 Sonst unternehmen die Vergabekommissare ( —„ ) Reisen in andere Poleis, um Unternehmer anzuwerben (Bauurkunden I, 165). In 1, Z. 113. 244 f. 247. 290 erscheint die ältere Bezeichnung „ ‹ › , ŒAnwerber“. – Vielleicht war im Fall der Kassettendecken der Tholos die Auswahl der Unternehmer so bedeutsam, dass die Baukommissare sie selbst in die Hand nahmen und Spezialisten in Athen aussuchten (dass bei der Reise nach Athen die Anfertigung der Kassettendecken vergeben wurde, geht aus 2, Z. 278 f. und 2, Z. 292 f. in Verbindung mit 4, Z. 5. 10 f. 15. 30 hervor, vgl. Bauurkunden I, 118. 159 f. 163 f.). 27 Dass Unternehmer den Bedingungen (mündlich oder schriftlich) zugestimmt haben, belegt 5, Z. 2–4: [Š] [ ] ¥„ ¦ § ¨ ©[ ] „ © š ‘ „š [ ] : ŒPasiteles aus Hermione hat folgenden Bedingungen zugestimmt, als er bereit war, im Heiligtum des Asklepios ein Werk zu übernehmen.“ Vgl. Kritzas – Prignitz 2020, 22 f. 28 Bauurkunden I, 40–43.
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Aus der Art des Eintrags gehen also die Zahlungsmodalitäten (im Voraus oder im Moment der Lieferung) hervor. G. Thür nimmt zudem an, dass bei Zahlung im Voraus nicht die gesamte Summe bezahlt wurde, sondern dass man von im Text der Urkunde 1 nicht genannten sukzessiven Teilzahlungen gegen zeitversetzt erbrachte Lieferung bzw. Leistung auszugehen habe.29 Die Einträge im Dativ wären so zu verstehen, dass der gesamte Betrag bereits bezahlt wurde, die Einträge im Nominativ mit £ dagegen so, dass noch Teilzahlungen ausstehen. Teilzahlungen auch in Phase I würden der ab der Mitte des Jahrhunderts (Phase III) nachgewiesenen Auszahlungspraxis entsprechen (s. u.), im Text wirklich nachweisbar ist indes nur ein einziger Fall von zwei Teilzahlungen: Man hat die 21 ½ Ostgiebelfiguren des Hektoridas in zwei Hälften ( „ ) geteilt und zwei Zahlungen für 11 ½ und für 10 Figuren (1, Z. 87 und 109 f.) geleistet. Aufteilung eines Auftrags auf mehrere Unternehmer lässt sich bei der Materialbeschaffung für die Cella beobachten: Euterpidas aus Korinth übernahm das Brechen und den Transport der Steine zur Hälfte, die andere Hälfte des Brechens übernahm Archikles aus Korinth, die andere Hälfte des Transports Lykios aus Korinth (1, Z. 12–17). In der Tholosrechnung 2 sind zwei weitere Fälle von Teilzahlungen an dieselben Unternehmer festzustellen, erneut ohne dass von • (so später in Phase III, s. u.) die Rede wäre. Der Erbauer der Cellawand der Tholos, Laarchidas, erhält mehrere Zahlungen: im Gamos (5. Monat des Jahres) 2870 Dr für den Bau sowie 186 Dr 5 Ob für das ŒSieben“ (ªq ) der Steine (Z. 256 f.), im Panamos (10. Monat) 2310 äginetische und 300 argolische Drachmen (Z. 258), im Gamos des Folgejahres 400 Dr für Blei für den Verguss der Klammern (Z. 264 f.) und schließlich im Artamitios (8. Monat) noch einmal 3099 Dr (Z. 265). Bei dem ŒSieben“ und der Lieferung von Blei handelt es sich um einen separaten Auftrag bzw. eine separate Lieferung, wenn auch beides mit der Erbauung der Cella in Zusammenhang steht. Die drei übrigen Zahlungen sind jedoch erkennbar Ratenzahlungen für ein und dieselbe Aufgabe: die Konstruktion der Cellawand der Tholos. In der letzten Partie der Inschrift 2 wird der Auftrag für die 52 Bodenplatten ( ) der dorischen Peristasis der Tholos vergeben (2, Z. 294–296): ž ‰ « ‹
Ÿ Q ఙ
„š
—
Ÿ
„
‹ ,
† , •
Wir haben (das Baulos) vergeben, das Pflaster der Thymela in der Peristasis anzufertigen, zweiundfünfzig Platten, jede Platte zu 260 Dr.
Dieser Auftrag wird dann an zwei Unternehmergruppen vergeben: an Kleomelos und Philonidas insgesamt 20 Platten in vier ˜„ (Aufträge) zu je fünf Platten (Z. 296–298. 301 f. 308 f.) sowie an Apollonidas insgesamt 13 Platten zu vier, zwei, zwei, drei und noch einmal zwei Platten (Z. 298 f. 301. 305. 307 f.).30 Für das erste 29 Thür 2015, 410: Œdie vielfach vereinbarten Teilzahlungen, die nur zu erschließen sind, aber in der ¬Bautafel- gar nicht erwähnt werden.“ – Burford (1969, 105) nimmt für die ŒBautafel“ generell Zahlung im Nachhinein an. 30 Keil (1895, 60) lehnt für die die Annahme von Teilzahlungen ab (Œweder Gemeinschaftsarbeit... noch Teilzahlung“), akzeptiert aber Teilzahlungen im Fall des Laarchidas (Œein
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und das zweite ˜ „ von je fünf Bodenplatten in den Monaten Gamos (5. Monat des Jahres) und Panamos (10. Monat) werden jedoch nicht 5 x 260 Drachmen = 1300 Drachmen ausbezahlt, sondern in beiden Fällen nur 1260 Drachmen (Z. 296– 298), d. h. je vierzig Drachmen, etwa 3 % des Preises, werden zunächst einbehalten. Im Apellaios (12. Monat) werden dann diese zweimal vierzig Drachmen mit der Angabe ® ›• ‚ • „‹ (bzw. „ ) (Œdas, was wir noch schuldeten zu den ersten bzw. zweiten fünf Platten“) ausbezahlt (Z. 302– 305). Dass die q zunächst einen kleinen Teil des Lohns zurückhalten und später ausbezahlen, wirkt wie eine Maßnahme, um zunächst die Güte der Arbeit der Unternehmer dieses Bauloses zu testen.31 In der Phase III hat man dann bei Zahlungen im Voraus entweder ein in der Höhe schwankendes • (Inschrift 23) oder (in den meisten Fällen) 10 % (das ) einbehalten, das nach erfolgreicher Bauabnahme ausgezahlt wurde. Vergleicht man dieses Verfahren mit der Bezahlung der der Tholos, könnte es sich bei den erwähnten 1260 Drachmen um eine Zahlung im Voraus handeln, bei den zweimal vierzig Drachmen um eine zunächst als Sicherheit einbehaltene Summe, die im Moment der Lieferung fällig wird. Die Aufteilung der Giebelgruppe des Hektoridas in 1 wird mit „ ŒKeil“ (Z. 87) und ¯ „ „ Œder andere Keil“ (Z. 110) ausgedrückt. Die Aufteilung der Materiallieferung für die Cella wird mit (Œdie Hälfte“) beschrieben. Die Tholosrechnung 2 schließlich spricht in Bezug auf die Aufträge von je fünf Bodenplatten an Kleomelos und Philonides von † „ ˜„ (Z. 297 f.), „ ˜„ (Z. 302) bzw. ‘ „‹ (Z. 303) und ‘ † „ (Z. 304 f.) sowie „ ˜„ (Z. 308 f.). In den an die letzten Jahre des Tholosbaus anschließenden Abrechnungen der Phasen III und IV (336 bis etwa 300 v.Chr.) hat man bei größeren Aufträgen die Lieferanten regelmäßig in festgelegten • (Teilzahlungen) Zug um Zug gegen Teillieferungen bezahlt. Die Einträge nennen dabei auch die Stückzahl der Lieferung sowie den Stückpreis. Die Regelmäßigkeit dieser Einträge zu stets gleichen Bedingungen deutet auf eine (zuvor nicht zu konstatierende) Standardisierung der dahinter als Grundlage stehenden Verträge mit den Bauunternehmern. Es entsteht der Eindruck, dass die Aufteilung von Baulosen auf mehrere Unternehmer (Œsplitting“), das Verfahren, ein Baulos in • zu bezahlen, und die Einbehaltung eines sich erst mit der Zeit entwickelt haben und nicht für die Zeit des Tholosbaus oder gar die Zeit des Tempelbaus anzunehmen sind. Die Urkunden haben zunächst sehr wechselnde Formulierungen ( , „ , „‹ ˜„ etc.), später dann einen ganz standardisierten Wortgebrauch, der bei allen Urkunden der Phasen III und IV derselbe ist, unabhängig von Zeitstellung,
sicheres Beispiel von Teilzahlung“). Keil kannte nur die ŒBautafel“ 1 und die Tholosrechnung 2, die anderen (zeitlich späteren) Urkunden, die dann • und überliefern, waren 1895 noch nicht publiziert (vgl. auch die folgende Fußnote). 31 Der Einbehalt von 40 Dr wird erwähnt von Keil (1895, 60) und Burford (1969, 106 Anm. 1), jedoch nicht als Vorform des angesehen.
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Bauobjekt und der Frage, ob es sich um einen Bericht an eine Baukommission oder eine ™q an die Hiaromnamones (Sammelurkunde) handelt. 4. Abnahme der Baulose, Geldbußen Die Abnahme ( ) der Baulose erfolgte nach Fertigstellung der Arbeit. Entweder wird die Arbeit für gut befunden und dem Unternehmer das ausbezahlt, oder es gibt Einwände gegen die ¢ualität der Arbeit, sodass eine ‹ (Konventionalstrafe) verhängt wird. Bei Verspätung (° „ „ ) muss der Unternehmer eine Verzugsstrafe ( ° „‹ „ ) zahlen. Wer hat für das Heiligtum die Abnahme durchgeführt und ggf. die Geldbußen eingezogen bzw. im Streitfall eingeklagt? Nur in einem Fall wird in Epidauros gesagt, dass die ” die Abnahme durchstets ohne Angabe geführt hat,32 ansonsten wird die Auszahlung des einer zuständigen Behörde angegeben. Dass die ” ein Baulos abgenommen hat, ist also ein Sonderfall – regelmäßig ist es nicht die ” .33 Auch Bußzahlungen wegen Schlechterfüllung oder Zeitverzug werden ohne Angabe einer zuständigen Instanz unter den Einnahmen und Ausgaben einfach erwähnt, wobei es auch hier wieder einige wenige Ausnahmen gibt, dass ausdrücklich die ” die Buße auferlegt ( ).34 Das bedeutet wiederum: regelmäßig werden Bußen nicht durch die ” ausgesprochen. Nach dem, was über antike Bauorganisation bekannt ist,35 kommen zwei Gruppen für die Durchführung der Bauabnahme in Frage: die ‹ (möglicherweise zusammen mit einem Architekten) und die —„ . Der früheste Fall, dass ein Teil des Lohnes einbehalten wird, ist die bereits erwähnte Stelle in der Tholosrechnung, die die Platten der dorischen Peristase betrifft (2, Z. 294–308). Die zurückbehaltenen zweimal 40 Drachmen des ersten und zweiten Bauloses von je fünf Platten werden mit der Formulierung ® ›• (Œwas wir noch schuldeten“) nachgezahlt. Der Bericht über die Tholos ist ein Report der —„ an die q , d. h. die als Œwir“ der 1. Person Plural sprechende Gruppe sind die —„ . Wenn also die zurückbehaltenen zweimal 40 Drachmen eine Sicherheit sind, die nach der Prüfung der Arbeits±ualität der Unternehmer Kleomelos und Philonides ausbezahlt wird (2, Z. 302–305), so werden Prüfung und Auszahlung der zurückbehaltenen Summe durch die —„ vorgenommen.
32 24, Z. 63–68: ‰ „ ‰ ´• › [...], ‚ ž ˜„ [ ] Ÿ ” Ÿ : Œwir haben gegeben dem Unternehmer Ophelion das Zehntel [...], weil er das (fertige) Werk dem Rat vorgewiesen hat.“ Vgl. Kritzas – Prignitz 2016, 14 f. 33 Es wäre ohnehin schwer zu erklären, warum man die ” bei jeder Bauabnahme hätte hinzuziehen sollen. 34 27, Z. 206–208. 260–265; 37, Z. 2. 55. 35 In Delos sind die ‹ und der Architekt für die Abnahme zuständig (ID 502, 19–22), in Lebadeia verhängen die Strafen bei ƒ (IG VII 3073, 15–19).
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Die V sind es auch, die die Geldsummen aus den Bußen in Empfang genommen36 und an die Heiligtumskasse weitergeleitet haben – in Phase II an den jeweils amtierenden Priester,37 in Phase III wird in der 1. Person Plural die Weitergabe der Gelder an die Heiligtumspfleger berichtet: V , „wir haben den Heiligtumspflegern (weiter)gegeben“.38 Es drängt sich daher die Annahme auf, dass die ergabekommissare als die eigentlich „Bausachverständigen“ (s. o.) die Strafen nicht nur eingenommen und verbucht, sondern diese im Rahmen der Bauabnahme auch festgelegt haben.39 5. Widerspruch gegen Geldbußen Es gab für den Bauunternehmer die Möglichkeit, gegen eine Buße Widerspruch einzulegen. In diesem Fall ging der Fall vor eine richterliche Instanz: die .40 Wird der Einspruch abgewiesen und die Buße bestätigt, wird ein Aufschlag von 50 % namens („das Anderthalbfache“) fällig,41 d. h. aus 100 Drachmen Buße würden nach erfolglosem Einspruch 150 Drachmen. Dieses Procedere lässt sich zusätzlich zu den Fällen, in denen ausdrücklich das genannt ist, erschließen, wenn in einigen Fällen in den Abrechnungen gesagt ist: , „es hat der Rat verurteilt“. Schon sprachlich deutet = (gerichtlich) verurteilen statt = (eine Buße) auferlegen42 auf eine abgewiesene Revision. Aus den nach genannten, stets durch den Faktor 3 teilbaren Bußsummen ist zudem das zu erschließen.43 Unklar ist, warum diese nach einem Prozess vor der angefallenen Bußen nicht wie andere aus einer V des Rates hervorgegangene Summen auf „Strafstelen“44 geschrieben wurden, son-
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Bauurkunden I, 165–167 mit den Belegen aus 2 und 3. 2, Z. 148–151. 179–183. 205–208 usw. 14, Z. 133 f.; 20, Z. 252 f.; 22, Z. 79; 25, Z. 25. 36. 59. 75; 27, Z. 260 f. Im Fall des Philon (35, s. u. Abschnitt 7) sind es die zusammen mit dem € q V, da es um die Startvorrichtung das Stadions geht. gl. Harter-Uibopuu 2001/2, 333. Dies hat schon P. Kavvadias 1891 bei seiner Editio Princeps der Inschrift 35 erkannt, vgl. Cavvadias 1891, 77, Nr. 237–239. Zu 35 s. u., Abschnitt 7 und Harter-Uibopuu 2001/2, 333 f. Das ist erwähnt in 5 ( ), 34 und 35, s. dazu unten, Abschnitt 7. Die richtige Erklärung des erscheint (anhand von 35) schon bei Keil 1895, 50 f. S. o. Anm. 34. Folgenden Stellen ist eine erurteilung nach einem Widerspruch zu entnehmen: 14 112 f.; 22 79 f. (60 Dr Strafe, führt auf 40 + 20 Dr); 25 45 f. (105 Dr, führt auf 70 + 35 Dr); 37 145 f. (60 Dr, führt auf 40 + 20 Dr). In einem weiteren Fall wird eine Gruppe namens („Ombudsleute“) erwähnt (37, Z. 147 f.): • . Der Betrag sind 20 Drachmen, also keine auf ein führende Zahl; möglich wäre, dass es ein duplum ist. Das Urteil der muss einen speziellen, aus den bisher bekannten Texten nicht zu ermittelnden Hintergrund haben. Zu den „Strafstelen“ s. u., Abschnitt 7.
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dern unter den aus der gewöhnlichen Verwaltung des Heiligtums hervorgegangenen Einnahmen und Ausgaben erscheinen, und unklar ist auch, warum das offenbar stillschweigend in der Summe enthaltene ἡμιόλιον nicht im Text genannt ist. 6. Bürgen 45 Wenn eine Bußzahlung fällig wird, so zahlt im Normalfall der Unternehmer selbst die fällige Summe. Ein Beispiel ist der Unternehmer Genysos, der in der Abrechnung des Abaton zunächst 1410 Drachmen für die Anfertigung des Daches erhält und später wegen Verzugs bei derselben Aufgabe zwei Bußen zahlt. 46 Bei Insolvenz oder Flucht des Unternehmers wird der Bürge in Haftung genommen. 47 Ein Spezialfall, der erst bei der Neuedition der jüngeren Urkunden zutage trat, sei erwähnt: Der Bürge übernimmt es, anstatt zu zahlen, die Aufgabe des ursprünglich verpflichteten Unternehmers an dessen Stelle fertigzustellen und wird dafür entlohnt. In der Abrechnung des Aphroditetempels heißt es: 48 ἐνγύω̣ι [ἐργώνα Τιμοκρ]άτεος, Προδ̣[ί]κ̣ωι, τῶν εἰς τὰν κρηπῖδα λίθων το|μᾶς, τὰν πρώταν δόσιν λίθων δεκατετόρων, ἑλομένωι τὸν λίθον ἕκαστον δραχμᾶν – 𐅘𐅘𐌉𐌉𐌉𐌉𐌉𐌉, ὑφαιρεθέντος | τοῦ ἐπιδεκάτου γίνετ[α]ι 𐌇𐌇𐅄𐅄𐅄𐅄𐅄𐅄𐅘𐅘[𐌉𐌉𐌉𐌉𐌉𐌉] Dem Bürgen des Unternehmers Timokrates, Prodikos, für das Brechen der Steine für die Krepis, die erste Teilzahlung für vierzehn Steine, wobei er jeden Stein für 15 Drachmen 3 Obolen übernommen hat, nach Einbehaltung des Zehntels macht das: 195 Drachmen 3 Obolen.
Derselbe Bürge Prodikos wird drei Monate später für weitere neununddreißig Steine entlohnt, dann in zwei weiteren Teilzahlungen für zusammen noch einmal neununddreißig Steine. 49 Offenbar ist der ursprünglich verpflichtete Timokrates von seinem Baulos zurückgetreten oder arbeitsunfähig. Der Bürge Prodikos tritt an seine Stelle und führt die Aufgabe aus, anstatt die (im Falle eines gänzlichen Leistungsausfalles sicherlich fällige) Buße zu bezahlen. 50 Ein weiteres Detail wird aus einem zweiten Fall klar, in dem zwei Bürgen namens Phalaikos und Timagathos den Auftrag eines Unternehmers Drakon übernehmen (37, Z. 132 f.):
45 Vgl. den Beitrag von P. Long in diesem Band. 46 3, Z. 182 f. (Lohnzahlung). 267 f. (zwei ὑπεραμερίαι). 47 Ein Beispiel ist 2, Z. 179 f.: ὑπὲρ Μύρμακος πὰρ Ἀθανάδα ὑπεραμερίαν ἀπήνικε Δαμοφάνης Πύθωνι ἱαρεῖ 𐌇𐌇𐌇𐌇𐌇𐌇𐅛𐅛𐅛𐅛𐅛𐅛 („Für Myrmax hat Damophanes von Athanadas wegen Terminüberschreitung an den Priester Python abgeführt: 306 Drachmen“). Athanadas ist der Bürge, Myrmax der Bauunternehmer und Damophanes der Vergabekommissar. Zu Ausnahmen (Bürge wird belangt, ohne dass der Hauptschuldner zunächst belangt worden wäre) vgl. IPArk, 31 mit den inschriftlichen Belegen und weiterer Literatur. 48 14, Z. 19–21. 49 Ebd. Z. 36–39. 59–63. 50 Derselbe Sachverhalt dürfte in 12, Z. 17 und 21 vorliegen. Partsch (1909, 286. 332) hatte die Zahlung an den Bürgen damit zu erklären versucht, dass „der Unternehmer dem Bürgen für etwaige Inanspruchnahme aus Konventionalstrafen oder Geldmulten einen Auslagenvorschuß leisten will“.
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Φαλαίκωι καὶ Τιμαγάθωι ἐγγύοις Δράκοντος ὑπὲρ τὸν ἐρ|γώναν Δράκοντα ξύλων στρογγύλων· ὀ̣κ̣τ̣ω̣καιδεκαπέδων δεκαοκτώ, ἑλομένωι τὸ ξύλον ἕκαστον δραχμᾶν ἑπτά Phalaikos und Timagathos, den Bürgen des Drakon, für den Unternehmer Drakon, runde Hölzer: achtzehn Fuß lange (Hölzer) achtzehn, wobei er jedes Holz für sieben Drachmen übernommen hat.
Der Gebrauch des Singulars ἑλομένωι, „er hat es übernommen“ (und nicht etwa des Plurals ἑλομένοις), zeigt, dass die Bürgen Phalaikos und Timagathos den Vertrag zu den von Drakon geschlossenen Konditionen ausführen, dass sie in diesen Auftrag sozusagen ohne Nachverhandlungen eingestiegen sind. In den Texten ist so gut wie nie die Herkunft der Bürgen angegeben: In der Bautafel 1 sind die Bürgen nach dem eigentlichen Baulos zwar immer genannt, jedoch mit einfachem ἔνγυος ohne Angabe der Heimatpolis. Viele dieser Bürgen erscheinen in den späteren Texten als Mitglieder der Administration; man kann daher vermuten, dass sie Epidaurier waren. 51 Einheimische als Bürgen zu bestellen, ist an sich naheliegend, da die Polis bzw. das Heiligtum auf diesem Wege Zugriff auf den Bürgen hatte. 52 In den späteren Texten sind Bürgen nur noch erwähnt, wenn sie für den Unternehmer eine Buße zahlen mussten oder dessen Baulos übernommen haben, ebenfalls ohne Angabe ihrer Herkunft. Lediglich im Fall des Korinthers Philon (35, s. sogleich) wird gesagt, dass sein Bürge ein τραπεζίτας Nikon aus Korinth war.
7. Strafstelen Ein Spezialfall sind bislang drei Texte, die ausschließlich Gelder aus Bußzahlungen verzeichnen. Im Normalfall wird eine Buße in den Berichten an ἐπιστάται in der Liste der jährlichen Einnahmen verzeichnet, und dann erscheint unter den Ausgaben desselben Jahres die Weitergabe an die Heiligtumspfleger (s. o.). In den Berichten an die Heiligtumspfleger (εὔθυναι ἱαρομνάμοσι) ist nur die Einnahme für die Heilige Kasse verzeichnet: ἐκ τῶν ἱαρῶν ἔργων λάμματα „Einnahmen aus den heiligen Arbeiten“, worauf die Bußzahlungen des Zeitraums, über den berichtet wird, aufgelistet werden. 53 Die drei „Strafstelen“ sammeln hingegen ausschließlich Summen, die offenbar aus gerichtlichen Verurteilungen oder aus anderen besonderen Umständen hervorgegangen sind, d. h. exzeptionelle Fälle. Die älteste „Strafstele“ stammt aus der der Zeit um 360 v.Chr. 54 Der Text schildert mehrere, sukzessive in Paragraphen geschriebene Fälle von Diebstahl und
51 Burford 1969, 135–137 und 229 (Tab. XVIII); Bauurkunden I, 174 mit Anm. 132 und 229 f. (Tabelle). 52 Vgl. Partsch 1909, 133 f. (zum attischen Recht). Der Fall des Philon von Korinth wird von Partsch (ebd. 134 mit Anm. 5) als Beispiel genannt, dass „außerhalb Attikas mehrfach Nichtbürger bei der Staats- und Tempelpacht Garantie übernehmen“. Vgl. P. Long in diesem Band. 53 37, Z. 2–5. 55–64. 144–150. 307–315. 54 5, ed. pr. und Kommentar: Kritzas – Prignitz 2020. Auf die Zeit um 360 v.Chr. deuten neben der Schrift auch die Notation der 50 Drachmen (𐅄𐅄𐅄𐅄 – und nicht die jüngere Form 𐅄𐅄) und die
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Schlechterfüllung. Ein langer erster Abschnitt berichtet von einer Unterschlagung von Elfenbein, auf den ein Prozess gegen den Bauunternehmer Pasiteles folgt, vor dem dieser jedoch flieht, woraufhin eine Zwangsversteigerung seines in Epidauros befindlichen Eigentums vorgenommen wird. Ein zweiter Abschnitt nennt eine Strafe für Š ‚ V (Betrug bei der Ersteigerung eines Bauloses); der dritte schließlich schildert den Fall des Architekten von Brunnen ( ) und Inkubationshalle ( ), Perillos. Er wird von der olksversammlung mittels Abstimmung ( ž€ V † Ž V Œ ‘ € ‘ ‰ • • V) verurteilt. Möglicherweise wird der Architekt für einen Planungsfehler bei der Einbeziehung des Brunnens in die Südhalle des Abaton bestraft, der die Statik der Säulenhalle des sog. Abaton beeinträchtigt hat. Die Buße für den Fehler bei den Arbeiten am Brunnen beträgt ¡ ‡ € 1050 Drachmen, d. h. 700 Drachmen + 350 Drachmen Aufschlag, die Buße für den Fehler bei der Inkubationshalle 1110 Drachmen, d. h. 740 Drachmen + 370 Drachmen Aufschlag. Das erscheint auch in der bereits seit 189155 bekannten Inschrift 35 aus der Zeit um 310 v.Chr. Sie schildert den Fall des Korinthers Philon, dem eine Buße wegen der ¢ š (Startvorrichtung im Stadion) in Höhe von 500 alexandrinischen Drachmen auferlegt wurde. Philon hat offenbar Widerspruch eingelegt, die Geldbuße wird vom Rat jedoch bestätigt ( £ Œ €V ž ‡ q : „es beschied ihm in (seiner) Anwesenheit der Rat als zu Recht verhängt“). Ein ihm zustehender q V von 200 Drachmen wird gegengerechnet, sodass 300 Drachmen Buße verbleiben. Der Text begründet das Urteil: ™ £ ‚ ‰ Œ , „weil er nicht nach dem Gesetz bezahlt hat“, werde ein Aufschlag von 50 % fällig. Philon schuldet daher Œ Œ ¡ € , „den Rest“ (300 Drachmen) „mit dem (zusätzlichen) Halben“, d. h. 450 Drachmen. Die dritte „Strafstele“ (Inschrift 34) stammt aus der dritten Bauphase und versammelt verschiedene Transaktionen zur Zeit des Priesters Dionysios. Sie werden am Ende mit V V „Summe der Ausgabe(n)“ zusammengefasst (34, Z. 15), die, weil es sich um Bußzahlungen handelt, an den Priester, also offenbar die Heilige Kasse, weitergeleitet werden. Am Anfang jeden Eintrags wird dem Priester ein q (wörtlich „Blumenkrone“, hier wohl eine Art Aufgeld) zuerkannt. Die Bußgelder sind, soweit erkennbar, alle unter außergewöhnlichen Umständen auferlegt worden: Zahlung durch Bürgen ( ‰ ‚ ---/ ‰ ‚€ - - -), erfolgloser Einspruch gegen eine Buße, sodass das fällig wird ( ¡ € , Z. 10. 13. 15), oder eine Zahlung in Raten ( V • V Œ , Z. 13). Aus den Texten der „Strafstelen“ geht nicht hervor, was die Heiligtumsverwaltung bewogen hat, diese außergewöhnlichen orgänge auf mindestens drei gesonderten Stelen im Heiligtum zu publizieren. Wenn man den ältesten bislang bekannten Fall zum Maßstab nimmt, also die Unterschlagung von Elfenbein mit anschließender Flucht vor dem Prozess (Inschrift 5), könnte der organg so exzeptionell gewesen sein, dass man die Publikation in Form einer „Strafstele“ beschlossen hat, um ein Erwähnung der , die in der Bauurkunde 3 (Rückseite) erwähnt wird (zur Datierung vgl. die Tabelle Bauurkunden I, 312). 55 Cavvadias 1891, 77, Nr. 237; vgl. Partsch 1909, 333 f. 412.
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exemplum zu geben und den orfall in Erinnerung zu halten. Dieser und alle folgenden außergewöhnlichen Fälle, die auf „Strafstelen“ festgehalten wurden, könnten niedergeschrieben worden sein, damit einerseits den Besuchern des Asklepiosheiligtums vor Augen geführt wurde, wie unnachgiebig die erwaltung ergehen gegen die Bauordnung zu verfolgen gewillt war, und damit andererseits die Bauunternehmer vor vergleichbaren ergehen in der Zukunft abgeschreckt wurden. Anhang 1: Liste der erwähnten Bauvorhaben und Bauurkunden Phase I Phase II
Asklepiostempel Tholos Kultbild Abaton und Brunnen Liste von Strafsummen Aphroditetempel Epidoteion Apollo-Maleatas Heiligtum Liste von Strafsummen Urteil gegen Philon von Korinth Berichte an die Hiaromnamones über ‰•
Phase III
Phase I
1 (IG I ² 102) 2 (IG I ² 103), 4 (IG I ² 112), 6, 7 3 ( orderseite) 3 (Rückseite) 5 14 (IG I ² 106 A und B) 25 (IG I ² 108, Z. 81–158) 26 bis 29 34 (IG I ² 117) 35 (IG I ² 98) 36 bis 45
Anhang 2: Überblick über die Baugeschichte Phase I (400–390) Phase II (ca. 380–338)
Asklepieion Tholos, [Tempel des Apollon Maleatas], Kultbild, Älteres Abaton und Brunnen Phase III (ca. 336–ca. 310) Aphrodition, Theater, Westerweiterung des Abaton, ¤ (= sog. Gymnasium), Epidoteion, Maleatasheiligtum, [Stadion], Propylon Phase I (ca. 310–300) Unterkunftshäuser am Berge Kyon ( ™ ¤ ŒV = Katagogeion), Badehaus ( ‹ ), Stallung ( V), , Straßen und Wasserkanäle In eckigen [Klammern]: Gebäude, für die bislang keine Bauabrechnung vorhanden ist
Anhang 3: Termini V V
Teilzahlung für einen Leistungsabschnitt eines Bauloses. Vergabekommissare: Gremium von Spezialisten mit Bausachverstand, das die Baulose an Bauunternehmer vergibt, wohl für die Abnahme der Baulose und die Festsetzung allfälliger Geldbußen, zumindest aber für deren Eintreibung verantwortlich ist und über die Finanzflüsse Rechenschaft an und V gibt.
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V
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Wörtlich „Blumenkrone, Aufblühen“: Wohl Bezeichnung eines Aufgeldes in speziellen rechtlich relevanten Fällen, das der Heiligen Kasse übergeben wird. Zehntel: Als Sicherheit zurückbehaltene 10 % des Lohnes. Baukommissare: Aufsichtsbehörde, die ein Bauprojekt überwacht. In Epidauros sind stets vier Baukommissare (einer aus jeder Phyle) sowie ein Sekretär für ein Projekt verantwortlich. Konventionalstrafe bei Schlechterfüllung. Bauunternehmer. Rechenschaftslegung der ergabekommissare gegenüber den V. das (zusätzliche) Halbe: Aufschlag von 50 % auf eine Geldbuße, wenn der betroffene Unternehmer Revision eingelegt hat und diese abgewiesen wird. Heiligtumspfleger: Für sakrale orgänge und Finanzflüsse (auch Geldmittel für Bauprojekte) verantwortliches Gremium von vier Männern und einem Sekretär. Verzug, auch: Geldbuße bei Leistungsverzug. Geldbuße bei Leistungsverzug.
Bibliographie Bauurkunden I = S. Prignitz, Bauurkunden und Bauprogramm von Epidauros (400–350), München 2014. Bauurkunden II = S. Prignitz, Bauurkunden und Bauprogramm von Epidauros II (350–300), München (im Druck).
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Rechtliche Regularien beim Ausbau des Heiligtums von Epidauros
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Sebastian Prignitz
Abbildungen
Abb. 1: Plan des Heiligtums von Epidauros. – a Asklepiostempel, b Tholos, c Platz des Kultbildes, d Abaton und Brunnen, e Theater, f Kleisia. Plan von P. Kavvadias mit Modifikationen von S. Prignitz.
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Abb. 2: Skizze der „Bautafel“ des Asklepieions (Inschrift 1 = IG IV² 102), Vorderseite (A I + A II) und Rückseite (B I, B II, B III). Zeichnung S. Prignitz.
Abb. 3: Tholosabrechnung (Inschrift 2 = IG IV² 103), Photo der Zeilen 186–247. Photo S. Prignitz.
BUILDING CONTRACTS AND GUARANTORS IN CLASSICAL AND HELLENISTIC GREECE Peter Long Introduction1 Considerable evidence survives of the involvement of guarantors in public and sacred building projects in Classical and Hellenistic Greece. It comes from various parts of the Greek world including Athens, Delos (both before and after independence in 314 BC), Epidauros, Delphi, Tegea and Boiotia.2 In all these states, the role of the guarantor is, at a general level, the same: if the contractor does not perform his contract and so becomes liable to pay the building authority a fine or other sum of money, the building authority can call upon the guarantor to pay these amounts. This important principle clearly emerges from the epigraphical evidence, which includes laws and contracts providing that the contractor’s guarantors were to be liable to pay a penalty or other sum for a range of breaches of contract, records of summonses or less formal approaches being made to guarantors by building officials, and accounts recording payments received from guarantors on behalf of contractors.3 From Athens, Delos under Athenian control, independent Delos, and Lebadeia, there is evidence that provision of the required number of acceptable guarantors could be a condition of the contractor receiving his first payment under the contract.4 From dependent and independent Delos and from Lebadeia, specific requirements are found that the guarantor should be x V, approved by the Boule, or 1
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I wish to thank Professor Lene Rubinstein of Royal Holloway University of London for her generous help and advice on this paper. Responsibility for any errors is of course my own. Unless otherwise indicated, the translations of the inscriptions are my own. Guarantors appear in the following inscriptions relating to public building works: Athens: IG I3 476, IG II3 429, IG II2 463, 1670, 1674, 1680, 1682. Delos under Athenian control: I.Délos 104(4) (IG II2 1678), I.Délos 104(5), 104(6). Independent Delos: IG XI, 2 161A, 165, 199, I.Délos 290, 365, 500, 502, 504, 506, 507, 508. Epidauros: IG I 2 1, 98, 102 (Prignitz 2014, No. 1), 106, 109, 112 (Prignitz 2014, No. 4), 115 (Peek 1969, No. 50), 117 (Peek 1969, No. 51), Peek 1972, No. 19, SEG 15.207. Delphi: CID 2.31, 2.62, 2.109, 2.117. Tegea: IG 2, 6A (Thür – Taeuber 1994, Nr. 3). Oropos under Athenian control: IOropos 290, IOropos II 4255). Lebadeia: IG II 3073, 3074, de Ridder 1896, 323–325. II2 1678). Independent Athens: IG II3 429. Delos under Athenian control: I.Délos Delos: I.Délos 502, 506, 507 (with the restorations of Davis 1937, 116). Epidauros: IG I 2 1, 98, 109, 117 (Peek 1969, No. 51). Delphi: CID 2.31, 2.62. Tegea: IG 2, 6A (Thür – Taeuber 1994, Nr. 3). Lebadeia: IG II 3073, 3074, de Ridder 1896, 323–325. Delos under Athenian control: I.Délos II2 1678). Independent Delos: I.Délos 290, 502, 507. Lebadeia: IG II 3073, 3074.
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acceptable to the building authority officials.5 Prosopographical evidence from Athens, Delos and Epidauros indicates that many of the guarantors were wealthy individuals. In most (although not all) cases they were also citizens of the state in which the building work was taking place. Scholarship to date Contracts for work on public and sacred buildings, and the role of the guarantor in relation to them, have received a fair amount of scholarly attention over the years. Davis contrasted the building projects of fifth century Athens, as evidenced by the Erechtheion accounts, where large numbers of skilled workers were individually hired directly by the state, with those of Delphi and Epidauros of the fourth century, where we find fewer individuals taking on larger contracts. He argued that, as the size of the contracts grew, the state would ask contractors to provide guarantors to secure their responsibilities.6 Wittenburg7 draws a similar contrast between the arrangements made for the construction of public works in Athens and Eleusis in the fifth and fourth century BC and those revealed by the building inscriptions from Delos, Boiotia and Epidauros from the fourth century BC and later. The evidence from the latter communities shows that contractors would take on obligations for large sections of work that would, unlike in classical Athens and Eleusis, include the supply of materials as well as the provision of labour. Payments would be made in advance. Local circumstances, he argues, must have contributed to this development. This kind of contracting, he contends, meant that the state had to encourage contractors by various means to perform the obligations they had undertaken. A requirement that they provide guarantors for their performance was one of these means. Wittenburg argued that this reflected the weak bargaining position of the authorities in question. In her study of Epidaurian building contracts, Burford saw the guarantors of building contracts at Epidauros in the fourth century BC as “yet another administrative sub-division”, “the building commission’s allies, so to speak”. Emphasizing the practical role of guarantors, she noted that in some sense they helped to control the contract; they were mostly citizens of Epidauros, appointed on the strength of their financial and social respectability, and were no doubt inspired to back contractors as a form of public service. She e pected that they had “some conception of what the work for the performance of which they were making themselves indirectly responsible required” and more especially of the character of the man they were backing. While some guarantors may have remained completely ignorant of both these aspects and may have thought nothing of the risk (any loss being thought
5 6 7
Delos under Athenian control: I.Délos 504, 507. Lebadeia: IG II 3073. Davis 1937, 111–112. Wittenburg 1986, 1079–1083.
II2 1678). Independent Delos: I.Délos 502,
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of as sustained in a good cause), many would have wanted to know what they could e pect.8 In his book on artisans in the Greek sanctuaries, Feyel argued that the Greek building work force was very diverse, mobile and unstable, and that the sanctuaries tried to stabilize the tradesmen by having recourse to what he described as “the system of contracts”. These contracts provided the contractors with certain advantages such as payments on account to help their cash flow. In return for this, the authorities imposed upon contractors, among other things, a requirement that they provide guarantors to be responsible in their place in case of problems. Guarantees were thus part of an overall means (which included penalties for non-performance) of stabilising the workforce.9 On the basis of the building accounts from Athens, Delos, Epidauros and Delphi, Feyel distinguished between contractors remunerated on the basis of a contract, others remunerated for individual pieces of work and labourers paid by the day. He found that these different methods of remuneration reflected differences in the type of work to be done and, further, that there was a hierarchy of contractors corresponding to this hierarchy of work types. Feyel argued that tradesmen remunerated on the basis of a contract, i.e. those in the upper echelons of Feyel’s hierarchy, put in place for themselves a form of mutual support which involved contractors standing as guarantors for their colleagues. This support was not entirely financial. In some cases the contractor and guarantor had the same professional specialisation. In case of default, these guarantors could complete the work that had been started, which would have been reassuring to the administrators of the sanctuary. Feyel gave e amples of contractor guarantors from Epidauros and Delos, but added that it is not possible to conclude that the contracting parties always chose as guarantors men who were themselves in possession of the same professional skills as the contractor.10 Framework of this paper Although, in the literature to date, there has been quite a lot of discussion of the role of the guarantor in the conte t of public building projects in general, there has been very little discussion of the role of the guarantor from the guarantor’s point of view. In this paper, therefore, I will attempt to consider this aspect in a little more detail. I will start by e amining those aspects of building projects for which it appears to have been considered desirable for the building authorities to have guarantors and the risks to which guarantors were thereby e posed. Then, in the main part of my paper, I will discuss specific features of the surviving building contracts, which added to or reduced those risks for guarantors. The potential for guarantors to be e posed to calls on their guarantees could be greatly reduced by payment terms, 8 Burford 1969, 135. 9 Feyel 2006, 331–339. 10 Feyel 2006, 437–467.
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Peter Long
which provided for part of the contract price to be paid in arrears. Inclusion of provisions that relieved the contractor of responsibility for certain events or imposed responsibility for certain matters (such as the supply of materials) upon the building authority could also have given guarantors some comfort that the contractor would not be taking on more than he could manage. But these features affected not only the interests of guarantors but also those of the community itself and of the contractors, and I will argue that the building authority, in settling on the terms of its building contracts, sought to strike a balance between attracting contractors with appropriate skills, protecting the interests of the community and ensuring that potential guarantors were not deterred from putting themselves forward. Finally, I will ask to what e tent the guarantors themselves may have been able to influence the drafting of the contracts. The desirability of having guarantors of building contracts The frequency with which one encounters guarantors associated with building contracts is in itself evidence of the perceived desirability from the building authority’s point of view of involving them. In making its decision to go ahead with a building project, the community was putting public or sacred money at risk. It would therefore seek guarantors, people who, if the contractor let the community down, could provide the necessary finances to ensure that there would be someone else do the work. Guarantors could be particularly important where the contractor was not a citizen of the state where the building project was located.11 If the contractor defaulted, it might be difficult for the building authority to compel the contractor to perform or to recover its financial losses from him. But if the guarantor was (as was usually the case in the evidence that survives) a citizen of the state where the building project was located, the building authority could have recourse to him if the contractor defaulted. As a citizen he may well have owned real estate against which the building authority could levy e ecution.12 11 E amples: Kanon son of Dionysodoros of Thespe, contractor for work on Delos under Athenian control: I.Délos II2 1678) ll. 29–32. In the accounts from Epidauros relating to the construction of the temple of Asclepios, dated to between 400 and 390 BC (Prignitz 2014, 225– 250), thirteen out of forty-nine contracts which included guarantors for which sufficient details I 2 1, 102). A contract from independent Delos which has been dated to 297 BC was awarded to Nikon son of Nikokles, Nikeratos son of Sosipolis and Simos son of Nikageros, all from Syros who pro500B ll. 13–14). In another contract for work on independent Delos dated to 297 BC, the contractor was Damasias son of Kypragoros of Paros, who 502A ll. 24–25). 12 We have no e amples of actual enforcement proceedings against a guarantor of a building contract, but we do have the e ample from classical Athens of Mei idemos, who had guaranteed sums due under four ta collection agreements and an agreement relating to a quarry in Peiraeus. After Mei idemos failed to pay under his guarantees a owned by him was conXIX P26 Face B col Col I ll. 463–498 (342/341 BC)).
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Guarantors also had a role to play in ensuring that the contractor performed his contract. Many building contracts contained provisions requiring the contractor to pay a fine if he did not comply with the terms of his building contract. By making the guarantor liable for the payment of these fines,13 the building authority could incentivise the guarantor to take steps to ensure that the contractor performed so that fines would not become payable. There were two main aspects of building projects, which were of concern to the building authority: delays and quality of work.
Delays The authorities were concerned to see that the project was completed on time. We see this, for e ample, in the Athenian law of 337–336 BC relating to the rebuilding of the long walls, the walls of Eetioneia and Peiraeus, and the harbour moles. This provided (if Thür’s restorations are accepted) that the appointed officials could impose a fine if the contractor failed to complete the work, and that if the fine was not paid, the contractor and his guarantors could be brought into court:14 x V [ ] 35
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[If the contractors] do not complete [the works], the same penalties are to apply to them as [are prescribed concerning other delays; those who are appointed for supervision of the construction of the walls] along with the teichopoioi and the treasurers of the long walls and [the walls of Eetioneia and the other walls of Peiraeus are to impose penalties until the contractors] complete the works; and if any of the contractors or the guarantors [fail to pay the penalties, those who are appointed for the supervision of the construction of the walls are to bring] them into the court.
Similarly a contract for work on the island of Delos dated to between about 350 BC and 314 BC, during a period of Athenian administration of the island, actually specified the rate at which a fine for delay was to be calculated (10 drachmai per day) and required the naopoioi to collect it from the contractor and his guarantors:15
13 Several e amples from Athens, Delos under Athenian control, independent Delos and Boiotia II 3073 ll. 37–40, 3074 ll. 15–18, De Ridder 1896, 323–324 ll. 23–25 and 40–43) and e amples from Tegea I 2 1, 98). 14 IG II3 429 ll. 31–35 with the restorations of Thür 1985 (= SEG 35.62 with line numbers adjusted to correspond with those in IG II3 429). 15 I.Délos 104(4) Fragment a Face A ll. 18–21 (= IG II2 1678 Fragment a Face A ll. 18–21).
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Peter Long € [ ]œ [ ] € 20
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If (the contractor) does not e ecute the work acceptably in accordance with the contract in the time, he shall pay ten drachmai for each day until he completes the works acceptably in accordance with the contract; and the naopoioi shall recover this money from him and the guarantors and they shall do the other things in accordance with what is prescribed for other contractors and guarantors of works in the contract.
Delay penalties backed up by guarantors seem to have been quite common. They also appear in three contracts from Delos from the period of its independence16 and in a contract from Lebadeia dated to about 220 BC relating to the construction of the temple of Zeus Basileus.17 In some cases the building authority might reserve the right, in the event of a serious delay in completion, to take the contract away from the contractor and give it to another. Such may well have been provided in a building contract from Delos of the mid third century BC. The amount by which the new contractor’s price e ceeded the money that had not yet been paid to the original contractor was to be e acted by the hieropoioi from the original contractor and his guarantor:18
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If (the contractor) does not present anything completed as prescribed within the thirty (days), the hieropoioi and the epimeletai shall let the remainder of the work to another contractor in whatever way the architect instructs and the egdotores shall recover the amount by which the cost of the remaining works e ceeds the money that is left from the contractor and the guarantor levying e ecution against the guarantor.
16 I.Délos 502A ll. 3–5; I.Délos 506 fr b ll. 6–9; I.Délos 507 ll. 19–20 and 29–31. 17 De Ridder 1896, 323–4 ll. 9–11 and 40–42. 18 I.Délos 507 ll. 31–38. The te t here is based upon the restorations proposed by Davis 1937, 116 and 129; similar termination provisions appeared in another contract from independent Delos of about the same date – I.Délos 502A ll. 3–5. More comple termination provisions can be found in two contracts concerning work on the construction of the temple of Zeus Basileus at Lebadeia dating to about 220 BC – IG II 3074 ll. 1–8 and De Ridder 1896, 323 ll. 11–21. For interpretations of the Lebadeian provisions, see Davis 1937, 117–118 and Thür 1984, 496– 497.
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Quality of work done by the contractor The other main area of concern for the building authority was the quality of the work done by the contractor. Defects in the work could not only look unsightly but could also, particularly if they were structural defects, be a danger to the ultimate users of the building. Defective work could also hold up the work of other contractors while the defect was repaired (for e ample a defect in the construction of a column of a building could cause delays to the contractors working on the roof). A contract for the provision, erection and engraving of stelai to record the terms of the contracts for the construction of the temple of Zeus Basileus at Lebadeia provided that if the contractor did not comply with what was written in the contract or was found guilty of bad workmanship, he would be fined by the naopoioi with such sum as seemed to them to be deserved:19 15
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If (the contractor) in any respect does not comply with the provisions of the contract or is found guilty of bad workmanship in some respect, he will be fined by the naopoioi according to whatever he appears to deserve (for) not doing what the terms of the contract require.
The contract included a general provision whereby the naopoioi were required to collect any fines from the contractor and from his guarantors:20 2
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ªª [the contractor] will pay the one fifth; [this and] the additional cost and if he is liable in addition for any other [money from] fines, all this the naopoioi will collect from the contractor and the guarantors.
Another part of the inscription, which set out the technical requirements for the preparation and laying of the paving of the peristasis of the temple, provided that the contractor could be fined by the naopoioi and the boiotarchs if he failed to use the correct oil and red lead:21 155
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19 IG II 3073 ll. 15–19. 20 IG II 3073 ll. 1–4. 21 IG II 3073 ll. 154–159.
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Peter Long And (the contractor) will use pure oil and red ochre from Sinope for all the rules; if he does not use red ochre from Sinope or pure oil, he will be fined by the naopoioi and the Boiotarchs and no stone shall be clamped down until (the contractor) shows the naopoioi that he has used approved red ochre from Sinope and pure oil.
Further on in the same section it was stipulated that certain parts of the work were naopoioi.. If not to be set permanently unless they had first been approved by the naopoioi the contractor failed to comply he had to do the work again (even if it had been done correctly, it seems) and the naopoioi and the Boiotarchs were given the power to fine him such amount as might seem to them to be appropriate:22 170
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(The contractor) shall in person (demonstrate) to the naopoioi the insertion of the dowels, clamps and dovetail ties and the weight of these things and all lead castings and nothing which has not been shown shall be fi ed; if anything is fi ed (which has not been shown) he will raise the stone and do (it) [again] from the beginning and will be fined by the naopoioi and the Boiotarchs according to whatever he appears to deserve for not doing what the terms of the contract require.
Features of building contracts which could affect the risks taken on by guarantors Having guarantors to pay fines or meet the additional costs which could arise if there were problems with delays or the quality of work in building projects was clearly desirable, perhaps even essential, from the building authority’s and the community’s point of view. However, it also e posed guarantors to risk: their guarantees might be called upon as a result of the acts or omissions of contractors over whom the guarantors might have little control. This may have discouraged potential guarantors. As a citizen of the state in which the building work was to take place, the potential guarantor may have been keen to facilitate the project going ahead by standing as guarantor for the contractors because of public spiritedness. Yet the possibility of being e posed to significant financial liabilities may have made some guarantors reluctant to put themselves forward. However, the e tent of the guarantor’s potential e posure could be radically affected by the terms of the contract between the contractor and the building authority, and so it is to these features of building contracts that I now turn. Here I refer in particular to those terms of the contract, which applied to payment. If the contract, which the guarantor was guaranteeing, provided for the contractor to be paid only after he had completed the work concerned, rather than in advance, the 22 IG II 3073 ll. 170–176.
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guarantor’s potential liability could be much reduced. The guarantor would not then be responsible for the repayment of any advance payment if the contractor defaulted before completing the work, but only for the penalties resulting from delays or poor work to the e tent that these amounts e ceeded the amount not yet paid for work which had been done. For e ample, a document from Epidauros dated to the third century BC records that a certain Philon had entered into a contract for the construction (or repair) of a starting mechanism for the games in the stadium at Epidauros. Philon defaulted. drachmai.. No doubt in The agonothetes and the hellanodikai imposed a fine of 500 drachmai part payment of the fine, they withheld an amount of 200 drachmai which was due to Philon under this or another contract. The Boula confirmed that the fine was justly imposed. Because he did not pay the fine, Philon and his guarantor now owe not the fine of 500 drachmai but only the balance of 300 drachmai (plus a penalty hemiolion): ):23 for non-payment of half as much again, a hemiolion ¯ž ƒ V°ƒ
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The contractor for the starting mechanism Philon of Corinth owes to the god the fine of five hundred Ale andrian drachmai which Trityllos the agonothetes of the games and the Hellanodikai imposed on him and which the Council judged in his presence had been justly imposed drachmai,, he owes the rest plus half as upon him; after deduction of his pay of two hundred drachmai drachmai,, much again, since he has not paid it in accordance with the law, 450 Ale andrian drachmai also his guarantor Nikon of Corinth the banker.
Guarantors, then, might have preferred contracts, which provided for payment in arrears. Yet the building authority may have been constrained to offer payments in advance in order to attract contractors with the necessary skills to complete the project. In addition, if the contractor was not to be paid in advance but only at the end of the work, this might have pushed up prices, because in the meantime the contractor may have had to pay for materials and pay day rates to his workers. The contractor was also taking the risk of not being paid at all and this may have placed upward pressure on prices as well. The building authorities may have sought to avoid such price increases by agreeing in their contracts to make advance payments to the contractor. Other terms of building contracts could also be important. For e ample, if the community was responsible for the supply of certain materials for the work, then 23 IG I
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1, 98. See further Harter-Uibopuu 2001–2002, 331–334.
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the contractor would not be responsible for any delays in completing the work, which were caused by shortages of such materials nor would he be responsible for the quality of such materials and the potential e posure of the guarantor would be reduced.24 The contractor might also prefer such an arrangement. The building authority thus had to conduct a difficult balancing e ercise to ensure contractors with the necessary skills were attracted to work on the project, but guarantors were not deterred from coming forward, whilst at the same time protecting the interests of the community by ensuring that the project was procured on time and on specification for a price which the community could afford. This balancing e ercise was made all the more difficult by the fact that sometimes the interests of the guarantors would be aligned with those of the building authority and sometimes they would be aligned with those of the contractor. We have evidence of a wide range of contractual terms from various jurisdictions, which shows that this balance might be struck in a number of different ways. I will look briefly at just three of them. In a contract for the construction of a water channel at the sanctuary of Amphiaraos at Oropos dated to between 335 and 322 BC, the price was to be calculated in lengths of four feet at the rate of si drachmai per length (see ll. 35–36). It appears that the contractor was to be paid in advance since he was to complete the work within twenty days of receiving payment (ll. 33–35). Presumably the advance payment would have been based upon an estimate of the length of the channel and there may have been a balancing payment when work had been completed and the actual length constructed was known. The advance payment favoured the contractor. However, if he defaulted before the work was completed he may well have spent the advance payment on labour and materials and would not be able to pay any fine that might be imposed. Thus, the advance payment would increase (possibly significantly) the potential risk of the guarantor being called upon actually to make a payment. To be balanced against this, however, would be the provision in the specification that if there was insufficient stone available from the specified source for that material, the € ƒ… • € •V (the superintendents of the work) would provide the shortfall (ll. 31–33). This too favoured the contractor but it also assisted the guarantor by reducing the possibility of the contractor incurring liability for failing to complete within the stipulated twenty days period because of shortage of these materials. On the other hand, it placed a burden on the building authority officials by giving them responsibility for sourcing additional stone if there was insufficient available from the designated source:25
24 The potential importance of provisions limiting the contractor’s responsibility can be seen from an arbitration award from Kerkyra dating to the end of the second century BC, in which the arbitrators found that a contractor was not liable to the city of Kerkyra for damage caused to a neighbouring building by water running off the building which the contractor had constructed; it seems that the contractor had built the building as per the plan provided to him; the cause of IX 12 4 794 and Thür 2002). 25 IOropos 292 ll. 28–37.
Building contracts and guarantors V k [ ] bw ,p e V V p V , k , p €x • w ‚ p e p e h p V wƒ„ e k e p k „p … e € V e†k ‡ e „f’ ˆV ‚ be „ ‰ ƒ q… e p · qw V F V Š wpek‹ Œk ƒ h V Te e V Te E w e‰V. e
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(•Ž• contractor) •ill us• ston•s ‘rom tŽ• tŽ•atr• o““osit• tŽ• altar, trans“orting tŽ•m to tŽ• •or” Žims•l‘; i‘ tŽ•r• ar• insu‘‘ici•nt, tŽ• su“•rint•nd•nts o‘ tŽ• •or” •ill “rovid• •Žat Ž• is sŽort o‘. H• •ill ta”• on tŽ• •or” in l•ngtŽs o‘ ‘our ‘••t and •ill d•liv•r it com“l•t• •itŽin t••nty days ‘rom •Ž•n Ž• r•c•iv•s “aym•nt. •Ž• contractor PŽrynos living in Alo“•”• •as a•ard•d tŽ• contract at 6 drachmai “•r ‘our ‘••t; Žis guarantor •as ••l•sias son o‘ ••lllias o‘ •uonymon.
–•ry di‘‘•r•nt •as tŽ• contract r•‘l•ct•d in t•o •ntri•s in tŽ• •r•cŽtŽ•ion accounts ‘or 408/407 BC •ŽicŽ also m•ntion tŽ• contractor’s guarantor. •Ž• inscri“tion r•cords t•o “aym•nts mad• in tŽ• si—tŽ and tŽ• •igŽtŽ “rytani•s in 408/407 BC. •Ž• “aym•nt in tŽ• si—tŽ “rytany •as ‘or tŽirty drachmai and tŽat in tŽ• •igŽtŽ “rytany obolos.. BotŽ •ntri•s t•ll us tŽat tŽ• “aym•nt •as •as ‘or ‘orty-‘our drachmai on• obolos calculat•d at tŽ• rat• o‘ ‘iv• oboloi “•r ‘oot. •Žat ‘or tŽ• •igŽtŽ “rytany, Žo••v•r, also says tŽat 113 ‘••t ••r• involv•d. As Cas”•y Žas “oint•d out, at ‘iv• oboloi “•r ‘oot tŽis giv•s a ‘igur• ‘or tŽ• •igŽtŽ “rytany not o‘ tŽ• ‘orty-‘our drachmai on• obolos.. Cas”•y’s •—“laobolos actually “aid ˜ut o‘ nin•ty-‘our drachmai and on• obolos nation is tŽat tŽ• “aym•nt in tŽ• •igŽtŽ “rytany •as tŽ• last “aym•nt o‘ tŽr••. •Ž• drachmai,, tŽ• s•cond (o‘ •ŽicŽ no r•cord ‘irst •as in tŽ• si—tŽ “rytany ‘or tŽirty drachmai Žas surviv•d) must Žav• ˜••n in tŽ• s•v•ntŽ “rytany ‘or t••nty drachmai and tŽ• obolos,, ma”ing a last •as in tŽ• •igŽtŽ “rytany ‘or ‘orty-‘our drachmai and on• obolos total o‘ nin•ty ‘our drachmai and on• obolos ‘or tŽ• •Žol• jo˜ ™ 113 ‘••t at ‘iv• oboloi “•r ‘oot.26 •Žus, “aym•nts ••r• mad• as tŽ• •or” ••nt along and tŽ• ris” tŽat, i‘ tŽ• contractor d•‘ault•d, Žis guarantor migŽt actually Žav• to ma”• a “aym•nt •as r•duc•d:27
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26 Cas”•y 1927, 410 ‘ollo•ing Hill 1910, 293™294. 27 IG I3 476 XIII Col I ll. 46™54 (si—tŽ “rytany) and XIII Col II ll. 270™278 (•igŽtŽ “rytany).
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P•t•r Long •o “aint•rs in •ncaustic, ‘or “ainting tŽ• cymatium on tŽ• inn•r •“istyl•, at ‘iv• oboloi a ‘oot, contractor Dionysodoros living in ••lit•, guarantor, H•ra”l•id•s o‘ Oa 30 drachmai.28 k€
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•o a “aint•r in •ncaustic, ‘or “ainting tŽ• cymatium on tŽ• inn•r •“istyl•, at ‘iv• oboloi a ‘oot, on• Žundr•d and tŽirt••n ‘••t, to tŽ• contractor, Dionysodoros, living in ••lit•, •• gav• in addition to •Žat Ž• Žad r•c•iv•d ˜•‘or•, H•ra”l•id•s o‘ Oa ˜•ing guarantor, 44 drachmai 1 obolos.29
B•caus• “aym•nt •as mad• as tŽ• •or” ••nt along tŽis contract •as l•ss ‘avoura˜l• to tŽ• contractor ˜ut mor• ‘avoura˜l• to tŽ• ˜uilding autŽority and to tŽ• guarantor. •Žis may ˜• a r•‘l•ction o‘ mar”•t conditions in AtŽ•ns at tŽ• tim• o‘ tŽ• construction o‘ tŽ• •r•cŽtŽ•ion as •vid•nc•d in tŽ• accounts, •ŽicŽ sŽo• tŽ• ˜uilding autŽority •nt•ring into a v•ry larg• num˜•r o‘ contracts o‘ Žir• •itŽ individual •or”•rs and s•“arat• contracts ‘or tŽ• su““ly o‘ mat•rials. As Davis o˜s•rv•d, ŸAttica •as ••ll su““li•d •itŽ s”ill•d •or”•rs, tŽ• stat• could Žav• tŽ•m ‘or tŽ• Žiring ¡30. So •itŽ sucŽ a “l•nti‘ul su““ly o‘ s”ill•d la˜our, tŽ• ˜uilding autŽority could dictat• tŽ• contractual t•rms, •ŽicŽ it “r•‘•rr•d. A mor• •v•nly ˜alanc•d “osition can ˜• s••n in a ˜uilding contract ‘rom ind•“•nd•nt D•los ‘or “aving •or” at tŽ• t•m“l• o‘ A“ollo dat•d to 297 BC. •Ž• contract “rovid•d tŽat t•n “•rc•nt o‘ tŽ• contract “ric• •as “aya˜l• only •Ž•n tŽ• •or” •as com“l•t• and a““rov•d. As to tŽ• r•st, Žal‘ (45% o‘ tŽ• total contract “ric•) •as “aya˜l• as soon as tŽ• contractor Žad “rovid•d Žis guarantors, a ¢uart•r (22.5% o‘ tŽ• total contract “ric•) •Ž•n tŽ• •or” •as on• tŽird com“l•t• and a ¢uart•r (22.5% again) •Ž•n tŽ• •or” •as t•o tŽirds com“l•t•. •Ž•s• “aym•nts ••r• ••igŽt•d in ‘avour o‘ tŽ• contractor. £or most o‘ tŽ• jo˜ Ž• •as ˜•ing “aid in advanc•. Only to•ards tŽ• •nd •ould tŽ• ˜alanc• ‘avour tŽ• ˜uilding autŽority and tŽ• guarantors •Ž•n tŽ• valu• o‘ •or” don• •ould •—c••d tŽ• amount tŽ• contractor Žad ˜••n “aid:31 pe
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•ranslation ˜as•d on Hill 1910, 293 and Cas”•y 1927, 383. •ranslation ˜as•d on Hill 1910, 293 and Cas”•y 1927, 395. Davis 1937, 110. I.Délos 502A ll. 12™16, as int•r“r•t•d ˜y Davis 1937, 115 and Witt•n˜urg 1986, 1084™1085.
Building contracts and guarantors
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epistatai,, WŽ•n tŽ• contractor Žas “rovid•d [cr•dit•ortŽy] guarantors, [tŽ• hieropoioi and tŽ• epistatai a‘t•r d•ducting] on• t•ntŽ ‘rom tŽ• •Žol• contract “ric• sŽall “ay on• Žal‘ o‘ tŽ• r•maind•r o‘ tŽ• mon•y to tŽ• contractor; and •Ž•n [t•o tŽirds o‘ tŽ• •or” r•mains, tŽ•y sŽall “ay] on• Žal‘ o‘ [tŽ• (r•maining) Žal‘;] and •Ž•n on• tŽird o‘ tŽ• •or” r•mains, tŽ•y sŽall “ay tŽ• r•st. WŽ•n tŽ• •Žol• o‘ tŽ• •or” Žas ˜••n com“l•t•d and a““rov•d in accordanc• •itŽ [tŽis] contract, i‘ tŽ•y Žav• im“os•d a ‘in• tŽ•y sŽall d•duct (it) ‘rom tŽ• . t•ntŽ •ŽicŽ [•as d•duct•d ‘rom tŽ• “ric•], [and tŽ•y sŽall “ay tŽ• r•maining mon•y] to tŽ• contractor.
•Ž• contract “rovid•d tŽat, i‘ tŽ• contractor ‘ail•d to com“l•t• tŽ• •or”, a ‘in• •as “aya˜l• and tŽ• p could a•ard tŽ• •or” outstanding to anotŽ•r contractor. •Žis m•ant tŽat i‘ tŽ• contractor d•‘ault•d •arly on in tŽ• jo˜ and disa““•ar•d •itŽ tŽ• advanc• “aym•nts, tŽ• guarantors •ould Žav• to “ay tŽ• ˜uilding autŽority tŽ• cost o‘ g•tting anotŽ•r contractor to carry out •or” ‘or •ŽicŽ “aym•nt Žad alr•ady ˜••n mad• to tŽ• d•‘aulting contractor. I‘ Žo••v•r, tŽ• contractor d•‘ault•d only to•ards tŽ• •nd o‘ tŽ• jo˜, tŽ• guarantors migŽt not Žav• to “ay tŽ• ˜uilding autŽority anytŽing, i‘ tŽ• cost o‘ g•tting anotŽ•r contractor •as l•ss tŽan tŽ• t•n “•rc•nt o‘ tŽ• contract “ric• tŽat Žad ˜••n •itŽŽ•ld. I‘ tŽ•r• ••r• ‘in•s to “ay, tŽ• contract s“•ci‘ically stat•d (l. 15) tŽat tŽ• t•n “•rc•nt could ˜• us•d to “ay tŽ•m. •Žis too •ould Žav• ‘avour•d tŽ• guarantors:32
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[™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™™™™™™™™™™™™™™™™™™™™™k ?][ ] f e € k h ªxƒ eŒ , pf fe [€ w ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™. ] [ ]p e € h , x€ w V p V k „pek k [ e fq€ w k ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™. eŒ p x w ] [ ] p … h k ¤V h V« ‚ pw [p w ™ ™ ™ ™ ™ ™ ™.
[ in accordanc• •itŽ tŽ• contract (?)] in ‘our y•ars and si— montŽs; i‘ not, (tŽ• contractor) [sŽall “ay] a ‘in• . [I‘] Ž• [‘ails to] com“l•t•, tŽ• epistatai may l•t out a contract ‘or tŽ• r•[maining •or” and . ] tŽ• epistatai [sŽall r•cov•r] ‘rom tŽ• contractor and tŽ• guarantors in •Žat•v•r •ay tŽ•y [d•cid•] .
•Ž• contract “rovid•s a ‘urtŽ•r •—am“l• o‘ tŽ• •ay in •ŽicŽ tŽ• t•rms o‘ tŽ• contract tŽ• guarantor •as guarant••ing could “rovid• som• “rot•ction to tŽ• guarantor. •Žus altŽougŽ a ‘in• could ˜• im“os•d ‘or d•lays in com“l•ting tŽ• •or”,33 “roc•dur•s tŽat a““li•d at tŽ• •nd o‘ tŽ• jo˜ “rovid•d som• com‘ort to tŽ• guarantor tŽat com“l•tion •ould not ˜• Ž•ld u“ ˜y d•lays ˜y o‘‘icials in a““roving tŽ• •or”, ˜•caus• Ž•r• tŽ• contract “rovid•d tŽat •Ž•n tŽ• •or” •as com“l•t•, tŽ• contractor •as to announc• tŽis to tŽ• p and tŽ• arcŽit•ct. •Ž•y tŽ•n Žad t•n days to carry out tŽ•ir a““roval “roc•ss, ˜ut i‘ tŽ•y ‘ail•d to d•clar• tŽ•ir a““roval (or, “r•suma˜ly, disa““roval) •itŽin tŽat “•riod, tŽ• •or” •ould ˜• d••m•d to ˜• com“l•t• 32 I.Délos 502A ll. 2™5. 33 S•• l. 3 a˜ov•.
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P•t•r Long
and tŽ• ‘inal “aym•nt •ould ˜• “aya˜l• to tŽ• contractor. •Žis •ould Žav• “rovid•d r•assuranc• to tŽ• contractor and to Žis guarantor:34
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WŽ•n tŽ• •or” Žas ˜••n com“l•t•d, tŽ• contractor sŽall announc• tŽis to [tŽ• epistatai and] tŽ• arcŽit•ct; ‘rom tŽ• day on •ŽicŽ Ž• announc•s it, tŽ• epistatai and tŽ• arcŽit•ct sŽall d•clar• tŽ•ir ins“•ction •itŽin t•n days; i‘ tŽ•y do not [ins“•ct (tŽ• •or”s) •itŽin t•n days] tŽ• •or”s sŽall ˜• acc•“ta˜l• and tŽ•y sŽall “ay tŽ• on• t•ntŽ to tŽ• contractor.
On• “articular advantag• ‘rom tŽ• guarantor’s “oint o‘ vi•• o‘ tŽ• contract “ric• ˜•ing “aid •Žolly or “artly in arr•ars •as tŽat i‘ tŽ• contractor did d•‘ault ˜•‘or• com“l•ting Žis •or”, tŽ• guarantor could st•“ in and do tŽ• •or” Žims•l‘ (or arrang• ‘or otŽ•rs to do so) and tŽ•n r•c•iv• a “aym•nt ‘or tŽat •or” Žims•l‘. W• hieropoioi.. Žav• •—am“l•s o‘ tŽis ‘rom tŽ• accounts o‘ tŽ• D•lian hieropoioi £or •—am“l•, accounts dat•d to 279 BC r•cord tŽat tŽ• guarantors o‘ a ˜uilding contract Žav• com“l•t•d tŽ• •or” in accordanc• •itŽ tŽ• contract and tŽat “aym•nt o‘ on• t•ntŽ Žas ˜••n mad• to tŽ•m:35 80
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On ˜•Žal‘ o‘ •Ž•o“Žilos, •Žo contract•d to carry out tiling •or” ‘or tŽ• t•m“l• o‘ Art•mis •• “aid 135 drachmai to Žis guarantors Sosim•n•s and •im•sid•mos •Žo com“l•t•d tŽ• •or” in accordanc• •itŽ tŽ• contract.
PartscŽ comm•nt•d tŽat it •as li”•ly tŽat tŽ• “aym•nt •as mad• to tŽ• guarantors ˜•caus• tŽ•y ••r• also tŽ• contractor’s ˜usin•ss “artn•rs.36 Ho••v•r, it s••ms mor• li”•ly tŽat, as £•y•l Žas argu•d, tŽ• contractor’s guarantors ••r• r•c•iving tŽ• last instalm•nt o‘ tŽ• contract “ric• ˜•caus• tŽ•y Žad com“l•t•d tŽ• •or” on ˜•Žal‘ o‘ tŽ• contractor.37 •Žis •ntry in tŽ• D•lian accounts sŽo•s tŽ• im“ortanc• o‘ “aym•nt t•rms to tŽ• guarantors. B•caus• “aym•nts ••r• to ˜• mad• to tŽ• contractor in arr•ars, tŽis gav• tŽ• guarantor tŽ• o““ortunity, i‘ tŽ• contractor d•‘ault•d, to salvag• som•tŽing ‘rom tŽ• situation and y•t to r•cov•r “art or •v•n tŽ• •Žol• o‘ tŽ• cost o‘ doing so ˜y carrying out tŽ• r•maining •or” Žims•l‘ and tŽ•n claiming “aym•nt ‘or it ‘rom
34 35 36 37
I.Délos 502A ll. 19™21. IG XI, 2 161A ll. 80™81. PartscŽ 1909, 171. £•y•l 2006, 466, •Ž•r• Ž• also giv•s •—am“l•s o‘ otŽ•r “aym•nts mad• dir•ctly to guarantors r•cord•d in tŽ• accounts o‘ tŽ• hieropoioi XI, 2 165 ll. 1™ XI, 2 199A ll. 99™100).
Building contracts and guarantors
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tŽ• ˜uilding autŽority.38 Had mon•y not ˜••n r•tain•d until tŽ• •or” •as com“l•t•d, tŽ• guarantors •ould ˜• carrying out tŽ• •or” at tŽ•ir o•n •—“•ns• and •itŽout any “aym•nt ‘rom tŽ• god. •Ž• •—t•nt to •ŽicŽ tŽ• guarantors tŽ•ms•lv•s may Žav• ˜••n a˜l• to in‘lu•nc• tŽ• dra‘ting o‘ tŽ• contracts •Ž•s• ar• just tŽr•• •—am“l•s o‘ many, •ŽicŽ illustrat• tŽ• di‘‘•r•nc•s in tŽ• d•tail•d t•rms o‘ tŽ• contracts •nt•r•d into in conn•ction •itŽ “u˜lic and sacr•d ˜uilding “roj•cts.39 AltŽougŽ tŽ• issu•s addr•ss•d in tŽ• various contracts ••r• ˜roadly tŽ• sam•, tŽ• •ay in •ŽicŽ tŽos• issu•s ••r• r•solv•d di‘‘•r•d in d•tail ˜•t•••n on• contract and anotŽ•r. •Ž• many variations in d•tail•d t•rms (som• o‘ tŽ•m ‘rom tŽ• sam• city stat•40) sugg•st tŽat tŽ• t•rms may o‘t•n Žav• ˜••n tŽ• su˜j•ct o‘ n•gotiation ˜•t•••n contractors and o‘‘icials. W• can “•rŽa“s s•• •vid•nc• tŽat tŽ• d•tail•d t•rms o‘ a contract may Žav• ˜••n n•gotiat•d in a contract ‘rom D•los 507). •Žis contain•d a “rovision a˜out tŽ• tim• (calculat•d in montŽs) tŽat tŽ• contractor •as allo••d to com“l•t• tŽ• •or” counting ‘rom tŽ• dat• •Ž•n Ž• r•c•iv•d Žis ‘irst “aym•nt und•r tŽ• contract. Ho••v•r tŽ•r• is a ga“ in tŽ• t•—t •Ž•r• tŽ• num˜•r o‘ montŽs sŽould Žav• ˜••n giv•n (ll. 19™20):
38 •—•cution o‘ •or” ˜y a guarantor ‘ollo•ing contractor d•‘ault may also •—“lain •ntri•s in ˜uilding accounts ‘rom •“idauros r•cording “aym•nts mad• dir•ctly to guarantors: IG I–2 1, 106A ll. 19™21 and 59™63; IG I–2 1, 109 ˜ac” ‘ac• ll. 134™138 and 155™156, l•‘t ‘ac• ll. 120™127; P••” 1972, No. 19 B ll. 21™23, C ll. 21™22; SEG 15.207 ll. 127™128 (on n•• r•adings s•• Prignitz in tŽis volum•). PartscŽ 1909, 286 argu•d tŽat tŽ• contractor Ž•r• Žad agr••d tŽat tŽ• ˜uilding autŽority sŽould ma”• “aym•nt to Žis guarantor ratŽ•r tŽan to Žim to “rovid• tŽ• guarantor •itŽ a ‘und ‘rom •ŽicŽ “ossi˜l• d•mands u“on Žis guarant•• could ˜• “aid, sŽould tŽ• contractor d•‘ault and ‘in•s or “•nalti•s ˜• im“os•d. •Žis is c•rtainly “ossi˜l•. •ŽougŽ it can ˜• o˜j•ct•d tŽat i‘ tŽis ••r• tŽ• cas•, tŽ• contractor •ould ˜• starv•d o‘ ŸcasŽ ‘lo•¡ •ŽicŽ Ž• n••d•d to “urcŽas• mat•rials and to “ay tŽos• •or”•rs •Žo ••r• •or”ing •itŽ Žim. Unl•ss tŽ• contractor Žad otŽ•r sourc•s o‘ ‘inanc•, tŽ•r•‘or• it is Žard to und•rstand •Žy Ž• •ould Žav• agr••d tŽat tŽ• “aym•nts sŽould ˜• mad• to Žis guarantor ratŽ•r tŽan to Žim. I‘, Žo••v•r, tŽ• contractor did Žav• otŽ•r sourc•s o‘ ‘inanc•, tŽ•r• •as no r•ason •Žy Ž• sŽould Žav• to agr•• •itŽ Žis guarantor tŽat tŽ• “aym•nts sŽould ˜• “aid to tŽ• guarantor in ord•r to ˜uild u“ a Ÿconting•ncy¡ ‘und. 39 As ••ll as tŽ• docum•nts alr•ady discuss•d, tŽ• ‘ollo•ing docum•nts •vid•nc• “aym•nt and otŽ•r t•rms o‘ ˜uilding contracts a‘‘•cting tŽ• ris”s ta”•n on ˜y tŽ• guarantors r•‘•rr•d to in tŽ•m: D•los und•r AtŽ•nian control: I.Délos 104(4) £ragm•nt a £ac• A ll. 8™10 and 15™32; Oro“os und•r AtŽ•nian control: IOropos 290 ll. 71™77; ind•“•nd•nt D•los: IG XI 2, 161A ll. 44™49 •itŽ I.Délos 504B ll. 6™12 (s•• Holland ™ Davis 1934, 71™72); I.Délos 507 ll. 20™31 (“aym•nt t•rms tŽ• sam• as in I.Délos 104(4)); Boiotia: IG –II 3073 ll. 15™19, 19™21, 22™24, 29™40, 40™41, 45™47, 47™62, 64™67. S•• Long 2016, 180™186 ‘or a discussion o‘ tŽ•s• contracts (otŽ•r tŽan IOropos 290). 40 As •vid•nc•d, in “articular, on ind•“•nd•nt D•los. S•• ‘ootnot• 39 a˜ov•.
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Building contracts and guarantors
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P•t•r Long
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RECHT UND PRAXIS – BAUVERTRÄGE AUS DER SICHT VON BAUFORSCHUNG UND ARCHÄOLOGIE1 Ursula Quatember Über die antike Rechtsgeschichte hinaus haben Untersuchungen und Erkenntnisse zum Thema „Bau und Recht” in der Antike auch unmittelbare Auswirkung auf die Nachbardisziplinen. Dazu zählt nicht zuletzt der Bereich der antiken Architekturgeschichte und der Bauforschung. Im Folgenden sollen Fragestellungen aus dem Bereich der antiken Architektur dargestellt werden, zu deren Beantwortung rechtshistorische Quellen einen wichtigen Beitrag leisten. „Archäologische Bauforschung” als Spezialdisziplin, die an Technischen Universitäten im Rahmen der Architektenausbildung angesiedelt ist, ist eine Besonderheit der deutschen Forschungslandschaft, zu deren Gründervätern Robert Koldewey und Wilhelm Dörpfeld zählen.2 Im Mittelpunkt steht dabei das Bauwerk selbst als Quelle für die Rekonstruktion antiker Architektur- und Lebenswelten, aber auch technische Aspekte sowie Fragen des Bauvorgangs und der -organisation. Zum Bauablauf lassen sich viele Informationen am jeweiligen Gebäude selbst ablesen. Bei kleinteiligem Mauerwerk zählen dazu beispielsweise Baufugen (Abb. 1), anhand derer sich Anbauten ebenso nachvollziehen lassen wie das Zusetzen von Türen oder Fenstern oder unterschiedliche Bauabschnitte und Tagwerke. Aus großformatigen Architekturgliedern errichtete Werksteinbauten liefern noch weitergehende Erkenntnismöglichkeiten. An Stemmlöchern in Blöcken lässt sich die Verlegerichtung der darüber liegenden Steinschicht ablesen, da diese v-förmigen Einkerbungen zu jener Seite hin abflachen, an welcher der Hebel zum Zurechtrücken angesetzt werden muss (Abb. 2).3 Ebenso erlauben Versatzmarken in den Architekturgliedern Rückschlüsse auf die Organisation und den Ablauf des Bauvorgangs.4 In manchen Fällen ist die zeitliche Abfolge bei der Errichtung eines Gebäudes dennoch bis heute unklar; dies betrifft insbesondere den Ablauf größerer Abschnitte, die nicht miteinander verbunden sind. Als Beispiel für derartige Fragestellungen kann der Tempel von Segesta (Abb. 3) im westlichen Sizilien dienen, einem Zentrum der den Griechen und Puniern benachbarten Elymer.5 Von dem um die 1
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Für die Einladung, an der Tagung teilzunehmen, sowie für Diskussionen und Hinweise sei Kaja Harter-Uibopuu und Thomas Kruse herzlich gedankt. Darüber hinaus gilt mein Dank Veronika Scheibelreiter-Gail und Hilke Thür sowie besonders Sebastian Prignitz für zahlreiche Diskussionen zum Thema. Zu einem Überblick über das Fach und die Geschichte der archäologischen Bauforschung s. Gruben 2000. Zur Definition s. auch von Gerkan 1959. Müller-Wiener 1988, 79. Abb. 38. S. dazu die umfangreiche Studie bei Weber 2013. Zusammenfassend: Mertens 2006, 406–416; s. auch Gruben 2001, 337–340.
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Mitte des 5. Jh.s v. Chr. errichteten Tempel ist der gesamte Säulenkranz der Peristasis erhalten.6 Reste einer Cella sind hingegen nicht erkennbar, was angesichts des guten Erhaltungszustandes der Peristasis verwundert und u. a. sogar zu der Theorie führte, es habe sich um die Einfriedung eines offenen Kultplatzes gehandelt, und eine Cella sei nie geplant gewesen.7 Durch Sondagen im Inneren des Gebäudes erwiesen Abarbeitungen des anstehenden Felsens für die Errichtung der Wände8 eindeutig die Planung und den Baubeginn einer Cella. Ebenso konnte D. Mertens einige wenige erhaltene Fragmente von Quadern im Umfeld des Tempels identifizieren.9 Diese Cella war aber wohl erst ein paar Steinlagen weit gediehen, als die Punier Segesta eroberten und die Baustelle zum Erliegen kam. Durch Streinraub wurden in weiterer Folge alle oberirdisch sichtbaren Hinweise endgültig getilgt. Aus bauforscherischer Sicht ist das völlige Verschwinden der einstigen Cellareste durch Steinraub wenig verwunderlich, sondern stellt vielmehr einen durchaus üblichen Vorgang dar. Vielmehr erstaunt die Tatsache, dass die Cella offenbar noch nicht fertig gestellt war, als die Peristasis schon aufrecht stand, denn es bedarf eines hohen technischen und logistischen Aufwandes, um Quader von 1,20 m Länge und 70 cm Breite für die Errichtung der Cella durch die 2,30 bis 2,40 m breiten Interkolumnien der Peristasis zu schaffen.10 Obwohl die Kannelur der Säulen noch nicht ausgearbeitet war, bestand trotzdem die Gefahr von Beschädigungen der bereits errichteten Bausubstanz. Was die Elymer zu dieser Vorgangsweise bewogen hat, ist schwerlich zu eruieren. Es stellt sich jedoch die Frage nach dem Bauablauf an anderen Tempelbauten. Hierzu bieten die von S. Prignitz aufgearbeiteten Bauurkunden aus dem Heiligtum des Askelepiostempel in Epidauros eine wertvolle Quelle.11 Es handelt sich um die Abrechnungen zur Errichtung des Asklepiostempels und der Tholos. Beim Bau des Tempel für Asklepios (Abb. 4)12 scheint sich die seltsame Vorgangsweise der Elymer in Segesta auf den ersten Blick zu wiederholen: Die Fundamentierung erfolgte wie üblich nicht flächig, sondern getrennt für den Säulenkranz und die Cellamauern. Die Abrechnung zeigt, dass man zunächst die Fundamente der Peristasis errichtete und im zweiten Jahr bereits fertigstellte, bevor der Bau der Ringhalle selbst begann, die auf diesem Unterbau zu stehen kam. Die Fundamente der Cella hingegen wurden erst im zweiten Jahr begonnen und am Anfang des dritten Jahres vollendet.13 Die genaue Analyse der Abrechnung zeigt, dass das Vorgehen logistisch gut abgestimmt war: Im ersten Jahr des Tempelbauprojektes wurden parallel zur Er-
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Zum Tempel s. die ausführliche monographische Vorlage von Mertens 1984. Mertens 1984, 3; Mertens 2006, 410, jeweils mit Literaturverweisen. Mertens 1984, 5–14. Mertens 1984, 9 Abb. 3. Maßangaben nach den Plänen bei Mertens 1984 (gerundet). Prignitz 2014. Zum Heiligtum allgemein s. Gruben 2001, 143–153. Zu Epidauros siehe auch Prignitz in diesem Band. 12 Roux 1961, 83–130; vgl. die Baubeschreibung bei Prignitz 2014, 8 f. 13 Prignitz 2014, bes. 66 f.
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richtung der Fundamente auf der Baustelle im Steinbruch die Blöcke für die Peristasis gebrochen. Dadurch konnte man im zweiten Jahr nach der Fertigstellung der Fundamente mit ihrem Bau beginnen. Parallel dazu wurden wiederum die Quader für die Cella im Steinbruch gebrochen und nach Epidauros geschafft. Es gab also einen kontinuierlichen Nachschub aus dem Steinbruch, so dass weder der Transport noch die Arbeit auf der Baustelle je unterbrochen werden mussten. Warum die Errichtung der Peristasis vor der Cella begonnen wurde, wird bei einem Seitenblick auf den Aufbau eines griechischen Tempels klar (Abb. 5): Mit Säulen, Kapitellen, einem zweiteiligen Architrav, sowie Metopen-Triglyphen-Fries und Geison besitzt die Ringhalle einen wesentlich komplexeren Aufbau, der auch einen höheren Zeitaufwand als die Errichtung der Cella benötigt. Während man also an der Peristasis baute, blieb diese an einer Seite wohl offen, so dass man Material in das Gebäudeinnere transportieren konnte und schließlich der gesamte Tempel nahezu gleichzeitig fertiggestellt war. Dies zeigt, dass der Ablauf der Bauausführung bis ins Detail durchkonzipiert war. So sollte fehlende Anlieferung nicht zu einem Mangel an Material und einer Verzögerung des Baufortschritts führen. Ebenso wollte man aber auch verhindern, dass sich die Arbeiten an Peristasis und Cella gegenseitig behinderten. Zunächst die Cella zu errichten und erst nach ihrer Vollendung mit dem Bau der Peristasis zu beginnen, hätte wiederum die Fertigstellung unnötig verzögert. Eine logistisch genau abgestimmte Planung aller Teile des Tempels trit uns in Form der Bauabrechnung entgegen, die aus diesem Grund eine wertvolle Quelle zum antiken Tempelbau darstellt. Die Bauabrechnung zur Tholos von Epidauros (Abb. 6–7) belegt hingegen interessanterweise eine andere Bauabfolge:14 Den Urkunden zufolge kam es zu einer Strafzahlung für die nicht erfolgte Fertigstellung der Peristasis.15 Zu diesem Zeitpunkt wurden allerdings laut Abrechnung die Orthostaten als unterste Bestandteile der Cellamauer aus dem Steinbruch in das Heiligtum transportiert, was bedeutet, dass mit deren Bau noch nicht begonnen worden war. Die Strafzahlung für die unfertige äußere Ringhalle kommt jedoch im folgenden Jahr nicht mehr vor, was sich nach S. Prignitz nur damit erklären lässt, dass die Peristasis zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellt war.16 Die Strafzahlung für die Peristasis zeigt somit deutlich, dass der Bauablauf so geplant und im Vorfeld vertraglich festgelegt war. Dies ist in Hinblick auf die oben geäußerten Überlegungen zur Effizienzsteigerung des Bauablaufes erstaunlich. Im konkreten Fall der Tholos müssen offenbar die Vorteile überwogen haben, zuerst den äußeren Säulenring fertigzustellen und danach die Cella der Tholos zu errichten. Denkbar wäre meiner Meinung nach etwa, dass bei dem runden Bau die Konstruktion vom Mittelpunkt aus erfolgte und beispielsweise Kontrollmaße an der Peristasis genommen werden sollten, die durch die frühere Fertigstellung der Cellamauern behindert worden wären. Ebenso wäre 14 Prignitz 2014, 221 f. mit einer Tabelle zur Baugeschichte der Tholos. 15 IG IV2 103, Z. 181; vgl. die Neulesung und Übersetzung bei Prignitz 2014, 90; 95; und siehe Beitrag von S. Prignitz in diesem Band. 16 Prignitz 2014, 112 (Kommentar zu Z. 181).
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Ursula Quatember
es möglich, dass für die Hebevorrichtungen der Cellasteine Ringhalle und Gebälk benutzt wurden (Abb. 8). Dies harrt jedoch der weiteren Forschung und ließe sich möglicherweise durch eine Untersuchung der Bauglieder erschließen.17 Die größte Gefahr bei einem so organisierten Bauablauf ist, wie am Beispiel von Segesta bereits angesprochen, die mögliche Beschädigung der bereits fertiggestellten äußeren Teile durch den Transport der Cellaquader in den Innenbereich. Auch dies könnte sich eventuell in der Bauabrechnung widerspiegeln: So findet sich im Jahr 18 die Angabe einer Holzverschalung, die von Deinon vorgenommen wurde.18 Dieser war in anderen Fällen für den Steintransport verantwortlich und könnte an dieser Stelle eine Schutzmaßnahme für die Säulen während der Beförderung von Cellaquadern in Rechnung gestellt haben. Auch durch Schutzmaßnahmen ließen sich Beschädigungen während des Bauvorgangs nicht immer vermeiden. In diesem Zusammenhang stellt die Vergabeordnung von Tegea eine interessante Quelle dar, da in § 6 und § 7 Bestimmungen für den Fall einer Beschädigung an einem bereits vorhandenen Werk genannt werden.19 Der durchführende Unternehmer ist dazu verpflichtet, das Beschädigte auf eigene Kosten und in derselben Qualität wiederherzustellen, bevor sein eigenes Baulos abgeschlossen ist; ansonsten drohen Strafzahlungen. Ähnliche Regelungen finden sich auch in Lebadeia, wobei dort noch weiter differenziert wird:20 Der Auftragnehmer haftet ebenso für die Beschädigung bereits existierender Objekte wie für Blöcke, die er während der Arbeit – etwa auch während des Versatzes – beschädigt. Er muss sie nicht nur auf eigene Kosten durch unversehrte Exemplare ersetzen, sondern auch die beschädigten Blöcke aus dem Heiligtum entfernen. Gleichzeitig zieht der Text auch in Betracht, dass ein Stein von Natur aus Beschädigungen bzw. Unreinheiten wie Sprünge oder Fehlstellen haben könne. In diesen Fällen wird der Auftragnehmer nicht bestraft. Die Notwendigkeit für derartige rechtliche Bestimmungen zeigt sich deutlich bei einem Blick auf die erhaltenen Monumente: Beispiele für Reparaturen an beschädigten Steinblöcken finden sich bei der Untersuchung antiker Bauten ebenso häufig wie für – nach Möglichkeit an unsichtbarer Stelle verbauter – Fehler im Steinmaterial (Abb. 9).21 Ein weiterer Themenbereich, in dem die Baupraxis eng mit dem Recht zusammenhängt, ist die Finanzierung öffentlicher Bauvorvorhaben. Konkret lässt sich dies am
17 Eine entsprechende Untersuchung steht bislang leider aus. Zur Architektur der Tholos s. Roux 1961, 131–200; vgl. die Baubeschreibung bei Prignitz 2014, 10–15. 18 IG IV2 103, Z. 262; vgl. die Neulesung und Übersetzung bei Prignitz 2014, 92; 98. 19 Vgl. dazu den Beitrag von G. Thür in diesem Band; s. dazu auch Prignitz 2018, bes. 41. 20 IG VII 3073, Z. 29–41; IG VII 3074, Z. 20. s. dazu Pitt 2014, bes. 383–385 mit Übersetzung. 21 Zu Beispielen antiker „Restaurierungen” s. Ismaelli 2013. Neben Reparaturen in Folge einer Beschädigung des fertigen Gebäudes dürfte es sich in manchen Fällen auch um Maßnahmen zur Behebung eines Bauschadens handeln.
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Beispiel von Phänomenen der Unfertigkeit antiker Bauten erläutern.22 Bei der bauforscherischen Untersuchung zeigen sich mit gewisser Regelmäßigkeit Anzeichen für die Abweichung vom ursprünglichen Ziel der Fertigstellung, so beispielsweise in Bosse belassene Architekturdekoration oder nicht fertig ausgearbeitete Kanneluren. Zum einen existieren Deutungen, die in manchen Phänomenen eine „gewollte” Unfertigkeit als Stilelement sehen.23 Zum anderen wird immer wieder die Begründung darin gesucht, dass die Arbeiten an einem bestimmten Punkt einfach abgebrochen worden wären. Neben kriegerischen Ereignissen werden als mögliche Ursachen des Öfteren der Tod des Auftraggebers sowie Geldmangel angeführt. In bestimmten Fällen haben derartige Erklärungsmodelle sicherlich ihre Berechtigung: So war etwa bei Grabbauten der Tod des Auftraggebers ein möglicher Zeitpunkt, ab dem die detaillierte Ausarbeitung eines in Bau befindlichen Monuments unterblieb.24 Auch bei längerfristig angelegten Projekten wie etwa großen Tempelbauten war es nicht möglich, die gesamte Finanzierung von Beginn an zu planen. Deshalb ist es in derartigen Fällen nicht unwahrscheinlich, dass es zu finanziellen Engpässen kam und die Arbeiten später an anderer Stelle oder gar nicht mehr aufgenommen wurden.25 Wie die antiken Rechtstexte zeigen, kann dies jedoch für den Großteil der öffentlichen Gebäude nicht zutreffen, die in der römischen Kaiserzeit von den städtischen Eliten errichtet wurden. Bauvorhaben wurden in vielen Fällen entweder für die Übernahme eines Amtes oder auch aus Eigeninitiative eines Wohltäters initiiert, wobei der Schenker bzw. Stifter mit dem öffentlichen Versprechen und seiner Hinterlegung bei der Stadt eine Verpflichtung einging.26 Ab Baubeginn – sei es durch von ihm veranlasste Arbeiten bzw. auch dann, wenn dies von Seiten der Stadt auf Grund eines Geldversprechens erfolgte – waren sowohl der Wohltäter als auch seine Erben für die Vollendung verantwortlich.27 Als Beispiel für die Fertigstellung eines Gebäudes durch die Erben sei die sogenannten Celsus-Bibliothek aus Ephesos (Abb. 10) angeführt: Das Gebäude wurde in spättraianischer Zeit als Grabmal für Ti. Iulius Celsus Polemaeanus im Zentrum von Ephesos errichtet.28 Die Bibliothek besaß eine zweigeschossige Prunkfassade; unter der Apsis im Inneren liegt auf einem tieferen Niveau eine Grabkammer mit einem Sarkophag, der die sterblichen Überreste des Celsus beinhaltete. Bauherr der 22 Ein am Architekturreferat des Deutschen Archäologischen Instituts im September 2016 von Ulrike Wulf-Rheidt und Birte Geißler organisierter Workshop lieferte wertvolle Anregungen für die folgenden Ausführungen. 23 So wurde etwa in der Porta Maggiore und anderen Monumenten claudischer Zeit ein gewollter „Bossenstil” erkannt, s. dazu Lugli 1957, 330 f.; ähnlich auch Kleiner 1985, 59. 24 Ein bekanntes Beispiel ist etwa das Mausoleum von Belevi, bei dem die Ornamentik in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung erhalten ist. S. dazu Müller-Wiener 1988, 93 f. Abb. 48; zu Belevi zuletzt Heinz 2017 mit zahlreichen Informationen zu unfertigen Elementen des Gebäudes. 25 Rumscheid 1994, bes. 19–42 zu Tempelbauten. 26 Quass 1993, 211 f.; 373 f.; Harter-Uibopuu 2015. 27 Zusammenfassend: Wesch-Klein 1989, 180 f.; 184 mit Quellenangaben. 28 Zum Gebäude s. Wilberg u. a. 1953; s. auch Hueber 1984; Hueber 1989; zuletzt Strocka 2009.
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Bibliothek war sein Sohn Ti. Iulius Aquila Polemaeanus, der nach dem Tod seines Vaters (vermutlich vor 114 n. Chr.) die Bibliothek erbaute.29 Auch Aquila selbst erlebte die Fertigstellung nicht, sondern verstarb, so dass schließlich Ti. Claudius Aristion, ein prominenter Ephesier, der mit der Familie möglicherweise auch verwandtschaftlich verbunden war, den Abschluss der Arbeiten beaufsichtigte. Informationen zu diesem Vorgang sind einer Inschrift zu entnehmen, die an der Fassade im Bereich des südlichsten Tabernakels im Untergeschoss über einer Nische angebracht war (Abb. 11): IvE 5113 1
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Für Tiberius Iulius Celsus Polemaeanus, Consul und Proconsul Asiae. Tiberius Iulius Aquila Polemaeanus, Consul, sein Sohn, errichtete die Celsus-Bibliothek aus eigenen Mitteln mit allem Schmuck, Weihgaben und Büchern. Er hinterließ zudem für ihre Instandhaltung und den Erwerb von Büchern 25.000 Denare, von denen 2000 Denare in diesem Jahr entnommen wurden, so dass an Kapital 23.000 Denare verbleiben. Von deren jährlich erwachsenden Zinsen wird die Bibliothek instand gehalten und die dort Angestellten empfangen [? Denare], die ihnen am Geburtstag des Celsus jedes Jahr zur Verfügung ausgezahlt werden (jedes Jahr), für immer. In gleicher Weise sollen nach dem Testament des Aquila jedes Jahr neue Bücher erworben werden. Und auch seine [sc. des Celsus] Statuen sollen jedes Jahr dreimal bekränzt werden. Auch alle anderen Statuen sollen am (Geburtstags?]fest des Celsus jedes Jahr geschmückt werden. Nachdem von denselben Erben mit den entnommenen 2000 Denaren die Bibliothek fertiggestellt worden war, wurde die Bibliothek am (Geburtstags?)fest des Celsus eingeweiht, sodass am 17. des Monats ° von den Geldern ° den aufgelisteten ° ihnen nach dem Wortlaut 29 Zu Ti. Iulius Celsus Polemaeanus und seinem Sohn Aquila sowie der zeitlichen Einordnung der Bibliothek s. Strocka 1978.
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des Testaments keine Klagen oder Anschuldigungen oder Kosten entstehen können, denn die Erben das Aquila haben das Werk vollständig fertiggestellt. Für die Durchführung sorgte nach dem Testament Tiberius Claudius Aristion, dreimaliger Asiarch. (Übers. K. Harter-Uibopuu – Ph. Egetenmeier)
Am Ende des Textes wird mit Nachdruck festgestellt, dass das Bauwerk durch die Erben Aquilas vollendet worden ist und man deshalb keine weiteren Forderungen an sie richten könne. Der erwähnten Fertigstellung entspricht auch der Baubefund: Soweit es sich am erhaltenen Bestand ablesen lässt, war das Gebäude fertiggestellt. Anzeichen für Unfertigkeit existieren nicht, auch die Tabernakelfassade war bis in die Einzelheiten ihrer qualitativ hochwertigen Bauornamentik ausgearbeitet. Das Beispiel der Celsus-Bibliothek zeigt die Bedeutung der rechtlichen Bestimmungen: Es war den Städten unter allen Umständen daran gelegen, das Entstehen von Bauruinen durch mangelnde Finanzierung oder den Tod des Auftraggebers zu vermeiden, da diese das Stadtbild verunziert bzw. mit ihrer Fertigstellung der Stadt eine hohe finanzielle Belastung beschert hätten. Aus diesem Grund ist bei der Bewertung von „Unfertigkeit” an antiken Bauten Vorsicht geboten, wenn es um eine Deutung als „mangelnde Finanzierung” geht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich aus den Rechtstexten Informationen zum Bauvorgang herausfiltern lassen, welche die mit den Methoden der Bauforschung aus den Monumenten selbst gewonnene Kenntnisse wesentlich erweitern. Gleichzeitig zeigt sich, dass in der Praxis entstehende Problemfälle wie etwa Bauschäden, aber auch Finanzierungsfragen, einen Niederschlag in entsprechenden rechtlichen Bestimmungen finden. Aus diesem Grund wäre eine engere Zusammenarbeit von antiker Rechtsgeschichte und Bauforschung zur Erforschung derartiger Phänomene sicherlich lohnenswert.
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Abbildungen
Abb. 1: Baufuge zwischen den Resten von Neros Domus Aurea (links) und den Fundamenten der später an ihrer Stelle errichteten Traiansthermen (rechts), Rom (Foto: Ursula Quatember).
Abb. 2: Versetzen von großen Steinblöcken. Die Hebel werden in sog. Stemmlöchern angesetzt (Müller-Wiener 1988, Abb. 38).
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Abb. 3: Der Tempel von Segesta (Mertens 1984, Beil. 3).
Abb. 4: Der Asklepios-Tempel von Epidauros (Tomlinson 1983, Abb. 9 und 10).
Abb. 5: Schema der dorischen Ordnung (Schollmeyer 2013, Abb. 49).
Abb. 6: Die Tholos von Epidauros(oben: Tomlinson 1963, Abb. 12; unten: Roux 1961, Taf. 38).
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Abb. 8: Wiederaufbau der Tholos von Epidauros (2014) mit modernen Hebevorrichtungen (Foto: Ursula Quatember).
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Abb. 7: Schnitt durch die Tholos mit äußerer dorischer Ordnung (links), Cellamauern und innerer korinthischer Ordnung (rechts) (Roux 1961, Abb. 31).
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Abb. 9: Reparierter Architrav vom Bühnengebäude des Bouleuterions von Aphrodisias mit Ersatzstück (links) und für dessen Anbringung zugerichteter Fehlstelle (rechts) (Aphrodisias Excavations, links: Lionel Bier; rechts: Andrew Leung).
Abb. 10: Die Celsus-Bibliothek in Ephesos (Foto: Ursula Quatember).
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Abb. 11: Die Stiftungsinschrift auf der Fassadenrückwand im südlichen Interkolumnium (Foto: Ursula Quatember).
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SENATVS CONSVLTO PECVNIA PVBLICA FACIENDVM CVRAVIT STRUKTUR UND ORGANISATION STAATLICH-STÄDTISCHEN BAUENS IN DER KAISERZEIT Werner Eck Henner v. Hesberg freundschaftlich verbunden zum 24. 12. 2017
Das Imperium Romanum war groß. Europa, Nordafrika und der Nahe Osten waren über Jahrhunderte hinweg in einer alles dominierenden politischen Einheit zusammengeschlossen. Seit dem 5 Jahrhundert n.Chr. hat es das nie mehr gegeben. Das Imperium Romanum war eine politisch-kulturelle Ausnahmeerscheinung, der jedenfalls in Europa nichts gleichgekommen ist. Diese seine Welt hat Rom in vielfältiger Weise und mit großer Nachhaltigkeit gestaltet und gestalten lassen, etwa durch seine eigene, aber auch durch die griechische Sprache, durch das Recht, durch seine, aufs Ganze gesehen, große kulturelle Toleranz. Die Größe der Welt Roms ist auch überall unmittelbar sichtbar geworden, in einer Weise, dass sie uns selbst heute noch an zahlreichen Orten entgegentritt, in den Regionen des Mittelmeerraumes und in den angrenzenden Ländern bis nach Marokko an der Atlantikküste, bis nach Britannien im Norden, bis nach Hegra auf halber Strecke zwischen Petra und Medina1 und bis zur Insel Farasan im Süden des Roten Meeres.2 Es sind die zahlreichen Bauten, die Rom bis heute repräsentieren und überall erfahrbar machen: Stadttore und Stadtmauern, Ehrenbögen und Siegestrophäen, Tempel für die vielgestaltigen Götter der damaligen Welt, Aquädukte, Theater und Amphitheater, Fora, Verkaufshallen und Magazine, Leuchttürme und Häfen, Militärkastelle und Limesanlagen, und schließlich die römischen Reichsstraßen. Bauten aus römischer Zeit sind überall präsent als Zeugen von Roms ehemaliger Herrschaft. Was aber heißt das: Roms Bauten? Wessen Bauten? Wer hat den Entschluss gefasst, das einzelne Bauwerk zu errichten, wer hat für die Finanzierung gesorgt, wer hat die Arbeiten koordiniert und durchgeführt? Auf diese drei Faktoren: den Bauherrn, den Finanzier und denjenigen, der konkret für die Errichtung eines Bauwerks verantwortlich war, verweist der Titel dieses Beitrags: …senatus consulto pecunia publica faciendum curavit. Der Senat ist exemplarisch genannt, er ist nur einer unter vielen anderen Mitspielern bei der baulichen Gestaltung der römischen Welt. Die Kaiser und die von ihnen abhängigen Amtsträger spielen sicher die gewichtigste Rolle, aber sie gestalten nicht allein; neben ihnen sind es vor allem die 1 2
Alhaiti 2015. – Bei der Ausarbeitung des Beitrags wurde vor allem die Datenbank Clauss-Slaby verwendet. Übersetzungen sind, soweit nicht anders gekennzeichnet, vom Verfasser. Speidel 2007.
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Magistrate der Gemeinden und zahllose private Personen, die zusammen ihre eigene Welt und damit auch die römische gestalten. Sie alle gestalteten gemeinsam die römische Welt, so wie sie uns noch heute erfahrbar wird. Nicht selten wird in der wissenschaftlichen und noch mehr in der etwas populäreren Literatur ganz selbstverständlich von römischer Baupolitik oder von der Baupolitik einzelner Kaiser gesprochen.3 Solche Aussagen enthalten aber in concreto oft nicht mehr als eine Beschreibung von Baumaßnahmen, die einer bestimmten Epoche oder vielleicht zeitlich genauer der Regierungszeit eines bestimmten Kaisers zugeschrieben werden oder zumindest zugeschrieben werden können,4 völlig unabhängig davon, wer jeweils der Initiator war, wer die Kosten übernommen und wer konkret den Bauvorgang geleitet hat, ferner auch, für wen die einzelnen Bauten überhaupt bestimmt waren.5 Sieht man ein wenig genauer auf literarische, noch mehr auf epigraphische Quellen, die von Bauaktivitäten im Imperium Romanum berichten, dann stellt man meist unmittelbar fest, dass die Masse all dessen, was gebaut wurde und wovon uns wiederum nur ein kleiner Teil bis heute erhalten geblieben ist, mit Rom als der politischen Macht, also mit dem Senat und den römischen Magistraten und vor allem mit den Kaisern direkt nichts zu tun hat.6 Es waren vielmehr vor allem die Gemeinden, d.h. im normalen Sprachgebrauch die Städte, die Bauten errichteten, oder einzelne Bürger, die sich aus unterschiedlichen Gründen in ihrem Umfeld engagierten und so zur baulichen Ausstattung einer Gemeinde innerhalb oder außerhalb des städtischen Zentrums beitrugen. Die Gemeinden selbst, in Gestalt ihrer Magistrate und Stadträte und ihrer privaten Finanziers, haben sicherlich die Mehrheit aller Baumaßnahmen in den Städten Italiens und der Provinzen veranlasst und die dafür nötigen Geldmittel bereitgestellt. Diese Baumaßnahmen aber sind nicht Teil einer irgendwie gearteten Baupolitik, die von Rom ausgegangen sein soll, auch wenn Rom vielleicht der Stichwortgeber für viele Baumaßnahmen gewesen ist oder auch als Modell, vor allem bei Neuentwicklungen gewirkt hat.7 Natürlich ist auch Rom als zentrale Macht, etwa in Gestalt seiner Kaiser, an vielen Orten mit seinen Bauwerken anzutreffen; gelegentlich gilt das sogar für den Senat, in den Provinzen allerdings fast nur, wenn Kaiser oder einer ihrer Angehörigen dort geehrt werden sollten.8 Doch Bauten, die auf die römische Zentralmacht 3
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Siehe die Literaturhinweise bei Witschel 2011, 84 Anm. 168. Siehe auch z. B. das Kapitel über die Baupolitik bei Kienast 2014, 408–449, ebenso die grundsätzliche Tendenz bei Boatwright 2000. Denn wie genau kann ein Bauwerk allein auf Grund von archäologischen Kriterien datiert werden? Eine deutliche Zurückweisung einer angeblichen Baupolitik etwa bei Herzig 1993, 9–13. Siehe grundlegend dazu Horster 2001, 248–250. Damit ist nicht gesagt, dass Gemeinden stets völlig unabhängig von Rom als politischer Zentrale bauen konnten. So wurden z. B. vom Senat in Pannonien Ehrenbögen für Augustus errichtet, als der große Aufstand der Jahre 6–9 n.Chr. niedergeschlagen war (Cass. Dio 56, 17, 1); auch für Claudius wurde vom Senat ein Bogen in Gesoriacum erbaut, von wo er nach Britannien übergesetzt hatte (Cass. Dio 60, 22, 1). Am Rhein und in Syrien auf dem Mons Amanus wurden nach einem
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zurückgehen, finden sich nicht überall. Vielmehr ist zu fragen, wann, wo und in welcher Weise Rom über seine Repräsentanten, d.h. vor allem die Kaiser, das Gesicht des Imperiums, so wie es uns noch heute in Fragmenten vor Augen tritt, durch öffentliche Bauten direkt geprägt hat. Zu fragen ist aber auch, wieweit Rom und seine Vertreter vielleicht nur durch Anordnungen und Regelsetzung eine Rolle gespielt haben. Rom, das Zentrum des Imperiums, spielt unter diesem Aspekt eine Sonderrolle, gerade weil öffentliche Bauten neben deren eigentlichen Funktionen zumeist auch als Zeichen dafür gedacht waren oder zumindest so gesehen wurden, wer in einem bestimmten Bereich etwas zu sagen hatte; sie dokumentieren neben der Funktionalität meist auch Herrschaftsanspruch und Machtstellung. Nach Sueton hat Augustus zwar andere principes viri seiner Zeit, d.h. vor allem die senatorischen Triumphatoren der 30er und 20er Jahre des 1. Jh. v.Chr., öfter ermuntert, die Stadt mit neuen Bauten auszuschmücken. Doch die Beispiele, die er für solches Handeln Balbi,, das Cornelius Balbus nach seinem Sieg in anführt, enden mit dem theatrum Balbi Africa als sein Triumphalmonument im Jahr 13 v.Chr. dedizieren konnte.9 Seitdem sind in Rom nur noch opera publica bezeugt, die von den Herrschern oder ihren engsten Angehörigen errichtet wurden, soweit nicht, jedenfalls offiziell, gelegentlich noch der Senat in Erscheinung tritt, vor allem bei den Ehrenbögen, die für Kaiser errichtet werden, oder der Wiederherrichtung von Tempeln.10 Augustus ist derjenige, der Rom ein neues Gesicht gibt; er spricht davon mehr als deutlich in seinen gestae..11 Näheres muss man in unserem Kontext von seinem Wirken nicht Res gestae nachweisen. Daneben konnte Agrippa hervortreten, nicht nur mit dem Pantheon,12 sondern auch mit anderen Bauten, ebenso Tiberius, Augustus Adoptivsohn, etwa mit der wiedererrichteten aedes Pollucis et Castoris auf dem Forum Romanum oder Concordiae..13 Die früheren Bauherren, die großen senatorischen Fadem templum Concordiae milien, erscheinen daneben nicht mehr, außer in den wenigen Fällen, in denen sie
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Senatsbeschluss Memorialbögen für Germanicus errichtet, wie die tabula Siarensis bezeugt (Crawford, Roman Statutes I Nr. 37 Z. 8–24). Für das tropaeum Alpium siehe CIL V 7817 und Plin. n. h. 3, 136–138. Sueton, Aug. 29, 4 f.: Sed et ceteros principes viros saepe hortatus est, ut pro facultate quisque monimentis vel novis vel refectis et excultis urbem adornarent. Multaque a multis tunc exstructa sunt, sicut a Marcio Philippo aedes Herculis Musarum, a L. Cornificio aedes Dianae, ab Asinio Pollione atrium Libertatis, a Munatio Planco aedes Saturni, a Cornelio Balbo theatrum, a Statilio Tauro amphitheatrum, a M. vero Agrippa complura et egregia. = Aber auch die anderen führenden Männer forderte er oft auf, jeder solle entsprechend seinen finanziellen Möglichkeiten die Stadt entweder mit neuen Bauten oder aufwendig restaurierten schmücken. Vieles ist damals von vielen erbaut worden, wie etwa von Marcius Philippus der Tempel des Herules Musarum, von L. Cornificius der Tempel der Diana, von Asinius Pollio das Atrium Libertatis, von Munatius Plancus der Tempel des Saturn, von Cornelius Balbus sein Theater, von Statilius Taurus sein Amphitheater; von M. Agrippa wurden jedoch mehrere und herausragende Bauten errichtet. Beispielsweise CIL VI 89. 906b. 937. 938. 36806. RGDA 19–21. CIL VI 896 = Dessau 129. CIL VI 40339.
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sich aus ihrer vergangenen Geschichte heraus für die Erhaltung von Bauten verpflichtet fühlten; der Wiederaufbau der basilica Aemilia im Jahr 22 n.Chr. durch Aemilius Paulus scheint das letzte Beispiel für die einstige bauliche Mitgestaltung Roms durch die aristokratische Führungsschicht zu sein.14 Die Kaiser dominieren die Stadt mit ihren öffentlichen Bauten. Außerhalb Roms ändert sich das Bild. Natürlich ist nominell der Kaiser bei all den baulichen Einrichtungen, die für das Militär nötig waren, in einem umfassenden Sinn der Bauherr,15 auch wenn vermutlich nicht jede Befestigung einer Straße oder jede Erweiterung eines Kastells von Rom her angeordnet wurde, sondern in die Kompetenz des jeweiligen Statthalters und seines militärischen Beraterstabs fiel. Soweit neben der konkreten Bauarbeit durch die vor Ort befindlichen Truppen, die von den Kommandeuren eingesetzt wurden, finanzielle Mittel oder Materialien wie Blei oder Eisen nötig waren, kamen diese von dem zuständigen Prokurator.16 Ob dieser seinerseits jeweils beim a rationibus in Rom anfragen musste, ob diese Ausgaben getätigt werden durften, entzieht sich unserer Kenntnis, ist aber eher unwahrscheinlich.17 Die Abrechnungen darüber aber gingen vermutlich am Ende jeweils nach Rom, so dass man dort davon Kenntnis hatte. Auch die Prätoria der Statthalter und kaiserlichen Prokuratoren wurden aus einer der beiden öffentlichen Kassen Roms finanziert und im Namen der Kaiser erbaut, wie etwa das Prätorium des Prokurators von Iudaea durch Vespasian und Titus18 oder der Kölner Statthaltersitz, 14 Tac. ann. 3, 72, 1: Isdem diebus Lepidus ab senatu petivit ut basilicam Pauli, Aemilia monimenta, propria pecunia firmaret ornaretque. Erat etiam tum in more publica munificentia. = Zur selben Zeit beantragte Lepidus im Senat, dass er die Basilica des Paulus, die zu den Bauten der Familia Aemilia gehörte, mit eigenen Mitteln prächtig restauriere. Damals war es üblich, sich als öffentlicher Wohltäter zu zeigen. Die am Ende sehr generell formulierte Aussage des Tacitus, lässt sich im Konkreten aber eben nicht nachweisen. 15 Siehe zu einem wichtigen Teilaspekt z. B. Speidel 2014, 80–100. 16 Reflex dessen sind z. B. die Bleibarren, die im Hafen von Caesarea Maritima gefunden wurden, die aus den metalla Dardanica stammten (AE 1994, 777a.b = 2006, 1612–1616 = CIIP II 1382– 1385). Sie waren vermutlich für den nahe am Hafen residierenden Provinzprokurator bestimmt. 17 Stat. silv. 3, 3, 98–105 heißt es: Vigil iste animique sagacis et citus evolvit quantum Romana sub omni pila die quantumque tribus, quid templa, quid alti, undarum cursus, quid propugnacula poscant aequoris aut longe series porrecta viarum; quod domini celsis niteat laquearibus aurum, quae divum in vultus igni formanda liquescat massa, quid Ausoniae scriptum crepet igne Monetae = Wachsam, scharfen Geistes und schnell errechnest du, wieviel an jedem Tag das römische Heer, das arme Volk in der Stadt, was die Tempel, was die hohen Wellen der Flüsse, was die Dämme am Meer an Geld benötigen, oder die Reihe der weit ins Land gebauten Straßen, was an Gold glänzt an den hohen Decken des Herrscherpalastes, welches Material geschmolzen und geformt werden soll für Bildnisse der vergöttlichten Herrscher und wieviel in der Feuerhitze der ausonischen Münze erklingen soll beim Prägen. (Übersetzung mit kleinen Änderungen nach: Statius, Silvae. Übersetzt und erläutert von H. Wissmüller, Neustadt 1990, 84). Das scheint eine umfassende Darstellung der Bereiche, in denen die Masse der kaiserlichen Einnahmen eingesetzt werden. Das Heer gehört natürlich dazu, aber doch in einem sehr allgemeinen Sinn. Die oben gestellte Frage lässt sich damit nicht beantworten. 18 CIIP II 1282: [Imp(erator) Caes(ar) Vespasianus A]ug(ustus) pon[tif(ex) max(imus), imp(erator) XIX, trib(unicia) potest(ate) VIII, co(n)]s(ul) VIII, cen[sor, p(ater) p(atriae) et T(itus) Caesar Aug(usti) f(ilius) Vespasianus pont(ifex), imp(erator) XI]II, trib(unicia) pot(estate) V[I(?),
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von dem in der commoduszeitlichen Bauinschrift gesagt wird, der Kaiser habe das Gebäude [sumpt]u(?) f[i]sci wiederherstellen lassen.19 Wie für die militärischen und administrativen Bauten in den Provinzen so waren auch für die Reichsstraßen die Kaiser und ihre Beauftragten überall im Reich rechtlich verantwortlich.20 22 v.Chr. hatte Augustus für Italien die cura viarum cura,, die er natürlich nicht selbst übernommen; für die konkrete Ausführung der cura leisten konnte, wurden eigene senatorische curatores viarum eingesetzt.21 In den Provinzen sind es im Allgemeinen die Statthalter, die vor Ort dafür sorgen mussten, dass Straßen gebaut und später umfassend unterhalten wurden. Rechtlich aber ist der Kaiser der Bauherr bei den viae publicae in allen Provinzen, gleichgültig von wem sie geleitet wurden. Deshalb erscheint auf Tausenden von Meilensteinen der Name der Kaiser zumeist im Nominativ – zumindest in den ersten zwei Jahrhunderten. Worauf allerdings diese kaiserliche Kompetenz rechtlich beruhte, ist nicht klar. Denn sie erstreckte sich auch auf die prokonsularen Provinzen. Schon unter Tiberius kennen wir einen Meilenstein aus der Nähe von Lepcis Magna in der prokonsularen Provinz Africa, dessen Inschrift besagt, der Prokonsul L. Aelius Lamia habe Imp(eratoris) Ti(beri) Caesaris Aug(usti) iussu 44 Meilen einer Straße von direxit..22 Was genau beinhaltete aber der Befehl des der Stadt in mediterraneum direxit Tiberius? Ordnete er nur an, dass die Straße erbaut werden solle, nachdem er vielleicht vom Prokonsul selbst, von anderen Provinzbewohnern oder vielleicht von einem seiner Prokuratoren in der Provinz Africa mit der Notwendigkeit konfrontiert publica,, worden war, dass in der Region eine Überlandstraßenverbindung, eine via publica erforderlich sei? Oder hat er neben dem Befehl zum Bau auch für die Finanzierung Augusta,, die damals noch gesorgt oder den Befehl gegeben, Soldaten der legio III Augusta dem Prokonsul unterstand, beim Bau einzusetzen? Der flavische Dichter Statius spricht in einem seiner Gedichte von einer Zuständigkeit des Vaters des Claudius Etruscus, eines kaiserlicher Freigelassenen, die auch die Finanzierung von Straßenrationibus,, was baumaßnahmen eingeschlossen habe; dieser Freigelassene war a rationibus man salopp modern entweder als Finanzminister oder besser als Oberbuchhalter übersetzen könnte. Er müsse, so Statius, die Gelder für viele finanzielle Aufgaben des Kaisers bereithalten, auch für die longe series porrecta viarum (= die weit ins Land vorgetriebenen Straßen) bereitstellen. Aber heißt dies, dass alle Reichstraßen,
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--]. = Imperator Caesar Vespasianus Augustus, Oberpriester, zum 19. Mal als Sieger akklamiert, der zum achten Mal die Amtsgewalt eines Volkstribunen übernommen hatte, zum achten Mal die konsularen Fasces führte, Zenso, Vater des Vaterlandes und titus Caesar Vespasianus, Sohn des Kaisers, zum 13. Mal als Sieger akklamiert, der zum sieben Mal die Amtsgewalt eines Volkstribunen übernommen hatte ... Eck 1984, 97–115 = AE 1984, 652 = IKoeln 256; ähnlich in einer Inschrift aus Ampelum CIL III 1306a = IDR III 3, 281 = AE 2013, 1314. Dazu Rathmann 2014, 197–221. Eck 1979, 37–47 = 1999, 39–48. IRT 930: Imp(eratoris) Ti Caesaris Aug(gusti) iussu L. Aelius Lamia proco(n)s(ul) ab oppido in mediterraneum direxit m(ilia) p(assuum) XLIV = Auf Befehl des Imperator Tiberius Caesar Augustus hat der Prokonsul L. Aelius Lamia von (dieser) Stadt in gerader Richtung eine Straße über 44 Meilen ins Landesinnere angelegt.
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die sich über viele tausende von Meilen erstreckten, aus der kaiserlichen Kasse finanziert wurden? Das ist sicher nicht der Fall gewesen; zu viele Quellen zeigen auf ganz andere Methoden, wie solche Straßen erbaut und unterhalten wurden, einmal ganz abgesehen von der Frage, ob aus den Einnahmen, über die die Kaiser verfügten, überhaupt die gewaltigen finanziellen Mittel, die für die Reichsstraßen nötig waren, hätten bestritten werden können. Gewiss, manchmal bezahlte der Kaiser einen Straßenneubau oder auch die Erneuerung einer Straße. Bezeugt ist dies vornehmlich in Italien, etwa unter Nerva, der die Befestigung der via Appia a Tripontio inc(h)oavit,, was sein Sohn ad forum Appi ex glarea silice sternendam sua pecunia inc(h)oavit Traian – man möchte sagen: natürlich – zu Ende führte.23 Traian hat auch viam et Traiana,, die den Verlauf pontes a Benevento Brundisium erbauen lassen, seine via Traiana der via Appia im letzten Teil wesentlich verkürzte; dies geschah zu einem Zeitpunkt, im Jahr 109, als Traian wegen der ungeheuren Beute nach der Eroberung Dakiens finanziell sehr liquide war.24 Er versäumt nicht, eigens zu erwähnen, dass dies pecunia sua geschah. Auch von anderen Kaisern ist bezeugt, dass sie die Finanzierung übernahmen, von anderen aber nie; vor allem aber geschieht dies nicht bei allen Straßen. Im Gegensatz zu Italien aber finden wir solche Hinweise in den Provinzen auf den überall präsenten Meilensteinen mehr oder weniger nie. Der Name des Kaisers wird zwar im Nominativ genannt, so z. B. auf einem miliarium aus der Provinz Asia, 20 Meilen von Ephesus entfernt; in diesem Fall ist es Septimius Severus und seine gesamte Familie, einschließlich Iulia Domnas. Dabei heißt es: ( ) ( ) .25 Die Renovierung der Straßen wird verkündet, die unter der Oberaufsicht des Prokonsuls der Provinz durchgeführt wurde. Aber von der Finanzierung wird nichts gesagt, was auch auf den zahllosen anderen Meilensteinen nicht ge-
23 CIL X 6824 = Dessau 280. 6826: Imp(erator) Caesar Nerva Aug(ustus) Germ(anicus) pontif(ex) maximus, trib(unicia) potest(ate) III, co(n)s(ul) IIII, p(ater) p(atriae) viam a Tripontio ad forum Appi ex glarea silice sternendam sua pecunia incohavit (sic). Imp(erator) Caesar Nerva, divi Nerv(ae) f(ilius), Trai[a]nus Aug(ustus) Germ(anicus) p[ont(ifex) m]ax(imus), trib(unicia) potest(ate), co(n)s(ul) III, p(ater) [p(atriae)] consummavit = Imperator … Nerva Augustus … hat begonnen, die Straße von Tripontium bis nach Forum Appi auf seine Kosten mit hartem Kieselstein zu befestigen. Imperator … Nerva Traianus Augustus …hat das Werk vollendet. Siehe für manche dieser Meilensteine Solin 2016, 389–432. 24 CL IX 5999. 6003: Imp(erator) Caesar, divi Nervae f(ilius), Nerva Traianus Aug(ustus) Germ(anicus) Dacic(us) pont(ifex) max(imus), tr(ibunicia) pot(estate) XIII, imp(erator) VI, co(n)s(ul) V, p(ater) p(atriae) viam a Benevent Brundisium pecun(ia) sua fecit = Imperator …Nerva Traianus Augustus … hat die Straße von Benevent bis Brundisium auf seine Kosten erbaut. Und viele weitere Meilensteine; siehe Eck 1979, 72–75 = Eck 1999, 73–76. 25 CIL III 13689 + 142023 = Inschriften von Ephesos VII 1, 3160: €• ‚ ƒ‚ „ † ‚ ‡ ˆ ‰ ˆ ‰ Š‹‚ ˆ Œ• Š•ˆ Ž ‚ •‰ Š ˆ ‚• ‚ ‘ˆ, ’ ˆ ‚• ‹ˆ • ˆ , •‚ ‚ ˆ, “ ˆ Š €• ‚ ƒ‚ ”•‚ ˆ €•‚— ˆ ˜ ƒ † ˆ Œ• Š•ˆ ‚• ‚ ‘ˆ ’ ˆ [ ( ‡ ˆ) ‰ ˆ ˆ ( ˆ) „ † ‚] ™ š› — ‚ ‚ƒ ( ) ( ) = (Namen von Septimius Severus, Caracalla und Iulia Domna) – von Ephesus aus 20 Meilen. Die Straßen wurden wiederhergestellt unter dem Prokonsul Lollianus Gentianus.
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schieht, außer in den Fällen, in denen Straßen durch den Einsatz von Heereseinheiten erbaut oder gepflastert wurden, wie zum Beispiel in Iudaea im Jahr 69. Fretensis,, M. Vespasian war eben als Kaiser akklamiert, als der Legat der legio X Fretensis Ulpius Traianus, der Vater des späteren Kaisers, seine Legion einen Teil einer Straße bei Caparcotna erbauen oder erneuern ließ.26 Ähnlich wird gelegentlich die legio III Augusta in Numidien bei Straßenbauten eingesetzt.27 Selbst in der prokonsularen Provinz Asia wird dies einmal von der legio XII Fulminata bezeugt, einer der Legionen in der Grenzprovinz Cappadocia.28 Doch blieb, wenn man auf den Straßenbau als Ganzes sieht, der Einsatz des Militärs durch die Kaiser beschränkt, selbst in den Grenzprovinzen, wo das Militär vor allem stationiert war. Allerdings könnte ein Meilenstein aus Syrien aus der Zeit Caracallas, dessen Name ebenfalls im Nominativ steht, auf die direkte Bezahlung durch den kaiserlichen Fiscus verweisen. Denn dort wird vermerkt, der Kaiser habe via[m] a Phaena Aeritta(m!) restituit m(ilia) p(assuum) XIIII curante Iul(io) Saturnino leg(ato) Aug(usti) (= hat die Straße von Phaena bis nach Aeritta wiederherstellen lassen, auf einer Strecke von 14 Meilen; Sorge dafür trug der legatus Augusti Iulius Saturninus). Danach aber folgt im Text: p(ecunia) p(ublica) (= mit öffentlichem Geld).29 Wurden also die Mittel vom Prokurator der Provinz Syria bereitgestellt, die der Statthalter investieren konnte? Pecunia publica verweist freilich nicht automatisch auf Gelder aus dem kaiserlichen Fiscus, sondern bedeutet allgemein finanzielle Mittel, die nicht von Privatleuten aufgebracht wurden, sondern aus der Kasse einer res publica stammen. Mit res publica kann aber nicht nur die res publica populi Romani bezeichnet werden, sondern grundsätzlich jede Gemeinde; auch deren Geld ist pecunia publica. Deutlich wird dies etwa durch Meilensteine, ebenfalls aus der severischen Zeit, die wir aus der Nähe von Sitifis in der Mauretania Caesariensis kennen. Auch auf diesen wird von p(ecunia) p(ublica) gesprochen; doch die Bauarbeiten an der Straße wurden von der col(onia) Ner(viana) Aug(usta) Mart(ialis) veteranor(um) Sitifens(ium) angeordnet und durchgeführt.30 Die pecunia publica kommt also aus der Kasse der 26 AE 1977, 829 = 1988, 1052: Imp(erator) Caesar [Ve]spasianus Aug(ustus) M(arco) [Ul]pio Tr[ai]an[o] leg(ato) leg(ionis) X Fret(ensis). XXXIV = Imperator Caesar Vespasianus Augustus (hat die Straße) unter dem Legaten der legio X Fretensis Ulpius Traianus (anlegen lassen). (Meile) 34. 27 CIL VIII 10048. 1065. 1067 und zahlreiche weitere Meilensteine. 28 AE 1976, 658. 29 AE 1930, 141. 30 CIL VIII 10338: Imp(eratori) Caes(ari), divi M(arci) Antonini Pii Germ(anici) Sarm(atici) filio, divi Commodi fratri, divi Anton(ini) Pii nepoti, divi Hadriani pronepoti, divi Tra[ia]ni Part(hici) abnepoti, divi Nervae adnep(oti) L(ucio) Septimio Severo Pio Pertinaci Aug(usto) … trib(unicia) pot(estate) VI, imp(eratori) XII, co(n)s(uli) II, p(atri) p(atriae) … col(onia) Ner(viana) Aug(usta) Mart(ialis) veteranor(um) Sitifens(ium) p(ecunia) p(ublica). A Sitifi m(ilia) passu[um] = Für Imperator … L. Septimius Severus … hat die col(onia) Ner(viana) Aug(usta) Mart(ialis) veteranor(um) / Sitifens(ium) mit Geld der Gemeinde (die Straße) von Sitifis auf einer Länge von … Meilen (erbaut /restauriert). Vgl. 10337. In CIL VIII 10353 wird die res publica Sitifensium als Auftraggeber genannt, der Hinweis auf die pecunia publica fehlt; doch ist es ausgeschlossen, dass die Gemeinde den Befehl zur Erneuerung der Straße gab und
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Gemeinde, nicht des Kaisers. Damit sollten auch auf dem Meilenstein aus Syrien die öffentlichen Gelder eher von einer oder mehreren Gemeinden gekommen sein, nicht anders als das einige Jahrzehnte früher in derselben Provinz durch eine Straßenbauinschrift der Abileni der Fall war.31 Dass die Städte in den Provinzen, aber auch in Italien für ihre eigenen regionalen Straßen zuständig waren, ist unbestritten; doch das gilt üblicherweise auch für den Unterhalt der großen Überlandstraßen. Das wird besonders deutlich durch die Regelung, dass Gemeinden, deren Territorium nicht direkt von einer via publica berührt wurde, dennoch verpflichtet wurden, Kosten für einen bestimmten Abschnitt einer Staatsstraße zu übernehmen, damit so die unmittelbaren Anlieger nicht allein damit belastet wurden.32 Statt der Kosten konnten auch die jeweils anfallenden Arbeiten den Bürgern und incolae der entsprechenoperae,, der Handden Gemeinden als Teil ihrer für die Gemeinde zu erbringenden operae und Spanndienste, zugewiesen werden. Nach den leges municipales waren das in den römischen und latinischen Städten fünf Tage pro Jahr und drei Tage, in denen sie ihre Gespanne für öffentliche Arbeiten wie eben auch für die Straßen bereitzustellen hatten. Die Zeit entspricht den fünf Tagen, die in Ägypten jeder für die Säuberung der Kanäle und die Befestigung der Deiche zu erbringen hatte.33 Dies war ein allgemeines Strukturelement in den griechisch-römischen Städten, das sich gerade bei Bauten auswirken konnte. Da die Arbeiten verpflichtend waren, wurden sie allerdings öffentlich kaum erwähnt, was leicht dazu führen kann, sie als unwichtig zu übergehen: Sie waren aber essentiell für das Funktionieren der Gemeinden, gerade auch im Bauwesen. Daraus ergibt sich, dass die Nachrichten der Inschriften auf Meilensteinen zwar für uns nicht unbedingt eine klare Aussage über das kaiserliche Engagement im provinzialen Straßenbau bringen; doch beim damaligen Leser machten sie wohl keinen irreführenden Eindruck. Denn alle wussten, wer für die konkreten Arbeiten aufkommen musste, nämlich meistens die Bürger selbst, entweder direkt durch operae oder durch finanzielle Beiträge. Der Kaiser hatte, vielleicht nach Konsultation durch die Statthalter, seine Zustimmung oder sogar den Befehl zum Bau oder zur dann etwa der Fiscus bezahlte; hier reicht der Nominativ des Gemeindenamens, um auch die Finanzierung klarzulegen, anders als bei den Kaisern. Siehe für Sitifis ferner CIL VIII 10341. 31 Straßenbauinschrift aus Abila in Syrien (CIL III 199 = Dessau 5864): Imp(erator) Caes(ar) M(arcus) Aurel(ius) Antoninus Aug(ustus) Armeniacus et Imp(erator) Caes(ar) L(ucius) Aurel(ius) Verus Aug(ustus) Armeniacus viam fluminis vi abruptam interciso monte restituerunt per Iul(ium) Verum leg(atum) pr(o) pr(aetore) provinc(iae) Syr(iae) et amicum suum inpendiis Abilenorum = Imperator Caesar Marcus Aurelius… und Imperator Caesar Lucius Aurelius Verus …haben die Straße, die durch die Gewalt des Flusses unterbrochen worden war nach Durchstich eines Berges wiederhergestellt durch Iulius Verus, ihren Statthalter der Provinz Syrien, ihren Freund, durch den finanziellen Aufwand der Bewohner von Abilene. 32 Eck 1979, 75–79. 33 Sachlich ist es irreführend, wenn Petzold 2014 diese gesetzlich verordneten operae als œdie Geschenke des kleinen Mannes• bezeichnet, sozusagen als œEuergetismus-Substitut•. Dann hätten sich, wenn man das ernst nähme, diese Leute mit ihrer Beteiligung am Straßenbau einer Stadt selbst beschenkt. Das ist die gleiche irrige Sichtweise in der Sache und in der Terminohonorariae,, die per Stadtgesetz zu entrichten waren, dem Euerlogie, wenn etwa die summae honorariae getismus zugerechnet werden.
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Erneuerung einer Straße gegeben. Wie dann die Arbeit und die Kosten auf die Gemeinden bzw. dort auf die einzelnen Bewohner verteilt wurden, das wird nicht erwähnt und ist uns im Detail auch unbekannt. Am einfachsten war es noch, wenn sich innerhalb einer Gemeinde ein einzelner zur Übernahme der Kosten bereit erklärte. Das konnte, wenn die Finanzierung nicht als eine Verpflichtung aus einem Amt erfolgte, wirklich als ein Akt des Euergetismus bezeichnet werden.34 Wenn Kaiser als Routineentscheidungen den Bau oder die Reparatur von Straßen anordneten, dann hat das sicher manche Bürger der betroffenen Gemeinden erfreut, andere aber stöhnten wohl eher wegen der damit für sie selbst verbundenen Belastungen. Doch in nicht wenigen konkreten Fällen wurden die Kaiser mit gutem Grund gefeiert, weil sie den Städten finanziell halfen, schwierige Situationen zu bewältigen, etwa beim Wiederaufbau von Städten nach Erdbeben, wie es immer wieder berichtet wird. Tacitus schreibt zum Jahr 17 n.Chr. von einem verheerenden Beben in Asia,35 durch das 12 Städte zum selben Zeitpunkt betroffen waren, vor allem Sardeis. Der Kaiser versprach dieser Stadt speziell eine direkte Hilfe von 10 Millionen Sesterzen, außerdem musste Sardeis für die kommenden fünf Jahre keinerlei Abgaben an das Ärar oder den Fiscus zahlen. Dabei wurden die Abgaben an das Ärar, die in einer prokonsularen Provinz wohl die Hauptsumme darstellten, rechtlich durch Senatsbeschluss erlassen, wie Tacitus berichtet, wohl auf Antrag des Tiberius. Auch den anderen Städten wurde zugestanden, dass sie in den kommenden fünf Jahren keine Tribute zu entrichten hatten. Einige Jahre später wurde Tiberius im kleinasiatischen Aegae als conditor uno tempore XII urbiu[m t]errae motu ve[xatarum…] geehrt.36 Ähnlich reagierte Tiberius, wiederum in Zusammenarbeit mit dem Senat, als erneut einige Städte der Provinz Asia sowie Aigion in
34 Siehe z. B. CIL II 3270 (Castulo); CIL III 14203, 35 = Dessau 2724 = AE 2012, 1298 (Byllis); allgemein für Italien Campedelli 2014. 35 Tac. ann. 2, 47: Eodem anno duodecim celebres Asiae urbes conlapsae nocturno motu terrae, quo inprovisior graviorque pestis fuit. Neque solitum in tali casu effugium subveniebat in aperta prorumpendi, quia diductis terris hauriebantur. Sedisse inmensos montis, visa in arduo quae plana fuerint, effulsisse inter ruinam ignis memorant. asperrima in Sardianos lues plurimum in eosdem misericordiae traxit: nam centies sestertium pollicitus Caesar, et quantum aerario aut fisco pendebant in quinquennium remisit. Magnetes a Sipylo proximi damno ac remedio habiti. Temnios, Philadelphenos, Aegeatas, Apollonidenses, quique Mosteni aut Macedones Hyrcani vocantur, et Hierocaesariam, Myrinam, Cymen, Tmolum levari idem in tempus tributis mittique ex senatu placuit, qui praesentia spectaret refoveretque = Im selben Jahr stürzten 12 berühmte Städte Asiens durch ein Erdbeben, das sich zur Nacht ereignete, zusammen…. Da die Bewohner von Sardeis am härtesten von dem Unglück betroffen wurden, brachte es ihnen auch ein Höchstmaß an Mitleid. Denn 10 Millionen versprach der Kaiser, und erließ ihnen, was sie an Aerarium und Fiscus zu zahlen hatten…. (Den anderen Städten) erließ der Senat durch einen Beschluss für die gleiche Zeit die Tribute …. 36 CIL III 7096 = AE 2013, 1525 (Aegae): [Ti. Caesar divi Aug(usti) f., divi Iuli n(epos), Au/g(ustus), p(ontifex)] m(aximus), tr(ibunicia) p[ot(estate) XXXVI, imp(erator) VIII, c]o(n)s(ul) V, conditor uno tem[pore XII urbium t]errae motu ve[xatarum templum restituit] = Tiberius Caesar …Augustus, … in einem einzigen Moment Gründer von 12 durch ein Erdbeben zerstörten Städten, hat den Tempel wiederhergestellt. Die Zahl der tribuniciae potestates muss freilich offen bleiben. Siehe auch Engelmann 1976, Nr. 20; ob Nr. 21 ähnlich wie die angeführte
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Achaia von einem Erdbeben betroffen wurden.37 Solche Hilfen bei der Wiedererrichtung von Städten wiederholten sich oft. Ob über die Hilfe hinaus dann auch planend in den Städten eingegriffen wurde, lässt sich nicht erkennen, ist aber eher unwahrscheinlich. Dass im Jahr 17 ein M. Ateius, ein Senator prätorischen Ranges, nach Asia abgeordnet wurde, hatte wohl kaum etwas mit dem konkreten Wiederaufbau zu tun, er sollte vielmehr die Situation beobachten und vermittelnd eingreifen, wenn es, wie leicht möglich, zwischen den betroffenen Städten zu Auseinandersetzungen kam.38 Konkret auf eine Baumaßnahme aber war die Aufgabe des Valerius Naso ausgerichtet, der im Jahr 23 durch Los als zusätzlicher prokonsularer Legat bestimmt wurde, um die Errichtung eines Herrscherkulttempels in Smyrna zu überwachen. Ähnliches dürfte der Grund gewesen sein, weshalb ebenfalls in tiberischer Zeit, ein C. Pontius Paelignus ex s(enatus) c(onsulto) et ex auctorit[ate] Ti(beri) Caesaris (= auf Grund eines Senatsbeschlusses auf Antrag des Tiberius Caesar) als legatus pro pr(aetore) iter[um] in eine prokonsulare Provinz abgeordnet wurde.39 In den angeführten Erdbebenfällen wird deutlich, woher die finanzielle Hilfe kam: zum Teil aus den Finanzmitteln des Kaisers, größerenteils jedoch dadurch, dass Steuern und Abgaben erlassen wurden. Diese Hilfe war sicher bei den Bewohnern der betroffenen Orte hochwillkommen und man konnte Tiberius als conditor oder ˆ ehren. Üblicherweise spricht man heute bei solchen Maßnahmen von euergetischen Akten. Dies ist jedoch von der Sache her gesehen eine wenig hilfreiche Formulierung.40 Denn man stellt diese Fördermaßnahmen durch Kaiser oder auch Senat auf die gleiche Ebene wie die Förderinitiativen, die aus dem Besitz von Privatpersonen finanziert wurden. Die Steuern waren nicht der Privatbesitz des Kaisers oder des Senats. Die œEuergesie• bestand darin, dass der Kaiser sich entschloss, Gelder im konkreten Fall einzusetzen, worauf die Empfänger kein Anrecht hatten. Aber dies ist nicht vergleichbar mit der für die Allgemeinheit gedachten Investition, die ein Privatmann aus seinen Mitteln ermöglichte. Ein weiteres Beispiel kann dies noch deutlicher machen. Kurz nach der Herrschaftsübernahme Vespasians kam es in Lykien zu einem Erdbeben, bei dem auch ein Aquädukt beschädigt worden war, den die Stadt Patara erst in der Regierungszeit des Claudius erbaut hatte, um Wasser in die Stadt zu bringen. In den ersten
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Inschrift rekonstruiert werden muss, lässt sich nicht sicher sagen. Siehe auch die Testimonia Nr. 151–153. Tac. ann. 4, 13, 1. Tac. ann. 2, 47, 3 f. CIL V 4348 = InscrIt X 5, 138 = AE 1995, 604 (Brixia): C(aio) Pontio C(ai) [f(ilio) Fab(ia)] Paeligno trib(uno) m[il(itum)] leg(ionis) X Gem(inae), q(uaestori), cur[a-tori] locorum public[or(um)] iterum, aed(ili) cur(uli), [pr(aetori),] legato pro pr(ae-tore) iter[um] ex s(enatus) c(onsulto) et ex auctorit[ate] Ti(beri) Caesaris d[---] = Für Gaius Pontius Paelignus, den Sohn eines Gaius, aus der Tribus Fabia, (wurde eine Statue errichtet). Er war Militärtribun der Gemina,, Quästor, zweimal Beauftragter für den öffentlichen Grund und Boden (in legio X Gemina Rom), curulischer Ädil, Prätor, zweimal Beauftragter in prätorischem Rang auf Grund eines Senatsbeschlusses auf Antrag des Tiberius Caesar … Siehe Eck 1995. Eck 1997.
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Monaten der Herrschaft Vespasians ließ der langjährige Statthalter Marcius Priscus die Schäden beheben. Dabei konnte er vom Kaiser erreichen, dass Steuern, vermutlich die eben in Lykien wieder eingeführte Kopfsteuer, für den Wiederaufbau herangezogen werden durften.41 Auch hier sind es Steuern, die normalerweise in den Fiscus gezahlt werden mussten, die aber hier sogleich der Stadt zur Verfügung standen. In der Inschrift steht Vespasians Name im Nominativ; das Entscheidende, was er in diesem Kontext geleistet hat, war die Freigabe der Gelder für den Wiederaufbau. Der Beschluss für den Wiederaufbau erfolgte wohl in Patara gemeinsam durch die Gemeinde und den Statthalter. Der Beschluss sah vor, dass nicht nur der Hauptkanal, diesmal aus Quadern wiedererrichtet werden sollte, vielmehr wurde gleichzeitig noch eine Druckleitung in drei Rohrsträngen an der Mauer entlang verlegt, damit bei zukünftigen Reparaturen das Wasser aus dem Hauptkanal über die drei Rohrleitungen ungehindert weiterfließen konnte. Wer diese bauliche und technische Variante in die Planung eingebracht hat, wird in dem recht detaillierten Text leider nicht ausgeführt. So wie hier Vespasian in Patara haben auch alle anderen Kaiser immer wieder einzelnen Städten bei Bauten geholfen. Sein Sohn Domitian hat sich z.B. im Jahr 93/94 in der Stadt Megalopolis engagiert. Dort ließ er auf seine Kosten eine Stoa wiederherstellen, die durch Brand zerstört worden war. Eine zweisprachige Inschrift berichtet über die kaiserliche Förderung.42 Was der Inschrift nicht zu entnehmen ist: Woher hat Domitian von der Sache gewusst und wie kam es dazu, dass er finanzielle Mittel bereitstellte? In diesem wie in den meisten anderen ähnlich gelagerten Fällen müssen wir davon ausgehen, dass die Kaiser kaum je selbst die Initiative ergriffen haben. Wie hätten sie dies auch tun können? Vielmehr haben sich, was auch zahlreich bezeugt ist, städtische Gesandtschaften oder auch Einzelpersonen im Interesse oder auch im Auftrag von Städten an den Herrscher gewandt, um ihn zu einem für sie günstigen Handeln zu bewegen. Das hat mit Baupolitik nichts zu tun, da eine solche, wenn das Wort einen Sinn in sich tragen soll, eine aktive und nicht nur auf den Einzelfall ausgerichtete Rolle der Kaiser verlangen würde. Höchstens in einem sehr abgeschwächten Sinn könnte man insoweit von Politik sprechen, wenn ein Kaiser bei seinen Entscheidungen, die von anderen ausgelöst wurden, gewissen allgemeinen Grundsätzen gefolgt wäre, die uns freilich kaum je bekannt sind. Man kann auf jeden Fall nicht bestreiten, dass bei solcher Förderung von Bauten fast stets die Initiative von außen gekommen ist. Beispielhaft soll der Bau einer Fernwasserleitung für Alexandria Troas erwähnt werden. Herodes Atticus, der athenische Milliardär, wie er bezeichnet wurde, der unter Hadrian in den Senat kam und im Jahr 143 einen ordentlichen Konsulat erhielt, war in den 30er Jahren des 2. Jh. als Beauftragter für die freien Städte in der Provinz Asia tätig. Dabei stellte er fest, dass colonia,, noch nicht Alexandria Troas, immerhin seit augusteischer Zeit römische colonia über eine Fernwasserleitung verfügte. Er brachte die Amtsträger und den Rat der Stadt dazu, sich für eine solche zu entscheiden. Gerade bei diesen infrastrukturellen 41 Siehe dazu žahin 2007; Eck – Ÿ kan-I ik – Engelmann 2008; zuletzt Deeg 2014. 42 CIL III 13691 = IG V 2, 457.
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Großprojekten konnten manche Herrscher, auch wegen der Höhe der Kosten, immer wieder zur Finanzierung bewegt werden. So hat z.B. Claudius, wohl in der Folge des Erdbebens unter Tiberius, der Stadt Sardeis einen Aquädukt bezahlt; die Durchführung des Baus war einem Bürger von Sardeis anvertraut.43 Entsprechend solchen Beispielen wandte sich Herodes Atticus brieflich an Hadrian mit der Bitte um drei Millionen Drachmen für den Aquädukt; der Kaiser wies auch tatsächlich seine Prokuratoren an, die nötigen Summen bereitzustellen – es wird allerdings nicht gesagt, welche Prokuratoren dies waren, ob etwa aus mehreren Provinzen oder aber nur diejenigen, die in der Provinz Asia tätig waren, was freilich am wahrscheinlichsten ist. Als aber die Kosten auf 7 Millionen Drachmen gestiegen waren, schlugen die Prokuratoren Alarm. Darauf schrieb Herodes Atticus, der von Hadrian mit der Aufsicht über den Bau beauftragt worden war, an den Kaiser, er solle sich keine Sorgen machen, er werde den Betrag, der die anfänglich bewilligten 3 Millionen überschritt, selbst übernehmen. Nach Philostrat hatten die Prokuratoren geklagt, für Alexandria Troas würde der phoros von 500 Städten ausgegeben.44 Das ist nicht sehr präzise, sollte aber am ehesten Einnahmen meinen, die üblicherweise in das patrimonium Caesaris flossen (wenn Philostrats Bericht präzise ist); denn die ordentlichen Steuern in Asia, also Grund- und Kopfsteuern wurden damals noch über den Quästor der Provinz abgerechnet. Die Prokuratoren stellten die Gelder wohl direkt der Stadt zur Verfügung; Herodes Atticus sollte vermutlich nur die Verwendung der Finanzen durch die Stadt kontrollieren. Es sind fast stets Einzelmaßnahmen, die von einzelnen Kaisern gefördert wurden und zumeist auf Einflussnahme von außen her. Nur einen Typ von Gemeinden scheinen viele Herrscher eher aktiv und auch in größerem Stil mit Bauten ausgestattet zu haben: coloniae civium Romanorum bei ihrer Gründung, die ja auch zumeist den Namen des Stifters trugen. So stattete schon Augustus Tridentum, das heutige Trento, mit einer Stadtmauer aus, für die sein Legat M. Appuleius die Verantwortung hatte: Imp(erator) Caesar divi f(ilius) Augustus co(n)s(ul) XI, trib(unicia) potestate dedit. M(arcus) Appuleius Sex(ti) f(ilius) leg(atus) iussu eius fac(iendum) curavit. Imperator Caesar Augustus … hat (die Mauer) geschenkt. Der Legat M. Appuleius hat sie auf dessen Befehl errichten lassen.•45
43 CIL III 409 = IGR IV 1505 = IK-59, 165: [Ti(berius) Claudi]us, Drusi f(ilius), Caesar Augustus [Germanicus pont(ifex) max(imus), tr(ibunicia) p(otestate) X--, co(n)s(ul) V, imp(erator) X]XVII, p(ater) p(atriae) [a]quam cibitati Sardianorum [ex fonte perduxit] Ti(berio) Cla[u]dio Demetri f(ilio) Quirina Apollop[hane opera curante] = [¡ . „ ‡ ] ˆ, š‚ ‡ ˆ, „ † ‚ ‰ Š ˆ ‚ ›ˆ, [ ‚• ‚ ‡ˆ ’ ˆ, ‚• ‹ˆ • ˆ -, “ ˆ , ‚ ƒ‚ ] ¢, ‚ ‚ ˆ, “ ƒ ‚ ’‹ˆ [£ ‚ ˆ • ‰ ‚ ¤ › ’ ], ‚’ — ˆ¡Š ‚ „ [ š ‚ „ ‚ ˜ ˆ] = œTiberius Claudius … Augustus hat für die Gemeinde Sardis von einer Quelle eine Wasserleitung heranführen lassen; die Arbeit organisierte Tiberius Claudius, der Sohn eines Demetrius, der der Tribus Quirina angehört.• 44 Philostr. soph. 548. 45 CIL V 5027 = Dessau 86.
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Viele weitere entsprechende Beispiele könnte man anführen. Manchmal hat der vom Herrscher Beauftragte, der die Gründung durchführen und vielleicht die ersten Bauten errichten sollte, dabei vermutlich gestaltend eingegriffen; denn er war mindestens zeitweise vor Ort. Aber aus einer so am Anfang stehenden politischen Akbenfalls aus dem Fiscus tion folgte nicht, dass später notwendige Restaurierungen eebenfalls bezahlt wurden. In der colonia Iader in Dalmatien hat zwar Augustus als parens dedit,, aber dann heißt es in der Inschrift, die aus nachaucoloniae murum et turris dedit gusteischer Zeit stammt, weiter: T(itus) Iulius Optatus turris vetustate consumptas inpensa sua restituit.46 Nach der Gründungsphase galten auch für diese Gemeinden die normalen Regeln, dass sie sich selbst um ihre Belange kümmern mussten. Doch nicht einmal bei einer neuen colonia muss der Gründer am konkreten Aufbau direkt und vor allem umfassend beteiligt gewesen sein; oder, wie man vielleicht auch formulieren kann, manchmal ließ der Gründer einen weiten Freiraum für die selbstverantwortliche Entfaltung einer Stadt. Dieser Tatbestand gilt wohl generell. Thamugadi aber ist dafür ein glänzendes Beispiel. Gegründet wurde die colonia Marciana Traiana Thamugadi von Traian im Jahr 100. Aus diesem Jahr stammen zwei Tore, deren Inschriften Folgendes verkünden:47 Imp(erator) Caesar divi Nervae f(ilius) Nerva Traianu[s Aug(ustus)] Germani[c]us pontif(ex) [max(imus)], tr[i]b(unicia) pot(estate) I[III, co(n)]s(ul) III, p(ater) p(atriae) co[l(oniam) Mar]c[i]anam Tr[ai]anam Th[amuga]di per [[leg(ionem) III]] Au[g(ustam) fec(it) L(ucio) M]unati[o] Gallo leg(ato) Aug(usti) pro [pr(aetore)]. Imperator … Nerva Traianus Augustus Germanicus… hat die colonia Marciana Traiana Thamugadi durch die legio III Augusta erbaut, unter dem legatus pro praetore L. Munatius Gallus.
An der Koloniegründung war die legio III Augusta beteiligt, durch sie hat Traian die colonia anlegen lassen. Nur – was heißt das konkret? Vielleicht hat die legio den Plan der Stadt entwickelt und das Gelände dafür präpariert. Ob sie auch die beiden Bögen selbst errichtet hat, ist nicht klar. Aber: Irgendwelche dauerhaften und repräsentativen Gebäude, die für das Funktionieren einer colonia üblich, ja notwendig waren, also Forum, Kurie, Tempel, Basiliken oder auch Macella, all das hat offensichtlich die Legion nicht angelegt, jedenfalls nicht in Stein. Diese dauerhaften Gebäude errichtet vielmehr später die colonia selbst, auf Beschluss des Dekuriop(ublica).. Das nenrats und mit eigenen Mitteln: d(ecreto) d(ecurionum) p(ecunia) p(ublica) ist uns durch eine lange Serie von Inschriften bekannt, die aus dem gesamten 2. Jh. stammen, die erste aus der Zeit Hadrians, die letzte aus der Zeit des Septimius Severus. Aus diesen Texten wird mehr als deutlich, dass der Bau der öffentlichen Gebäude für die neue Gemeinde zum einen erst lange nach der Koloniegründung erfolgte, vor allem aber, dass dabei nie ein Kaiser beteiligt war. Zwar erscheint in 46 CIL III 2907 = Dessau 5336: Imp(erator) Caesar divi f(ilius) Aug(ustus) parens coloniae murum et turris dedit. T(itus) Iulius Optatus turris vetustate consumptas inpensa sua restituit = colonia,, hat die Mauer Imperator Caesar Augustus, Sohn seines vergöttlichten Vaters, Vater der colonia und die Türme geschenkt. T. Iulius Optatus hat die Türme, die aus Altersgründen eingestürzt waren, aus eigenen Mitteln wiederhergestellt. Siehe auch CIL III 13264. 47 CIL VIII 2355 = 17842 = Dessau 6841; 17843.
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allen Bauinschriften der Name des Herrschers, der damals regierte, aber nicht als Handelnder, sondern nur zur Datierung.48 d(ecreto) d(ecurionum) p(ecunia) p(ublica) (= auf Beschluss des Dekurionenrats mit Mitteln der Ge
AE 1985, 873 AE 1954, 149
. 126 platea, errichtet d(ecreto) universum opus perductionis aquae inchoatum et consummatum (= das gesamte Werk der Heranführung einer Wasserleitung, das begonnen und vollendet wurde) und das d(ecreto) d(ecurionum) errichtet wurde. platea, die gepflastert wurde; Bauherr war der Dekurionenrat, der dazu Gelder der Kolonie einsetzte.
Ant. Afr. 25, 1989, 192 f. BCTH 1902, 313 CIL VIII 17854 = AE 1985, 875a.b Dessau 5351 = AE 1985, 876a AE 1985, 876b
d(ecreto) . platea wird durch den Legaten M. Lucceius Torquatus Bassianus dedi-
Ant. Afr. 2, 1968, 219 CIL VIII 17857. 17858
ziert.
172/ 173 183/ 185
199
thermae ampliatae (= erweiterte Thermen) sowie eine aedes (= Tempel), beides natürlich d(ecreto) d(ecurionum) p(ecunia) erbaut. [theatrum cum porticis decreto ein Theater mit Säulenhallen arcus, den der Dekurionenrat mit öffentlichen Mitteln hatte erbauen lassen. M. Aemilius Macer Saturninus dediziert neben einer Reiterstatue eine basilica. Hier fehlt der Hinweis auf die Gemeinde, die aber wohl ergänzt werden darf wie in der sac Der Legat M. Valerius Maximianus dediziert opus aquae Paludensis (= Wasserleitung), bei deren Baumaßnahmen er in nicht genau zu definierender Weise beteiligt war, jedenfalls erneut d(ecreto) d(ecurionum) p(ecunia) . d(ecreto) d(ecurionum) p(ecunia) p(ublica) erweitert worden
AntAfr. 2, 1968, 215
Dedikation wie im Jahr vorher.
CIL VIII 2437 = 17940
CIL VIII 17867 CIL VIII 2373a = AE 1985, 879 AE 1985, 880b AE 1934, 40
AE 1894, 44
Die Liste zeigt, dass in den Jahren 121, 125, 143, 146, 151, 152, 158, 167, 168?, 171, 172/3, 183/185, 198 und 199 jeweils neue Gebäude den Bürgern von Thamugadi übergeben wurden. Die Dedikation erfolgt generell durch einen LegaAugusta,, den Statthalter der später Numidia genannten Region, aber ten der legio III Augusta der Beschluss für den Bau und für die Finanzierung erfolgt jeweils d(ecreto) d(ecup(ublica).. Gebaut oder ausgebaut werden mehrere plateae plateae,, worionum) p(ecunia) p(ublica) runter wohl mit Portiken versehene Straßen um das Forum zu verstehen sind, ferner basilica,, die curia curia,, Thermen, die in ein Theater, mindestens zwei Aquädukte, eine basilica einer zweiten Aktion noch erweitert werden, und mehrere Gebäude, bei denen die genauere Beschreibung fehlt.
48 Dass man lange Zeit gerade auch für Thamugadi nicht erkannt hat, dass die Kaisernamen im Ablativ stehen, man vielmehr annahm, es handle sich um den Dativ, weshalb man bei den wenigen ausgeschriebenen Worten der Kaisertitulatur den Ablativ zu Dativ korrigierte, sei nur kuriositätshalber erwähnt.
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Es ist also eine stattliche Reihe von Bauten oder Baumaßnahmen, die in der colonia mit genauer Datierung nachgewiesen werden können. Doch die Kaiser von Traian bis Septimius Severus sind dabei, wie schon betont, nie die Auftraggeber, nie die Finanziers. Auch ist von keinem in irgendeiner Weise nachweisbar, dass er Einfluss auf das munizipale Baugeschehen genommen hätte. Das aber heißt, dass wir selbst bei Kolonien, die von bestimmten Kaisern neu gegründet wurden und auch ihren Namen tragen, nicht automatisch mit einer massiven baulichen Ausstattung durch die Gründer rechnen dürfen. Zumindest kann dies nicht die Regel gewesen sein, auch nicht unter Augustus. Nach dem Beispiel von Thamugadi muss man vielmehr schließen, dass manche Kolonien sich sehr frei entwickeln und den inneren Ausbau selbst bestimmen konnten oder mussten. Auch die Finanzmittel hatten sie wohl selbst aufzubringen, wie das stets wiederholte pecunia sua in Thamugadi zeigt. Trotz dieses instruktiven Beispiels wird man aber nicht ableugnen können, dass in coloniae öfter als in anderen Städten Baumaßnahmen nachzuweisen sind, die auf den Gründungskaiser zurückgehen, vor allem Stadtmauern mit Toren und Türmen.49 Insgesamt sind in Städten allerdings kaiserliche Baumaßnahmen weniger bezeugt, als das manchmal in der Literatur den Anschein hat. Das liegt auch daran, dass häufig auf den Bauinschriften, von denen ja der größte Teil unserer Kenntnisse kommt, die Kaiser zwar genannt werden, allerdings zumeist im Dativ. Solche Zeugnisse wurden nicht selten in der Forschung als Hinweis auf Förderung durch einzelne Kaiser gesehen, wie zum Beispiel bei einer Bauinschrift aus Odessus in Niedermösien, aus der man geschlossen hatte, Antoninus Pius habe im Jahr 157 eine Wasserleitung nach Odessus finanziert.50 Der griechische Text aber lautet:51
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… Zu Ehren von Imperator Caesar Antoninus Augustus Pius … hat die Polis Odessus … Wasser in einem neuen Kanal (in die Stadt) geleitet, unter der Oberaufsicht des Statthalters Vitrasius Pollio …
Dieser Text besagt wie viele andere dieser Art nur, dass die Gemeinden auf diese Weise auch im Kontext von Baumaßnahmen ihre Loyalität, vielleicht auch ihre Verehrung den Kaisern gegenüber zeigen wollten. Irgendeine aktive Beteiligung eines Kaisers an dem entsprechenden Bauwerk ist daraus nicht abzuleiten. Manchmal aber hat wohl ein Kaiser am Beginn seine Zustimmung gegeben, dass eine Gemeinde eine solche große Investition in Angriff nahm. Als besonders intensive Förderer von Städten durch die Finanzierung von Bauten gelten bis heute zumeist Hadrian und Antoninus Pius. Dabei ist nicht zu leugnen, dass sich beide intensiv um das, was aus den Gemeinden an sie herangetragen
49 So hat z.B. Hadrian in Mursa in Pannonien, das er zur colonia erhob, durch Soldaten der legio II Adiutrix ein Gebäude errichten lassen, CIL III 3280; vgl. Horster 2001, Katalog XXX 1. 50 Rémy 2005, 218–227. 51 CIL III 762 = Dessau 5751 = IGBulg I² 59.
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wurde, kümmerten. Das beweisen alleine die zahlreichen Schreiben beider an viele Städte, von denen die meisten freilich aus den östlichen, griechisch geprägten Provinzen stammen.52 Doch stehen diese Zeugnisse auch für konkretes bauliches Handeln? Für direkte Baumaßnahmen beider Kaiser in einzelnen Städten haben wir bisher freilich nur für die westlichen Provinzen eine umfassende Zusammenstellung, jedenfalls soweit das epigraphische Material darüber Auskunft gibt. Für den Osten liegt nur für die kleinasiatischen Provinzen eine scheinbar vergleichbare Arbeit vor, die allerdings methodisch gewisse Probleme aufweist,53 während in der Arbeit für die westlichen Provinzen das Material methodisch streng ausgewertet wurde.54 So lassen sich für Hadrian 23 Texte nachweisen, nach denen er in Städten des Westteils des Reiches Bauten auf seine Kosten hat errichten lassen,55 für Antoninus Pius insgesamt nur dreizehn, die ein vergleichbares aktives Handeln des Pius bezeugen. Davon zeigen allerdings vier lediglich, dass er Bauten, die bereits Hadrian begonnen hatte, fertigstellen ließ.56 Als Erbe Hadrians war es für Pius verpflichtend, die kaiserliche Förderung zu Ende zu führen. Auf ihn selbst gehen nur neun Baumaßnahmen zurück. Das sieht bescheiden aus gegenüber den 23 nachweisbaren hadrianischen Maßnahmen, die allerdings auch nicht gerade auf ein Massenphänomen hindeuten, zumal wenn man seine geradezu überbordende allgemeine Präsenz in der epigraphischen Überlieferung bedenkt. Was jedoch jenseits der Zahlen wichtig und überraschend ist: Die Texte zeigen sehr deutlich, dass beide Herrscher fast ausschließlich bauliche Maßnahmen in Italien finanziell unterstützt oder auch völlig bezahlt haben. In den westlichen Provinzen war Hadrian nur in Aleria auf Corsica, in Mursa in Pannonia inferior und in Dyrrachium an der Adriaküste der Provinz Macedonia engagiert.57 Zumindest im Fall von Mursa lässt sich das kaiserliche Handeln leicht erklären, da die Siedlung von Hadrian zur colonia ausgebaut wurde. So ist es auch nicht verwunderlich, dass in der Bauinschrift die legio II Adiutrix angeführt wird, die für die neue Kolonie etwas errichtete.58 Auch bei Pius lassen sich nur zwei oder drei Baumaßnahmen in zwei Provinzen nachweisen: Die Baumaßnahmen in Lambaesis und im nahe benachbarten vicus Verecundia in NordafAugusta,, wesrika zielen auf die aktiven Soldaten und die Veteranen der legio III Augusta halb auch beide Male der Legat der Legion beteiligt war.59 Mit der üblichen Förderung von Städten haben beide Fälle nichts zu tun; das Heer und seine Angehörigen 52 Siehe die Publikation von Oliver 1989; für beide Kaiser sind inzwischen zahlreiche neue Dokumente bekannt. Siehe dazu Anastasiadis – Souris 2000, 1–21; ferner nur beispielsweise Petzl – Schwertheim 2006. Vera Hoffmann (Wien) bereitet eine Neuausgabe aller Kaiserbriefe Hadrians vor. 53 Winter 1996, 331–334; 354–356. 54 Horster 2001, 87–89. 55 Horster 2001, 84–87. 56 Horster 2001, 87–89. 57 Horster 2001, 85 und Katalog XIII b 1, 2 und XXX 1. Für Aleria wurde vielleicht eine Wasre]fecit.. In Dyrrachium hat Hadrian wohl eine Wasserleiserleitung wiederhergestellt: [aquam re]fecit tung finanziert, siehe CIL III 9 = Ehmig – Haensch 2012, Nr. 46. 58 CIL III 3280; Horster 2001, Katalog XXX 1. 59 CIL VIII 2553. 4203. 4204. 18509 = Horster 2001, Katalog XXXV 2,11; XXXV 6.
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sind diejenigen, für die der Kaiser zu sorgen hat. Der dritte Fall führt in die Germania inferior, wo Pius wohl eine Baumaßnahme gefördert hat, um die colonia Claudia Ara Agrippinensium, die Provinzhauptstadt, mit mehr Wasser zu versorgen.60 So wie unter diesen beiden Kaisern werden auch von ihren Vorgängern und Nachfolgern immer wieder Baumaßnahmen in Städten des Reiches gefördert. Dass dabei Italien als Herzland des Reiches, das im Verlauf des 1. Jh. n.Chr. wohl auch ökonomisch gegenüber manchen Provinzen zurückgefallen ist, stärker im Fokus steht, ist nicht verwunderlich. Aber nirgendwo, auch nicht in Italien, sind die Kaiser bei der baulichen Ausgestaltung der Städte an die Stelle der Gemeinden, ihrer Amtsträger und privaten Mäzene getreten. Diese dominieren auch in Italien überall, wie nicht zuletzt die Arbeit von Camilla Campedelli über die Straßenbaumaßnahmen in den italischen Städten gezeigt hat.61 Natürlich wurden die Kaiser und ihre Amtsträger auch immer wieder bei Problemen einbezogen, wenn Städte selbst neue Bauten errichten wollten oder ältere restaurieren mussten.62 Zu fragen ist freilich, in welcher Art und wie weit sich Kaiser selbst oder über ihre Statthalter in innerstädtische Probleme baulicher Art einbeziehen ließen oder sich einmischten. Dabei ist nicht zu vergessen, dass wir nur selten direkt von Konflikten zwischen einzelnen Gruppen einer Bürgerschaft, vor allem verschiedener Gruppen der Führungsschicht erfahren. Doch es hat sie gegeben und sicher weit mehr, als uns dies direkt bezeugt ist, da epigraphische Zeugnisse, unsere Hauptquellen, darüber kaum je berichten. In den Städten gab es jedenfalls genügend Gelegenheit, Entscheidungshilfe von außen zu suchen. Aufschlussreich sind zu dieser Thematik außer einer Reihe von Pliniusbriefen auch einige Schreiben von Pius an Ephesus, in denen er deutlich seine Meinung über die Notwendigkeit bestimmter Baumaßnahmen zum Ausdruck bringt und dabei Vertreter der Vedii Antonini unterstützt – wer deren Gegner waren, wird nicht explizit erwähnt.63 Nur: entscheidet dabei der Kaiser direkt oder gibt er nur Hinweise, wie man in der Stadt verfahren solle? Kann er gegebenenfalls Magistraten einer Stadt einen Befehl erteilen, etwas zu erbauen oder auf einen Bau zu verzichten? Es gibt Zeugnisse, aus denen sich ergibt, dass eine ganz bestimmte Anordnung durch einen der Herrscher gegeben wurde. In Alexandria Troas hat Augustus die Errichtung bestimmter Bauten der colonia angeordnet: opera, quae in colonia iussu sunt.. Bei der Etablierung einer Kolonie ist dies sicher das Recht des Augusti facta sunt Gründers gewesen, wobei Augustus hier allerdings nicht einem magistratus coloniae einen Befehl erteilt; vielmehr hat ein gewisser C. Fabricius Tuscus als praefectus cohortis et operum diese Befehle ausgeführt.64 Einem Militär gab der Princeps 60 IKöln2 253; Eck 1995. Zur speziellen Haltung des Antoninus Pius siehe Eck 2017. 61 Campedelli 2014. 62 Siehe dazu Du Plessis in diesem Band über Plinius den Jüngeren und seine diesbezüglichen Mühen in Pontus-Bithynien. 63 Kokkinia 2003. 64 Inschriften von Alexandria Troas 34 = AE 1973, 501: C(aio) Fabricio C(ai) f(ilio) Ani(ensi) Tusco IIvir(o), augur(i), praef(ecto) cohort(is) Apulae et / operum, quae in colonia iussu Augusti facta sunt, trib(uno) mil(itum) leg(ionis) III Cyr(enaicae) VIII, trib(uno) dilectus ingenuorum, quem Romae habuit Augustus et Ti(berius) Caesar, praef(ecto) fabr(um) IIII, praef(ecto)
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natürlich Befehle. Ebenso hat Augustus in Venafrum durch ein Edikt bestimmt, welche Maßnahmen zum Schutz eines Aquädukts ergriffen werden mussten, was sich in zahlreichen Grenzsteinen niederschlug, auf denen es hieß: Iussu Imp(eratoris) Caesaris Augusti circa eum rivom, qui aquae ducendae causa factus est, octonos ped(es) ager dextra sinistraq(ue) vacuus relictus est65 Auf Befehl von Imperator Caesar Augustus wurden entlang des Kanals, der wegen der Leitung des Wassers erbaut worden ist, je acht Fuß Land auf der rechten und linken Seite frei gelassen.
Auch in Segovia in der Hispania Tarraconensis soll nach einer bekannten Rekonstruktion der Bronzeinschrift auf dem Aquädukt durch Géza Alföldy ein solcher Befehl gestanden haben, und zwar gerichtet an die beiden höchsten Munizipalmagistrate:66 [Imp(eratoris) Nervae Traiani Caes(aris) Aug(usti) Germ(anici) p(ontificis) m(aximi) tr(ibunicia) p(otestate) II co(n)s(ulis) II patris patriae iussu P(ublius) Mummius Mummianus et P(ublius) Fabius Taurus IIviri munic(ipii) Fl(avii) Segoviensium aquam restituerunt ?? Auf Befehl von Imperator Nerva Traianus… Augustus … haben …, die Duumviri des municipium Segovia, den Aquädukt wiederhergestellt??].67
Wenn man einmal die grundsätzliche Problematik der Rekonstruktion der Inschrift, die allein auf je einem Dübelloch pro Buchstaben beruht, beiseitelässt, dann hätte IIviri,, also den durch die Volksvernach dieser Rekonstruktion Traian den beiden IIviri sammlung des municipium Segoviensium gewählten obersten Magistraten, den Befehl gegeben, den Aquädukt zu erneuern. Doch findet sich sonst nirgendwo eine solche Formulierung, dass ein Kaiser den obersten Repräsentanten einer Stadt einen Befehl dieser Art gegeben hätte. Natürlich gibt es zahlreiche Beispiele, nach denen ein Kaiser einen Befehl erteilt hat, etwas auszuführen. Das sind dann aber AmtsträRomani,, keine munizipalen, an die sich ger des Kaisers oder der res publica populi Romani der Befehl richtet. So restituiert im Jahr 88 der Prokonsul C. Pomponius Gallus Didius Rufus iussu Imp(eratoris) Domitiani Caesaris Aug(usti) Germ(anici) (= auf Befehl des Imperator Domitianus Caesar Augustus Germanicus) der Stadt Ptolemais in der Cyrenaica Grundstücke, die von Privatleuten widerrechtlich in Besitz genommen worden waren.68 Unter Claudius hat der primipilaris L. Rufellius Severus iussu des Kaisers eine via wiederhergestellt.69 Die coloni argentariarum Dardanicarum (= Arbeiter in den dardanischen Silberbergbaugebieten) wurden von
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equit(um), alae praet(oriae) IIII, hasta pura et corona aurea donatus est a Germanico Caesare IIvir,, AuImp(eratore) bello Germanico d(ecreto) d(ecurionum) = Für C. Fabricius ..Tuscus, IIvir gur, Präfekt einer Kohorte und (damit Beauftragter) für die Bauten, die in der colonia auf Befehl von Augustus errichtet wurden, Militärtribun der legio III Cyrenaica … AE 1999, 460 und zahlreiche weitere gleichlautende Grenzsteine. AE 1992, 1034 = AE 1993, 856; vgl. Horster 2001, 364. Die eckigen Klammern sind in der Publikation von Alföldy nicht verwendet, was aber m.E. zwingend notwendig ist. AE 1954, 188. CIL V 698 = Dessau 5889.
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iussu), ), wohl ein Heiligtum für den Heros Antinoos zu errichHadrian angewiesen ((iussu ten.70 Schon erwähnt wurde, dass Prokonsul L. Aelius Lamia von Tiberius den Befehl erhalten hat, eine Straße von der Stadt Lepcis Magna ins Landesinnere anzuleRomani,, Militärs und Progen.71 Es sind stets Amtsträger der res publica populi Romani vinzstatthalter oder Kolonen eines kaiserlichen Bergwerks, die einen Befehl erhalmunicipium,, also einer unabhängigen res ten, aber nicht gewählte Magistrate eines municipium publica.. Was an dem Aquädukt von Segovia gestanden hat, das bleibt vorerst ein publica Fragezeichen, jedenfalls sicher nicht ein Befehl Traians an die Munizipalmagistrate. Das heißt wiederum nicht, dass die Gemeinden des Reichs bei ihren Baumaßnahmen oder ihren Plänen zur urbanistischen Ausgestaltung ihre Städte völlig unabhängig agieren konnten, zumindest mit fortschreitender Zeit. Ulpian hat in seinen Schriften de officio proconsulis bzw. praesidis darauf hingewiesen, dass die Statthalter auf ihrer Konventsreise bei Besuchen in einer Stadt sich um den Baubestand publica.. Soweit zu kümmern hätten, vor allem um die Heiligtümer sowie die opera publica Restaurierungen nötig seien, solle der Prokonsul munizipale curatores operum ernennen, denen er, wenn nötig auch Soldaten zur Unterstützung zuweisen könne.72 Ein solch abgeordneter Militär war der berühmte mensor Nonius Datus, der in Saldae den Gemeindeoberen schließlich half, den Tunnel durch einen Berg für die Wasserzuleitung fertig zu stellen.73 Ebenso solle der Statthalter Privatleute zwingen, ihre Bauten zu restaurieren, wenn dies nötig sei.74 Zumindest nach der rechtlichen Theorie war Rom über seine Vertreter bemüht, wenn nötig durch ihr Eingreifen das urbane Gesicht einer Stadt zu retten. In anderer Weise aber könnten Anordnungen genereller Natur die städtischen Baumaßnahmen beeinflusst haben. So sind zu verschiedenen Zeiten speziell für Rom genauere Vorschriften über Höhe von Mietshäusern, die Dicke der Mauern und der Abstände zwischen zwei Häusern, erlassen worden, nicht nur nach dem
70 AE 1972, 500. 71 Oben Anm. 22. 72 Dig. 1.16.7.1 (Ulpianus liber 2 de off. procons.): Aedes sacras et opera publica circumire inspiciendi gratia, an sarta tectaque sint vel an aliqua refectione indigeant, et si qua coepta sunt ut consummentur, prout vires eius rei publicae permittunt, curare debet curatoresque operum diligentes sollemniter praeponere, ministeria quoque militaria, si opus fuerit, ad curatores adiuvandos dare = Der Statthalter muss dafür sorgen, die Heiligtümer und öffentlichen Gebäude zur Inspektion zu umrunden, ob die Dächer in Ordnung sind oder restauriert werden müssen, und wenn welche begonnen wurden, dass sie vollendet werden, soweit es die Finanzen dieser Gemeinde erlauben, und er muss sorgfältige Aufseher für die Gebäude bestellen, auch Soldaten, wenn nötig, den curatores zur Hilfe zur Verfügung stellen. Vgl. zu einer ähnlichen Vorschrift CTh 9, 17, 2, 1 aus dem Jahr 349. 73 CIL VIII 2728 = 18122 = Dessau 5795. 74 Dig. 1.18.7 (Ulpianus liber 3 opinionum): Praeses provinciae inspectis aedificiis dominos eorum causa cognita reficere ea compellat et adversus detractantem competenti remedio deformitati auxilium ferat = Der Provinzstatthalter muss, wenn er die Gebäude inspiziert hat, deren Besitzer zwingen, sie zu restaurieren, und gegen einen, der sich weigert, mit dem richtigen Hilfsmittel gegen das hässliche Aussehen (der Gebäude) einschreiten.
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verheerenden Brand unter Nero.75 Doch ist, wenn ich das recht sehe, nicht klar, ob diese Regeln vielleicht nur für Rom und außerdem für die Gemeinden Italiens gültig waren oder doch auch für alle Gemeinden in den Provinzen. Dass Rechtsregeln, die für römische Bürger erlassen wurden, nicht automatisch auch von allen Personen mit anderem Bürgerrecht angewendet wurden, ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz.76 So wäre auch vorstellbar, dass bestimmte Regeln im Baurecht nur für Rom oder Italien Gültigkeit hatten, nicht aber generell. Manche Regeln scheinen allerpraesidis,, diesdings überall gegolten zu haben. Ebenfalls in einer Schrift de officio praesidis mal von Aemilius Macer, heißt es, ein neues opus publicum könne, wenn dafür sumptus,, d.h. Geld der Gemeinde, nötig sei, nur mit Zustimmung des Kaipublicus sumptus sers erbaut werden, was, wie Macer betont, in verschiedenen kaiserlichen Konstitutionen festgehalten sei.77 Anders verhalte es sich, wenn ein Privatmann ein solches Bauwerk finanziere; er könne das auch ohne Erlaubnis durch den Kaiser tun, außer wenn ein solches opus nur dazu diene, aus reinem Ehrgeiz mit einer anderen Stadt in der urbanen Ausstattung gleichzuziehen oder wenn es sich um ein Bauwerk circus,, ein thehandle, das zu Unruhen in der Stadt beitragen könne, wie etwa ein circus amphitheatrum.. In diesen Fällen müsse der princeps mit der Erbauatrum oder ein amphitheatrum ung einverstanden sein, es müsse seine auctoritas eingeholt werden.78 Das scheint zunächst eine klare Aussage zu sein. Allerdings ist es auffällig, dass mehrere Inschriften, die von der Errichtung eines Amphitheaters berichten, keinerlei Hinweis auf die Einholung einer solchen Erlaubnis geben. In Larinum lässt ein Senator, der frühestens gegen Ende des 1. Jh. n.Chr. lebte und starb, testamentarisch ein Amphitheater erbauen; nur sein Name erscheint auf der Bauinschrift, niemand hat nach diesem Text eine Erlaubnis gegeben.79 Kurz nach dem Jahr 81 lässt der Eroberer von Masada, L. Flavius Silva Nonius Bassus, in seiner Heimatstadt Urbs Salvia ein recht großes Amphitheater erbauen, in seinem Namen sowie im Namen seiner Mutter und seiner Frau.80 Auch hier ist nichts von einer Erlaubnis durch den Herrscher 75 Tacitus, ann. 15, 43. Troesmensium;; danach ist ein 76 Besonders eklatant zeigt sich dies erneut in Kapitel 27 der lex Troesmensium municipium civium Romanorum verpflichtet, die Regeln der lex Papia Poppaea bei den Wahlen zu den städtischen Magistraturen zu beachten (Eck 2016, 589–594); das gilt jedoch nicht für die latinischen Gemeinden, in deren Gesetzen deshalb auch entsprechende Hinweise fehlen. 77 Dig. 50.10.3.1 (Macer liber 2 de off. praesidis): Publico vero sumptu opus novum sine principis auctoritate fieri non licere constitutionibus declaratur = Ein neues Gebäude darf mit öffentlichen Geldern nicht ohne Zustimmung des Princeps errichtet werden, was durch kaiserliche Erlasse bestimmt ist. 78 Dig. 50.10.3pr. (Macer liber 2 de off. praesidis): Opus novum privato etiam sine principis auctoritate facere licet, praeterquam si ad aemulationem alterius civitatis pertineat vel materiam seditionis praebeat vel circum theatrum vel amphitheatrum sit = Ein neues (öffentliches) Gebäude darf ein Privatmann auch ohne ausdrückliche Zustimmung des Princeps errichten, außer wenn es dazu dient, eine andere Gemeinde nachzuahmen oder Gelegenheiten für Unruhen bietet, wie ein Circus, ein Theater oder ein Amphitheater. 79 CIL IX 731 = AE 1991, 513. 80 Eck 1970, 93–111; AE 1969/70, 183a: [L(ucius) Flavius -- f(ilius) V]el(ina) Silva Nonius Bassus co(n)s(ul), pont(ifex), [legat(us) Aug(usti) pro pr(aetore) p]rovinciae Iudaeae, adlectus inter patricios [a divo Vespasiano et] divo Tito censoribus, ab iisdem adlectus inter pr(aetorios),
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gesagt, ebenso wenig in der Bauinschrift des Amphitheaters von Casinum, das von Ummidia Quadratilla errichtet wurde,81 einer bemerkenswerten Dame aus senatorischer Familie, über die auch Plinius d. J. einen lesenswerten Brief geschrieben hat.82 Und schließlich hat nicht weit von Wien in Carnuntum ein C. Domitius ZmaCarnuntum,, ein [a]mphitheatrum imragdus, ein decurio im municipium Aelium Carnuntum pens[a sua] solo publico fec(it) = Gaius Domitius Zmaragdus, Ratsherr im municipium Aelium Carnuntum, hat ein Amphitheater auf öffentlichem Grund aus seinen persönlichen Mitteln errichten lassen.83 Diese Texte stehen in einem deutlichen Kontrast zu der Aussage des Juristen.84 Wie ist das zu erklären? Zwei Erklärungen bieten sich wohl an. Aemilius Macer hat in severischer Zeit geschrieben. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass die Regel im 1. und früheren 2. Jh., also in der Zeit, in die die zitierten Inschriften gehören, noch nicht gegolten hat. Allerdings zeigen drei Inschriften aus Virunum, dass auch in der Zeit der Maximini, also zwischen 235 und 238, dort von einem Privatmann ein Amphitheater über eine lange Strecke hinweg neu erbaut und entsprechend ausgestattet wurde.85 Es scheint deshalb möglich, dass man sich über diese Regel hinweggesetzt hat oder – was vielleicht eher anzunehmen ist – einfach von dieser Regel nichts gewusst hat. Dass alle römischen Amtsträger in den Provinzen alle Rechtsvorschriften kannten, braucht man nicht anzunehmen. In einem Schreiben von Septimius Severus und Caracalla an eine namentlich nicht bekannte Person, wohl einen Amtsträger in der Provinz Asia, heißt es immerhin: videris nobis s(enatus) [co(nsultum)] ignorare, qui, si cum [pe]ritis contuleris, [sc]ies, sen[a]tori p(opuli) R(omani) nece[ss]e non esse invito hospitem suscipere
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legat(us) leg(ionis) XXI Rap(acis), [trib(unus) pleb(is), quaest(or), trib(unus) mi]l(itum) leg(ionis) IIII Scithicae, IIIvir kapitalis, quinq(uennalis) II, patron(us) colon(iae) suo et [--]ttae matris suae item [--]millae uxoris nomine pecuni[a sua solo suo amphitheatrum faciendu]m curavit = Lucius Flavius Silva…Patron der Kolonie, hat in seinem Namen, und dem seiner Mutter …, ebenso seiner Frau …, aus seinen eigenen Mitteln auf seinem eigenen Boden das Amphitheater erbauen lassen. Dazu in Kürze eine umfassende Vorlage des gesamten Inschriftenmaterials zu dem Amphitheater, aus dem die Inschrift stammt, durch G. Paci. CIL X 5183 = Dessau 5628. Plinius, ep. 7, 24. CIL III 14359,2 = Dessau 7121. Vgl. z. B. noch CIL XI 3938 = Dessau 6589. AE 2004, 1072: Pro salute dd(ominorum) nn(ostrorum) Imper(atorum) [[Maximini et Maximi]] Caes(arum) Augg(ustorum) C(aius) Cassius Honoratus murum longitudinis p(edum) XXXX ruina conlapsum a solo restituit et podium amp(h)itheatri opere tectorio cum pictura muneris sui exornavit et portam novam fecit Idibus Mai(i)s Perpetuo et Corneliano co(n)s(ulibus) = Für das Heil unserer Herren Imperatores… hat C. Cassius Honoratus die Mauer, die auf einer Länge von 40 Fuß eingestürzt war, von Grund auf erneuert und das Podium des Amphitheaters verputzen, mit einem Gemälde des von ihm veranstalteten Gladiatorenspiels schmücken und ein neues Tor erbauen lassen. An den Iden des Mai unter den Konsuln Perpetuus und Cornelianus.
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Werner Eck Du scheinst das senatus consultum nicht zu kennen, nach dem ein Senator des römischen Volkes keinen staatlichen Gast in seinem Haus gegen seinen Willen aufnehmen muss. Wenn du dich bei Rechtskundigen informierst, wirst du das wissen.86
Leute wie ihn, die nicht genau über alle rechtlichen Bestimmungen unterrichtet waren, hat es, wenn man es realistisch betrachtet, öfter gegeben. Mit diesen Ausführungen ist der weite Horizont von Struktur und Organisation staatlich-städtischen Bauens in der Kaiserzeit nicht erschöpft. Doch sind, wie ich hoffe, wesentliche Grundzüge des Gesamtphänomens wohl deutlich geworden. Das Phänomen ist insgesamt aber noch weit vielgestaltiger, insbesondere bei all dem gilt, was in den Gemeinden des Reiches möglich war. Die Städte des Imperiums sind ein wesentlicher Partner der Kaiser gewesen, in dem Bemühen, die römische Welt durch Bauten zu gestalten. Nicht wenige bezeugen bis heute Rom und seine Größe. Bibliographie K. Alhaiti – Ch. Bouchaud – N. Delhopital – C. Durand – Z. T. Fiema – Y. Gerber – L. Nehmé – J. Studer – L. Tholbecq – F. Villeneuve, Madain Salih Archaeological Project. Report on the 2015 Season, 2015. V. I. Anastasiadis – G. A. Souris, An Index to Roman Imperial Constitutions from Greek Inscriptions and Papyri, Berlin 2000. M. T. Boatwright, Hadrian and the Cities of the Roman Empire, Princeton 2000. C. Campedelli, L”amministrazione municipale delle Strade Romane in Italia, Bonn 2014. M. Crawford, Roman Statutes I/II, London 1996. Ph. Deeg, Die Bauinschrift auf dem Druckrohraquädukt in Patara. Ein Beitrag zur historischen Katastrophenforschung, Orbis terrarum 12 (2014) 65–75. Th. Drew-Bear – W. Eck – P. Herrmann, Sacrae Litterae, Chiron 7 (1977) 355–383. W. Eck, Senatoren von Vespasian bis Hadrian. Prosopographische Untersuchungen mit Einschluß der Jahres- und Provinzialfasten der Statthalter, München 1970. W. Eck, Die staatliche Organisation Italiens in der Hohen Kaiserzeit, München 1979 = L”Italia nell”Impero Romano. Stato e amministrazione in epoca imperiale, Bari 21999. W. Eck, Niedergermanische Statthalter in Inschriften aus Köln und Nettersheim, BJ 184 (1984) 97– 115. W. Eck, Prosopographica II, ZPE 106 (1995) 249–254. W. Eck, Der Euergetismus im Funktionszusammenhang der kaiserzeitlichen Städte, in: M. Christol – O. Masson (Hg.), Actes du Xe Congrès International d” Épigraphie Grecque et Latine, Paris 1997, 306–331. W. Eck, Antoninus Pius als Stifter eines Aquädukts für die Colonia Claudia Ara Agrippinensium?, Kölner Jahrbuch 28 (1995 [1997]), 631–634. W. Eck – H. •—kan-I—ik – H. Engelmann, Der Leuchtturm von Patara und Sex. Marcius Priscus als Statthalter der Provinz Lycia von Nero bis Vespasian, ZPE 164 (2008) 91–121. W. Eck, Die lex Troesmensium: ein Stadtgesetz für ein municipium civium Romanorum. Publikation der erhaltenen Kapitel und Kommentar, ZPE 200 (2016) 565–606. W. Eck, Die Städte des Reiches und ihr kaiserlicher ˜Euerget™: Antoninus Pius” Politik gegenüber den Städten des Imperiums, in: P. Mittag – Ch. Michels (Hg.), Jenseits des Narrativs. Antoninus Pius in den nicht-literarischen Quellen, Stuttgart 2017, 204–217. 86 Drew-Bear – Eck – Herrmann 1977 = AE 1977, 807; vgl. CIL III 14203, 8.
Struktur und Organisation staatlich-städtischen Bauens in der Kaiserzeit
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DIE HAFTUNG FÜR BAUMÄNGEL IM RÖMISCHEN RECHT Wolfram Buchwitz Eines der größten Risiken beim Bauen sind Mängel, die während oder nach Abschluss der Arbeiten am Gebäude auftreten. Ist das Bauwerk nicht von der Qualität, die der Bauherr erwartet, kann dies die Nutzbarkeit des Gebäudes einschränken oder sogar aufheben. Im schlimmsten Fall ist die Standsicherheit des Gebäudes so stark beeinträchtigt, dass es aufgrund der Baumängel gar nicht genutzt werden kann, aber auch bei weniger gravierenden Mängeln ist jedenfalls der ästhetische Eindruck beeinträchtigt. Der vorliegende Beitrag analysiert die Haftung für Baumängel im römischen Recht während der Zeit des Prinzipats. Ein Schwerpunkt wird dabei auf eine Besonderheit des römischen Rechts gelegt: den Ausschluss der Mängelhaftung nach der Abnahme des Bauwerks. 1. Baumängel in der römischen Antike Mit Baumängeln hatte die Antike genauso zu kämpfen wie die heutige Zeit. Welches Ausmaß Baumängel annehmen konnten und welche Maßnahmen zur Behebung unternommen wurden, geht etwa aus dem folgenden Bericht Plinius’ hervor: Plin. epist. 10, 39, 1–2: C. Plinius Traiano Imperatori Theatrum, domine, Nicaeae maxima iam parte constructum, imperfectum tamen, sestertium ut audio; neque enim ratio operis excussa est amplius centies hausit: vereor ne frustra. Ingentibus enim rimis desedit et hiat, sive in causa solum umidum et molle, sive lapis ipse gracilis et putris: dignum est certe deliberatione, sitne faciendum an sit relinquendum an etiam destruendum. Nam fulturae ac substructiones, quibus subinde suscipitur, non tam firmae mihi quam sumptuosae videntur. C. Plinius an den Kaiser Trajan Herr, das Theater von Nikaia ist schon zum größten Teil errichtet worden, jedoch mangelhaft, und es hat – wie ich gehört habe, eine Abrechnung ist nämlich noch nicht erstellt worden – mehr als zehn Millionen Sesterzen verschlungen. Ich fürchte, dieser Aufwand war vergebens. Es tun sich nämlich gewaltige Risse auf, das Theater sackt ab und klafft auf, was entweder daran liegen kann, dass der Boden feucht und weich ist, oder dass der verwendete Stein dünn und mürbe ist. Jedenfalls muss man überlegen, ob das Theater fertiggestellt werden soll, ob man es im derzeitigen Zustand belässt, oder ob man es sogar abreißt. Denn die Stützen und der Unterbau, die man sogleich errichtet hat, erscheinen mir nicht so stabil zu sein, wie sie kostspielig waren.1
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Die Übersetzungen sind, soweit nicht anders angegeben, vom Autor.
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Das Theater von Nikaia in Bithynien, dem heutigen znik, war ein stattliches Bauwerk von 85 m x 55 m Größe, wie die noch heute vorhandenen Ruinen zeigen.2 Die immensen Kosten für dieses Gebäude waren aus dem Gemeindehaushalt bestritten worden. Während der Bauphase waren allerdings schon die von Plinius näher beschriebenen Baumängel in Gestalt von großen Rissen im Mauerwerk aufgetreten. Bemerkenswert ist zunächst, dass Plinius detaillierte Vermutungen zu den Ursachen der Baumängel anstellt: Nach seiner Darstellung können diese entweder durch ungeeigneten Baugrund oder durch ungeeignetes Material verursacht worden sein. Die dritte mögliche Erklärung für Baumängel, nämlich eine mangelhafte Arbeitsleistung des Bauunternehmers, wird von Plinius dagegen nicht erwähnt. Offenbar spielte sie keine große Rolle. Die Klärung der Ursachen ist bei Plinius vor allem für die Frage relevant, wie die Mängel beseitigt werden können. Allerdings sind die Ursachen von Baumängeln natürlich auch für deren rechtliche Bewertung von großer Bedeutung, wie sogleich zu zeigen ist. Auffällig ist weiterhin, dass die Gemeinde Nikaia noch während der Bauphase ) und ) errichten ließ. Für diese Kosten scheint die Gemeinde aufgekommen zu sein, da sie als sumptuosae bezeichnet werden. Offenbar waren aber anschließend noch weitere Mängel in Form von Rissen im Gebäude aufgetreten, die von Plinius hier beschrieben werden. Es ist zu vermuten, dass die Baumängel von Plinius übertrieben geschildert worden sind. Schon die ersten Archäologen, welche die Theaterruine 1943 in Augenschein nahmen, konnten nämlich keine Bauschäden an den Substruktionen erkennen.3 Auch die detaillierten Grabungsberichte (seit 1980) enthalten keine entsprechenden Schlussfolgerungen.4 Weiterhin ist anzunehmen, dass von den drei Optionen, die Plinius nennt, die erste gewählt und das Theater fertig gebaut worden ist. Zwar ließen sich während der Ausgrabungen insoweit keine sicheren archäologischen Feststellungen treffen.5 Jedoch wurden zahlreiche Fragmente von Bauschmuck gefunden, die zeigen, dass eine Ausschmückung des Theaters mit wertvollen Steinmetzarbeiten stattgefunden hatte, außerdem fanden sich Statuensockel für zwei Bürger der Stadt mit Inschriften aus dem 2. Jh. n.Chr. und weitere Figuren von der Skene, welche die prachtvolle Ausstattung des Theaters demonstrieren.6 Diese künstlerischen Arbeiten wird man erst nach der Vollendung der Bauarbeiten ausgeführt haben. Zerstört wurde das Theater ab dem 8. Jh. n.Chr., als der byzantinische Kaiser Leo III. die Stadt gegen
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Schneider 1943, 8 f.; s. schon Pococke 1745, 123 („very magnificent“). Schneider 1943, 9; Sherwin-White 1966, 617; Sear 2006, 358. Yalman 1981 bis 2006. Yalman 1981, 34, hatte diese für die Folgezeit angekündigt, doch zerschlug sich diese Hoffnung offenbar, vgl. ders. 1983, 220. Yalman 1985, 580 f.; 590 f.; 1992, 428; 430; 1995, 352.
Haftung für Baumängel
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die Araber verteidigte und zu diesem Zweck mit den Steinen des Theaters die Stadtmauern verstärken ließ, wo sie heute noch zu sehen sind.7 Auch die später errichteten Kirchen wurden mit Spolien des Theaters erbaut.8 Doch unabhängig davon, wie gut Plinius’ Bericht die Baugeschichte des Theaters in Nikaia tatsächlich widerspiegelt, zeigt er jedenfalls die größeren politischadministrativen Dimensionen von Baumängeln und veranschaulicht auch einige technische Probleme, mit denen man bei der Errichtung von Gebäuden zu rechnen hatte. Um die technischen Einzelheiten antiker Bautätigkeit und die daraus möglicherweise resultierenden Baumängel weiter zu präzisieren, soll auf einen Text von Vitruv eingegangen werden, aus dem einige Entstehungsursachen für verdeckte Baumängel hervorgehen: Vitr. 2, 3, 1–2 Itaque primum de lateribus, qua de terra duci eos oporteat, dicam. [...] Itaque cum recentes et non aridi sunt structi, tectorio inducto rigidoque obsolidato permanente; ipsi sidentes non possunt eandem altitudinem qua est tectorium, tenere, contractioneque moti non haerent cum eo, sed ab coniunctione eius disparantur; igitur tectoria ab structura seiuncta propter tenuitatem per se stare non possunt, sed franguntur, ipsique parietes fortuito sidentes vitiantur. Daher werde ich zuerst über die Ziegel und über die Erdmasse, aus der sie gestrichen werden müssen, sprechen. [...] Daher können sie, wenn sie frisch und nicht völlig trocken verbaut sind, nachdem Verputz darüber gelegt ist und dieser schnell sich verhärtend starr bleibt, infolge ihrer eigenen Schrumpfung nicht die gleiche Höhe wie der Verputz behalten und hängen, durch die Schrumpfung in Bewegung versetzt, nicht mehr mit ihm zusammen, sondern lösen sich aus der Verbindung mit ihm. So kann der Verputz, vom Mauerwerk gelöst, wegen seiner geringen Dicke nicht für sich stehen, sondern er bricht, und die Wände selbst, die sich von ungefähr setzen, werden schadhaft.9
Aus dieser sehr anschaulichen Schilderung Vitruvs geht die technische Perspektive hervor, welche er als Architekt in erster Linie behandelt. An anderer Stelle geht er allerdings auch auf mögliche rechtliche Folgen von Baumängeln ein.10 Jedenfalls zeigt sich, dass gerade der Ziegelbau mit luftgetrockneten Lehmziegeln ein besonderes Risiko für Baumängel in sich barg: Zunächst mussten diese Ziegel aus dem richtigen Boden geformt werden, was Vitruv näher ausführt. Sodann war es von größter Bedeutung, die Ziegel lange genug trocknen zu lassen, bis sie vollständig durchgetrocknet waren. Dies konnte zwei oder sogar fünf Jahre lang dauern.11 Wenn man unvollständig getrocknete Ziegel verbaute, trockneten diese nach, schrumpften, und bewirkten eine Senkung der gesamten Wand. Dadurch löste sich einerseits der Putz ab, andererseits entstanden so Risse und Schäden im ganzen Mauerwerk. Außerdem waren Lehmziegelmauern feuchtigkeitsanfällig, sodass sie
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Yalman 1982, 233; 1983, 220; 1987, 299; 1988, 341. Yalman 1992, 427. Übersetzung: Fensterbusch 1964. Vitr. 10 praef. 1–2 zu einem Gesetz aus Ephesus, das Architekten dafür haftbar machte. Vgl. näher Vitr. 2, 3, 2.
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oben mit einer Schicht gebrannter Ziegel abgeschlossen werden mussten. Anderenfalls konnte bei Schadhaftigkeit des Daches auch die Wand schnell Schaden nehmen.12 Die Beschreibung ließe sich im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Baumängel und deren jeweilige Ursachen beliebig fortsetzen. Schon aus den beiden Texten von Plinius und Vitruv lässt sich aber eine wichtige Unterscheidung ersehen, die auch für die rechtliche Behandlung der Baumängel von Bedeutung ist: Es ist zu unterscheiden zwischen Baumängeln, die während der Herstellungsphase des Bauwerks auftreten, und versteckten Baumängeln, die erst nach der Herstellung und Abnahme des Gebäudes auftreten. Die Risse im Theaterbau von Nikaia zeigten sich noch vor imperfectum tamen tamen)) und hätten daher nach römischem Fertigstellung des Theaters ((imperfectum Recht grundsätzlich von den dort tätigen Bauunternehmern noch beseitigt werden müssen, wie sogleich im Einzelnen zu zeigen ist. Bei den von Vitruv erwähnten Rissen im Lehmziegelmauerwerk handelt es sich dagegen um Schäden, die typischerweise erst nach dem Verputzen der Wand und nach Fertigstellung des Gebäudes sichtbar werden, wenn die Ziegel langsam nach und nach weiter durchtrocknen und die Wand dann rissig wird, oder wenn sich nach längerer Zeit herausstellt, dass die Lehmziegelwand nicht mit gebrannten Ziegeln abgeschlossen wurde und daher bei starkem Regen Schaden nimmt. Für diese Arten von Schäden, die erst nach der Abnahme zutage treten, war der Bauunternehmer grundsätzlich nicht verantwortlich, obwohl er sie durch die mangelhafte Errichtung verursacht hatte. 2. Kategorien von Baumängeln im Römischen Recht Die rechtliche Bedeutung der Unterscheidung zwischen offenen Baumängeln, die während der Herstellungsphase auftreten, und versteckten Mängeln, die erst nach Fertigstellung und Abnahme auftreten, wird etwa in folgender Abhandlung der Juristen Labeo und Paulus deutlich. Labeo schrieb in augusteischer Zeit und hinterließ ein Werk mit dem Namen „Pithana“, welches rund 200 Jahre später von Paulus kommentiert wurde: Dig. 19, 2, 62: Labeo libro primo pithanorum Si rivum, quem faciendum conduxeras et feceras, antequam eum probares, labes corrumpit, tuum periculum est. Paulus: immo si soli vitio id accidit, locatoris erit periculum, si operis vitio accidit, tuum erit detrimentum. Labeo im 1. Buch der Überzeugenden Rechtssätze Wenn du den Bau eines Kanals übernommen und durchgeführt hast und der Kanal einbricht, bevor du seine Vertragsmäßigkeit dargetan hast, trägst du die Gefahr. Paulus: Ganz im Gegenteil, wenn der Schadensfall auf der mangelnden Standfestigkeit des Bodens beruht, trägt der Besteller die Gefahr; beruht er dagegen auf mangelhafter Ausführung des Werkes, fällt der Schaden dir zur Last.13
12 Vitr. 2, 8, 18; zur Ziegelherstellung vgl. jetzt Buonopane – Di Stefano Manzella 2017. 13 Übersetzung: Behrends – Knütel – Kupisch – Seiler [– Luig] 1999, 592 f.
Haftung für Baumängel
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Hier geht es um den Bau eines Kanals, also wohl einer Be- oder Entwässerungsleitung, der rechtlich genauso behandelt wurde wie der Bau eines Gebäudes. Der Kanal war während der Bauphase noch vor der Abnahme eingestürzt. Die Wortwahl antequam eum probares nimmt auf die üblicherweise mit probatio oder adprobatio bezeichnete Abnahme Bezug. Labeo entscheidet, dass dieser Einsturz auf Gefahr des Bauunternehmers erfolgt, der Bauunternehmer also keinen Lohn für seine bisher geleistete Arbeit erhält.14 Aus dieser Entscheidung erhellt die rechtliche Bedeutung der Abnahme: Mängel, die vor der Abnahme auftraten, gingen zu Lasten des Bauunternehmers. Er erhielt keinen Lohn für seine Arbeit bzw. musste das Bauwerk erneut fehlerfrei herstellen, um seinen Lohn zu erhalten. Vor diesem Hintergrund ist zunächst verwunderlich, warum Plinius eine mögliche Haftung der Bauunternehmer für die im Theater von Nikaia aufgetretenen Mängel überhaupt nicht erwähnt. Es ließe sich ja durchaus darüber nachdenken, die Bauunternehmer, welche im Auftrag der Gemeinde das Theater errichtet hatten, für die Kosten haftbar zu machen, die für die nes ) erforderlich geworden waren. Daran hatte aber weder die Gemeinde gedacht, welche die Mängelbeseitigungskosten selbst ge), noch Plinius selbst, als er über die Maßnahmen nachdachte, mit denen die anschließend aufgetretenen weiteren Schäden zu beseitigen seien. Einerseits ließe sich in diesem Ausschluss der Haftung der Bauunternehmer eine Besonderheit des griechisch-hellenistischen Rechtskreises sehen. Die Rechtsverhältnisse zwischen der Gemeinde und den Bauunternehmern werden sich in Nikaia nicht nach römischem Recht, sondern nach dem dortigen Ortsrecht gerichtet haben. Allerdings verlief die Vergabepraxis bei Bauprojekten in Rom und in Griechenland auf so ähnliche Art und Weise, dass von größeren Unterschieden in den Rechtsvorstellungen nicht ohne Weiteres ausgegangen werden kann. Die Vergabe von Bauaufträgen und die üblichen vertraglichen Regelungen mit den Bauunternehmern hatten sowohl in Griechenland wie in Rom eine ähnliche Struktur, sodass von einer üblichen antiken Baupraxis gesprochen werden kann.15 Eher ist anzunehmen, dass die konkrete Vergabepraxis beim Theaterbau eine Inanspruchnahme der Bauunternehmer verhinderte. Große Gebäude wurden nämlich meist nicht als Ganzes vergeben, sondern nach einzelnen Abschnitten, die Gewerke oder Baulose genannt werden. Die Bauunternehmer wurden daher jeweils schon nach Fertigstellung der entsprechenden Teilabschnitte von ihrer Verantwortung für Mängel frei. Wenn sich im Anschluss an die Fertigstellung bestimmter Abschnitte Schäden am Gebäude zeigten, konnte man diese oft schon tatsächlich 14 Dazu zuletzt du Plessis 2012, 80 f.; s.a. Müller 2002, 69–74; Rainer 1992, 518–524; Ries 1989, 137; Martin 1986a, 425–434; dies. 1986b, 425–436; Wubbe 1982, 241–251; ders. 1980, 131–147; Kaser 1957, 188–191. 15 Vgl. dazu näher die Beiträge von G. Thür, P. Long und S. Prignitz in diesem Bande, welche die griechische Baupraxis zeigen, sowie S.D. Martin 1989 und W. Buchwitz 2009, woraus die römische Baupraxis ersichtlich ist; zum Vergleich zwischen den beiden Rechtsordnungen Düll 1952, 423–427; Kaufmann 1964, 275 ff.
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nicht mehr einem bestimmten Bauunternehmer zuordnen; jedenfalls war aber die Abnahme für die einzelnen Teilgewerke schon erfolgt, sodass keine Haftung der Bauunternehmer mehr bestand. Aus diesem Grund werden weder die Gemeinde Nikaia noch Plinius die Abwälzung der auftretenden Mehrkosten auf die ausführenden Bauunternehmer erwogen haben. Auf diesen Ausschluss der Mängelhaftung nach Abnahme ist sogleich noch näher zurückzukommen. Zuvor soll allerdings noch auf die Ergänzung des Juristen Paulus in Dig. 19, 2, 62 eingegangen werden. Dieser bejaht die Haftung des Bauunternehmers auch während der Herstellungsphase nicht für jeden Mangel, sondern differenziert vitium soli soli)) oder danach, ob der Einsturz des Kanals auf einem Fehler des Bodens ((vitium vitium operis operis)) beruht, wobei mit opus hier die einem Fehler der Bauausführung ((vitium Herstellungsleistung, also die Arbeit des Bauunternehmers, gemeint ist. Diese Unterscheidung ist von großer Bedeutung, da sie den Bauunternehmer bei solchen Mängeln entlastet, die auf der Beschaffenheit des Baugrundes beruhen.16 Grund dafür ist, dass der Bauunternehmer keinen Einfluss auf die Standfestigkeit des Bodens hat, sondern dies ein Umstand ist, der aus dem Einflussbereich des Bauherrn stammt, dem der Boden in der Regel gehört. Übertragen auf den Bericht des Plinius zeigt sich damit, dass dessen Suche nach den Ursachen für die Risse im Theaterbau durchaus von rechtlicher Bedeutung war: lapis gracilis et putris putris), ), hätte Beruhten die Risse auf ungeeignetem Baumaterial ((lapis man eher darüber nachdenken können, sich an die Bauunternehmer zu wenden, als molle). ). umidum et molle Ein konkreter Rechtssatz lässt sich aus dem Bericht Plinius’ natürlich nicht herleiten. Insgesamt zeigt sich jedoch im Ergebnis sehr deutlich, dass zwischen den folgenden drei Kategorien von Baumängeln zu unterscheiden ist: (1) Mängel des Baugrundes (2) Mängel des Baumaterials (3) Mängel der Bauausführung Während in Fall (1) in der Regel der Bauherr den Schaden trägt, ist der Bauunternehmer in der Regel in Fall (3) verantwortlich. In Fall (2) wird es davon abhängen, wer die Materialien zu beschaffen hatte. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Übergänge zwischen diesen Kategorien fließend sind. Wenn der Bauunternehmer hätte erkennen müssen, dass der Boden für die Errichtung eines schweren Theaterbaus zu weich ist, kann man auch einen Mangel der Bauausführung annehmen, ebenso, wenn der Bauunternehmer hätte erkennen müssen, dass die vom Bauherrn angelieferten Steine für den Bau zu dünn und mürbe sind. Aus den drei Kategorien von Baumängeln, welche aus den antiken Quellen ersichtlich sind, lassen sich damit im Ergebnis keine schematisch anwendbaren Rechtsregeln herleiten, doch zeigen sie die Faktoren, welche von den Juristen bei 16 Aus ähnlichen Gründen wurde der Bauunternehmer auch bei höherer Gewalt (Erdbeben) entlastet, Dig. 19, 2, 59 (Iav. 5 Lab. post.).
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der Bewertung, wer für einen Baumangel verantwortlich war, mit herangezogen wurden. 3. Ausschluss der Mängelhaftung nach Abnahme Bei der Frage, wer für einen Baumangel haftbar gemacht werden konnte, waren allerdings nicht nur die möglichen technischen Ursachen des Baumangels von Bedeutung. Genauso entscheidend war die zeitliche Dimension, mithin die Frage, wann der Mangel zuerst auftrat und wann er entdeckt wurde. Wie angesichts des Theaterbaus in Nikaia schon ersichtlich geworden ist, war es von Bedeutung, ob der Mangel vor der Fertigstellung und Abnahme des Gebäudes oder erst nachträglich aufgetreten war. Die rechtliche Dimension dieser Unterscheidung ist aus dem ansoeben besprochenen Text von Labeo deutlich geworden: Vor der Abnahme ((anprobares)) gehen Baumängel grundsätzlich zu Lasten des Unternehtequam eum probares mers, nach der Abnahme zu Lasten des Bestellers. Dieser Grundsatz geht in noch größerer Deutlichkeit aus folgender Quelle hervor: Dig. 19, 2, 24 pr.: Paulus libro trigesimo quarto ad edictum Si in lege locationis comprehensum sit, ut arbitratu domini opus adprobetur, perinde habetur, ac si viri boni arbitrium comprehensum fuisset, idemque servatur, si alterius cuiuslibet arbitrium comprehensum sit: nam fides bona exigit, ut arbitrium tale praestetur, quale viro bono convenit. idque arbitrium ad qualitatem operis, non ad prorogandum tempus, quod lege finitum sit, pertinet, nisi id ipsum lege comprehensum sit. quibus consequens est, ut irrita sit adprobatio dolo conductoris facta, ut ex locato agi possit. Paulus im 34. Buch zum Edikt Wenn in den Vergabebedingungen eines Werkvertrages vereinbart worden ist, daß der Eigentümer das Werk nach seinem Ermessen als vertragsgemäß anerkennen soll, dann wird das so angesehen, daß die Vereinbarung das Ermessen eines redlichen Mannes meint. Und dasselbe wird angenommen, wenn die Vereinbarung auf das Ermessen eines beliebigen Dritten verweist. Denn Treu und Glauben gebieten, daß das Ermessen so ausgeübt wird, wie es sich für einen redlichen Mann gehört. Dieses Ermessen betrifft die Beschaffenheit des Werkes und nicht eine Verlängerung der Frist, die in den Vertragsbestimmungen festgelegt war, es sei denn, gerade das ist im Vertrag bestimmt worden. Daraus folgt, daß eine durch Arglist des Unternehmers erreichte Billigung nichtig ist, so daß mit der Klage aus Werkvertrag vorgegangen werden kann.17
Dieser Text, ebenfalls von Paulus, enthält eine umfangreiche Auseinandersetzung ) im System des römischen Bauvertragsrechts. Zunächst gibt Paulus eine Klausel wieder, die in einem Bauvertrag verwendet worden ist. Nach dieser Vertragsbestimmung hatte die Abnahme des Bauwerks arbitratu domini,, also nach dem Ermessen des Bauherrn, zu erfolgen. Der Jurist führt dazu aus, mini dass dieses Ermessen nicht nach Belieben ausgeübt werden darf, der Bauherr also die Abnahme nicht willkürlich verweigern darf. Vielmehr ist diese Vertragsklausel
17 Übersetzung: Behrends – Knütel – Kupisch – Seiler [– Luig] 1999, 571.
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vir bonus bonus)) gebunden ist. Mithin durfte er die Abnahme eines „redlichen Mannes“ ((vir nur dann verweigern, wenn das Werk tatsächlich nicht korrekt nach den Vertragsbestimmungen hergestellt worden war. Insofern wird ausdrücklich hinzugefügt, qualitas operis operis)) bedass sich das Ermessen auf die Güte des hergestellten Werks ((qualitas zieht, nicht aber auf die Zeit, die im Vertrag festgelegt ist. Damit muss die Zeit der Abnahme gemeint sein: Wenn die Abnahme zu einem bestimmten oder bestimmbaren Datum zu erfolgen hatte, konnte der Besteller sie nicht willkürlich hinauszögern. Dadurch hätte er nämlich die Zahlung des Lohnes und den Übergang der Gefahr verzögern können.18 Im letzten Satz zieht Paulus eine weitere Schlussfolgerung aus diesen Ausfühirrita), ), wenn sie durch Arglist des rungen zur Abnahme: Die Abnahme ist nichtig ((irrita Bauunternehmers bewirkt wurde. Hatte der Bauunternehmer also von einem Mangel Kenntnis und behauptete gegenüber dem Bauherrn dennoch, er habe das Bauwerk korrekt hergestellt, konnte er sich nicht darauf berufen, dass der Bauherr die Abnahme erklärt hatte. Vielmehr wurde die Abnahme in diesem Fall als unwirksam angesehen, sodass der Bauherr gegen den Bauunternehmer aus der actio locati klagen konnte. Die actio locati war eine Klage, die aus dem Bauvertrag vor dem Prätor erhoben werden konnte. Sie stand dem locator zu, also demjenigen, der den Bau in Auftrag gegeben hatte. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Bauvertrag im römischen Vertragsrecht schon dann verbindlich war, wenn zwischen den Parteien eine Willenseinigung vorlag. Es waren keine Formalitäten erforderlich, auch wenn natürlich zu Beweiszwecken meist eine Urkunde erstellt wurde. Aus diesem conducti.. formfreien Bauvertrag folgten zwei Klagen, die actio locati und die actio conducti conductor,, also der Bauunternehmer, gegen den Mit der actio conducti konnte der conductor Bauherrn vorgehen, etwa wenn er seinen Lohn nicht erhalten hatte. Umgekehrt konnte der Bauherr gegen den Bauunternehmer mit der actio locati nicht nur bei Baumängeln klagen, sondern auch in anderen Fällen, in denen dieser ihm etwas schuldete, etwa die Rückzahlung der Anzahlung bei Nichtausführung der Bauarbeiten. Im vorliegenden Fall ist von der actio locati als einer Klage die Rede, mit der wegen Baumängeln gegen den Unternehmer vorgegangen werden kann, da der Unternehmer diese Mängel arglistig verschwiegen hatte. Der Jurist sagt nicht, was der Bauherr aus dieser Klage konkret verlangen kann. Der Grund für dieses Schweigen ist darin zu sehen, dass der Jurist hier nur das Edikt des Prätors edictum.. In diesem Zusammenhang kommentiert, es handelt sich um ein Buch ad edictum war nur von Interesse, ob der Prätor überhaupt eine Klage gegen den Unternehmer erteilt. Der konkrete Geldbetrag, den der Unternehmer dann aus dieser Klage zu zahlen hat, wird erst in einem daran anschließenden Verfahren vor dem Richter bestimmt.19 Es lässt sich aber vermuten, dass der Unternehmer zumindest einen Teil des empfangenen Lohnes zurückzahlen muss, oder dass er sogar auf die
18 Dazu und zu abweichenden Erklärungen dieses Textes näher Buchwitz 2009, 381–383 m.w.N. 19 Vgl. dazu näher Kaser – Hackl 1996, 74–81; 172–201.
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Mehrkosten haftet, welche die Beseitigung der Mängel durch einen anderen Bauunternehmer verursacht. Für unsere Fragestellung ist vor allem die klare zeitliche Grenze von Bedeutung, welche durch die Abnahme gezogen wird: Grundsätzlich ist nach erfolgter Abnahme keine Klage ex locato mehr gegen den Unternehmer möglich. Vorliegend besteht nur deswegen eine Ausnahme, weil der Unternehmer arglistig gehandelt hatte. Es lässt sich damit festhalten, dass die Mängelhaftung bei Bauprojekten grundsätzlich nur während der Ausführungsphase des Bauwerks bestand, nicht aber nach Fertigstellung und Abnahme.20 Zur Bestätigung dieses Ergebnisses soll noch kurz auf einen Text aus dem 4. Jahrhundert eingegangen werden: CI. 8, 11(12), 8 = CTh. 15, 1, 24: Gratianus Valentinianus Theodosius et Arcadius A. Cynegio pp. Omnes, quibus vel cura mandata fuerit operum publicorum vel pecunia ad extructionem solito more credita, usque ad annos quindecim ab opere perfecto cum suis heredibus teneantur obnoxii, ita ut, si quid vitii in aedificatione intra praestitutum tempus provenerit, de eorum patrimonio (exceptis tamen his casibus, qui sunt fortuiti) reformetur. D. III non. Febr. Constantinopoli Arcadio A. et Bautone conss. Die Kaiser Gratian, Valentinian, Theodosius und Arcadius an den Prätorianerpräfekten Cynegius Alle, denen die Errichtung öffentlicher Bauten übertragen wurde, oder denen Gelder für die Errichtung auf die übliche Weise zur Verfügung gestellt wurden, sollen mit ihren Erben fünfzehn Jahre ab Fertigstellung des Baus haftbar bleiben, sodass, wenn innerhalb dieser Zeit Mängel am Bauwerk auftreten, [der für die Beseitigung aufgewendete Betrag] aus ihrem Vermögen (mit Ausnahme von Fällen höherer Gewalt) erstattet wird. 3. Februar 385.
In dieser Konstitution Theodosius’ I. wird eine allgemeine Haftung für Baumängel an öffentlichen Gebäuden eingeführt, die fünfzehn Jahre ab Fertigstellung gilt. Aus dieser legislativen Neuerung wird zu Recht gefolgert, dass zuvor keine allgemeine Mängelhaftung bestand.21 Es kann auch nicht angenommen werden, dass bei Privatbauten eine Mängelhaftung üblicherweise von den Parteien vereinbart wurde. Wenn schon für öffentliche Bauten die zuständigen Magistrate keine Haftung der Bauunternehmer für Baumängel durchsetzten, ist es unwahrscheinlich, dass sich im privaten Bereich andere Praktiken etabliert hätten.22 Aus der Konstitution geht außerdem die übliche Praxis hervor, wie Baumängel beseitigt wurden: Der Bauherr vergab das betreffende Gewerk erneut an einen anderen Unternehmer und stellte dem ersten Unternehmer dann die daraus entstandenen Mehrkosten in Rechnung.
20 Vgl. Samter 1905, 127; 134; 140 f.; Pietsch 1976, 33–36; Martin 1986a, 325 f.; dies. 1989, 112 f.; Harke 2007, 306 f.; anders Rainer 1992, 524 f.: Haftung für schuldhaft verursachte Mängel auch nach Abnahme. 21 Vgl. Pietsch 1976, 35; Harke 2007, 306 f. 22 In der Folgezeit setzte sich jedenfalls in Byzanz die allgemeine Mängelhaftung durch, vgl. Harm. 3, 8, 43 (10 bzw. 6 Jahre Gewährleistung).
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4. Gründe für den Ausschluss der Mängelhaftung Nachdem die Überlieferung somit eindeutig für einen vollständigen Ausschluss der Mängelhaftung nach Abnahme spricht, stellt sich die Frage nach den Gründen für diesen Rechtszustand. Aus heutiger Sicht stellt der Ausschluss der Mängelrechte nämlich eine sehr ungewöhnliche Regelung dar. Die Verantwortung des Bauunternehmers für Sachmängel – unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Abnahme auftreten – wird heute für eine wesentliche Einrichtung des Bauvertragsrechts gehalten, die zur Wahrung der Rechte des Bauherrn unbedingt erforderlich ist. Denn bei Mängeln am Bauwerk erhält der Bauherr für den von ihm gezahlten Lohn keine adäquate Gegenleistung. Erst die Verpflichtung des Bauunternehmers, die Mängel zu beseitigen oder zumindest einen Teil des Lohnes zurückzuzahlen, stellt das vertraglich vereinbarte Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung wieder her. Die Haftung für Baumängel ist daher auch unabhängig von der konkret zu betrachtenden Rechtsordnung eine Einrichtung, die sich aus Gerechtigkeitsgründen beim Bauvertrag aufzudrängen scheint. Warum hat sie sich in der römischen Antike nicht durchgesetzt? Diese Frage stellt sich nicht nur aus moderner Perspektive, vielmehr war der Ausschluss der Mängelhaftung auch schon für die römischen Juristen „verwunderlich“: Dig. 21, 1, 63: Ulpianus libro primo ad edictum aedilium curulium Sciendum est ad venditiones solas hoc edictum pertinere non tantum mancipiorum, verum ceterarum quoque rerum. cur autem de locationibus nihil edicatur, mirum videbatur: haec tamen ratio redditur vel quia numquam istorum de hac re fuerat iurisdictio vel quia non similiter locationes ut venditiones fiunt. Ulpian im 1. Buch zum Edikt der kurulischen Ädilen Man muß wissen, daß sich dieses Edikt nicht nur auf Verkäufe von Sklaven, sondern auch von anderen Sachen bezieht. Warum dagegen nichts bei Miete, Pacht oder Werkvertrag bestimmt wird, wurde als verwunderlich angesehen. Als Begründung wird jedoch entweder angeführt, daß es eine Gerichtsbarkeit der Ädilen darüber niemals gegeben hat oder daß es sich beim Abschluß von Vermietungen, Verpachtungen oder Werkvergaben anders verhält als bei Verkäufen.23
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Kommentar Ulpians zum Edikt der kurulischen Ädilen, in dem der Jurist den Anwendungsbereich dieses Edikts beschreibt. Die kurulischen Ädilen hatten die Rechtsprechungshoheit über Marktkäufe und erließen daher ein Edikt, welches den Käufern von mangelhaften Sklaven oder Zugtieren bestimmte Rechte gegenüber den Verkäufern verlieh.24 Die in Dig. 21, 1, 63 entceterarum quohaltene Ausdehnung dieser Rechte auf den Kauf sämtlicher Sachen ((ceterarum rerum)) stammt allerdings wahrscheinlich erst aus dem 6. Jahrhundert.25 que rerum
23 Übersetzung: Knütel – Kupisch – Seiler – Behrends 2005, 47. 24 Dazu jetzt ausf. Daguet-Gagey 2015, 551–716. 25 Vgl. Schulz 1951, 538; Kaser 1975, 393; Daguet-Gagey 2015, 562.
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Ulpian wirft nun selbst die Frage auf, warum Rechte bei Sachmängeln nur bei Kaufverträgen eingeführt wurden, nicht aber bei Miet-, Pacht- und Werkverträgen, wozu auch der Bauvertrag gehört. Offenbar war der Ausschluss von Mängelrechten in diesen Fällen also auch für einen römischen Juristen rechtfertigungsbedürftig. RechtsprechungshohtsprechungshoUlpian bietet zwei mögliche Erklärungen an: die mangelnde Rec heit der Ädilen und die unterschiedliche Art und Weise, in der diese Verträge abgeschlossen wurden. 4.1. Keine Zuständigkeit der Ädilen Die erste Erklärung Ulpians wirkt unmittelbar einleuchtend: Weil die kurulischen Ädilen nur die Marktgerichtsbarkeit inne hatten, konnten sie schon kraft ihrer Stellung im römischen Verfassungsgefüge kein Edikt zu Werkverträgen erlassen.26 Dies erklärt jedoch nicht, warum dem Besteller des Werks, dem Bauherrn, nicht auf andere Weise geholfen wurde. Neben der Gerichtsbarkeit der Ädilen stand dem Bauherrn nämlich auch die Gerichtsbarkeit der Prätoren parallel zur Verfügung. Im Rahmen der actio locati hätte man dort ohne Weiteres auch Werkmängel berücksichtigen können, genauso wie auch mit der actio empti Sachmängel geltend gemacht werden konnten.27 Offenbar ist aber auch dies nicht geschehen, da wir in den Erörterungen der Juristen zur actio locati keinerlei Hinweise auf eine solche Anwendung dieser Klage finden. Es bestand daher im Ergebnis weder nach ädilizischem noch nach prätorischem Recht eine Haftung für Baumängel. Ein derartiges Unterlassen der römischen Jurisdiktionsmagistrate, aber auch der römischen Juristen, kann aus zwei unterschiedlichen Gründen motiviert sein. Entweder wurde der Ausschluss der Mängelrechte tatsächlich als eine für den Normalfall richtige und angemessene Regelung angesehen. Der Gesetzgeber würde dann nur das regeln, was die Parteien ansonsten selbst vereinbart hätten, sich also nach dem hypothetischen Parteiwillen richten. Oder aber die drohende Versagung staatlichen Rechtsschutzes für Sachmängel hatte den Zweck, die Parteien dazu anzuhalten, stattdessen selbst für eine davon abweichende Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse zu sorgen und eine Mängelhaftung im Bauvertrag zu vereinbaren. Oft können die Parteien selbst besser beurteilen, welche konkreten Mängelrechte in ihrem Vertrag sinnvoll sind, sodass die Einigung der Parteien zu effizienteren Ergebnissen kommt als eine allgemein für alle Arten von Verträgen geltende Einheitslösung. Der Ausschluss der Mängelrechte wäre dann eine Sanktion, welche die Parteien dazu anhalten soll, stattdessen vertragliche Mängelrechte zu vereinbaren.28 Um festzustellen, welches dieser beiden Motive der Entscheidung der römischen Juristen für einen grundsätzlichen Ausschluss von Mängelrechten zugrunde
26 Dazu vgl. Beck 1953, 11. 27 Dig. 19, 1, 13 pr. (Ulp. 32 ed.). 28 Vgl. zu diesen unterschiedlichen Erklärungsansätzen für dispositives Gesetzesrecht Ayres Gertner 1989, 91 125.
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lag, muss daher geklärt werden, ob die Parteien eines Bauvertrags in der römischen Antike üblicherweise Mängelrechte vertraglich vereinbarten oder nicht. 4.2. Mängelhaftung durch die Vertragspraxis Eine Vertragspraxis, wonach die Haftung für Baumängel je nach Bedarf mit in den Bauvertrag aufgenommen wurde, hätte nach dem Vorbild der Kaufverträge ohne Weiteres begründet werden können.29 Bei Sklavenkäufen wurde etwa in der Praxis eine Formulierung verwendet, die nach dem von den kurulischen Ädilen vorgegebenen Muster gebildet war: CIL III S. 940 f. = FIRA III Nr. 88, Z. 5 7 Eum puerum sanum traditum esse furtis noxaque solutum, erronem fugitium caducum non esse prestari. [Der Verkäufer hat versprochen,] dafür einzustehen, daß der Knabe gesund übergeben wurde, von Haftung für Diebstahl und sonstige Schäden frei, kein Herumtreiber, Entlaufener oder Epileptiker sei.30
Dieser Text stammt von einer Kaufvertragsurkunde aus Dakien aus dem Jahr 142 n.Chr. Die Parteien haben hier entsprechend dem Ädilenedikt eine Haftung des Verkäufers für bestimmte Sachmängel des verkauften Sklaven festgelegt. Diese Art von Gewährleistungsstipulation war ganz üblich für römische Kaufverträge und hätte ein Vorbild auch für Werkverträge bilden können. Bedenkt man die Besonderheiten von Bauverträgen gegenüber Kaufverträgen, erscheint eine dahingehende Erklärung auch aus tatsächlichen Gründen nicht unplausibel: Gerade bei Bauverträgen handelt es sich um wichtige und großvolumige Geschäfte, bei denen es sich für die Parteien lohnt, Zeit und Aufwand in die Abfassung eines individuellen Vertrags zu investieren.31 Ob dies aber tatsächlich praktiziert wurde, kann nur durch einen Blick auf die überlieferten Bauverträge und Bauvertragsfragmente festgestellt werden. Dabei ist die Überlieferung konkreter Bauverträge für die römische Welt durchaus spärlich. Während aus der griechischen Baupraxis zahlreiche detaillierte Bauverträge und sogar allgemeine Bauvergabeordnungen überliefert sind,32 lässt sich im Westteil des Reiches kein vergleichbarer epigraphic habit feststellen. Es ist im Wesentlichen nur ein einziger vollständiger Bauvertrag überliefert, der zudem in der griechischen Tradition Süditaliens entstanden ist: die bekannte Bauinschrift aus Puteoli von 105 v.Chr.33 Sie enthält eine Vielzahl von Vertragsbestimmungen, 29 Siehe auch den Hinweis von Johnston 1999, 99. 30 Übersetzung: Jakab 1997, 167 Anm. 13. 31 Vgl. die Empfehlung von Vitr. 1, 1, 10: et ut legibus scribendis prudentia cavere possit et locatori et conductori. 32 Dazu G. Thür im vorliegenden Band. 33 CIL I² 698 = FIRA III Nr. 153; vgl. dazu die ausführliche Untersuchung von Wiegand 1894; s.a. du Plessis 2004, 291 295; ders. 2006, 86 f.
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welche die Rechte des Bauherrn sichern sollen, vor allem die Stellung von Sicherheiten (Bürgen) durch den Bauunternehmer. Von einer Gewährleistung für etwaige Sachmängel ist dagegen nicht die Rede. Vielmehr kann davon ausgegangen wer), die hier prominent hervortritt, der Haftung für Mängel ein Ende setzte. Ebenso wenig enthalten die bei Cato überlieferten Ratschläge für die Vergabe eines Hausbaus Regelungsvorschläge für die Sachmängelhaftung.34 Die Preisberechnung etwa wird dort anhand verschiedener Klauseln ausgeführt, doch gibt es keine vertragliche Vereinbarung über eine etwaige Gewährleistung für Mängel. Auch in der juristischen Überlieferung gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eines römischen Bauvertrags die gesetzlich nicht vorhandene Gewährleistung für Sachmängel durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen kompensiert hätten. In den Rechtsquellen sind keine Beispiele für vertragliche Regelungen zur Haftung für Sachmängel nach Abnahme überliefert, etwa durch Gewährleistungsstipulationen, was vor dem Hintergrund aussagekräftig ist, dass andere Arten von Vertragsklauseln, welche die Rechte des Bestellers sichern sollen, sehr wohl überliefert worden sind. Das Schweigen der Quellen ist also wohl nicht nur dem Zufall geschuldet. Die juristischen Quellen enthalten viele Vertragsklauseln, welche eine Haftung des Bauunternehmers bei Verzögerungen vorsehen: Dig. 45, 1, 72, 1: Ulpianus libro vicensimo ad edictum Si quis ita stipulatus sit: si ante kalendas Martias primas opus perfectum non erit, tum quanti id opus erit, tantam pecuniam dari? ... (2) Plane si insulam fulciri quis stipulatus sit ... insulam fieri ... Ulpian im 20. Buch zum Edikt Wenn sich jemand wie folgt hat versprechen lassen: [Versprichst Du mir,] für den Fall, dass das [Bau-]Werk bis zum 1. März nicht fertiggestellt ist, so viel Geld zu zahlen, wie für die Fertigstellung erforderlich ist? ... (2) Wenn sich jemand hat versprechen lassen, dass ein Mietshaus abgestützt werde ... oder ein Mietshaus errichtet werde ...
Ulpian berichtet hier von einer Vertragsklausel in einem Bauvertrag, die eine Haftung des Bauunternehmers bei Verzögerung vorsah: Stellte der Bauunternehmer das Werk nicht rechtzeitig fertig, konnte der Bauherr einen anderen Unternehmer mit der Herstellung beauftragen und die dafür erforderlichen (Mehr-)Kosten vom ersten Bauunternehmer verlangen. Um diese Art von Haftung rechtswirksam zu begründen, schlossen die Parteien eine Zusatzabrede zum Bauvertrag in Form einer Stipulation, also eines durch den Austausch von Frage und Antwort geschlossenen, förmlichen Vertrags. Daraus konnte der Bauherr bei Bedingungseintritt (also wenn das Bauwerk am 1. März nicht fertiggestellt war) mit einer actio ex stipulatu gegen den säumigen Bauunternehmer vorgehen.35 Aus dem weiteren Verlauf des Textes im § 2 geht hervor, dass vergleichbare Abreden auch bei Verträgen über den Bau oder insulae)) geschlossen wurden. Ein weiteres die Ausbesserung von Mietshäusern ((insulae Quellenzeugnis für diese Arten von Vertragsklauseln enthält: 34 Cato agr. 14 und 15. 35 Zu diesen Baustipulationen ausführlich Thür 1999, 477 492.
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Wolfram Buchwitz Dig. 19, 2, 58, 1: Labeo libro quarto posteriorum a Iavoleno epitomatorum In operis locatione non erat dictum, ante quam diem effici deberet: deinde, si ita factum non esset, quanti locatoris interfuisset, tantam pecuniam conductor promiserat. eatenus eam obligationem contrahi puto, quatenus vir bonus de spatio temporis aestimasset, quia id actum apparet esse, ut eo spatio absolveretur, sine quo fieri non possit. Labeo im 4. Buch der von Javolen ausgewählten Nachgelassenen Schriften In dem [konsensualen] Werkvertrag war nicht bestimmt worden, bis zu welchem Termin das Werk fertiggestellt sein sollte. Im Anschluß an den Werkvertrag hatte der Unternehmer in [der üblichen] Stipulationsform für den Fall, daß das Werk nicht vertragsgemäß hergestellt sein würde, so viel zu zahlen versprochen, wie es dem Interesse des Bestellers entsprechen werde. Ich meine, daß diese Verpflichtung [aus der Stipulation] mit der einschränkenden Bestimmung zustande kommt, die zur Frage des Zeitraums ein redlicher Dritter angenommen hätte, weil in dem Werkvertrag von den Parteien ersichtlich gemeint war, daß das Werk in dem Zeitraum vollendet werden sollte, der zu seiner Herstellung erforderlich ist.36
Auch hier hatten die Parteien des Bauvertrags eine Stipulation abgeschlossen, um die rechtzeitige Herstellung des Gebäudes zu sichern.37 Wenn der Bauunternehmer das Bauwerk nicht termingerecht fertigstellte, schuldete er dem Bauherrn aus der Stipulation eine Geldsumme, die seinem Interesse an der rechtzeitigen Herstellung entsprach, also etwa die Mehrkosten für den ersatzweise tätigen Bauunternehmer und wohl auch den infolge der verzögerten Fertigstellung entgangenen Gewinn umfasste. Der Fall war juristisch insofern problematisch, als dass kein genauer Fertigstellungstermin vereinbart worden war. Labeo entscheidet, dass für diesen Fall der Zeitraum als vereinbart gelte, der üblicherweise für die Herstellung des entsprechenden Bauwerks erforderlich ist. Damit wird die unklare Vereinbarung der Parteien durch die Auslegung der Juristen konkretisiert. Zugleich zeigt diese Entscheidung die bereits angedeutete Struktur römischer Bauverträge auf: Der Bauvertrag conductio,, abgewurde in der Regel in Form eines Konsensualvertrags, der locatio conductio schlossen, welcher die genauen Spezifikationen des zu errichtenden Gebäudes festlegte. Zur Sicherung dieses Vertrags wurden bei Bedarf zusätzliche Stipulationen vereinbart, etwa für die rechtzeitige Herstellung.38 poenae)) dar, die ebenfalls bei Bauverträgen Verwendung fand:39 poenae Dig. 45, 1, 113 pr.: Proculus libro secundo epistularum Cum stipulatus sim mihi, Procule, si opus arbitratu meo ante kalendas Iunias effectum non sit, poenam, et protuli diem... Proculus im 2. Buch der Briefe Ich habe mir eine Vertragsstrafe versprechen lassen, Proculus, für den Fall, dass das [Bau-]Werk nicht nach meinem Ermessen bis zum ersten Juni fertiggestellt ist, und dann habe ich die Frist verlängert...
36 37 38 39
Übersetzung: Behrends Knütel Kupisch Seiler [ Luig] 1999, 588 f. Mayer-Maly 1956, 112; anders Knütel 1976, 132 m. Anm. 50 (vertragsgerechte Errichtung). Knütel 1976, 31; 133 f.; Thür 1999, 477 492; van den Bergh 2013, 48 52. Ries 1989, 142 145.
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Der Bauherr hatte sich hier die rechtzeitige Fertigstellung durch eine Stipulation zusichern lassen, aus der der Bauunternehmer ihm bei Nichteinhaltung des Termins ) haftete.40 Im Unterschied zu den in Dig. 45, 1, 72, 1 und Dig. 19, 2, 58, 1 enthaltenen Stipulationen musste bei Vereinbarung einer solchen Art von Stipulation kein konkreter Betrag ermittelt werden, etwa die genaue Höhe der Mehrkosten, welche infolge der Bauverzögerung entstanden, sondern der Bauunternehmer schuldete schlicht und einfach eine im Vorhinein fest vereinbarte Summe. Dadurch konnte die Durchsetzung effektiver werden, weil kein Streit über die Höhe der Forderung geführt werden musste und die Vertragsstrafe auch meist höher bemessen war als die tatsächlich anfallenden Mehrkosten. Die Stipulation einer Vertragsstrafe war für den Bauherrn daher eine besonders effektive Sicherung der rechtzeitigen Ausführung des Bauwerks. Der Bauunternehmer wird sich allerdings nicht immer auf derartige Vertragsklauseln eingelassen haben, die für ihn ein hohes Risiko begründeten. Inhaltlich zeigt die römische Vertragspraxis hier deutliche Parallelen zur griechischen Rechtsentwicklung: Auch bei den Bauvergaben in Epidauros und anderen griechischen Städten war es üblich, feste Bußsummen vorzusehen, die bei verzögerter Fertigstellung von Bauabschnitten von den betreffenden Bauunternehmern zu zahlen waren.41 Weitere Parallelen zwischen den römischen und den griechischen Bauvergaben bestanden darin, dass der Bauunternehmer auch in Rom in der Regel Bürgen stellen musste, die für seine Verpflichtungen hafteten, also etwa bei Nichtausführung des Bauwerks die Rückzahlung des Vorschusses sicherstellten.42 Diese Bürgen wurden bisweilen auch dafür eingesetzt, die Schadensersatzzahlungen bei nicht rechtzeitiger Fertigstellung des Bauwerks zu garantieren: Dig. 46, 1, 44: Iavolenus libro undecimo epistularum Stipulatus es opus arbitratu tuo ante certam diem fieri, quod si effectum non esset, quanti ut efficiatur opus locasses, tanti fideiussores cepisti... Javolen im 11. Buch der Briefe Du hast dir versprechen lassen, dass ein [Bau-]Werk nach deinem Ermessen bis zu einem bestimmten Tag errichtet wird, und für den Fall, dass es nicht errichtet ist, Bürgen für den Betrag angenommen, für den du das [Bau-]Werk [erneut] vergibst, damit es fertig gestellt wird...
Diese Vertragsgestaltung ähnelt den bisher diskutierten Fällen darin, dass sich der Besteller auch hier die rechtzeitige Fertigstellung sichern lässt. Allerdings nimmt er für die etwaigen Kosten nicht den Bauunternehmer selbst in Anspruch, sondern die Bürgen, die von diesem gestellt werden. Wahrscheinlich war die Zahlungsfähigkeit des Bauunternehmers nicht gewährleistet, sodass der Besteller auf der Stellung von Bürgen bestanden hatte. Die vier hier vorgestellten Texte aus den Digesten enthalten noch weitere rechtliche Details, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden muss. Jedenfalls 40 Dazu näher Knütel 1976, 104. 41 Dazu S. Prignitz in diesem Band. 42 Dazu vgl. Düll 1952, 422; du Plessis 2004, 291.
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zeigt sich anhand dieser Beispiele, dass in der römischen Bauvertragspraxis eine große Vielfalt möglicher Gestaltungen existierte, mit denen der Bauherr die rechtzeitige Fertigstellung des Bauwerks zu sichern suchte. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass keine Vertragsinhalte überliefert sind, die eine ähnliche Art von vertraglicher Absicherung gegen qualitativ schlechte Bauausführung vorgesehen hätten. Es wäre den Parteien eines römischen Bauvertrags leicht möglich gewesen, Stipulationen nicht nur für den Fall der Verzögerung, sondern auch für den Fall der Baumängel vorzusehen. Ebenso wie man beim Kauf verspricht, dass die verkaufte Sache bestimmte Mängel nicht hat, hätte man auch bei einem Hausbau versprechen können, dass etwa die Lehmziegel gut durchgetrocknet sind, das verwendete Holz fachgerecht abgelagert wurde, die Mauerarbeiten fachgerecht ausgeführt wurden usw. Dadurch hätte man eine Haftung des Bauunternehmers für später auftretende Schäden infolge mangelhaften Baumaterials oder mangelhafter Bauausführung vertraglich festlegen können. Soweit die Quellen reichen, sind derartige Gewährleistungsstipulationen jedoch in der Praxis nicht vorgekommen und auch in der Rechtslehre nicht diskutiert worden. Angesichts der Tatsache, dass andere Arten von Stipulationen sehr wohl überliefert worden sind, lässt sich daher mit großer Sicherheit annehmen, dass Gewährleistung für Sachmängel beim Bauvertrag ganz allgemein nicht üblich war. Der Grund für den Ausschluss der Mängelhaftung nach den Edikten der römischen Magistrate lässt sich also nicht darin sehen, dass die Bauvertragsparteien dadurch veranlasst werden sollten, selbst für eine derartige Haftung durch vertragliche Vereinbarungen zu sorgen. Vielmehr hielten in der Praxis auch die Bauvertragsparteien selbst eine Gewährleistung für Baumängel nicht für erforderlich. Das Fehlen einer allgemeinen gesetzlichen Haftung für Baumängel kann also nicht als eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung mit Sanktionswirkung gedeutet werden. Vielmehr hielten die rechtsetzenden Magistrate ebenso wie die konkreten Vertragsparteien den Ausschluss der Gewährleistung für einen selbstverständlichen, materiell richtigen Rechtszustand, der auch dem hypothetischen Parteiwillen entsprach. Warum dies so ist, muss in einer speziell römischen Rechtsanschauung liegen, die von unserem Verständnis des (Bau-)Werkvertrags abweicht. 4.3. Ausschluss der Haftung durch die Abnahme batio)) liegen. Die Abnahme war ein zweiseitiger Akt, bei dem der Bauunternehmer batio die Vertragsgemäßheit seiner Leistung nachwies und der Bauherr die richtige Ausführung überprüfte.43 In den römischen Bauinschriften ist die Abnahme stets an locavit,, welches die prominenter Stelle erwähnt. Nach dem formelhaften faciendum locavit probavit.. Meist ist es ein Tätigkeit der Bauvergabe bezeichnet, steht fast immer ein probavit 43 Samter 1905, 130 f.; Martin 1986a, 324 f.; Rainer 1992, 509; 524; Jakab 2009, 62; etwas stärker die Tätigkeit des Unternehmers betonend Kaser 1957, 187; ders. 1971, 571; vgl. auch Johnston 1999, 99.
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idem,, der diese Abnahme durchführt, also derselbe Magistrat, der auch die Vergabe idem zu verantworten hatte. Aber auch die Abnahme durch andere Magistrate ist nicht selten. Eine entsprechende Terminologie weisen auch die privaten Bauinschriften auf. Da ich diese Funktion der Bauinschriften bereits an anderer Stelle ausführlich untersucht habe,44 soll hier nur noch ein kurzer ergänzender Hinweis auf eine andere Inschrift erfolgen: CIL I² 2537 = AE 1922, 86 (Casamari) C(aius) Viscius M(arci) f(ilius)
M(arcus) Curius C(ai) f(ilius)
IIvir(i)
viam lapide
(denariorum) V a(ssium) III f(aciendum) l(ocaverunt) i(demque) p(robaverunt) Die Duumvirn Gaius Viscius, Sohn des Marcus, und Marcus Curius, Sohn des Gaius, haben die Pflasterung der Straße auf einer Länge von 414 Fuß nach dem Beschluss der Dekurionen aus öffentlichen Mitteln zum Preis von fünf Denar und drei As vergeben. Dieselben haben das Werk abgenommen.
Diese Inschrift zeigt zunächst die erwähnte typische Struktur einer römischen Bauinschrift auf: Es wird nicht nur gesagt, dass die beiden Duumvirn die Pflasterung der Straße vergeben haben, sondern auch, dass sie diese Bauleistung anschließend abgenommen haben. Die Bauabnahme hatte also eine eigenständige Bedeutung, die ähnlich wichtig war wie die ursprüngliche Vergabe und daher ebenfalls in der Inschrift festgehalten werden musste. Die eigenständige Bedeutung der Abnahme geht auch daraus hervor, dass das idemque). ). Es heißt gerade nicht Subjekt dabei stets ein weiteres Mal genannt wird ((idemque probaveruntque,,45 sondern der Vorgang der Abnahme wird in einem locaverunt probaveruntque zweiten Satz gesondert an den ersten Satz, der den Vorgang der Bauvergabe beschreibt, angeschlossen. Im Übrigen ist die Inschrift auch deswegen von Bedeutung für die Bauvertragspraxis, da sie einen konkreten Betrag nennt, für den die Bauleistung vergeben worden ist. Die Summe von fünf Denar und drei As war vorliegend wohl der Preis der Pflasterung pro Fuß. Derartig präzise Preisangaben sind aus den griechischen Bauinschriften häufig, aus den römischen aber nur spärlich überliefert. Eine ähnliche Preisberechnung in pedes singulos ist auch aus den Digesten bekannt.46 Die römische Bauvertragspraxis kannte ansonsten durchaus verschiedene Formen der Preisberechnung. Während beim Mauerbau oder wie hier beim Straßenbau nach Längeneinheiten (modern ausgedrückt: nach Einheitspreisen) berechnet wurde, waren auch Festpreise für einzelne Teilgewerke oder sogar für ganze Bauwerke verbreitet.47
44 Buchwitz 2009. 45 Diese Formulierung ist sehr unüblich und findet sich nur vereinzelt (CIL IX 3168, X 5351, XI 4809). 46 Dig. 19, 2, 30, 3 (Alf. 3 dig. a Paulo epit.); ähnlich in Dig. 19, 2, 36 (Flor. 7 inst.), wo es allerdings um die Gefahrverteilung geht. 47 Dig. 19, 2, 22, 2 (Paul. 34 ed.), dazu Sch. 1 ad Bas. 20, 1, 22 (Scheltema B III 1187).
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Einen Grund für die besondere Rolle der Abnahme wird man bei öffentlichen Bauten darin sehen müssen, dass der Magistrat das Gebäude bei der Abnahme einweihte und es dem Gebrauch durch die Öffentlichkeit widmete. Gleichzeitig konnte er seinen Namen durch die Anbringung der Inschrift verewigen. Diese Funktion des Probationsvermerks erklärt allerdings noch nicht seine privatrechtlichen Wirkungen.48 Die weitreichenden Auswirkungen der Abnahme auf die privatrechtlichen Verhältnisse zwischen Bauherrn und Bauunternehmer, die eine Mängelhaftung ab diesem Zeitpunkt ausschließen, lassen sich vielmehr aus der besonderen Rechtsnatur der Abnahme als vertraglicher Vereinbarung zwischen den Parteien erklären. Die Abnahme war nämlich gerade nicht ein automatischer Bestandteil eines jeden Bauvertrags, sondern ein Vorgang, dessen Durchführung die Parteien gesondert vereinbarten.49 Dies geht nicht aus den Inschriften, wohl aber aus den Formulierungen der Juristen hervor, die durch die Digesten überliefert worden sind: Dig. 19, 2, 60, 3: Labeo libro quinto posteriorum a Iavoleno epitomatorum Lege dicta domus facienda locata erat ita, ut probatio aut improbatio locatoris aut heredis eius esset. Labeo im 5. Buch der von Javolen ausgewählten Nachgelassenen Schriften Nach dem Vertrag war der Bau eines Hauses mit der Bestimmung in Auftrag gegeben worden, daß die Entscheidung, ob das Werk vertragsgemäß hergestellt wurde oder nicht, dem Besteller oder dessen Erben zustehen sollte.50
Der Bauvertrag, von dem in diesem Text die Rede ist, enthielt eine spezielle Bestimmung zur Abnahme. Durch das ita ut wird deutlich, dass es sich dabei um eine Gestaltung handelte, die von den Parteien bewusst gewählt worden war. Der Jurist grenzt diese Art von Gestaltung damit von anderen Arten von Verträgen ab, die probatio,, der in der Praxis keine probatio vorsehen. Bei einem Bauvertrag ohne probatio selten gewesen sein wird, wurde der Bauunternehmer wie ein Lohnarbeiter tätig und haftete nicht für etwaige Mängel, die während der Bauphase auftraten. Aus der Vereinbarung der probatio folgte also gerade die Haftung für Baumängel während der Errichtung des Bauwerks. Dagegen ließe sich einwenden, der Regelungsgehalt der Klausel ut probatio aut improbatio locatoris aut heredis eius esset liege in ihrem zweiten Teil, also darin, dass bei Tod des Bauherrn auch dessen Erbe die Abnahme vornehmen könne. Jedoch zeigt sich dieselbe Art der Formulierung auch in folgendem Text, in dem von einem Erben nicht die Rede ist:
48 Zum Zusammenhang zwischen öffentlichem und privatem Baurecht vgl. Samter 1905, 128 f.; Kaufmann 1964, 265 ff.; du Plessis 2004, 288. 49 Anders aber Martin 1986a, 336 und (ihr folgend) van den Bergh 2013, 53 (dazu bereits Buchwitz 2009, 371 f.; 384 f., und sogleich im Text). 50 Übersetzung: Behrends Knütel Kupisch Seiler [ Luig] 1999, 590.
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Dig. 19, 2, 51, 1: Iavolenus libro undecimo epistularum Locavi opus faciendum ita, ut pro opere redemptori certam mercedem in dies singulos darem: opus vitiosum factum est: an ex locato agere possim? respondit: si ita opus locasti, ut bonitas eius tibi a conductore adprobaretur, tametsi convenit, ut in singulas operas certa pecunia daretur, praestari tamen tibi a conductore debet, si id opus vitiosum factum est: non enim quicquam interest, utrum uno pretio opus an in singulas operas collocatur, si modo universitas consummationis ad conductorem pertinuit. poterit itaque ex locato cum eo agi, qui vitiosum opus fecerit. nisi si ideo in operas singulas merces constituta erit, ut arbitrio domini opus efficeretur: tum enim nihil conductor praestare domino de bonitate operis videtur. Javolen im 11. Buch der Briefe Ich habe den Auftrag zur Herstellung eines (Bau-)Werkes mit der Abrede erteilt, daß ich dem Unternehmer für das Werk für jeden einzelnen Tag eine bestimmte Vergütung zahlen werde. Kann ich, wenn das Werk mangelhaft hergestellt worden ist, aus Werkvertrag klagen? Er hat gutachtlich entschieden: Wenn du den Auftrag mit der Abrede erteilt hast, daß dir die Vertragsgemäßheit des Werkes vom Unternehmer dargetan wird, dann muß dir der Unternehmer dafür einstehen, wenn das Werk mangelhaft hergestellt ist, obwohl vereinbart war, daß für die einzelnen Tagesleistungen ein bestimmter Betrag gezahlt werden sollte. Es begründet nämlich keinen Unterschied, ob die Herstellung eines Werkes für einen Gesamtpreis oder gegen Vergütung von Tagesleistungen in Auftrag gegeben wird, wenn nur die Vollendung des gesamten Werkes Sache des Unternehmers ist. Daher kann der Bauherr aus Werkvertrag gegen denjenigen klagen, der ein fehlerhaftes Werk hergestellt hat, es sei denn, daß die Vergütung für die einzelnen Tagesleistungen deshalb festgesetzt wurde, weil das Werk nach dem freien Ermessen des Bauherrn hergestellt werden sollte. Dann nämlich braucht der Unternehmer dem Bauherrn ersichtlich nicht für die Vertragsgemäßheit des Werkes einzustehen.51
In diesem Text geht es ebenfalls um eine Haftung des Unternehmers für Baumängel. Da die Mängel während der Herstellungsphase des Bauwerks aufgetreten waren, hätte grundsätzlich eine Haftung des Unternehmers bestanden. Zweifel entstanden im vorliegenden Fall allerdings deswegen, weil die Parteien eine Preisberechnung nach einzelnen Tagewerken vereinbart hatten. Der Bauunternehmer erhielt also, ähnlich wie ein Lohnarbeiter, für jeden Tag eine Zahlung, anstatt einer sonst üblichen hälftigen Anzahlung bei Vergabe und einer hälftigen Schlusszahlung bei Abnahme. Aus diesem Grunde war Streit darüber entstanden, ob er für Mängel des Bauwerks haftete oder wie ein Lohnarbeiter nicht dafür verantwortlich gemacht werden konnte. Der Jurist Javolen entscheidet, dass es nicht darauf ankommt, welche Zahlungsmodalitäten die Parteien vereinbart haben, sondern nur darauf, ob sie eine Abnahme vereinbart haben.52 Wiederum wird mit ita ut zum Ausdruck gebracht, dass es verschiedene Vertragsmodalitäten geben kann, ein Bauwerk in Auftrag zu geben: mit oder ohne Abnahme. Sofern die Parteien eine Abnahme vereinbart haben, haftet der Unternehmer auf die korrekte Ausführung des Bauwerks, anderenfalls nicht. Der Streit zwischen den Parteien ging hier wohl darauf zurück, dass eine enge tatsächliche Verbindung zwischen der Abnahme und der Zahlung des Preises bestand. Weil die Zahlung der zweiten Hälfte des Preises fast immer erst nach erfolg51 Übersetzung weitgehend nach: Behrends Knütel Kupisch Seiler [ Luig] 1999, 584 f. 52 Aufschlussreich Fiori 1999, 254 259; weitere Nachweise bei Buchwitz 2009, 371.
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reicher Abnahme des Werks erfolgte, der Bauunternehmer hier aber ausnahmsweise schon mit Ablauf jedes einzelnen Tages seinen Lohn erhalten hatte, war er wohl der Ansicht, nun nicht mehr für die Güte des Bauwerks einstehen zu müssen. Der Jurist belehrt ihn aber eines Besseren, nämlich dass Preisberechnung und Baumängelhaftung sorgfältig voneinander zu trennen sind. Damit wird auch aus Dig. 19, 2, 51, 1 klar ersichtlich, dass die Haftung für die während der Bauphase ) begründet wurde. Hätten die Parteien keine (End-)Abnahme vereinbart, würde der Unternehmer nicht für Sachmängel haften. Ein Sonderfall wird im Schlusssatz von Dig. 19, 2, 51, 1 erwähnt: Hat der Bauherr sich vorbehalten, dass das Bauwerk nach seinem Ermessen erbaut wird domini), ), dann haftet der Bauunternehmer auch bei Vereinbarung einer (arbitrio domini Abnahme nicht für etwaige Baumängel. Dann ist der Einfluss des Bauherrn nämlich so groß, dass er selbst für etwaige Fehler bei der Ausführung verantwortlich ist. Der Bauunternehmer kann nicht für eine Bauausführung verantwortlich gemacht werden, die nicht mehr auf seine Entscheidungen zurückzuführen ist. Insgesamt ist damit aus den juristischen Quellen ersichtlich, dass die Abnahme erst durch eine vertragliche Vereinbarung begründet wurde, die den Unternehmer dazu verpflichtete, nach Abschluss der Arbeiten deren ordnungsgemäße Ausführung nachzuweisen, und dem Besteller entsprechend das Recht gab, die Ausführung zu überprüfen. Damit hat auch die Sachmängelhaftung im römischen Bauvertrag probatio.. ihren Ursprung erst in einer vertraglichen Abrede: der Vereinbarung einer probatio Aus diesem Ursprung der Sachmängelhaftung ergibt sich auch die Antwort auf die Frage nach den Gründen für deren Ausschluss nach erfolgter Abnahme: Weil die Sachmängelhaftung durch die Vereinbarung einer probatio erst begründet wird, endet sie auch mit Durchführung eben dieses Rechtsakts. Nach der Rechtsvorstellung der römischen Juristen, aber auch der Vertragspraxis, war die Sachmängelhaftung während der Herstellungsphase des Bauwerks schon eine Ausnahme von dem casum sentit dominus dominus). ). Die Grundsatz, dass den Schaden der Eigentümer trägt ((casum Überwälzung der Herstellungsgefahren auf den Bauunternehmer galt dementsprechend nur während der Bauphase und endete mit Durchführung der Abnahme. Durch die Erklärung des Bestellers, das Werk sei vertragsgemäß, wird die Gefahr für etwaige Mängel wieder auf ihn zurück übertragen. Damit steht die bereits erwähnte Ausnahme bei Arglist (Dig. 19, 2, 24 pr.) in Einklang: Hat der Unternehmer einen Mangel arglistig verschwiegen, ist die probatio unwirksam und der Bauherr hat seine Rechte aus der actio locati folglich nicht verloren. Es ist bezeichnend, dass der Unternehmer hier gerade nicht aus der Arglist selbst haftet, sondern aus der ursprünglichen Vertragsklage. Die Arglist führt nur dazu, dass die Abnahme unwirksam ist, sodass die Vertragsklage noch unvermindert fortbesteht.
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5. Zweckmäßigkeit des Ausschlusses der Mängelhaftung Wenn der Ausschluss der Mängelhaftung folglich ein akzeptiertes, von den Juristen wie von der Vertragspraxis für sinnvoll gehaltenes Institut ist, dessen innere Logik aus der besonderen Funktion der probatio stammt, so ist dennoch zu fragen, wie die römische Baupraxis unter diesen Umständen überhaupt funktionieren konnte. Gab es überhaupt einen Anreiz für Bauunternehmer, gute Arbeit zu leisten? Hatten Bauherren nicht vielleicht große Scheu davor, einen Bauunternehmer zu beschäftigen, wenn sie dessen Arbeit nach erfolgter Abnahme nicht mehr monieren konnten? Nach den gängigen ökonomischen Erklärungsmodellen ist die Haftung für Sachmängel geradezu unentbehrlich, um einen funktionierenden Markt zu schaffen. Wenn ein Verkäufer – die rechtsökonomischen Theorien beziehen sich praktisch immer nur auf den Kauf – keine Haftung für Sachmängel fürchten muss, kann er genauso gut eine schlechte Sache wie eine gute Sache verkaufen. Da der Käufer nicht weiß, ob die Sache gut oder schlecht ist, und auch nicht die Mittel aufwenden wird, um sämtliche angebotenen Sachen selbst zu untersuchen, wird er nicht bereit sein, den für gute Sachen angemessenen hohen Preis zu zahlen, sondern nur einen deutlich niedrigeren Preis. Auf diese Weise käme überhaupt kein regulärer Handel über qualitativ hochwertige Güter zustande. Die Sachmängelhaftung greift an dieser Stelle ein und bürdet dem Verkäufer das Risiko dafür auf, dass eine gekaufte Sache sich im Nachhinein als mangelhaft herausstellt. Der Verkäufer muss typischerweise die geringeren Kosten aufwenden, um dieses Risiko zu vermeiden, und kann insbesondere die Sachen, die er verkauft, einfacher untersuchen als der Käufer.53 Überträgt man diese im Wesentlichen für den Kauf entwickelten ökonomischen Erklärungen der Sachmängelhaftung auf den Bauvertrag, wird ersichtlich, dass das Modell nur teilweise passt. Während der Kauf ein punktueller Austausch von Leistung und Gegenleistung ist, wird beim Bauvertrag über einen gewissen Zeitraum hin eine Leistung erbracht.54 Der Bauherr hat – selbst oder durch einen von ihm beauftragten Architekten – während dieses gesamten Zeitraums, in dem das Bauwerk errichtet wird, die Möglichkeit, den Bau zu überwachen und die Einhaltung der vertraglichen Spezifikationen damit sicherzustellen. Anders als auf dem Markt für gekaufte Sachen sind damit auch die Informationsbeschaffungskosten für beide Seiten gleicher verteilt. Es zeigt sich damit, dass der Ausschluss der Mängelhaftung beim Bauvertrag anderen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten folgt als der Ausschluss der Mängelhaftung beim Kaufvertrag. Auch darin kann ein Grund gesehen werden, der Ulpian zu seiner Aussage veranlasste, Werkverträge würden „anders“ non similiter fiunt fiunt,, oben Dig. 21, 1, 63). als Käufe durchgeführt ((non Des Weiteren hat die antike Wirtschaft neben zahlreichen Gemeinsamkeiten mit der modernen Wirtschaft auch Unterschiede aufzuweisen, vor allem höhere
53 Akerlof 1970, 488–496; Schäfer – Ott 2005, 478 f.; 488 f.; zur Übertragung auf das römische Recht vgl. jetzt Willems 2017, 530–534. 54 Vgl. insofern zum röm. Bauvertrag Johnston 1999, 98 f.
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Transportkosten. Baumaterialien, die über weite Strecken transportiert wurden, verteuerten die Errichtung eines Gebäudes in großem Maße. Es kann daher angenommen werden, dass ein relativ kleiner Markt für Bauleistungen existierte, auf dem vor allem örtliche Bauunternehmer tätig waren. Soziale Beziehungen mögen hier den fehlenden Rechtsschutz bei Sachmängeln teilweise kompensiert haben. Schließlich kann der Ausschluss der Mängelrechte auch mit der Unverjährbarkeit der Klagen zusammenhängen. Das römische Recht kannte in klassischer Zeit keine allgemeine Verjährung von Klagen.55 Ohne den Klageverlust durch die probatio hätte die actio locati daher auch noch nach vielen Jahren erhoben werden können. Eine derart späte Klage ist aber normalerweise nicht mehr interessengerecht, schon da die Beweislage nach so langer Zeit mehr zufällig als planbar ist. Für die ädilizischen Sachmängelklagen galten daher klare Fristen von einem Jahr bzw. sechs Monaten.56 Das moderne Recht sieht für Baumängel in der Regel eine Gewährleistungsfrist von fünf Jahren vor.57 Ohne eine zeitliche Begrenzung wäre eine Sachmängelhaftung eine viel zu große Belastung des Bauunternehmers, da sie unkalkulierbare zukünftige Risiken in sich bergen würde. Auch darin kann ein Grund für die Ablehnung einer allgemeinen Mängelhaftung beim Bauvertrag im römischen Recht gesehen werden. An Stelle der Verjährung haben die Römer mit der ) eine Rechtseinrichtung geschaffen, die dem Bauunternehmer Gewissheit verschaffte, nach diesem Zeitpunkt nicht mehr belangt zu werden, und die es andererseits aber dem Bauherrn ermöglichte, bis zu diesem Zeitpunkt sämtliche Mängel geltend zu machen. Durch diese einfache zeitliche Abgrenzung wurden die Kosten für den Bauunternehmer kalkulierbar, die Verantwortung für das Bauwerk zeitlich klar zwischen den Parteien verteilt und die Entstehung späterer, schwierig zu klärender Streitfälle vermieden. 6. Fazit Die Haftung für Baumängel war in Rom von großer praktischer und rechtlicher ). Die Abnahme beruhte auf einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien des Bauvertrags. Durch diese Vereinbarung wurde einerseits die Verantwortlichkeit des Bauunternehmers für die richtige Ausführung des Bauwerks während der Herstellungsphase begründet, andererseits aber auch eine zeitliche Grenze festgelegt, ab welcher der Bauunternehmer nicht mehr für auftretende Mängel haftete, es sei denn, er hätte sie arglistig verschwiegen. Rechtfertigungsbedürftig ist dieser Ausschluss der Mängelrechte nach Abnahme nur aus moderner – juristischer wie ökonomischer – Sicht. Im Kontext der römischen Rechts- und Wirtschaftsordnung stellte der Ausschluss der Mängelrechte dagegen eine interessengerechte Lösung dar. Dies wird nicht nur
55 Kaser 1975, 71 f. 56 Dig. 21, 1, 19, 6 (Ulp. 1 ed. aed. cur.). 57 § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB; Art. 371 Abs. 2 OR; s.a. §§ 933, 933a ABGB (3 bzw. 30 Jahre).
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durch das Juristenrecht bestätigt; auch die Vertragsparteien bevorzugten in der Praxis diese Lösung. Abweichende Gestaltungen, bei denen die Parteien vertraglich Mängelrechte vereinbart hätten, sind nicht bekannt. Bibliographie G.A. Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, Q.J. Econ 84 (1970) 488–500. I. Ayres – R. Gertner, Filling Gaps in Incomplete Contracts: An Economic Theory of Default Rules, in: Yale L.J. 99 (1989) 87–130. A. Beck, Zur Entstehung des römischen Mietvertrages, in: Festschrift für Hans Lewald, Basel 1953, 3–13. O. Behrends – R. Knütel – B. Kupisch – H.H. Seiler, Corpus Iuris Civilis: Text und Übersetzung, Bd. 3, Heidelberg 1999. W. Buchwitz, Vertragsklauseln und probatio – Anmerkungen zum römischen Bauvertragsrecht, in: ZRG RA 126 (2009) 358–386. A. Buonopane – I. Di Stefano Manzella, Lateres per fundamenta in un'inedita iscrizione ante cocturam su un mattone dei Musei Civici di Reggio Emilia, in: Epigraphica 79 (2017) 463–473. A. Daguet-Gagey, Splendor aedilitatum – L’édilité à Rome (Ier s. avant J.-C. – IIIe s. après J.-C.), Rom 2015. R. Düll, Rezeption griechischen Rechts zum Kostenvoranschlag der Architekten, in: ZRG RA 69 (1952) 420–427. P.J. du Plessis, The Protection of the Contractor in Public Works Contracts in the Roman Republic and Early Empire, in: The Journal of Legal History 25-3 (2004) 287–314. contractus,, in: Roman Legal Tradition 2 (2006) 79–94. P.J. du Plessis, The Roman Concept of lex contractus P.J. du Plessis, Letting and Hiring in Roman Legal Thought: 27 BCE – 284 CE, Leiden 2012. C. Fensterbusch, Vitruv: Zehn Bücher über Architektur, Darmstadt 1964. R. Fiori, La definizione della ‘locatio conductio’: Giurisprudenza romana e tradizione romanistica, Neapel 1999. J.D. Harke, Die Sachmängelhaftung beim Werkvertrag in der neueren privatrechtsgeschichtlichen Entwicklung, in: ZRG RA 124 (2007) 305–331. É. Jakab, Praedicere und cavere beim Marktkauf: Sachmängel im griechischen und römischen Recht, München 1997. É. Jakab, Risikomanagement beim Weinkauf: Periculum und Praxis im Imperium Romanum, München 2009. D. Johnston, Roman Law in Context, Cambridge 1999. M. Kaser, Periculum locatoris, in: ZRG RA 74 (1957) 155–200. M. Kaser, Das Römische Privatrecht, Erster Abschnitt, Handbuch der Altertumswissenschaft X, 3, 3, 1, München ²1971. M. Kaser, Das Römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, Handbuch der Altertumswissenschaft X, 3, 3, 2, München ²1975. M. Kaser – K. Hackl, Das Römische Zivilprozessrecht, Handbuch der Altertumswissenschaft X, 3, 4, München 21996. H. Kaufmann, Die altrömische Miete, Köln 1964. R. Knütel, Stipulatio poenae: Studien zur römischen Vertragsstrafe, Köln 1976. R. Knütel – B. Kupisch – H.H. Seiler – O. Behrends, Corpus Iuris Civilis: Text und Übersetzung, Bd. 4, Heidelberg 2005. S.D. Martin, A Reconsideration of probatio operis, in: ZRG RA 103 (1986) 321–337. S.D. Martin, The Case of the Collapsing Watercourse: Builders’ Responsibility for Damage in Classical Roman Law, in: Law and History Review 4 (1986) 423–437.
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DROIT ET CONSTRUCTION PRIVEE URBAINE DANS L’ORIENT ROMAIN TARDIF (IVe–VIe S.): ACTEURS, CONTRAINTES ET CONFLITS Catherine Saliou L’ambition de cette contribution est d’aborder la construction comme un ensemble de processus mettant en relation des acteurs différenciés: commanditaires, professionnels de la construction, voisins, autorités de la cité, représentants du pouvoir d’État. Dans cette optique, le droit n’est pas qu’une doctrine ou un ensemble de lois, mais une contrainte parmi toutes celles dont les différents acteurs doivent tenir compte, une modalité de régulation des conflits qui peuvent survenir, voire un outil à mettre en œuvre pour arriver à un objectif, qui est de mener à bien des travaux ou au contraire de les empêcher. En s’attachant ainsi aux pratiques juridiques, on pourra amorcer une réflexion sur les relations entre les dynamiques de la construction et celles du droit et de la justice, et sur leur rôle dans les processus de constitution et d’évolution des espaces urbains. Le choix de l’aire culturelle et celui de la période se conditionnent l’un l’autre, et en quelque sorte, ils s’imposent. À partir du début du IVe s. s’amorce le processus de séparation entre Orient et Occident romains. En Orient, du IVe au VIe s., la vie urbaine se poursuit1 et pour certaines villes c’est une période de croissance, voire d’apogée: il suffira d’évoquer ici le développement de Constantinople2 ainsi que l’extension des remparts d’Antioche de Syrie au Ve s.3 et de Césarée Maritime à la fin du Ve ou au début du VIe s.4 Durant cette période, la production normative relative à la construction et à l’espace urbain est abondante et diversifiée, ce qui peut paraître paradoxal dans la mesure où l’Antiquité tardive est souvent décrite comme une période de désagrégation urbaine et de déclin du contrôle des autorités locales et centrales sur les espaces urbains.5 Les sources littéraires et documentaires viennent compléter et enrichir l’apport des textes normatifs. L’Orient romain tardif offre donc un terrain privilégié pour une recherche sur les relations entre droit et espace urbain. En introduction, on esquissera un panorama des sources. La contribution s’organisera ensuite en trois parties, consacrées respectivement aux relations entre le constructeur privé, la cité et l’État, aux relations entre le constructeur et ses voisins, et enfin aux relations entre le constructeur et les professionnels de la construction.
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Parmi une bibliographie très abondante, on se reportera à deux synthèses récentes: Saradi 2006; Jacobs 2013. Mango 2004. Brands 2016, 30–37, avec la bibliographie antérieure. Mesqui 2014, 56–63. Liebeschuetz 2001; Saradi-Mendelovici 1988; Saradi-Mendelovici 1994; Saradi 2006, 186– 208.
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Catherine Saliou
Introduction: panorama des sources Les sources « documentaires » sont nombreuses. Il y a tout d’abord la législation impériale transmise dans les codifications ou compilations juridiques officielles. Le publicis:: « sur les titre 1 du livre 15 du Code Théodosien6 est intitulé de operibus publicis constructions publiques ». Il regroupe 53 constitutions émises entre 321 et 425.7 Certaines de ces lois ont des incidences sur la construction privée, en particulier celles qui visent spécifiquement les aménagements secondaires des espaces et édifices publics8 et celles qui définissent une distance minimale entre édifices privés Burgundionum,, au début du VIe s., fait référence à un et publics.9 La Lex Romana Burgundionum titre du livre 4 qui serait intitulé de operibus publicis et priuatis10 mais qui n’est pas attesté par ailleurs dans la tradition manuscrite du Code. Le Code de Justinien11 comporte deux titres distincts qui se suivent, consacrés Cod. Iust Iust.. 8, 10) et aux opera publica ((Cod. Cod. respectivement aux aedificia priuata ((Cod. Iust.. 8, 11). Le titre 8, 11 ((de de operibus publicis publicis)) reprend une partie du titre de opeIust de aedificiis priuatis priuatis)) est plus origiribus publicis du Code de 438.12 Le titre 8, 10 ((de nal et témoigne par son existence même de l’intérêt accru porté par le législateur à la construction privée au VIe s. Il comporte 14 constitutions émises entre 161–169 et 532, dont les cinq premières répondent à des requêtes effectuées par des personnes privées. Les thèmes abordés sont la construction,13 la destruction et le remploi,14 le maintien en état ou le changement d’état des édifices,15 les problèmes de l’operis operis noui nuntiatio nuntiatio,,17 les intervalles à ménager entre édifices pricopropriété,16 l’ vés et publics ou entre balcons.18 Deux des constitutions du Code font allusion à des usages locaux et soulignent que ces usages doivent être respectés.19 Ces textes sont datés du IIe et du IIIe s., mais leur intégration au Code leur confère une nouvelle
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Éd. P. Krueger – Th. Mommsen, Berlin 1905. Cf. Dubouloz 2012, 129–151. Cod.. 15, 1, 9; Cod Cod.. 15, 1, 22; Cod Cod.. 15, 1, 25; Cod Cod.. 15, 1, 39; Cod Cod.. 15, 1, 45. Cf. Baldini Ex.: Cod Lippolis 2007, 200–203. Cod.. 15, 1, 4 (cf. Baldini Lippolis 2007, 199); Cod Cod.. 15, 1, 38. Ex.: Cod LRB 17, 6 (éd. L.R. von Salis, Leges Burgundionum, MGH, LL nat. Germ. II, 1, Hannovre 1892, 141). Sur ce recueil, voir Liebs 2002, 176–179. Éd. P. Krüger. Voir aussi Blume – Frier 2016. Il comporte 23 textes, dont 19 sont repris du Code Théodosien. Iust.. 8, 10, 1 (surélévation, construction balnéaire); Cod. Iust Iust.. 8, 10, 10 (construction Cod. Iust d’enceintes privées en milieu rural). Iust.. 8, 10, 2; 6; 7. Cod. Iust Iust.. 8, 10, 3 et 8. Cod. Iust Iust.. 8, 10, 4 et 5. Cod. Iust Iust.. 8, 10, 14. Cod. Iust Iust.. 8, 10, 9 = Cod Cod.. 15, 1, 46; Cod. Iust Iust.. 8, 10, 11. Cod. Iust Iust.. 8, 10, 1, entre 161 et 169, à propos de la surélévation d’un édifice balnéaire: modus Cod. Iust altitudinis;; Cod. Iust Iust.. 8, 10, 3, en 224, à propos de la possibilité de transformer une usitatus altitudinis ruine en jardin au lieu de la reconstruire: le gouverneur devra trancher probatis his quae in oppido frequenter in eodem genere controuersiarum seruata sunt (« en conformité avec ce qui s’observe habituellement en ce genre de controverse dans la localité »).
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actualité, et il n’y a pas de raison de douter que ces usages locaux aient disparu dans l’Antiquité tardive. On verra au reste qu’ils sont bien attestés durant cette période. Il faut accorder une place à part à une loi émise par l’empereur Zénon avant 479 et certainement après sa victoire sur l’usurpateur Basiliscos, donc entre 476 et 479.20 La version de cette loi qui figurait dans le Code est perdue. C’est le texte original, transmis de façon indépendante, qui a été inséré dans les éditions modernes Cod. Iust Iust.. 8, 10, 12). Cette loi, qui concerne précisément Constantinople, du Code ((Cod. aborde plusieurs objets: les relations entre édifices privés (§ 1–4); les modes de construction des balcons (§ 5) et l’aménagement des portiques de rues (§ 6); les procédures de règlement des litiges (§ 7–8); les abandons de chantier (§ 9). La loi juxtapose donc mesures « urbanistiques » et mesures processuelles, mesures relatives aux rapports de voisinage et mesures de préservation ou de gestion de l’espace public. En 531, Justinien étendit à l’ensemble de l’empire l’application des innovations de cette loi, telle qu’elle figurait dans le Code, tout en affirmant le maintien Cod. Iust. 8, 10, 13). en vigueur, pour le reste, des dispositions locales ((Cod. Dans le Digeste, le voisinage et la construction privée sont abordés au livre 8 à l’operis operis noui nuntiatio et de la cautio propos des servitudes, au livre 39 à propos de l’ infecti,, et au livre 43 à propos des édits prétoriens. Les extraits de littérature damni infecti jurisprudentielle qui y sont compilés datent dans leur majorité du début du IIIe s., et certains sont plus anciens ou citent des œuvres antérieures, mais le Digeste a été promulgué dans son ensemble par Justinien et le droit qu’il contient est censé être en vigueur sous son règne. La question de l’actualité du Digeste au VIe s., c’est-àdire de la façon dont il était lu, compris, et éventuellement utilisé, doit être posée. Parmi les Novelles de Justinien enfin, deux concernent la protection de la vue sur la mer.21 À côté de cette production juridique officielle, les compilations « privées » et la littérature pédagogique sont d’un apport essentiel. Le Liber Syro-Romanus est la traduction en syriaque d’un petit manuel de droit romain rédigé au Ve s., peu après 474, peut-être à Beyrouth ou à Antioche.22 Il s’agit d’un ouvrage à fonction didactique, qui présente, paraphrase et commente des textes juridiques, mais ne les reproduit pas. Il inclut un bref texte rassemblant un certain nombre de normes urbanistiques concernant les relations entre espace privé et espace public et les relations entre édifices privés (§ 106). Il pourrait s’agir d’un exemple de ces réglementations locales dont a déjà vu qu’elles étaient supposées par la législation impériale. Le texte édité sous le titre de Traité d urbanisme de Julien d Ascalon s’apparente à certains égards à un coutumier de l’époque médiévale ou moderne. Il compile des normes qui peuvent être d’origines diverses.23 Dans un passage toutefois on relève une référence explicite aux usages juridiques d’Ascalon et de Césarée, dont il est signalé au reste qu’ils divergent (§ 35, 2). D’autres passages peuvent être 20 Sur cette loi, voir Saliou 2018, avec une présentation de la bibliographie antérieure. Nov.. 63; Nov Nov.. 165 (éd. R. Schöll – G. Kroll; cf. Saliou 1994, 238–246, passim: traductions 21 Nov partielles et éléments de commentaire et de contextualisation). 22 Selb – Kaufhold 2002. 23 Édition, traduction et commentaire: Saliou 1996 (compléments dans Saliou 2000, Saliou 2007). Voir aussi Hakim 2001 et la bibliographie citée dans Troianos 2015, 85, n. 169.
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rapprochés de la législation impériale (§ 16, 21, 25–2624). L’ouvrage peut être daté avec une certaine vraisemblance du règne de Justinien. En appendice de ce traité figurent des textes d’un style très différent du reste, et qui sont peut-être des extraits de constitutions impériales non retenues dans les codes ou les recueils de Novelles.25 Les premières générations de professeurs qui ont eu à enseigner le droit sous la forme que lui avait donnée l’entreprise codificatrice de Justinien ont effectué un important travail de traduction et d’explication de la codification justinienne.26 C’est en partie grâce à ce travail, et aussi grâce aux compilations byzantines, que l’on peut reconstituer le contenu de la loi de Zénon telle qu'elle figurait dans le Code de Justinien.27 Comme on le verra, l’étude de cette production didactique peut aussi mettre en évidence des phénomènes d’adaptation du droit. On ne signalera malheureusement que pour mémoire la littérature rabbinique,28 qui fait l’objet depuis quelques années d’un regain d’intérêt, mais dont l’appropriation par les historiens de l’Orient romain tardif reste difficile.29 Les rabbins sont des experts de la Torah (Loi) et de la Mischna (loi orale, fixée sous forme écrite vers 200 av. J.-C.). Leur rôle au sein des communautés juives est en cours de définition dans l’Antiquité Tardive. Le Talmud est un recueil de commentaires de la Mischna, mis par écrit au IVe s. avec des remaniements postérieurs, en sorte que la datation précise des différents passages est en réalité souvent difficile. Il peut être décrit comme une entreprise d’autolégitimation du mouvement rabbinique. L’application effective des « règles » rabbiniques est donc problématique, mais la réflexion des rédacteurs et commentateurs de la Mischna, puis du Talmud, s’appuie au moins en partie sur des réalités concrètes et des pratiques juridiques effectives. Les questions relatives à la construction et à l’espace urbain sont abordées surtout dans le traité Baba Batra. Sur le sujet qui nous intéresse, on renverra en particulier aux travaux de C. Hezser.30 Les inscriptions constituent pour notre objet une source numériquement peu importante dans la mesure où les dédicaces de construction concernent surtout la 24 Cf. Saliou 2000, 299–302. 25 Cf. Scheltema 1941 (repris in Scheltema 2004, 203–232), 424–427 (211–213); Scheltema 1946 (repris in Scheltema 2004, 247–256), 352–354 (249–252). 26 Sur ces « antécesseurs » (professeurs de droit actifs entre 533 et 560), voir Scheltema 1970 (repris in Scheltema 2004, 58–110); van der Wal – Lokin 1985, 38–46, repris et mis à jour dans Lokin – van Bochove 2011, 118–135; Ceccarelli Morolli 2016, 46–55. 27 Van der Wal 1973; voir aussi Saliou 2016, 116–117. 28 On se fera une bonne idée à la fois de la richesse de l’apport potentiel des sources rabbiniques à l’étude de l’espace urbain et la vie urbaine, mais aussi des difficultés de leur exploitation en termes proprement historiques, en lisant l’ouvrage de Daniel Sperber intitulé The City in Roman Palestine (Sperber 1998) et le salutaire compte rendu de Leah Di Segni (Di Segni 2000). 29 Voir cependant Fonrobert – Jaffee (dir.) 2007; Goodman – Alexander (dir.) 2010; Lapin 2012; Ben Eliyahu 2012. 30 Hezser 1998. Dans notre commentaire au traité de Julien d’Ascalon, nous avons tenté de mettre en évidence les points d’accroche possibles pour une comparaison avec la littérature rabbinique (voir en particulier Saliou 1996, 122–124). Il revient aux spécialistes de cette littérature d’aller plus loin dans cette réflexion.
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construction publique. Le « Serment de Sardes » est toutefois, comme on le verra, un document particulièrement précieux.31 La documentation papyrologique est particulièrement abondante en Égypte, mais plusieurs lots de papyrus proviennent du Proche-Orient. Les papyrus de l’Euphrate32 concernent une période antérieure à celle qui nous intéresse ici. Parmi les papyrus trouvés au sud du Levant, à Nessana et à Pétra, un papyrus de Pétra daté 39) rend compte des modalités de règlement d’un conflit de voisinage et constitue à ce titre une source fondamentale.33 Parmi les textes « littéraires », les correspondances se rapprochent des sources documentaires. Jouant un rôle d’intercesseurs auprès de diverses autorités, les épistoliers de l’Antiquité pouvaient avoir à s’entremettre à propos de conflits de voisinage ou d’autres conflits liés à la construction. On verra plus loin quel peut être par exemple l’apport de Libanios (IVe s.) ou de Procope de Gaza (VIe s.). Les récits hagiographiques ou historiques et les discours renseignent quant à eux surtout sur la construction publique et/ou religieuse, mais peuvent contenir des éléments d’information sur les pratiques de gestion de l’espace urbain ou sur les relations qui peuvent s’établir entre commanditaires et hommes de l’art. Les sources sont donc très diverses. Cette diversité est à la fois un avantage et un défi, dans la mesure où chaque catégorie de source présente ses difficultés propres, et où l’étude des relations entre les diverses catégories de textes normatifs est à peine engagée. L’inventaire montre aussi la part importante prise par la documentation proche-orientale dans cet ensemble. Cette prépondérance traduit la prospérité de cette région durant la période considérée. Il est possible, à partir de ces sources, d’aborder de façon concrète la question du rôle du droit dans le processus de construction, de la définition du projet à l’achèvement de l’édifice. Le droit peut être défini comme l’ensemble des règles qui régissent la conduite des hommes en société et l’une de ses fonctions est de permettre la résolution des litiges. Il convient de s’interroger sur les interactions et les conflits qui peuvent avoir lieu lors des diverses étapes du processus de construction. I Le constructeur privé, la cité et l’État Les conflits qui peuvent opposer le constructeur privé à la cité ou à l’État concernent les pratiques de remploi, l’usage abusif des espaces communs, et le cas échéant des dispositions spécifiques concernant tel ou tel aspect de la construction. Les pratiques de remploi sont encadrées avec précision par le droit, en vertu d’un principe 31 Sur ce texte connu depuis longtemps, mais auparavant mal compris, voir Di Branco 2000 (réédition du texte avec un très important commentaire; cf. SEG 52, 1177; BE 2002, 613; AE 2000, 1380). , Welles et al. phr.,, phr. voir http://www.papyrologie.paris-sorbonne.fr/menu1/collections/pgrec/peuphratedoc.htm, consulté le 15/09/2017). 33 P. Petra 39, dans Arjava et al. 2011, 41–120.
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selon lequel les marbres et ornements, qu’ils ornent des espaces ou des édifices publics ou privés, sont des éléments constitutifs du patrimoine des cités et ne peuvent en être séparés.34 La correspondance du sophiste Libanios jette un éclairage sur les modalités de mise en œuvre de ces principes généraux dans un contexte politique et idéologique spécifique, qui est celui de la montée en puissance du christianisme sous Constance, suivie de la réaction païenne promue par Julien. Le succès du christianisme a entraîné dès la première moitié du IVe s. des dégradations et des désaffectations de temples, voire des destructions.35 Ces événements ont constitué autant d’opportunités de construction pour les particuliers. Julien mena une politique de restauration des sanctuaires et des cultes. Dans ce contexte, le sophiste Libanios, pourtant réputé païen, intervint à plusieurs reprises en faveur de certaines de ses relations. L’une des ses lettres36 est rédigée en défense de l’un de ses amis qui avait construit ou embelli sa maison avec des matériaux et des éléments de décoration provenant d’un temple détruit: il y explique que la maison de son ami accroît la beauté de la ville tout entière et qu’il serait donc dommageable pour la communauté de le contraindre à la détruire. L’argument utilisé par Libanios est que l’espace urbain doit être conçu comme un tout, au sein duquel édifices publics, religieux et privés concourent également à la beauté de l’ensemble, dont la préservation ou l’accroissement prévaut sur toute autre considération. Cette conception, on le voit, est identique celle qui s’exprime dans le droit romain et la législation impériale. Libanios peut faire allusion consciemment à des textes juridiques précis, mais l’usage qu’il en fait dans l’argumentation montre surtout que ces textes eux-mêmes correspondent à des conventions largement partagées et à une conception commune de l’espace urbain. La prise en compte de cette conception, à son tour, permet d’envisager, pour les phénomènes de remploi, une interprétation en termes, non de déclin, mais de conservation patrimoniale. Une autre lettre, adressée au gouverneur de Phénicie, fait état de tentatives pour contraindre les propriétaires d’une maison aménagée à partir de temples à reconstruire ces derniers.37 Une autre encore,38 adressée également au gouverneur de Phénicie, concerne un bien hérité par un particulier de son père, qui lui-même l’avait 34 Sur ce point, voir Thomas 1998. Sur le remploi en général, la bibliographie est pléthorique. On se contentera ici de renvoyer à Baldini Lippolis 2007 (219–224 et 232–233) aux travaux de Y. Marano (Marano 2013, Marano 2015). Un groupe de recherche récemment crée consacre ses travaux au remploi dans les mondes antiques et médiévaux (CNRS, GDR Remarch; carnet de recherche: https://remarch.hypotheses.org/1). 35 La bibliographie sur « le sort des temples » est très abondante, mais les sources littéraires comme les données de l’archéologie sont délicates à interpréter (cf. Caseau 2001). On se contentera ici de renvoyer à deux passage de Libanios mentionnant des déprédations sous le règne Or.. 7, 10–11 (éd. J. Martin, CUF); Or Or.. 17, 7 (éd. R. Förster, BTL). Les de Constance: Lib. Or restitutions et restaurations effectuées sous le règne de Julien sont précisément la meilleure preuve de l’existence effective de ces déprédations. Ep.. 724 (éd. R. Förster, BTL), traduction française Cabouret 2000, n. 51, trad. anglaise Brad36 Ep bury 2004, n. 182. Sur la fonction du destinataire de la lettre, qui serait un prêtre civique du culte impérial, cf. Filippini 2016, 416. Ep.. 1364 Förster, traduction anglaise Norman 1992, n. 105, § 6–7; cf. Pellizzari 2015, 70. 37 Ep Ep.. 828 Förster. 38 Ep
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obtenu directement de Constance, et que la cité de Tyr cherche à lui confisquer en s’appuyant sur la législation de Julien rendant leurs biens aux cités.39 Ce texte est un document à exploiter dans le cadre de l’étude des transferts de compétences, de revenus, voire de biens entre les cités et l’État impérial au IVe s., qui font l’objet de vifs débats.40 Sans entrer dans le détail de cette discussion, on se contentera de souligner ici l’insécurité que ces transferts, ainsi que les changements de politique religieuse, ont pu faire peser sur le patrimoine des particuliers et sur leurs projets de construction, et la complexité entraînée par l’emboîtement et en même temps la concurrence de ces deux, voire trois instances différentes que sont la cité, l’État et l’empereur. L’espace public, dans la mesure où il est libre de constructions, peut être un enjeu dans un projet de construction ou d’extension.41 Le sol public est par définition inaliénable et soustrait à toute appropriation privée, ce qui n’exclut pas qu’il puisse faire l’objet d’une possession à titre précaire et accueillir à ce titre une construction privée.42 Par ailleurs, un espace « commun », ouvert au public, n’a pas toujours le statut de sol public, ce qui peut entraîner certaines difficultés dans l’analyse des cas particuliers.43 Dans les lignes qui suivent, on ne vise pas l’exhaustivité, l’objectif est de proposer un cadre de classement et de réflexion. Les cas d’usage temporaire, non matérialisés par une construction permanente, des espaces libres intra-urbains ne nous intéressent pas dans le cadre de cet exposé.44 Il faut cependant signaler la distinction faite implicitement par Julien d’Ascalon entre riverains et non-riverains lorsqu’il signale que les riverains bénéficient d’un droit d’usage de l’espace situé au devant de leurs locaux (§ 3645). Ce droit justifie qu’en cas de réfection d’un portique de rue associé à un immeuble les propriétaires ou occupants des boutiques du rez-de-chaussée contribuent davantage au financement des travaux que leurs voisins des étages supérieurs (§ 37). De fait, compte tenu de l’attractivité des rues à portiques et de l’abri offert par les portiques, un tel droit d’usage peut contribuer à développer significativement une activité commerciale. L’aménagement de petits équipements tels qu’auvents ou banquettes est également mentionné dans le traité de Julien d’Ascalon (§ 17, 3). On peut leur associer les escaliers montant directement de la rue à un étage, interdits à Constantinople par Cod. Iust Iust.. 8, 10, 12, 5). la loi de Zénon pour des raisons de sécurité ((Cod.
39 § 3 (…)
40 41 42 43 44 45
póó , , p , ’ : « l’empereur (Julien) ordonne, comme nous le savons, que les cités recouvrent ce qui est à elles, mais ce qui a été donné par lui (« son père », Constance II) conserve son statut ». Voir en dernier lieu Bransbourg 2008, avec une bonne introduction historiographique. Cf. Baldini Lippolis 2007, 205–212, avec des exemples. Sur la notion de publicus dans la taxinomie juridique romaine, Thomas 2002. Sur les loca publica,, De Marco 2004. Sur les usages des loca publica publica,, Camodeca 1999, Dubouloz 2003. lica Cette difficulté n’avait pas échappé aux juristes romains, cf. Saliou 2008. Le lecteur intéressé pourra se reporter à Saliou 2017, avec la bibliographie. Cf. Saliou 2005, 218–220.
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Il faut distinguer de ces petits équipements les véritables constructions, précaires mais closes et couvertes, que l’on peut qualifier d’interstitielles dans la mesure où elles s’inscrivent dans des espaces préexistants et en particulier dans les entrecolonnements des portiques. Leur aménagement peut correspondre à de véritables projets urbains. À Antioche, en 384, des locaux servant à la fois d’ateliers et d’habitations et destinés à être loués à des artisans pauvres sont aménagés dans un portique dont le statut exact n’est pas explicité. Il s’agit d’une opération de densification et de promotion immobilière. L’opération échoue en raison de l’instauration d’une taxe dont le report sur les loyers a pour conséquence leur augmentation, qui conduit elle-même à l’abandon de ces locaux.46 À Constantinople, l’empereur Zénon réglemente l’aménagement de boutiques aménagées dans les entrecolonnements des portiques, en distinguant d’une part le tronçon le plus prestigieux de la ) où les dimensions et l’apparence extérieure de ces aménagements sont strictement réglementées par l’empereur lui-même, et le reste Cod. Iust Iust.. de la ville, pour lequel il s’en remet à la diligence du Préfet de la Ville ((Cod. 8, 10, 12, 6). Rien n’est dit du statut de ces aménagements ou de leur éventuelle taxation, l’objectif de la loi est en tout cas de les contrôler mais non de les interdire.47 D’autres lois visent à limiter ces aménagements et en province quelques épisodes de destruction sont attestés:48 à Édesse en 497, la décision est le fait du gouverneur,49 mais à Gaza dans le premier tiers du VIe s., elle émane de l’évêque,50 qui fait désormais partie des autorités civiques, responsables de la gestion des espaces publics urbains.51 Un troisième type d’intervention consiste à annexer tout bonnement une partie de l’espace public à une construction riveraine, c’est-à-dire à agrandir un édifice en s’appropriant, de façon définitive, une partie de l’espace public. Une loi de 439 concernant Constantinople témoigne de la possibilité d’obtenir une autorisation pour de tels empiétements: elle prévoit une amende de 50 livres d’or en cas d’annexion à un bien privé de tout ou partie d’une ruelle ou en cas de privatisation de ).52 Le montant important de l’amende prévue manifeste le niveau social élevé des contrevenants éventuels. L’empereur Zénon réaffirme l’illégalité de telles annexions, sans rapCod. Iust Iust.. 8, 10, 12, 3). peler la possibilité d’une autorisation impériale ((Cod. Il faut souligner en conclusion de cet inventaire la diversité des types d’aménagement possibles, l’importance des enjeux économiques et fiscaux qui peuvent leur être attachés, la multiplicité et la complexité des configurations d’acteurs possibles, et la complémentarité, voire la concurrence, des instances de pouvoir. Diverses dispositions, variables de cité en cité, peuvent aussi viser l’affectation des sols,53 les 46 47 48 49 50 51 52 53
Saliou 2005, 212–214. Saliou 2005, 217–218; Saliou 2018, 84. Saliou 2005, 214–216 et 218. Ps.-Josué le Stylite (cf. Wright 1882), c. 29; cf. Saliou 2005, 218. Proc.. (cf. Greco 2010), § 52; cf. Saliou 2005, 220, n. 68. Chorikios, Or. funebr. in Proc Iust.. 1, 4, 26, 8. Cod. Iust Iust.. 8, 11, 20. Cf. Saliou 2005, 216; Saliou 2018, 86. Cod. Iust Iust.. 8, 10, 3. Cf. Cod. Iust
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saillies et surplombs,54 les évacuations,55 ou divers aspects de la construction.56 Les constructeurs doivent aussi tenir compte de leurs voisins. II Le constructeur et ses voisins Dans l’élaboration de son projet, qu’il s’agisse d’une restauration, d’une reconstruction, d’une transformation ou d’une construction neuve, le constructeur doit tenir compte des contraintes du tissu urbain et des droits que les voisins peuvent lui opposer. L’essentiel du tissu urbain, en effet, est constitué par des constructions privées et les relations de voisinage jouent un rôle crucial dans les dynamiques de production de l’espace urbain. L’un des outils à disposition des particuliers pour défendre leurs droits s’ils sont l’operis operis noui nunlésés ou menacés par une construction en cours ou en projet est l’ tiatio.. Dans le droit romain classique, l’ l’operis operis noui nuntiatio est une démarche intiatio troductive de la procédure, qui consiste à exiger par une déclaration solennelle l’interruption immédiate d’un chantier. Cette démarche entraîne l’intervention du magistrat. Toutefois le chantier peut être repris à la suite du versement d’un dépôt de garantie.57 Pour être jugée légitime, l’interruption doit être motivée par un danger immédiat, par le non-respect de dispositions générales concernant l’espace urbain ou la construction, ou enfin par une atteinte effective ou prévisible aux droits de celui qui exige l’interruption du chantier. La loi de Zénon témoigne de l’évolution des procédures dans l’Antiquité tardive. En particulier, le versement d’un dépôt de garantie n’est pas évoqué dans le texte. Il semble que ce recours ait effectivement disparu dans l’Antiquité tardive, puis ait été ensuite rétabli, puisque la possibilité Cod. Iust Iust.. 8, 10, de fournir une caution est à nouveau affirmée par Justinien en 532 ((Cod. 14). Le trait essentiel de la procédure concernée par la loi de Zénon, toutefois, est qu’elle permet à un particulier d’exiger l’interruption d’un chantier si son achèvement doit léser ses intérêts. C’est en ce sens que l’historien de la ville doit considérer qu’il s’agit toujours, au regard des configurations d’acteurs, du même outil juridique, sujet bien normalement à évolution au fil des siècles. Il s’agit d’une démarche prohibitive, qui vise à empêcher quelqu’un de faire quelque chose. La correspondance de Procope de Gaza, à la fin du Ve ou au début du VIe s., mentionne deux cas de recours à cette procédure.58 Dans le P. Petra 39, brièvement présenté plus haut, les parties en cause finissent par s’engager mutuellement à ne pas s’em-
supra,, cf. Julien d’Ascalon, § 25. 54 Outre les textes des Codes cités supra 55 Ex.: Julien d’Ascalon, § 46.4; LSR, § 106b (Selb – Kaufhold 2002, 152–156). Voir aussi à ce propos Saliou 1994, 168–170. 56 Voir par exemple Julien d’Ascalon, § 35. l’operis operis noui nuntiatio en général, Paricio 1982, Rainer 1987, 152–233 (voir aussi Rainer 57 Sur l’ 1997, Rainer 2002), Fasolino 1999, Pellecchi 2002. Sur les évolutions de l’Antiquité tardive, Paricio 1984, Fargnoli 2003; Saliou 2018, 87–91; Saliou 2019, 184–187. 58 Saliou 2014.
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pêcher d’effectuer certains travaux, certainement dans le cadre de cette même procédure.59 Il faut peut-être ajouter le témoignage d’un papyrus égyptien du VIe s. prohibitio..60 Toutefois, une construction pour comportant un acte déclaratif d’une prohibitio être empêchée pour d’autres motifs que la considération des droits des propriétaires voisins et l’on restera donc prudent. En ce qui concerne le détail du déroulement de la procédure il faut distinguer le cas de Constantinople de celui des provinces. À Constantinople, Zénon affirme et renforce le rôle des services du Préfet de la Ville en matière de conflits de voisiCod. Iust Iust.. 8, 10, 12, 8). Dans les provinces, c’est le gouverneur qui est resnage ((Cod. Iust.. 8, 10, 14). Cependant, par le jeu des ponsable du règlement du litige (cf. Cod. Iust renvois en appel, une affaire commencée en province peut remonter jusqu’à la capitale: une lettre du sophiste Procope de Gaza en faveur d’un ami aux prises avec son voisin dans le cadre d’un conflit de ce type est adressée à ses frères, qui vivent à Constantinople et dont l’un au moins est avocat auprès de la Préfecture du prétoire.61 À Constantinople, ce n’est pas le Préfet de la Ville qui tranche en première Cod. Iust Iust.. 8, 10, 12, 7a). La loi de Zénon reste vague sur instance, mais un arbitre ((Cod. le statut et les compétences de cet arbitre, mais une loi d’Anastase émise entre 503 l’operis operis noui nuntiatio est du ressort d’architectes attachés à la et 512 précise que l’ Cod. Iust Iust.. 12, 19, 12, 1). En province, le recours à l’arbitrage Préfecture de la Ville ((Cod. d’un expert n’est pas exclu, même si Justinien ne le mentionne pas. On peut se demander si Julien d’Ascalon n’était pas rattaché à une administration provinciale à titre d’architecte expert. Une interruption de chantier peut avoir des conséquences d’autant plus dramatiques qu’elle est longue: au dommage que constitue intrinsèquement la mise en retard des travaux s’ajoute le risque de dégradation, voire de destruction des matéCod. Iust Iust.. 8, 10, 12, 7c). Zénon signale, pour les déplorer, les délais entraînés riaux ((Cod. par la pratique de l’appel, et l’objectif de sa réforme est précisément de les réduire Iust.. 8, 10, 12, 7). Justinien impose un délai maximal de trois mois pour le (Cod. Iust Cod. Iust Iust.. 8, 10, 14). premier règlement du contentieux ((Cod. Quels sont les droits qu’un voisin peut opposer à un autre de façon à le contraindre à interrompre ses travaux? La loi de Zénon met en évidence l’existence de deux types de droits acquis: d’une part ceux que garantissent des accords préalables, d’autre part ceux que garantit la uetus forma ( € • ,‚ ƒ • ). La notion de uetus forma émerge à partir du IIIe s. Elle désigne la configuration des édifices au regard de l’éclairement naturel, des vues, des écoulements et évacuations, etc.62 Le recours à la uetus forma pour légitimer une interruption de chantier suppose la reconnaissance implicite d’un principe selon lequel aucun nouvel aménagement ne doit modifier cette configuration au détriment du voisin. Un tel principe, appliqué systématiquement, conduirait à figer radicalement le tissu urbain, tout changement de configuration pouvant entraîner une démarche d’interruption 59 P. Petra 39, l. 460–475. 60 Harrauer – Pintaudi 2009–2010, 83–85. Ep.. 137 (éd. A. Garzya – R. Loenertz), cf. en dernier lieu Saliou 2014, 204– 61 Procope de Gaza, Ep 210. 62 Saliou 1994, 221–223.
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du chantier. Toutefois Zénon précise que dès lors que la distance entre deux édifices est supérieure à 12 pieds (c’est-à-dire un peu plus de 3 m), la uetus forma ne constitue plus un motif recevable d’interruption définitive des travaux.63 Or en 531 Justinien étend à l’ensemble de l’empire les innovations contenues Cod. Iust Iust.. 8, 10, 13). On peut se demander quelles sont ces dans la loi de Zénon ((Cod. si quid is ex ea lege innouatum est a uetere dispositione dispositione). ). Il peut s’agir, innovations ((si précisément, de l’introduction de mesures de distance au-delà desquelles la uetus forma n’est pas opposable, encore que ce ne soit pas réellement une innovation, car la loi de Zénon se donne explicitement comme objectif de compléter et de préciser une loi de son prédécesseur Léon où des indications en ce sens, plus vagues, figuCod. Iust Iust.. 8, 10, 12, 1–2). Un petit texte transmis sous le titre « Extraits raient déjà ((Cod. utiles, sous forme résumée, tirés du livre 4 du ‘ Sur les servitudes’ de Stéphanos »64 fournit peut-être une confirmation de l’interprétation que nous proposons ici. Stéphanos était un professeur de droit actif vers 540.65 Parmi les extraits de son ouvrage sur les servitudes figure l’adaptation en grec du fragment suivant, attribué à Ulpien . 8, 2, 11): Qui luminibus vicinorum officere aliudve quid facere contra commodum eorum vellet, sciet se formam ac statum antiquorum aedificiorum custodire debere. Qui voudrait faire obstacle aux lumières de ses voisins ou faire quoi que ce soit contre leur intérêt, doit savoir qu’il doit conserver la forme et la disposition des constructions anciennes.
Dans l’adaptation de Stéphanos, la notion de uetus forma est remplacée par la mention de la limite des douze pieds: „
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Iust.. 8, 10, 12, 2–3: 2. (…) 63 Cod. Iust Œ ‚ó Ž Œ • • , o Œ ‚ƒ ‰ ‚ Œ € • “ ,‚ ‹Œ Œ ‚ ‰ ”ˆ Œ . ‡ • ‰ ‰ ‚ ‰‚ ‹Œ — , ˜ ™ • Š ‹' š “ ”ˆ ‡ Œ Œ— Œ ‚ Œ‚ ‡ ‹› Š›Š ™ , • ‚ ‰ ‹ € ‚Œ ƒ • € (…). 3a •• ƒ‚ ƒ • ó ž ‡ ƒ € • ‰ Ÿ , ¡ Ž ‚ ˜ • • — ž , ™ ˜ ›‚ ƒ‚ ƒ • ¢ ˆ ‰ ƒ • ó ž ¢ Œ ‚ € .: « 2 (…) nous prescrivons qu’il y ait douze pieds entre deux immeubles, en commençant à la partie du bâtiment qui se trouve au-dessus des fondations et en observant cette distance jusqu’au sommet de l’élévation; et que, à qui observera cette distance à l’avenir, il soit permis d’élever son immeuble à la hauteur qu’il voudra et d’y aménager des fenêtres dites « vues » et « jours », conformément à la divine législation, qu’il veuille construire un nouvel immeuble, en restaurer un ancien, ou bâtir après destruction par le feu (…). 3a Mais si la construction ancienne et la forma)) étaient le telles que la distance configuration préexistante ( ƒ € • : uetus forma entre chaque immeuble était inférieure à douze pieds, qu’il ne soit pas possible ni d’élever la construction ni de faire des fenêtres au mépris de la configuration ancienne ( ƒ ‚ ƒ • : forma)) ». uetus forma 64 Cf. Scheltema 1970, 68. 65 Sur ce personnage, voir supra n. 26 les références bibliographiques concernant les antécesseurs.
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Catherine Saliou (Note) que personne ne peut élever une construction de façon à faire obstacle aux lumières de son voisin à une distance inférieure à 12 pieds.
De plus, la conclusion d’un accord préalable entre voisins peut permettre aux constructeurs de modifier la uetus forma à l’intérieur même de la limite de distance indiquée.66 Ces accords sont assimilés aux « servitudes » du droit romain classique par les juristes du VIe s.: lorsque Justinien cite la loi de Zénon, il la cite comme la Cod. constitutio ( ) quae de seruitutibus loquitur « la loi qui traite des servitudes » ((Cod. Iust.. 8, 10, 13). Il faudrait reprendre dans cette perspective l’étude de la doctrine Iust juridique en matière de droit des servitudes telle qu’elle est présentée dans le Digeste, en se demandant comment ces textes étaient compris et appliqués au VIe s. L’existence d’une servitude grevant le fonds du constructeur, à rebours, peut aussi être opposée à un constructeur par ses voisins. C’est ce que montre une lettre de Procope de Gaza en faveur d’amies qui ont tenté d’interrompre le chantier d’un voisin, car ce chantier, de nature à rendre leur maison « inhabitable » à ce que prétend le sophiste,67 c’est-à-dire par exemple à en diminuer l’éclairement naturel, a été engagé malgré l’existence d’un accord assimilable à une servitude lui imposant de s’abstenir de tels travaux (on pense par exemple à une seruitus non altius tollendi68). Quoi qu’il en soit, les indications de distance en-deçà ou au delà desquelles il est possible ou non, par exemple d’obturer ou de diminuer les lumières ou les vues du voisin,69 en particulier la vue sur la mer,70 ou au contraire de ménager des vues qui gêneraient son intimité71 ne correspondent pas à une réglementation urbaine qui s’imposerait à tous et dont le respect serait vérifié par la puissance publique, comme les dispositions concernant le remploi ou les usages de l’espace public.72 Il s’agit Iust.. 8, 10, 12, 1b: (…) 66 Cod. Iust ‚£ , • ‹› ¢ ‚ ¤ ž ž € • , ˜ € †• ™ ‰ Œ ‹¤ Œ ¢ • ‚ › “ › • € , • ‡ Š , ¥ ‰ ƒ ‹› , ‰ —‚ ž. « (…) nous ordonnons que si celui qui fait les travaux a le recours d’un accord ou d’un engagement, il lui soit permis, en vertu de cet accord, de construire même s’il semble de la sorte nuire aux voisins auxquels l’accord est opposable. ». Ep.. 14 (éd. A. Garzya – R. Loenertz), cf. Saliou 2014, 202–204. 67 Procope de Gaza, Ep 68 Sur ce type de servitude, cf. Saliou 1994, 217–219. Iust.. 8, 10, 12, 1–2. 69 Cod. Iust 70 Cod. Iust. 8, 10, 12, 4: (…) (…) ¦ ‚‡ ‚— ž • • Œ ž • ƒ ‚ < •> ž — ž ‹ › ó‚› , › › ‡ Š ž • ó ž , • ‡ • ¨ ‹ ž • ™ ‚‡ — ¨‚ ˆ Œ ž . « (…) afin que pour tout immeuble en construction, s’il y a une distance de cent pieds entre les lieux qui se font face, la construction ait lieu sans être empêchée, même si elle nuit à la vue sur la mer de l’immeuble d’autrui. » L’opinion selon laquelle la mesure de 100 pieds figurant dans ce texte serait une indication de hauteur maximale des édifices et non une indication de distance entre les édifices (Litavrin 2002, 386–387) ne peut reposer que sur une erreur de traduction. Iust.. 8, 10, 12, 3. 71 Cod. Iust 72 Puisque nous renvoyons nos lecteurs, sur certains points à l’article d’I. Baldini Lippolis (2007), qui rassemble utilement une abondante documentation, il nous aussi les mettre en garde au sujet du développement de la page 225 sur des prescriptions de distance et de hauteur qui auraient eu cours à Constantinople et dont il serait possible d’étudier l’évolution: ce développement, qui ne présente au reste aucune référence aux sources, ne repose sur rien à notre connaissance.
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de définir les limites de possibilité d’une action en justice d’un voisin contre un autre. C’est de la même façon qu’il faut comprendre les apparentes prescriptions réglementaires du traité de Julien d’Ascalon qui se présentent comme des indications de distance minimale entre les édifices, en particulier dans la première partie de l’ouvrage, consacrés aux bains et aux lieux d’activités artisanales,73 ou dans les développements concernant les fenêtres, qui présentent des points de rapprochement avec des dispositions analogues de la loi de Zénon.74 C’est également ainsi qu’il faut comprendre les dispositions concernant divers types de vues qui figurent dans l’appendice au traité de Julien d’Ascalon.75 Dans le traité de Julien d’Ascalon intervient également une autre notion: la .76 Le mot, que l’on peut traduire dans certains contextes par le mot « possession », désigne dans ce traité une bande de terrain d’environ 1,50 m rendue inconstructible pour son propriétaire, dans certaines limites, par le fait qu’un édifice voisin y prend jour ou y fait s’écouler ses gouttières (Julien d’Ascalon, § 28, § 39). Un cas rapporté par Procope de Gaza concerne la construction d’un terrain nu servant de source d’éclairement à un édifice voisin.77 Les explications de Procope montrent forma,, l’existence d’un accord conclu avec le que, comme dans le cas de la uetus forma voisin aurait dû permettre malgré tout l’édification d’une construction sur cette bande de terrain par son propriétaire. Le conception d’un projet architectural impliquait donc de tenir compte des contraintes du bâti existant et du jeu complexe entre les limites de recevabilité d’une démarche d’interruption de chantier, les modes de protection automatique des droits du voisin comme la uetus forma ou la , et les servitudes dans la définition qui était la leur dans l’Antiquité tardive. III Le constructeur et les professionnels de la construction Les relations entre les différents acteurs de la construction doivent aussi être prises en compte. La conception du projet peut être le fait d’un architecte, de l’entrepreneur78 ou du commanditaire lui-même. La lettre adressée par l’évêque Grégoire de 73 Julien d’Ascalon, § 2–15. Cf. Saliou 2012, 43–47, avec tableaux synoptiques. 74 Julien d’Ascalon, § 16, 21.1, 26. Pour une comparaison avec les dispositions de la loi de Zénon, cf. Saliou 2000, 299–301. 75 Julien d’Ascalon, § 52–56. Sur la question de la protection des divers types de vues ou, à rebours, de l’intimité du voisin, cf. Saliou 1994, 242–251. Pour une étude d’ensemble de la notion de « vue » dans l’architecture privée, à partir des sources littéraires et iconographiques, cf. Morvillez 2017. 76 Cf. Saliou 1996, 128–129. Ep.. 137 (éd. A. Garzya – R. Loenertz), cf. Saliou 2014, 204–210 et fig. 1–2. 77 Procope de Gaza, Ep Cod. Iust Iust.. 8, 10, 12, 5e), l’entre78 Dans un passage de la loi de Zénon concernant les balcons ((Cod. preneur est considéré comme un responsable possible de la conception au même titre que l’architecte: E k ó w k , ó kk ó , k V k V k€ V k • ‚ ‚ ƒ „ … †, k ‚ ‡ V • k w ó ˆ V ‰ V k V k Š , k V • V • ‹óV Œ „ • Š ƒ k Š V V ó wV Š .
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Nysse à la fin du IŽe s. à son collègue Amphiloque d’Iconium à propos de la construction d’un baptistère montre bien, non seulement que la conception du projet est entièrement due à Grégoire, mais aussi que les compétences architecturales de ce dernier sont partagées par Amphiloque: la description du projet par Grégoire doit permettre à Amphiloque d’en prendre une exacte mesure et d’embaucher à Iconium le nombre nécessaire de travailleurs.79 La réalisation du projet implique l’intervention de professionnels du bâtiment (tailleurs de pierre, maçons, charpentiers) et de manœuvres. Dans un passage de la loi de Zénon est opérée une distinction80 entre l’entrepreneur ( ˆ V, ergolabos)) et l’artisan ou ouvrier qualifié ( • technitès)) analogue à celle qui est bos V, technitès faite vers la même époque dans un passage de la Vie de saint Hypatius,81 où les ergolaboi)) sont à la fois opposés et associés aux « ouentrepreneurs ( ˆ , ergolaboi ergatai). ). On est tenté de penser que l’ l’ergolabos ergolabos est lié au comvriers » ( , ergatai manditaire par un contrat de construction qui serait une variante de contrat d’entreprise, conclu sur l’engagement de produire un résultat défini, et que le technitès est lié quant à lui à l’entrepreneur par un contrat de travail, voire de service, avec un salaire journalier, mais les choses ne sont pas aussi simples. Le mot technitès en effet peut aussi désigner le responsable de la construction, le maître d’œuvre,82 et dans le « Serment de Sardes »83, il alterne avec le participe « qui a pris un travail en ergolabèsas)) (l. 24, l. 26, etc.), ce qui semble impliquer charge » ( ˆ V, ergolabèsas que les « artisans » dont il s’agit pourraient aussi bien être désignés comme des ergolaboi.. Au reste, dans la loi de Zénon elle-même, « artisans » « entrepreneurs », ergolaboi technitai)) et « entrepreneurs » ((ergolaboi ergolaboi)) sont associés dans l’énoncé des dispo(technitai sitions concernant les abandons de chantiers.84 L’ambiguïté réside dans le fait que l’étymologie du terme ergolabos renvoie à un statut de travail, mais celle du terme technitès à une compétence technique: si les deux mots peuvent être opposés dans le cadre d’une hiérarchie définie par une relation entre employeur et salarié, cette opposition n’est que contextuelle, elle n’a rien de systématique. Quant au mot oikodomos)) qui apparaît aussi souvent dans les textes et qui figure nok ó V ((oikodomos tamment dans l’intitulé du « Serment de Sardes » (l. 1), comme un équivalent du terme technitès utilisé dans la suite du texte, il renvoie à la construction comme domaine d’activité, en-dehors de toute considération de statut, et il en est de même
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« •t si un balcon ou un escalier se trouve en infraction à notre loi, non seulement l’ouvrage sera démoli, mais le propriétaire de l'immeuble subira une amende de dix livres d’or, l’architecte ou l’entrepreneur ayant conçu le plan versera dix autres livres, et l’artisan responsable de la réalisation matérielle, s’il n’est pas susceptible, en raison de sa pauvreté, d'être soumis à l’amende, sera roué de coups et chassé de la ville. » Ep.. 25, 2–3 (éd. P. Maraval, SC 363). Grégoire de Nysse, Ep supra,, n. 78, la fin du passage cité. Žoir supra Callinicos, Vita Sancti Hypatii 44 (éd. G. J. M. Bartelin•, SC 177). Le technitès est ainsi mentionné dans des inscriptions édilitaires, comme l’auteur du bâtiment (Pour des exemples en Syrie du Nord entre la fin du IŽe s. et le début du Že s., voir Bavant 2013, 38, tableau 1). Di Branco 2000. Iust.. 8, 10, 12, 9. Cod. Iust
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pour les termes plus spécialisés. L’emploi d’un terme comme technitès ou oikodomos ne permet pas de préjuger d’un type de relation contractuelle, et l’emploi du terme ergolabos ne permet pas non au reste de préjuger du poids social et économique de celui qu’il désigne. Nombre de professionnels de la construction devaient être de petits artisans, susceptibles d’accepter aussi bien un (modeste) contrat de construction, éventuellement dans le cadre d’une sorte de sous-traitance, qu’un contrat de travail salarié, voire un contrat de service. Certains commanditaires également, parce qu’ils avaient les compétences nécessaires pour suivre le chantier, pouvaient hésiter entre le recours à un entrepreneur ou le recrutement et la supervision directe d’ouvriers salariés. Grégoire de Nysse explique que « certaines personnes » (des entrepreneurs, concurrents ou associés?) lui avaient proposé de mettre un groupe de trente ouvriers à son service, pour une somme forfaitaire, mais qu’il a décidé d’embaucher individuellement des ouvriers, en concluant avec eux des contrats qui ne sont pas de simples contrats de travail journalier puisqu’ils prévoient la quantité de travail à faire par jour.85 Au-delà du vocabulaire, la diversité et la pluralité des relations contractuelles susceptibles d’être nouées autour du chantier doivent être soulignées. Une difficulté à laquelle doit faire face le commanditaire est l’abandon de chantier, qui correspond à une rupture unilatérale de contrat. Ce problème est notamment abordé au Že s. dans deux documents importants, rapprochés dans le temps: à Sardes, le « Serment », daté de 459,86 et à Constantinople la loi de Zénon, postérieure d’une vingtaine d’années. Toutefois il ne faut pas surestimer cette coïncidence ni l’interpréter trop rapidement en termes d’histoire économique: Grégoire de Nysse, à la fin du IŽe s. mentionne le cas d’un ouvrier qui a abandonné le chantier pour des raisons de caractère,87 et l’une des clauses du « Serment de Sardes » concerne les interruptions pour cause de maladie (l. 39–43). Les solutions adoptées sont différentes à Sardes et à Constantinople: à Sardes, il s’agit d’une prestation de serment de la part des professionnels, concernant aussi bien la construction publique que la construction privée (l. 25), et prévoyant, en cas de non-respect des engagements, le payement d’une amende fixe, versée à la cité (l. 45–46); à Constantinople, le Préfet de la Žille est chargé d’imposer aux professionnels défaillants de dédommager les Cod. Iust Iust.. 8, 10, 12, 9). La diversité des configurations possibles, commanditaires ((Cod. en fonction des contextes locaux, doit à nouveau être soulignée. La question du remplacement des professionnels défaillants est un corollaire de celle de l’abandon de chantier: une solution pour poursuivre les travaux est en effet est de nouer un nouveau contrat avec une autre entreprise ou un autre homme de l’art. Les technitai de Sardes s’engagent à accepter de tels remplacements (l. 23– 29), et la loi de Zénon interdit les accords entre professionnels visant à les empêcher Iust.. 8, 10, 12, 9a–b). L’empereur réitérera cette interdiction en 483, dans le (Cod. Iust cadre d’une loi concernant de façon plus générale les ententes visant à fausser la Cod. Iust Iust.. 4, 59, 2). On pourrait voir dans cette réitération un indice concurrence ((Cod. Ep.. 25, 12 et 15. 85 Grégoire de Nysse, Ep 86 Di Branco 2000. Ep.. 25, 16. 87 Grégoire de Nysse, Ep
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d’un manque de main d’œuvre dans le bâtiment en cette florissante seconde moitié du Že s., mais il peut aussi bien s’agir de remédier à un problème structurel, dépassant le cadre de la construction. La réflexion sur les relations entre le droit et la construction s’inscrit ainsi dans une sphère plus vaste qui est celle du rôle du droit dans la régulation des rapports entre les agents économiques. Conclusion On n’a fait ici qu’esquisser les lignes directrices d’une synthèse. •n l’état, toutefois, ces remarques montrent que la construction privée urbaine s’inscrit dans un complexe jeu de relations entre acteurs multiples, régulées de diverses façons par le droit, selon des modalités dont le détail peut varier dans l’espace, en fonction des traditions juridiques et des décisions prises localement, mais aussi dans le temps: l’historicité du droit doit être prise en compte, dans toute sa complexité. L’Antiquité tardive, du IŽe au ŽIe s., s’avère bien éloignée d’être une période de négligence du pouvoir par rapport à l’espace urbain. Il vaut la peine de s’interroger sur les raisons de la richesse et la diversité des sources de cette période sur les questions de voisinage et de construction privée: s’agit-il d’un pur hasard, ou de l’effet mécanique de l’accroissement quantitatif de nos sources? La présence même d’un titre consacré à la construction privée dans le Code de Justinien, alors qu’il n’y en avait pas dans le Code Théodosien, plaide plutôt pour une prise de conscience par le législateur de l’importance de la construction privée dans la constitution du tissu urbain et la fabrication de la ville. Bibliographie A. Arjava et al., The Petra Papyri IŽ, Amman 2011. I. Baldini Lippolis, Private Space In Late Antique Cities: La‘s And Building Procedures, in: L. Özgenel – A. Sarantis – L. Lavan, Housing in Late Antiquity (Late Antique Archaeology 3/2), Leiden – Boston 2007, 195–238. B. Bavant, Dans le massif calcaire de Syrie du Nord, les propriétaires non résidents de l’époque byzantine sont-ils vraiment “invisibles’?, in: G. Charpentier – Ž. Puech, Žilles et campagnes aux rives de la Méditerranée ancienne. Hommages à Georges Tate (Topoi, Supplément 12), Lyon 2013, 33–59. •. Ben •liyahu (dir.), Handboo• of Je‘ish literature from Late Antiquity, 135–700 C•, Oxford 2012. F. H. Blume – B. W. Frier et al., The Codex of Justinian: a ne‘ annotated translation, ‘ith parallel Latin and Gree• text based on a translation by Justice Fred H. Blume, Cambridge – Ne‘ Yor• 2016. S. Bradbury, Selected letters of Libanius from the age of Constantius and Julian, Liverpool 2004. G. Brands, Antiochia in der Spätanti•e: Prolegomena zu einer archäologischen Stadtgeschichte, Berlin 2016. G. Bransbourg, Fiscalité impériale et finances municipales au IŽe siècle, Antiquité tardive 16 (2008) 255–296. B. Cabouret, Libanius, Lettres aux hommes de son temps, Paris 2000.
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Droit et construction privée urbaine dans l’Orient
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C. Saliou, Histoire urbaine de l’Orient romain tardif. Conférences de l’année 2014–2015, in: Annuaire de l’•PH• 147, 2014–2015 (2016) 111–117. C. Saliou, Toposinschriften. Écriture et usages de l’espace urbain, in: Zeitschrift für Papyrologie und •pigraphi• 202 (2017) 125–154. C. Saliou, « Construire en capitale”: la loi de Zénon sur la construction privée à Constantinople (CJ ŽIII, 10, 12): une relecture », in C. Morrisson – J.-P. Sodini, Constantinople réelle et imaginaire. Autour de l’œuvre de Gilbert Dagron, Paris 2018, 79–102. C. Saliou, Histoire urbaine de l'Orient romain tardif. Conférences de l'année 2017–2018, in: Annuaire de l'•PH• 150, 2017–2018 (2019) 180–187. H. Saradi-Mendelovici, The demise of the ancient city and the emergence of the medieval city in the eastern roman empire, in: •chos du Monde Classique/Classical vie‘s 22, n. 7 (1988) 365– 401. H. Saradi-Mendelovici, The Dissolution of the urban Space in the •arly Byzantine Centuries: the evidence of the imperial Legislation, in: •‚„ —€ k 9 (1994) 295–308. H. G. Saradi, The Byzantine city in the sixth century. Literary images and historical reality, Athènes 2006. H. J. Scheltema, De antiquae iurisprudentiae reliquis in libris byzantinis oblectamentum, in: Tijdscrift voor Rechtsgeschiedenis 17 (1941) 412–450. H. J. Scheltema, The nomoi of Iulianos of Ascalon, in: Symbolae ad jus et historiam antiquitatis pertinentes (Symbolae van Oven), Leyde 1946, 349–360. H. J. Scheltema, L’enseignement de droit des antécesseurs, Leyde 1970. H. J. Scheltema. (N. van der Wal et al. dir.), Opera minora ad iuris historiam pertinentia, Groningue 2004. W. Selb – H. Kaufhold, Das syrisch-römische Rechtsbuch, Žienne 2002. D. Sperber, The city in Roman Palestine, Ne‘ Yor• – Oxford 1998. Y. Thomas, Les ornements, la cité, le patrimoine, in: Cl. Auvray-Assayas, Images romaines, Paris 1998, 263–284. Y. Thomas, La valeur des choses. Le droit romain hors la religion, in: Annales HSS 57 (2002) 1431– 1462. Sp. N. Troianos (traduit par P. Buongiorno), Le fonti del diritto bizantino, Turin 2015. N. van der Wal, La constitution de Zénon k ƒ et sa place dans le code Justinien, in: X (Mélanges Zepos), I, Athènes – Fribourg 1973, 725–734. N. van der Wal – J.H.A Lo•in, Historiae iuris graeco-romani delineatio. Les sources du droit byzantin de 300 à 1453, Groningue 1985. C. B. Welles et al., The •xcavations at Dura-•uropos. Final Report Ž, 1, The Parchments and papyri, Ne‘ Haven 1959. W. Wright, The Chronicle of Joshua the Stylite composed in syriac, A. D. 507, Cambridge 1882.
Christoph Dartmann / Kaja Harter-Uibopuu (Hg.)
Geschichtsglauben Studien zum Spannungsfeld von Geschichtskultur, Geschichtswissenschaft und Religion Hamburger stuDien zu gesellscHaften unD Kulturen Der VormoDerne – banD 19 2022. 106 Seiten 978-3-515-13185-8 Kartoniert 978-3-515-13186-5 e-booK
Geschichte entsteht, wenn Menschen vielgestaltige Spuren der Vergangenheit als bedeutungstragenden, sinnvollen Zusammenhang lesen und erzählen. Geschichtswissenschaft basiert ebenso wie andere Praktiken der Geschichtskultur auf dem Glaubenssatz, dass eben diese Spuren mehr sind als ein zufälliges Durcheinander unendlicher Episoden. Doch worauf beruht diese Überzeugung und wann wird ein Ereignis zu einem ‚Teil der Geschichte‘? Welche Bedeutung hatte und hat Geschichte für vormoderne und moderne Gesellschaften? Die Autorinnen und Autoren laden zu einer Reflexion der geschichtskulturellen Praxis und des Selbstverständnisses der Geschichtswissenschaft ein. Sie zeichnen nach, wie von der Antike bis zum 20. Jahrhundert der Zusammenhang von bedeutsamen Ereignissen betont worden ist, um aktuellen Bedürfnissen nach Tradition und Identität zu dienen – oder um Gespenster aus Vergangenheit und Zukunft zu beschwören.
Die Herausgeber Christoph Dartmann unterrichtet Mittelalterliche Geschichte an der Universität Hamburg. Neben seinen Arbeiten zur Geschichte Italiens und des Mittelmeeraums und zur Geschichte städtischer und religiöser Kultur interessiert er sich für das Mittelalter in der Moderne – in der Fachgeschichte und in der populären Geschichtskultur. Kaja Harter-Uibopuu ist Professorin für Alte Geschichte an der Universität Hamburg und Vizesprecherin des Exzellenz-Clusters „Understanding Written Artefacts“. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen neben der griechischen Epigraphik vor allem die antike Rechts- und Verfassungsgeschichte sowie das Grabwesen und Grabrecht im griechisch-römischen Kleinasien.
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Tobias Nowitzki
Antike Ritualmagie Die Rituale der ägyptischen Zauberpapyri im Kontext spätantiker Magie hAmburger stuDIen zu gesellschAften unD Kulturen Der VormoDerne – bAnD 17 2021. 494 Seiten 978-3-515-13090-5 gebunDen 978-3-515-13091-2 e-booK
Die spätantiken Zauberpapyri aus Ägypten bieten einen reichen Fundus an Informationen über die in der Spätantike alltägliche Praxis der Magie sowie die Magier und ihre Kundschaft. Die Magier gestalteten ihre Rituale sehr differenziert, immer passend zum jeweiligen Ziel des Rituals. Doch welche Dienstleistungen genau boten die Magier ihrer Kundschaft an? Was hatten die Rituale gemein? Und wie wurden sie an die jeweilige Situation angepasst? Tobias Nowitzki betrachtet erstmals alle Rituale des Corpus gemeinsam – inklusive der erst in den letzten Jahren edierten Stücke – und ordnet sie unterschiedlichen Arten der Magie zu. Er geht den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der verschiedenen Zauberarten nach und setzt dieses Corpus schließlich in Bezug zu verwandten Formen der Magie. Als Vergleichsbeispiel dient das jüdische Buch
der Geheimnisse, Sefer Ha-Razim. Anhand dieses Vergleiches kann Nowitzki Hinweise auf gemeinsame Strömungen in der Gedanken- und Vorstellungswelt der spätantiken Magie ziehen. Der Autor Tobias Nowitzki hat Geschichte und Latein an der Universität Hamburg studiert und dort in Alter Geschichte zur antiken Magie promoviert. Derzeit arbeitet er als Lehrer für Latein und Geschichte. Aus Dem InhAlt Einleitung | Magiedefinition | Ritualdefinition | Quellen magischer Macht | Sexualmagie | Mantik | Heilzauber | Schutzzauber | Gunstzauber | Schadenzauber | Varia | Jüdische Magie | Fazit | Literatur- und Quellenverzeichnis | Liste der Zauber | Register
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Werner Riess (Hg.)
Colloquia Attica III Neuere Forschungen zu Athen im 4. Jahrhundert v. Chr. (Dys-)Funktionen einer Demokratie Hamburger stuDien zu gesellscHaften unD Kulturen Der VormoDerne – banD 16 2021. 288 Seiten mit 3 s/w-Abbildungen und 5 Tabellen 978-3-515-13067-7 Kartoniert 978-3-515-13070-7 e-booK
Wie funktional reagierte Athen auf Krisen im 4. Jahrhundert v. Chr.? Modernitätskonzepte wie ein zunehmendes Expertentum, Rationalisierung sowie Individualisierung trugen zur Stabilität des ökonomischen, sozialen und politischen Systems bei. Die reichsten Athener finanzierten die Flotte, aber der Durchsetzung der Interessen von Lobbygruppen waren enge Grenzen gesetzt. Positive wie negative Konsequenzen von Gerüchten, denen vor allem die Eliten ausgesetzt waren, beförderten die Funktionalität des Systems. Das Rechtswesen wurde mit Schutzmaßnahmen gegen Überlastung versehen und die egalitäre Praxis von Ehrbezeugungen schuf einen gewissen Ausgleich zwischen Demokratisierung und Oligarchisierung. Aristoteles und die Redner betonen unterschiedliche Facetten der politischen Institutionen. Isokrates befürwortet einen verantwortungsvollen „Imperialismus“, der von den Bundesgenos-
sen freiwillig anerkannt würde. Selbst die Philosophen, die in Distanz zur politischen Praxis stehen, üben keine fundamentale Systemkritik. Menander oszilliert schließlich zwischen Demokratie und Oligarchie und gestaltet somit einen gesellschaftlichen Umbauprozess im Frühhellenismus mit, der frei von Verwerfungen blieb. Die Herausgeber Werner Riess ist Professor für Alte Geschichte an der Universität Hamburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Kriminalitätsgeschichte des Imperium Romanum in kulturvergleichender Perspektive, Randgruppen- und Außenseiterforschung, Apuleius und die Zweite Sophistik, Gewalt in der Antike, das klassische Athen (besonders Recht, Rhetorik, Komödie), antike Magie sowie die Digital Classics.
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Wer haftete für Baumängel in der Antike? Wie war das staatlich-städtische Bauen organisiert? Und welchen Stellenwert hatten Bürgen im Rahmen von Bauverträgen im klassischen und hellenistischen Griechenland? Diesen und weiteren Fragen widmen sich die Autorinnen und Autoren und beleuchten so das Phänomen „Baurecht“ aus ganz unterschiedlichen Perspektiven: Die Rechtsakte, die im Rahmen privater und öffentlicher Bautätigkeit stets eine große Rolle spielen, reichen von Ausschreibungen, die von Bauherren verfasst, und Aufträgen, die an ausgesuchte Unterneh-
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mer vergeben werden, bis hin zu Konsequenzen, die drohen, wenn es zu Unrechtmäßigkeiten oder Fehlern kommt. Die Verantwortlichkeiten im Rahmen der Bauprojekte lassen sich so gut darstellen. Epigraphische, literarische und juristische Quellen aus der Antike bieten zu diesen Vorgängen in der klassischen und hellenistischen griechischen Polis sowie im Römischen Reich eine Fülle an Material. Archäologische Überreste können zudem die oftmals komplexen Rechtsvorschriften verständlich machen und die Verbindung zwischen Theorie und Praxis verdeutlichen.
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